Buch 1, Kapitel IX: „Johann I. & Otto III. – Teilung der Mark“


Einige Jahre des Friedens

Der relativ kurze dänische Winterfeldzug 1253 bildete den Abschluss eines Jahrzehnts wiederholter kriegerischer Auseinandersetzungen, an dessen Ende sich Brandenburg unter seinen askanischen Markgrafenbrüdern Johann und Otto als dominierende Macht im nordostdeutschen Raum hervortat. Im Wettlauf zur Oder hatte es jeden rivalisierenden Mitfürsten überflügelt und beiseite gedrängt. Die Zerwürfnisse unter den schlesischen Piasten brachte im Konzert mit dem vormals gegnerischen Erzstift Magdeburg das Land Lebus ein, womit nicht nur die Oder in großer Breite erreicht war, sie wurde dabei weiträumig überschritten. Die Pforte in das Gebiet trans odera, dem Territorium jenseits der Oder, war geöffnet. Die Landschaft war wie das alte Territorium der Mark slawisch besiedelt, und wurde seit einigen Jahren von den schlesischen Herzögen zur landwirtschaftlichen Hebung mit deutschen Kolonisten durchmischt, die auch jenseits der Oder bald bestimmend wurden, zumal in den aufblühenden Stadtsiedlungen. Gleich den Gebieten zwischen Elbe und Havel, im nächsten Expansionszug gefolgt von den Regionen zwischen Havel und Oder, verschmolzen auch die Bevölkerungsteile jenseits der Oder mit der Zeit zu jenem eigentümlichen Menschentypus, den man jetzt zwar noch nicht Märker im landsmannschaftlichen Sinne nennen konnte, aus dem dieser aber in den kommenden Jahrhunderten erwuchs.

Noch teilte sich Brandenburg das Land Lebus mit dem Erzstift Magdeburg, das seinerseits über keinen direkten Landzugang zu seiner Exklave rechts und links der Oder verfügte und daher vom guten Einvernehmen mit der Mark abhängig war, was dem Verhältnis beider Fürstentümer nur gut tun konnte, nach den vielen Jahren wiederholter Fehden und Kriege, die das einstige Verhältnis unter Albrecht dem Bären mittlerweile praktisch zerrüttet hatten. Die magdeburgischen Ambitionen an der Oder ließen mehr und mehr nach. Später fielen auch die dem Erzbistum zugehörigen Landesteile an die Mark. Die genauen Umstände lassen sich aus dem vorhandenen Urkundenmaterial bislang nicht zweifelsfrei rekonstruieren. Tendenziell ist wohl von Kauf oder Gütertausch auszugehen, nicht von feindlicher Aneignung, wenngleich es 1261 abermals zur Fehde kam, auf die später noch eingegangen wird. Obwohl das Land Lebus bei der Auseinandersetzung wohl nicht ausschlaggebend war, ist es immerhin vorstellbar, vielleicht sogar wahrscheinlich, dass nach Beilegung der Auseinandersetzungen auch die territoriale Situation im Lande an der Oder thematisiert und im Sinne Brandenburgs geregelt wurde, denn wir sehen den Erzbischof bei den weiteren Aufteilungen der brandenburgischen Gebiete, im Jahr 1263, als Zeuge und wahrscheinlich auch Schiedsrichter an der Seite der Markgrafen wirken. Doch wie erwähnt, ist das überlieferte schriftliche Material nicht ausreichend um den genauen Sachverhalt hinsichtlich des Landes Lebus zufriedenstellend zu beantworten.


Preußenfahrten  der Markgrafen

Preußenfahrt, ein Begriff den wir erstmals in diesem Buch lesen. Den historischen Kontext dazu stellen wir im nächsten Kapitel detaillierter vor und steigen thematisch gleich in den im Baltikum seit 1230 entstehenden Ordensstaat der Deutschritter ein. Allgemein haben wir im Zusammenhang mit Markgraf Albrecht II., dem Vater Johanns und Ottos, über die Entstehung des Deutschritter Ordens im Heiligen Land berichtet. Eine Zusammenfassung auch dazu im nächsten Kapitel. Unter der Oberleitung des Hochmeisters Hermann von Salza, formierte sich ausgehend vom Kulmer Land ein eigener Staat dieses Ordens, der sich seither in die heidnischen Gebiete der baltischen Prußen, bis kürzlich in der Literatur eher als Pruzzen geläufig, fraß. Von Kaiser und Papst besonders legitimiert, schlossen sich den zahlreichen Militärexpeditionen mit steigendem Interesse der Adel aus allen Teilen Europas an. Die Christianisierung der Balten wurde zu einem saisonalen Dauerkreuzzug. Meist im Spätjahr sammelten sich die Kreuzfahrer und zogen über feste Routen in den Nordosten Europas, um dann mit Einbruch der Frostperiode das Kreuz mit Feuer und Schwert über die Heiden zu bringen.

Im Spätherbst 1254 versammelt der böhmische König Ottokar II. in Breslau ein Kreuzfahrerheer, um damit ins junge Ordensland zu ziehen und die dortigen Deutschordensritter bei der Christianisierung der Prußen zu unterstützen. Mit ihm war sein Schwager, der rund siebzehn Jahre ältere Markgraf Otto III. von Brandenburg, der ein eigenes Kontingent märkischer Ritter und Kriegsknechte mitführte. Den Weihnachtstag verbrachte man in  Breslau, bevor der Weg über Gnesen nach Elbing ging, wo man sich mit den Streitkräften des Ordens vereinte. Einzelne Truppenansammlungen von vielen Teilen des Reichs und des europäischen Auslands waren darunter. Ein gewaltiges Heer – die Chronisten sprachen von 50.000 – 60.000 Mann, was kaum der Wahrheit entsprechen konnte, eine so große Streitmacht hätte sich in dem spärlich besiedelten Land niemals ernähren können – zog südwärts des Frischen Haffs nach Balga und dann weiter ins Samland, dem abschließenden Ziel des Kreuzzugs. Die Gegend von Medenau, südwestlich des späteren Königsbergs wurde einen Tag und eine Nacht verwüstet, danach das Gebiet von Rudau nördlich von Königsberg. Der Schrecken den die Kreuzritter unter den Prußen verbreiteten, trieb diese in hellen Scharen, unter Stellung von hochrangigen Geiseln, zur christlichen Taufe. Sodann zog das Heer weiter nach Norden, dann nach Osten und wiederholte die furchtbaren Zerstörungen in der weiten Gegend, so dass von überall die Heiden kamen um sich zu unterwerfen und taufen zu lassen. Im Anschluss ging es wieder entlang des Pregel zurück nach Westen, bis zur Mündung, wo Ottokar auf einer niedrigen Anhöhe eine Burg errichten ließ, die den Namen Königsberg erhielt, womit ein böhmischer Fürst des Reichs der Stifter der späteren Hauptstadt Ostpreußens wurde. Markgraf Otto wird als Marschall des Königs während des Feldzugs bezeichnet und es liegt nahe, dass der kriegserfahrene Schwager des Königs als militärischer Oberbefehlshaber fungierte.

Schon Anfang Februar war König Ottokar II. und höchstwahrscheinlich auch Markgraf Otto in ihre jeweilige Heimat zurückgekehrt. Für Otto III. war die Expedition ins Baltikum bereits die zweite Preußenfahrt. Schon im Januar 1249, vor sechs Jahren also, war er im Ordensland aktiv, was aus Urkundeneinträgen, in denen er unter den Zeugen aufgeführt wird, entnommen werden kann. Über den Verlauf seiner damaligen Reise liegt kein weiterführender Bericht vor.

Markgraf Johann I. tat es dem jüngeren Bruder im folgenden Jahr 1255/56 gleich und unternahm in Begleitung eines starken brandenburgischen Aufgebots seinerseits einen Zug ins Ordensland zur Unterstützung der dortigen Deutschritter. Wegen des milden Winters froren die Sumpflandschaften, hinter denen sich die heidnischen Prußen verbargen, nicht zu und Johann musste ohne etwas ausgerichtet zu haben, den Rückmarsch antreten.


Tod des Königs & Neuwahlen

Am 28. Januar 1256 starb König Wilhelm von Holland mit nicht einmal 28 Jahren im Kampf gegen aufständige Friesen. In Hoogwoud, 50 Kilometer nördlich von Amsterdam, brach er mit seinem Pferd durch die Eisdecke, wurde von seinen Feinden aufgefunden, erschlagen und ganz in der Nähe verscharrt.
In dem Moment, wo durch den vorzeitigen Tod seines Rivalen, des Staufers Konrad IV. der Thronstreit im Reich auf gleichsam tragische wie glückliche Weise entschieden wurde, und sich Wilhelm von Holland zu entfalten begann, raffte ihn selbst das Unglück eines jungen Todes dahin.
Das seit dem Tod Kaiser Friedrichs II., eigentlich schon seit dessen Absetzung durch Papst Innozenz IV.,  siechende Reich, erlebte jetzt das große Interregnum mit voller Härte anbrechen.

Wer sollte die Nachfolge antreten? Konrad IV. hinterließ bei seinem Tod einen unmündigen Sohn gleichen Namens, der wegen seines Alters nur unter dem Namen Konradin bekannt wurde. Er wuchs bei seinem Onkel auf, dem Wittelsbacher Herzog Ludwig II. von Bayern, gleichzeitiger Pfalzgraf bei Rhein, einem der Wahlfürsten des Reichs. Seit dem Tod des Kaisers hatte sich eine kleine Gruppe von Reichsfürsten herauskristallisiert, die das Privileg der Königswahl vorzugsweise ausübten, worunter auch der Markgraf Brandenburgs gehörte.

Eine Wahl des staufischen Knaben lehnten die Fürsten im Reich mehrheitlich ab, trotz aller Anstrengungen des bayrischen Onkels. Im sächsischen Raum brach die traditionelle Parteinahme für die Staufer ohnehin mit dem Italienzug Konrads IV. im Jahre 1251 praktisch völlig zusammen und seither war man dort auf die Linie des Papstes eingeschwenkt, von dessen Gegenkönig Wilhelm von Holland sich die Sachsen mehr Vorteile versprachen, als von den italophoben Staufern seit Friedrich II. Dieser Spross König Heinrichs VI. und einer sizilianischen Normannin, verbrachte den weitaus größten Teil seiner Regentschaft südlich der Alpen. Im Schlussjahrzehnt seines Regiments kam es dann unter den deutschen Fürsten des Reichs, zu einer einsetzenden Abkehr vom Königtum und großflächigen Autonomiebestrebungen. Im Kampf um die Herrschaft in Italien und im Bestreben eine Hausmacht von den schwäbischen Stammlanden bis nach Unteritalien samt Sizilien zu erreichen, bei gleichzeitiger Niederringung des lombardischen Aufstands der oberitalienischen Kommunen, verausgabte er sich und seine Parteigänger im Kampf gegen Papst und Opposition. Dem Ziele ganz nahe, blieb der Erfolg am Ende aus. Der Blick auf das Reich nördlich der Alpen wurde sträflich vernachlässigt, die zentripetalen Kräfte nicht in ihrer vollen Ausprägung wahrgenommen. Der Mangel einer königstreuen Reichskirche, als Gegengewicht zu den nach Unabhängigkeit strebenden weltlichen Fürsten, war offenkundig geworden. Das fehlende Vertrauen in den Sohn Heinrich VII. als eingesetzten Mitregenten, die offen ausgetragene Rivalität und schlussendliche Absetzung Heinrichs, beraubte den Kaiser der einzigen Handhabe im deutschen Reichsteil eine stauferfreundliche Reichspolitik aufrecht zu halten. Die Einsetzung seines Sohnes Konrad IV. als Mitkönig aber nicht Mitregenten, führte zwar zu keinem innerfamiliären Kompetenzgerangel mehr, sorgte aber für ein reales Machtvakuum und Zerfall der Königsautorität. In diesem Klima allgemeiner Auflösung, schwangen sich neben den traditionell einflussreichen Erzbischöfen aus Mainz, Köln und Trier, weltliche Fürsten wie die Wittelsbacher in Bayern und am Rhein, die Přemysliden in Böhmen, oder die Askanier in Sachsen-Wittenberg und Brandenburg in die oberste Riege auf. Im gleichen Zeitraum verloren die Erzstifte Magdeburg und Bremen spürbar an Einfluss gegenüber den erwähnten rheinischen Kirchenprovinzen. Trotz einer neuerlichen Bündelung des welfischen Besitzes in Sachsen unter Herzog Otto I. von Braunschweig-Lüneburg, gelang es diesem Fürstengeschlecht nicht mehr in die erste Garnitur aufzusteigen. In den entscheidenden Jahren, die dem Tod des Kaisers folgten, starb auch Herzog Otto I. und die Rivalitäten unter den Söhnen Albrecht und Johann lähmten höhere Ambitionen der Welfen. Doch immerhin blieben sie in Wartestellung, ebenso wie das meißnische Haus Wettin, das unter Markgraf Heinrich III. zu einer starken Mittelmacht zweiter Ordnung im Reich wurde.

Konradin wurde wegen seines Knabenalters als Königskandidat abgelehnt, eine Parallele zum Großvater Friedrich II., der nach dem frühen Tod des Vaters wegen seines damals kindlichen Alters und der damit verbundenen Regierungsunfähigkeit, nicht gewählt wurde, für eine Wahl überhaupt nicht erst in Betracht gezogen wurde. Der Onkel zog entsprechend die Kandidatur seines Mündels frühzeitig zurück. In Sachsen dachte man ohnehin an einen eigenen Kandidaten. Für das Frühjahr wurde nach Magdeburg ein Wahltag ausgeschrieben, der aber von den rheinischen Erzbischöfen als zu Abseits gelegen abgelehnt wurde, was nichts weiter als ein Vorwand war. Man einigte sich also auf den traditionellen Wahlort Frankfurt am Main. Die beiden Askanier Johann von Brandenburg und Albrecht von Sachsen-Wittenberg standen hinter dem ursprünglichen Vorstoß die Wahl ins sächsische Gebiet zu legen. Der langjährige verbündete Herzog Otto III. von Braunschweig-Lüneburg war 1252 verstorben, sein Sohn Albrecht, Neffe der Brandenburger Markgrafen, in Salzwedel bei der brandenburgischen Großmutter erzogen, unterstützte erwartungsgemäß das Vorhaben.
Bei dem Kandidaten handelte es sich um Markgraf Otto III. von Brandenburg. Erstmals kandidierte also ein askanischer Vertreter für das Amt des Reichsoberhaupts, ein Hinweis auf die hohe Relevanz die der Mark und seinen Fürsten mittlerweile zugekommen war. Die Wahl Magdeburgs als Austragungsort der Kür, war mit Berechnung gewählt. Sie sollte für den Fall einer erfolgreichen Wahl Ottos die Verlagerung des Reichsmittelpunkts zurück zur einstigen Residenz Ottos des Großen herausstellen und gleichzeitig die Magdeburger Kirchenprovinz und seinen Metropoliten, den Erzbischof stärken, dessen Bedeutung, es wurde erwähnt, stark am sinken war. Dass Otto und nicht der nur wenig ältere Johann kandidierte, darf auf den Namen zurückgeführt werden, so eigentümlich das im ersten Moment klingen mag. Königliches Blut floss nicht in den Adern der Askanier aber immerhin trug Markgraf Otto den Namen des großen sächsischen Königs, Bezwingers der Ungarn und Einer des Reichs, Otto dem Großen. Es war in einer nach Symbolen heischenden Zeit immerhin ein Pluspunkt. Käme es tatsächlich zur Wahl, würde der brandenburgische Markgraf in der Reihe als Otto V., nach Heinrich I., Otto I., Otto II., Otto III., Lothar III. und Otto IV., das siebte sächsische Reichsoberhaupt darstellen.
Mit der misslungenen Festlegung Magdeburgs als Wahlort, erhielt das Vorhaben der Sachsen frühzeitig einen schweren Schlag. Es musste nach Möglichkeiten gesucht werden die rheinischen Erzbischöfe für ihren Kandidaten zu gewinnen. Hierzu galt es über Umwege auf diese Einfluss zu nehmen.
Unter all den Fürsten des Reichs hatten sich zwar die sieben schon erwähnten Territorialherren als die bevorrechtigten Wähler herauskristallisiert, doch noch war ein breiterer Konsens unter den Fürsten, Prälaten sowie, und das war seit den Staufern neu hinzugekommen, unter den freien Städten erforderlich, wenn auch nur pro forma. Entsprechend schreibt Markgraf Johann I. an die in Würzburg sich versammelnden Vertreter des deutschen Städtebundes einen Brief, um sie für seinen Bruder zu gewinnen. Jene hatten ihn ihrerseits zuvor als einen der sieben Wahlfürsten angeschrieben und um eine einmütige, den Frieden im Reich erhaltende Wahl eines neuen Oberhaupts ersucht. Die Ökonomie der freien Städte hing in hohem Maß von geordneten Verhältnissen im Reich ab, weswegen sie einem starken, handlungsfähigen Monarchen, der einerseits ihre Freiheiten, andererseits die Handelswege durch wirkungsvolle Landfriedensordnungen zu schützen vermochte, besonders zugetan waren. Sie steuerten dem König zur Wahrung ihrer und des Reichs Interessen erhebliche Summen zum Unterhalt seiner Ausgaben bei. Die freien- oder Königsstädte, Reichsstädte für gewöhnlich auch genannt, wenn es auch Unterschiede gab, füllten in dieser Weise die entstandene Lücke, die das aufgelöste Reichskirchensystem hinterlassen hatte und gab dem jeweiligen Oberhaupt des Reiches ein Instrument wider die sich autonomisierenden Territorialfürsten an die Hand.

Auf den genauen Wortlaut des Schreibens Johanns gehen wir nicht näher ein und fassen stattdessen den Inhalt zusammen. Er lobt zunächst die Friedensliebe der Städte, zählt hierzu einige auf, darunter Frankfurt am Main, Köln, Mainz, Speyer, Worms, Hagenau, Straßburg, Würzburg, Aachen, Gelnhausen, Friedberg, Boppard, Oppenheim u.a., bedankt sich für deren Schreiben an ihn und teilt mit, dass er in seinem Bruder Otto III., den geeigneten Kandidaten für den Thron sieht und ihm seine Stimme geben wird. Der Brief war datiert auf den 5. August 1256 und in Wolmirstedt in der Altmark  ausgestellt. Mit gleichem Datum und Ausstellungsort und gleichlautendem Inhalt schrieben die Herzöge Albrecht von Sachsen-Wittenberg und Albrecht von Braunschweig-Lüneburg, der Neffe des Kandidaten, an die Städteversammlung.  Und auch Markgraf Otto III. schickt von dort aus einen Brief nach Würzburg, worin er mitteilte, dass er auf Rat und Bitte der Fürsten, Edlen und anderer Freunde, geistliche wie Laien, bereit sei, Leib und Leben, Freunde und alle Habe für die königlichen Würde im Dienste Gottes zu opfern, in der Hoffnung, dass der Allmächtige ihm diese Last leicht machen möge. Er bitte daher die Städte am 8. September zum Hoftag in Frankfurt zu erscheinen, damit sie im Falle von Auseinandersetzungen für die Seite Stellung beziehen, der Unrecht getan würde.
Da alle Schreiben am gleichen Ort ausgestellt wurden, der Inhalt in die gleiche Richtung abzielte, müssen wir annehmen, dass sich diese sächsischen Fürsten ganz gezielt in Wolmirstedt trafen um sich miteinander abzustimmen.
Zehn Tage später wurden die erwähnten Briefe in Würzburg vor den versammelten Vertretern der anwesenden Städte verlesen, die daraufhin beschlossen, zu dem genannten Hoftag nach Frankfurt Abordnungen ihrer Städte zu senden.
Der ausgeschriebene Tag zu Frankfurt fand nicht statt, die Wahl Ottos III. von Brandenburg zum römischen deutschen König erfolgte nicht. Als gesichert galten die Stimmen seinen Bruders und des askanischen Verwandten aus Sachsen-Wittenberg. Die Stimme König Ottokars II., seines böhmischen Schwagers galt schon als nicht mehr sicher. Dieser hatte wegen Chancenlosigkeit auf eine eigene Kandidatur verzichtet, gleichwohl er Interesse zeigte. Das Städteschreiben, bei dem unter den Adressaten vor allem die rheinischen Städte Mainz, Köln, Worms, Speyer, Boppard, etc. waren, zielte darauf ab die Erzbischöfe aus Mainz, Köln und Trier zu gewinnen. Die Hoffnung der Partei Markgraf Ottos war, diese Städte zu instrumentalisieren so dass sie Einfluss in ihrem Sinne auf die rheinischen Wahlfürsten nehmen könnten, doch war zum Wahlentscheid längst ein gänzlich anderer Aspekt ausschlaggebend, der Stimmenkauf. In England hatte sich der dortige König Heinrich III., Sohn Johanns ohne Land und Neffe des illustren Richard Löwenherz, großes vorgenommen. Im Konzert mit seinem Bruder Richard, Graf von Cornwall, suchte er zum einen die römisch-deutsche Krone für den Bruder zu erlangen, gleichzeitig das Königreich Sizilien für den eigenen Sohn. Das Mittel für beides war Geld, gewaltige Summen. Papst Alexander IV. verlangte für die Akzeptanz der englischen Ambitionen hinsichtlich Siziliens, die gigantische Summe von 135.000 Mark Silber, um damit seine und seiner Vorgänger angeblich aufgewandten Kosten im Kampf mit den Staufern zu kompensieren. Dagegen nahmen sich die 28.000 Mark Silber, die den Erzbischöfen von Köln und Mainz sowie dem Wittelsbacher Herzog als Handsalbe, als Bestechungsgeld für ihre Stimme bezahlt wurden, geradezu geschenkt aus. Dergleichen, immer noch unerschwinglich hohe Summen, waren vom Brandenburger Markgrafen Otto III. nicht zu leisten, weswegen seine Kandidatur, in Ermangelung der Stimme des böhmischen Neffen, chancenlos wurde und er sie daraufhin zurückzog. Konrad von Hochstaden, Erzbischof von Köln war unter all den bezahlten Parteigängern der größte Nutznießer. Von ihm hing der Ausgang der Wahl alleine ab. Nachdem seine Gier befriedigt war, zog er im Dezember 1256 nach England, wo er Richard von Cornwall am 26. des Monats in London die Krone des Reichs anbot. Ein scheinheiliger Akt, eine Anmaßung des Kölner Metropoliten, der sich damit herausnahm für das ganze Reich zu sprechen, tatsächlich aber nur der höchstbestochenste aller Krämerseelen unter den deutschen Fürsten war, solche, die sich nicht zu schade waren die Krone des Reichs selbst an Fremde zu verschachern.
Am 13. Januar 1257 wählten die drei gekauften Fürsten, es waren der Kölner Erzbischof Konrad von Hochstaden, der Mainzer Erzbischof Gerhard von Dhaun sowie Pfalzgraf Ludwig II. genannt der Strenge, gleichzeitiger Herzog von Oberbayern, zu Frankfurt Richard von Cornwall, den Bruder des englischen Königs, zum neuen Oberhaupt des Heiligen Römischen Reichs. Man muss sich diese drei Namen merken, sie verkauften für 30 symbolische Silberlinge des Reiches Zukunft, womit der Ansehensverlust der Krone unter den Reichsfürsten kaum deutlicher ausgedrückt werden konnte. Die vier sonstigen Wahlfürsten, darunter Johann I. von Brandenburg, waren der Wahl ganz fern geblieben, sie sparten sich die Kosten und Strapazen einer mühevollen Reise.

Am Zerfall der königlichen Autorität trug die Italienpolitik Kaiser Friedrichs II. einen großen Anteil. Der gravierende Mangel an Wertschätzung für Königtum und Reich kann nicht allein nur den partikularen Interessen der reichsunmittelbaren Fürsten zugeschoben werden. Die unzureichende kaiserliche Aufmerksamkeit für die Bedürfnisse des Reichs nördlich der Alpen, seine jahrzehntelange Abwesenheit, förderten, ja forderten die lange schon schwelenden Unabhängigkeitsbestrebungen geradezu heraus. Friedrichs Versuch Unteritalien und Sizilien dem Reich anzugliedern, rief die unversöhnliche Feindschaft des Kirchenstaats auf den Plan, der sich zwischen einem  drohenden Großreich der Staufer eingeklemmt sah, womit die eigenen Ambitionen in Italien bedroht, ja beendet würden. Die Dynastie der Staufer wurde zum Inbegriff des päpstlichen Feindbilds. Alleine schon ein legitimes, männliches Mitglied dieser Familie zu sein, reichte den päpstlichen Zorn herauszufordern. Im Reich wurden die Fürsten der zahlreichen Kriege auf fremder Erde müde. Die Unterstützung für die staufische Hausmachtpolitik unter dem Deckmantel imperialer Reichspolitik, entfremdete den Norden des deutschen Reichsteils fortwährend, wir hatten es andernorts erwähnt.

Kehren wir zur Königswahl zurück. Als ob die Wahl eines fremdländischen Kandidaten zum Haupt des Reiches nicht schon Anlass zur Klage genug wäre, obwohl mit dem böhmischen König Ottokar II. und dem Brandenburger Markgrafen Otto III., zwei Kandidaten aus dem Reich sich anboten, strebte der Trierer Erzbischof Arnold II. von Isenburg einen ebenfalls ausländischen Gegenkönig an. Arnold von Isenburg, der vom Geldregen aus England nicht profitierte, war deswegen kaum minder gierig als seine rheinischen Genossen. In König Alfons X. von Kastilien glaubte er wegen dessen staufischer Abstammung mütterlicherseits, einen würdigeren Kandidaten für den Krone gefunden zu haben, weswegen er bei den Askaniern Albrecht von Sachsen und Johann von Brandenburg Werbung machte. Eine scheinheilige Posse, das Ganze. Immerhin gehörte auch er zu jenen Parteigängern, welche die beiden bisherigen, antistaufischen Gegenkönige, Heinrich Raspe und Wilhelm von Holland unterstützten und der Wahl Konradins, des letzten lebenden, legitimen männlichen Staufers eine deutliche Absage erteilten. Dass er ausgerechnet beim kastilischen König seine staufische Gesinnung wiederentdeckte, fällt schwer zu glauben. Die Askanier in Brandenburg und Sachsen ließen sich für den Kandidaten gewinnen und auch sie können nicht frei von Kritik bleiben. Wenn auch keiner Geld empfing, noch Privilegien, noch dass sie selbst zur Gegenwahl anwesend waren. Wohl aus reinem Trotz gaben sie dem Gegenkandidaten ihre Stimme, vielleicht in der Hoffnung, dass sich beide, gemeinsam mit ihren jeweils rheinischen Anhängern an die Gurgel gingen und die Krone anschließend doch noch und umso leichter an Brandenburg fiele.

Am 9. April wurde Alfons X. von Kastilien offiziell zum Gegenkönig gewählt, auch er erhielt drei der sieben Stimmen. Ottokar II. von Böhmen enthielt sich erneut, er neigte weder dem einen, noch dem anderen zu und war in dieser Hinsicht vielleicht der konsequenteste, reichspatriotischste Fürst von allen, wenn auch das eigentliche Motiv seiner Enthaltung, kaum mehr als ein eingeschnappt sein war. Das Heilige Römische Reich hatte abermals zwei Könige. Zwei in der Ferne lebende Könige, deren Refugien weit jenseits aller bisherigen Einflusssphären des lagen und wo jeder für sich schon genug Probleme in seiner Heimat zu bewältigen hatte. Man kommt kaum um den Verdacht herum, als dass am Ende die Wahl bewusst auf Kandidaten fiel, deren Handlungsfähigkeit mehr als begrenzt war und wo den jeweiligen Parteigängern im Reich dadurch große Handlungsspielräume und Freiheiten erwuchsen.

Das Interregnum nahm in voller Härte seinen lähmenden, das Reich innerlich und äußerlich zersetzenden zersetzenden Lauf.


Erbteilung, Ende der gemeinsamen Regentschaft

Johann und Otto hatten aus drei Ehen zusammen elf Söhne. Der Fortbestand der askanischen Dynastie in Brandenburg war damit zweifelsfrei gesichert aber gleichzeitig war die Integrität des brandenburgischen Gebiets dadurch auf das Schlimmste gefährdet. Sollten alle Söhne, nach Abzug jener die für eine geistliche Laufbahn vorgesehen waren, mit einem Erbteil dereinst bedacht werden, zerfiele die Mark als Fürstentum und seine Landesherren versanken im Reich in der Bedeutungslosigkeit. Ob das noch junge, nirgendwo verbindlich verankerte Kurrecht, das Recht zur Königswahl, in diesem Fall bei Brandenburg verbliebe, durfte bezweifelt werden. Ob überhaupt der Friede unter den drei Linien der ersten Generation, nämlich den beiden sogenannten Johanneischen Linien aus erster und zweiter Ehe Markgraf Johanns I. und der Ottonische Zweig aus der Ehe Markgraf Ottos III., gewahrt bliebe, war alles andere als sicher. Die Erfahrungen seit Menschengedenken gaben diesbezüglich wenig Anlass zur Hoffnung. Es war nur zu wahrscheinlich, dass sich Brandenburg in einem langen Erbkonflikt destabilisierte und seine Nachbarn diese Schwäche ausnutzten.

Johann und Otto, die mittlerweile seit gut dreißig Jahren einmütig und überaus erfolgreich regierten, ungewöhnlich, ja außergewöhnlich genug, waren diese Gefahren nur zu bewusst. Sie wogen die Umstände reiflich ab und entschlossen sich noch zu Lebzeiten ihre Landschaften einvernehmlich untereinander aufzuteilen. Damit wurden zunächst die Interessensphären zwischen beiden Hauptlinien festgelegt und beide Stammväter konnten innerhalb dieser unter den jeweiligen Söhnen einerseits weiter abgrenzen, andererseits zwischen beiden Hauptlinien einend einwirken, mit dem Ziel die Mark Brandenburg als ein geeintes Fürstentum zu erhalten.

Bereits in den frühen 1250’er Jahren begannen hierzu wohl schon die Erwägungen, vermutlich spätestens ab der Zeit, als erste Teile des Landes Lebus jenseits der Oder, gemeint ist die dort entstehende Neumark, zu Brandenburg kamen. Zwischen 1258 und 1260 wurde die eigentliche Teilung vollzogen. Maßgabe der Teilung war die wirtschaftliche und infrastrukturelle Leistungsfähigkeit der Landschaften nicht die Größe. Verfügte die Ottonische Linie, gemäß der Vereinbarung zwar die größere Flächenausdehnung, so waren diese Gebiete jedoch weniger bevölkert, mit weniger Ministerialen, nichtadligen Lehnsmännern, und auch infrastrukturell geringer erschlossen, des Weiteren nicht zusammenhängend.

Schauen wir uns den Teilungsvorgang genauer an, er gibt uns einen Hinweis, wie noch nach all der Zeit das Verhältnis beider Brüder völlig ungetrübt war. Anfang des Jahres 1258, wahrscheinlich im Januar, spätestens zu Beginn des Februars wurde unter unabhängier Aufsicht des Kulmer Bischofs Heidenreich, dem Dominikanerorden angehörig, die Teilung vollzogen. Bischof Heidenreich galt als geschickter Unterhändler und prominenter Missionar im Baltikum. Zumindest Markgraf Otto III. kannte ihn näher, denn der Bischof war anlässlich des Winterfeldzugs 1255 ins Samland, im Heer König Ottokars II., bei dem Otto III. wahrscheinlich den militärischen Oberbefehl hatte. An welchem Ort die Teilung vollzogen wurde ist unbekannt, es ist hierzu nichts überliefert, wir wissen nur, dass es anlässlich einer Messe war und dass die zu teilenden Landschaften je auf ein Pergament geschrieben wurden, worauf beide nebeneinander auf dem Altar ausgelegt wurden. Markgraf Johann I., als der Erstgeborene, durfte wählen und entschied sich für den rechts abgelegten Brief, der linke blieb dem jüngeren Otto. Der Hinweis auf Messe und Altar gibt uns nur Klarheit über den Rahmen aber es bleibt ungewiss in welcher Kirche der Teilungsakt vollzogen wurde. Der Dom zu Brandenburg kann wahrscheinlich ausgeschlossen werden, es wäre sonst zweifelsfrei der Brandenburger Bischof anwesend gewesen.
Der erstgeborene Johann erhielt für seine Linie eine zusammenhängende Landmasse rechts der Elbe, das Land Havelberg ohne das dem Bistum Havelberg zugehörige Gebiet, den größten Teil des Havellands, weiter die Landschaf Ruppin, das Ländchen Glin, nordwestlich von Berlin und die Uckermark. Otto und seine Linie erhielt die Prignitz, den Rest des Havellands mit der Residenz Spandau, die Zauche, den Teltow mit Berlin-Cölln, den Barnim und die Landschaft Stargard.
Ungeteilt blieb zunächst noch die alte Residenzstadt Brandenburg an der Havel, Namensgeberin von allem, wie auch die Altmark und damit sowohl die älteste Stadt der Mark, als auch die älteste Provinz, aus der heraus vor Generationen alles seinen Anfang nahm. Ungeteilt blieben auch zwei Gebietserwerbungen um die zur Zeit der Teilung mit Magdeburg gestritten wurde. Mit dem Erzstift lag man also wieder einmal im Streit. Dieses Mal ging es um den brandenburgischen Kauf der Grafschaft Seehausen, die von Bischof Ludolf II. von Halberstadt veräußert wurde, der aber nie beim Papst Anerkennung fand. Ludolfs Nachfolger oder Gegenbischof, wie immer man es sehen möchte, bestritt die Rechtmäßigkeit des Verkaufs, und veräußerte seinerseits die Grafschaft ein weiteres Mal, diesmal an Magdeburg. Der Papst stand in der Angelegenheit auf der Seite Magdeburgs und forderte Brandenburg zur Räumung und Aushändigung auf. Das der Papst sich in dieser Angelegenheit wider die Interessen der Markgrafen stellte, ist wohl als Retourkutsche zu verstehen. Mit ihrer Parteilichkeit anlässlich der Königswahl zugunsten des Gegenkandidaten Alfons, statt des päpstlichen Kandidaten Richard, postierten sie sich gegen die Interessen des Heiligen Stuhls und mussten jetzt dessen Ungnade ertragen. So lange man mit Magdeburg nicht im Reinen war, sollte weder das Land Lebus links der Oder, noch die Teile rechts davon, die sich zusammen mit den nördöstlich angrenzenden Neuerwerbungen zur Neumark zu formen begannen, aufteilen. Überhaupt blieb man trotz der vorgenommenen Teilung bei einer gemeinsamen Hofhaltung. Beide Großfamilien, so darf man es ohne jede Scheu und Übertreibung nennen, lebten mit Unterbrechungen, gemeinsam unter einem sinnbildlichen Dach. Vielleicht ein gutes Omen für die Zukunft der späteren Mark, als ein zwar innerfamiliär geteiltes aber politisch weiterhin geeintes Fürstentum. Zuletzt war da auch noch der Oberlausitzer Pfandbesitz, auch dieser wurde für den Moment noch von der Teilung unberührt gelassen. Dass die Teilung zu gleichen Stücken erfolgte, hieraus für die nächste Generation keine Hypothek auf den zukünftigen Frieden entstand, war beiden Brüdern, besonders dem älteren Johann, der das Vorzugsrecht bei der Wahl hatte, besonders wichtig, denn um den Friedenserhalt unter den zukünftigen Erben ging es. Um dem ganzen Vorgang der Teilung eine maximale Neutralität und Unanfechtbarkeit zu geben, wurde eine Gruppe von Sachverständigen herangezogen, die alles beobachten und überhaupt den Teilungserstvorschlag zuvor nach den Vorgaben der Brüder ausarbeiteten. Sie stellten fest, dass beide Teile an Einkünften etwa gleich waren, das aber Johanns Anteil die besseren Böden, Weiden und mehr Holz hatte, ferner einen höheren Anteil an Menschen. Otto  wurde deswegen in den kommenden beiden Jahren mit Gebieten aus den erwähnten, noch ungeteilten Landesteilen kompensiert. So erhielt er das Land Lebus, die Grafschaft Seehausen, über die er sich dann mit dem Magdeburger Erzbischof verglich und Teile der Neumark, der Rest ging an Johann. Weiter fiel der nördliche Teil der Altmark an ihn, mit Salzwedel als Zentrum und an Johann die südliche Altmark mit Stendal, hierauf kommen wir noch zu sprechen.

Alles zielte ohnehin nicht auf eine tatsächliche Teilung und Separierung ab. Der Plan war das genaue Gegenteil. Zunächst sollte unter den Hauptlinien eine nur nach innen wirksame Teilung erfolgen, damit sich die Söhne Johanns und Ottos in den jeweils getrennten Bereichen ihrer Väter einbringen und auf die einstige Nachfolge vorbereiten konnten. Das Vorbild der noch lebenden Markgrafen alleine bot hierzu ein überragendes Beispiel. Sicher konnte niemand erwarten, dass unter elf Söhnen nicht wenigstens der eine oder andere aus der Art schlug, doch wenn wenigstens der größere Teile einmütig blieb, konnte ein etwaiger Ausreißer gegebenenfalls wieder eingefangen werden, zumindest bliebe der Gesamtschaden für die Mark begrenzt.

Noch lebten die beiden großen Markgrafen und erfreuten sich guter Gesundheit, mit Glück, Fleiß und gutem Beispiel, konnte ihnen ihr Vorhaben gelingen. Ihr eingeschlagener Weg zeigte großes staatsmännisches Geschick und weise Voraussicht. Die Verbundenheit mit dem Erbe ihrer Vorväter und dem erreichten Zuwachs unter ihrer bislang segensreichen Regentschaft war Hauptantrieb ihrer letzten Regierungsphase.


Klosterneugründung – Grablege

Der formellen Teilung Brandenburgs, folgte unmittelbar die Einrichtung eines eigenen Hausklosters für die Johanneische Linie durch die Markgrafen. Vorbild dazu war das bisherige Familienkloster der brandenburgischen Askanier, das der Großvater Otto I. 1180 in der Zauche errichten ließ. Wieder wurde der Zisterzienserorden damit beauftragt. Mit diesem Schritt wurde der Linie Johann I. eine zukünftige Grablege geschaffen. Lehnin blieb der Linie Ottos III. vorbehalten, wo die askanischen Ahnen lagen. Die Maßnahme, so kurz nach der Teilung, kann vielleicht als Hinweis gewertet werden, dass zum jetzigen frühen Zeitpunkt beide Markgrafen, trotz aller guten Vorsätze, für alle Fälle notwendige Vorkehrungen trafen, sollte es doch zu einer realen, politischen und nicht nur innerdynastischen Separierung kommen.

Am 13. Februar 1258 holten die Markgrafen die Erlaubnis zur Klostergründung beim Brandenburger Bischof Otto von Mehringen ein. Südlich von Angermünde, am Parsteiner See sollte das zukünftige Marienkloster entstehen. Die Stiftungsurkunde stellten die Brüder am 2. September des gleichen Jahres in Spandau aus, ihrer zwischenzeitlichen Hauptresidenz. In der Urkunde schenkten sie dem Kloster Lehnin – es wurde mit dem Aufbau Mariensees, das eine Filiation, somit ein Tochterkloster wurde, beauftragt –  umfangreiche Gebiete um den ganzen Parsteiner See, darunter vier slawische Dörfer. In weiteren acht Dörfern wurden dem Kloster Land zugestanden, sowie eine Anzahl Seen zum alleinigen Gebrauchs. Das Kloster selbst wurde auf dem Pehlitzwerder, einer Insel am Südende des Sees errichtet. Die Anlage eines Klosters auf einer verhältnismäßig kleinen Insel war atypisch, schon nach wenigen Jahren wurde die Verlegen ins wenige Kilometer südwestlich gelegene Chorin beschlossen und ab dem Jahre 1266 in Angriff genommen. Aus dem Kloster Mariensee wurde das Kloster Chorin, weswegen zwei offizielle Gründungsdaten, 1258 und 1266 existieren.

Die Neuanlage eines Klosters der Dimension wie es Marienseee, bzw. Chorin war, diente freilich nicht nur der Frage einer letzten Ruhestätte für die Fürstenlinie Johanns. Das fast rein slawisch besiedelte Gebiet war schon seit den Anfängen des dreizehnten Jahrhunderts christianisiert, demgemäß bestand die Rolle der Mönche auch nicht im Missionarsdienst, wie das bei Lehnin vor mehr als 70 Jahren der Fall war. Seine Hauptaufgabe war die wirtschaftliche Erschließung der Region, der Landesausbau nach klassischem, man möchte sagen, askanischem Muster. Darum wählte man auch wieder den Zisterzienserorden, dessen straffe Strukturen und Ordensregeln für die Aufgabe bestens geeignet war. Die Erfahrungen mit Lehnin waren in dieser Hinsicht hervorragend und so war die Gründung einer oder mehrerer  Filiationen lange überfällig. Da in geistigen Belangen die Bischöfe von Brandenburg nicht außen vor gelassen werde konnten, diese traditionell dem Prämonstratenserorden angehörten, waren die Markgrafen gut beraten sich einvernehmlich mit dem Domkapitel zu einigen. Im nahegelegenen Oderberg existierte schon seit 1232 das Kloster Civitas Dei, ein Pärmonstratenserkloster, dessen Mutterkloster in Brandenburg an der Havel lag. Selbst wenn die Landesherren in ihrem Fürstentum grundsätzlich am längeren Hebel waren, konnte es nur vernünftig sein, um spätere Konflikte noch vor Grundsteinlegung auszuschließen, des Bischofs Segen vorher einzuholen. Die märkische Landesteilung unter den Brüdern bot den passenden Anlass und so ging alles Hand in Hand.

Kloster Chorin um 1900

Über die Gründe die zur Wahl des Orts auf dem Pehlitzwerder führten, wird bis heute diskutiert. Wir erwähnten es, die Anlage auf einer nicht sonderlich großen Insel war untypisch, immerhin bestand die Aufgabe der Mönche nicht die Abgeschiedenheit zwecks eigener Einkehr zu nutzen, sondern die Gegend infrastrukturell zu erschließen und damit den tatkräftigen Austausch mit den Menschen der Region zu suchen. Vielleicht war alles eine Vorsichtsmaßnahme, möglicherweise waren die Slawen, sie gehörten zum Stamm der Ukranen welche der Uckermark ihren Namen gab, noch nicht durchgehend befriedet. Es ist daneben nicht auszuschließen, dass der Bau des Klosters an einem Ort, wo die Askanier im Grenzgebiet zu Pommern eine Ringwallburg unterhielten, bewusster Machtbeweis gegenüber den immer wieder renitenten pommernschen Herzögen darstellte, gleichwohl diese formell Vasallen Brandenburgs waren.

Chorin hatte für die Landesentwicklung im Nordosten Brandenburgs, links der Order, bald den gleichen Stellenwert wie es Lehnin für das Havelland westlich von Spandau hatte. Gleich seinem Mutterkloster genoss es umfangreiche Freiheiten. So besaßen die Mönche in der ganzen Mark Zollfreiheit für die Dinge des eigenen Bedarfs, unterstand keinem markgräflichen Vogt oder Schultheiß und war frei von weltlichen Gerichten.


Einigung im Streit mit Magdeburg

Auseinandersetzungen mit dem Erzbistum Magdeburg, gleich welcher Art sie waren, begleiteten die Markgrafen Johann und Otto seit dem Tod ihres Vaters. Sobald die Konflikte aus der diplomatisch geführten Ebene heraustraten und handfestbwurden, suchte sich Magdeburg  immer mit anderen Fürstentümern zusammenzutun, so anlässlich der Halberstädter Fehde oder des Teltow-Kriegs. Hatten die Markgrafen im Streit mit dem Halberstädter Bischof noch das Nachsehen, wir erinnern uns, Markgraf Otto geriet sogar in Gefangenschaft und musste freigekauft werden, setzten sich die nun im Kriegshandwerk erfahren gewordenen Brüder zukünftig erfolgreich durch und errangen hierdurch ihre baldige  Vormachtstellung im ostsächsischen Raum. Diese Rolle hatte das Erzstift Magdeburg, zumindest was den politischen Einfluss auf das staufische Kaiserhaus betraf, spätestens seit der Entmachtung Heinrichs des Löwen und der Zerschlagung der welfischen Machtstellung in Norddeutschland inne.
Unter Kaiser Friedrich II., der im nördlichen Reichsteil zumeist abwesend war, verlor Magdeburg, dass sich zu Beginn des dreizehnten Jahrhunderts verstärkt in der lokalen Territorialpolitik und im Landesausbau engagierte, an Einfluss. Das politische Schwergewicht war wie zu den Zeiten der Salier, an den Rhein zurückgekehrt, wo die rheinischen Erzbischöfe sich endgültig als die dominierenden Kirchenfürsten hervortaten und den Kreise der privilegierten sieben Wahlfürsten anführten. Magdeburg konnte in diesen elitären Kreis nicht vordringen, stattdessen aber ihre weltlichen Nachbarn und Mitbewerber um die Vorherrschaft in Sachsen, die Askanier. Sowohl der sächsisch-wittenbergische Teil und mehr der brandenburgische Zweig.
Die Machtstellung Brandenburgs forderte nicht nur das lehnsabhängige  Pommern heraus, das die märkische Hoheit immerzu abschütteln wollte, auch dass erwähnte Erzstift Magdeburg, weiter das Bistum Havelberg und vor allem die Markgrafschaft Meißen unter den Wettinern, selbst die askanischen Vettern in Anhalt, beäugten den territorialen Koloss mit wachsendem Sorge, und einer Michschung aus Argwohn und Missgunst. Im Osten und Südosten, also in den polnischen und schlesischen Herzogtümern, machten sich die piastischen Zweige das Leben gegenseitig schwer, so dass von dort, obwohl sie seit den späten 1240’er Jahren die größten Verlierer der märkischen Ostexpansion waren, keine Gefahr drohte und erstaunlicherweise keine Feindseligkeit entgegenschlug. Die Versuche Brandenburgs Ambitionen zu zügeln, welche im Teltow-Krieg ihren Höhepunkt erreichten, sahen die beiden Markgrafen als Sieger hervorgehen. Niemand konnte seitdem mit sicherer Hoffnung auf Erfolg gegen die sie vorgehen, hierzu waren die brandenburgischen Bündnisse mit Braunschweig-Lüneburg und besonders mit Böhmen, ein zu unkalkulierbares Risiko.
Als 1258 die geschilderte Teilung Brandenburgs eingeleitet wurde, half es die erregte Stimmung unter den Nachbarn zu mildern und Ressentiments abzubauen. Die Annahme, dass sich nach der Zweiteilung, spätestens mit dem Ableben beider Markgrafen ein weiterer Zerfall in wenigstens ein halbes Dutzend Teilstücke fortsetzen würde, ließ die ärgsten Spannungen abklingen. Das Beispiel der Piasten drängte sich geradezu als zu erwartendes Szenario auf. Hieraus konnte sich gegebenenfalls Kapital schlagen lassen, zumindest mehr, als in der momentanen Situation brandenburgischer Dominanz im ostsächsischen Raum.

Markgraf Otto III.

Otto, dessen Anteil nach der märkischen Landesteilung laut Meinung gemeinsam bestellter Gutachter geringer ausfiel, als der Johanns, erhielt zur Kompensation aus den zu diesem Zweck noch ungeteilten Gebieten, die Grafschaft Seehausen. Hierdurch erbte er allerdings auch den Streit mit dem Magdeburger Erzbischof um diesen Flecken Land. Die Zusammenhänge hierzu wurden weiter oben erläutert. Am 12. Mai 1259 kam es zum einvernehmlichen Vertrag zwischen Markgraf Otto III. und Erzbischof Rudolf von Magdeburg. Hierin wurde der Streit um die Grafschaft beigelegt, Otto verzichtete auf das Gebiet, erhielt dafür aber eine Reihe vorteilhafter Zugeständnisse. Erinnern wir uns an die sogenannte Markgrafenburg in Alvensleben. Sie war lange Zankapfel und einer der Streitgegenstände der Halberstädter Fehde. Am Ende konnten die Markgrafen ihre Rechte militärisch wahren und behielten Burg und Ländereien als Halberstädter Lehen. In Alvensleben gab es daneben zwei weitere Burgen.  Die Bischofsburg und eine ritterliche Burg. Diese beiden, samt der von Brandenburg belegten Markgrafenburg, wurde vom Halberstädter Bischof, jener der vom Papst anerkannt wurde, an das Erzstift Magdeburg für 4.500 Mark Silber veräußert, gemeinsam mit der Grafschaft Seehausen und zwei weiteren Burgen. Die drei erstgenannten Festungen gab Erzbischof Rudolf jetzt Otto als Magdeburger Lehen, wofür dieser auf alle brandenburgischen Anrechte hinsichtlich der Grafschaft Seehausen verzichtete. Erstaunlicherweise leistete der Erzbischof noch 3.000 Mark Silber zusätzlich an den Markgrafen, womit die seinerzeit von Brandenburg an den nie vom Papst bestätigten Bischof Ludolf II. geleistete Kaufsumme fast ausgeglichen war. Die Mark kam am Ende des Streits somit fast verlustfrei aus der Affäre und hatte das seit langem umstrittene Gebiet Alvensleben nun mit allen drei Burgen im uneingeschränkten Nießbrauch und nicht nur die Markgrafenburg, wie bislang. Da sie Lehen gegen Lehen tauschten, hierin sogar besser abschnitten, als selbst zu Beginn, da es günstiger lag, blieb nur noch die geringe Geldsumme von wenigen hundert Mark in Silber, die mit dem päpstlicherseits unbestätigten Bischof Ludolf II. von Halberstadt abgeschrieben werden mussten. Zuletzt wurde Otto noch mit dem Jerichower Land belehnt, das zwischen der Altmark und der Mittelmark liegend, im Vergleich zur Grafschaft Seehausen  wesentlich geeigneter für Brandenburg positioniert war. Die Zeche zahlte streng genommen nur der Magdeburger Metropolit Rudolf. Er legte insgesamt 7.500 Mark Silber für die Grafschaft Seehausen, für die Burgen Arnesberg und Klettenberg, schlussendlich für Alvensleben mit seinen drei dort befindlichen Burgen hin, indem Halberstadt davon 4.500 Mark in Silber erhielt, Markgraf Otto wie erwähnt 3.000 Mark für seinen Verzicht auf Seehausen.


Böhmen gegen Ungarn um Österreich

Markgraf Johann und Markgraf Otto trafen fortan ihre eigenständigen Entscheidungen. Die Urkunden aus den Jahren unmittelbar nach der in Spandau vollzogenen Teilung, zeigen demgemäß beide Brüder selbstständig agierend. Über Ottos wichtigste Handlungen in 1259 haben wir berichtet. Markgraf Johann, zumindest was uns das Zeugnis der erhaltenen Urkunden anzeigt, handelte hauptsächlich im Sinne der Klosterneugründung Mariensee, nachmals Chorin. Die Teilung Brandenburgs wirkte nach außen glaubhaft und echt und doch blieb das Fürstentum durch die besonders enge Verbundenheit der Brüder auf eigentümliche Weise vereint.
Das Jahr 1260 sah Markgraf Otto an der Seite seines Schwagers, des böhmischen Königs in dessen zweitem Krieg gegen König Bela IV. von Ungarn.

Seinen Ursprung hatte das Ganze 14 Jahre zuvor. Herzog Friedrich II. starb am 15. Juni 1246 im Kampf gegen die Ungarn in der Schlacht an der Leitha. Er hinterließ keinen Erben. Das Geschlecht der Babenberg war somit im Mannesstamm. Der jetzt ausbrechende Wettstreit um das reiche Erbe verdient eine eingehendere Betrachtung.

Österreich, genauer Ober- und Niederösterreich als auch die Steiermark, wären unter normalen Umständen an das Reich zurückgefallen, doch bestand schon seit 1156 für das Haus Babenberg ein Sonderabkommen, bekannt als Privilegium mius. Einem darin verankerten Passus gemäß, durfte das Reichslehen auch in weiblicher Linie vererbt werden, eine ausgesproche Seltenheit, immerhin aber keine Unmöglichkeit.
Mit Margarete, einer älteren Schwester und seiner Nichte Gertrud, Tochter Herzog Heinrichs, des bereits mit 20 Jahren verstorbenen erstgeborenen Bruders, lebten zwei weibliche Erbinnen. Gertrude, die nunmehrige Haupterbin, wurde schnell zum Spielball der Politik. Um sie, um ihr Erbe, drängten sich zahlreiche Fürsten. Noch zu Lebzeiten des Onkels war Gegenstand des politischen Spiels. Herzog Friedrich versuchte sie mit Kaiser Friedrich II. zu vermählen. Es sollte durch diese Verbindung der schwere Streit des Babenberger Herzogs mit dem staufischen Kaiser beigelegt werden. Die junge Frau weigerte sich allerdings den wesentlich älteren, dreimal verwitweten Monarchen zu heiraten. Der Schlachtentod gegen die Ungarn beendete alle weiteren Versuche, wodurch ein älteres Ehevorhaben wieder auf den Plan gerufen wurde. Mit Vladislav von Mähren, dem ältesten Sohn König Wenzels I. von Böhmen, bestand  schon einmal ein Eheabkommen. Noch bevor sich ernsthafte weitere Kandidaten in Position bringen konnten, ergriff der böhmische König Wenzel die Initiative und trieb das Vorhaben mit aller Energie voran, die Die Ehe wurde schnellstmöglich vollzogen. Böhmen erhielt somit Ansprüche auf das  Babenberger Erbe, und damit auf das südlich an Mähren angrenzende Österreich. Vladislav erkrankte noch im gleichen Jahr schwer und starb Anfang Januar 1247. Herzogin Gertrud von Österreich war kaum verheiratet, schon Witwe. Bereits im Sommer des folgenden Jahres heiratete sie mit dem Markgrafen Hermann VI. von Baden ein zweites Mal. Aus dieser Verbindung ging mit Friedrich ein männlicher Erbe, als auch eine Tochter hrvor. Wir haben von seinem traurigen Schicksal gelesen. Er wurde gemeinsam mit dem letzten legitimen Staufer Konradin im Jahre 1268 in Neapel öffentlich auf Befehl des Schlächters Karl von Anjou geköpft. Der Papst war darin tief verwickelt, was zur weiteren Distanz zwischen Reich und Kirchenstaat führte.

Zurück zur jungen Herzogin. Auch Markgraf Hermann von Baden starb nach kaum zwei Jahren Ehe, möglicherweise vergiftet, ohne in Österreich je Herrschaftsautoritär erlangt zu haben. All dies geschah in jener Zeit, in der Kaiser Friedrich II. von Papst Innozenz IV. formell abgesetzt wurde, was ihn unberührt ließ. In Italien suchte er trotz der widrigen Umstände die militärische Entscheidung und rang mit dem städtischen Lombardenbund ebenso wie mit dem Papst, während im deutschen Reichsteil sein 1237 gewählter, zu Lebzeiten des Vaters nicht zu echter Regentschaft autorisierter Sohn Konrad IV. größtenteils machtlos neben dem 1254 gegengewählten, ebenso machtlosen Wilhelm von Holland verharrte. Die Herzogin wurde jetzt sogar Gegenstand päpstlicher Politik. Auf Betreiben des Heiligen Stuhls sollte sie den genannten Gegenkönig Wilhelm, den päpstlichen Kandidaten auf dem umstrittenen Thron des Reichs, heiraten. Die resolute Frau ließ sich nicht instrumentalisieren, schon gar nicht von der päpstlichen Partei. Ob sie eine staufische Gesinnung ihres verstorbenen Ehemanns dabei beeinflusste, ist nicht mit Sicherheit zu sagen, immerhin erkaltete Markgraf Hermanns kaiserliches Engagement nach der Absetzung des Kaisers 1245. Da aber Sohn Friedrich klar staufisch gesinnt war, worauf der Vater wegen seines frühen Tods keinerlei Einfluss genommen haben konnte, mag uns doch einen Hinweis auf eine etwaige Parteiung der Herzogin geben. Der Papst entzog wegen ihrer Verweigerungshaltung seine Gunst endgültig, nachdem er zuvor schon wankelmütig war und wandte sich nun ganz ihrer Tante Margarete zu.

Schauen wir uns den kaum weniger bedauerlichen Werdegang Margaretes an. Als älteste Tochter, überhaupt als erstgeborenes Kind Herzog Leopolds VI., er trug den Beinamen der Glorreiche, kam sie um das 1204 zur Welt. Ihre Mutter war die byzantinische Kaisertochter Theodora Angeloi. Margarete war somit eine hervorragende Partie, weswegen der römisch-deutsche Kaiser die hochwohlgeborene Herzogstochter für seinen ältesten Sohn vorsah. Ende November 1225 heiratete sie den rund sechs Jahre jüngeren, damals vierzehnjährigen Heinrich. Er war als Heinrich VII. gewählter Mitkönig und eingesetzter Mitregent im deutschen Reichsteil. Ende März 1227 erfolgte ihre Krönung zur römisch-deutschen Königin in Aachen. Eine großartige Zeit stand ihr bevor, so sollte man meinen. Wir wissen es allerdings besser, denn Heinrich VII. fiel beim Vater in Ungnade. 1235 wurde er abgesetzt und bis zu seinem vorzeitigen Ende im Jahre 1242, in verschiedenen süditalienischen Burgen inhaftiert gehalten. Margarete zog sich draufhin zu den Dominikanerinnen ins Kloster zurück, zuerst in Trier, später in Würzburg. Sie war jetzt Ende 30, ihr jüngerer Bruder Herzog Friedrich II. regierte seit Jahren Österreich und die Steiermark, für sie schien das zurückgezogene Klosterleben einer kinderlosen Witwe vorgesehen.
Der Tod des im Kampf gegen Bela IV. von Ungarn gefallenen Bruders, änderte alles. Noch aus ihrem Würzburger Klosterexil machte sie Ansprüche auf das  Erbe geltend, kollidierte hierin natürlich mit den gleichen Ansprüchen ihrer Nichte Gertrud, die darin vorerst die Oberhand behielt. Zuerst mit dem Kronprinzen von Böhmen verheiratet, nach dessen frühem Tod mit dem Markgrafen von Baden, deutete alles darauf hin, dass Margarete den Kampf um den Babenberger Nachlass verlieren würde. Als schliesslich der in Österreich unbeliebte Markgraf Hermann von Baden ebenfalls früh und unerwartet verschied, begann der Kampf um das österreichische Erbe der erneut.
Was jetzt geschah, kann kaum deutlicher die machtpolitisch motivierten Heiratspraktiken in Hochadelskreisen widerspiegeln. Böhmen brachte sich als Kandidat abermals ins Spiel. Wir erinnern uns, der erste Mann Gertruds, Margaretes Nichte, war der böhmische Kronprinz Vladislav, er starb kaum ein halbes Jahr nach der Eheschließung. Sein Bruder Ottokar wurde zum Thronfolger. Nachdem auch Gertruds zweiter Mann starb, wäre eine böhmische Bewerbung um ihre Hand die naheliegendste, die zweckmäßigste Variante gewesen, jedoch Ottokar weigerte sich die Witwe seines verstorbenen Bruders zu heiraten. Wie ihre eigenen Präferenzen waren, können wir nicht sagen.
Stattdessen, und jetzt nahm es geradezu groteske Züge an, warb er um die Hand Margaretes. Sie war nicht nur fast 30 Jahre älter als Ottokar, mit bald 50 Lebensjahren konnte sie dem zukünftigen König von Böhmen auch keine Nachkommen mehr schenken, am Ende war sie sogar älter als ihr Schwiegervater, König Wenzel I. von Böhmen.
All das hinderte nicht die Ehe zu schließen, welche am 11. Februar 1252 begangen wurde. Österreich und die Steiermark war den Preis einer zum Scheitern verurteilten Ehe allemal wert und Margarete hatte kaum eine andere Wahl, wollte sie ihren Erbanspruch durchsetzen.
Ihre zweimal verwitwete Nichte suchte jetzt zum Erhalt ihrer Rechte die Hilfe beim ungarischen König, der seinerseits kein Interesse an einer Erweiterung der böhmischen Machtbasis um das österreichische Herzogtum haben konnte. Ein Fürst aus dem Einflussbereich Ungarns trat als Ehekandidat auf und so kam es im Sommer 1252 zur Ehe mit Roman von Halitsch, einem engen Verbündeten Ungarns, dem der König die Steiermark als ungarisches Lehen zusagte.

Dies waren nun also die späten Früchte des Privilegium mius, des kaiserlichen Freiheitsbriefs, ausgestellt noch von Kaiser Friedrich I. Barbarossa im Jahre 1156, wodurch er die alte Markgrafschaft Österreich endgültig aus dem bayrischen Territorialberband löste und zum erblichen Herzogtum erhob, das dann dem Babenberger Heinrich Jasomirgott verliehen wurde. Das im Privilegium verankerte Zugeständnis auch in weiblicher Linie das Reichslehen vererben zu können, führte zu jenen Verwicklungen Böhmens uns Ungarns. Böhmen gehörte immerhin seit langer Zeit zum Reich, seine přemyslidischen Könige hatten mittlerweile fast mehr deutsches als slawisches Blut in den Adern. Anders bei Ungarn, wenn es auch seit geraumer Zeit mit dem Reich in freundschaftlicher Weise verkehrte, besonders die Staufer hohes Ansehen genossen, gehörte es nicht zum Reichsverband, noch weniger der galizische Fürst Roman von Halitsch, dem die Steiermark versprochen wurde. Vom Reich, wo bekanntlicherweise der ebenso große, bisweilen heute noch umstrittene Kaiser im Dezember 1250 gestorben war, und jetzt zwei Könige, des Kaisers Sohn Konrad IV. und Gegenkönig Wilhelm von Holland, sich gegenseitig lähmend die Waage hielten, kam keine ernstzunehmende Intervention. Weder dem Machthunger Ottokars II. von Böhmen noch dem geplanten Raub von Reichslanden wurde Widerstand geleistet. Die folgenden Jahre schauen wir uns nicht im Detail an, Ottkar trat nach dem Tod Wenzels II. in Böhmen die Thronfolge an. Im gleichen Jahr kam es auch zum ersten böhmisch-ungarischen Krieg um das Babenberger Erbe, der für Ungarn in einer Niederlage endete. Im Frieden von Ofen (Budapest), kam es zu einem Vergleich, Österreich fiel an Böhmen und die Steiermark an Ungarn. Ottokar II. war dauerhaft  mit dem Kompromiss unzufrieden und suchte nach Wegen auch die Steiermark zu annektieren.

Springen wir ins Entscheidungsjahr 1260, die Zusammenhänge welche zu diesem Waffengang führten, dem sich Markgraf Otto III. von Brandenburg als Schwager Ottokars anschloss, wurden skizziert. Auch Markgraf Heinrich von Meißen, ebenfalls mit einer Schwester des böhmischen Königs verheiratet, beteiligte sich, sowie schlesische Verbände. Alles sammelte sich Ende Juni 1260 im niederösterreichischen Laa an der Thaya.  Möchte man den Quellen glauben, waren es über 30.000 Mann. Auf dem Marsch Richtung österreichisch-ungarischen Grenzfluss, kam es mit ungarischen Reiterabteilungen zu ersten ungeregelten Gefechten, mit empfindlichen Verlusten für beide Seiten. Es erhoben sich schon Stimmen die zum Abbruch des Feldzugs mahnten, darunter wohl auch der Markgraf von Brandenburg. Anlässlich einer einberufenen Beratung unter den Anführern, fiel der einstimmige Beschluss doch wie geplant das ungarische Heerlager jenseits der March anzugreifen. Bis Anfang Juli traten noch Verbände österreichischer Adliger zum böhmischen Heer hinzu, so dass ab dem 4. Juli die offene Konfrontation der durch den Grenzfluss voneinander getrennten, etwa gleichgroßen Heere zu erwarten war, das der Ungarn etwas größer. Mit dem ungarischen König kämpften neben dem schon erwähnten Fürsten von Halitsch, der Polen, Serben, Bulgaren, Wallachen selbst Tataren. Ein wilde Mischung von Einheiten großteils leichter Reiterei. Mehr als eine Woche standen beide Heere einander belauernd gegenüber, eine Schwäche der Gegenseite abpassend, zugleich ängstlich bedacht keinesfalls bei einer unvorsichtigen Flussdurchquerung in einen Hinterhalt zu geraten. Ottokar sandte Parlamentäre aus und bot den Ungarn ungehinderten Flussübergang an und zog seine Verbände teilweise tief in rückwärtiges Gebiet zurück.  Die Auflockerung des böhmisches Heeres war möglicherweise auch von Versorgungsengpässen. Nachdem sich beide Seiten über Tage überwiegend bewegungslos observierten, war es nur wahrscheinlich, dass die Vorräte zur Neige gingen. Heere dieser Größenordnung konnten nicht lange an einem Platz verharren, ihre mitgeführten Vorräte waren für gewöhnlich schnell aufgebraucht und die gesamte nähere Umgebung im Radius von einigen Kilometern um das Heerlager war regelrecht leergefressen. Bei den Ungarn dürfte es kaum anders gewesen sein, ihnen gereichte allenfalls noch die höhere Mobilität zum Vorteil, so dass sie in einem weiteren Umkreis nach Nahrung suchen konnten. Plünderungen selbst in den eigenen Gebieten, war kaum überall zu unterbinden, besonders bei einem so heterogen zusammengesetzten Heer.

Der böhmische Rückzug ins Hinterland fand wahrscheinlich am 12. Juli statt. Ob er eine Kriegslist darstellte, ob tatsächlich der angebotene, freie Flussübergang des Gegners damit bezweckt war, ob das böhmische Heer sich verproviantieren wollte, ist schwer zu beantworten. Die Ereignisse überschlugen sich alsbald und wahrscheinlich ergab eins das andere. Bei Kressenbrunn an der March, heute Groißenbrunn, rund 50 Kilometer östlich von Wien, setzte Kronprinz Stephan (1239–1279) mit starken ungarischen Kräften über den Fluss und traf auf die zahlenmäßig unterlegene aber schwergerüstete böhmische Reiterei, die in Bereitschaft stand. König Ottokar II. nahm die ihm gebotene Gelegenheit ohne zu zögern an und begann den Kampf mit den noch nicht komplett herübergezogenen ungarischen Kräften. Zugleich schickte er Eilboten an die verstreuten Heerhaufen um sich beschleunigt nach Kressenbrunn in Marsch zu setzen. Das sich entwickelnde Gefecht wuchs schnell zur Entscheidungsschlacht. Der initiale Angriff der Ungarn konnte unter Mühen pariert werden, wodurch wertvolle Zeit für die nach und nach eintreffenden böhmischen und verbündeten Truppen gewonnen wurde. Früh während der Kämpfe wurde Kronprinz Stephan schwer verwundet und musste über die March in Sicherheit gebracht werden. Des Prinzen beraubt, fehlte es im buntgemischten ungarischen Heer einer von allen Alliierten akzeptierten Führungspersönlichkeit, was die Koordination und Schlagkraft stark herabsetzte. Die zahlenmäßige Überlegenheit zu Anfang konnte nicht entscheidend genutzt werden, die böhmischen Verteidiger gewannen zusehends die Oberhand und gingen, nachdem auch die Verbündeten mit ihrer Reiterei eingetroffen waren, zum Gegenangriff über. Die Ungarn und ihre Hilfskräfte wurden geworfen, wandten sich dem Fluss zu und suchten ihr Heil in der Flucht. Nach übereinstimmenden Berichten mehrerer Chronisten, erlitten sie hierbei erst die Hauptverluste, indem viele in der March und Waag ertranken. Die nicht gesicherten Überlieferungen geben bis zu 10.000 Mann an.  Die böhmischen Verluste lagen, kann man dem Bericht Glauben schenken, wonach sich erst bei der Flucht die Niederlage vollends zum Debakel auswuchs, signifikant unterhalb jener der Ungarn. Markgraf Otto III. von Brandenburg soll an der entscheidenden Schlussphase mit seinen Truppen großen Beitrag geleistet haben, so wird er, nebst anderen Berichten, im breit ausgeschmückten Schlachtenbericht der österreichischen Reimchronik wiederholt erwähnt. Ünerhaupt schien es der Markgraf gewesen zu sein, der den Rat zum scheinbaren Rückzug gab, was die Ungarn erst zum Flussübergang verleitete. Der standhafte Widerstand der böhmischen Reiterei, es ist zu vermuten dass Markgraf Otto als Ratgeber des Rückzugsplans mit seinem Kontingent mindestens in der Nähe lag, verschaffte nicht nur die schon erwähnte Zeit um eigene Truppen heranzuführen, er hemmte auch wirksam den Nachzug ungarischer Verstärkung, so dass deren anfängliche Überlegenheit schnell verloren ging und sich ins Gegenteil umschlug.

König Bela IV. bot unmittelbar nach der schweren Niederlage Friedensverhandlungen an, woraus man den Schluss ziehen muss, dass die ungarischen Verluste in der Tat ganz erheblich gewesen sein mussten. Zu Pressburg wurde noch im Juli 1260 die Friedenspräliminarien vereinbart, die dann schließlich im Frieden von Wien, am 31. März 1261 ratifiziert wurden. Ungarn musste auf die Steiermark verzichten und auch auf einige Gebiete in der Slowakei, die unmittelbar an Mähren fielen. Ottokar II. war jetzt ohne jeden Zweifel der mächtigste Reichsfürst im Heiligen Römischen Reich und Markgraf Otto III. von Brandenburg hatte einen spürbaren Beitrag daran geleistet.


Letzte Teilungen der Jahre 1260 & 1266

1260 wurden die restlichen, bislang noch ungeteilten Gebiete unter den markgräflichen Brüdern aufgeteilt, nachdem die 1258 eingeleitete Initialteilung so glatt und ohne Auseinandersetzungen unter den Söhnen Johanns und Ottos  verlief. Wir lasen weiter vorne, dass einzelne Gegenden zunächst von einer Teilung ausgeschlossen waren. Neben strittigen Gebieten wie dem Land Lebus oder der Grafschaft Seehausen, über die Markgraf Otto nach der Einigung mit dem Magdeburger Erzstift verfügte und die noch vor 1260 als Kompensation für seinen bislang geringer ausgefallenen Anteil an ihn fielen, ging es vor allem um die Altmark und die Stadt Brandenburg.

Wann genau die finale Aufteilung erfolgte ist unklar, sehr wahrscheinlich bald nach der Rückkehr Ottos vom siegreichen Feldzug seines böhmischen Schwagers. In dem Zusammenhang ist es zweckmäßig zuerst auf das Landschaften Bautzen und Görlitz, die Oberlausitz einzugehen, das bislang ebenfalls nicht zugewiesen war. Die allgemeine Besitzlage war unklar, doch wenn die Landschaften überhaupt dauerhaft brandenburgisch wurden, konnte das Gebiet im Grunde nur Otto zukommen. Die vom brandenburgischen Kerngebiet abgetrennte Exklave zwischen der meißnischen Niederlausitz und Böhmen, war durch Ottos Vermählung mit Prinzessin Beatrix von Böhmen, als Mitgift  brandenburgischer Pfandbesitz geworden. Als solcher war das Gebiet weit davon entfernt sicherer Territorialbesitz zu sein. Es fiele nach dem Tod der Markgräfin Beatrix wieder an Böhmen und damit an ihren jetzt regierenden Bruder Ottokar II. oder dessen Erben zurück. Das Engagement Markgraf Ottos III. im Rahmen des zweiten böhmisch-ungarischen Kriegs um das Babenberger Erbe, darf wohl wesentlich im Kontext seiner persönlichen Bemühungen um die Oberlausitz zu werten sein. Er suchte das Land dauerhaft für sich und seine Nachkommen als erbliches Lehen verliehen zu bekommen.  Ein am 22. Januar 1262 zu Prag geschlossener Staatsvertrag zwischen König Ottokar II. von Böhmen und Markgraf Otto III. von Brandenburg spielte hierbei eine besondere Rolle. Der Markgraf verpflichtete sich darin dem König gegen Jedermann Beistand zu leisten, mit Ausnahme des Erzbischofs von Magdeburg, zu dem Otto hinsichtlich der erwähnten wegen des Burgen in Alvensleben in einem Lehnsverhältnis stand und natürlich war auch sein Bruder Johann davon ausgeschlossen. Die Familienbande war auch im vierten Jahr nach der brandenburgischen Teilung ungemindert, der Zweck Brandenburg als Ganzes zu erhalten, ehernes Ziel. Otto verpflichtete sich weiter in diesem Vertrag seine Kinder, Söhne wie Töchter nur nach den Wünschen des Königs zu vermählen, im Fall von bereits geschlossenen Eheversprechen diese zu lösen, für den Fall der böhmische König würde dies fordern. Abschließend gelobte der Markgraf seine Stimme bei einer etwaigen Königswahl nur nach den Wünschen Ottokars zu richten. Der letzte Teil wirft jedoch die Frage auf, wer die brandenburgische Kurstimme berechtigterweise führte, es gab schließlich noch kein festgeschriebenes Gesetz dafür, wenngleich die Sitte dem erstgeborenen den Vorrang ließ. Insofern war Ottos beeidetes Versprechen nur für den Fall einforderbar, dass Johann als der ältere Bruder zum Zeitpunkt einer Wahl verstorben wäre.

Die vertraglich zugesagten Verpflichtungen stellten gravierende Beschneidungen der herrschaftlichen Autonomie dar, so dass Otto diese unter keinen Umständen für einen geringen Preis opferte. Dieser Preis kann nach allem dafürhalten nur im Lande Bautzen und Görlitz bestanden haben. Tatsächlich muss die Belehnung mit der Oberlausitz auch wirklich erfolgt sein, denn das Gebiet war über den Tod beider Markgrafen, ja über den Tod der Markgräfin Beatrix hinaus, bei Brandenburg geblieben. Als wahrscheinlichster Zeitpunkt muss der vorerwähnte Termin in Prag, anlässlich des böhmisch-brandenburgischen Staatsvertrags gesehene werden und damit der 22. Januar 1262 oder kurz darauf. Weiter oben wurde erwähnt, dass eigentlich nur Markgraf Otto durch seine Ehe mit Beatrix von Böhmen ein Anrecht auf jene Regionen erheben konnte. Das Gebiet blieb jedoch, erfolgte Belehnung hin oder her, weiterhin ungeteilt und unter gemeinsamer Verwaltung, ebenso das Land jenseits der Oder, demnächst als Neumark, in Abgrenzung zur Altmark bezeichnet.
Das Stichwort ist gefallen. 1258 war die Altmark zusammen mit Brandenburg an der Havel im gemeinsamen Besitz geblieben. Provinz wie Stadt hatten großen symbolischen Charakter. Von der Altmark aus nahm vor einhundert Jahren die Ostexpansion Albrechts des Bären seinen Anfang. Die 1157 erfolgte Wiedereroberung der Havelfestung Brandenburg, gab dem entstehenden Fürstentum seinen charakteristischen Eigennamen, dem Markgrafen von Brandenburg den Titel. Jetzt nach zwei Jahren machten sich die Brüder daran auch diese wertvollsten aller brandenburgischen Kleinode untereinander aufzuteilen und wieder ging es in vollem Einvernehmen, unter Einbeziehung aller Söhne vonstatten. An Johann fiel der südliche Teil der Altmark mit Stendal als Zentrum während Otto der nördliche Teil mit Salzwedel zukam. Auch Brandenburg an der Havel, die erste märkische Stadt, das erste Zentrum des  Landes, der allem seinen Namen gebende Flecken mitten im Havelland, wurde so aufheteilt, dass keiner der Brüder, noch weniger einer der Söhne Grund zur Klage hatte. Was jetzt noch blieb, war die schon erwähnte Oberlausitz und die rasch wachsenden Landschaften östlich der Oder. Wir greifen deswegen etwas in der Zeit voraus und gehen vor in das Jahr 1266. Zu Tangermünde kam es am 3. Juni zur dritten und letzten Teilung der noch verbliebenen, ostwärts der Oder weiter gewachsenen Landesteile Brandenburgs. In der Neumark, somit trans Oderam, teilte Markgraf Johann I. das Land in zwei Teile und Otto III. durfte wählen. Für die Oberlausitz, oder die Lande Bautzen und Görlitz, wie das Gebiet damals noch genannt wurde, war es genau umgekehrt. Hier teilte Markgraf Otto III. und sein älterer Bruder Johann I. hat den Vorzug der Wahl. Zeuge der Vereinbarung war unter anderem Bruder Anno von Sangerhausen, der von 1256 bis 1273 als zehnter Hochmeister des Deutschen Ordens die Geschicke im Baltikum, gleichwie im Heiligen Land leitete. Auf zwei Besonderheiten glauben wir das besondere Augenmerk lenken zu müssen. Anhand der Teilung der Oberlausitz, die nach Recht und Sitte nur Markgraf Otto zugestanden hätte, da seine böhmische Frau die Landschaft in die Ehe brachte, erkennen wir den letzten und zweifelsfrei ausdrücklichsten Beweis, wie eng und ohne jede Missgunst beide Brüder bis zuletzt ihre Besitzungen so teilten, dass ihr glänzendes Beispiel auf die Söhne abfärben musste. Im zugrundeliegenden Vertrag wurde ein gewisser terminlicher Druck aufgebaut. Bis Michaelis (29. September) sollte die Teilung vorgenommen werden, spätestens aber noch vor Weihnachten des gleichen Jahres. Im Falle dass einer oder beide regierenden Markgrafen sterben sollten, wurde den Söhnen auferlegt die Teilung gemäß Vertrag abzuschließen. Die Urkunde ist der letzte eindeutige Lebensbeweis Markgraf Johanns I., er starb noch im gleichen Jahr. Wir müssen anhand der vertraglichen Ausformulierung annehmen, dass er sein baldiges Ende herannahen sah und so regelten beide Brüder in gewohnter Eintracht alle noch offenen Gebietsfragen bzw. stellten hierzu die notwendigen Weichen.


Brandenburgische Politik nach der Teilung

Trotz der inneren Teilung Brandenburgs, die immer mehr Gestalt annahm, blieb die Politik beider Markgrafen eng aufeinander abgestimmt. Johann und Otto waren unverändert viel auf Reisen und sowohl im Heerdienst wie in diplomatischer Mission aktiv. Die Regentschaft eines in seiner Fläche so weit ausgedehnten Fürstentums, bedingte die nahezu ständige Bewegung seiner Landesherren. Hierin bildete die Mark zwar kein Ausnahme, nahm aber wegen der erwähnten Größe, und nicht nur deswegen, eine gewisse Sonderstellung ein. Das gesamte Gebiet war in zahlreiche Vogteien unterteilt. Die von den Markgrafen eingesetzten Vögte walteten an der Fürsten statt und hatten dahingehend weitreichende Befugnisse. Um Veruntreuungen, selbstherrliche Verwaltung, überhaupt jede Art unerwünschter Entwicklungen vorzubeugen, im Bedarfsfall im Keime zu ersticken, waren  wiederholte Besuche und die Kontrolle der Verhältnisse vor Ort notwendig. Eine dauerhafte Hauptresidenz entstand dadurch nicht, dafür mehrere regionale Schwerpunkte wie Brandenburg an der Havel, Spandau, Salzwedel, Stendal, Frankfurt an der Oder und andere. Daneben unterhielten sie überall in der Mark Burgen, die auf den Reisen zeitweilig den landesherrlichen Hof beherbergten.

Otto III, der jüngere von Beiden, erscheint vordergründig aktiver, nach dem Teltow-Krieg allemal kriegerischer, Johann als der Erstgeborene dagegen zurückhaltender, vermeintlich stiller agierend. Aus den erfreulich zahlreichen, trotzdem lückenhaft bleibenden Urkundenberichten, lässt sich keine zuverlässige Charakterisierung erarbeiten, bestenfalls eine Tendenz, auch manches Muster erahnen. Zu einer klar differenzierten Unterscheidung ihrer Wesensmerkmale reicht es nicht. Beide wirkten in ihrer Zeit auf solche Weise abgestimmt und im Einklang, dass nur selten bestimmt werden kann, wo eine Handlung spezifisch und wo sie im Kontext gemeinschaftlicher Landespolitik vorgenommen wurde.

Schauen wir uns einige Eckpunkte der Aktivitäten näher an, wobei die stets zahlreichen Zuwendungen für Kirchen und Klöster unberücksichtigt bleiben, sie spielten eine politisch zumeist untergeordnete Rolle und dienten wie gewöhnlich entweder dem eigenen Seelenheil oder jenem verstorbener Angehöriger.

Erwähnenswert aus dem Jahr 1260 ist sicherlich die Hochzeit von Markgraf Johanns drittem Sohn Konrad mit der polnischen Herzogstochter Konstanze, beide waren seit 1255 miteinander verlobt. Als Mitgift brachte sie die Kastellanei Zantoch mit Ausnahme der dortigen Burg in die Ehe, womit Brandenburg erstmals seine Fühler in den Netzedistrikt ausstreckte, auch wenn dieser territoriale Begriff damals noch unbekannt war und erst in die späte Friederizianische Zeit passt. Mit allen bedeutenden Mächten aus der Nachbarschaft stand Brandenburg nun in einem verschwägertem Verhältnis, womit die Gebietserwerbungen der zurückliegenden zehn Jahre politisch abgesichert wurden. Egal ob es der Einfluss auf Pommern im Norden war, wo Dänemark eine sichernde Rolle spielte, ob Meißen in Bezug auf den Teltow und Barnim oder die Gebiete jenseits der Oder, wo das benachbarte Polen durch Heirat als Sicherheit fungierte. Letztlich die enge Verbindung mit dem böhmischen Königshaus, wodurch die Oberlausitz, das Bautzener- und Grörlitzer Land, an Brandenburg kam.

Kommen wir abermals auf Markgraf Otto zu sprechen. Während beide Brüder gemeinsam als die Städtegründer in die Geschichte eingingen, trug Otto III. darüber hinaus den Beinamen der Fromme. Gleiche oder ähnliche Namenszusätze waren keine ausgesprochene Seltenheit. Für gewöhnlich verdienten sich Fürsten diesen Zusatz durch großzügige Güterschenkungen zum Wohle der Kirche. Bei Otto war dies nicht von ausschlaggebender Natur, seine Zuwendungen für Klerus und Kirche fielen nicht größer aus, als jene des Bruders oder anderer Zeitgenossen. Otto führte, nach allem was die Überlieferungen über ihn hinterließen, tatsächlich ein nach damaligen Maßstäben zu beurteilen, frommes Leben. So waren unter anderem seine Preußenzüge ins Ordensland bezeichnend, dies zu einer  Zeit, wo selbige noch nicht in Mode gekommen waren. Noch deutlicher wird es durch ein Ereignis, vermutlich aus dem Frühjahr 1261 stammend. Er nahm damals das Kreuz auf und verpflichtete sich zum Heerzug ins Heilige Land. Wenn auch die genauen Zusammenhänge nebulös blieben, ein exaktes Datum fehlt, können wir aus zwei Schriftvermerken die Tatsache doch als verbindlich rekonstruieren. Am 24. April 1261 bestätigt der Markgraf zu Spandau seinem dortigen Vogt dessen Schenkung an das örtliche Spital. Hierbei trägt er das Kreuzzeichen nach der Sitte der Kreuzfahrer auf der Brust. Nun bliebe dahingehend einiger Interpretationsspielraum, gäbe es nicht vom 25. Juli 1265 ein Schreiben Papst Clemens IV. an den Jerusalemer Patriarchen, dass der Markgraf längst das Kreuz aufgenommen habe und einen Zug ins Heilige Land plane. Dieser habe ihn kürzlich erst von dem bisher geheimgehaltenen Plan durch einen Sonderboten informieren lassen.  Auch wenn in Rom niemand über das Vorhaben Ottos III. bislang informiert war, kann daraus nicht automatisch der Schluss gezogen werden, dass in der Mark das Vorhaben ebenfalls gänzlich geheim geblieben wäre. Ein Zug nach Palästina ist jedoch nicht zustande gekommen.

Am 29. Juni 1261 fand südlich von Schleswig auf der Lohheide eine Schlacht zwischen der dänischen Regentin Margarete Sambiria, Witwe des 1259 verstorbenen Königs Christoph I. von Dänemark, und dem Schleswiger Herzog Erich I. sowie dessen Onkeln, den Grafen Johann I. von Holstein-Kiel und Gerhard I. von Holstein-Itzehoe statt. Die Dänen wurden geschlagen, Margarete zusammen mit ihrem unmündigen Sohn König Erik V. Klipping von Herzog Erich gefangen genommen. Es war einer der zahlreichen innerfamiliären dänischen Kriege um die Krone oder das Herzogtum Schleswig. Brandenburg, über die verstorbene erste Frau Markgraf Johanns I. mit dem dänischen Königshaus vormals verschwägert, spielte bei den anschließenden Verhandlungen um die Freilassung der Regentin und ihres Sohnes eine wichtige Rolle, zumal auch zu Holstein verschiedentliche Beziehungen bestanden, über die schon berichtet wurde weswegen Markgraf Johann sich hierzu in idealer Weise anbot. Johanns älteste Tochter Agnes, aus dessen zweiter Ehe mit Jutta von Sachsen stammend, heiratete später Erik V. von Dänemark, so dass auch die Folgegeneration eng an das dänische Königshaus anknüpfte. Die brandenburgischen Bestrebungen einen Zugang zur Ostsee zu erlangen, war ungebrochen. Das wichtige Lübeck – noch vor 100 Jahren eine kleine Kaufmannssiedlung zwischen der Trave und Wakenitz auf einer Halbinsel liegend, mittlerweile eine florierende, den Ostseehandel dominierende Seestadt – konnte trotz königlicher Gnade und aller diplomatischen Anstrengungen nicht bezwungen werden. Zur militärischen Unterwerfung fehlten Brandenburg die notwendigen maritimen Mittel. Vor diesem Hintergrund ist das neuerliche Heiratsbündnis mit Dänemark Ausdruck fortdauernder brandenburgischer Bestrebungen an der Ostsee Fuß zu fassen.  Der Eheschluss war dänischerseits vielleicht weniger aus freien Stücken  und mehr aufgrund brandenburgischen Drucks. Um dies näher zu erörtern, ist es notwendig noch etwas detaillierter in die schwierigen Friedensverhandlungen zwischen den Holsteiner Grafen und der gefangenen dänischen Regentin und ihres königlichen Sohns und Jünglings Erik.

1261 kam es, so scheint es zumindest, erneut zur Fehde mit Magdeburg. Kontrahent des Erzbischofs konnte primär nur Markgraf Johann I. gewesen sein und nicht auch dessen Bruder Otto III., der hinsichtlich Alvensleben ein magdeburgischer Vasall war und in dieser Weise gegenüber beiden Seiten sicherlich Neutralität anstrebte. Die Quellen schweigen sich bezüglich eines neuerlichen Konflikts allerdings aus, doch drängt der Kontext späterer Ereignisse diese Vermutung auf.

Markgraf Johann I.

In einer Urkunde vom 17. August 1263 bekundet Markgraf Johann dem Johanniterorden zu Werben in der Altmark, für die ihnen entstandenen Kriegsschäden aufzukommen. Im Übrigen urkundet Markgraf Otto III. in ähnlicher Weise, wenn er verschiedenen Klöstern in der Altmark zur Beseitigung dortiger Kriegsschäden Schenkungen macht. Dieser Hinweis muss als Indiz gewertet werden, dass Otto wahrscheinlich doch an der Seite des Bruders eingriff, anders wären Verheerungen in seinen Ländereien nur schwerlich zu erklären. Die Schäden, welche aus dem Kontext der Urkunden hervorgeht, müssen verhältnismäßig neu gewesen sein, sie konnten zweifelsfrei nicht noch aus der Zeit des Teltow-Krieges stammen, der mehr als 15 Jahre zurücklag. Dass doch nur Magdeburg und nicht etwa das ebenfalls benachbarte Halberstadt oder Anhalt als Kriegsgegner in Frage kam, ergibt sich aus einem 1261 ausgebrochenen Streit um die Bischofswahl in Brandenburg. Zwei konkurrierende Wahlkonvente, das Domkapitel zu Brandenburg einerseits und jenes von Magdeburger andererseits, wählten zwei verschiedene Kandidaten. Während die brandenburgischen Domherren Heinrich von Ostheeren (vor 1220 – 1277), einen engen Parteigänger der Markgrafen wählten, entschieden sich die Magdeburger zu Leitzkau für  Albert von Arnstein (vor 1230 – 1294) der natürlich im Sinne des Magdeburger Erzbischofs war. Für die Markgrafen war es von vitaler Bedeutung den Bischofssitz zu Brandenburg mit einem ihnen gewogenen Bischof besetzt zu wissen, wie es bisher, auch anlog zu Havelberg, für gewöhnlich der Fall war. Beide Bistümer lagen inmitten ihres Territoriums, die jeweiligen Bischöfe waren  politisch stark von den brandenburgischen Markgrafen abhängig und demgemäß gezwungenermaßen enge Parteigänger, hieran sollte sich nach Wunsch der Markgrafen auch zukünftig nichts ändern, weswegen sie jeden Konflikt mit Magdeburg bereit waren durchzukämpfen. Dass das Magdeburger Domkapitel, mit ihm der Erzbischof, durch die Platzierung eines eigenen Zöglings dieses Monopol zu ihren Gunsten zu durchbrechen suchten, ist selbsterklärend. Der Konflikt – es scheinen nur die üblichen Verheerungen der gegnerischen Länderein erfolgt zu sein, zu einer Feldschlacht kam es offenbar nicht, hierzu wäre mit Sicherheit ein schriftlicher Bericht überliefert worden – muss realtiv bald wieder beigelegt worden sein, denn schon im Januar 1262 sehen wir Erzbischof Rupert von Magdeburg versöhnt Umgang mit den Markgrafen pflegen. Die endgültige Wahl des brandenburgischen Kandidaten fiel jedoch erst 1263, als sich die römische Kurie für Heinrich I. entschied, der darauf am 31. Oktober 1263 offiziell als Bischof von Brandenburg bestätigt wurde.


Letzter Zug ins Ordensland

Seit der Deutsche Orden vor etwas mehr als 30 Jahren in Thorn, im Kulmerland Fuß fasste, war dort die Keimzelle eines Staats entstanden, der seither mit Energie und überwältigendem Erfolg eine unvergleichliche Expansion, zuerst nach Norden, entlang von Weichsel und Nogat, dann in östlicher und nordöstlicher Richtung vornahm. Der Umfang des Erfolgs war nicht auf die alleinige Kraft des Ordens zurückzuführen. Nur auf sich und seine Hilfsquellen gestützt, hätte der Orden, wenn er auch äußerst diszipliniert und vortrefflich organisiert war, eine solche Erweiterung seines Territoriums nicht bewerkstelligen können. Die Widerstandskraft und der Widerstandswille der heidnischen Prußen konnte nicht durch die alleinige Kraft gebrochen, die Stämme nicht mit nur eigenen Mitteln unterworfen werden. Da wir schon im nächsten Kapitel näher auf den Deutschen Orden eingehen, belassen wir es an dieser Stelle zunächst mit der blanken Erwähnung.

Im Spätjahr 1265 sammelten sich Landgraf Albrecht von Thüringen, Herzog Albrecht von Braunschweig und weitere prominente Fürsten des sächsischen Raums zum Heerzug ins Baltikum. Unter ihnen war erneut Markgraf Otto III., diesmal in Begleitung eines Sohnes. Von seinen vier Söhnen kamen theoretisch vom Alter her nur die drei ersten, Johann, Otto und Albrecht in Frage. Der vierte und jüngste Sohn, ebenfalls Otto genannt, zur besseren Unterscheidung von den Zeitgenossen mit dem Beinamen „der Kleine“ versehen, war zum Zeitpunkt des Zugs erst zehn Jahre alt, ihn kann man mit großer Wahrscheinlichkeit ausklammern. Von den drei vorgenannten Söhnen käme tatsächlich jeder in Frage, am wahrscheinlichsten darf man wohl dennoch den erstgeborenen Johann annehmen. Nicht völlig geklärt ist, ob auch Ottos älterer Bruder, Markgraf Johann I. am Feldzug beteiligt war. Peter von Dusburg, Chronist des Deutschen Ordens, erwähnte ihn als Teilnehmer in seinem Werk Chronicon Terrae Prussiae, das vielleicht wichtigste Werk zur preußischen Frühgeschichte. Es sei aber bemerkt, dass die Arbeiten daran erst Jahre nach dem erwähnten Feldzug begannen und es unklar ist, woher die zugrundeliegenden Quellen im Einzelnen stammen.

Der Heerzug stand wettertechnisch abermals unter keinem guten Stern. Um im unwegsamen, stark sumpfigen, daneben waldreichen Gelände militärisch sinnvoll operieren zu können, war anhaltender Frost erforderlich, damit sich Mannen, Pferde und Karren nicht unnötig durch Morast und Schlamm quälen mussten, wenn auch die Kälte ihre eigenen Tücken, Risiken und erheblichen Beschwerden mit sich brachte. Der Winter 1265/66 fiel erneut mild aus, weswegen Böden und Gewässer nicht ausreichend einfroren, worauf der eigentliche Feldzug gar nicht erst begonnen wurde. Völlig untätig blieben die Brandenburger dennoch nicht. Südwestlich von Königsberg, dass sich seit der Gründung vor wenigen Jahren zum wichtigen Knotenpunkt entwickelte, ließ Markgraf Otto III. eine Burg auf den Resten einer zerstörten Prußenfestung errichten, welche den Namen Brandenburg erhielt. Am Frischen Haff gelegen, konnte die Burg den küstennahen Schiffsverkehr von und nach Königsberg einsehen. Um die Burg entstand mit der Zeit ein Fischerdorf, wo zuvor bereits eine prußische Siedlung existierte. Langsam, in Generationen, wurde daraus ein Marktflecken, im frühen 18. Jahrhundert eine Stadt, doch verlor die Siedlung das Stadtprivileg wieder. Markgraf Otto verfolgte mit der Errichtung einer Burg mindestens die Absicht für zukünftige brandenburgische Expeditionen einen eigenen, militärisch ausgebauten Stützpunkt zu unterhalten, der durch die günstige Anbindung ans Meer, als Nachschubhafen geeignet war. Weiter, doch das bleibt Hypothese, einen schriftlichen Belege dazu haben wir nicht, erscheint es denkbar, wenn nicht sogar wahrscheinlich, dass damit die brandenburgische Expansion jenseits der Oder fortgesetzt werden sollte. Rufen wir uns in den Sinn, dass zeitgleich die entstehende Neumark fortlaufend nach Nordosten Raum gewann und sich immer näher an die untere Weichsel und das wichtige Weichseldelta heranfraß. Ein zukünftige Landverbindung zu einer weiter östlich gelegenen brandenburgischen Kolonie, erscheint vor dem Hintergrund der bisherigen Expansionswucht der zurückliegenden 30 Jahre, kaum gänzlich abwegig. Selbst wenn eine direkte Landverbindung nicht zu realisieren wäre, so konnte die Erwerbung eines Hafens an der Ostsee, durch das erwähnte Wachstum der Neumark am ehesten an der Küsten Hinterpommerns denkbar, eine leistungsfähige Seeberbindung mit dem im Osten liegenden preußischen Brandenburg herstellen. Unter diesen Gesichtspunkten erscheint die Anlage der Burg als lohnende, als konsequente Investition in die Zukunft.


Eine Ära geht zu Ende

Im Frühjahr 1266 befinden sich beide regierenden Markgrafen zurück in Brandenburg. Auch die anderen sächsischen Herren waren zurückgekehrt. Der Zug ins heidnische Baltikum war aus den erwähnten Gründen ein Fehlschlag, die mitgereisten Vasallen frustriert, da die erhoffte Beute hierdurch ausblieb und die mühsame, monatelange Reise umsonst erschien. Die allgemeine Stimmung im Reich war im gleichem Maße gereizt, wenn auch aus anderen Gründen, wie wir gleich sehen werden. Der Reichskörper war erkrankt und das nicht erst kürzlich. Die Auseinandersetzungen der Staufer mit dem Papsttum hatten die mehrmals erwähnten Spuren hinterlassen. Die Wahlen der machtlos gebliebenen Könige Heinrich Raspe und Wilhelm von Holland trieben, letzterer unter der Regie des Kölner Erzbischof, tiefe Keile ins Fleisch des Reichs. Gleichsam einem Menetekel gingen sie der verhängnisvollen Doppelwahl Richards von Cornwall und Alfons von Kastilien voraus, welche überhaupt die ersten reichsfernen, reichsfremden Herrscher wurden. Fernab, unter dem Einfluss eigener Probleme, vermochten sie im Falle Alfons überhaupt keine, im Falle Richards unwesentlich mehr als homöopathische Einflussnahme und Teilhabe an den Reichsgeschäften zu entwickeln. Ein starke Fürstengruppe, wieder getragen von den mächtigen geistlichen Kurfürsten, erwog die Absetzung beider. Papst Clemens IV. untersagte mit scharfen Töne jedes diesbezügliche Vorhaben. Nicht weil ihm an Richard oder Alfons besonders viel lag, Richard von Cornwall erwies sich beispielsweise nicht als jene papsthörige Person, wie zuvor erhofft. Grund des päpstlichen Widerstands war einmal mehr die im Reich im steilen Aufwind befindliche Stauferpartei. Dort war mit Konrad, wegen seinem jugendlichen Alter von 14 Jahre als Konradin bekannt, ein neuer, vielversprechender Staufer vervorgetreten und eine wachsende Adelspartei suchte ihn zum Thronkandidaten zu designieren. Noch konnte der Papst die dahingehend aufkeimende Stimmung unterdrücken und so kam es im Frühjahr 1266 weder zur Absetzung der beiden flügellahmen Könige, noch zur Wahl Konradins. Die Haltung Brandenburgs, die Haltung seiner beiden Markgrafen war ungewiss. Sicher waren auch sie mit der Herrschaftssituation unzufrieden, von der Eruierung des Reichs und all seines einstigen Glanzes betroffen, doch spürten sie von diesem Vakuum der Macht wenig bis nichts. Ihre Expansion nach Osten und Nordosten war weder königlich gefördert, noch sanktioniert. Im engen, auf familiäre Bande gegründeten Verhältnis zu Böhmen, lag die Hauptstütze der Mark und so gab es keine dringenden Gründe für Johann und Otto einen Wechsel an der Reichsspitze zu forcieren. Man verhielt sich abwartend, dennoch nicht gleichgültig.

Im Sommer dominierten in der Mark zwei Ereignisse das Geschehen, so dass die Reichspolitik ohnehin in den Hintergrund rückte. Zunächst wurde am 3. Juni 1266 die Aufteilung der letzten noch ungeteilten Gebiete, darunter die Neumark und Landschaften Görlitz und Bautzen, zwischen den Brüdern und deren Erben abgestimmt. Wir haben weiter vorn, im Rahmen der Berichte über die verschiedentlichen Teilungen, davon bereits gelesen. Die Art und Weise wie die Teilung noch für das laufende Jahr vollzogen werden sollte, geplant war der Vollzug bis Michaelis, dem 29. September, spätestens jedoch zum Weihnachtstag, nährt die Annahme, dass Markgraf Johann I. seinen Tod herannahen sah und vor seinem Ableben alles noch in die rechten Bahnen gelenkt sehen wollte. Und wirklich starb Johann wohl noch im gleichen Jahr, höchstwahrscheinlich bald nach dem 3. Juni. Das genaue Datum bleibt unbekannt. Letztes Lebenszeichen war jenes Datum, wo im Beisein des Bruders und der mündigen Söhne beider brandenburgischen Linien, die Aufteilung  vereinbart wurde. Dass der Tod noch im  Sommer erfolgte, glauben wir anhand einer vom böhmischen König Ottokar am 24. Juli 1266 ausgestellten Urkunde aüherleiten zu können. In dieser nimmt Ottokar die Stadt Regensburg gegen Jedermann, besonders gegen die Herzöge von Bayern in seinen Schutz, ausgenommen davon der ungarische König Bela und der brandenburgische Schwager Otto III., nebst einiger weiterer, namentlich erwähnter Fürsten. Keine Erwähnung von Markgraf Johann I., der sonst im Zusammenhang mit dem Bruder, auch nach den eingeleiteten Landesteilungen, immer berücksichtigt wurde und Erwähnung fand.

Dass weder Johanns genaues Geburstsdatum, noch der Todestag bekannt sind, ist bedauerlich. Ohne den geringsten Zweifel war er gemeinsam mit seinem Bruder Otto III. und nach dem Urgroßvater Albrecht dem Bären, Brandenburgs bedeutendster Markgraf aus der askanischen Dynastie. Es erstaunt, dass ihm, obwohl Gründer so vieler Städte, darunter Berlin und Frankfurt an der Oder, neben dem in den späten 1890‘er Jahren von Kaiser Wilhelm II. in Auftrag gegebenen Figurenpaar auf der Berliner Siegesallee, keine weiteren Denkmäler gesetzt wurden.

Beigesetzt wurde er zunächst im Kloster Mariensee, dass später um einige Kilometer verlegt, zum Kloster  Chorin wurde. Hierin betten die Söhne seinen Leichnam 1273 um. Das Grab ging über die Jahrhunderte verloren und so bleiben von Markgraf Johann I. vor allem die Taten in Erinnerung.


Nur für kurze Zeit

Mit dem Tod des älteren Bruders, ging das Kurrecht auf Otto III. über. In der Mark traten die beiden ältesten Söhne des eben erst verstorbenen Johann I., Johann II. und Otto IV. selbstständig agierend auf, machten nach außen voererst keine Anstalten den Onkel zu umgehen. Ob der Vater ihnen noch auf dem Sterbebett diesbezügliche Anweisungen erteilte, ist nicht überliefert, man darf es aber aus dem Gesamtkontext seines Lebenswerks getrost annehmen. Wir erinnern uns, früh nach Übernahme der Regierung in Brandenburg, teilte Johann bereitwillig seine Macht mit dem geringfügig jüngeren Bruder. Auf dem großen Hoftag zu Ravenna 1231, erhielt Otto III. von Kaiser Friedrich II. die Ebentualsukzession verbrieft und damit die offizielle Rechtsnachfolge im Falle eines Ablebens des älteren Bruders. Sicherlich bedeutete die seit 1258 schrittweise eingeleitete, einvernehmliche Erbteilung eine Relativierung dessen, doch war nach gut 40 Jahren Regierung zum Wohle und Größe der Mark, ein harter Schnitt der Verhältnisse einfach unvorstellbar und die jungen Markgrafen der Johanneischen Linie blieben in zweiter Reihe, ihre Zeit würde kommen.

Lange Zeit zur Trauer blieb nicht, Otto zog noch im Sommer 1266 mit starkem militärischem Gefolge abermals ins Baltikum. Dieses Mal ungeplant und zu einer untypisch frühen Zeit im Jahr. Das Anfang 1266 am Haff errichtete brandenburgische Kastell wurde durch Heiden aus dem Ermland überfallen und bis auf den hölzernen Bergfried, den sie belagerten, erobert und niedergerissen. Sie nutzten hierzu die Abwesenheit des Komturs Friedrich von Holdenstedt, der mit der Masse der Bewaffneten in der Gegend des späteren Kreuzburgs, rund 20 Kilometer südöstlich des Kastells, gegen weitere prußische Gruppen vorging. Die Lage in den vom Deutschen Orden beanspruchten Gebieten war noch längst nicht gesichert. Die verschiedenen prußischen Stämme leisteten zähen, immer wieder auch erfolgreichen Widerstand. Erst mit der kontinuierlichen Besiedlung, meist deutscher Kolonisten, erlahmte der Widerstand und brach letztendlich völlig zusammen. Im Sommer 1266 müssen die Kräfte des Komturs, der mit Unterstützung aus Königsberg zum Entsatz der Belagerten heranrückte, nicht mit völliger Sicherheit einen Erfolg garantiert haben, andernfalls hätte sich der hochbetagte Markgraf nicht schon wieder auf den Weg gemacht.

Nach allem was wir wissen, ließ Otto die größtenteils zerstörte Burg erneut errichten, ob den Heiden zuvor eine Einnahme gelang oder ob die Besatzung sich bis zum Entsatz halten konnte, wissen wir nicht. Der Aufbau erfolgte, wie üblich zuerst als Palisadenburg, die später durch eine Steinkonstruktion ersetzt wurde. Dass Otto das Unternehmen auf sich nahm und die Burg wiedererichten ließ, stützt unsere Annahme, dass der brandenburgische Brückenkopf südwestlich von Königsberg am Frischen Haff, von großer Bedeutung sein musste und von hieraus eine Molonisierung, vielleicht des Ermlands angedacht war, was den beherzten Überfall aus eben diesem Landstrich, als Präventivschlag erklären könnte.

Schon Mitte Juli 1266 war Markgraf Otto wieder in die Heimat zurückgekehrt, wo er zugunsten des Augustiner Chorherrenstifts in Jerichow eine Landschenkung vornimmt. Das weitere Jahr verlief ohne größere, für die Mark erwähnenswerte Vorgänge. Ende März 1267 sehen wir Markgraf Otto III. als Schiedsrichter bei der welfischen Erbteilung seiner Neffen Albrecht und Johann von Braunschweig-Lüneburg. Sie waren Söhne von Ottos älterer Schwester Mechthild. Ihre Söhne  hatten seit dem Tod des Vaters gemeinschaftlich das Herzogtum regiert, doch nicht ohne Differenzen. Die Teilung folgt ähnlich jener, die wir am 3. Juni 1266 zu Tangermünde zwischen den beiden brandenburgischen Markgrafen sahen, mit dem Unterschied, dass zuvor ausgewürfelt wurde, welcher der herzoglichen Brüder die Teilung vornahm. Die Würfel fielen auf Herzog Albrecht, der damit das Herzogtum Braunschweig-Lüneburg zu teilen hatte, worauf Herzog Johann wählen durfte. Albrecht sollte bis zum 4. Mai die Teilung vornehmen und Johann im Anschluss bis zum 26. Mai wählen. Die endgültige Regelung und Inbesitznahme des nun zweigeteilten Herzogtum erfolgte schließlich im Jahre 1269. Herzog Johann entschied sich für Lüneburg, mit Hannover als Residenz und begründete die ältere Linie Lüneburg, während Albrecht das Gebiet um Braunschweig und Wolfenbüttel blieb, womit die Linie Braunschweig gegründet wurde.

Wahrscheinlich Mitte Mai 1267 gibt Markgraf Otto seine zweite Tochter Mathilde dem pommerschen Herzog Barnim I. zur Frau. Gewiss ist das Datum nicht, im II. Band „Geschichte von Rügen und Pommern“ wird 1266 angegeben, wir glauben aber aus dem Itenerar Ottos dem Mai 1267 heranziehen zu können. Sollte die Annahme zutreffen, wäre die Hochzeit, oder die Brautübergabe zwischen dem 17. und 20. Mai 1267 in Stargard erfolgt, wo der Markgraf sich in Begleitung seiner Söhne und des Bischofs von Havelberg befand. Die Vermählung der noch jugendlichen Mathilde mit dem mehr als fünfzigjährigen Herzog Barnim, dessen dritte Ehe es war, diente zweifelsfrei der dynastischen Absicherung des unsicheren, unsteten Verhältnisses zu Pommern, das formal in einem Lehnsverhältnis zu Brandenburg stand, dies aber, wie wir wiederholt erwähnten, abzuschütteln suchte. Eine Heiratsverbindung, war die zweckmäßigste, weil seinerzeit üblichste Form eine gegenseitige Verknüpfung und Annäherung zu bewerkstelligen. Aus der Ehe gingen zwei Söhne, Barnim und Otto, sowie zwei Töchter, Margarethe und Beatrix, hervor.


Otto III. stirbt

Am 9. Oktober 1267, etwas mehr als ein Jahr nach seinem Bruder, schloss auch Markgraf Otto III., den man den Frommen nannte, für immer die Augen. Es war ein Sonntag und der Ort seines Ablebens war Brandenburg an der Havel, wo er am Vormittag im Beisein vieler Dominikaner die Messe hörte. Auf eigenen Wunsch wurde er nicht im Kloster Lehnin beigesetzt, der bisherigen Grablege der Aakanier, welche nach den Teilungsbestimmungen von 1258 seiner Linie verblieben war, sondern in Strausberg, 40 Kilometer östlich von Berlin, im Chor der dort von ihm gestifteten Dominikanerkirche. Der Beisetzungen wohnten neben Frau Beatrix, die Söhne und die Neffen der Johanneischen Linie bei. Unter den Anwesenden war der Magdeburger Erzbischof Konrad II. von Sternberg (um 1225 – 1277), neben zahlreichen Grafen und Vasallen des Verstorbenen. Die Messe leidete der aus Schlesien stammende Lebuser Bischof Wilhelm.

Über die Eigenschaften Ottos wurde weiter oben manches bemerkt. Der Hinweis, dass die enge Beziehung zum Bruder, die hieraus folgende Einmütigkeit  vieler Handlungen, eine scharfe Unterscheidung erschwert, soll an dieser Stelle noch einmal wiederholt und betont werden. Prägnantester Unterschied blieb die unterschiedliche Frömmigkeit beider Brüder, wobei Johann I. keinesfalls als unfromm bezeichnet werden dar, er stand hier schlicht im Schatten des Bruders, welcher die kirchlichen Vorschriften aufs peinlichste einhielt. Jeden Freitag kasteite er sich im Gedenken an den Opertod Christi, mit Fingernägeln und Nadeln. Die Magdeburger Chroniken schreiben von Otto III., dass sich vom stundenlangen knien im Gebet, wulstige Fleischwüchse gebildet hatten. Seine Frömmigkeit war unter den Zeitgenossen so bekannt, dass Dienstleute, die seine Aufmerksamkeit suchten, sich im Fasten, Gebet und allerlei anderen Werken zu übertreffen suchten. Auch bei seiner Frau sah er es gerne, wenn sie sich statt der weltlichen Dinge, den geistigen widmete und sich in christlicher Frömmigkeit betätigte. Graf Heinrich von Gardelegen, der ältere Halbbruder seines Vaters, zeigte ganz ähnliche Züge. Überhaupt waren die zahlreichen Schenkungen unter den Askaniern zugunsten der Kirche bemerkenswert. Wir kommen im nächsten Kapitel nochmal darauf zu sprechen und rekapitulieren hierzu auch die Schenkung und anschließende Lehnsnahme des askanischen Allodialbesitz während der Regierungszeit Ottos II., welche in Abstimmung mit dem späteren Nachfolger Abrecht II., Vater unserer beiden Markgrafen, denen dieses und die zurückliegenden beiden Kapitel gewidmet waren.

Trotz seiner charakteristischen Frömmigkeit, die ihn nach dem Tod Wilhelms von Holland kurzzeitig sogar zum Königskandidaten machte, wusste er in den zahlreichen Konflikten mit den benachbarten Bischöfen von Magdeburg und Halberstadt, die weltlichen Interessen Brandenburgs mit aller Härte zu wahren. In dieser Hinsicht betrachtete er die hohen Würdenträger nicht als Vertreter der Kirche sondern als als Mitfürsten und damit als örtliche Konkurrenten.

Nach seinem Ableben waren zunächst erst zwei der Söhne mündig, Johann III., genannt der Prager und Otto V., der den Namen „der Lange“ trug. Zwei weitere Brüder, Albrecht und Otto „der Kleine“ standen vorerst unter der Vormundschaft der älteren Brüder.


Ableben und Nachwort

Rückblickend kann man den Leistungen der beiden Brüder kaum mit wenigen Zeilen zusammenfassend und in angemessener Weise gerecht werden. Ein Gedicht mag zur Einstimmung geeignet sein.

Die Tafeln der Geschichte, deckt manch ein blutig Bild,
Und wohl steht Mord geschrieben da, wo es Kronen gilt:
Des Vaters Scepter fasset mit blut‘ger Hand der Sohn,
Es stößt den eigenen Bruder der Bruder von dem Thron.

Ich aber kann dir nennen das glückbegabte Land,
Darin mit großen Thaten geherrschet,
Hand in Hand, Ein Brüderpaar, ein hohes, an Sinn und Tugend gleich,
In rechter Brudertreue sich teilend  in das Reich!

Du hättest nie vernommen von Otto und Johann?
Den Freunden Kaiser Friedrichs, die wehrten seinen Bann?
Die tapfer sich gestemmet genüber Pfaffengier?
Die Städtgründer waren in unsern Landen hier?

Die kühn hinaus gen Morgen gesetzt den deutschen Fuß?
Den Oderstrom hinüber getragen deutschen Gruß?
Die Staaten hier gesäet für später Zeiten Lauf?
Jahrhunderte verflossen, da sprossen recht sie auf!

Und die ihr Banner hoben in also stolzer Art,
Daß sich der deutsche Adel in Ehren darum schart,
Und daß des Reiches Krone dem Einen ward gebracht.
Er aber hatte lieber der eignen Staaten acht.

(Gedicht von Otto Friedrich Gruppe, aus „Hie da  Brandenburg alleweg“)

Die über 40 Jahre einträchtig geführte Regierung, ist in so hohem Maße ungewöhnlich für die Zeit, dass dies alleine eine bevorzugte Erwähnung in den Annalen Brandenburgs und des Reichs verdiente.
In ihrer Regierung erweiterten sie die Gebiete wie kein brandenburgischer Markgraf vor ihnen. Sie waren in der Lage hierin alle ihre benachbarten Reichsfürsten zu überflügeln, mussten sich diesen Erfolg zuvor in verschiedenen Kriegen erfechten.
Anlässlich des sechsjährigen Teltow-Krieges gelang ihnen der Dreierallianz aus Meißen, Magdeburg und Halberstadt zu widerstehen, alle ihre Gegner zu schlagen und zu einem für sie vorteilhaften Frieden zu bewegen.

In den 1250’er Jahren schlossen sie zu den allerhöchsten Fürstenkreisen des Reichs auf und nahmen als bevorrechtigte Wahlfürsten erstmals 1257 an der Königswahl teil. Otto III. wurde zeitweilig als ein ernstzunehmender Kandidat für den Thron des römisch-deutschen Königs gehandelt.

Brandenburg zählte jetzt in seiner Ausdehnung  zu den größten Flächenstaaten des Reichs, wenn auch weite Teile der erst kürzlich erworbenen Gebiete noch wenig erschlossen waren. In ihrer Zeit gründeten sie viele Städte und Marktflecken, darunter Neubrandenburg, Berlin-Cölln, Frankfurt an der Oder und andere. Sie ließen Burgen zur Landesverteidigung errichten oder bauten vorhandene Burgen systematisch aus. Die zahlreichen Klostergründungen bildeten waren wichtiger Beitrag bei der Erschließung und Entwicklung der erworbenen Gebiete. Hierin folgten sie nahtlos dem erfolgreichen Beispiel ihrer Vorfahren.

Abschließend war ihre pragmatische und klug geplante, in Etappen vorgenommene Erbteilung unter den elf männlichen Nachkommen vielleicht die Leistung, welche rückwirkend betrachtet, von der größten nachhaltigen Bedeutung für die Mark Brandenburg war. Sie verhinderte den Zerfall und eine Zersplitterung der immer noch jungen Mark.

Johann und Otto waren ohne Zweifel in ihrer Zeit bemerkenswerte Landesfürsten, die sich nicht nur in den erfolgreich durchkämpften Kriegen bleibenden Ruhm erarbeiteten, sondern allem voran mit geschickter Hand den Landesausbau vorantrieben und Brandenburg zu einer spätmittelalterlichen   Großmacht ausbauten.


Buch 1, Kapitel VIII: „Johann I. & Otto III. – die Städtegründer“


Regional- und Reichspolitik

Durch die Heiratsverbindungen Johanns I. mit Dänemark (1230/35) und Ottos III. mit Böhmen (1233/43), war Brandenburg außenpolitisch in komfortabler Lage. Es versetzte beide Regenten in die Lage, sich in einem Umfang um territoriale Expansion zu bemühen, wie es Vater Albrecht II., Onkel Otto II. und Großvater Otto I., mit Rücksicht auf die jeweils politische Lage niemals vermochte. Brandenburg hatte sich in den zurückliegenden zwei bis drei Jahrzehnten sehr vorteilhaft weiterentwickelt. Das Besiedlungswerk seit Markgraf Otto I., ließ die ältesten Teile der Kolonien ostwärts der Elbe, bis hin zur Havellinie, wachsen und gedeihen. Seit dieser Zeit blieb die Mark von Kriegen weitestgehend verschont, wodurch sich, fast untypisch für das Reich, die Landschaften und seine Bewohner in Frieden entfalten konnten. Die Menschen der Mark waren allerdings noch weit davon entfernt, so etwas wie eine eigene Selbstwahrnehmung oder gar eine märkische Identität zu entwickeln. Die Bevölkerung betrachtete sich lange noch nicht als ein zusammengehöriges Kollektiv. Die Klammer über alles bildete nur das markgräfliche Herrscherhaus, und die darunterliegende Lehnspyramide aus Adel und Prälaten. Hierin war Brandenburg jedoch keine Ausnahme. Wenn es auch Regionen im Reich gab, wo so etwas wie Landsmannschaften existierten, förderte die zunehmende Zersplitterung in oftmals unzusammenhängende Einzelterritorien, nicht die Bildung eines Zusammengehörigkeitsgefühls. Auf Brandenburg bezogen, war es ungleich schwerer. Seine Einwohner waren ein Sammelsurium von Menschen unterschiedlicher Herkunft und Mundarten. Vergessen wir nicht, die Mark war ein Einwanderungsland, eine deutsche Kolonie, wenn man es so formulieren möchte. Seine Bewohner kamen aus den Küstenregionen Flanderns oder Hollands, aus Westfalen, Ostsachsen oder dem Rheinland. Hinzukamen die schon ansässigen slawischen Bewohner des Landes, die, wenn sie auch in den Vergeltungsfeldzügen des letzten Jahrhunderts stark dezimiert wurden, weit davon entfernt waren, ausgerottet zu sein, was auch nie Absicht der askanischen Ostexpansion war.

Kaiser Friedrich II.

Die unter den Staufern erfolgte Verlagerung des Reichszentrums in den süddeutschen Raum, ließ den Norden des Reichs fortschreitend königsfern werden. Als unter Friedrich II. zeitweise das Zentrum sogar nach Italien verlegt wurde, beschleunigte sich der Prozess.
Die Markgrafen Johann I. und Otto III., lange  staufisch gesinnt, hielten sich in Bezug auf handfeste Unterstützung des Kaiser immer zurück. Die Ferne ihres Fürstentums ermöglichte es, sich ohne mit Sanktionen rechnen zu müssen,  den kaiserlichen Konflikten mit Papst und Lombardenbund erfolgreich zu entziehen. Der Kaiser plagte sich in dieser Zeit nicht nur mit dem renitenten Städtebund der Lombarden, auch der Konflikt mit seinem ältesten Sohn Heinrich und nicht zuletzt mit dem ausufernden Fehdewesen im Reich selbst.
Die Mainzer Landfriedensordnung von 1235 war entsprechend das Ergebnis einer geschärften Wahrnehmung, dass diesem Fehdeunwesen zum Wohle aller Regeln und so gut es eben ging, Einhalt geboten werden musste. Die Städte profitierten am meisten von Frieden und sicheren Straßen, da Handel und Handwerk hierdurch in ungestörter Weise aufblühen konnte. Noch waren Wasserstraßen für den Fernhandel die wichtigsten und gleichzeitig sichersten Versorgungsadern, doch stärkte der wachsende Binnenhandel auch weiter abseits von See-, Fluss- und Kanalwegen, die Urbanisierung auf dem platten Land. Überhaupt waren es Städte, die sich jetzt als Motor der weiteren Landesentwicklung überall hervortaten und darin die Klöster in den erschlossenen Gebieten nach und nach ablösten. In ihnen ballte sich die Wirtschaft. Da die älteren und größeren Städte oft gleichzeitig Sitz eines Bischofs waren, bildeten sie ebenso regionale, mancherorts überregionale politisch-kulturelle Zentren. Aus einem regen Handel, der einen großen Teil seiner Waren aus dem lokalen Handwerk oder der Landwirtschaft bezog, profitierte die weite Peripherie in der Umgebung einer Stadt und von alledem, wiederum die fürstlichen Landeskassen, denen es dank erhobener Abgaben, wie Zölle, Schmiede- oder Schnitterpfennigen, klingende Münzen einbrachte. Für einen Territorialfürsten war es dabei  höchst weise, die Abgabenschraube, darunter den Zoll, nicht für den kurzfristigen Gewinn zu fest anzuschrauben, um dadurch nicht Gefahr zu laufen, den ganzen Warenfluss abzuwürgen oder wenigstens empfindlich zu stören.

Vom Dezember 1236 liegen uns zwei Urkunden vor, die einen diesbezüglichen Weitblick erkennen lassen. In einer undatierten Urkunde Herzogin Mechthilds von Braunschweig-Lüneburg, der älteren Schwester unserer brandenburgischen Markgrafen, teilt sie dem Hamburger Magistrat mit, dass sie von ihren Brüdern freies Geleit für die Hamburger Händler auf den Abschnitten der märkischen Elbe erwirkt habe. Dies beinhaltete neben dem Schutz wahrscheinlich auch Zollerleichterungen. Hinsichtlich einer zeitlichen Einordnung der Urkunde, vermutete der Historiker Konstantin Höhlbaum (1849-1904), der bei seinen Forschungen wiederholt die Hanse thematisierte, einen Zusammenhang mit einer auf den Dezember 1236 datierten Urkunde des Grafen Adolf IV. von Holstein. Hierin setzt der Graf den Zoll für brandenburgische Kaufleute in Hamburg herunter und ebenso für Warenausfuhr über den Hamburger Seehafen nach Flandern. Derartige Vereinbarungen waren üblicherweise bilateral, man darf also davon ausgehen, dass auch Händler Hamburgs oder Lübecks gleichartige Vergünstigungen in der Mark Brandenburg genossen. Bei den ausgeführten brandenburgischen Waren dürfte es sich hauptsächlich um Getreide, Wolle, Fleisch, Leder und Holz. Es waren die dominierenden Erzeugnisse, die auf lange Zeit in der Mark im relativen Überfluss produziert wurden und einen bescheidenen Wohlstand schufen.

Werfen wir einen Blick auf die politischen Aktivitäten der brandenburgischen Regenten. Im vorhergehenden Kapitel erläuterten wir den Vertrag von Kremmen und dass nur Markgraf Johann die Verhandlungen führte, während Otto auf dem Weg nach Augsburg, zum kaiserlichen Hoftag war. Dieser Hoftag war gleichzeitig als Heerschau gedacht. Friedrich sammelte die Streitkräfte der Reichsfürsten um nach Italien zu ziehen und die städtischen Rebellen der Lombardei mit Waffengewalt für ihre Unbotmäßigkeit zu bestrafen. Nicht nur mit dem Lombardenbund gedachte der Kaiser abzurechnen, auch der Babenberger Herzog Friedrich II. von Österreich sollte für seine erwiesenermaßen unehrerbietige und rebellische Art zur Verantwortung gezogen werden. Über ihn wurde Ende Juni 1236 die Reichsacht verhängt. Unter den Zeugen wird Markgraf Otto von Brandenburg genannt, neben König Wenzel I. von Böhmen, seinem zukünftigen Schwiegervater, dem Wittelsbacher Herzog Otto von Bayern und den Bischöfen Ekbert von Bamberg und Rüdiger von Passau. Diese vier Fürsten waren augenscheinlich autorisiert die Reichsexekution gegen den österreichischen Herzog zu vollziehen. Dass hierzu auch der brandenburgische Markgraf Otto herangezogen wurde, erscheint auf den ersten Blick ungewöhnlich, Brandenburg lag denkbar weit von Österreich entfernt. Die Erklärung ist wahrscheinlich in dem böhmischen Heiratsprojekt zu suchen. Otto bot sich König Wenzel I., dieser dürfte neben Herzog Otto von Bayern die führende Rolle wider Friedrich von Österreich gespielt haben, entweder freiwillig an oder wurde vom Vater seiner Verlobten dazu ermuntert.

Der König von Böhmen war schon am 30. Juni zurück in Böhmen, wo er bei Kladrau (tschechisch Kladruby) urkundet. Er erschien am 26. Juni letztmalig unter den Zeugen auf in Augsburg ausgestellten kaiserlichen Urkunden, ebenso Markgraf Otto. Ganz offensichtlich brach er noch an diesem Tag oder kurz danach auf nach Böhmen, wie anders hätte er sonst die 250 Kilometer von Augsburg bis Kladrau zurücklegen können. Eine tägliche Marschleistung von kontinuierlich 50 Kilometern und mehr, erscheint auch so schon höchst erstaunlich, weswegen er nur in kleinem Reitergefolge unterwegs gewesen sein konnte. Ob Markgraf Otto III. von Brandenburg zeitgleich die Heimreise angetreten hat oder zu einem späteren Zeitpunkt, ist ungeklärt. Er urkundet allerdings am 22. Juli neben seinem Bruder Johann zu Tangermünde an der Elbe.  Das kaiserliche Heer begann seinen Marsch nach Italien zwei Tage später, am 24. Juli und nahm den üblichen Weg über Innsbruck und den Brennerpass.

Im August hatte sich das Reichsheer den Weg durch die Alpen erkämpft und war auf oberitalienischen Boden angelangt. Auf viele Hindernisse stießen die Kaiserlichen wegen der Größe der eigenen Kräfte bislang nicht. Eine offene Schlacht vermieden die lombardischen Rebellen und suchten vorläufig nur den weiteren Vormarsch an Engstellen zu stören und dem Heerzug Nadelstiche zu versetzen, vorläufig mit geringem Erfolg.  Bei Isorella, nordöstlich von Cremona lagerten die kaisertreuen lombardischen Truppen aus Cremona, Parma, Reggio, Modena und anderen und zogen jetzt dem von Norden anrückenden Reichsheer zur Vereinigung entgegen, was am 14. September erfolgte. Der Kaiser meinte es dieses Mal ernst, ein reines Muskelspiel war es nicht mehr, er war gewillt die rebellischen Kommunen wenn es sein muss eine nach der anderen zu erobern und zu unterwerfen. Das erste Ziel war Mantua, gefolgt von Bergamo im Oktober. In einem mörderischen Eilmarsch ging es nach Osten wo Vicenza Anfang November fiel, Ferrara und Padua im weiteren Verlauf des November.

Am 30. November brach der Kaiser den bisher erfolgreichen Feldzug in der Lombardei überraschend ab und zog mit den deutschen Reichstruppen zurück in den deutschen Reichsteil, gegen Österreich. Es bleibt gewissermaßen ein Rätsel was die Motivation hierzu war. Statt die lombardische Revolte mit einem konzentrierten Schlag gegen Mailand und die übrigen Rebellen zu einem für das Reich anzustrebenden Abschluss zu bringen, überließ er den kaisertreuen Lombarden die weiteren Angelegenheiten und schien sich, so gewinnt man den Eindruck, hauspolitischen Erwägungen zuzuwenden. Möchte man der Äußerung des Historikers Eduard Winkelmann, ein ausgesprochener Kenner der jüngeren Staufer mit Schwerpunkt Friedrich II., wären dem Kaiser selbst bei längerem Verweilen in Oberitalien im Winter und Frühjahr keine weiteren Erfolge mehr beschieden gewesen. Für den Weg nach Österreich wählte Friedrich den gleichen Weg, den er schon 1235 nahm. Über Krain marschierte er ins Herzogtum Steiermark, dass er unterwarf und aus dem Machtblock Herzog Friedrichs von Österreich herausriss. Über Graz ging es weiter nach Wien, dem er im April weitestgehende Autonomie zugestand, ohne es jedoch aus dem Herzogtum auszuklammern und damit zur Reichsstadt zu erheben. Herzog Friedrich von Österreich stellte sich in der Zeit keinem offenen Kampf, es wäre auch ohne die geringste Chance auf Erfolg gewesen und verharrte zeitgleich in der Wiener Neustadt. Im Februar 1237 ließ der Kaiser in Wien seinen nicht demnächst neunjährigen Sohn Konrad zum römisch-deutschen König wählen. Wir erinnern uns, noch 1235 lehnten die seinerzeit in Mainz versammelten Fürsten die Wahl ab, diesmal glückte die Kür. Die Gruppe der anwesenden Fürsten war verhältnismäßig klein und durchweg staufergesinnt, was die erfolgreiche Wahl Konrads gewährleistete. Die brandenburgischen Markgrafen waren nicht anwesend, dementsprechend auch nicht am Wahlakt beteiligt, überhaupt war nicht ein einziger Fürst aus Norddeutschland zugegen. Das partikulare Vorgehen des Kaisers blieb nicht ohne Kritik und  wenn sie auch still blieb, schritt die Entfremdung der norddeutschen Territorien vom Königtum in kleinen Schritten voran.

In der ersten Aprilhälfte zog der Kaiser mit seinem Heer, das er nach dem halbfertigen lombardischen Feldzug nicht aufgelöst hatte und dass ihm nun als Zwingmittel zur Durchsetzung seiner politischen Interessen im nordalpinen Reichsteil diente, weiter nach Westen. Ostern verbrachte er in Regensburg, Anfang Mai befand er sich in Ulm und zu Pfingsten weilte er in Speyer, wo er auf dem abgehaltenen Hoftag die Wahl Konrads zum römisch-deutschen König bestätigen ließ, den der Kaiser übrigens nicht zum Mitregenten machte, wie zuvor seinen erstgeborenen Sohn Heinrich. Das Treffen in Speyer ist insofern interessant, als Markgraf Johann von Brandenburg zugegen war. Er gehörte nach den Erzbischöfen von Mainz und Trier, zu den wenigen prominenten Reichsfürsten die erschienen waren und schien auch der einzige anwesende Fürst aus dem norddeutschen, sächsischen Regionen des Reichs gewesen zu sein.

Der Kaiser sammelte im August das Heer, verstärkte es mit Zuzug frischer Truppen, um erneut in die Lombardei einzurücken, wo er hoffte durch Verhandlung eine Unterwerfung zu erreichen. Hermann von Salza, der Hochmeister des Deutschen Ordens, reiste hierzu nach Italien voraus. Er leistet als wichtiger Verhandlungsführer dem Kaiser wertvolle Dienste, die dieser ihm, vielmehr dem Deutschen Orden, durch reiche Schenkungen überall im Reich kaiserlich entlohnte. Die am Heerzug beteiligten Fürsten wünschten keine Einigung auf Verhandlungsweg sondern die gewaltsame Niederwerfung. Im September vereint sich das deutsche Heer mit einem aus Tuszien und Apulien heranrückenden Heer, darunter 10.000 sizilianische Sarazenen. Am 1. Oktober erfolgt die endgültige Unterwerfung Mantuas. Nach förmlicher Unterwerfung der Bürger nahm er die Stadt wieder in seine Huld, restituierte ihre Rechte und setzte einen kaiserlichen Podesta, einen Administrator ein. Am 7. Oktober 1237 beginnt die Belagerung der starken Festung Montechiaro, nach einem Ausfall der belagerten am 11. Oktober, folgte die vollständige Einschließung am 12. Oktober und bald darauf begann die Beschießung. Am 22. übergaben die Eingeschlossenen, jeder Hoffnung beraubt, die Festung. 1.500 überlebende Kämpfer, darunter 20 Ritter wurden nach Cremona abgeführt. Es kam Anfang November zu Verhandlungen mit Mailand, dem Kopf der Rebellion. In einigen Punkten konnte man sich zunächst einigen, so die Zinsnachzahlung Mailands seit der Kaiserkrönung Friedrichs. Allerdings bestand der Kaiser zur Restaurierung des Honor Imperii auf symbolische Unterwerfung, woran die Verhandlungen letztendlich scheiterten. Friedrich bot die offene Feldschlacht an, was vom Lombardenbund abgelehnt wurde, die sich in ihre Feldverschanzungen zurückzogen. In den folgenden Tagen entließ der Kaiser die städtischen Hilfstruppen, was das gegnerische Bundesheer fehlinterpretierte und daraus den unzutreffenden Schluss zog, er würde sich in die Winterquartiere zurückziehen, worauf sie ihrerseits ihre starken Feldstellungen aufgaben. Tatsächlich überschritt das kaiserliche Heer am 23. November den Oglio. Eine vorausgeschickte Truppe ausgewählter Ritter verlegte bei Soncino dem Bundesheer den Rückmarsch nach Mailand, fesselte sie äußerst erfolgreich in schwere Kämpfe, bis das kaiserliche Hauptheer herangekommen war.

Am 27. November kam es bei Cortenuova zur entscheidenden Schlacht. Das lombardische Bundesheer wurde geschlagen und zog sich, angeschlagen aber immer noch kampfstark, in die Stadt zurück. Friedrich ließ die eigenen Truppen, nachdem sie stundenlang die Stadt vergebens berannten, auf offenem Feld in ihren Rüstungen übernachten, um am nächsten Morgen die Entscheidung zu erzwingen. Verzweifelt und mutlos setzte sich der Großteil der Belagerten in den frühen Morgenstunden panikartig ab. Viele fanden noch auf der Flucht den Tod.  Die Stadt fiel praktisch kampflos in die Hände des Kaisers. Hier fanden sie den Mailänder Podesta (Administrator) Petrus Tiepolo, Sohn des Dogen von Venedig,  ebenso den symbolträchtigen „Carroccio“, den mailändischen Fahnenwagen, der vom flüchtigen Bundesheer auf  ihrer überstürzten Flucht zurückgelassen wurde.

Kaiserliche Truppen führen den Carroccio triumphierend nach Cremona

Zum Zeichen des Sieges wurde der erbeutete Fahnenwagen in triumphaler Prozession durch Cremona geführt, dem Zentrum der Ghibellinen, der kaisertreuen Lombarden. Den Überlieferungen nach, soll ein Elefant den Wagen gezogen haben, was die Begeisterung der kaiserlichen Bürger Cremonas noch mehr befeuerte.

Der Wagen reiste im Anschluss vermutlich noch durch weitere reichstreue Städte Oberitaliens, bevor Friedrich ihn, dem Beispiel der antiken Cäsaren folgend, als Siegessymbol nach Rom sandte, wo er von den römischen Bürgern, die im Gegensatz zu Papst und Kirchenstaat standen, auf dem Kapitol ausgestellt wurde. Papst Gregor IX., der Hoheitsansprüche auf Rom stellte, nahm die Geste übel, sie drückte Ignoranz hinsichtlich seiner Ansprüche einerseits aus und brachte andererseits kaiserliche Ansprüche zum Ausdruck. Das erst seit wenigen Jahren gekittete Verhältnis zwischen Kaiser und Papst begann sich erneut zu trüben, doch auch zuvor gab es Anlässe zur gegenseitigen Klage. In verschiedentlich ausgetauschten Briefen bezichtigten sich Papst und Kaiser jeweils über wahrgenommene Rechts-, oder Ehrverletzungen, entweder ausgeübt von kaiserlichen Vasallen bzw. Ministerialen oder umgekehrt von päpstlichen Vertretern.

Mailand ersuchte nach der schweren Niederlage um Frieden und machte weiterreichende Angebote, die sie aber weiterhin an Bedingungen knüpften. Der Kaiser lehnte ab, er verlangte die bedingungslose Unterwerfung Mailands, wie es andere, zwischenzeitlich unterworfene Städte getan hatten, die draufhin wieder in die Gunst und Huld des Kaisers aufgenommen wurden. Das wiederum lehnte die stolze lombardische Metropole ab, worauf der Unterwerfungskrieg weiterging. Friedrich, jetzt seiner Sache sicher, erweiterte die Ziele seines Feldzug sogar und begann ebenfalls gegen Genua vorzugehen, das zwar kein offizielles Glied des Lombardenbunds war, seinerseits aber in ähnlicher Weise gegen Kaiser und Reich opponierte. Ein Feldzug in Piemont verlief im Frühjahr überaus erfolgreich, Mailand wurde zunehmend seiner Hilfsquellen und Basis beraubt und auch Genua verlor einzelne Gebiete an seiner Peripherie. Für den Sommer war der abschließende Schlag geplant, hierzu führte sein Sohn Konrad, vergessen wir nicht, weiterhin ein Knabe, im Juni ein weiteres deutsches Heer als Verstärkung heran. Es folgt eine wackelige Aussöhnung mit Genua. Am 11. Juli begann mit dem Zug gegen Breccia der Sommerfeldzug. In dieser Zeit versuchte der Kaiser den Papst dazu zu gewinnen, ihn im Kampf des Reichs gegen die lombardischen Rebellen behilflich zu sein. Im Umkehrschluss bot er ihm 1.000 Ritter auf eigene Kosten an, von ihm selbst oder seinem Sohn befehligt, die ins Heilige Land geführt werden sollen. Der Papst hatte in Wirklichkeit kein Interesse die staufische Hegemonie auf der italienischen Halbinsel auch noch zu unterstützen, erweckte jedoch pro forma den Eindruck, den Kaiser bei der Durchsetzung seiner Rechte in Oberitalien mehr als bisher beizustehen und die bisher in den Weg gelegten Behinderungen zu unterlassen. Anfang August begann die Belagerung von Breccia. Im September schien der Verteidigungswille der ausharrenden Bürger zu ermüden. Ein Teil der Verteidigungsanlagen war so schwer beschädigt, dass ein kaiserlicher Generalangriff gestartet wurde, den die Verteidiger jedoch abwehren konnten. Anfang Oktober wurde ein weiterer Angriff abgeschlagen. Im Rahmen eines  mehrstündigen Ausfall bis in die Nacht hinein, richteten die Belagerten schwere Schäden im Lager und unter den Belagerungsmaschinen an, bevor sie sich wieder zurückzogen. Nach mehr als zwei Monaten wurde die Belagerung ergebnislos abgebrochen und der Kaiser entließ die nichtdeutschen Heeresteile. Auf dem Zenit begann der helle Stern Friedrichs II. zu flackern. Hinter den Kulissen arbeitete Papst Gregor IX. gegen ihn und vermittelte ein Bündnis wider den Kaiser zwischen Venedig und Genua, das am 30. November 1238 geschlossen wurde. Das Jahr ging zu Ende, ohne dass das kaiserliche Heer seine militärischen Ziele hat durchsetzen können. Das neue Jahr verhieß wenig Gutes. In Rom regte sich die Kurie und der Papst ging immer mehr auf Distanz zum Kaiser. Ende Februar machten Gerüchte um eine erneute Exkommunikation Friedrichs die Runde, der seinerseits in Briefen an die hohe Geistlichkeit auf seine Rechtgläubigkeit hinwies. Die Bemühungen blieben ohne Erfolg. Während er sich am Palmsonntag in Padua, es war der 20. März, den dort ausgetragenen Lustbarkeiten hingab, hatte der Papst ihn Rom den Kirchenbann über ihn verhängt, der vier Tage später, am Gründonnerstag wiederholt wurde. Friedrich war davon tief getroffen. In Briefen an die Fürsten, die Geistlichkeit, den Senat und die Bürger von Rom, beklagte er sich über die Willkür und den Hochmut des Papstes. Eine wahre Schlammschlacht gegenseitiger Beschuldigungen und Verleumdungen  wurde losgetreten, der Kaiser als wahrer Dämon und der Antichrist stilisiert. Militärisch hatte der Bann vorläufig keine Auswirkung, noch einmal beherrschten die Kaisertreuen, die Ghibellinen, den größten Teil des oberitalienischen Raums. Den ganzen Juli schon verwüsteten die kaiserlichen Truppen, deutsche wie apulische, die Gegenden nördlich von Bologna. Um dem wankenden Lombardenbund eine Entlastung zu verschaffen, wurde am 26. Juli ein Offensivbündnis zwischen dem Kirchenstaat, Venedig, Mailand, Genua und Piacenza gegen den Kaiser geschlossen, worauf der Kaiser als Gegenreaktion das Herzogtum Spoleto und die Mark Ancona dem Kirchenstaat entzog und wieder formell dem Reich eingliederte. Den Zerstörungen der bolognesischen Gebiete folgte in gleicher Weise das der Mailänder bis dicht an die Stadt heran. Der Kaiser hoffte auf weiterhin auf eine entscheidende Feldschlacht, schätzte die diesbezügliche Bereitschaft bei den Guelfen, der antikaiserlichen Koalition aber richtigerweise gering ein, weswegen den Rebellen durch Verheerungen soviel Schaden wie möglich zugefügt werden sollte. Das Jahr 1239 verging mit weiteren Verheerungen und den erfolglosen Versuchen der kaiserlichen Truppen eine Feldschlacht zu provozieren.

Um nicht bei der Beobachtung der kaiserlichen Italienpolitik zu weit in die Zukunft voranzuschreiten, kehren wir wieder in die Mark Brandenburg zurück, wo sich in der gleichen Zeit, in den Jahren 1237 und 1238, Erwähnenswertes ereignete.


Einigung im Brandenburger Zehntstreit

Seit Jahrzehnten stritten die brandenburgischen Markgrafen mit dem Bistum Brandenburg um die Erhebung des Kirchenzehnten in jenen Gebieten, die Albrecht der Bär und seine Nachfolger aus eigener Kraft den Wenden seit 1157 entrissen, darunter auch ursprünglich sogar die spätere Dominsel selbst. Das zur damaligen Zeit praktisch nur noch dem Namen nach existierende Bistum hatte daran keinerlei Anteil gehabt, weswegen schon Markgraf Otto I., spätestens  aber  seine Söhne, ganz besonders Albrecht II., der Vater unserer beiden Protagonisten, die mit fortschreitendem Ausbau der Mark immer lukrativeren Einnahmen aus dem Zehnten statt der Kirche von Brandenburg, lieber den eigenen Kassen zuführte. Hierin kollidierten die markgräflichen Finanzinteressen auf Dauer mit den kirchlichen Ansprüchen. Mittels eines für den Papst vorteilhaften Angebots, versuchte Albrecht II. das ganze Gebiet östlich der Elbe, genauer gesagt alles was nicht direkt zum Bistum selbst gehörte, kirchenverwaltungsrechtlich  dem Papst zu unterstellen. Und wenn auch die Pläne schlussendlich nicht weiterverfolgt wurden, die Konflikte mit Dänemark nahmen ihn zu sehr in Anspruch, behielt er trotzdem die Einnahmen aus diesen Gebieten.

Markgraf Johann I. und Markgraf Otto III. erbten den ungelösten Konflikt. In welcher Weise  dieser während ihrer ersten Regentschaftsjahre wieder Aktualität bekam, lässt sich aus der geringen Ausbeute an Schriftstücken nicht ermitteln, wir wissen nur, dass es am 28. Oktober 1237 im Domspital zu Brandenburg zu einem fürstlichen Vergleich kam. Die Markgrafen erkannten mündlich und schriftlich an, dass der Kirchenzehnt in ihren Gütern dem Bistum Brandenburg gehörte. Alle ihre Nachkommen sollten dies nach Regierungsantritt binnen Jahresfrist ebenso bekunden. Im groben Überblick sah der Vergleich dergestalt aus, dass die Markgrafen den Nießbrauch des Kirchenzehnten hatten, das heißt im Klartext, sie konnten weiterhin die Einnahmen für sich verwenden, wenn sie auch kein Besitzrecht daran hatten.

Hohlpfennig aus der Zeit
der Markgrafen Johann und Otto

Am 18. November eines jeden Jahres entrichteten sie drei Silberpfennige pro Hufe Land (17 Hektar) an den Bischof. Die Bemessungsgrundlage waren rund 25.000 Hufe erschlossenes Land in den neuen Siedlungsgebieten, womit immer noch eine stolze Summe an die Kirche abgeführt wurde. Weiter erhielt er 100 Hufe unbebautes Land. Für die beiden regierenden Brüder erwies sich der Vergleich, der abzüglich der erwähnten Abgabe das bisherige Verfahren nachträglich legalisierte, als ein hervorragender Kompromiss. Die Vereinbarung von 1237 kam nah an das damalige Angebot des Vaters heran, das dieser seinerzeit dem Papst unterbreitete. Und auch das Bistum Brandenburg stand nach dieser Vereinbarung allemal finanziell besser da. Die Einnahmen, die jetzt mit kirchlichem Segen in die markgräflichen Kassen flossen, waren wichtiger Motor einer selbstbewussten und unabhängigen Landespolitik, die gemessen am Entwicklungsgrad der Mark sehr beachtenswert war.

Am 28. Februar 1238 wurde der Vertrag zu Merseburg nochmals bestätigt, nachdem er von allen Seiten Zustimmung fand.


Krieg gegen Halberstadt & Magdeburg

Im Jahr 1238 entzündete sich im altmärkischen Grenzgebiet von Brandenburg, Halberstadt und Magdeburg ein Streit um die sogenannte Markgrafenburg in Alvensleben, heute in der Gemeinde Hohe Börde. Seit etwa 1180 besaß der Bischof von Halberstadt dort eine eigene Burganlage, die höchstwahrscheinlich deutlich älter war. Wegen der unmittelbaren Nachbarschaft beider Burgen, kam es zu wiederholten Auseinandersetzungen unter den jeweiligen Dienstmannen des Bischofs und der brandenburgischen Markgrafen. Der ausgebrochene Konflikt war Auftakt einer Serie von Kriegen die zur Bewährungsprobe für die Mark und ihre beiden Regenten wurde. Eigentlicher Auslöser war die Forderung des Halberstädter Bischofs Ludolf (†1241) an die Markgrafen, ihre Burg als bischöfliches Lehen zu nehmen, was brandenburgischerseits zurückgewiesen wurde. Es kam zur Belagerung der Markgrafenburg, wobei der Magdeburger Erzbischof Wilbrand (1180-1253) an der Seite Halberstadts mitwirkte. Die reiche linkselbische Altmark war von vielen Anrainern im Fokus. An kleinsten Landfetzen konnte sich eine Fehde entzünden. Die Markgrafen holten zum Gegenschlag aus und kamen der belagerten Burg zu Hilfe. Es ist hierbei unklar ob beide Brüder das Entsatzheer führten oder nur Otto III., welcher bei der für Brandenburg unglücklich verlaufenden Schlacht in Gefangenschaft geriet. Nach der Niederlage von 1229 an der Plane, erlebte Brandenburg neun Jahre später eine neuerliche militärische Schlappe und dieses Mal geriet sogar einer der Regenten in Gefangenschaft.

Man brachte die wertvolle Geisel nach Langenstein auf die sogenannte Altenburg südwestlich von Halberstadt, bis es zum Vergleich kam. Für die Freilassung Ottos mussten 1.600 Mark in Silber und die Abtretung der Markgrafenburg samt Land geleistet werden, das sie im Anschluss als Lehen vom Bischof nahmen. Ein herber finanzieller Schlag und schlimmer, ein schmerzlicher Prestigeverlust mit Signalwirkung gerade in Bezug auf den Wettstreit um die letzten unerschlossenen Gebiete links der Oder. Es wurde nicht bezweifelt dass Brandenburgs Markgrafen notwendigenfalls zum Schwert greifen würden, dass sie aber auch siegreich blieben, wurde mancherorts doch angezweifelt. Ernstzunehmender Gegner war Markgraf Heinrich III. von Meißen (um 1215 – 1288) aus dem Hause Wettin. Seit 1221 Markgraf von Meißen und der Niederlausitz. 1247 fielen ihm die reichen Güter in Thüringen, wie auch die Pfalzgrafschaft in Sachsen zu, was ihn aus dem Stand zum mächtigsten Fürsten im mittelostdeutschen Raum nach dem Königreich Böhmen machte. Wir kommen in Kürze auf ihn zurück.


Die Stellung Brandenburgs zum Kaiser

Wie der Schlussteil des Eingangsabschnitts erwähnte, exkommunizierte der Papst den Kaiser ein weiteres Mal im März 1238. Friedrich II. war davon tief erschüttert und beauftragte seinen minderjährigen Sohn Konrad die Haltung der deutschen Fürsten, jene die nicht mit ihm in Italien standen, zu ermitteln. Er rief zum Neujahrstag 1239 nach Eger einen Hoftag aus. Man fasste den Beschluss eine Vermittlung zwischen Papst und Kaiser zu versuchen. Zu den Anwesenden gehörten laut dem Bericht Erzdiakons Albert von Passau auch die beiden brandenburgischen Markgrafen. Auf dem Hoftag zeigte sich unter den Fürsten Entzweiungen, die kaiserliche Partei wurde angeführt von Erzbischof Siegfried III. von Mainz, Markgraf Heinrich III. von Meißen und dem Landgrafen Heinrich Raspe von Thüringen. Auf der päpstlichen Seite standen der König von Böhmen und der Herzog von Bayern. Die Haltung Brandenburgs ist unklar, die politische Bedeutung der Markgrafschaft war in der Wahrnehmung der zeitgenössischen Chronisten und Kanzleien weiterhin gering, so dass selten über eine einfache Erwähnung unter Zeugen oder Anwesenden hinaus ging, dementsprechend wurde über Johanns und Ottos Position auch kein Wort verloren. Antistaufisch waren sie grundsätzlich nicht, hierzu bestand keinerlei Anlass. Wenn sie zu dieser Zeit vielleicht dennoch zum oppositionellen Lager tendierten, lag das mehr an einer gegnerischen Haltung gegenüber dem Markgrafen Heinrich von Meißen, dessen Stellung klar staufisch war. Auch spielte das böhmische Heiratsprojekt Markgraf Ottos III. von Brandenburg eine mitentscheidende Rolle. König Wenzel I. und wie erwähnt der Wittelsbacher Herzog Otto von Bayern waren im päpstlichen Lager zu finden, was nicht an einer papstnahen Frömmigkeit lag, sondern rein partikulare, regionalpolitische Gründe hatte. Obwohl die markgräflichen Brüder nicht zu den eindeutigen Stauferanhängern zu zählen waren, aus den genannten Gründen eher im gegnerischen Lager zu finden waren, im Übrigen eine ähnliche Situation wie anlässlich des Kriegs gegen Dänemark, vor mehr als zehn Jahren, gehörten sie dennoch zu den Unterzeichnern der schriftlichen Stellungnahme an den Papst. Man könnte sie vor diesem Hintergrund als reichsgesinnt bezeichnen. Die bald ausbrechenden Kämpfe gegen eine sächsische Fürstenkoalition machte die Frage nach ihrer kaiserlichen Gesinnung ohnehin rein akademisch, sie waren vollauf damit beschäftigt die Interessen ihres eigenen Fürstentums zu verteidigen und hatten keine Möglichkeiten und Mittel in den Kampf zwischen Kaiser und Papst aktiv einzugreifen, selbst wenn sie es gewollt hätten.


Das Lebuser Land

Die Halberstädter Fehde war für Brandenburg mit einer Niederlage ausgegangen. Die Auswirkungen und Folgen blieben wegen moderater Friedensbedingungen überschaubar. Das geforderte Lösegeld für den gefangen Markgrafen Otto war schmerzlich aber ebenfalls erträglich und die verlorene Burg sowie das angrenzende Gebiet konnte als Lehen von Bischof Ludolf von Halberstadt genommen werden, womit der materielle Nutzen für Brandenburg gewahrt blieb. Auch das Verhältnis zum Magdeburger Erzstift, das an der Seite Halberstadts kämpfte, wurde nach Friedensschluss wieder auf den Stand vor der Fehde gebracht. Nach außen hatte alles den Eindruck einer einvernehmlichen Einigung, doch durfte man sich davon nicht täuschen lassen. Im gesamten ostsächsischen Raum war wie seit dem Ende der Ottonenzeit die Stimmung gespannt. Es fehlte eine dominierende Mittelmacht, die als regionaler Machtfaktor regulierend eingriff. Jeder Kleinfürst suchte seine territoriale Basis auf Kosten seiner Nachbarn zu verbessern. Ständig wechselnde Bündnisse schufen immer neue Konstellationen. Freund und Feind wurden mitunter im gleichen Jahr ausgetauscht, so wundert es nicht das Brandenburg und Magdeburg, gerade eben noch Gegner, kaum dass der Friede hergestellt war, als Verbündete gemeinsame Sache machten.

Die Havel trennte große Teile Brandenburgs, bevor die Expansion über die Oder einsetzte, längere Zeit in zwei Hälften. Sie entspringt im Gebiet der großen mecklenburgischen Seenplatte, fließt dann in allgemein südlicher Richtung. Bei Spandau mündet ihr größter Nebenfluss, die Spree ein. Hart südlich des alten Potsdam biegt sie dann erst scharf nach Westen, um bei Havelberg in die Elbe zu münden. Östlich dieser Havellinie konnten sich die Slawen noch am längsten ihre Unabhängigkeit bewahren. Ihr Gebiet war zwar längst von Polen und Deutschen aufgeteilt aber in der Realität nicht tatsächlich in Besitz genommen. Ein Teil der Landschaften war das Lebuser Land. Es erstreckte sich historisch und auch heute noch östlich und westlich der Oder. Früh meldeten die polnischen, nach Erbteilungen, dann die schlesischen Piasten Ansprüche an und auch das Reich machte auf Basis der alten Marken aus der Zeit der Ottonen Besitz auf das Land westlich der Oder geltend. West im dreizehnten Jahrhundert konnte aber an eine tatsächliche Besitzergreifung gedacht werden. Im Osten hatten sich die Polen langsam an die Oder herangearbeitet, hierzu riefen sie Siedler aus dem Reich ins Land, die ostwärts der Oder, in der späteren Neumark, erfolgreich erste Siedlerkolonien neben den slawischen Bewohnern gründeten. Die Streitigkeiten unter den piastischen Linien verhinderte eine stringentere Erschließung. Wie schon erwähnt, erhob das Reich für das Land in östlicher Richtung bis zur Oder hin, seinerseits Ansprüche. Nördlich des Lebuser Lands hatten sich schon die Brandenburger wichtige Stützpunkte an der Oder erschlossen, über die Festung bei Oderberg haben wir ja bereits gesprochen. Jetzt ging es darum auch südlich davon die letzten weißen Flecken zu schließen. Natürlich hatten die brandenburgischen Markgrafen Brüder Johann und Otto hieran das größte Interesse, doch konnte sie aufgrund eines kaiserlichen Dekrets nicht alleine vorgehen, zumal die piastischen Ansprüche zu Verwicklungen mit Schlesien führen mussten. Der Kaiser hatte Magdeburg mit dem Lebuser Bistum belehnt, und es zu dessen Kirchenprovinz zugehörig erklärt. In gleicher Weise beanspruchte auch der Metropolit des polnischen Erzbistums Gnesen jenes Bistum. Neben dem Anspruchskonflikt kirchlicherseits, kollidierten jedwede weltlich-territorialen Interessen auf die Herzog Heinrichs von Niederschlesien, einem Vertreter des weitläufigen polnischen Herrschaftsgeschlechts der Piasten. Auch der aufstrebende Wettiner Markgraf Heinrich III. von Meißen erhob  Ansprüche und betrachtete das Gebiet als Teil der Niederlausitz. Überhaupt stand Brandenburg mit Meißen 1239 kurz vor einer militärischen Auseinandersetzung. Nicht wegen des Lebuser Landes sondern wegen zwei strategisch wichtig gelegenen Burgen bei Köpenick und Mittenwalde. Die näheren Umstände sind nicht bekannt aber es scheint, dass beide Burgen in der zweiten Hälfte der 1230‘er Jahre brandenburgisch waren, obwohl sie zuvor nachweislich im Besitz der wettinischen Markgrafen der Niederlausitz waren. Ein Kriegsausbruch konnte verhindert werden indem die Markgrafenbrüder Johann und Otto die Entscheidung einem Schiedsgericht überlassen wollten und beide Burgen bis dahin treuhänderisch an den Erzbischof von Magdeburg übergaben.

Zu Magdeburg hatte sich nach der Halberstädter Fehde das Verhältnis auffallend schnell gehoben, Motor waren die gemeinsamen Interessen am Lebuser Land. Im Spätsommer 1239 ziehen sie gemeinsam mit ihren Heeren gegen Lebus und belagern es. Herzog Heinrich von Niederschlesien leistet erbitterten Widerstand. Details über den Hergang der Belagerung und ob es daneben zu einer Schlacht mit dem Herzog kam, ist nicht überliefert. Wir wissen nur, dass trotz aller Anstrengungen Lebus nicht genommen werden konnte und sich beide Heere zurückzogen und der Erzbischof und die Markgrafen im Streit trennten. Was zum Streit führte ist aus den spärlichen Berichten der Zeit nicht zu entnehmen. Es ist nicht auszuschließen, dass es die brandenburgischen Truppen unter der Leitung der Markgrafen absichtlich am notwenigen Einsatz haben mangeln lassen, weswegen der Feldzug im Lebuser Land am Ende scheiterte. Denkbar wäre das sehr wohl, konnte es doch kaum im Interesse Johanns und Ottos sein, im Osten ihrer Ländereien dem einflussreichen Magdeburger Erzstift zu weiteren Ländereien zu verhelfen, die sie als Urenkel Albrechts des Bären, dem Markgrafen der Nordmark, als ihr alleiniges Einflussgebiet und Erbe betrachteten. Mag der Erzbischof als Metropolit kirchenrechtlich darüber verfügen, aber nicht auch territorial.

Der Teltow-Krieg und die Magdeburger Fehde

Das Jahr 1240 brachte Krieg für Brandenburg. Es wird der schwerste  bisherige Militärkonflikt sein, worunter die Altmark über Jahre am schwersten litt. Als Teltow-Krieg fand er Einzug in die Geschichtsbücher. Tatsächlich werden es unterschiedliche Konflikte sein, die durch das teilweise gemeinschaftliche Vorgehen der brandenburgischen Gegner, unzutreffenderweise oft als eine kriegerische Auseinandersetzung behandelt werden. Wir erinnern uns an die erwähnten beiden Burgbezirke Köpenick und Mittenwalde, der Magdeburger Erzbischof Wilbrand von Käfernburg war von den Brandenburger Markgrafen als Treuhänder eingesetzt worden. Durch die missglückte Einnahme von Stadt  und Bischofssitz Lebus, war der hohe Kirchenfürst weiterhin im höchsten Maße verstimmt, geradezu verbittert. Er übergab er beide Burgen in treuloser Weise, vermutlich Anfang Mai 1240 an Markgraf Heinrich III. von Meißen, der unmittelbar Garnisonen einquartierte.

Heinrich III. von Meißen (Codex Manesse)

Nachdem Heinrich einem am 22. Mai ausgestellten Schreiben des päpstlichen Legaten in Deutschland, Albert Beheim (1190-1260), einem fanatischen Gegner des Kaisers, erwartungsgemäß nicht Folge leistete, wonach er die Burgen an die Mark ausliefern sollte, begannen die Brandenburger eilig mit Zurüstungen. Die unerwartete Parteinahme des Papstes verdient eine Erklärung. Noch wenige Wochen zuvor verfassten Johann und Otto einen Brief an Papst Gregor IX., worin sie im Streit zwischen Kaiser Friedrich II. und dem Heiligen Stuhl, den Hochmeister des Deutschen Ordens, Hermann von Salza, als Vermittler empfahlen. Der Papst mag in einer Intervention zum Vorteile Brandenburgs und wider Markgraf Heinrich, ein wichtiger Parteigänger des Kaisers, einen geeigneten Hebel gesehen haben, im Reich die antistaufische Partei zu verstärken. Er erhoffte sich die brandenburgischen Regenten für die päpstliche Seite zu gewinnen.

Wie so häufig bei vergleichbaren Fehden, begann der Konflikt zunächst mit verheerenden Verwüstungen, die Markgraf Heinrich starte, indem er den Barnim  bis zur Höhe Strausberg verwüstete. Beide Markgrafen traten ihm im Juni 1240 in der Gegend der Burgbezirke von Köpenick und Mittenwalde entgegen, wo es jedoch zu keiner entscheidenden Schlacht kam. Das Ziel der Brandenburger war die schnelle Rückgewinnung der Burgen. Heinrich von Meißen begegnete den Belagerungen mit Plünderungszügen auf dem Barnim, bis zur Höhe Strausberg. Es sollte aber viel schlimmer kommen, Mitte Juni ereignete sich links der Elbe eine kritische Intervention zweier alter Bekannter. Sowohl der Erzbischof von Magdeburg wie auch der Halberstädter Bischof marschierten in die Altmark ein und verheerten bis hinauf in die Gegend der Wische, der fruchtbarsten Gegend der alten Mark. Als Boten Nachrichten von den schrecklichen Verheerungen überbrachten, war den Brüdern klar, die Lage war jetzt unvermittelt höchst ernst für Brandenburg geworden, die Fehde wuchs sich zu einem handfesten Krieg an mehreren Fronten aus. Markgraf Otto III. blieb mit dem Heer auf dem Teltow stehen. Zunächst gelang es ihm Köpenick einnehmen, verlor es allerdings wieder, als er gegen die plündernden Scharen im Barnim vorging. Markgraf Johann I. eilte in der Zwischenzeit nur in kleinem Reitergefolge Tag und Nach reitend in die Altmark, wo er das Aufgebot der Landstände zusammenraffte. Am des dritten Tages, es war der 24. Juni, gelang ihm ein überraschender Angriff auf die unvorbereitet lagernden Truppen der beiden Bischöfe bei Flüsschen Biese. Die Niederlage war völlig. Bischof Ludolf von Halberstadt gerät zusammen mit mehr als 60 Rittern verwundet in Gefangenschaft. Auch der Magdeburger Erzbischof Wilbrand wird verwundet, konnte aber fliehen und setzte sich mit den Überresten seines Heeres auf in die Burg Kalbe an der Milde, im heutigen Landkreis Salzwedel, ab. Johann beginnt sofort mit der Belagerung und nimmt die Burg nach kurzer Zeit ein, die dabei völlig zerstört wurde. Dem Erzbischof schien abermals die Flucht gelungen zu sein. Das weitere Jahr sah keine größeren Kampfhandlungen mehr. Auf dem Teltow konnten sich die Brüder gegen Meißen behaupten und in der Altmark den Bischöfen im Frühsommer eine verheerenden Niederlage beibringen. Dennoch gab es wenig Anlass zur Erleichterung. Die Feindseligkeiten waren durch die großen Erfolge der Sommermonate bisher zwar erfolgreich für Brandenburg verlaufen, die schweren in der Altmark angerichteten Schäden lasteten dennoch schwer. Während der Magdeburger Erzbischof zweimal flüchten und am Ende glücklich in sein Erzstift retten konnte, geriet Bischof Rudolf wie erwähnt in Gefangenschaft. Ende des Jahres 1240 wurde er gemeinsam mit den sonstigen inhaftierten Rittern gegen die Zahlung eines Lösegelds auf freien Fuß gesetzt. Bei der Summe einigten sich beide Seite auf den gleichen Betrag den Markgraf Otto vor nicht ganz zwei Jahren an den Halberstädter Bischof zu seiner eigenen Freilassung leisten musste, 1.600 Mark Silber, sowie die Rückgabe der Burg Alvensleben an Brandenburg.
Was wird das Jahr 1241 bringen?  Es war nur zu wahrscheinlich, dass Magdeburg, Halberstadt und Meißen ihr Vorgehen aufeinander abstimmen würden. Sollte es wieder ein Kampf an zwei entgegengesetzten Fronten sein oder legten es die Gegner auf eine Schlacht an, bei der sie alle ihre Kräfte konzentrierten? Überraschend blieb das ganz Jahr 1241 ruhig, keine der Seiten machte einen Vorstoß in die Landschaften des Gegners. Mit einem abgesprochenen Waffenstillstand, gar mit einem Friedensschluss hatte das nichts zu tun. In Wirklichkeit schaute alles schaudernd Richtung obere Oder in Schlesien. Der ganze Osten Europas war in Bewegung geraten, aus den weiten asiatischen Steppen hatten sich die Mongolen auf den Weg nach Westen gemacht.  Sowohl der Orient wie auch die Länder ostwärts Polens wurden überrannt. Nach entsetzlichen Zerstörungen von Sandomir und Krakau, rafften die Polen unter Herzog Heinrich II. alle verblieben Truppen, sowie die schlesischen Landstände zusammen. Auch Böhmen schickte ein Heer und ebenso kam Unterstützung von den Ordensrittern der Templer, Johanniter und vom Deutschen Orden. Schliesslich einzelne, kleine Adelskintingente aus dem deutschen Reichsteil und ein größerer Trupp aus Österreich. Alles in allem deutlich unter 10.000 Mann, gegenüber einer vielfachen Übermacht. Am 9. April 1241 kam es bei Liegnitz in Schlesien zur Schlacht, bei der das polnische Koalitionsheer vernichtend geschlagen wurde, wobei besonders die Polen abermals schwere Verluste erlitten und ihr Seniorherzog Heinrich von Schlesien fiel. Voll bangen wurde der Einfall ins Reich erwartet. Kaiser Friedrich II. stand unverändert in Italien im Kampf gegen dem Papst und die lombardischen Rebellen und konnte nicht helfen. Überraschend wanden sich die siegreichen Mongolen nach Süden, fielen in Mähren ein, dass sie größtenteils verwüsteten, bevor es weiter nach Ungarn ging. Die Gefahr schien im Augenblick vorbei, doch blieb es im Krieg Brandenburgs mit seinen Konfliktgegnern weiterhin ruhig. Keine der Seiten traute der Lage und  alle fürchteten die baldige Rückkehr der asiatischen Horden.
Am 9. August 1241, nur etwas mehr als ein halbes Jahr nach seiner Freilassung, war in Halberstadt Bischof Ludolf I. von Schladen gestorben. Zum Nachfolger wählten die Domherren Propst Meinhard von Kranichfeld (1200-1253). Das Jahr verging ohne nennenswerte Kampfhandlungen und ohne eine Entscheidung, doch was würde das neue Jahr bringen? Die alles bedrohende Gefahr des Vorjahres rückte im Augenblick in buchstäblich weite Ferne. Die Mongolen waren mit der Nachfolgefrage des erkrankten und schließlich im Dezember 1241 verstorbenen Großkhans beschäftigt und aus Europa größtenteils abgezogen. Die Tataren, wie man sie auch nannte, hatten sich in kürzester Zeit zu einer weit schlimmeren Gefahr entwickelt als es 300 Jahre zuvor die Einfälle der Magyaren gewesen waren. Vergleichbar nur noch mit dem Hunnensturm der Spätantike. 1242 wirkte die Furcht vor der Bedrohung vorerst noch nach, zu einer Schlacht kam es nicht, wohl aber zu verschiedenen Plünderungen, worunter niemand mehr zu leiden hatte als die Landbevölkerung und gerade auch Klöster, die als reiche Ziele stets beliebte Opfer waren. Ein solcher, besonders zerstörerischer Überfall, fand im Sommer 1242 gegen Stadt und Kloster Nienburg statt. Die Brandenburger, Markgraf Otto III. an der Spitze, fielen damit dem eigenen Verwandten, Graf Heinrich I. von Anhalt, ins Gebiet. Heinrich I., wir sprachen schon gelegentlich von ihm, war neben seinem jüngeren Bruder, Herzog Albrecht I. von Sachsen-Wittenberg, der letzte noch lebende Enkel Albrechts des Bären. Dass sich sogar so nah verwandte Familienzweige immer wieder in lokalen Fehden in gegnerischen Lagern wiederfanden, ist einmal mehr Indiz der allgemein beklagenswerten Zustände im Reich. Die Anordnungen des Mainzer Landfriedens wirkten sich hauptsächlich nur auf die Kleinkriege des einfachen Adels aus, die reichsunmittelbaren Fürsten fanden ihrerseits weiterhin genügend Gründe ihre Konflikte wenn nötig auszutragen, mit allen Folgen für die Bevölkerung. Die ständige Abwesenheit des Kaisers, der im Kampf um die Herrschaft in Italien gebunden war, vernachlässigte dadurch schon zwangsläufig die Bedürfnisse des nördlichen Reichsteils. Die Einsetzung seines unmündigen Sohnes Konrad, dem er dabei keine Regentschaftsvollmacht  einräumte, sorgte für keinen Ersatz. Die Fürsten, besonders in Norddeutschland, lebten ohne jede Rücksicht auf den Reichsfrieden, ihre partikularen Interessen aus.

Auch das Jahr 1242 ging im ostsächsischen Raum, abgesehen vom brandenburgischen Zug nach Anhalt, ohne große Kämpfe vorüber. Sowohl der Gebietsstreit um den Teltow mit dem Markgrafen Heinrich von Meißen, wie die Fehde mit Magdeburg, schwelte unentschieden weiter. Die Haltung des 1241 neugewählten Bischofs von Halberstadt war mittlerweile offen feindlich geworden, hierin setzte er die Politik seines Vorgängers konsequent fort. Streitpunkt blieb die Burg Alvensleben, die schon Zankapfel anlässlich der Halberstädter Fehde 1238 war. Damals mussten die Markgrafen, nachdem Otto III. in Gefangenschaft geraten war, die Burg als Lehen vom Halberstädter Bischof nehmen. Das Blatt wendete sich schon zwei Jahre später, im Sommer 1240, als Markgraf Johann I. an der Biese das Heer Magdeburgs und Halberstadt schlug und Bischof Ludolf von Schladen verletzt in die Hände Brandenburgs fiel. Zusammen mit einem Lösegeld, musste auch die sogenannte Markgrafenburg Alvensleben an die Mark zurückerstattet werden, nicht als Lehen, sondern als Besitz.

Juni 1243 wurde Erzbischof Wilbrand, durch Truppen des Markgrafen Heinrich von Meißen unterstützt, erstmals wieder militärisch aktiv. Er hatte sich von der Niederlage des Jahres 1240 erholt und drang nun mit 2.000 Rittern erneut in die Altmark ein, wo Wolmirstedt erst geplündert, dann niedergebrannt wurde. Beim weiteren Zug nach Norden, stießen sie auf Markgraf Johann, der durch ein Heer Herzog Ottos von Braunschweig-Lüneburg, seinem Schwager, unterstützt wurde. Der Herzog revanchierte sich für die brandenburgische Hilfe von 1227, die in dieser kritischen Situation ganz zur rechten Zeit kam. Erzbischof Wilbrand und Markgraf Heinrich von Meißen vermieden eine Schlacht, offenbar waren die Kräfteverhältnisse für sie nicht günstig und zogen sich zurück. Bei Rogätz, noch auf märkischem Gebiet, es war ein wichtiger Elbübergang wo bis heute Fährbetrieb stattfindet, errichteten sie im Juli ein starkes Befestigungswerk, um das Vordringen brandenburgisch-braunschweigischer Truppen auf magdeburgisches Gebiet zu blockieren.

Im Mai 1244 fingen die Kämpfe um Burg Alvensleben ein drittes Mal an. Bischof Meinhard belagerte die Festungsanlage und eröffnete damit eine Serie schwerer Kampfhandlungen in verschiedenen Landesteilen, ganz nach dem Stil des Jahres 1240. Die Garnison in der Burg konnte sich wie es schien, denn es sind keine Berichte bekannt, dass sie erneut in die Hand Halberstadts gefallen wäre, jedoch wissen wir aus späteren Urkunden, dass die Verteidigungswerke bei der Belagerung schwer gelitten hatten. Im gleichen Monat beginnen auch auf dem Teltow die Kämpfe neu aufzuflammen. Markgraf Johann I. führt hier ein brandenburgisches Heer gegen den Gegner aus Meißen, zu einer Schlacht kam es dort jedoch abermals nicht. Als Dritter im Bunde ging jetzt Erzbischof Wilbrand vor. Erneut von Truppen aus Meißen unterstützt, brach er dieses Mal nicht wie bislang in der Altmark ein, sondern ins Havelland. Bei Plaue überschritten sie die Havel und marschieren auf Brandenburg zu. Markgraf Otto III. wirft sich ihnen mit einem Aufgebot märkischer Ritter entgegen und erringt einen glänzenden Sieg. Zahlreiche Gefangene können gemacht werden. Auf der Flucht ertrinken viele der Gegner Brandenburgs, als die Havelbrücke bei Plaue unter der Last der Flüchtenden zusammenbricht. Der Zug ins havelländische Herz war ein Fiasko für den Erzbischof, er erholte sich nicht mehr von der Niederlage und schied bald als Kriegsgegner aus. Leider liegen weder in den brandenburgischen Regesten seiner Markgrafen noch in den Magdeburger Chroniken etwas über einen Friedensschluss und etwaige Friedensbedingungen vor, wir wissen nur, dass es seit der Niederlage zwischen Plaue und Brandenburg zu keinen weiteren Kampfhandlungen mit Magdeburg kam, gleichwohl eine Versöhnung mit dem Erzbischof unmöglich schien, wodurch die Fehde formell fortgeführt wurde.

Bischof Meinhard von Halberstadt schien sich damals aus dem Konflikt gezogen zu haben.  Aus dem Folgejahr, dem 22. Mai 1245, ist uns eine Urkunde erhalten, in der die Bedingungen niedergeschrieben wurden, unter welchen die brandenburgischen Markgrafen zu gemeinsamer Hand die umkämpfte Markgrafenburg Alvensleben als Halberstädter Lehen erhielten, ebenso ihre Nachfahren. Offenbar waren Johann und Otto zur Beilegung des jahrelangen Streits bereit, die Festung gemäß den alten Bedingungen wieder als Lehen zu nehmen, statt sie als Kriegsbeute zu annektieren, was höchstwahrscheinlich nur den Unwillen weiterer sächsischer Fürsten und möglicherweise sogar der römischen Kirche heraufbeschworen hätte. So waren am Ende des jahrelangen Kampfes mit Halberstadt die Verhältnisse in unveränderter Weise wiederhergestellt. Für Brandenburg ein Erfolg, denn als Lehnsnehmer hatten sie das uneingeschränkte Nießrecht, was ihnen der Halberstädter Bischof abspenstig zu machen suchte, um die damit verbundenen Pfründe selbst zu nutzen.
Auch im Kampf um den Teltow zeichnete sich ein Ende ab. König Wenzel I. von Böhmen, wir erinnern uns, seine älteste Tochter Beatrix war mit Otto III. von Brandenburg verheiratet, trat als Vermittler in dem Konflikt auf. Er bot sich dafür geradezu als Idealperson an, denn seine zweiter Tochter Agnes, war mit Heinrich III. von Meißen verheiratet. Die Bemühungen des gemeinsamen Schwiegervaters zeigten Erfolg. 1245 wurde der Konflikt beigelegt. Brandenburg behielt die umstrittenen Burgbezirke und den Teltow. Die Mark setzte sich damit im mehrjährigen Krieg als Sieger durch und riegelte Meißen, vielmehr die Niederlausitz von einem möglichen Landzugang zur Oder ab. Für Brandenburg war der Sieg der Garant für die bald einsetzenden alleinige Inbesitznahme der Gebiete östlich der Havel bis zur Oder, wozu neben dem mehrfach erwähnten Teltow, auch bald das Land Lebus gehörte.


Absetzung des Kaisers & Wahl eines Gegenkönigs

Während für Brandenburg der jahrelange Konflikt am Ende erfolgreich und wegweisend ausging, erreichte der Streit des Kaisers einen ganz neuen Höhepunkt. 1243 wurde nach einer neunzehnmonatigen Sedisvakanz, in der der  Heilige Stuhl unbesetzt blieb, Innozenz IV. zum neuen Oberhaupt der Römischen Kirche gewählt. Der Kaiser versuchte mit dem neuen Papst in persönliche Verhandlungen zu treten, dieser wich einem Treffen jedoch mehrmals aus, bis er schließlich aus Rom, wo ihn die Bürgerschaft unter Druck setzte, nach Genua und von dort weiter nach Lyon flüchtete. Dorthin berief er für den 24. Juni 1245 ein allgemeines, letztlich schlecht besuchtes  Konzil, des wichtigstes, man möchte fast sagen einziges Thema die vom Papst längst beschlossene Absetzung des Kaisers war. Das Konzil war mehr oder weniger eine Farce, denn die versammelten Teilnehmer hatten bei diesem Thema überhaupt kein Mitspracherecht. Sie dienten nur als Kulisse für die päpstliche Inszenierung. Nach einem förmlichen hin und her, zwischen dem Papst, der gleichzeitig Ankläger und Richter war und dem kaiserlichen Vertreter, wurde am 17. Juli die Absetzung Friedrichs II. verkündet und die zweit Exkommunikation von 1239 bestätigt. Sicherlich lieferte der an Hedonismus grenzende Lebenswandel des Kaisers, seine zahlreichen Frauengeschichten, sein Verkehr mit Ungläubigen etc., ausreichend berechtigte Gründe nach damaligem, wohl auch heutigem Kirchenrecht, einen Ausschluss aus der Gemeinschaft der Christenheit auszusprechen, doch die politische Absetzung war etwas ganz anderes und offenbarte das tatsächliche Motiv hinter all den päpstlichen Aktivitäten, aktuell wie in der Vergangenheit gegen den Kaiser, im Grunde gegen das römisch-deutsche Kaisertum in Gänze. Ein nachweislicher Sünder nach christlichen Wertevorstellungen, traf  hier auf einen Heuchler der Kirchenrecht anwandte um Politik zu machen.

Zunächst änderte sich überhaupt nichts. Isoliert in seinem selbstgewählten Lyoner Exil, war der Handlungsspielraum des Papstes verschwindend gering. Innozenz schickte in einem auf den 21. April 1246 datierten Schreiben, an ausgewählte Fürsten und Prälaten des Reich die Aufforderung einen neuen König zu wählen, denn mit der Absetzung des Kaisers,  lehnte er im gleichen Atemzug das Recht auf die Krone, seines 1237 gewählten Sohnes Konrad ab. Der Papst wollte keinen Staufer, gleich wer es auch immer sei, womit abermals das rein politische Motiv seiner Handlungen, wie das vieler seiner Amtsvorgänger, zweifelsfrei zum Ausdruck kam. Es ging um die Macht in Italien und es ging um die Frage wer über wem steht, der Papsttum über dem Kaisertum oder das Kaisertum über dem Papsttum.
Zu den Empfängern eines solchen Schreibens gehörten auch die Markgrafen von Brandenburg. Offenbar glaubte Innozenz IV., wie vor ihm schon Gregor IX., in den märkischen Regenten vielversprechende Kandidaten für die antistaufische Partei zu finden. Die antikaiserliche Opposition im Reich wurde angeführt von den Erzbischöfen aus Mainz und Köln, in ihrem Fahrwasser einige weitere Fürsten zumeist aus dem geistlichen Stand.
Am 22. Mai 1246 wählte eine kleine Gruppe anwesender Bischöfe, sowei zwei weltliche Fürsten in Veitshöchheim, nordwestlich von Würzburg, Heinrich Raspe IV., den Landgrafen von Thüringen, zum Gegenkönig. Die brandenburgischen Markgrafen sind der Aufforderung des Papstes nicht gefolgt. Sie aber deswegen als bekennende Anhänger zur Stauferpartei zu zählen, geht wahrscheinlich zu weit. Sie hielten sich schlicht und ergreifend aus den Verwicklungen heraus, so gut es denn ging. Es war nur sehr bald mit einem ausbrechenden Krieg um den Thron im Reich zu rechnen, und sich hier nicht hineinziehen zu lassen, war die erklärte Absicht Johanns und Ottos, besonders nach den langen Jahren des Kriegs mit Meißen, Magdeburg, Halberstadt und Anhalt. Und wirklich, keine drei Monate nach der Wahl, standen sich Anfang August 1246, nordwestlich von Frankfurt, an der Nidda, die gegnerischen Heere gegenüber. Konrad IV., der mittlerweile achtzehnjährige Sohn des Kaisers, führte die staufertreuen Truppen an, Landgraf Heinrich Raspe von Thüringen die oppositionellen Truppen. Dass der Gegenkönig so schnell ein großes Heer mobilisieren konnte, war mit dem Geld des Papstes möglich und Geld sowie Aussicht auf staufisches Gebiet in Schwaben war es auch, dass dem Verrat Tür und Tor öffnete. Nachdem die Streitkräfte beider Seiten, diesseits und jenseits der Nidda einander mehrere Tage beschatteten, eröffnete der junge König Konrad die Kampfhandlungen, indem er die Schlacht erzwang. In diesem Moment liefen zwei schwäbische Fürsten, die Grafen Ulrich von Württemberg und Hartmann von Grüningen aus seinem Heer mit rund 2.000 Kämpfern zu Heinrich Raspe über. Der Verrat der  Treulosen war abgesprochen. Päpstliches Geld und die Zusage auf staufisches Gebiet in Schwaben, waren Antriebsfeder des Seitenwechsels. Die Schlacht ging für Konrad verloren, er konnte nach Frankfurt fliehen, das wie die meisten bedeutenden Städte kaisertreu blieb.

Heinrich Raspe, man sollte es noch erwähnen, war zuvor ein treuer Parteigänger des Kaisers und gemeinsam mit dem König von Böhmen seit 1242 eingesetzter Reichsgubernator, nachdem zuvor überraschend der Mainzer Erzbischof und bisherige Reichsvikar ins antistaufische Lager überwechselte. Von der päpstlichen Diplomatie verführt, wandte er sich von den Staufern ab und ließ sich zum Gegenkönig wählen. Die fast nur von Prälaten vollzogene Wahl und die finanziellem Zuwendungen seitens der Kirche, brachten ihm den Beinamen Pfaffenkönig ein.
Nach seinem Erfolg bei Frankfurt, hielt er zwei schlecht besuchte Hoftage ab, bevor er zur Durchsetzung seiner Königsherrschaft begann staufertreue Städte in Schwaben zu belagern, wie Ulm und Reutlingen. Vor letzter Stadt wurde er im Winter 1246 anlässlich eines kleineren Gefechts verwundet, worauf er die Belagerung abbrach und sich nach Thüringen, auf die Wartburg zurückzog. Hier starb er schon am 16. Februar 1247 im Alter von wahrscheinlich 42 Jahren.

Da er keinen männlichen Nachkommen hinterließ, hatte sein Tod erhebliche Auswirkungen auf das Machtgefüge im ostsächsisch-thüringischen Raum.  An Markgraf Heinrich III. von Meißen, dem jahrelangen Kriegsgegner Brandenburgs, ging nach langem Erbfolgekrieg die Landgrafschaft Thüringen, für die er schon seit 1242 die Eventualbelehnung seitens Kaisers hatte.  Der hessische Teil des großen territorialen Erbes ging letztendlich an Heinrich aus dem Hause Brabant, der als Heinrich I. Gründer des Hauses Hessen war. Aber zurück zu Markgraf Heinrich III. von Meißen. Im Besitz der Markgrafschaften Meißen und Niederlausitz sowie der Landgrafschaft Thüringen, schwang er sich zu einer bedeutenden Mittelmacht auf und legte den Grundstein für den späteren Aufstieg der Wettiner zu einer der großen Dynastien im Reich.

Der Tod Heinrich Raspes stellte die Gegner des Kaisers im Reich und natürlich auch Papst Innozenz IV., den Drahtzieher hinter allem, vor die Frage wie es nun weitergehen sollte. Im Reich fand sich niemand unter den einflussreichen Familien, die einen neuen Gegenkandidaten stellen wollte. Die Stauferpartei war durch den raschen Tod des Gegenkönigs gestärkt worden. Nicht wenige glaubten sogar an ein Gottesurteil. Besonders den allermeisten weltlichen Reichsfürsten war die Einmischung des Papstes in die Angelegenheiten des Reichs, besonders in die Thronfrage mehr als nur ein Dorn im Auge. Der am Niederrhein herrschende, mächtige Kölner Erzbischof Konrad I. von Hochstaden, hielt in den nordwestlichen Reichsteilen Ausschau nach einem für seine eigenen Belange passenden Kandidaten, den er in dem Grafen Wilhelm II. von Holland fand. Des Kaisers Sohn Konrad IV. war in etwa so alt, in den frühen 20’er Jahren, wie der holländische Gegenkönig in spe.
Am 3. Oktober 1247 wurde Wilhelm in Worringen, ein heutiger Stadtteil von Köln, damals noch außerhalb der Stadtmauern Köln, die staufisch gesinnt blieb und seine Tore verschlossen hielt, zum Gegenkönig gewählt.
Die Erzbischöfe von Köln, Mainz, Trier, Bremen sowie wie ihre Suffraganbischöfe, des Weiteren die Bischöfe von Münster, Speyer, Straßburg  und Würzburg waren anwesend, ebenso der Herzog von Brabant und der Graf von Geldern. Die Krönung erfolgte erst mehr als ein Jahr später, am 1. November 1248 an symbolträchtigem Ort in Aachen. Der Zugang zur kaiserlich, zur staufisch gesinnten Stadt, konnte erst nach langer Belagerung erzwungen werden.
Im Reich begannen sich Auflösungserscheinungen hinsichtlich der Königtums bemerkbar zu machen. Weder Konrad IV., am wenigsten sein in Italien weilender Vater, Kaiser Friedrich II. aber auch der Gegenkönig konnten ihre Position ausbauen. Keine Seite fand ausreichend aktiv mitwirkende Anhänger um sich militärisch durchzusetzen, womit alles in der Schwebe blieb. Konrad unternahm bis 1250 zwei Vorstöße ins Gebiet des Niederrheins, zog sich aber stets wieder in seine gesicherten Gebiete im Südwesten zurück.
Währenddessen nahmen die sonstigen Dinge ihren Lauf. Die großen Städte begannen sich als lokale Machtzentren von den sie umgebenden Regionalfürsten zu emanzipieren. Zum Schutz ihres Handels und zur Durchsetzung ihre Unabhängigkeitsbestrebungen, formten sich erste größere Städtebünde. Und auch die Reichsfürsten machten Politik ohne Repressalien des Reichsoberhaupts fürchten zu müssen.


Die Jahre 1245 – 1249 in Brandenburg

Brandenburg, das sich Mitte 1245 im Teltow-Krieg wie auch in der Magdeburger Fehde gegen alle seine Gegner durchsetzen konnte, profitierte von den verworrenen Zuständen an der Spitze des Reiches. Der alte Rivale aus Meißen war in einen langen Erbfolgestreit um den thüringisch-hessischen Nachlass des verstorbenen Markgrafen und Gegenkönig Heinrich IV. Raspe verwickelt und hierdurch an einem neuerlichen Kampf um den Teltow für die nächsten gehindert. Wahrscheinlich war es der befürchtete Thronkampf zwischen Konrad IV. und Heinrich Raspe, der den Krieg mit Meißen zu einem für Brandenburg guten Ende bracht. Nach dem vorzeitigen Tod des Gegenkönigs und dem Ringen um dessen Erbe, verlagerten sich die Interessen des Markgrafen Heinrichs III. von Meißen für einige Zeit in Richtung des mitteldeutschen Raums. Den brandenburgischen Brüdern gab es die Gelegenheit ihre Stellung zwischen Elbe, Havel und Oder auszubauen und gleichzeitig die erheblichen Kriegsschäden im Land, wovon die Altmark am meisten betroffen war, sukzessive zu beheben. Neben zahlreichen beurkundeten Schenkungen an Kirchen und Klöster zum eigenen wie auch zum Seelenheil verstorbener Angehöriger, hierin unterschieden sie sich nicht von ihren Vorfahren oder vergleichbaren Fürsten der Epoche, lesen wir vermehrt von Maßnahmen worin die Bewohner der im Krieg stark in Mitleidenschaft gezogenen Städte beim Wiederaufbau unterstützt wurden. So sind das freie Schlagen von Bauholz oder die zeitlich beschränkte Befreiung von Abgaben nur einige Beiträge zur Förderung der Aufbautätigkeiten in den heimgesuchten Städten und Gegenden.

In der Zeit unmittelbar nach der vom Papst ausgesprochenen, in der Realität aber wenig durchgreifenden Absetzung des Kaisers, bemühte sich Innozenz III. wiederholt die brandenburgischen Regenten für die antistaufische Partei zu gewinnen. Johann und Otto hatten in der Angelegenheit keine verbindliche Position, so lange die Umstände es nicht erforderten. In dieser Angelegenheit teilten sie die Gesellschaft viele norddeutscher Fürsten. Als Heinrich Raspe verstarb, brach die Partei des Papstes im mitteldeutschen Raum ebenso zusammen wie in Schwaben, konnte sich aber entlang des Niederrheins halten. In Brabant und Holland und besonders bei einer Reihe von Bischöfen, hielt sich eine starke antikaiserliche Opposition, was zur erwähnten Wahl und Krönung des jungen Grafen Heinrich von Holland führte. Da die brandenburgischen Markgrafen im Augenblick von keiner Seite einen Vorteil zu erwarten hatten, blieben sie neutral und suchten weder einen Konflikt mit den Staufern, noch mit der Kirche heraufzubeschwören. Eine bewusste Position gegen den Kaiser und seinen Sohn Konrad einzunehmen hätte mit großer Wahrscheinlichkeit dem vor nicht langer Zeit erst beigelegten Gegensatz zu Magdeburg und Meißen, beides enge Anhänger der Staufer, wieder frische Nahrung gegeben und aufleben lassen. Zur Konsolidierung des Teltow und mehr noch zur Ausweitung bis zur Order auf ganzer Breite und nicht nur östlich der Uckermark, war der Erhalt des Friedens mit den unmittelbaren Nachbarn wichtig. Mit der Hebung des Landes gingen in diesen Jahren einige bedeutende Städtegründungen einher, denen wir aber an späterer Stelle wollen einen eigenen Abschnitt widmen werden. In dem Zusammenhang werden ebenso noch zwei wichtige Klostergründungen erwähnt.

Werfen wir einen Blick auf Böhmen, das vor einer Generation unter Ottokar I. Přemysl (1155-1230) durch den römisch-deutschen König Philipp von Schwaben, seinem Schwiegervater, zum Königreich erhoben wurde und im Reich dahingehend seither eine Sonderstellung genoss. Zwischenzeitlich war Wenzel I. auf dem Thron nachgefolgt. Ein begabter Monarch, der aber den Freuden des Lebens, hier besonders der Jagd und prunkvollen Hofhaltung zeitweise vielleicht etwas zu viel zugetan war. Er leitete die starke Zuwanderung deutscher Siedler ein, die dadurch viel handwerkliches Wissen ins Land brachten. Böhmen, reich an wertvollen Erze, erlebte in der Folgezeit eine erste wirtschaftliche Blüte. Die Politik Wenzels blieb im großen Streit zwischen dem heiligen Stuhl und dem Kaiser wechselhaft, mal mit den Staufern, mal mit den Anhängern des Papstes liebäugelnd, suchte er den größtmöglichen Nutzen für seine eigene Herrschaft zu sichern, ohne tatsächlich für die eine oder andere Seite wirklich tätig zu werden. Mit Brandenburg verband ihn die schon erwähnte Ehe seiner ältesten Tochter Beatrix, die seit 1243 mit Markgraf Otto III. vermählt war. Wenzel unterhielt überhaupt mit den Fürsten der sächsischen Nachbarschaft enge Verbindung, so war auch seine zweite Tochter Agnes mit einem sächsischen Fürsten verheiratet, mit dem schon vielfach erwähnten Markgrafen Heinrich III. von Meißen. Des Königs Sohn Ottokar, der spätere Ottokar II., seit März 1247 Markgraf von Mähren, nachdem sein älterer Bruder Vladislav im Januar gestorben war, begann in seinem neuen Refugium sofort eine rege Tätigkeit. Noch im Laufe des Jahres kam er erstmals in Konflikt mit dem Vater und zwar im Zusammenhang mit der vom König initiierten Resignation des Olmützer Bischofs Konrad von Friedberg. 1249 intensivierten sich die Gegensätze zwischen Vater und Sohn und es kam zu Aufständen und mehren militärischen Auseinandersetzungen. Für einige Zeit sah es danach aus, als ob der alte König unterliegen könnte. Die aufständige Opposition wählte Ottokar am 31. Juli 1248 in Prag zum König. Nicht zum Gegenkönig, eher zum regierenden Juniorkönig. In dieser kritischen Lage, rief Wenzel I. nach Hilfe aus dem deutschen Umland. So zogen aus den sächsischen Regionen Herzog Otto von Braunschweig-Lüneburg, Herzog Albrecht von Sachsen-Wittenberg und die Markgraf Otto von Brandenburg mit großem Heer am 11. November 1248 zu seiner Unterstützung nach Böhmen. Bei Brüx, an der nordböhmischen Grenze zu Meißen, kam es zur Schlacht in der die aufständige Opposition um Ottokar geschlagen wurde. Im Frühjahr 1249 kam es zum Vergleich und der Bestätigung Ottokars als Miregent, doch änderte sich die Situation rasch, als der Papst den jungen Mitkönig exkommunizierte, wegen angeblicher Nähe zu den Staufern. Der Kirchenbann kostet Ottokar viele Anhänger in Böhmen und Mähren, was seine Position als gleichberechtigter König neben den Vater untergrub. Dieser nutzte die Situation aus um den Sohn für einige Zeit zu internieren. Da sich Wenzel in den letzten Jahren seines Lebens immer weniger der aktiven Politik widmete, konnte der Sohn nach seiner Freilassung wieder an Einfluss hinzugewinnen, bevor 1253 die Nachfolge des Vaters auf dem Thron Böhmens antrat.


Lebuser Land im zweiten Anlauf

Nach dem Ausflug ins verschwägerte Böhmen, ist ein Blick nach Schlesien und Polen überfällig. Das regierende Geschlecht der Piasten war seit Generationen in verschiedene, sich teils bekriegende Herzogtümer zersplittert. Wir berichteten über den verheerenden Einfall der Mongolen und der Niederlage anlässlich der Schlacht bei Liegnitz April 1241, bei dem Herzog Heinrich II. von Schlesien, der gleichzeitige Seniorherzog von Polen, ums Leben kam. Schlesien zerfiel daraufhin unter vier seiner Söhne in weitere Teilherzogtümer. Als bereits 1242 Mieszko von Lebus, der zweitälteste der Erben starb, entstanden erste Streitigkeiten unter den überlebenden Brüdern Boleslaw II. und Heinrich III.,  die im Frühjahr 1249 zur Schließung von Schutzbündnissen führte. Was jetzt geschah, ist eine erstaunliche Episode. Wir erinnern uns noch, 1239 versuchte der Magdeburger Erzbischof das Land Lebus in Gemeinschaft mit Brandenburg zu erobern und dem Vater der jetzt zerstrittenen Erben, dadurch das Land zu entreißen. Nach dem erfolglosem Versuch, kam es zum Bruch zwischen Magdeburg und Brandenburg sowie einem bald danach ausbrechenden, mehrjährigen Krieg beider Fürstentümer. Am 20. April 1249 schloss Boleslaw II., ältester Sohn des 1241 gefallenen Herzog Heinrichs II., jener Heinrich der Lebus 1239 erfolgreich verteidigte, zu Liegnitz einen Vertrag mit Erzbischof Wilbrand von Magdeburg, wonach dieser ihm das Land Lebus beiderseits der Oder verkaufte und danach die Hälfte des Gebiets von Magdeburg als Lehen zurücknahm. Die Motivation dahinter war getrieben vom alleinigen Machtanspruch Boleslaws, der Schlesien komplett regieren wollte, hier aber mit den Erbansprüchen der jüngeren Brüder kollidierte. Herzog Heinrich III.l sein nächstjüngerer Bruder, war vor zwei Jahren volljährig geworden und forderte seinen Erbanteil ein. Zunächst unwillig, musste sich Herzog Boleslaw dem Drängen des schlesischen Adels beugen. Es kam zur Teilung Schlesiens, der weitere folgten. Um seinen Machtanspruch nicht völlig zu verlieren, kam es zum oben erwähnten Vertrag und Lehnsverhältnis mit Magdeburg. Heinrich III., dem Niederschlesien zugefallen war, suchte sich seinerseits Unterstützung bei Markgraf Heinrich III. von Meißen, dem alten brandenburgischen Widersacher. Dieser befand sich zum Zeitpunkt des Abkommens zwar noch mitten im Erbfolgekrieg rund um den Nachlass Landgraf Heinrich Raspes, doch machte ihn das nicht zu einem weniger gefährlichen Konkurrenten für den hohen Kirchenfürsten, der nun seinerseits nach Bündnispartner suchte. Für Brandenburg war die ganze Entwicklung höchst unangenehm. Weder den Magdeburger Erzbischof und noch viel weniger den Meißner Markgrafen wollte man im Osten seines Gebiets sehen. Es kam zu einer neuerlichen Annäherung zu Magdeburg. Welche Seite den Anfang machte, ist nicht unbedingt ersichtlich, es könnte Brandenburg gewesen sein, wie auch immer, es wurde eine neuerliche Kooperation vereinbart und Erzbischof war bereit mit Brandenburg das Gebiet zu teilen. Eine ungemein interessante und unerwartete Entwicklung. Waren Magdeburg und Meißen während der Jahre des Teltow-Kriegs noch gemeinsam auf einer Seite die Kriegsgegner Brandenburgs, standen sie nun, keine fünf Jahre später, in gegnerischen Lagern und Brandenburg an der Seite Magdeburgs. Vor zehn Jahren versuchte diese Konstellation schon einmal das Lebuser Land zu erobern und jetzt bekamen sie, zunächst nur der Erzbischof, das weiträumige Gebiet links und rechts der Oder, getrieben von den Umständen, freiwillig übergeben. Herzog Boleslaw musste sich ganz offenbar in einer finanziellen Zwangssituation befunden haben. Ob und wenn ja, welche Rolle des Herzogs Gemahlin Hedwig von Anhalt spielte, die Tochter des askanischen Grafen Heinrich von Anhalt, wissen wir nicht. Es ist allerdings zu vermuten, dass über sie Kontakte zu den benachbarten sächsischen Fürstenhäusern bestand. Überhaupt wurden noch unter Boleslaws Vater Herzog Heinrich II., wir haben es noch nicht erwähnt, er trug den Beinamen der Fromme, viele deutsche Siedler und auch Rittergeschlechter ins Land geholt. Das ganze 13. Jahrhundert war geprägt von einem umfassenden deutschen Besiedlungswerk außerhalb der Grenzen des damaligen Reichs. Nicht nur in Böhmen, das natürlich zum Reich gehörte, sondern auch in Schlesien, in Nordmasowien, dann bald entlang der baltischen Küste, worüber wir gesondert im nächsten Kapitel schreiben werden, und seit längerem in Ungarn, entstanden über die Zeit abertausende deutscher Siedlungen. Ganze Landstriche mit florierenden Städten wuchsen in den nächsten zwei Jahrhunderten aus dem Boden. Vor diesem Hintergrund mag die hohe deutsche Affinität unter den schlesischen Piasten zu erklären sein, die sich bald von ihren polnischen Verwandten zu lösen begangen.

Die Darstellung der Besitz- und Lehnsverhältnisse im Zusammenhang mit dem Land Lebus sind für die kommenden Jahre 1249 – 1252 verwaschen. Es existieren erzählende Chroniken aber keine verbindlichen, urkundlichen Belege. Wir können daher nicht mit Sicherheit den Übergang des Landes von Magdeburger Besitz, zu brandenburgischem  Teil- dann Alleinbesitz nachzeichnen. Es erscheint so, dass 1250 der Landesteil links der Order mit der Stadt Lebus käuflich an die Brandenburger Brüder ging, während der Teil rechts des Stroms, das sogenannte spätere Land Sternberg, benannt nach dem Magdeburger Erzbischof Konrad II. von Sternberg, beim Erzstift verblieb.

Die Mark Brandenburg hatte sich mit dem Erwerb dieses Gebiets auf seiner ganzen Breite von der linskselbischen Altmark über die bald sogenannte Mittelmark, bis an die Oder ausgebreitet. Damit war weitestgehend die Fläche der ehemaligen Nordmark wie zu Zeiten Kaiser Otto I. des Großen erreicht. Ein wesentlicher Unterschied zur Ottonischen Zeit, damals war die Mark ein reines Tributland, nur formell unter der Herrschaft eines Markgrafen. Mittlerweile, durch die generationenlange Kolonisierung und Christianisierung, hatten die deutschen Siedler längst die Überhand gewonnen und die Slawen, Heveler, Sprewanen, Ukranen etc. wurden als Volk und Kultur fast ganz verdrängt und gingen bis auf Reste in der neuentstehenden märkischen Mischbevölkerung auf.

Ob es mit dem Markgrafen Heinrich III. von Meißen in der Rolle des Verbündeten, namensgleichen Herzogs Heinrich III. von Niederschlesien kam, lässt sich nicht beweisen. Es erscheint wahrscheinlich, dass sich der Markgraf von Meißen im Land Lebus zunächst festsetzte und mit den vereinten Kräften des Erzbischofs und der markgräflichen Brüder vertrieben wurde.


Tod Kaiser Friedrichs II. 

Am 13. Dezember 1250 starb Kaiser Friedrich II. in Italien. Seine Vision eines universellen Kaisertums scheiterte an den nahezu ununterbrochenen Konflikten mit den oberitalienischen Kommunen und dem unüberbrückbaren Gegensatz zum Papstum. Zu den großen Rückschlägen seiner Amtszeit gehörte auch die Auseinandersetzung mit seinem erstgeborenen Sohn aus erster Ehe, Heinrich VII., den er als Regent im nördlichen Reichsteil einsetzte und der nach mehrjährigen Auseinandersetzungen 1235 auf dem Wormser Hoftag abgesetzt und anschließend auf verschiedenen unteritalienischen Burgen inhaftiert wurde, wo er starb. Zuletzt noch genannt die zunehmende Unabhängigkeit der Reichsfürsten, die sich 1220 und 1231/32 ihre Privilegien verbriefen ließen, was dann im Mainzer Landfriede von 1235 in gewissem Maße wieder im Sinne einer kaiserlichen Zentralautorität relativiert wurden. Die Territorialisierung des Reichs nahm unter Friedrichs Regentschaft erheblich an Fahrt auf. Seine dauernden und jahrelangen Abwesenheiten vom deutschen Reichsteil, förderten die Autonomisierung der Reichsfürsten.

In seiner Zeit erreichte das Schrifttum eine Wiedergeburt. Althergebrachte Gesetzesbräuche wurden kodifiziert, beginnend mit dem Sachsenspiegel, der als Kristallisationspunkt für viele gleichartige, regionale Gesetzbücher diente. Sie bildeten den Grundstock einer ersten niedergeschriebenen Rechtsauffassung. Auf reichspolitischer Ebene entstanden wichtige Vertragswerke, die den Anfang einer Reichsverfassung darstellten, wenn es auch bis zum Ende des Reichs nie zu einem umfassenden Verfassungswerk kam. Die Einrichtung eines ständigen Hofgerichts war eines der Ergebnisse des Mainzer Landfriedens von 1235. Über weitere Eckpunkte seiner Regierungszeit haben wir berichtet.

Friedrich II. war ein Monarch von ungewöhnlichem Facettenreichtum. Vier Kronen vereinte er auf sich, die des Heiligen Römischen Reichs, ein Begriff der wenige Jahre nach seinem Tod 1254 erstmals verwendet wurde und alsbald zum offiziellen Eigennamen wurde, die Eiserne Krone der Langobarden, die Krone Siziliens und die Krone des Königs von Jerusalem. Bis heute wird unter den Fachleuten der Mensch und Charakter des italienischsten aller Staufer diskutiert. Vom modernen Monarchen über gescheiterten Despoten, reicht die Bandbreite vom Mittelalter bis in die heutige Zeit nach. Wir wollen uns kein eigenes Bild erlauben, da Friedrich II. nicht Gegenstand unserer Arbeit ist. Er war einer der römisch-deutschen Herrscher während der Expansionsphase Brandenburgs nach Osten, hatte aber außer dem feierlichen Belehnungsakt in Ravenna Dezember 1231, anlässlich dieser er ebenfalls die Lehnshoheit Brandenburgs über Pommern bestätigte, wenig Verbindungen mit den askanischen Brüdern, die sich ihrerseits größtenteils der Reichspolitik zugunsten eigener Hauspolitik fernhielten.

Auch wenn man allgemein nicht wirklich einen harten Schnitt beim Übergang von einer zur nächsten Epoche vornehmen kann, so ist es keinesfalls verkehrt wenn man sagt, dass mit dem Tod des Kaisers für das Reich die Zeit des Hochmittelalters zu Ende ging und ein neuer Zeitabschnitt begann.

Konrad IV., ältester lebender Sohn Friedrichs aus der Ehe mit Isabella von Brien (1212–1228), die mit erst 16 Jahren noch im Kindbett verstarb, trat die schwere Nachfolge an. Er war schon seit 1237 gewählter Mitkönig ohne jedoch Regentschaftsautorität zu Lebzeiten des Vaters besessen zu haben. Reichsgubernatoren wie zunächst der Erzbischof von Mainz, nach dessen Übertritt zur antistaufischen Opposition, der König von Böhmen und der Landgraf von Thüringen, waren die eigentlichen Reichsverweser. Die Erfahrungen Friedrichs II. mit Sohn Heinrich VII. ließen ihn in dieser Hinsicht vorsichtig werden und so war erst mit dem Tod des Kaisers, der tatsächliche Übergang der Macht möglich. Der Kaiser wurde 1245 von Papst Innozenz IV. abgesetzt, nachdem seine Amtsvorgänger ihn davor zweimal mit dem Kirchenbann belegten. Es wurden in rascher Folge zwei Gegenkönig gewählt, der erste, der ehemalige Vertraute des Kaisers und eingesetzte Gubernator, Heinrich Raspe, starb schon bald, während Wilhelm von Holland zu Lebzeiten des Kaisers und Konrads IV. keine Akzente setzen konnte. Die Zurückhaltung des Gegenkönigs verhütete nach dem Tod Friedrichs einen blutigen Thronstreit und so trat Konrad das Erbe des Vaters im nördlichen Reichsteil zunächst unbehelligt an, gestützt auf eine starke Stauferpartei. Die Antistauferkoallition im Nordwesten entlang des Niederrheins, blieb stark, sie war hauptsächlich getragen vom Kölner Erzbischof und dem Herzog von Brabant. Konrad musste trotz dieser Ausgangslage auf seine Anhängerschaft im nordalpinen Raum vertrauen und sich um die fernen Besitzungen in Ober- und Unteritalien, samt Sizilien kümmern. Tatsächlich konnte er in Süditalien und Sizilien die Situation nach anfänglichen Schwierigkeiten stabilisieren und seine königliche Autorität festigen. Zu einer Rückkehr in den deutschen Reichsteil kam es nicht mehr,  er starb schon am 21. Mai 1254 im Heerlager bei Lavello, vermutlich an den Folgen von Malaria. Er hinterließ ein unmündigen Sohn namens Konradin, den er selbst nie zu Gesicht bekam und der nie echte Königsgewalt ausüben konnte. Er wird als letzter legitimer Staufer 14 Jahre später noch als Jüngling Opfer des ruchlosen Karl von Anjou, der ihn gemeinsam mit einigen seiner engsten Vertrauten auf der Piazza del Mercato in Neapel öffentlich köpfen ließt. Ein ungeheuerliches Verbrechen, ein Bruch allen gültigen Völkerrechts und Verstoß gegen allen Sitten und Gepflogenheiten im Umgang mit herrschaftlichen Gefangen. Die meisten Zeitzeugen zeigten sich geschockt und selbst im Lager der antistaufischen Guelfen ging ein Raunen durch die Reihen.

Mit dem Ende der Staufer brach die alte Welt in Teilen zusammen, für das Reich begann die Zeit des sogenannten Interregnums, die Zeit zwischen den Königen. Formell sollten zwar mit Wilhelm von Holland, Richard von Cornwall sowie dessen Gegenkönig Alfons von Kastilien, drei Könige gewählt werden, keiner konnte jedoch im Reich ausreichend königliche Autorität entwickeln oder nachhaltige Spuren hinterlassen.


Vertrag von Landin

Kehren wir chronologisch noch einmal in das Todesjahr Kaiser Friedrichs II. zurück, ins Jahr 1250. Die Erwerbungen des Landes Lebus waren in vollem Gange, der Ausgang längst nicht sichergestellt. Zeitgleich mit der Expansionsabsicht Brandenburgs in Richtung mittlere Oder, kam es mit Herzog Barnim I. von Pommern zum Vertrag von Landin. Wir erinnern uns an das Oberlehnsrecht Brandenburgs über Pommern, das Kaiser Friedrich II. anlässlich des Hoftags zu Ravenna 1231 bestätigt hatte. Fünf Jahre später kam es zum Vertrag von Kremmen, es wurde im vorhergehenden Kapitel darüber berichtet. Pommern war, nachdem es die dänische Lehnshoheit abgeschüttelt hatte, unter den Vettern Wartislaw III. und Barnim I. aus dem Greifenhause geteilt. Die Ausgangslage für beide war schwierig, von allen Seiten  wurde nach den Ländereien des zweigeteilten Herzogtums gegriffen, das noch stark slawisch, wenn auch längst christianisiert war.  Wartislaw machte den Anfang und unterwarf sich Brandenburg. Er trat die Landschaften von Stargard, Beseritz und Wustrow an die Mark ab, erteilte den brandenburgischen Markgrafen das Sukzessionsrecht für den Fall dass er ohne männlichen Erbe stürbe und nahm den Rest seiner Gebiete als brandenburgisches Lehen. Sein Vetter Barnim I. machte zunächst keine Anstalten seine Ländereien als Lehen von den brandenburgischen Markgrafen zu nehmen. Die Unterwerfung musste später noch erfolgt sein, denn er war wiederholt in der Umgebung der Markgrafen zu sehen, was nicht denkbar gewesen wäre, hätte er sich dauerhaft widerspenstig erwiesen.
Es scheint dass Herzog Barnim I. irgendwann in der zweiten Hälfte der 1240’er Jahre das Land Wolgast an sich brachte. Wolgast gelangte seinerzeit als Mitgift der dänischen Prinzessin Sophia, Gemahlin Markgraf Johanns I., an die Mark. Die näheren Umstände der Inbesitznahme Wolgast durch Herzog Barnim sind ungeklärt, die Urkundenlage gibt hierzu keine Hinweise. Man hätte aufgrund der brandenburgischen Untätigkeit eine wie auch immer geartete Übereinkunft annehmen können, läge nicht die Urkunde von Landin aus dem Jahre 1250 vor. Der Herzog bekennt darin Burg und Land Wolgast unrechtmäßig erlangt zu haben. Er trat von sich aus auf die Markgrafen zu, um die Angelegenheit zu regeln und bot im Tausch gegen Wolgast die restliche Uckermark an. Wolgast nahm er als brandenburgisches Lehen entgegen. Erwähnenswert ist der Sachverhalt, dass die Belehnung zu gemeinsamer Hand mit seinem Vetter Wartislaw III. erfolgte. Auch, und das war später ganz wesentlich, ging das jeweilige Sukzessionsrecht von den brandenburgischen Markgrafen, auf die beiden Herzöge von Pommern über. Die diesbezüglichen Vereinbarungen aus dem Vertrag von Kremmen wurden hierdurch revidiert. Als im Mai 1264 Herzog Wartislaw kinderlos starb, fielen seine Ländereien damit nicht wie ursprünglich 1236 in Kremmen vereinbart an Brandenburg, sondern stattdessen an Herzog Barnim I., der dadurch Pommern wieder unter einer Regentschaft vereinte.
Für die Mark war der Tausch des küstennahen Land Wolgast mit dem Binnengebiet der Uckermark für den Augenblick ein Zugewinn, lag die Uckermark doch direkt nördlich der märkischen Kerngebiete und brachte mit Prenzlau den Markgrafen eine ansehnliche, aus drei Teilen bestehende  städtische Perle ein, die Herzog Barnim zuvor mit großem Augenmerk gefördert hatte.


Johann und Otto, die Städtegründer

Die umfangreiche Ausweitung des brandenburgische Territorium während des Regiments der Markgrafenbrüder gäbe schon Anlass genug, ihnen unter den bisherigen askanische Herrschern der Mark einen vornehmen Platz in der Geschichte einzuräumen. Doch traten sie als Begründer von zahlreichen Stadtsiedlungen in ihrer Zeit ganz besonders hervor, was ihnen den Beinamen die Städtegründer verschaffte. Ein Ehrentitel der zeitgleich übrigens auch dür Herzog Barnim I. von Pommern verwendet wurde, über den wir gerade erst im vorherigen Absatz sprachen. Sie errichteten ebenso ein Netz von Burgen über das Land. Beispielhaft erwähnt Spandau, Prenzlau, Oderberg, Burg Stargard, Mittenwalde, Burg Alvensleben oder Landsberg. An vielen dieser genannten Stellen standen bereits Wehranlagen, oft sogar noch aus slawischer Zeit. Diese wurde gezielt baulich erweitert und erheblich verstärkt. Da viele Städte, gerade die noch jungen, nicht nur in der Mark, auch sonst im Reich, nicht über starke und wehrhafte Mauern verfügten, waren noch die nahegelegenen Burgen Zufluchtsort und Ort des lokalen Widerstands gegen einen Angreifer. Wir erinnern uns in dieser Hinsicht an die Burgenverordnung aus der Zeit Heinrichs I. als Verteidigungsmittel gegen die Überfälle der Ungarn. Mit der Zeit, wenn sie nicht sowieso schon inmitten der Siedlung existierten, wuchsen viele Städte regelrecht an und um die Festungsanlage herum, so dass Burgen ebenso Teil des Stadtbilds wurden wie die unvermeidlichen Kirchenbauten an prominenter Stelle. Bei einer einzigen Anlage blieb es derweil in den meisten großen Städten nicht aber das ist nicht Gegenstand der jetzigen Betrachtung.

Über die Bedeutung der Städte als wichtiger Wirtschaftsfaktor wurde bereits gesprochen. In der Zeit der Staufer entstanden im Reich überall neue Städte. Gezielte Neuanlagen waren kaum mehr der Fall, stattdessen erhielten vorhandene, florierende Siedlungen das Stadtrecht. In den alten Reichsteilen, wo besonders entlang des Rheins noch aus der römischen Antike Städte mit schon tausendjähriger Geschichte existierten aber auch andernorts, so in Franken, Schwaben, Bayern, war die Siedlungsdichte beginnend der fränkischen Landnahme mittlerweile so hoch, dass geplante Stadtgründungen allenfalls in Form einer Neustadtgründung als eigener Stadtteil vollzogen wurde. Für gewöhnlich wuchsen diese Stadtteile dann über die Zeit zusammen und bildeten  eine größere, einflussreichere Kommune. Und genau solche großen, wirtschaftlich und kulturell hervorstechenden Stadtkommunen waren es, die nach mehr Unabhängigkeit zu strebten. Die Situation in Oberitalien ist hierbei ein besonders extremes Beispiel. Fast schon als ein Naturgesetz war das Streben großer Städte sich dem Zugriff der Landesherren auf die eigene, städtische Politik zu entziehen. Das aufstrebende Stadtbürgertum und der daraus heranwachsende Stadtadel, strebte nach größerer Unabhängigkeit, wenn möglich nach völliger Autonomie von den umgebenden Territorialfürsten. Diese Entwicklungen kannte man im ostsächsischen Raum noch nicht oder nur sehr vereinzelt. Die Orte in den Siedlungsräumen rechts der Elbe waren noch jung, ihre Entwicklung und ihr Wachstum nicht weit fortgeschritten, die Bindung an die Landesfürsten noch gesund und eng.
Die Städte der Altmark klammern wir bei der weiteren Betrachtung aus. Von einzelnen wie Stendal, Tangermünde, Werben, Salzwedel oder Wolmirstedt haben wir bereits gelesen, sie hatten die notwendige Zeit zum Wachstum und zur Reife. Konzentrieren wir uns stattdessen die Orte rechts der Elbe, dort existierte zu Beginn der Regierungszeit Johanns I. und Ottos III. nur Brandenburg an der Havel als einzige märkische Stadt. Ab den späten 30‘er Jahren des 13. Jahrhunderts entstanden dort eine ganze Reihe weiterer Städte. In den meisten Fällen wurden hierzu größere Ortschaften, jene die das Markt- und Niederschlagsrecht besaßen, wir erklären noch worum es sich dabei handelte, mit dem Stadtrecht versehen.

Dauerhaft wichtigste Stadtgründung war die Doppelstadt Berlin und Cölln. Es gab an diesem Platz zwischen Spree, Havel und Dahme schon lange eine slawische Ansiedlung, aus der wegen der äußerst günstigen Lage durch den Zuzug von deutschen Fernhändler Anfang des 13. Jahrhunderts ein Marktflecken wurde. Jedoch erst unter den Markgrafen Johann und Otto wurde der Ausbau zur Stadtgemeinde aus strategischen Gründen gezielt vorangetrieben.
Das auf einer Spreeinsel gelegene Cölln wurde erstmals 1237 urkundlich erwähnt, Berlin 1244. Berlin-Cölln erhielt weitreichende Privilegien für den Handel, darunter das Zoll- und Stapelrecht. Es war die Absicht der Markgrafen das südlich davon liegende Handelszentrum in Köpenick an Bedeutung zu verdrängen. Köpenick und die Gebiete des sogenannten Teltow gehörten zu diesem Zeitpunkt noch dem Markgrafen Heinrich III. von Meißen. Dass Köpenick nach dem gewonnenen Teltow-Krieg um 1245 endgültig an Brandenburg fallen würde, war sicher nicht abzusehen und selbst danach war die Lage der nördlich gelegenen Zwillingsstadt so günstig und vorteilhaft, dass die Entwicklung von Berlin-Cölln als bestimmendes Handelszentrum der Mittelmark und darüber hinaus, fortan nicht mehr aufzuhalten war.

Gründungsurkunde
Frankfurts an der Oder

Frankfurt an der Oder war eine der weiteren prominenten Städtegründungen der beiden Brüder. Sie verdient es etwas näher und beispielhaft hervorgehoben zu werden. Gleich vorweg, es war keine Stadtgründung wie es die Bezeichnung vermuten lässt.
Am 12. Juli 1253 beauftragte Markgraf Johann I. einen gewissen Godinus von Hereyberg, er wird fortan als markgräflicher Schultheiß fungieren, die gutgelegene Kaufmannssiedlung an der Oder zur Stadt nach deutschem Gepräge auszubauen. Das in der Urkunde verwendete construentam darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass am Ort der vermeintlichen Stadtgründung längst eine große Siedlung existierte. Es kann nur als Auftrag zur planmäßigen Erweiterung und Pflege der vorhanden Strukturen verstanden werden. Der diesseits des Stroms gelegenen Stadt wurden 124 Hufe Land, rund 2.100 Hektar, links der Oder vom Markgrafen angewiesen. 104 Hufe waren für Ackerbau vorgesehen, wovon die Stadt für jede landwirtschaftlich bebaute Hufe 1/4 Mark Silber jährliche Abgabe zu leisten hatte. Die restlichen 20 Hufe konnte die Stadt zur freien Verfügung nutzen. Weitere 60 Hufe Land wurden rechts der Oder für den Ackerbau zugewiesen, mit den gleichen Steuervorgaben. Die Urkunde erwähnt weiter einen Werder und eine Wiese welche ebenso zugeteilt wurden. Das Gebiet stand der Stadt höchstwahrscheinlich schon lange zuvor zur Verfügung. Mit dem Übergang des Landes Lebus an Das Haus Brandenburg, ging aller Landbesitz an die Markgrafen über und sie verpachteten mehr oder minder den Städten Ländereien die sie anteilig oder komplett seit Zeiten nutzten. Der Stiftungsbrief vom Juli 1253 ist weit davon entfernt Ausgang einer städtischen Neuanlage zu sein, er verlieh der aufstrebenden Ortschaft deutsches Stadtrecht.
Gemäß der üblichen Vorgehensweise wurde eine siebenjährige Abgabenfreiheit gewährt, beginnend ab dem 11. November 1253, um das Wachstum der Stadt zu fördern. Nach Ablauf der Zeit erhielt Frankfurt, Vrankenforde damals genannt, das Stadtrecht Berlins, welches wesentlich dem Stadtrecht Brandenburgs an der Havel entsprach. Keine Abgaben wurden für Handelsgeschäfte, sowohl der Käufer als Verkäufer erhoben, wenn sie unterhalb zwei Schillingen leichter oder einem Schilling schwerer Pfennige blieben. Es entsprach 24 Silberpfennigen mit niedrigem Silbergehalt (ca. 0,95 g) oder zwölf Pfennigen mit hohen Silbergehalt (ca. 1,90 g). Weiter war der Handel mit Gemüse, Eiern, Käse, Butter, Fischen die in kleinen Mengen verkauft wurden, abgabebefreit. Kaufmannswaren wurden ab der oben genannte Höhe verzollt. Es war den Bewohnern erlaubt ein Kaufhaus, ein sogenanntes theatrum zu errichten, das dem üblichen Brauch der Zeit, im Rathaus am Marktplatz eingerichtet wurde. Von den zu entrichtenden Abgaben für die Marktstände und das Kaufhaus, erhielt der Schultheiß ein Drittel, der Rest ging an die markgräfliche Kasse. Weiter wurden Bestimmungen zum Bau einer Oderbrücke, den Brückenzoll, den Bau von Mühlen, das Fischerei- und Jagdrecht erlassen. Die erwähnte Oderbrücke scheint ein wichtiges Anliegen der Stadt gewesen zu sein und wahrscheinlich gab es zum Zeitpunkt der Stadterhebung nach deutschem Recht noch keine Brücke an dieser Stelle.  Bislang wurde die dortige Furt durch den Fluss verwendet, wie seit jeher.

Die besondere Stellung der Stadt in späteren Zeiten, zeigte sich dadurch, dass im Jahre 1506 dort die erste brandenburgische Universität gegründet wurde. In Frankfurt an der Oder und nicht in der Residenz Berlin oder den alten Residenzen Spandau, Stendal oder Brandenburg an der Havel, ein Umstand der immerhin beachtenswert ist, und den Einfluss und die hervorragende Lage der  wohlhabenden Hansestadt widerspiegelte.

Städte, wir erwähnten es andernorts, waren in den ersterschlossenen Gebieten die urbane nächste Stufe des Landesausbaus. Wo in den slawischen Kolonialgebieten zu Anfang Kirchen und Klöster die religiös-kulturelle, wie auch infrastrukturelle Aufbauarbeit leisteten, die bäuerlichen Siedler dabei die Korsettstange bildeten, übernahmen die Städte die weiterführende Rolle, indem sie in einem Landstrich ein wirtschaftliches Zentrum für Handel und Handwerk darstellten. Die Landesherren stifteten den Städten angrenzendes Land, wofür diese im Umkehrschluss, nach einigen Jahren der Steuerfreiheit, einen festgelegten jährlichen Zins von der Stadt als Abgabe forderten. Städte waren der wirtschaftliche Hauptmotor einer Region und ergiebige Geldquelle der Landesfürsten, die dafür den Städten besondere Privilegien für Handel und Handwerk einräumten und für die Sicherheit der Handelsrouten innerhalb ihres Territoriums sorgten, es zumindest versuchten.


Ehepartner und Nachkommen

Es wird Zeit über die Nachkommenschaft der beiden Brüder zu sprechen. Dass beide Markgrafen königliche Töchter ehelichten, ist mehrfach erwähnt worden. In beiden Fällen brachte es der Mark reichen Landbesitz als Mitgift ein. Johanns Braut Prinzessin Sopia von Dänemark, mit der er sich 1230 verlobte und die er wahrscheinlich 1235 als Ehefrau heimführte, brachte das Land Wolgast ein, das 1250 mit Herzog Boleslaw II. von Pommern im Vertrag von Landin gegen die Uckermark eingetauscht wurde. Die Ehefrau Ottos III., Prinzessin Beatrix von Böhmen erhielt von ihrem Vater als Mitgift die Oberlausitz mit den Städten Bautzen und Görlitz. Das Gebiet war vom sonstigen brandenburgischen Kernland getrennt und wegen der über Jahre andauernden kriegerischen Konflikte mit Meißen politisch autonomer als die sonstigen märkischen Provinzen, was auch an den besonderen Besitzverhältnissen lag. Die Oberlausitz war rechtlich zunächst nur Pfandbesitz, tatsächlich ging das Land erst in der kommenden Generation voll an die Mark über.

Schauen wir uns als erstes die Nachkommenschaft Markgraf Johanns I. an. Ab 1237 schenkte ihm seine Gattin Sophia fast jedes Jahr ein Kind. So kam 1237 mit Johann ein erster Sohn und Erbe zur Welt, gefolgt von Otto im Jahre 1238, Konrad 1240, Helene 1241, die einzige Tochter aus dieser Verbindung und Erich 1242. Sein Name war die eingedeutschte Namensreminiszenz des großen dänischen Vorfahren der Mutter, Erik IEjegod. Insgesamt vier Söhne und eine Tochter erreichten damit das Erwachsenenalter. Auf dem Höhepunkt des Teltow-Kriegs scheint das markgräfliche Paar keine weiteren Nachkommen gezeugt zu haben, es sind zumindest keine Hinweise belegt. Im Jahre 1247 ist eine weitere Schwangerschaft der Markgräfin erwähnt, doch weder das Kind, noch die Mutter sollten überleben. Sophia starb am 2. November 1247 im Wochenbett. Sie befand sich 1247 trotz ihrer Schwangerschaft auf einer politischen Mission in ihrer Heimat Dänemark. Dort versuchte sie ihre Brüder, König Erik von Dänemark und Herzog Abel von Schleswig zu versöhnen, was nur kurze Zeit gelang, denn schon bald nach ihrem Tod brachen die Auseinandersetzungen schlimmer denn je aus und endeten erst mit der angewiesenen Ermordung des Königs durch den eigenen Bruder, der dann seinerseits 1250 den dänischen Thron bestieg.

Markgraf Johann blieb im Anschluss fast acht Jahre Witwer. Eine zügige Neuverheiratung war nicht notwendig, die vier bislang gesund heranwachsenden Söhne sicherten die Nachfolge ausreichend. Um die Erziehung der zahlreichen Enkel, auch Otto steuerte ab 1244 fast jährlich weitere Enkel bei,  kümmerte sich immer wieder die Großmutter Markgräfin Mechthild, die Witwe Albrechts II. von Brandenburg. Sie scheint eine außergewöhnlich Persönlichkeit gewesen zu sein und als Patriarchin im Schatten ihrer regierenden Söhne weiterhin großen Einfluss ausgeübt zu haben. So darf man annehmen, dass sie wesentlich die Klammer zwischen den Brüdern Johann und Otto in Brandenburg und deren älterer Schwester am welfischen Hof in Braunschweig-Lüneburg  bildete. Über ihren beherzten Schritt im Jahre 1221 die Lehnsvormundschaft vom Magdeburger Erzbischof abzukaufen und im Sinne ihrer unmündigen Söhne die Regentschaft in der Mark zu übernehmen, wurde zu Anfang des letzten Kapitels gesprochen. Wir wissen auch dass sie weiterhin ein eigenes Siegel besaß, dass gelegentlich von Johann und Otto sogar noch lange nach ihrem Regierungsantritt benutzt wurde. Besonders der mutterlosen Kinder des Markgraf Johanns wird sie sich in Salzwedel, ihrer altmärkischen Residenz angenommen haben. Darüber hinaus wissen wir, dass ihre Tochter, die erwähnte Herzogin von Braunschweig-Lüneburg ihre Söhne ebenfalls einige Zeit in Salzwedel erziehen ließ, wir berichteten darüber im letzten Kapitel. Markgräfinwitwe Mechthild starb im Jahre 1255, der Ort ist nicht belegt, es dürfte aber mit großer Wahrscheinlichkeit ihre Residenzstadt Salzwedel gewesen sein. Sie wurde im Kloster Lehnin neben ihrem Mann Albrecht II. zur letzten Ruhe gebettet.

Markgraf Johann I., sein erstgeborener und gleichnamiger Sohn wurde im gleichen Jahr 18, der nächstgeborene Sohn Otto 17, erwog nun doch eine erneute Heirat. Noch im Todesjahr der Mutter heiratete Johann mit Jutta von Sachsen, die Tochter des askanischen Herzogs Albrecht von Sachsen-Wittenberg. Der genaue Tag ist unbekannt, es muss irgendwann nach dem 7. Mai 1255 gewesen sein, denn von diesem Datum existiert ein Dispensschreiben Papst Alexander IV., ausgestellt in Neapel, worin dieser dem zukünftigen Ehepaar die Erlaubnis zur Hochzeit erteilt, obwohl sie im dritten Grade miteinander verwandt waren. Auch Johanns zweite Frau schenkte ihm mindestens fünf Kinder, es waren dies Agnes wahrscheinlich Anfang 1256, Heinrich Ende 1256, Mechthild um 1257, Albrecht um 1258 und schließlich Hermann, nach 1258. Markgraf Johann I. hatte damit nicht weniger als sieben Söhne und drei Töchter die das Erwachsenenalter erreichten. Ein Segen und Fluch zugleich. Bevor darauf näher eingehen, schauen wir uns die Nachkommenschaft Markgraf Ottos III. an, seines jüngeren Bruders. Wie wir schon lasen, war Otto mit der böhmischen Prinzessin Beatrix, Tochter König Wenzels I. von Böhmen verheiratet. Mit ihr hatte Otto sechs Kinder, vier Söhne und zwei Töchter. 1244 kam mit Johann der erste Sohn Ottos zur Welt, ihm folgte rund zwei Jahre später, um 1246 ein zweiter Sohn der den Namen Otto erhielt. Interessant, dass beide regierenden Markgrafen ihren ersten beiden Söhne  die gleichen Namen gaben. Wir werden an all den Ottos, Johanns und Albrechts noch viel Freude haben. Mit Albrecht ist das Stichwort gefallen, 1250 kam mit Albrecht ein dritter Sohn Ottos zur Welt, dem um 1255 ein weiterer Otto folgte. Zu erwähnen sind noch zwei Töchter namens Kunigunde und Mathilde (Mechthild), deren Geburtsjahr unbekannt ist. Das Haus Brandenburg hatte unter Johann I. und Otto III. elf Söhne und fünf Töchter hervorgebracht. Ein schwere Hypothek hinsichtlich des weiteren Fortbestands Brandenburgs als ungeteiltes Fürstentum.


Wechsel ins Lager der antistaufischen Opposition

Mit dem Tod des Kaisers, trat sein bereits 1237 zum Mitkönig gewählter Sohn Konrad, jetzt offiziell Konrad IV., als eingesetzter Universalerbe die Nachfolge an. Doch weder im Reich, noch in Sizilien, dass der Vater Jahrzehnte dem römisch-deutschen Reich angliedern wollten, noch Jerusalem waren er unangefochten. Statt deutschen Reichsteil zunächst zu sichern und den Gegenkönig Wilhelm von Holland zum Verzicht auf den Thron zu zwingen, begab er sich auf einen frühzeitigen Italienzug. Erstes Ziel war die Unterwerfung Siziliens, wo sein Halbruder Manfred, ein unehelicher Sohn des verstorbenen Kaisers die Regentschaft führte. Von dieser Basis aus sollte Reichsitalien, wo die staufische Partei, die Ghibellinen die Oberhand hatten, unterworfen werden, einem Ziel dem der Vater immerhin mehrmals nah war. Auf solcher Basis sollten dann im deutschen Reichsteil, so die Vorstellung, die Verhältnisse bereinigt werden, vielleicht, wegen der erhofften Erfolge in Italien, dann ohne Kampfhandlungen. Im Herbst 1251 begann sein Zug über die Alpen, wir gehen hier nicht näher auf den Verlauf des italienischen Feldzugs ein und bleiben im Reichsteil nördlich der Alpen.
Mit dem Abmarsch des staufischen Heers in die südlichen Gefilde, begann Wilhelm von Holland  als Gegenkönig augenblicklich einen regen diplomatischen Austausch mit den sächsischen Fürsten und dem König von Böhmen, welche bislang halb neutral, halb staufisch gesinnt waren. Wesentlich führte ein Heiratsprojekt mit dem welfischen Hause zum Parteiwechsel einiger einflussreicher sächsischer Fürsten. Am 25. Januar heiratete Wilhelm in Braunschweig mit Elisabeth die dritte Tochter Herzog Ottos I. von Braunschweig-Lüneburg, dem Schwager und engsten Verbündeten der brandenburgischen Markgrafen. Die familiäre Verbindung ließ sowohl Herzog Otto I. wie Johann I. und Otto III. ins Lager Wilhelms überwechseln. Es schlossen sich in rascher Folge weitere Fürsten aus dem nordostdeutschen Raum an, prominentester darunter Wenzel I., der König von Böhmen. Das bisherige Übergewicht der Staufer im Reich ging  verloren.
Niemand tat den Schritt aus schierer Sympathie zum Gegenkönig, auch war die Verschwägerung nicht der ausschlaggebende Faktor, vielmehr die Hochzeit nur Besiegelung der zuvor ausgehandelten Bedingungen welche die Welfen und Askanier zur Parteinahme bewogen. Und natürlich ging auch der přemyslidische König Wenzel I. von Böhmen nicht leer aus, wie auch sonst niemand der zur Partei Wilhelms hinzutrat. Die Zeit in der die Krone des Reichs an den ging, der die meisten Zuwendungen versprach, sei es in klingender Münze, in territorialen Zuwendungen oder der Verleihung königlicher Rechte, war angebrochen. Hatten schon in der Vergangenheit Reichsoberhäupter zur Erreichung ihrer Ziele auf königliche Rechte verzichtet, so nahm es jetzt erste Formen an, die bald auszuufern begannen und einem Geschacher gleichkamen.

Siegel König Wilhelms von Holland

Am 25. März 1252 hielt Wilhelm von Holland in Braunschweig Hoftag ab. An diesem Tag versammelten sich zahlreiche sächsische Fürsten, darunter der Welfenherzog Otto I., die brandenburgischen Markgrafen und Herzog Albert I. von Sachsen sowie König Wenzel I. von Böhmen und gaben nachträglich ihre Stimme zur Wahl Wilhelms ab. Addiert man die Stimmen der drei rheinischen Erzbischöfe hinzu, die Wilhelm schon vor Jahren in Worringen bei Köln ihre Stimme gaben, zieht gleichzeitig die Stimme des Welfen ab und  berücksichtigt dass der Wittelsbacher Herzog Otto von Bayern, gleichzeitige Pfalzgraf bei Rhein, als staufischer Anhänger zum einen unter dem Kirchenbann stand und deswegen nicht berechtigt zur Wahl war, zum anderen ohnehin nicht dem Gegenkönig seine Stimme verliehen hätte, so erhielt erstmals ein römisch-deutscher König die Stimmen von Fürsten ganz spezifischer Reichsterritorien, die dereinst das privilegierte Kollegium der wahlberechtigten Kurfürsten stellen werden, nämlich Mainz, Köln, Trier, Böhmen, die Rheinpfalz, Sachsen und Brandenburg.

Am gleichen Tag verfasste Wilhelm von Holland an die Bürger der erblühten, bald den Handel in der Ostsee dominierenden Handelsstadt Lübeck einen Brief, worin er sie aufforderte, sich den brandenburgischen Markgrafen zu unterwerfen, da er mit Zustimmung der Reichsfürsten diesen die Stadt als Reichslehen verliehen habe. Brandenburg sollte die königlichen Stadt, der Begriff Reichsstadt war noch nicht verbreitet, zum Dank für die erwiesene Treue und Unterstützung erhalten, kurz als Lohn für den Parteiwechsel der Markgrafen. Eine weitere Zuwendung wurde den Händlern Brandenburgs zuteil. Ihnen wurde in allen Städten Hollands Zollerleichterung gewährt.

Lübeck, das seine Unabhängigkeit, die es von den Holsteiner Grafen vor noch nicht allzu langer Zeit erst erlangte, nicht wieder verlieren wollte, um einem noch wesentlich mächtigeren Fürstentum sich zu unterwerfen, hing weiterhin, wie die meisten königlichen Städte im deutschen Reichsteil, dem staufischen Lager um Konrad IV. an und widersetzte sich der Anweisung Wilhelms von Holland.
Um sein Recht durchzusetzen, griff Brandenburg nicht zu den Waffen, es setzte  auf Diplomatie und erhielt hierin Unterstützung vom Papst. Es mag erstaunen dass die Kurie sich für die weit entfernten brandenburgischen Interessen einsetzte, es war ein vielsagendes Indiz des steilen Aufstiegs der Markgrafen in die Riege der wichtigsten Reichsfürsten der Zeit. Der päpstliche Legat im Heiligen Römischen Reich, Kardinalpriester Hugo von SaintCher, ein Vertrauter Innozenz IV., ergriff die Initiative. Er wies die Bischöfe Rudolf von Schwerin und Heinrich von Havelberg an, die Stadt mit dem Interdikt zu belegen, sollte sie sich nicht bis zum 19. Mai, dem Pfingstsonntag, den Markgrafen unterwerfen und den gewählten König anerkennen. Hugo von Saint-Cher wäre schon härter gegen die widerspenstige Stadt vorgegangen, hätten sich die Markgrafen nicht begütigend für die Stadt eingesetzt. Die Androhung des Banns blieb nicht ohne Wirkung.  Im April 1252 bekundet Johann I. zu Wolmirstedt dass es unter Vermittlung seiner Getreuen und Vasallen zu einem gütlichen Vertrag zwischen ihm und den Bürgern der Stadt gekommen ist, wobei aller Hader und Zwist beigelegt wäre. Aus dem weiteren Verlauf muss man schließen, dass seitens der Stadt jener Vertrage entweder eine Finte darstellte oder, und das scheint wahrscheinlicher,  dass unterschiedliche Parteiungen innerhalb der Stadt miteinander rangen und sich die Anhänger einer unabhängigen, reichsunmittelbaren Kommune durchsetzten, kurz die Stadt unterwarf sich nicht. Am 30. Mai, somit nach Ablauf des vom päpstlichen Legaten gestellten Ultimatums, schrieben die beauftragten Bischöfe von Havelberg und Schwerin dem Dekan und Kapitel von Lübeck sowie den dortigen Pfarrern, dass sie gemäß den ihnen auferlegten Auftrag den Kirchenbann über die Stadt verkünden werden, wenn diese nicht vor Sonntag dem 16. Juni sich unterwarfen, womit nochmal ein letztes, rund zweiwöchiges Ultimatum gestellt wurde. Auch diese Frist versteich, worauf der Bann über die Stadt ausgesprochen wurde, demzufolge alle kirchlichen Aktivitäten einzustellen waren, ferner jedem Christ untersagt war Handel oder Beziehung mit der Stadt zu unterhalten, was selbstverständlich einer Handelsstadt wie Lübeck  schweren Abbruch tat. Weiterhin vermieden es die Markgrafen mit Waffengewalt, was ihr gutes Recht gewesen wäre, vorzugehen. Die momentane politische Situation im sächsischen und norddeutschen Raum, hätte eine militärische Intervention  zu einem noch unwägbaren Risiken gemacht. In diesem Jahr erst entschied sich das Besitzverhältnis im Lebuser Land zum Vorteil Brandenburgs. Die seit Jahren verfeindeten Meißner unter Markgraf Heinrich III. wurden mit Hilfe des Magdeburger Erzbischofs aus dem Gebiet vertrieben und erst im Folgejahr konnten durch eine Heiratsverbindung beide Häuser engültig mit einander versöhnt werden. Wissend um diese Lage Brandenburgs, konnte Lübeck es im Moment auf eine Zuspitzung der Situation ankommen lassen, stand doch nicht weniger als die eigene Reichsunmittelbarkeit auf dem Spiel.

Es schwiegen weitherhin die blanken, die realen Waffen, dafür wurde auf dem sinnbildlichen Schlachtfeld der Diplomatie desto eifriger gefochten. Die Lübecker gingen in die Offnesive und schrieben direkt an den Reichslegaten Hugo und baten diesen um Vermittlung beim König. Die Bürger, angeführt von Rat und Vogt, argumentierten mit geschickter Raffinesse und bestritten die Rechtmäßigkeit des gegen sie verhängten Kirchenbanns aufgrund von Verfahrensfehlern. So legten sie dar, dass das von ihm, dem päpstlichen Legaten im Reich, an die Bischöfe von Havelberg und Schwerin vergebene Mandat bis zum 19. Mai 1252 gültig war. Die Bischöfe diese Frist verstreichen ließen, ihrerseits eine nochmalige Frist setzten und erst dann den Bann aussprachen, der demgemäß nicht durch päpstliche Legitimation autorisiert gewesen wäre. Das frühere Recht des Stärkeren wurde sukzessive abgelöst von jursitischen Haarspaltereien und Winkelzügen, das mit  Gerechtigkeit so wenig zu tun hatte, wie das erwähnte Faustrecht davor. Es war nur die Fortführung von Interessenkämpfen mit anderen Mitteln. Einen weiteren Punkt ihrer Gegenklage kann man wohl nicht rundweg bemängeln, wenn sie von Befangenheit der beiden Bischöfe sprachen. In Bezug auf Bischof Heinrich von Havelberg kann  das selbst bei größter Sympathie für die brandenburgischen Markgrafen nicht bestritten werden. Der Vorwurf war im vorliegenden Fall höchstwahrscheinlich zutreffend, der Bischof konnte kaum oder gar nicht frei handeln–. Bischof Heinrich I. entstammte dem altmärkischen Lehnsadel der Kerkows, deren Stammsitz bei Salzwedel war. Vater und Brüder standen in engstem Verhältnis zu den Markgrafen, waren Dienstmannen und mit brandenburgischen Lehen versehen, so auch Heinrich selbst, vor Antritt seines Bischofsamts, dass er auf Betreiben der Markgrafen erhielt. Und auch der Schweriner Bischof, wenngleich nicht in Abhängigkeit zu Brandenburg stehend, schien seine Handlung von Rücksicht und wohl auch aus Furcht vor den Markgrafenbrüdern bestimmen. Dies bekundete er dem Bremer Erzbischof, seinem Metropoliten, indem er anmerkte, er habe keinesfalls wegen der Markgrafen anders handeln können, gleich ob es richtig oder falsch war. Nun muss man trotz des berechtigten Verdachts der Befangenheit immerhin berücksichtigen, dass die Weisung des päpstlichen Legaten eindeutig war und hierin den genannten Bischöfen überhaupt kein Spielraum gegeben war.

Die Dinge um Lübeck nahmen dann einen völlig veränderten Lauf. Dänemark, wo in rascher Folge innerhalb von drei Jahren, drei Könige, alles Brüder, den Thron bestiegen und nun Christoph I. regierte, garantierte der Stadt am 31. Juli 1252 in seine Souveränität, eine Kriegserklärung, die Brandenburgs bisherige Politik des Gewaltverzichts augenblicklich zum Einsturz brachte.


Feldzug gegen Dänemark

Anfang 1253 beteiligen sich beide Markgrafen an einem Feldzug gegen Dänemark. Die Vorgeschichte dazu in aller Kürze: Wie schon erwähnt wurde König Erik IV. 1250 ermordet, worauf der für den Mord verantwortliche Bruder Abel den Thron bestieg. Der Brudermord ging nicht ohne Komplikationen am neuen König vorbei, zweimal zwölf dänische Ritter mussten als Leumundszeugen auf dem Thing seine Unschuld beschwören und dennoch blieb die Sache an ihm haften.  Abels ältester aber noch jugendlicher Sohn befand sich bei Thronbesteigung des Vaters in Paris, wo er an der dort entstehenden Universität eine Ausbildung genoss. König Abel ließ ihn von dort abberufen, um ihn, ganz der dänischen Tradition, zum Mitkönig, wenn auch nicht Mitregenten, wählen zu lassen. Auf der Rückreise wurde der Kronprinz, Waldemar sein Name, vom Kölner Erzbischof Konrad von Hochstaden gefangen genommen und eingekerkert. Es gab hierzu keinerlei rechtfertigende Veranlassung. Das Erzbistum stand in keinem feindseligen Verhältnis zu Dänemark, weder zum bisherigen König Erik IV. noch zum Brudermörder und Nachfolger Abel. Die Tat kann daher nur als eine der vielen selbstsüchtigen Maßnahmen gewertet werden, die mit dem Zerfall der königlichen Autorität im Reich einherging. Gegenkönig Wilhelm von Holland stand noch ganz unter dem Einfluss des mächtigen Kölner Kirchenfürsten und war, selbst wenn er es denn wollte, nicht in der Lage Recht und Ordnung durchzusetzen. Der Staufer Konrad IV., machtloser Mitkönig an der Seite des kirchengebannten Vaters hatte von diesem kaum Rechtsgewalt im deutschen Reichsteil erhalten und führte ein Schattendasein, geduldig auf den Tag harrend, der ihn einst zum Nachfolger seines Vaters im Reich machen würde. Jener Vater und Kaiser Friedrich II., der in Italien seit Jahren politischen gelähmt, die Zustände nicht mehr zu wenden vermochte, obwohl er mehrmals kurz davor stand. Der Tod des Kaisers am Ende dieses ereignisreichen Jahres 1250, stürzte das Reich in ein chaotisches Machtvakuum. Ein Reich in dem der eine König ungeübt in der Machtausübung war und vom Vater zu Lebzeiten diesbezüglich auch keine Autorisierung hatte und ein Gegenkönig auf der anderen Seite, dem zur Machtentfaltung die  finanziellen Mittel fehlten. Auf dieser Ausgangslage war dem Treiben auf allen Ebenen Tür und Tor geöffnet.
So kam es denn auch, dass argloser Königssohn auf der Durchreise in die Hände eines übermäßig selbstherrlichen agierenden Kirchenfürsten fiel, der zur Freilassung eine stolze Lösegeldsumme von 6.000 Mark Silber forderte, die König Abel von Dänemark in dieser Höhe nicht entrichten konnte.
Schon zwei Jahre später, im Sommer 1252 fiel König Abel im Kampf gegen die Ostfriesen in der Schlacht von Oldenswort an der Eider. Als Nachfolger folgte der jüngste Bruder, Christoph I. dritter und letzte Sohn König Waldemars II. von Dänemark. Er ließ am Weihnachtstag des Jahres 1252 im Dom zu Lund

Eine Nachfolge des noch immer vom Kölner Erzbischof gefangen gehaltenen Waldemar war in weite Ferne gerückt, doch regte sich eine Opposition gegen König Christoph. Es waren zum einen die Parteigänger des verstorbenen Königs Abel, welche einen seiner Söhne auf den Thron heben wollten, zum anderen und etas später, dann aber in unversöhnlicher Weise, der neue Erzbischof von Lund, Jakob Erlandsen. Er erwies sich fortan als der kompromissloseste Gegner des Königs. Die erste Gruppe kam aus dem Familienkreis der Königinwitwe Mechthild von Holstein. Ihre Brüder Graf Johann I. von Holstein-Kiel und Graf Gerhard I. von Holstein-Itzehoe, versuchten den Anspruch ihrer Neffen auf die dänische Krone durchzusetzen,  mindestens aber auf das Herzogtum Schleswig zu verteidigen.
Dieser Oppositionsgruppe schloss sich Brandenburg mit ganz eigenen Interessen an. König Christoph I., wir hatten am Ende des letzten Ansatzes darüber berichtet, hat sich den Streit der Stadt Lübeck mit den brandenburgischen Markgrafen zu Eigen gemacht und der Stadt die Unabhängigkeit garantiert, mit dem langfristigen Ziel sich die wichtige Handelsstadt selbst wirtschaftlich nutzbar, vielleicht sogar zu unterwerfen. Des dänischen Königs Schritt, provozierte die bewaffnete Intervention Brandenburgs geradezu heraus.
Der Feldzug schaffte es Waldemar, den befreiten Sohn des vormaligen Königs Abel, sein Schleswiger Erbe zu sichern und weiter den dänischen König Christoph zu zwingen, seine Lübecker Ambitionen aufzugeben, zumindest dem Anschein nach.
Gegen die Stadt selbst zogen die Markgrafen weiterhin nicht zu Felde. Sie wollten eine friedliche Lösung erzielen un die Stadt nicht durch einen Militärschlag niederwerfen und beschädigen. Reine Menschenfreundlichkeit war es nicht, die sie daran hinderte. Die reiche Stadt verfügte bereits über eine starke Ringmauer  und war keinesfalls leicht zu nehmen. Aushungern war fast zwecklos, Lübeck beherrschte das Meer und konnte über den Seeweg jederzeit Nahrungsmittel und auch Söldner in die Stadt bringen. Ein Eroberung war mit den damaligen Mitteln der Mark nicht denkbar.

Erreicht hatte Brandenburg somit nichts. Immerhin leisteten die Grafen von Holstein finanzielle Kompensation für den von Markgraf Otto III. errechneten Unkosten von rund 6.000 Mark Silber. Zur Begleichung wurde dem Markgrafen die holsteinische Stadt Rendsburg als Pfand verliehen, die bis ins Jahr 1264 unter brandenburgischer Pfandherrschaft blieb.

Lübeck vermochte nach Wegfall der dänischen Schutzmacht Papst Innozenz IV. für seine Sache zu gewinnen. Am 15. und ein weiteres Mal am 20. Januar 1254  urkundet der Papst vom Lateran aus zum Vorteil der Stadt. Er bestätigt die unantastbare Reichsunmittelbarkeit Lübecks und widerspricht hierin den zwei Jahre zuvor verkündeten Bestimmugen König Wilhelms von Holland. Er überstimmt damit auch die nweisungen seines eigenen Reichslegaten Hugo von Saint-Cher. Der Papst nahm damit, wie auch bei zahlreichen anderen Gelegenheiten, ganz aktiv Einfluss auf die Reichspolitik, was ihn viele Sympathien bei der antistaufischen Koalition kostete und der Entfremdung vom Papstum im deutschen Reichsteils neue Nahrung lieferte.


Buch 1, Kapitel VII: „Johann I. & Otto III. – zwei Regenten“

 


Mit dem Tod Markgraf Albrechts II., gab es erstmals in Brandenburg keinen unmittelbaren Nachfolger. Die Söhne Johann und Otto waren beide noch im Knabenalter und als Unmündige nicht befähigt zur Regierung. Das erste brandenburgische Interregnum trat ein  und drohte die weitere Entwicklung der Mark ausgerechnet in einer Zeit großer Umwälzungen, zu lähmen.
Albrechts Söhne wurden spät geboren:  Johann, der erstgeborene, vermutlich Mitte des Jahres 1213 geboren und dessen Bruder Otto wahrscheinlich 1215. Im  ausgehenden Hochmittelalter traten sie die souveräne Regentschaft in Brandenburg an und führten die Mark nicht nur in die Epoche des Spätmittelalters, sie machten Brandenburg, das noch unter dem Großvater ein Entwicklungsland war, zur dominierenden Mittelmacht im sächsischen Raum. Unter ihrer Führung wurde das Land weiträumig nach Osten erweitert.


Vormundschaftsregelung & Regentschaft

Bevor Friedrich II. im August 1220 von Augsburg aus seinen Italienzug begann, um sich von Papst Honorius III. in Rom zum Kaiser krönen zu lassen, regelte er in seiner Rolle als Reichsoberhaupt und damit oberster Vormund der beiden brandenburgischen Fürstensöhne, die weiteren Verantwortlichkeiten sie und die Mark betreffend. Zum Lehnsvormund und damit Verweser Brandenburgs bestellte er den Magdeburger Erzbischof Albrecht von Käfernburg, der wichtigste Parteimann Friedrichs II. im norddeutschen Raum. Vormund der Knaben wurde, ganz dem überliefertem sächsischen Recht folgend, der älteste männliche Verwandte, Graf Heinrich I. von Anhalt, ein Vetter des verstorbenen Vaters. Die nicht eben übliche Trennung von Landesverwesung und Vormundschaft für die Erben, barg Konfliktpotenzial, zumal der Erzbischof von Magdeburg und der Graf von Anhalt noch vor nicht allzu langer Zeit in gegnerischen Lagern stehend, verfeindet waren. Noch vor drei Jahren, in der Schlussphase des Thronstreits zwischen Kaiser Otto IV. und Friedrich II., kämpften Markgraf Albrecht II. und Graf Heinrich an der Seite des Kaisers im Magdeburgischen, wo sie beiderseits der Elbe schwere Verwüstungen anrichteten und die Stadt Burg zeitweise belagerten. Aber auch die verwandten Häuser Brandenburg und Anhalt waren einige Zeit miteinander entzweit. Der Zwist innerhalb der askanischen Zweige reichte noch auf Markgraf Otto II. und Herzog Bernhard von Sachsen zurück. Erst mit dem Tod Markgraf Ottos II. (†  1205) und Herzog Bernhards III. († 1216) fanden die Familienzweige wieder langsam zusammen. Die Beziehungen zur askanischen Linie Weimar-Orlamünde, die seit 1206 unter den Söhnen Graf Siegfrieds III. zweigeteilt war, blieb möglichbelastet. In diesem Zusammenhang ist interessant den zwischenzeitlich überwundenen dänischen Krieg noch einmal zu rekapitulieren. Graf Siegfried III. von Weimar-Orlamünde war ein Enkel Albrechts des Bären. Er war mit einer Tochter des dänischen Königs Waldemar I. verheiratet. Aus der Ehe gingen zwei Söhne hervor, Albrecht und Hermann. Albrecht ist im Zusammenhang des erwähnten Konflikts von Interesse, denn er wurde noch während des staufisch-welfischen Thronstreits von König Waldemar II. mit Ostholstein belehnt und stand auf dänischer Seite. Im Kampf Kaiser Ottos IV. gegen Dänemark – König Waldemar II. hatte sich zwischenzeitlich dem staufischen Gegenkönig Friedrich II. angeschlossen – stand somit dieser Graf Albrecht, Urenkel Albrechts des Bären, im direkten Widerstreit mit seinen Blutsverwandten aus Brandenburg, Anhalt und Sachsen. Wie sich das Verhältnis zwischen Brandenburg und Weimar-Orlamünde in den kommenden Jahren nach dem Frieden von 1219 entwickelte, ist anhand der Urkundenlage nicht eindeutig zu beurteilen. In den bald wieder ausbrechenden Konflikten zwischen dem Reich und Dänemark – das Bündnis zwischen Friedrich II. und Waldemar II. hielt nicht lange – verhielten sich die beiden jungen Markgrafen in Brandenburg neutral. Sie richteten ihr Augenmerk in eine andere Richtung, doch soweit sind wir chronologisch noch nicht.

Markgräfinwitwe Mechthild verfolgte hinsichtlich der getroffenen Regelung die Landesverwaltung betreffend eine eigene Strategie und war mit der Regelung Friedrichs II. nicht glücklich. Mit dem vielseitig beschäftigten Erzbischof als Landesverweser, war ihrer Ansicht nach die Entwicklung Brandenburgs auf Jahre hinaus gelähmt. Der Magdeburger Metropolit zeigte wenig Muse seinem Amt in gebührender Weise nachzukommen und war stellenweise mehr darauf bedacht seine Reliquiensammlung zu vergrößern. Eindrucksvollste Erwerbung in dieser Zeit war die angebliche Hirnschale des Heiligen Mauritius, die er Ende September 1220 präsentierte, womit er großes Aufsehen erregte und dem Erzstift viele einträgliche Pilger verschaffte. Auch in der Reichspolitik war der Erzbischof zunehmend eingebunden. Wenn er auch Friedrich II. wegen seines Reliquienschauspiels nicht nach Italien begleitete, dadurch bei dessen Kaiserkrönung fehlte, gereichte es ihm beim jungen Kaiser nicht zum Nachteil, er blieb für Friedrich eine der wichtigsten Persönlichkeiten im Reich. Mechthild gedachte die Regentschaft im zukünftigen Fürstentum ihrer heranwachsenden Söhne selbst in die Hand zu nehmen – zumindest indirekt, denn ohne einen Mann als formalen Vormund, vermochte keine Frau einen Vertrag zu schließen oder gar Regentschaftshandlungen vorzunehmen. Die Rolle dieses Vormunds übernahm nach der Sitte ebenfalls der Anhalter Graf, der schon Vormund der markgräflichen Knaben war. Sie glaubte die Interessen ihrer Söhne besser wahren zu können, als der beschäftigte Kirchenfürst, ohne dabei dessen Aufrichtigkeit anzweifeln zu wollen. Mechthild trat also mit Erzbischof Albrecht von Käfernburg in Kontakt und unterbreitete ihm das Angebot sein Vorrecht auf das Amt des Landesverwesers abzukaufen. Ein solches Vorrecht überhaupt abkaufen zu können, dessen ganzer Zweck in der Landpflege und Wahrung eines Besitzstands bestehen sollte, damit ein verwaltetes Objekt zu gegebener Zeit in ungeschmälerter Form dem oder den rechtmäßigen Besitzern überlassen werden kann, wirft ein vielsagendes Bild auf die gelebte Praxis, die hinter der Statthalterschaft durch einen Vormund stand. Tatsächlich wurde Land oder Besitz vom Verweser so genutzt und für sich vereinnahmt, als ob es Eigenbesitz wäre, was bis zu regelrechter Ausbeutung oder Veräußerung reichte, unter dem schwer widerlegbaren Vorwand, damit die Kosten der eigenen Anstrengungen zu bestreiten. Dem Magdeburger Erzbischof kann in dieser Hinsicht zwar keine ausgeprägte Gier oder Habsucht unterstellt werden, doch nutzte auch er die ihm gebotene Chance, um seine eigenen Finanzen zu sanieren. Allem Anschein nach blieb er dabei in der kurzen Zeit als Verweser Brandenburgs dennoch maßvoll und missbrauchte seine Amtsgewalt nicht übermäßig. Die Markgräfin bot ihm zur Abfindung seiner Rechte 1.900 Mark Silber, worauf es erstaunlich schnell zum Abschluss kam. Ob die Initiative nicht sogar vom Erzbischof selbst ausging, ist nicht auszuschließen. Vom 20. September 1221 ist der Inhalt des Abtretungsvertrags überliefert. Darin wird in ausführlicher Weise unter anderem das gesamte Prozedere der Geldübergabe beschrieben. Die Urkunde war in Barleben ausgestellt, ziemlich genau in der Mitte zwischen dem brandenburgischen Wolmirstedt und Magdeburg. Die Abfindesumme sollte zu zwei gleichen Teilen entrichtet werden. Die erste Zahlung hatte zum Fest des Heiligen Sankt Martin zu erfolgen, also am 11. November 1221. Die zweite Zahlung war auf das Fest des heiligen Johannes angesetzt und somit auf den 24. Juni 1222. Der Erzbischof oder seine Bevollmächtigten werden hierzu das jeweilige Geld auf Burg Wolmirstedt abholen, um es anschließend in Magdeburg nach dortigem Gewicht abzuwiegen. Es wurden Bürgen vereinbart, die im Falle eines Zahlungsausfalls die Summe zu entrichten hätten. Der Ausfall eines Bürgen wurde ebenso vertraglich berücksichtigt, wie der Tod eines oder gar beider Mündel. Auch das Dahinscheiden des Erzbischofs oder des Kaisers wurde bedacht, ja selbst der Fall einer erneuten Doppelwahl eines römisch-deutschen Königs. Alles schwor man  in die Hände von vier Magdeburger Domherren. Nicht das Schriftliche war der bindende Akt, sondern der mündlich geschworene Eid auf das vor allen Anwesenden laut vorgetragene Vertragswerk.
Ob nun die hauptsächliche Initiative vom Erzbischof herrührte oder wie bislang vermutet von der markgräflichen Mutter der zukünftigen Regenten, ist für die Sache unerheblich, für den Erzbischof kam das Abkommen zumindest ganz zur rechten Zeit. Der Kaiser nahm zunehmend seine Aufmerksamkeit und Zeit in Anspruch, darüber hinaus konnte er das Geld gut gebrauchen, wie es aus einem wenige Tage vor Vertragsschluss getätigten Schreiben hervorgeht. Drei Tage bevor es in Barleben zur Ratifizierung kam, erwähnte der Kirchenfürst am 17. September 1221, dass mit dem Geld der Markgräfin verpfändete Tafelgüter ausgelöst werden sollen.
Mechthild bewies durch ihr Engagement Weitblick hinsichtlich der weiteren Entwicklung Brandenburgs. Es gibt einen Einblick auf eine Frau, die ganz im Gegensatz zur bis heute noch immer vorherrschenden Auffassung, nach der Frauen eine weit untergeordnete und völlig passive Rolle in Bezug auf Staatsgeschäfte und Politik hatten. Vielmehr erhalten wir hier einen Beweis, dass auch Frauen in geeigneter Position, sobald es die Situation erforderte, den  notwendige Willen und diesbezügliche Können aufbrachten, die Erfordernisse des Augenblicks zu erkennen, geeignete Maßnahmen zu planen und erfolgreich umzusetzen. Man darf daraus folgerichtig den Schluss ziehen, dass eine Frau, besonders eine Fürstin, nicht selten von ihren Ehegatten in die Regierungstätigkeiten eingeweiht waren und, davon darf man in vielen Fällen ebenfalls ausgehen, sich mitunter Ratschläge von ihren Frauen einholten. Das Bild des frauenfeindlichen Mittelalters muss ebenso aus den Köpfen verbannt werden, wie die noch immer vorherrschende Meinung, das Mittelalter wäre eine Epoche allseits despotischer Feudalherren gewesen, in der Rechtsgrundsätze nicht existierten und allenfalls die hohen Herren über Recht und Unrecht bestimmten.


Rechtsgrundsätze, Kodifizierung, Reichsverfassung

Auf welcher Grundlage wurden Dinge wie Vormundschaft oder Erbfolge geregelt? Auf welchen Grundsätzen basierten die Rechtsgebräuche des Mittelalters? Allgemeingültig auf die gesamteuropäischen Verhältnisse bezogen, kann es hier nicht beantwortet werden, doch schauen wir uns die Situation für das germanisch geprägte Gebiet des Heiligen Römischen Reichs an. Die Art und Weise wie gesellschaftliches Zusammenleben geregelt war, wurde bislang mündlich überliefert und resultierte aus dem althergebrachten Gewohnheitsrecht des germanischen Sprachraums. Eine Niederschrift, eine Kodifizierung von Gesetzen kannte das römisch-deutsche Reich bislang noch nicht. Auch wenn dies nach heutigem Maßstab als rückständig betrachtet wird, sei erwähnt, dass sich zur damaligen Zeit eine prozentual weit größere Menge Menschen – Männer um genau zu bleiben – mit der Rechtssprechung beschäftigten, als dies in der heutigen Gesellschaft der Fall ist. Allgemeine Rechtskenntnisse waren weit verbreitet, auch ohne dass sie schriftlich fixiert waren.
Während der Regentschaft Kaiser Friedrichs II. sollte sich daran manches ändern. Mit dem Sachsenspiegel des Eike von Repgow (um 1185 – nach 1233) entstand das erste Rechtsbuch in deutscher Sprache. Er war vermutlich ein Ministerial Graf Heinrichs von Anhalt, dem bereits erwähnten Verwandten und Vormund unserer beiden markgräflichen Knaben sowie der Markgräfinwitwe Mechthild. In Eike von Repgows Werk wurden die im sächsischen Kulturraum überlieferten Rechtsgebräuche erstmals in umfassender Weise aufgeschrieben. Zusammen mit dem Mühlhäuser Reichsrechtsbuch ist es das älteste bekannte Gesetzbuch des deutschen Mittelalters. In mittelniederdeutscher Sprache verfasst, ist der Sachsenspiegel gleichzeitig das älteste überlieferte Schriftstück größeren Umfangs in deutscher Sprache. Die Niederschrift erfolgte im Zeitraum von 1220 bis 1235 und fand wegen seines inhaltlichen Wiedererkennungswerts in kurzer Zeit weite Verbreitung, auch weit über die Grenzen des sächsischen Kulturraums hinaus. Viele gleichartige, später aufgesetzte Werke basierten auf den aufgezeichneten Klauseln des Sachsenspiegels. Dergleichen Werke, so beispielsweise der Schwabenspiegel, berücksichtigten die lokalspezifischen Bedürfnisse und Rechtsbräuche, doch erkannte man auch dort die Nähe zum überlieferten germanischen Erbe. Im Laufe der Zeit kam Römisches Recht hinzu, das im Spätmittelalter immer zunehmenderen Einfluss bekam und die Rechtspflege schließlich dominierte. An späterer Stelle kommen wir nochmals auf Eike von Repgow zurück.

Die Kodifizierung wichtiger Vorgänge erlebte in den Schlussjahrzehnten des Hochmittelalters einen Aufschwung. Latein war die bestimmende Schriftsprache in praktisch allen offiziellen Schreiben, schon um den Inhalt in der damals bekannten Welt universell lesbar zu halten, aber auch wegen des bisherigen Monopols der abendländischen Kirche, deren niederer Klerus als Auftragsschreiber überall zum Einsatz kam. Langsam fand daneben auch schon die Mittelhochdeutsche Sprache Einzug in solchen Schriften, die nicht den Charakter von Vertragswerken hatten. Die Kirche begann sein bisheriges Alleinstellungsmerkmal als Schreiberkaste zu verlieren. Größten Einfluss beim Einzug der Volkssprache hatte der Minnesang, der sich, aus Frankreich kommend, in ganz Europa verbreitete. In den regionalen Sprachen der Menschen vorgetragen, erlangte er solche Popularität, dass von zahlreichen zeitgenössischen Werken allerlei Abschriften kursierten, womit die Verbreitung von Schriften in den volkstümlichen Sprachen ganz erheblich gefördert wurde. Die erfolgreichsten Protagonisten waren die Pop- oder Rockstars der Zeit, wenn man es mit heute vergleichen möchte. Sie trugen ihre musikalisch untermalten Verse vor den höchsten Vertretern der Gesellschaft vor. Der Minnesang erlangte einen derart hohen Grad der Popularität, das er nicht nur von den Vertretern des Adelskreis praktiziert wurde, er wurde sogar zum regelrechten Merkmal der Ritterschaft, genau wie es Schwert, Schild oder Pferd war. Ihn zu beherrschen und formvollendet zu praktizieren, gehörte zum buchstäblich guten Ton. Einem steten Wandel unterliegend, deckten Texte und Dichtungen bald nicht mehr nur die Lyrik ab, politische oder gesellschaftsrelevante Themen kennzeichneten das Können der Hervorragendsten der Zunft. Bekannte Vertreter im deutschen Sprachraum waren Heinrich von Morungen, Walther von der Vogelweide, der Tannhäuser oder Heinrich von Meißen, besser als „Frauenlob“ bekannt.
Walther von der Vogelweide ist dabei sicherlich unter allen deutschsprachigen Minnesängern der bis heute bekannteste Vertreter. Eines seiner Werke mit der größten Verbreitung wurde in kunstvoll illustrierter Weise im Codex Manesse – Große Heidelberger Liederhandschrift – verewigt.

Walther von der Vogelweide
im Codex Manesse

Ich saz ûf eime steine
und dahte bein mit beine,
dar ûf satzt ich den ellenbogen;
ich hete in mîne hant gesmogen
daz kinne und ein mîn wange.
dô dâhte ich mir vil ange,
wie man zer welte solte leben;
deheinen rât kond ich gegeben,
wie man driu dinc erwurbe,
der keines niht verdurbe.
diu zwei sind êre und varnde guot,
daz dicke ein ander schaden tuot;
das dritte ist gotes hulde,
der zweier übergulde.
die wolte ich gerne in einen schrîn:
jâ leider desn mac niht gesîn,
daz guot und weltlich êre
und gotes hulde mêre
zesamene in ein herze komen.
stîg unde wege sint in benomen;
untriuwe ist in der sâze,
gewalt vert ûf der strâze,
fride unde reht sint sêre wunt.
diu driu enhabent geleites niht,
diu zwei enwerden ê gesunt.

Ganz leicht fällt das lesen freilich nicht, doch lässt die mittelhochdeutsche Sprache von damals die Nähe zum heutigen Neuhochdeutsch klar erkennen. Schauen wir uns den Text ins heutige Deutsch übersetzt an:

Ich saß auf einem Steine
und deckte Bein mit Beine,
darauf der Ellenbogen stand;
es schmiegte sich in meine Hand
das Kinn und eine Wange.
Da dachte ich sorglich lange,
dem Weltlauf nach und irdischem Heil;
doch wurde mir kein Rat zuteil,
wie man drei Ding’ erwürbe,
dass ihrer keins verdürbe.
Zwei Ding’ sind Ehr’ und zeitlich Gut,
das oft einander Schaden tut,
das dritte Gottes Segen,
den beiden überlegen.
Die hätt ich gern in einem Schrein.
Doch mag es leider nimmer sein,
dass Gottes Gnade kehre
mit Reichtum und mit Ehre
zusammen ein ins gleiche Herz.
Sie finden Hemmungen allerwärts;
Untreue liegt im Hinterhalt,
kein Weg ist sicher vor Gewalt,
so Fried als Recht sind todeswund,
und werden die nicht erst gesund,
wird den drei Dingen kein Geleite kund.

Zwei überaus wichtige Schriftstücke aus der Regierungszeit Friedrichs II. sollten noch erwähnt werden. Beide hatten erheblichen Einfluss auf die weitere Reichsentwicklung und lassen in ihrer Auswirkung Züge einer rudimentären Verfassung erkennen. Auch wenn bei weitem noch vieles fehlte, um einem umfassenden Verfassungswerk nach heutigen Maßstäben zu genügen, stellten beide Urkunden grundlegende Weichen. Das sich seit Generationen herausbildende Reich, mit seiner dezentralen Struktur, schuf keinen frühen Nationalstaat, wie es in Frankreich oder England zeitgleich der Fall war, es hatte stattdessen ein föderales Gepräge angenommen, worin sich das alte Stammeserbe der Germanen noch vage erkennbar widerspiegelte.
Am 26. April 1220 verbriefte Friedrich II., damals noch römisch-deutscher König, den geistlichen Fürsten im nördlichen Reichsteil in seiner Confoederatio cum principibus ecclesiasticis, seinem Bündnis mit den Kirchenfürsten, weitreichende Rechte in ihren jeweiligen Herrschaftsgebieten. Die Zugeständnisse waren der Preis für die Wahlunterstützung seines erst neunjährigen Sohnes Heinrich, fortan Heinrich VII., nicht zu verwechseln mit dem späteren Kaiser Heinrich VII., der aus dem Hause Luxemburg stammte. Die Wahl des Knaben fand unter den weltlichen Fürsten nicht überall Anklang, doch reichte die Unterstützung des Klerus, um ein ausreichend deutliches Votum zu erlangen. Friedrich regelte frühzeitig seine Nachfolge, insbesondere im Zusammenhang seines Kreuzzugsversprechens von 1215. Wenige Monate später zog er nach Rom, um sich dort vom Papst zum Kaiser krönen zu lassen. Während der Jahre in denen der Kaiser abseits des nördlichen Reichsteils in seinem Königreich Sizilien oder sonst in Italien weilte, sich mit den oberitalienischen Kommunen ebenso stritt, wie mit den Päpsten, war sein Sohn Heinrich VII. im deutschen Reichsteil als Regent tätig. Zunächst noch unmündig, stand er in dieser Zeit noch unter Vormundschaft. Mit zunehmendem Alter begann er dem eigenen Selbstverständnis gemäß mit ersten Regierungstätigkeiten, stieß hierbei aber bald auf Widerstände der Fürsten, die je nach Stand der persönlichen Interessen entweder dem König oder dem Kaiser nachhingen und gegeneinander ausspielten. Kaiser Friedrich II. mischte sich von Italien aus mehrmals mit Vehemenz in die Regierung des Sohnes ein, was dessen Autorität nachhaltig untergrub. Um die Renitenz der Fürsten zu bändigen, kam es in Worms zur Beglaubigung ihrer schon ausgeübten Privilegien. Am 1. Mai 1231 wurde unter dem fortlaufenden Druck der weltlichen Fürsten von König Heinrich VII. im Statutum in favorem principum, dem Statut zugunsten der Fürsten, besser unter dem Begriff Wormser Reichsspruch bekannt, die analoge Privilegienbestätigung besiegelt, wie sie der Vater 11 Jahre zuvor den geistlichen Fürsten bereits zuerkannte. Friedrich II. musste ein Jahr später in Cividale del Friul (deutsch: Östrich), nach Verhandlungen mit den Fürsten, die Urkunde bestätigen. Rechte und Regalien der Reichsfürsten waren jetzt kaiserlich verbrieft. Die Territorialisierung und Zersplitterung des Reichs beschleunigte sich, bei gleichzeitiger Minderung der königlichen und kaiserlichen Zentralgewalt. Das Reichsoberhaupt betrieb zur Erlangung kurzfristiger Ziele einen langfristigen Ausverkauf imperialen Rechte, wodurch die kaiserliche Machtbasis ernstlich ausgehöhlt wurde. Beleuchtet man die beurkundeten Rechte näher, stellt man fest, dass viele, wenn nicht die allermeisten der jetzt schriftlich fixierten Privilegien, schon geraume Zeit zuvor in unterschiedlicher Ausprägung vergeben und von den Fürsten angewendet wurden. Die römisch-deutschen Häupter waren spätestens seit Lothar III. zur Durchsetzung ihrer politischen Ziele in wachsendem Maße genötigt auf kaiserliche Vorrechte zugunsten einer größerer werden Zahl von Fürsten zu verzichten. Mit Vergabe beispielsweise des Münz- oder Zollregals, der hohen Gerichtsbarkeit und anderen Regalien, erkauften sie sich regelrecht die Unterstützung der Reichsfürsten. Friedrich II. verbriefte, betrachtet man sich die Angelegenheit näher, in den beiden genannten Urkunden streng genommen solche Privilegien, die teilweise oder bereits in größerem Umfang, schon längst veräußert waren. Er gab dem schon länger eingeleiteten Prozess der Devolution nur noch eine formelle Beglaubigung.

Auf ein weiteres Dokument seiner Regierungszeit, den Mainzer Landfriede vom 15. August 1235, gehen wir etwas später ein. Es ist die erste Urkunde der kaiserlichen Kanzlei, die außer in Latein, auch in Mittelhochdeutsch verfasst wurde und reiht sich zu jenen Dokumenten, die im Nachhinein betrachtet dem Wesen nach Teil einer frühen Reichsverfassung waren, selbst wenn der Kaiser dahingehend keiner gewollten Linie folgte.


Kindheit der Markgrafen

Über die Kindheit Johanns und Ottos ist kaum etwas bekannt. Sie tauchen zwar seit 1221 auf allen Urkunden der Mutter als Mitaussteller auf, daraus lassen sich aber keine Hinweise auf Einzelheiten ihrer Kinderjahre ablesen. Es zeigte allerdings, dass sie frühzeitig auf ihre Rolle als Regenten vorbereitet wurden. Ihre spätere Regierung, die sie lange gemeinsam und immer ohne gegenseitige Konflikte ausübten, war vielleicht das Ergebnis einer gezielten Einwirkung der Mutter und möglicherweise ebenso des Vormunds. Vielleicht war dessen seit 1221 bestehendes Zerwürfnis mit dem Bruder, Herzog Albrecht I. von Sachsen, mahnendes Beispiel gewesen, und veranschaulichte den heranwachsenden Markgrafen die Wichtigkeit eines einträchtigen Miteinanders innerhalb der Familie. Vielleicht hatte es auch der verstorbene Markgraf vor seinem Tod den kindlichen Söhnen noch eindringlich ans Herz gelegt. Nur weil diesbezüglich schriftlichen Zeugnisse fehlen, bedeutet es nicht automatisch, dass keine Disposition existierte. Selbst bei den römisch-deutschen Kaisern waren schriftliche Testamente unbekannt. Erst Kaiser Otto IV. ließ seinen letzten Willen notieren. Bis dahin wurden mündliche Anweisungen gegeben, die oft noch auf dem Sterbebett erteilt wurden. Als Kaiser Barbarossa in hohem Alter den beschwerlichen Kreuzzug ins Heilige Land antrat, war zuvor alles mit seinem Sohn und Nachfolger geregelt worden, ohne ein beglaubigendes Dokument auszufertigen. Dergleichen Dinge wurden nach alter Tradition mündlich, unter Beisein von Zeugen besprochen und öffentlich verkündet. Wie im Großen, so darf man es sich im Kleinen vorstellen. Dass Ereignisse von kleineren,  unbedeutenderen Fürstenhöfen naturgemäß weit weniger bekannt wurden, leuchtet ein. Der kaiserliche Hof war ein Ort des sehen und gesehen werden. Dauerhafte oder zeitweilige Ratgeber und Scharen von Gästen waren Zeugen des täglichen Hoflebens. Strömungen, Verlautbarungen und Stimmungen konnten ihnen kaum verborgen bleiben. Wurden Vereinbarungen nicht gezielt im Geheimen und kleinsten Kreis besprochen, wurden die höfischen Vorgänge zwangsläufig verbreitet und überregional bekannt. In Bezug auf den Brandenburger Hof darf man sich nichts vormachen. Er war in dieser Zeit kaum der Schauplatz vieler Menschen. Ein bescheidener Kreis enger Vasallen, die als Räte fungierten, sowie einige Hofbeamte und Geistliche, sowie allenfalls einige zeitweilige Gäste, bildeten das überschaubare Hofleben eines provinzialen Fürstentums, wie es die Mark damals unstrittig noch immer war. Nach dem Tod des Markgrafen wird die Hofhaltung aus Ersparnisgründen nochmal wesentlich kleiner und intimer geworden sein. Als Ratgeber trat wahrscheinlich nur Graf Heinrich von Anhalt auf. 1221 erfolgte der geschilderte Erwerb der Lehnsvormundschaft durch die Markgräfin, womit der brandenburgische Hof wieder an Format hinzugewann.
Beide Söhne, obwohl noch Kinder, werden als Mitkäufer auf der Urkunde neben der Mutter erwähnt. Man darf mit gutem Recht annehmen, dass dem Willen des verstorbenen Vaters folgend, beide Brüder zur Regierung kommen sollten, nicht nur Johann als der Erstgeborene. Ihm kam das Vorrecht der Erzkämmererwürde zu, dem Jüngeren waren daneben keine weiteren Privilegien vorenthalten. Die eigenen Erfahrungen des Vaters, dessen Anspruch auf die Mitregentschaft in der Mark von den deutlich älteren Brüdern lange ignoriert wurde, woraus sehr wahrscheinlich Albrechts offene Auflehnung gegen Markgraf Otto II. in jungen Jahren resultierte, könnte ein triftiger Anlass gewesen sein, die eigenen Söhne in Bezug auf eine gemeinschaftliche Regierung ausdrücklich zu instruieren und zu ermahnen.


Dänemarks König wird entführt

Graf Heinrich von Schwerin

In der Nacht vom 6. auf den 7. Mai 1223 ereignete sich die aufsehenerregende Entführung des dänischen Königs. Es ist der Stoff, aus dem Filmbücher oder Abenteuerromane geschrieben werden. In den frühen Morgenstunden bemächtigte sich Graf Heinrich I. von Schwerin des dänischen Königs Waldemar II. und seines ältesten, gleichnamigen Sohnes, dem dänischen Mitkönig seit 1218. König und Sohn waren zur Jagd auf der kleinen Insel Lyø und verbrachten dort die Nacht ohne Bewachung. Unbemerkt auf die Insel gelangt, bemächtigte Heinrich sich in den frühen Morgenstunden der beiden dänischen Könige und  führte sie unbemerkt als Geiseln fort.

Was trieb Heinrich zu dieser verwegenen Tat?

Zunächst einige Sätze zum Schweriner Grafen selbst:  1219 belehnte ihn der damalige brandenburgische Markgraf Albrecht II. mit Burg und Ländchen Lenzen, zwischen der Elbe und dem Rudower See gelegen. Hierdurch wurde er zu einem Lehnsmann. Heinrich war der vierte von fünf Söhnen des ersten Schweriner Grafen, Gunzelin I. (um 1127 – 1185), aus dem Hause Hagen. Untypisch, beschritt der erstgeborene Bruder Heinrichs einen geistlichen Weg, worauf der zweitälteste Bruder nach dem Tod des Vaters im Jahre 1185, als Helmond I. Graf von Schwerin wurde. Dieser resignierte 1194 und bestellte seine zwei jüngeren Brüder, darunter Heinrich, zu den neuen Grafen von Schwerin. Der fünfte und damit jüngste Bruder wurde ebenfalls Geistlicher und war unter anderem erst Domherr, dann Dompropst in Hildesheim, später in Verden. Von 1238 bis zu seinem Tod im Folgejahr, war er Bischof von Schwerin.
Dauerkonflikte mit dem aggressiv expansiven Dänemark bestimmte die Politik Heinrichs. 1208, es war das Jahr in dem Philipp von Schwaben in Bamberg ermordet wurde, verjagte der dänische König die beiden Brüder aus ihrer eigenen Grafschaft. Zuvor hatte er sich in den Streit der Schweriner Grafen mit einem Vasallen eingemischt, um vor diesem Hintergrund seine eigene Agenda umzusetzen. 1214 leisteten sie Waldemar II. notgedrungen den Lehnseid und wurden von ihm mit ihrer eigenen Grafschaft belehnt. Es folgten einige Jahre der relativen Ruhe. Eine erneute Selbstständigkeit konnten sie gegen das übermächtige Dänemark nicht durchsetzen, das in dieser Zeit mit wachsendem Erfolg Krieg um Pommern gegen Brandenburg führte. 1219 kam es zum Friedensschluss zwischen Dänemark und der Mark, sowie im gleichen Jahr zu jener Belehnung Heinrichs mit Burg Lenzen. Er nahm am Kreuzzug gegen Ägypten teil. Er gehörte zu den sehr spät eintreffenden Teilnehmern, viele deutsche Kreuzfahrer hatten bereits die Rückreise angetreten. Wahrscheinlich war er am verlustreichen Feldzug ins Nildelta beteiligt, der in einer Niederlage und dem Abbruch des Kreuzzugs endete.
1221 starb in der Heimat sein Bruder, mit dem er die Grafschaft Schwerin gemeinschaftlich regiert hatte. König Waldemar II. nutzte die Situation, zog gut die Hälfte der Grafschaft ein, und setzte den Askanier Albrecht II. aus der Orlamünder Linie, als Statthalter ein. Die gesamten Zusammenhänge rund um diese Hälfte der Grafschaft, es steht im Kontext mit einem unehelichen Sohn des Königs, Niels von Halland-Schwerin, überspringen wir. Jener Sohn nahm ebenfalls am Kreuzzug in Ägypten teil, wo er sein Leben ließ. Vater Waldemar sah sich veranlasst die Interessen seines unmündigen Enkels zu vertreten, womit er in Konflikt zu Graf Heinrich von Schwerin kam.
Heinrich kehrte 1222 vom fehlgeschlagenen Kreuzzug zurück und trat in Verhandlungen mit dem dänischen König hinsichtlich der strittigen Grafschaftshälfte. Nach Heinrichs Auffassung kam die gesamte Grafschaft ihm, dem letzten weltlichen Nachfahren seinen Vaters in Gänze zu. Waldemar II. ging nicht auf die Argumentation ein. Ob Heinrich schon jetzt auf Rache sann oder ob der Zufall es mit sich brachte und er einfach die Gunst der Stunde ergriff, entzieht sich der Kenntnis. Wie auch immer, er hatte den dänischen König und den Thronfolger in seine Hand gebracht und schaffte sie heimlich auf Burg Lenzen und somit ins Brandenburgische, womit er die Markgräfin, die noch immer für ihre Söhne die Regentschaft leitete, in politische Verlegenheit brachte. Hierauf ließe er die wertvollen Geiseln auf Burg Dannenberg verbringen. Im später so genannten Waldemarturm, einem rund 30 Meter hohen Bergfried, wurden König und Sohn bis 1224 inhaftiert, bevor sie nach Schwerin kamen. Heinrich stellte für ihre Freilassung enorme Forderungen auf. Neben der Grafschaft Schwerin, forderte er dass Dänemark alle deutschen Gebiete die es bislang unter seine Lehnsherrschaft brachte, in die Unabhängigkeit entließ. Weiter sollte sich der dänische König wieder als Vasall dem Reich unterordnen und abschließend ein enormes Lösegeld bezahlen. Verzicht auf Rache durch Leistung der Urfehde sei noch erwähnt. Alles auf eine Karte setzend, zu verlieren hatte er nichts, blieb Heinrich von Schwerin unbeeindruckt von allen Drohungen, seien sie vom dänischen König oder sogar vom Papst kommend. Unter den deutschen Vasallen Waldemars fand der Graf schnell Anhänger. Bald sagten sich die ersten von Dänemark los. Es bekam eine Dynamik, die sich bald entlud. Wir kommen noch auf den weiteren Verlauf der Angelegenheit zurück, wollen an der Stelle aber wieder in den bisherigen Zeitstrahl zurückkehren, um chronologisch nicht zu weit vorwegzugreifen.

Aus den Jahren 1223 und 1224 sind einige weniger interessante Urkunden überliefert. Markgräfin Mechthild, immer mit ihren Söhnen unterzeichnend, ist hier ebenso aktiv wie parallel Graf Heinrich von Anhalt, der formelle Kindsvormund. Erwähnenswerterweise zeichnen die Markgräfin und ihre Söhne nie zusammen mit ihm, woraus ersichtlich wird, dass landesherrliche Vormundschaft und Privatvormundschaft nicht verschiedene Aspekte der gleichen Sache waren, sondern etwas grundlegend Verschiedenes und eine Vermischung beider Kompetenzen dann, und auch nur scheinbar auftrat, wenn beide Funktionen von der gleichen Person wahrgenommen wurde, was beiläufig erwähnt üblich war. Ein Konflikt oder Kompetenzgerangel zwischen der Markgräfin und dem Grafen gab es scheinbar nicht, zumindest ist kein Hinweis dazu überliefert.

Von großem Interesse ist das Jahr 1225. In einer Urkunde vom 6. November unterzeichnet Johann erstmals völlig alleine als Markgraf von Brandenburg, aber unter Nennung des jüngeren Bruders Otto als Mitunterzeichner. Es fehlte fortan die Mutter, die bis zu diesem Zeitpunkt stets in folgender oder ähnlicher Weise auf Urkunden vorweg aufgeführt war: „Mechtildis marchionissa et eius filii Johannes et Otto marchiones Brandenburgensis…„, Markgräfin Mechthild und ihre Söhne Johann und Otto, Markgrafen Brandenburgs…
Das Jahr 1225, spätestens ab dem November, muss also der Zeitpunkt gewesen sein, wo Johann die Regierung übernahm. Das Interregnum in Brandenburg endete. Es ist überhaupt jene Urkunde, aus der auf das Geburtsjahr Johanns geschlossen werden kann. Geht man von der Annahme aus, dass im Mittelalter im sächsischen Raum mit bereits zwölf Jahren die bedingte Volljährigkeit erreicht war, resultiert daraus ein Geburtsjahr von 1213. Ein Fürst, Halb- oder Vollwaise, übernahm mit Erreichen dieses Alters die Regentschaft über das Land seines Vaters. Der Sachsenspiegel gibt hierzu wichtige Hinweise und erwähnt dabei verschiedene Stufen bis zum Erreichen der Volljährigkeit. Eine verbindliche Festlegung ab wann die Mündigkeit erreicht war, fällt trotzdem wegen regionaler, wie zeitlicher Dynamiken schwer und wird von Fall zu Fall auch anders gehandhabt worden sein. Veränderungen in diesem Bereich sind bis in die heutige Zeit vorgenommen worden. Noch im späteren 20. Jahrhundert haben sich diesbezüglich viele Veränderungen ergeben. In Deutschland, BRD wie DDR, sowie in Österreich und der Schweiz, entwickelte sich die Festlegung auf das heute übliche Alter von 18 Jahren in Teilschritten. Zeitlich waren die Anpassungen in den genannten Ländern zwar eng miteinander verknüpft, woraus man eine Gleichförmigkeit meint ablesen zu dürfen, tatsächlich aber behielten sich die jeweiligen Gesetzgeber unterschiedliche Ausprägungen von Land zu Land vor, insbesondere in den Bereichen der Strafmündigkeit. So war es auch im Mittelalter. Im sächsischen Raum praktizierte man es mitunter anders als im schwäbischen oder fränkischen Rechtsraum.

Siegel Markgraf Johanns I.

Markgraf Johann I. und Bruder Otto III. urkundeten seit Ende 1225 zwar gemeinsam, doch nur Johann benutzte ein Siegel. Man erkennt hier eine Parallele bezüglich des Verhaltens Ottos II. hinsichtlich seines Bruders, Graf Heinrich von Gardelegen. Otto II. war regierender Markgraf, Heinrich war aber allem Anschein nach als Mitregent nahezu gleichberechtigt.
Johann übernahm 1225 nicht nur die Regentschaft, er wurde gleichzeitig gesetzlicher Vormund seines noch unmündigen Bruders. Der Graf Heinrich von Anhalt, der bisher diese Rolle ausübte, erscheint seit Juli 1225 nicht mehr auf Urkunden und wurde wohl im Spätsommer oder Herbst seiner bisherigen Aufgaben enthoben, was dafür spricht, dass Johann wohl ab Mitte des Jahres 1225 das zwölfte Lebensjahr vollendet hatte.


Erste Regierungsjahre, Dänemark, Kaiser & Papst

Die meisten der bekannten Urkunden aus dem brandenburgischen Herrschaftsgebiet thematisierten während dieser Zeit Schenkungen und Gunstzuweisungen zugunsten der Kirche. Überall im Reich verhielt es sich ganz ähnlich. Um die Wende zum dreizehnten Jahrhundert hatten zahlreiche Städte selbst in provinzialen Gegenden die Rolle der Klöster als Wirtschafts- und Kulturzentrum übernommen. Dem städtischen Leben kam im Reich eine ständig wachsende Rolle zu. Es bildete sich in diesem Zusammenhang eine neue Gruppe außerhalb des Klerus, die im Rahmen der städtischen Verwaltung Lesen und Schreiben konnten. Auch an den fürstlichen Höfen machte sich mit zeitlichem Versatz unter den Ministerialen ein Wandel breit. Das Beispiel des Eike von Repgow sei nochmal erwähnt. Diese Veränderungen spiegeln sich auch in den Urkunden der brandenburgischen Markgrafen wider. Der Dokumentenanteil, in dem herrschaftliche Aktivitäten im Rahmen von Städten beschrieben werden, stieg zusehends. Es gibt uns eine Einblick in die alltäglichen Betätigungsfelder eines Territorialfürsten. Wir lesen beispielsweise von Regelungen die Gewandschneiderei betreffend oder bezüglich Vereinbarungen was das Wiederverkaufsrecht für Fleischerkarren angeht, um nur einige ausgesprochen profan wirkende Verwaltungsaufgaben zu erwähnen.

Die ersten anderthalb Jahre bereiste Johann die Mark, bestätigte Städten und Mannen ihre Privilegien und nahm deren Huldigungen und Lehnseide entgegen. Sein Itinerar weist dabei ein auffälliges Übergewicht für die Altmark und die Regionen entlang der Elbe auf. Die Nähe zum demnächst verschwägerten Lüneburger Hof, wo die ältere Schwester als zukünftige Gattin des dortigen Herzogs lebte, und auf ihre baldige Rolle als Landesherrin vorbereitet wurde, die übrigens ihrerseits zahlreiche Male in der Altmark verkehrte, brachte einmal mehr die Wichtigkeit der alten, linkselbischen Provinz zum Ausdruck, die trotz Hebung der östlichen Siedlungsräume, an Wichtigkeit noch hinzugewonnen hatten. Seit den frühen Tagen hatten sich der Kolonialraum östlich der Elbe  vergrößert und war spürbar in seiner Entwicklung vorangeschritten, doch entwickelte sich die Region der Altmark in der gleichen Zeit noch mehr.

Im Mai 1227 kam es zur ersten militärischen Bewährungsprobe. Am 28. April war in Braunschweig Pfalzgraf Heinrich gestorben. Obwohl erstgeborener Sohn Heinrichs des Löwen, starb er doch als letzter der vier Brüder. Pfalzgraf Heinrichs eigener Sohn war noch vor ihm verschieden, so dass er seinen Neffen, Herzog Otto von Lüneburg, den zukünftigen Schwager unserer markgräflichen Brüder, noch zu Lebzeiten zum Erben der welfischen Allodialgüter im Braunschweiger Raum bestimmte. Sowohl der Kaiser als auch der Wittelsbacher Herzog Ludwig von Bayern (1173 – 1231), genannt der Kelheimer, erhoben Ansprüche. Kaiser Friedrich II. wurde von kaiserfreundlichen Braunschweiger Ministerialen unterstützt, die sich hieraus persönliche Vorteile in Form einer Standeserhöhung versprachen. Konstant strebten die Menschen aller Gesellschaftsstufen danach, ihr jeweiliges Abhängigkeitsverhältnis zu mildern. Der Unfreie suchte mit der Flucht in eine freie Stadt – Stadtluft macht frei – ein freier Bürger zu werden. Ein Ministerial strebte nach dem Adelsstand, der niedere Adel nach dem Freiadelsstand. Selbst Bistümer versuchten sich ihrer übergeordneten Kirchenprovinz durch Exemption zu entwinden. Alles strebte nach Unabhängigkeit und vielleicht war alles ein fast verklungener Widerhall alter Zeiten, frei nach den Worten Hegels, „Der Geist der Germanen, ist der  Geist der Freiheit“.
Otto von Lüneburg war nicht gewillt auch nur auf einen Teil seines Erbe zu verzichten und sammelte seine Truppen und Vasallen östlich von Braunschweig. Die jugendlichen Markgrafen von Brandenburg zogen ihm mit ihrem Kriegsvolk entgegen, um ihn bei der Wahrung seiner Rechte zu unterstützen. In den Straßen Braunschweigs kam es zu Kämpfen mit kaiserlichen Anhängern, bei denen sich der Herzog und seine brandenburgischen Verbündeten siegreich durchsetzten und die Stadt unter ihre Kontrolle brachten.

Kehren wir zum gefangenen Dänenkönig Waldemar II. und seinem Sohn zurück. Noch immer war er auf Burg Dannenberg an der Elbe inhaftiert und weigerte sich beharrlich auf die hohen Forderungen des Schweriner Grafen einzugehen. Die dänischen Großen machten derweil den askanischen Neffen des Königs, den Grafen Albrecht von Orlamünde, zum Reichsverweser. Dieser sammelte im Herbst 1224 ein dänisches Heer um mit Waffengewalt eine Lösung zu suchen. Im Januar 1225 kam es bei Mölln, südlich von Lübeck, zu einer von beiden Seiten bis zum Äußersten geführten Winterschlacht bei klirrendem Frost. Eine norddeutsche Fürstenkoalition trat dem dänischen Heer unter Albrecht von Orlamünde entgegen und schlug es völlig. Albrecht geriet hierbei ebenfalls in Gefangenschaft. Ein totales dänisches Fiasko zeichnete sich an. Graf Heinrich von Schwerin eroberte Schloss und Grafschaft Schwerin zurück und führte seine wertvollen Gefangenen nach dort. Unter dem Eindruck der Niederlage wurden die im Sommer 1224 abgebrochenen Verhandlungen erneut aufgenommen und fanden im November 1225 im Vertrag von Bardowick eine Einigung. Es wurde die Zahlung von 45.000 Mark Silber, die Unabhängigkeit der deutschen Gebiete unter dänischer Lehnshoheit, Verzicht auf Rache und uneingeschränkte Handelsprivilegien für Lübeck, Hamburg und andere aufstrebende Seestädte vereinbart. Der dänische König musste auf alle Forderungen von 1224 eingehen, die er damals noch entschieden zurückwies, und jetzt sogar darüber hinaus Auflagen erfüllen. Im Dezember wurde Waldemar und sein Sohn entlassen. Als Unterpfand musste er stattdessen drei jüngere Söhne als Geiseln stellen, bis die auferlegten Forderungen erfüllt waren. Sein Neffe Albrecht von Orlamünde blieb derweil in Gefangenschaft.
Brandenburg war in diesem Konflikt unbeteiligt geblieben. Es war das Jahr, in dem Johann I. in der zweiten Jahreshälfte die Regentschaft in der Mark übernommen hatte. Über den welfischen Verlobten von Johanns und Ottos erstgeborener Schwester Mechthild, dem Herzog Otto von Lüneburg, Neffe Waldemars II., bestand eine Verbindung nach Dänemark, weswegen die Markgrafen auch in der Folgezeit ihre Neutralität gegenüber den nordischen Königreich beibehielten.

Schon 1226 begann sich König Waldemar erneut zu rühren. Militärisch erholt, strebte er die Wiedererrichtung der alten dänischen Machtstellung im norddeutschen Ostseeraum an. Von der im Vertrag von Bardowick geleisteten Urfehde, dem Verzicht auf Rache, ließ er sich vom Papst befreien, der sich im anbahnenden Konflikt mit Kaiser Friedrich II. über den rachedurstigen Dänenkönig nur freuen konnte. Von seinem Eid befreit, konnte Waldemar ohne Verzug die nächste Runde des Konflikts einleiten. Im Herbst rückte er in Ditmarschen ein und belagerte zeitgleich Rendsburg, wo das gegnerische Aufgebot lagerte. Es kam zur Schlacht die er, trotz schmerzlicher Verluste, für sich entscheiden konnte. Brandenburg, mittlerweile unter der Regentschaft des jungen Markgrafen Johann, blieb wie schon erwähnt neutral. Anders verhielt es sich mit dem Neffen Waldemars. Herzog Otto von Lüneburg war als zur Loyalität gegenüber dem Reichsoberhaupt verpflichtet, doch wog das verwandtschaftliche Verhältnis mit dem dänischen König höher. Er sympathisierte mit seinem dänischen Onkel zwar nicht in Bezug auf dessen Opposition wider das Reich, doch hoffte der Herzog auf diese Weise seinen Einfluss auf Holstein ausweiten zu können und altes Gebiet seines 1180 entmachteten Großvaters zurückzuerlangen. Als sich im Mai 1227 die Auseinandersetzungen um das Braunschweiger Erbe mit den Kaiserlichen entspann, wurde aus latenter Unterstützung, offene Waffenhilfe. Der dänische König, beflügelt vom Erfolg des Spätjahrs 1226, befand sich seit Frühling 1227 auf dem Vormarsch. Seine Gegner, eine Koalition  norddeutscher Fürsten und Städte, darunter Graf Adolf von Holstein, der das Oberkommando führte, Erzbischof Gerhard von Bremen, Graf Heinrich von Schwerin, zahlreiche Adelsaufgebote aus den mecklenburgisch-pommernschen Gebieten, ein sehr großes Stadtaufgebot Lübecks und zuletzt Herzog Albrecht von Sachsen. Dem dänischen König zog Herzog Otto von Lüneburg, nach vorläufiger Beilegung des Braunschweiger Erbstreits, mit einem Unterstützungsheer entgegen. Bei Bornhöved, zwischen dem heutigen Kiel im Norden und Bad Segeberg im Süden gelegen, kam es am 22. Juli 1127 zur Entscheidungsschlacht. Unmittelbar vor Eröffnung des Waffengangs wechselte das Ditmarscher Truppenkontingent von der dänischen Seite, zum deutschen Koalitionsheer über. Gewarnt von seinen Ratgebern, fasste sich Waldemar II. dennoch ein Herz und eröffnete die Attacke. 14.000 Dänen und Verbündete, trafen auf fast so viele Truppen auf der Gegenseite. Die Schlacht verlief außergewöhnlich blutig. Am Ende des Tages war Waldemar vernichtend geschlagen. Die Hälfte seines Heeres lag auf dem Schlachtfeld. Auch wenn das Koalitionsheer ebenfalls schwere Verluste beklagte, blieben deren Verluste erheblich geringer. Herzog Otto von Lüneburg geriet in Gefangenschaft, während der König nur mit knapper Not diesem Schicksal entging. Mit der Niederlage in Ostholstein brachen die dänischen Ambitionen in Norddeutschland zunächst einmal zusammen, was sich auf die weitere Entwicklung der deutschen Seestädte im nordwestlichen Ostseeraum förderlich auswirkte. In Kürze wurde Lübeck als Zentrum der bald entstehenden Hanse zur Lokalmacht, wie man es in gleicher Weise sonst nur von den noch einflussreicheren italienischen Seestädten kannte.

Die brandenburgische Neutralität wirkte sich unvorteilhaft auf die märkischen Ansprüche hinsichtlich Pommern aus. Brandenburg ging bei der Verteilung der Beute völlig leer aus. Markgraf Johann und sein Bruder Otto standen zu dieser Zeit wegen ihres Engagements für den Herzog von Lüneburg auf Kriegsfuß mit den kaiserlichen Ambitionen in Norddeutschland. Sie konnten sich keine Hoffnungen auf kaiserliche Gunsterweisungen machen. Im Mai halfen die jungen Markgrafen, beide in den frühen Teenagerjahren, die Rechte ihres Schwagers auf dessen Braunschweiger Erbe zu wahren. Jetzt, nachdem Herzog Otto von Lüneburg gefangen nach Schloss Schwerin weggeführt wurde, machte sich der damals selbst erst sechszehnjährige Heinrich VII., Mitregent und Statthalter im nördlichen Reichsteil, im August mit einem Truppenaufgebot abermals daran, die staufischen Ansprüche auf Braunschweig durchzusetzen. Er stand mit seinen Truppen schon bei Goslar, als ihm die brandenburgischen Brüder in Braunschweig entgegentraten, um ein weiteres Mal für die Interessen ihres Schwagers einzustehen. Heinrich zog ab, ohne es zur bewaffneten Konfrontation kommen zu lassen. Eine für beide Seiten unerfreuliche Situation verlief glimpflich und ohne Blutvergießen. Grundsätzlich nicht antistaufisch gesinnt, stellten sie ihre verwandtschaftliche Nähe zum welfischen Haus klar über die Interessen der kaiserlichen Familie, was man vielleicht als politisch unklug deuten könnte, jedoch die unbedingte Priorität dynastischer Familienverbindungen hervorhebt. Sie opponierten dabei nicht gegen das Reich und dessen Interessen, denn Friedrich II. und Sohn Heinrich VII. waren nicht in ihrer Rolle als oberste Vertreter des Reichs aktiv, sie versuchten stattdessen ihre staufische Hausmacht zu erweitern und agierten in eigener Sache. Die Gefahr einer Ausweitung des Konflikts im stets unruhigen sächsischen Raum war zwar nicht von der Hand zu weisen, doch blieb die Angelegenheit wegen der sich zuspitzenden außenpolitischen Probleme des Kaisers selbst innerhalb des sächsischen Gebietes eng auf den Braunschweiger Raum beschränkt. Friedrich II. hatte zu dieser Zeit ganz andere Sorgen und es war nur wahrscheinlich, dass er Welfen und Askanier noch für seine Italienpolitik benötigte, wenigstens aber nicht als Oppositionelle brauchen konnte. Das Verhältnis des Kaisers zur römischen Kirche bewegte sich in großen Schritten auf einen neuerlichen Tiefstand zu. In Rom war Papst Honorius III. verstorben. Die kaiserliche Politik, die seit Heinrich VI. darauf abzielte Unteritalien ins Reich zu inkorporieren unter gleichzeitiger Restauration kaiserlicher Autorität in Oberitalien, kollidierte wieder mit den politischen Interessen des Kirchenstaats und dem Separatismus der Lombarden. Der zum Regierungsbeginn Friedrichs II. vielversprechend begonnene Ausgleich von Staufern und Papsttum, drohte kolossal zu scheitern. In Oberitalien brodelte unter den namhaften Kommunen eine ständige regionale Rivalität. Als Oberhaupt sah sich der Kaiser nicht nur berufen, sondern allein  dazu befugt, als oberster Richter und Vermittler aufzutreten, doch lehnte Mainland und seine Anhängerschaft des Kaisers Gericht aus Sorge vor Befangenheit entschieden und provokant ab. Wieder war die Ehre des Reichs und des Kaisers – honor imperii et imperatoris, wie es der Großvater, der alte Kaiser Rotbart ausdrückte – durch die neuerlichen Missachtungen empfindlich verletzt. Papst Gregor IX. (um 1167 – 1249), seit etwas mehr als einem Jahr im Amt, vermittelte zunächst noch, indem er die renitenten Kommunen wegen Majestätsmissachtung zur Bereitstellung von 400 Rittern zum anstehenden Kreuzzug des Kaisers verurteilte. Friedrich ging dies jedoch nicht weit genug, doch vertagte er die Angelegenheit bis nach dem Kreuzzug, denn die Zeit lief ihm davon. Schon mehrfach war er seinem Kreuzzugsgelübde nicht nachgekommen und gemahnt worden. Es drohte ihm endgültig die Exkommunikation. Der neue Papst zeigte nicht die gleiche Nachsicht, wie es noch bei Honorius III. der Fall war. Anfang September schiffte Friedrich sich und sein Heer auf einer relativ kleinen Flotte ein. Die Schiffsdecks waren mit Truppen, Tieren und allerlei Material überfüllt. In den heißen, spätsommerlichen Temperaturen brach eine Seuche aus, die sich schnell in der Flotte ausbreitete. Ausschlaggebend hierfür waren einmal mehr die desolaten hygienischen Zustände unter den dichtgedränkten Truppen. Viele Tote waren zu beklagen, darunter sehr prominente, wie der Landgraf von Thüringen. Auch der Kaiser erkrankte, erholte sich aber wieder. Er brach schon nach zwei Tagen die Fahrt ab und landete mit der Flotte bei Otranto, am südlichen Absatz des italienischen Stiefels. Der Papst akzeptierte die ausgebrochene Seuche nicht als Rechtfertigung des Abbruchs und sprach am 29. September 1227 den Kirchenbann über Friedrich aus. Am 23. März 1228, es war der Gründonnerstag, bestätigte er in feierlicher Weise den Kirchenbann und sprach gleichzeitig das Interdikt gegen alle Städte aus, die den Kaiser unterstützen würden.
Der Kaiser war in Italien vorerst ausmanövriert aber nicht matt gesetzt. Seine Exkommunikation zweigte nicht die von Gregor IX. erhoffte Wirkung. Es formierte sich neben dem lombardischen Städtebund keine zweite Opposition gegen den Staufer. Die mit dem Bann einhergehenden Wirren reichten dennoch, um die jungen Markgrafen vor irgendwelchen Gegenreaktionen Friedrichs oder seines Sohns zu bewahren. Die brandenburgische Parteinahme in der Braunschweiger Erbangelegenheit zugunsten des Schwagers und wider die staufischen Hausinteressen, blieb ohne Folgen.

Aus dem Jahr 1228 sind zwei Schenkungsurkunden an die Klöster Diesdorf und Lehnin von Interesse. Schenkungen dieser Art waren vornehmlich dem eigenen Seelenheil oder jenem verstorbener Vorfahren gewidmet. Die damit bedachten Klöster verpflichteten sich an bestimmten Gedenktagen Seelenämter abzuhalten, um durch Gebet und Fürsprache die Verweildauer der Seele im vermeintlichen Fegefeuer zu verkürzen, so zumindest die Überzeugung der Zeit. Beiläufig geben  beide Schriftstücke weitere Informationen. So gibt das Dorf, das dem Kloster Lehnin übereignet wurde, Aufschluss darüber, wie weit die territoriale Ausdehnung und der Einflussbereich der Mark zwischenzeitlich fortgeschritten war. In einer der Urkunden wird das Dorf Drewitz, heute ein südöstlicher Stadtteil Potsdams, erstmalig erwähnt. Es kann als Beweis herangezogen werden, dass die Mark die Havel-Nuthe Linie überschritten und in die Region des Teltow vordrang. Die mittlere Havel, mit der Festung Spandau als Eckpunkt, war somit schon nicht mehr die südöstliche Grenze der Mark, wie es seit Albrecht dem Bären. Wahrscheinlich wurde nördlich und südlich der hier westwärts fließenden, bei Spandau in die Havel einmündenden Spree, nach Osten vorgefühlt. Flüsse waren von jeher wichtige Grenz- und gleichzeitig Expansionslinien. Im Nordosten war die Osterweiterung der Mark erheblich weiter fortgeschritten. Markgraf Otto II. brachte das ostwärts Ruppin gelegene Gebiet unter seine Kontrolle. Spätestens Albrecht II., der Vater der jetzt regierenden Markgrafen, erreichte die Oder und sicherte das Gebiet militärisch ab. Die bei Oderberg errichtete Festung deckte gleichzeitig nach Norden gegen die damalige dänisch-pommersche Bedrohung ab und fungierte als Zwingburg gegenüber den slawischen Einwohnern des Gebiets. Deutsch besiedelt wurde die von Slawen spärlich bewohnte Region während jener Zeit fortgesetzter Auseinandersetzungen höchstens vereinzelt, wenn überhaupt. Nach dem Friedensschluss mit Dänemark im Jahre 1219 und Konsolidierung der bisherigen Landnahme, konnte die Besiedlung ostwärts des Ruppiner Lands, im Barnim, der südlichen Uckermark etc., tatkräftig eingeleitet werden, ein Werk dem sich die markgräflichen Brüder Johann und Otto mit Aufmerksamkeit widmeten.

Die Quellenlage ist dürftig, doch scheint der Zuzug neuer Siedler aus den Reichsteilen jenseits der Mark, vorzugsweise aus Holland, Friesland und Flandern nicht versiegt zu sein. Die große Marcellusflut vom 16. Januar 1219, die je nach Bericht zwischen 30.000 und 50.000 Todesopfer forderte, vereinzelt wird sogar von 100.000 gesprochen, entfachte eine erneute Flüchtlingswelle unter den überlebenden Küstenbewohnern, die es Landeinwärts oder gleich in die östlichen Kolonisationsräume rechts der Elbe zog. Daneben dürfte sich ein erster   märkischer Bevölkerungsüberschuss unter der länger schon zugewanderten bäuerlichen Landbevölkerung bemerkbar gemacht haben. Wahrscheinlich zog es dritt- oder noch später geborene Bauernsöhne vermehrt in die weiter östlich gelegenen Siedlungsgebiete, da es auf der väterlichen, unter mehreren Familienangehörigen geteilten Scholle, für sie kein ergiebiges Auskommen mehr gab. Freilich gab es in den ersten Kolonialräumen noch umfangreich unerschlossenes Land, doch diese wilden Landschaften durch langwierige Trockenlegungen und Rodungen urbar zu machen, war unbedingt kräfteraubender, als sein Glück in besser geeigneten Gegenden weiter im Osten zu suchen. Auf diese Weise kam es in der Mark zu seiner typischen Bevölkerungsverbreitung auf der ganzen Fläche, bei allgemein geringer Dichte, wobei ganzen Regionen sehr lange fast unberührt in ihrer natürlichen Form erhalten blieben. Noch ein halbes Jahrtausend später, unter den großen preußischen Königen Friedrich Wilhelm I. und Friedrich II. waren ganze märkische Landstriche völlig unerschlossen und unberührt.


Magdeburger Fehde und Ende des dänischen Krieges

Herzog Otto I. von Braunschweig-Lüneburg, der welfische Schwager unserer beiden jugendlichen Markgrafen, kam im Januar 1229 aus der Schweriner Gefangenschaft, wo er seit der dänischen Niederlage von Bornhöved festgehalten wurde. Noch im Frühjahr entstanden Spannungen mit dem Bischof von Havelberg und im weiteren Verlauf mit dem Erzbischof von Magdeburg. Letzter war involviert in die prokaiserlichen Aufständen in Braunschweig gegen den herzoglichen Erben aus Lüneburg. Erneut stellten sich Johann und Otto an die Seite des Schwagers. Vielleicht war nicht nur die verwandtschaftliche Nähe zum Hause Braunschweig-Lüneburg ausschlaggebend. Möglicherweise spielten auch gegenseitige Ansprüche auf ein begrenztes Gebiet entlang des Flüsschen Plane, ein linker Nebenfluss der Havel, eine gewisse Rolle.
An diesem Gewässer, das im Süden in den Breitlingsee mündet, südwestlich der Stadt Brandenburg gelegen, kam es zur Schlacht zwischen beiden Aufgeboten. Beflügelt durch die zwei schnellen Erfolge des Jahres 1127, mochten Johann und Otto, oder ihre Ratgeber, allzu sorglos vorgegangen sein. Mit der Masse des Heeres überschritten die Markgrafen den Flussdamm, gefolgt von den Trosswagen, dahinter die Nachhut. Der Erzbischof wartete geduldig, bis die Trosse auf dem Damm ins Stocken gerieten, dann griff er die zahlenmäßig weit unterlegene brandenburgischen Nachhut an. Die Trossknechte versuchten zum Hauptkontingent zu flüchten und ließen ihre Fuhrwerke herrenlos zurück. Auf der panischen Flucht ertranken viele. Das völlige Chaos auf dem Damm, der jetzt restlos durch die verwaisten Nachschubwagen verstopft war, hinderte die Markgrafen ihren in Bedrängnis geratenen Einheiten zur Hilfe zu eilen, wodurch sich deren Schicksal schnell vollendete. Mittlerweile ergriff selbst das brandenburgische Hauptkontingent eine bange Stimmung. Die Magdeburger bahnten sich ihren Weg über den Fluss, indem sie die Wagen rechts und links vom Damm schoben, um die Brandenburger zu stellen, die jetzt jeden Mut verloren hatten und sich absetzten. Aus Rückzug wurde ungeordnete Flucht, dann wilde Panik. Die Magdeburger stießen zunächst nach, schlugen viele nieder und nahmen zahlreiche Gefangene. Alles versuchte das nahegelegene Brandenburg an der Havel zu erreichen, dass aus Vorsicht in der hereinbrechenden Nacht seine Tore verriegelte und Feind wie Freund ausschloss. Das Gerücht von Verrat lag in der Luft, doch waren die Städter einfach nur vorsichtig. Sie konnten in der Dunkelheit nicht zwischen Brandenburger und Magdeburgern unterscheiden. Die Flucht ging weiter, quer durchs Havelland, ins rund sechzig Kilometer östlich gelegene Spandau, das glücklich am übernächsten Tag erreicht wurde. Der Erzbischof verzichtete auf eine mit allem Nachdruck betriebene Verfolgung und handelt hierin gegen den ausdrücklichen Rat seiner Ministerialen, die dringend eine rücksichtslose Ausnutzung des errungenen Sieges empfahlen.
Erzbischof Albrecht hatte in den zurückliegenden Jahren viel im päpstlichen- und kaiserlichen Dienst verbracht und befand sich hierzu oft über längere Zeit in Italien. Jetzt, wo Friedrich II. unter Kirchenbann stand, war es nur wahrscheinlich, dass man ihn bald wieder dorthin rufen würde, um zwischen Kaiser und Papst zu vermitteln. Es lag ihm deswegen nichts daran, eine lange Fehde auszutragen und sich einen dauerhaften, nach Rache sinnenden Feind zu schaffen. Des Weiteren stand eine noch unerfüllte Klausel des Rückkaufvertrags der Lehnsvormundschaft von 1221 im Raum. Der Bischof hatte seinerzeit sein Geld fristgerecht in den vereinbarten zwei Chargen erhalten, stand selbst aber noch im Obligo. Er hatte sich vertraglich dazu verpflichtet die Markgrafen bei der kaiserlichen Belehnung zu unterstützen. Bislang war das nicht erfolgt. Es hatte sich bislang dazu keine Gelegenheit ergeben. Hätte sich das gegenseitige Verhältnis zu Brandenburg durch einen langwierigen Krieg ernsthaft zerrüttet, war die Gefahr groß, dass er die erhaltenen 1.900 Mark Silber zurückerstatten müsste. Die Fehde, welche für die beiden Markgrafen mit einer empfindlichen Niederlage einher ging, fand damit ein rasches und für Brandenburg glückliches Ende.

In den ersten Monaten des Jahres 1230 ging der Konflikt im Norden mit der Freilassung der letzten dänischen Geiseln, darunter drei jüngere Söhne des Waldemars II., zu Ende. Brandenburg war seit dem Frieden von 1219 in den nordischen Angelegenheiten strikt neutral geblieben, besonders in der heißen Phase seit 1223, was sich zunächst aus dem brandenburgischen Interregnum bis Spätjahr 1225 ergab, aber auch aus der Verschwägerung mit dem Hause Lüneburg, das seinerseits über die weibliche Linie eng mit dem dänischen Königshaus verwandt war. Aus der Neutralität wurde nach und nach ein engeres Verhältnis zu Dänemark, besonders jetzt, wo der Friede mit dem Reich alle Befangenheiten aus dem Weg räumte. Zwei Generationen lang haben beide Seiten miteinander gerungen, praktisch immer um Pommern, jetzt, in der dritten Generation, kam es zum völligen Umschwung in den bilateralen Beziehungen. Das Verhältnis war so eng geworden, dass Markgraf Johann als einer der dänischen Bürgen auftrat, die mit König Waldemar II. die Einhaltung des Friedensvertrags beschworen.


Die Schwertleite

Akt der Schwertleite

Zu Pfingsten 1231 kam es in der Neustadt-Brandenburg zu einem freudigen Ereignis. Die jungen Markgrafen erhielten ihre Schwertleite. Im Vormonat wurde das schon erwähnte Wormser Konkordat von König Heinrich VII. unterzeichnet, ein Jahr später durch den Kaiser bestätigt. Die Autonomie in den Reichslehen wurde ganz erheblich erweitert. Der Kaiser verzichtete, um nur einige Beispiele zu nennen, fortan auf den Bau von Burgen außerhalb seiner eigenen Gebiete oder auf die Errichtung von Märkten, die dazu geeignet wären, den Marktplätzen eines Fürsten abträglich zu sein. In den Territorien verlor das Reichsoberhaupt praktisch jede Handhabe.

Markgraf Johann, zwischenzeitlich um die 18 Jahre alt, erhielt gemeinsam mit seinem Bruder Otto die Schwertleite. Sie wurden festlich in den Ritterstand erhoben. Der Ursprung der Schwertleite geht wahrscheinlich auf altgermanische Initiationsriten zurück, die damit den Übergang eines Jünglings ins wehrfähige Mannesalter feierten. In Frankreich und England, wo neben dem fränkischen und angelsächsischen, auch das keltische und romanische Erbe seine Spuren hinterlassen hatte, setzte sich seit einiger Zeit statt dieser Form der Rittererhebung, der vereinfachte Ritterschlag durch. Dieser war überhaupt geeigneter größere Gruppen von Kandidaten durch eine beschleunigte Zeremonie zu schleusen, was besonders nach einer Schlacht zweckmäßig war, wenn sich Krieger durch besonderen Mut im Kampf ausgezeichnet hatten und als Lohn vom Lehnsherrn in den Ritterstand erhoben wurden. Im deutschen Reichsteil hatte sich das germanische Erbe länger und unverfälschter erhalten, wodurch die ursprünglichere Schwertleite als Ritual dauerhafter praktiziert wurde. Regionale Unterschiede und Vermischungen zwischen Riten des anglonormannischen und francogallischen Ritterschlags, sowie der Schwertleite, waren häufig. Die Art der Festlichkeiten unterlag dabei einer steten Veränderung und nahm vielerorts an Umfang fortlaufend zu. Zwar wurde der Akt als solcher schon immer angemessen gefeiert, doch blieben die Aufwände selbst noch im Frühmittelalter überschaubar. Im Verlauf des Hochmittelalters wucherte das Zeremoniell stellenweise ins Uferlose und erhielt beiläufig einen regelrecht sakralen Charakter.
Vielleicht stellt man sich die Frage, wieso ein Reichsfürst überhaupt zum Ritter gemacht wurde? An sich war der Rang des Ritters unterhalb jedes anderen Edelmanns. Welten trennten ihn von einem regierenden Fürsten. Die Frage wäre also nur berechtigt. Unsere beiden Markgrafen folgten hierin einer sich im zwölften- und dreizehnten Jahrhundert ausbreitenden Mode. Von Geburt dem reichsunmittelbaren Adel zugehörig, war der Ritterstand, aus rein hierarchischer Sicht betrachtet, kein erstrebenswerter Rang, er barg allerdings einen hohen idellen Wert. Der Ritter galt als Idealtypus des christlichen Kriegers und war Vorkämpfer und Verteidiger von Recht und Ordnung, so die reine Lehre. Noch heute verbinden wir überwiegend positive Attribute damit, wenn wir beispielsweise von ritterlichem Verhalten reden. Selbst der Kavalier leitet sich  vom französischen Wort für Ritter ab, dem Chevallier, beiläufig erwähnt ebenso der Kavallerist, der bewaffnete Reiter, womit sich der Kreis an der Stelle schließt. Bei der romantischen Verklärung des Reiterkriegers hoch zu Rosse, spielte der Minnesang eine profilgebende Rolle. Ritter zu sein, war schick und prestigeträchtig. Wer es sich finanziell erlauben konnte, zelebrierte die Erhebung auf publikumswirksame Weise vor großer Menge und feierte mit zahlreichen Gästen.
Wie die Schwertleite der askanischen Brüder zu Pfingsten verlief, ob mit großem Prunk, oder in beschaulicher Weise, ist nicht überliefert. Die Chronisten berichten nur über das eigentliche Ereignis, ohne Erwähnung von Gästen. Auch wer die Verleihung vornahm ist ungeklärt, denkbar wäre der Erzbischof von Magdeburg, kurz vor seiner erneuten Abreise nach Italien zum Kaiser. Dass als Austragungsort Brandenburg an der Havel gewählt wurde, kann als deutliches Bekenntnis zur Stadt als der namensgebende Residenz ihres Fürstentums gesehen werden.


 Hoftag zu Ravenna

Als im Jahr 1221 die Markgräfin die Rechte auf die Landesverwesung vom Magdeburger Erzbischof abkaufte, verpflichtete dieser sich vertraglich, den jungen Markgrafen zur offiziellen Belehnung durch das Reichsoberhaupt zu verhelfen. Mittlerweile waren zehn Jahre vergangen und die Markgrafen waren mündig. Bislang hatte Erzbischof Albrecht seinen Teil der Vereinbarungen in dieser Hinwicht noch nicht erfüllt. Zunächst spielte das kindliche Alter der Markgrafen, nachdem sie mündig waren, kam die Dauerabwesenheit des Kaisers hemmend hinzu. Friedrich II. verweilte fast ständig in Italien, wo er den Kirchenbann abstreifen konnte und sich das Verhältnis zu Papst und Kurie wieder besserte. Wesentlich hatte Friedrichs spektakulärer Kreuzzugserfolg von 1228/29 dazu beigetragen. Nach monatelangen Verhandlungen mit Sultan alKamil (arabisch الكامل محمد الملك) wurde Jerusalem und andere christliche Stätten kampflos übergeben. Die zwischen Papst und Kaiser im Spätjahr 1229 eingeleiteten Friedensverhandlungen führten am 28. August 1230 zum Friedensschluss von San Germano. Hermann von Salza, vierter Hochmeister des Deutschen Ordens, hatte am erfolgreichen Ausgang großen Anteil. Friedrich II. erhielt endlich freie Hand, um sich einem anderen, einem alten Konfliktherd mit aller Kraft zuzuwenden.
Schon seit dem Großvater, seit Friedrich Barbarossa, loderten wiederholt Auseinandersetzungen mit verschiedenen oberitalienischen Kommunen, die sich unter der Führung Mailands im Lombardenbund vereint hatten. Befreit vom Kirchenbann, die prestigeträchtige Rückeroberung Jerusalems im Rücken, wobei ihm außer seinem eigenen, beiläufig erwähnt, bescheiden großen Heer von etwa 11.000 Mann, vor Ort nur der Deutsche Orden beistand, während Templer, Johanniter, vor allem aber der Metropolit von Jerusalem nicht nur jede Hilfe versagten, sondern offen agitierten, stand er auf dem Höhepunkt seiner Macht.
Mit dem auf den 1. November 1231 nach Ravenna einberufenen großen Hoftag sollte eine starkes Signal an die rebellischen Städte geschickt werden. Der Städtebund der seit der Schlacht von Legnano, vor mittlerweile mehr als einem halben Jahrhundert, war selbstbewusster, renitenter und separatistischer wie nie, und suchte das Treffen der Reichsfürsten zu hintertreiben. Sie sperrten die Alpenpässe und tatsächlich gelangten nur wenige deutsche Fürsten pünktlich nach Ravenna. So mancher macht unterwegs kehrt und reiste wieder nach Hause. Selbst des Kaisers Sohn, der römisch-deutsche König Heinrich VII. blieb nördlich der Alpen zurück. Um das Verhältnis von Vater und Sohn stand es beileibe nicht zum Besten. Sein Ausbleiben vergrößerte die Spannungen noch und nährte den Argwohn des Kaisers.
Der offen zur Schau gestellte Trotz der lombardischen Rebellen fachte den Zorn  Friedrichs an. Es war eine massive Verletzung des Honor imperii. Die Kluft zwischen den Kaiserlichen, gemeinhin als Ghibellinen bezeichnet und den Oppositionelle, Guelfen genannt, wuchs weiter an. Im Gegensatz zu seinem Großvater, griff Friedrich II. dennoch nicht zu den Waffen, um dadurch ein neuerliches Exempel zu statuieren. Barbarossas Fanal an Mailand von 1162 sollte sich unter ihm nicht wiederholen. Stattdessen suchte er zum zwiten Mal den Schiedsspruch des Papstes. Nicht freiwillig, das darf gesagt werden. Lieber hätte er die oberrichterliche Gewalt selbst ausgeübt, aber genau daran, an der vermeintlichen Voreingenommenheit des kaiserlichen Gerichts, entzündete sich überhaupt erst der Gegensatz. Für den Moment erneuerte er nur die Reichsacht über die rebellischen Städte und wartete auf das päpstliche Urteil.

Unabhängig dieser reichspolitischen Kontroversen, ist der Hoftag er im Hinblick auf Brandenburg von erheblichem Interesse. Friedrich II. belehnte hier im Dezember 1231 den Markgrafen Johann mit der Mark Brandenburg. Gleichzeitig erhielt sein Bruder die Eventualbelehnung für den Fall, dass Johann sterben sollte. Johann leitete zu diesem Zeitpunkt zwar schon seit sechs Jahren die Geschicke der Mark, doch erst mit der formellen Belehnung erhielt seine Regierung einen offiziellen Charakter. Streng genommen endete auch jetzt erst das Interregnum in Brandenburg. Für gewöhnlich ist ein Reichsfürst bei einem so bedeutsamen Ereignis wie der der Belehnung mit einem Reichslehen persönlich zugegen, im Falle Johanns und Ottos gibt es allerdings keinerlei Hinweise, dass sie in Ravenna weilten. Auf keiner der dort ausgestellten Urkunden erscheinen die Markgrafen unter den Zeugen. Wären sie anwesend gewesen, hätten wir sie unzweifelhaft auf wenigstens einigen der Schriftstücke als Mitunterzeichner gefunden. Die Anreise und sofortige Abreise kann man als Erklärung ausschließen, auch wenn der eine oder andere Historiker dies zu Felde führt, so Hermann Krabbo, dessen sonstigen Auslegungen man mit gutem Gewissen folgen kann. Die Lösung des Anwesenheitsproblems ergibt sich durch den 1221 zwischen Markgräfin Mechthild, ihren unmündigen aber mitzeichnenden Söhnen und dem Magdeburger Erzbischof Albrecht geschlossenen Vertrag. Wir erinnern uns, dass der Erzbischof sich darin ausdrücklich verpflichtete den beiden Markgrafen bei der Belehnung durch den Kaiser behilflich zu sein. Dass Erzbischof Albrecht hierzu der geeignete Kandidat war, erkennt man an der Tatsache, dass bis zu seinem Tod einer der wichtigsten Berater und Unterstützer des Kaisers war. Seine wiederholten Aufenthalte in Italien wurden erwähnt, wo er in reichspolitischen Angelegenheiten dem Kaiser diente. Sein Einfluss auf Friedrich II. war hoch. Alle Vorraussetzungen zur Belehnung waren erfüllt. Johann war mittlerweile 18, der Kaiser war auf dem Höhepunkt seines Ansehens und hatte endlich Zeit sich den Angelegenheiten des nördlichen Reichsteils zu widmen. Der Hoftag bot die angemessene Kulisse und das notwendige Publikum für einen Belehnungsakt, den der Erzbischof initiierte und wohl stellvertretend für Johann empfing. Der Belehnungsakt war zwischenzeitlich fast zum reinen Formalismus geworden, kein König oder Kaiser konnte es ohne triftigen Grund wagen, die Nachfolgebelehnung zu verweigern. Unter den weltlichen Reichsfürsten hätte es größte Besorgnis um die eigene Nachfolge ausgelöst. An deren unausbleiblichem Widerstand, wäre ein solches Verfahren, das ursprünglich die spezifische Personenbelehnung, nicht aber notwendigerweise die Belehnung des oder der männlichen Erben vorsah, gescheitert. Längst war die unmittelbare Vererbung der väterlichen Reichslehenen auf die nächste männliche Generation üblich geworden, aus Gewohnheit wurde Recht, der Lehnsakt verkam zu einer reinen Formsache, um den Anschein zu wahren. Nachträglich interessanter war eine andere Verlautbarung. Neben der eigentlichen Belehnung, wurde dem Haus Brandenburg die Oberlehnsherrschaft über das Herzogtum Pommern gegeben, genau genommen die unter Kaiser Heinrich VI. bereits ausgesprochene Oberherrschaft bestätigt. Die Herzöge von Pommern verloren erneut ihre Reichsunmittelbarkeit, die sie einst von Barbarossa erhielten, bald wieder einbüßten, indem sie ein zweites Mal unter dänisches Diktat gerieten. Nach den dänischen Niederlagen bei Mölln 1225 und Bornhöved 1227, war Pommern wieder für kurze Zeit unabhängig geworden. Mit der Urkunde von Ravenna, die zum Zeichen ihrer Bedeutung mit einer goldenen Bulle versehen wurde, endete nach vier Jahren diese Unabhängigkeit schon wieder, wenngleich Brandenburg seinen Anspruch erst geltend machen musste, denn die Herzöge unterwarfen sich nicht freiwillig. Wir kommen darauf zurück.

Die kaiserliche Entscheidung in dieser Sache bleibt erstaunlich. Zur Erklärung gehen wir acht Jahre zurück, ins Jahr 1223. Im Mai hatte der Schweriner Graf Heinrich den dänischen König Waldemar II. und seinen ältesten Sohn und königlichen Mitregenten, ebenfalls Waldemar mit Namen, in abenteuerlicher Weise gefangen genommen und ins Reich verschleppt. Dänemark war in den zurückliegnden rund 20 Jahren zu einer Großmacht geworden und hatte eine Anzahl deutscher Fürsten unter seine Lehnshoheit gebracht. Des Grafen Husarenstück brachte neue Bewegung. Wie einst der Babenberger Herzog von Österreich seinen illustren Gefangenen Richard Löwenherz an Kaiser Heinrich VI. dem Kaiser auslieferte, dachte auch der Schweriner Graf beim aktuellen Haupt, bei Friedrich II. Rückendeckung einzuholen, denn ganz wohl war ihm mit seiner Beute nicht, hatte er doch keinerlei Macht eine zu erwartenden dänischen Militärschlag abzuweisen. Dass sich eine norddeutsche Fürstenkoalition wider Dänemark bilden würde, war zum damaligen Zeitpunkt nicht gesichert. Er trat also in Verhandlungen mit dem abwesenden, in Italien verweilenden Kaiser. Am 24. September 1223 kam es zum Vertrag von Nordhausen. Hierin wurden die Bedingungen definiert, unter welchen die Gefangenen, die an das Reich ausgeliefert werden, auf freien Fuß kämen. Sie mussten dem Grafen Urfehde schwören, das heißt auf jede Form der Rache verzichten, alle Gebiete jenseits der Eider wieder abtreten. Weiter dem Grafen Heinrich, den Grafen Adolf von Dassel und Adolf von Schauenburg zurückgeben, was ihre Vorväter besaßen. In diesem Passus waren auch die „pueri de Brandenburg“ aufgeführt, die beiden brandenburgischen Knaben. Mit dem Besitz, bezogen auf Brandenburg, war Pommern gemeint. Bedingung für die Rückerstattung war die aktive Unterstützung in dem sich ohne Zweifel bald abzeichnenden Krieg gegen Dänemark, denn der gefangene König und der dänische Kronrat, lehnten alle Bedingungen kategorisch ab. In den erwähnen Schlachten von Mölln (1225) und Bornhöved (1227) wurde das dänische Heer jeweils entscheidend geschlagen, der König, ohne Aussicht auf militärischen Erfolg, war daraufhin zur Annahme gezwungen. Brandenburg verhielt sich neutral, die Hintergründe dazu habe. wir weiter oben erläutert. Bezogen auf die Klauseln des  Nordhausener Vertrags, hatte Brandenburg, hatten die Markgrafen keinen Teil beigetragen, eher noch das Gegenteil, dennoch waren sie Nutznießer in der Belehnungsbulle von Ravenna, acht Jahre später. Die Frage nach Friedrichs Beweggründen ist noch unbeantwortet, gedankenlos dürfte es nicht vorgenommen worden sein, dagegen spräche schon die intensive Beratung durch den Magdeburger Erzbischof Albrecht, der als norddeutscher Fürst die dortigen Verhältnisse bestens kannte, auch wenn er in Reichsgeschäften ausnehmend stark gebunden war. Die wahrscheinlichste Erklärung dürfte die unsichere Ausgangslage im Nordosten sein. Während sich in Holstein eine Stabilisierung zeigte und eine erneute dänische Militärintervention auf absehbare Zeit unwahrscheinlich war, sah die Situation in Pommern anders aus. Die dänische Flotte, die Rede ist von einigen dutzend Schiffen, Flotten wie man sie aus späteren Zeiten kannte, sind hier natürlich nicht gemeint, konnte die deutsche Ostseeküste leicht kontrollieren und jederzeit Truppen entlang des langen Küstenverlaufs anlanden oder sogar über die Oder flussaufwärts bringen. Es war ein gelungener Schachzug des Kaisers, wenn er durch die brandenburgische Lehnshoheit über Pommern, die Markgrafen zur Schutzmacht erklärte, die einerseits das Gebiet gegen Angreifer verteidigen würden und die andererseits, bezogen auf Dänmark, in allerbestem Einvernehmen standen. Dänemark würde eher nicht das Einflussgebiet eines befreundeten Fürstentums angreifen wollen und so zu seinen deutschen Gegnern ein weiteres Fürstentum hinzuaddieren. Zuletzt vergessen wir darüber nicht, dass Pommern, dass seine beiden Herzöge, sich sehr wohl als unabhängig betrachteten, egal was ein ferner Kaiser, der sich seit Jahren in Italien aufhielt, oder sein königlicher Sohn und Statthalter, dessen Autorität vom Kaiser fortwährend untergraben wurde, oder zwei Markgrafen, wovon einer gerade herangewachsen war, dazu sagten. Die brandeburgische Lehnshoheit über Pommern war formell vielleicht gegeben, tatsächlich aber völlig vage und genau das wusste der Kaiser selbstverständlich.


Otto wird offizieller Mitregent

Das Jahre 1231 ging für die beiden askanischen Markgrafen in Brandenburg mit der Belehnungsbulle von Ravenna überaus erfolgreich zu Ende. Die formelle Belehnung mit der Mark war vollzogen, Otto erhielt die Eventualbelehnung für den Fall dass Johann sterben sollte und als Krönung war die Lehnshoheit über Pommern ein weiteres Mal verliehen worden, womit der brandenburgische Anspruch reichsrechtlich für den Augenblick kaum mehr bestritten werden konnte. Dass die Dinge im steten politischen Wandel waren, muss kaum erwähnt werden. Es galt immer den Moment auszunutzen, um entweder die  Weichen für zukünftige Maßnahmen zu stellen, oder vollendete Tatsachen schaffen. Die Mark Brandenburg hatte zwischenzeitlich eine imposante Ausdehnung erreicht. Im Norden des Reichs gab es kein größeres Fürstentum an Fläche. Seine Infrastruktur war jedoch noch schwach entwickelt, besonders jenseits der wenigen städtischen Zentren, die sich östlich der Oder alle an Flüssen hatten. Nur die Altmark war auch in der ländlichen Peripherie einigermaßen konsistent entwickelt. Größe und das Entwicklungsdefizit in der Fläche, das sich je weiter nach Osten, je mehr bemerkbar macht, erschwerte eine effektive Landesregierung, die auf ständige Reisetätigkeiten des Landesherren gegründet war, analog zum Reisekönigtum der römisch-deutschen Könige und Kaiser.

Siegel Markgraf Ottos III.

Dies und sicher auch das ausgeprägt gute Verhältnis, veranlasste Johann im Laufe des Jahres 1233 seinem Bruder Otto die  volle Mitregentschaft in der Mark einzuräumen. Ein schriftliches Vertragswerk, sofern je eines ausgestellt wurde, existiert nicht mehr. Als  Beweis der Annahme dient ein erstmals diesem Jahr aufgetretenes, eigenes Siegel Ottos III. Wir erwähnten es, auch wenn er zuvor schon auf Urkunden als Mitzeichner neben seinem Bruder erschien, war bislang nur das Siegel Johanns in Erscheinung getreten. Weshalb Johann sich gerade im Jahre 1233 dazu entschied, hat vermutlich damit zu tun, dass Otto in diesem Jahr volljährig wurde.

Möglicherweise bahnte sich schon in diesem Jahr ein wichtiges Hochzeitsprojekt an und die Standeserhöhung Ottos war hierzu eine notwendige Voraussetzung. Wir sehen Markgraf Otto, gemeinsam mit seinen Verwandten, dem Grafen Heinrich von Anhalt, der ehemalige Kindsvormund von 1220 – 1225, und Herzog Albrecht von Sachsen-Wittenberg, am böhmischen Hof König Wenzels I. (1205 – 1253). Das beschriebene Zerwürfnis der Brüder Heinrich und Albrecht, aus der askanischen Nebenlinie Herzog Bernhards III. von Sachsen, schien längst überwunden, ebenso das zwischen der brandenburgischen – und der sächsischen Linie und man betrieb zu diesem Zeitpunkt gemeinsame Politik. Ob schon 1133 ein Heiratsvertrag vereinbart wurde, ist nicht nachweisbar, es fehlt das schriftliche Zeugnis, fest steht, dass Otto im Juni 1243 die älteste Königstochter Beatrix von Böhmen heiratete. Die Liste der aus dieser Verbindung geborenen Nachkommen folgt später. Beatrix brachte als Mitgift die Oberlausitz mit den Zentren Bautzen und Görlitz mit in die Ehe. Zu Beginn in der Form eines Pfandbesitzes, fiel die vom brandenburgischen Kerngebiet getrennte Landschaft später ganz an die Mark. 1234 wurde in Görlitz und 1240 in Bautzen, je ein Franziskanerkloster gegründet, als Keimzelle des Landesausbaus. Noch bevor das Gebiet überhaupt fest an die Mark gefallen war und sogar noch vor dem Vollzug der Ehe. Es bringt die Entschlossenheit zum Ausdruck, mit der die Markgrafen ihre Besitzungen zu entwickeln und auszuweiten suchten.

Den Bruder zum Mitregenten der Mark zu erheben zeugte nicht nur von großem Vertrauen in die gegenseitige Eintracht und bewies gewissermaßen auch so etwas wie ein visionäres Auge, denn die geteilte Regentschaft erwies sich alsbald überaus segensreich für Brandenburg.


Mainzer Hoftag von 1235

Kaiser Friedrich II. war seit 15 Jahren nicht mehr im deutschen Reichsteil gewesen. Die gewaltige Ausdehnung des Reichs, von der Nord- und Ostsee, bis hinunter nach Unteritalien, unterbrochen von reichsfreien Teilen, wozu der Kirchenstaat gehörte oder die Kaufmannsrepubliken Venedig und Genua, machten den Aufenthalt auf der unruhigen Appeninhalbinsel fortwährend erforderlich. Unter Papst Gregor IX. verschlechterte sich das Verhältnis zum Kaiser drastisch, was letztendlich zur Exkommunikation Friedrichs führte. Nach Wiederaufnahme in den Schoß der Kirche und politischer Aussöhnung im Jahre 1230, verbesserte sich die Beziehung, wenn auch schleppend, denn die machtpolitischen Gegensätze blieben erhalten. 1234 schmiedete eine Aufstand der Römer den Papst zeitweise an die Seite des Kaisers, der zu dieser Zeit in seinem Königreich Sizilien weilte. Hier suchte ihn der badische Markgraf Hermann V. von Zähringen (vor 1190 – 1243) im Spätjahr 1234 auf, um Klage gegen des Kaisers Sohn Heinrich VII., Regent im deutschen Reichsteil, vorzubringen. Bei Friedrich, der schon länger mit seinem ältesten Sohn haderte, den er übrigens außer im Jahre 1232, seit 1220 nicht mehr gesehen hatte, stieß der Markgraf auf offene Ohren. Der Kaiser Wiederrief die letzten Maßnahmen des Sohnes und löste damit eine ernste Regierungskrise nördlich der Alpen aus, da hierdurch die Autorität des königlichen Sohns massiv untergraben wurde.

Friedrich II. machte sich im April 1235 auf den Weg in den nordalpinen Reichsteil. Er schiffte bei Rimini, in der Markgrafschaft Ancona ein und reiste in kleinem Gefolge entlang der Küste ins Friaul. Bei Aquileia legte er an, wo ihn einige entgegengereiste deutsche Fürsten erwarteten. Es ging weiter, hart entlang der julischen Alpen, durch Krain nach Villach und von dort weiter in die Steiermark. Hier traf er Herzog Friedrich II. von Österreich. Er war der letzte männliche Vertreter der Babenberger und trug den Beinamen „der Streitbare“ gab, denn er führte mit so ziemlich jedem seiner Nachbarn Kriege. Der Herzog befand sich gerade wieder mit Böhmen im Streit und forderte vom Kaiser 2.000 Mark Silber andernfalls würde er ihm nicht mehr dienen und ins Lager seines Sohnes Heinrich wechseln. War es also schon wieder so weit? Stand dem Reich abermals ein Thronstreit bevor, dieses Mal zwischen Vater und Sohn? Hatte der Kaiser während seiner jahrelangen Abwesenheit, in der er sich in der Italienpolitik mit all ihren Facetten und dem Kreuzzug verausgabte, das Reich im nördlichen Teil allzu sehr vernachlässigt, so dass sich sein ältester Sohn dort als von ihm eingesetzter König in selbstherrlicher Weise die Alleinherrschaft anmaßte? Weder das eine noch das andere traf zu. Der Kaiser blieb in Kontakt mit den Fürsten im Norden, eine ganz wichtige Verbindungsperson war über ein Jahrzehnt der Magdeburger Erzbischof Albrecht, über den wir jetzt schon oft lasen. Er war im Oktober 1332 gestorben und jetzt buhlten neue Konstellationen um das Ohr beim Kaiser, so mancher davon stand auf regelrechtem Kriegsfuß mit König Heinrich, dass sie nicht unbefangen über ihn und seine Regentschaft im deutschen Reichsteil berichteten, so der schon genannte Markgraf Hermann von Baden, kann man sich vorstellen.

Die Situation vor der Heinrich VII. stand, war nicht einfach. Mit neun Jahren im April 1220 auf Betreiben des Vaters zum König gewählt, stand er zunächst unter der politischen Vormundschaft Erzbischof Engelberts von Köln, der ihn im Mai 1222 in Aachen zum römisch-deutschen König krönte und als eigentlicher Reichsverweser auftrat. Nach dessen Tod übernahm Herzog  Ludwig I. von Bayern im Jahr 1226 die Rolle des Reichsverwesers. Heinrich war jetzt etwa 15 Jahre alt und begann mit selbstständigen Regierungshandlungen. Zu den ersten erwähnenswerten Maßnahmen gehörte 1224 der „Treuga Henrici“, der Landfrieden Heinrichs. Es mag bezeichnend sein dass Heinrich in der Bekämpfung des ausufernden Fehdewesens und der Wahrung des Landfriedens, sowie dem besonderen Schutz der Wehrlosen, die ersten Schritte auf dem unsicheren politischen Parkett vornahm. Von einem eigensinnigen und oppositionellen Sohn und Regenten, konnte nach den ersten Handlungen nicht gesprochen werden, hinter einer Landfriedensordnung war eigentlich nichts Verwerfliches zu erkennen. Städte, Klöster und das einfache Landvolk sahen hierin auch einen wahren Segen, der Handel konnte sich entfalten, die Bauern mussten weder um das Vieh, noch ihre Ernte oder Höfe bangen. Allerdings war gleichzeitig ein wichtiges Grundrecht der Feudalherren dadurch zeitweise außer Kraft gesetzt, das Fehderecht. Wäre es dabei nur um vermeintlich gekrämnkte Ehre gegangen, hätte zur Genugtuun der mannhafte Zweikampf wohl ausgereicht einen Streit beizulegen, sofern die Kontrahenten hierzu den notwendigen Mut aufbrächten. Doch auch allgemeine Rechtsstreitigkeiten mussten nach Ausgang eines Gerichts- oder Schiedsverfahren, in Ermangelung jeglicher Exekutivkräfte im Reich, oft genug durch eigene  Machtmittel erstritten werden. Zuletzt war die fehlende Möglichkeit durch Plünderungen und Brandschatzungen sich und mehr noch, den eigenen ritterlichen Vasallen, die in Friedenszeiten oft genug vom Hand in den Mund lebten, Beute zu ermöglichen, ebenfalls ein Punkt, der vielen Adelsherren einen Landfrieden nicht unbedingt sympathisch machte.

Dem Beispiel des Vaters folgend, setzte Heinrich VII. auf die Städte, um durch sie das notwendige Gegengewicht zu den Fürsten zu schaffen, nachdem das Mittel der Reichskirche durch das Wormser Konkordat am erlahmen war und dem Papst großen Einfluss auf die deutschen Kirchenfürsten anlässlich ihrer Investitur verlieh. Hierdurch geriet Heinrich verstärkt in Konflikt mit den Fürsten, die ihm 1231 in Worms das schon erwähnte „Statutum in favorem principum“ abtrotzten. Friedrich II. war über den Vorstoß des in die Enge getriebene Sohnes verärgert, musste aber aus der Not heraus auf den Beistand der weltlichen Fürsten nicht verzichten zu können, 1232 im Friaul die Maßnahmen bestätigen. Heinrich, der die Vorhaltungen des Vaters über sich ergehen lassen musste, war gezwungen dem kaiserlichen Vater bedingungslose Treue zu schwören. Das Verhältnis war jetzt beiderseitig schwer angeschlagen. Verschiedene Einmischungen in die Regentschaftstätigkeiten der folgenden Jahre trieb den Keil zwischen Vater und Sohn, der jetzt unter den Fürsten nach Anhängern suchte aber nur sehr wenige fand. Auf einem 1234 zu Frankfurt von Heinrich abgehaltenen Hoftag verurteilte er ungerechtfertigte Ketzerverfolgung, womit er direkt den Bremer Erzbischof angriff, der anlässlich der Bremer Fastensynode, eine Provinzialsynode des regionalen Klerus, die Bewohner des Stedinger Landes zu Ketzern erklärte. In einer Elf Punkte beinhaltenden Anklageschrift, wurde ihnen unter anderem Dämonenkult, Teufelskult, Hostienschändung und weiteres vorgeworfen. Tatsächlich machten sie sich nur in einem, dem ersten Anklagepunkt schuldig, der Verweigerung des Kirchenzehnten. Der Kirche die ihr nach damaligem Recht und Sitte gebührenden Abgaben zu verweigern, konnte bei fehlender Umkehr und Buße zu den schlimmsten Folgen führen. Sie war sich bei der Sanktionierung von Zahlungsverweigerern nicht zu schade, haarsträubendste Falschanklagen zu erfinden, als Rechtfertigung für Bann oder gar Vertilgung ganzer Landstriche. Der König, ohnehin bei einigen Fürsten in schlechtem Ruf, stellte sich hier vor die Unglücklichen und gegen die Kirche, was zur sofortigen Exkommunikation durch den Papst führte. Kaiser Friedrich stand in dieser Sache nicht zu seinem Sohn, den er völlig seinen politischen Ambitionen opferte, da er den Papst für ein Bündnis gegen den Lombardenbund benötigte. Heinrich stand auf verlorenem Posten, gebannt, vom argwöhnischen Vater fortlaufend untergraben, mit einigen Fürsten im Konflikt, von der Masse der anderen Reichsfürsten bis zur Achtlosigkeit vernachlässigt, waren die Tage seines Königtums gezählt.

Über Österreich und Bayern, wo er in Regensburg Zwischenstopp machte, ging es weiter nach Nürnberg. Hier empfing er eine Abordnung Heinrichs, der seine demonstrative Unterwerfung ankündigte. Dem gingen vergebliche Bemühungen Heinrichs voraus, den Zug des Vaters sogar auf militärischem Wege zu stoppen. In der Schlacht im Swiggertal unterlag Heinrich einem Heer kaiserlicher Lokalfürsten. Am 2. Juli kam er schien der König in betont kleinem Gefolge und ohne jeden königlichen Habitus in der Kaiserpfalz zu Wimpfen, wo ihn der Kaiser jedoch nicht vorließ und die weitere Entscheidung auf ein Treffen zu Worms vertagte. Zwei Tage später zog der Kaiser in Worms ein, wo man ihm einen prachtvollen Empfang bereitete. Die Stadt wurde zuvor im Frühjahr vergeblich von Heinrich belagert. Zwölf Bischöfe, die Stadthonration und das Bürgertum begrüßten ihren Kaiser, der nach mehr als fünfzehn Jahren wieder innerhalb ihrer Mauern weilte. Dem Wormser Bischof Landolf von Hoheneck, einer von mehreren bischöflichen Parteianhängern Heinrichs, wurde demonstrativ die Gnade des Kaisers verweigert. Ein Vorzeichen auf die sich jetzt abspielenden Szenen. Heinrich unterwarf sich in zeremonieller Weise seinem Kaiser und Vater. Er erhoffte sich wieder in die Gunst des Kaisers aufgenomme zu werden. Den Berichten zufolge, soll er lange Zeit ausgesteckt liegend verharrt haben, bis er sich auf die Fürsprache der Fürsten hin, wieder erheben durfte, doch vergebens. Friedrich II. verweigerte ihm die Gunst, entzog ihm alle Ämter und Würden, ließ ihn gefangen setzen und nach Apulien, ins Königreich Sizilen abführen, wo er nach einer siebjährigen Odyssee, durch viele Gefängnisse, am 12. Februar 1242 in Kalabrien starb. Ein unbarmherziges Los für einen König, der als junger Knabe zum König des Reichs erhoben wurde, danach zeitlebens zwischen den Anforderungen des deutschen Reichsteils und der Hegemonialpolitik des kaiserlichen Vaters, zerrieben wurde und am Ende dessen  strategischen Bedürfnissen geopfert wurde.

Welche Seite in Friedrich II. bei der Entscheidung die Oberhand gewonnen hatte, ist schwer zu sagen. Der Kaiser, welcher der Tradition gemäß die rituelle Unterwerfung, die „Dedtio“ nicht hätte ausschlagen dürfen, es aber aus dem Gesamtkontext der politischen Erwägungen tun musste, oder der Vater, der dem eigenen Sohn die natürliche Milde nicht hätte verweigern dürfen, schon aus christlicher Motivation heraus, doch gekränkt und dem Kind, das er in fünfzehn Jahren fast nie gesehen hatte, entfremdet und innerlich gekränkt, jede Gnade verweigerte. Am Ende war vielleicht die spezifische Persönlichkeit Friedrichs ausschlaggebend, der seinerseits ohne Vater groß wurde und in jungen Jahren Spielball von lokalen Kräften in Sizilien, sowohl solcher die kaiserlich gesinnt waren, als auch solcher die partikularistisch, sizilianisch waren. Wo der Papst als ferner Vormund in Rom, die politischen Bedürfnisse des Kirchenstaats, denen des staufischen Kindes vorweg stellte und ihn als Marionette im Kampf gegen Kaiser Otto IV. in Positur brachte.

Wir kommen an späterer Stelle auf den facettenreichen Charakter des Kaisers zurück und wenden uns dem Mainzer Hoftag zu, dessen Höhepunkt die große Landfriedensordnung oder Großer Reichslandfrieden war. Er stellte den Höhepunkt kodifizierter Rechtsregelungen im deutschen Hochmittelalters dar und war das dritte der großen Reichsverfassungswerke während der Herrschaft Friedrichs. Um nicht einen falschen Eindruck zu erwecken, keines der Schriftstücke war gezielt herbeigeführt worden, sie entstanden alle aus der Dynamik der allgemeinen Zustände im Reich.

Der Hoftag begann am 15. August 1235. Mehrere wichtige Entscheidungen wurden auf ihm beschlossen, wobei der Landfriede den nachträglich bedeutendsten Teil ausmachte. Auf der gleichen Versammlung suchte der Kaiser seine Nachfolge neu zu regeln, nachdem er seinem ältesten Sohn Heinrich in Worms aller Ämter, Privilegien und Erbe entzogen hatte. Die Bestrebungen Friedrichs konzentrierten sich auf die Wahl seines siebenjährigen Sohns Konrad. Konrad war das einzige Kind aus zweiter Ehe mit der früh verstorbenen (†1228) Isabella von Brienne, Königin von Jerusalem. Die Fürsten lehnten die Wahl des siebenjährigen Knaben ab. Die Ereignisse rund um die Absetzung Heinrichs VII. waren noch zu frisch. Viele Fürsten, selbst wenn sie dem bisherigen Streit neutral gegenüberstanden, was auf den größten Teil der norddeutschen Fürsten zutraf, darunter die beiden Markgrafen von Brandenburg, waren skeptisch erneut einen unmündigen Knaben zu wählen. Ihr Vertrauen in den Kaiser, dessen politischer Schwerpunkt sich bislang hauptsächlich auf Italien beschränkte, war begrenzt. Man glaubte nicht an eine lange Verweildauer Friedrichs im deutschen Reichsteil.

Gehen wir auf den Teil der 29 Artikel des Mainzer Reichslandfriedens näher ein, der die deutlichste Wirkung zeigte. Die Eindämmung des ausufernden Fehdewesens, war zur großen Herausforderung geworden. Hierin waren sich grundsätzlich Städte und die regierenden Fürsten einig. Edelleuten aber auch Städten war es zur Durchsetzung ihrer Rechtsansprüche gestattet, zur Not zu den Waffen zu greifen. Aus der Not wurde die Regel, permanente, reichsweite Kleinkriege die Folge. Abgeschafft wurde das Grundrecht zur Fehde mit dem Landfrieden nicht nicht aber in ein Regelwerk eingepackt. Plötzliche Überfalle ohne jede Ankündigung waren beispielsweise verboten. Überhaupt musste zuvor ein Gericht angerufen werden, dass den Fall prüfte und ein Urteil fällte. Führte dies nicht zum Erfolg, war das Recht zur Fehde gegeben. Dem eigentlichen Beginn der Feindseligkeiten musste ein Fehdebrief vorausgehen, gefolgt von einer dreitägigen Pause. Da auf diese Art allen potenziellen Konfliktseiten Vorbereitungszeit blieb, war ein Überraschungsschlag ausgeschlossen, womit die Kleinkriege alleine deswegen zahlenmäßig erheblich reduziert wurden. Neu war, dass die Regelungen des Landfriedens dauerhaft waren und nicht zeitlich begrenzt.

Es wurde eine neue Institution geschaffen, dass Königliche Hofgericht. Es war eine ständige Instanz und oberste Appellationsstelle. In Streitfällen unter und gegen Reichsfürsten, war es die einzige legitimierte Gerichtsstelle. Es hatte keinen festen Standort und reiste mit dem Kaiser.

Kaiser Friedrich II. versäumte nicht in die 29 Artikel einen Passus einzubauen, der auf die 1220 und 1231/32, erst den geistlichen-, dann den weltlichen Fürsten zugestandenen Privilegien einging. Er betonte darin, dass die den Fürsten zugestandenen Regalien von Reichs wegen, durch den Kaiser vergeben wurden, was zum Ausdruck brachte, dass diese zwar das Nießrecht, allerdings kein Besitzrecht daran besaßen. Die kaiserlichen Regalien blieben ein Reichsgut.

Den Abschluss des ereignisreichen Mainzer Hoftags, bildete die Belehnung Herzog Ottos von Braunschweig-Lüneburg. Der Vorgang setzte einen offiziellen  Schlussstrich unter den langen Gegensatz zwischen Staufern und Welfen. Der am 21. August 1235 feierlich begangenen Zeremonie wohnten sechs Erzbischöfe, 19 Bischöfe, der Deutschmeister (Landmeister) des Deutschen Ordens und zahlreiche weltliche Fürsten, darunter die beiden brandenburgischen Margrafen Johann und Otto, die Schwäger des Herzogs, bei. Wir dürfen aus dieser Erwähnung den Schluss ziehen, dass sie mit größter Wahrscheinlichkeit während des gesamten Zeit anwesend waren und somit erstmalig an einem kaiserlichen Hoftag teilnahmen. Jener für Brandenburg so wichtige Tag von Ravenna aus dem Spätjahr 1231, haben sie aus den zuvor ausgeführten Gründen wohl persönlich nicht besucht.

Der Kaiser hob anlässlich des Zeremoniells die Treue des Herzogs hervor, der in der Zeit, als Friedrich II., abwesend im Heiligen Land unter Kirchenbann stand, die an ihn herangetragene Aufforderung zur Ergreifung der Krone mit den Worten ablehnte, „Er wolle nicht sterben wie sein Oheim Otto IV.“.  Als Zeichen seiner Unterwerfung unter den Kaiser, resignierte er umfangreichen Alodialbesitz im Raum Lüneburg und nahm sie vom Reich, vom Kaiser, als Lehen wieder entgegen. Den Streit um die Stadt Braunschweig legte er durch eine Kaufbergleich bei. Dem Markgrafen von Baden und dem Herzog von Bayern, die über ihre Ehefrauen, Schwestern des verstorbenen Heinrichs von Braunschweig, um dessen reiches Erbe man lange stritt, wurde jeweils deren Rechtsanspruch abgekauft. Alle Gebiete, die lüneburgischen wie die braunschweigischen, wurden zu einem Herzogtum zusammengefasst und nun ganz offiziell Otto verliehen.

Langfristig profitierte Brandenburg von dem im Westen sich stabilisierenden Machtgefüge in Form eines starken Herzogtums, zu dem man gleichzeitig in engem, familiärem Verhältnis stand. Es ermöglichte den markgräflichen Brüdern Johann und Otto alle Kräfte auf die Expansion im Osten zu konzentrieren, wo die letzten unerschlossen Slawengebiete unter dem Zugriff aller Anreinerfürsten rasant dahinschmolzen.


Heiratsverbindung mit Dänemark

Spätestens im Jahre 1235 wurde die vermutlich bereits 1230 in Schleswig vereinbarte Ehe zwischen Markgraf Johann I. und der dänischen Prinzessin Sophia (1217 – 1247) vollzogen. Sie war Tochter König Waldemars II. von Dänemark, ihre Mutter, die portugiesische Prinzessin Berengaria, war eine Tochter König Sanchos I. von Portugal. Die Beziehung zwischen Dänemark und Brandenburg war zwischenzeitlich so strategisch für König Waldemar geworden, dass er seine einzige Tochter dem Markgrafen vermählte. Zweifelsfrei hing die Verbindung mit den ungebrochenen dänischen Ambitionen entlang der südlichen Ostseeküste zusammen. Der König wollte die einstmaligen Ansprüche in Pommern, trotz der militärischen Niederlagen der Vorjahre nicht kategorisch aufgeben. Als der Kaiser im Dezember 1231, in der Bulle von Ravenna, Brandenburg mit Pommern belehnte, wurde das Heiratsprojekt in besonderm  relevant für Waldemar und tatsächlich mussten im Jahre 1335 bereits wieder Teile Pommerns unter dänische Kontrolle gekommen sein, denn Sophia brachte Teile des Landes Wolgast als Mitgift in die Ehe. Bei der Einordnung um welche welche Landstriche es sich im Einzelnen handelte, darf man sich nicht von den wechselhaften territorialen Besitzverhältnissen in den späteren pommernschen Herzogtümern  Pommern-Wolgast, Pommern-Stettin, Pommern-Stolp irritieren lassen. Am wahrscheinlichsten dürfte ein Landstrich nördlich Neu-Brandenburgs und der Uckermark sein, bis auf die Höhe Anklam, einen Zugang zur Ostsee beinhaltete der Gebietszuwachs nicht. Die dänische Territorialpolitik beruhte auf der Kontrolle küstennaher Gebiete, dass das verschwägerte Brandenburg die Binnenlandregion kontrollierte und dadurch den dänischen Besitzstand an der Küste sogar landeinwärts sicherte, konnte nur von Vorteil sein. Wenn Brandenburg sich durch die dänische Präsenz entlang Teilen der Küste Pommerns nicht in seinem Oberlehnsrecht beeinträchtigt sah, lässt sich das am einfachsten dadurch erklären, dass die Unterwerfung der verschiedenen herzoglichen Linien der Greifen, mehr gekostet als gebracht hätte. Die reale Unterwerfung ganz Pommerns unter brandenburgisches Dominat, blieb zum damaligen Zeitpunkt unrealistisch, demgemäß war die portionsweise Errichtung eines gesicherten Einflusses auf kleines Teile, allemal sinnvoller.

Mit der Heiratsverbindung war der brandenburgische Systemwechsel besiegelt. Aus dem generationenlangen Krieg gegen Dänemark, unter den Markgrafen Otto I., Otto II. und Albrecht II., entstand 1219 ein wackliger Friede, der in eine lange Neutralität bis ins Jahr 1230 überging. Als im Jahre 1230 zu Schleswig der mehrjährige Krieg zwischen einer norddeutschen Fürstenkoalition und Dänemark mit der Freilassung der letzten Geiseln offiziell beendet wurde,  trat Markgraf Johann I., damals etwa 17 Jahre alt, unter den dänischen Bürgen auf. Es war sehr wahrscheinlich, dass seinerzeit die Verbindung mit Prinzessin Sophia vereinbart wurde. Aus Feindschaft wurde Neutralität, daraus Freundschaft und am Ende Familie. Ob Johanns Vater Markgraf Albrecht II., der bis auf sein letztes Lebensjahr, während seiner gesamten Regierungszeit im Krieg mit Dänemark lag, dies für möglich gehalten hätte, bleibt unbeantwortet.

Mit Sophia kamen zwei im dänischen Königshaus populäre Namen in die Ahnenreihe der brandenburgischen Askanier. Erich, abgeleitet vom nordischen Erik und Waldemar. Die genaue Liste der Nachkommen Johanns führen wir im nächsten Kapitel auf.


Vertrag von Kremmen

Auf eine Schenkung an die Marienkirche des Zisterzienserordens in Walkenried Anfang des Jahres 1236 gehen wir nur kurz ein. Das geschenkte Gut, im vorliegenden Fall 100 Hufen Land in der Uckermark, nach heutigem Flächenmaß stolze 1.700 Hektar, diente wie stets dem Seelenheil der verstorbenen Ahnen und dem eigenen Seelenheil.

Wenden wir uns dem Hauptereignis des Jahres zu, zumindest aus der Sicht Brandenburgs. Am 20. Juni 1236 traf sich Markgraf Johann in Kremmen mit Herzog Wartislaw III. von Pommern-Demmin zusammen. Johanns Bruder Otto war zu dieser Zeit auf dem Weg zum kaiserlichen Hoftag nach Augsburg und sicherlich wäre Johann dem Ruf des Kaisers ebenso gefolgt, wären die Ereignisse nicht so dringlich gewesen. Wartislaw unterwarf sich dem Markgrafen, trat das Land Stargard an Brandenburg ab und nahm den Rest seines Herzogtums als Lehen von beiden Brüdern. Oberflächlich betrachtet, folgte er damit der kaiserlichen Goldbulle von Ravenna aus dem Jahre 1331, doch realistisch gesehen zwangen ihn die Umstände der zurückliegenden Monate dazu. Die reine Not und Sorge sein ganzes Herzogtum oder wenigstens große und wichtige Teile davon zu verlieren, trieben ihn zu diesem, man muss es so sagen, Verzweiflungsschritt.

Was war geschehen? Ein Rückblick ins Jahr 1227 und ins Nachbarfürstentum Mecklenburg ist zur weiteren Erläuterung notwendig. Dort war am 28. Januar 1227 Fürst Heinrich Borwin I. von Mecklenburg gestorben. Ein direkter Nachfahre, genauer gesagt ein Enkel des großen Abodritenfürsten Niklot. Seine Söhne, der jüngere Nikolaus II. († 1225) und der ältere Heinrich Borwin II. († 1226), starben noch beide vor ihm. Der erstgeborene Sohn hatte seinerseits vier Söhne, Johann, Nickolaus, Heinrich Borwin und Pribislaw. Sie übten nach dem Tod des Großvaters zunächst gemeinsam die Herrschaft über das Fürstentum Mecklenburg aus, wobei nur Johann und Nickolaus zu diesem Zeitpunkt mündig waren. Mit Heranwachsen der jüngeren Söhne, hier ist vor allem Heinrich Borwin genannt, entzündeten sich wiederholt Auseinandersetzungen um das Erbe. 1234 kam es zur sogenannten Ersten Mecklenburgischen Hauptlandesteilung. Das Erbe des Großvaters wurde unter den Brüdern in vier Teilfürstentümer aufgeteilt. Heinrich Borwin III., der sich von allen vier als der unruhigste und kriegerischste entpuppte, erhielt die Herrschaft Rostock. Er führte wiederholt gegen die eigenen Brüder Krieg und in der ersten Jahreshälte 1236 gegen den Pommernherzog Wardislaw III., dem er die Landschaften Gnoien und Kalen entriss und sich anschickte die Residenz Demmin im nächsten Zug anzugehen. In dieser akuten Notlage erinnerte sich der Herzog der brandenburgischen Markgrafen, die seit Ravenna 1231, seit jener Entscheidung Kaiser Friedrichs II.,  seine erklärten Lehnsherren, demzufolge Schutzherren waren. Natürlich spielte das für ihn, wie auch seinen Vetter, Herzog Barnim I. von Pommern-Stettin so lange keine Rolle, wie die Umstände ihnen alle erwünschten Freiheiten ließen, jetzt aber stand die Vertreibung aus seinem Teilherzogtum bevor, weswegen er sich zur Unterwerfung unter die Hoheit Brandenburgs bequemte. Reiner Selbstschutz und Pragamtismus trieben ihn dazu, nicht die Entscheidung aus freien Stücken, aus erwiesenem Gehirsam gegenüber dem kaiserlichen Dekret. Der Winkelzug des Herzogs verfehlte nicht seinen Zweck. Mit den brandenburgischen Brüdern wollte es der Fürst zu Rostock nicht aufnehmen. Dass beide nicht zögerten bei Bedarf zu den Waffen zu greifen, haben sie schon in den ersten Jahren ihrer Regentschaft mehrfach bewiesen, als sie sich beispielsweise in der Braunschweiger Erbangelegenheit ihres Schwagers nicht scheuten sogar dem römisch-deutschen König Heinrich VII. entgegenzutreten. Und seit der brandenburgischen Heiratsverbindung mit dem dänischen Hof, war man als Herrscher eines Fürstentums an der südlichen Ostseeküste, mit Dänemark quasi direkt vor der Haustür, gut beraten sein Glück nicht zu überstrapazieren.

Natürlich waren sich die Markgrafen Johann und Otto der Umstände die den Herzog zu diesem Entschluss trieben, völlig bewusst. Dass er nicht als reumütiger oder freiwilliger Vasalle kam, war augenscheinlich, demgemäß gaben sie ihm dann auch nicht sein ganzes, verbliebenes Herzogtum zu Lehen, sondern forderten das schon erwähnte Land Stargard, nicht zu verwechseln mit der Stadt Stargard östlich der Oder, im heutigen Polen, sowie die Gebiete Beseritz und Wustrow, die ebenfalls an die Mark fielen.

Innerhalb von zwei Jahren war Brandenburg auf völlig friedliche Weise im Norden deutlich angewachsen. Zum einen durch die Mitgift Prinzessin Sophias von Dänemark und dann durch die Abtretungen Herzog Wadislaws III., der gleichzeitig für sein Restherzogtum zum Vasallen Brandenburgs wurde, wenn auch zu einem unzuverlässigen, worüber sich Johann und Otto sicherlich völlig im Klaren waren uns sich keinen Illusionen hingaben. Nehmen wir noch die Anwartschaft auf die Oberlausitz hinzu, die durch Ottos Braut, Prinzessin Beatrix von Böhmen zunächst als Pfandbesitz, später als fester Territorialbesitz zu Brandenburg hinzukam, hatten die beiden Brüder schon jetzt, elf Jahre nach dem Markgraf Johann I. mit damals zwölf Jahren die Regierung übernahm, mehr erreicht als ihr Vater oder Großvater und sie waren noch im ersten Drittel ihrer langen und Regierung.


 

Buch 1, Kapitel VI: „Albrecht II.“


Albrecht war der dritte und jüngste Sohn  Markgraf Ottos I. Albrechts Mutter Adelheid war Ottos zweite Ehefrau. In einer auf den 1. Januar 1177 datierten Urkunde werden beide Personen erstmals namentlich erwähnt, womit er 1176 oder früher geboren wurde. Er erhielt den Namen seines berühmten Großvaters.
Nach dem Tod des kinderlos gebliebenen Halbbruders trat er 1205 dessen Nachfolge an. Er übernahm die Regentschaft in einer für das Reich schwierigen Zeit. Seit dem vorzeitigen Tod Kaiser Heinrichs VI. kämpften zwei gekrönte Könige um die Alleinherrschaft. Während die Partei der Staufer Philipp von Schwaben wählten, kürten die Reichsfürsten entlang des Niederrheins den Welfen Otto von Braunschweig. Schon seit sieben Jahre führten die Kontrahenten zwischenzeitlich den Kampf um den Thron, doch neigte sich das Kriegsglück allmählich dem Staufer zu.
In Brandenburg leiteten die Askanier mittlerweile in vierter Generation die Geschicke der sich langsam entfaltenden Mark. Der Aufstieg der Askanier von einfachen Grafen, mit verstreutem Besitz im östlichen Harzvorland und in Anhalt, hin zu Markgrafen oder, wie im Falle der sächsischen Nebenlinie, sogar zu Herzögen, schürte bei einigen der angrenzenden Fürsten längst Missgunst und führte unvermeidlich zu offener Rivalität. Im Wettlauf um die unerschlossenen Regionen zwischen Havel, Spree und Oder, griffen die Kontrahenten jetzt immer öfter zu den Waffen, nicht nur um sich Gebiete der heidnischen Slawen zu unterwerfen, auch schon um die jeweiligen Mitbewerber auf Distanz zu halten.


Die Elbslawen in Brandenburg und ihr Vermächtnis

Wenn von unerschlossenen Regionen die Rede ist, sind jene Landschaften gemeint, die noch überhaupt nicht oder nur kaum christianisiert waren, unter der Kontrolle unterschiedlicher elbslawischer oder spreeslawischer Stämme. Die  seit dem sechsten Jahrhundert entlang der Spree von Südosten eingewanderten Slawen vermochten das weite Gebiet nur sporadisch zu besiedeln. Vor den Slawen war unter anderem der Stamm der westgermanischen Semnonen seit dem ersten vorchristlichen Jahrhundert zwischen Elbe, Oder und zeitweise über die Oder hinaus, bis zur Warthe sesshaft gewesen, bevor diese unter Zurücklassung vom Resten gegen Ende des vierten Jahrhunderts im Rahmen der großen Völkerwanderung an den Oberrhein abwanderten.
Im zehnten Jahrhundert erfolgte erstmals ein dokumentierter sächsischer Vorstoß in die Region rechts der Elbe. König Heinrich I. brachte die Elbslawen unter die Herrschaft des ostfränkischen Reichs. Eine wirkliche Herrschaftsausübung erfolgte nicht, die unterworfenen Stämme wurden tributpflichtig und leisteten zeitweise Heerfolge. Sohn Otto I. unterteile im Jahre 965 die bis dahin pauschal als Ostmark bezeichneten, weiterhin fast ausschließlich slawisch besiedelten Gebiete östlich und südöstlich der Elbe, in fünf kleinere Marken, darunter die sogenannte Nordmark, deren damalige Gestalt  grob dem heutigen Bundesland Brandenburg entsprach. 983 kam es in der Nordmark zum großen Slawenaufstand. Im Lutizenbund vereint, schüttelten sie die Herrschaft des Markgrafen Dietrich von Haldensleben ab, vertrieben die Sachsen und ihre christlichen Missionare und zerstörten die Bistümer Havelberg und Brandenburg. Seither war das Land zwischen Elbe und Oder wieder autonom. Alle Versuche zur Zeit der späten ottonischen Herrscher das Land wieder dauerhaft zu unterwerfen, scheiterte am energischen Widerstand der Lutizen. Erst wieder im zwölften Jahrhundert, nachdem sich unter den slawischen Stämmen zunehmende Rivalitäten ausgebreitet hatten und der christliche Glaube bei vielen ihrer Edlen zur Mode wurde, zerbrach der Bund und die Zeit der Autonomie ging zu Ende. Teile der sächsischen Gaugrafen in den ehemaligen Grenzgauen, die zum Teil noch aus der Zeit Karls des Großen stammten, hatten sich in den zurückliegenden rund 300 Jahren zu Lokalgrößen entwickelt, die zunehmend ihre Fühler nach dem Osten ausstreckten. Einer von diesen war der Großvater Albrechts II., Albrecht der Bär. Doch nicht nur von Westen drückten die Christen in Gestalt sächsischer Fürsten ins spätere Brandenburg oder Pommern, im Osten tat es der polnische Adel, selbst slawischen Ursprungs aber christianisiert, den Sachsen gleich.
Auf die Idee den letzten heidnisch gebliebenen Völkerschaften Mitteleuropas Autonomie zuzugestehen, wäre im Hochmittelalter kein Christenmensch gekommen, ihre politische und religiöse Selbstbestimmung war das Ergebnis ihres langen und starken Zusammenhalts. Heiden galt es in der Vorstellung der Zeit zu missionieren, dass dabei kaum Rücksicht genommen wurde, war ein im ursprünglich ungewollter nichtsdestotrotz allgegenwärtiger Umstand. Sie besaßen bis zu ihrer Bekehrung wenig Rechte und waren selbst danach oft noch lange benachteiligt. Ihr rechtselbischer Lebensraum galt weitestgehend als Verfügungsmasse. Die Situation zu Beginn und während sächsischen Ostexpansion wurden stark vereinfacht wiedergegeben. Natürlich waren die Zusammenhänge komplexer, doch es soll genügen um das Legitimationsmotiv und Selbstverständnis der eindringenden christlichen Fürsten zu umreißen.  Nachdem sich abzeichnete, dass die alte Widerstandskraft gerochen war, galt Heidenland als frei verfügbares Land, immer unter der vordergründigen Maßnahme der Christianisierung. Der völlige Niedergang der Elbslawen begann seinen Lauf zu nehmen. Alle  Kulturelemente, die diesem Werk im Wege standen, mussten auf Dauer ausgerottet werden. Gemeint sind die Kultstätten oder Bräuche der Heiden, nicht die Menschen. Ausrottungen aus rassischem Dünkel war dem Mittelalter, übrigens auch der Antike, fremd. Der Mensch war ein Produktionsfaktor und alles in allem eine kostbare Ressource. Durch seine Arbeit und seine Abgaben finanzierte er das vorherrschende System. Durch den Kirchenzehnten profitierte im Übrigen niemand mehr, als die Kirche selbst, weshalb gerade von dort den noch oder vormals heidnischen Slawen Schutz widerfuhr.
In manchen Gegenden konnten sich die alten Bräuche für geraume Zeit halten. Kulturelemente die adaptiv waren, blieben erhalten, aber nur wenn sich jemand fand, der das eigene kulturelle Erbe hoch genug schätzte und auch weitergab. Die Slawen standen hierbei vor ähnlichen Schwierigkeiten wie die entlang der römischen Grenze sesshaft gewordenen germanische Stämme der Antike, die im Einflussbereich Roms lebten und deren Sitten unter Aufgabe eigener Bräuche einführten oder dem eigenen Leben anpassten. In Ermangelung einer geeigneten, genügend komplexen Schriftsprache, konnten alte Überlieferungen  meist nur unzureichend erhalten werden. Wurden die eigenen Stammesbräuche erst einmal infiltriert von fremden Einflüssen, begann erst eine Phase der Adaptierung, der eine schleichende, schließlich nicht mehr aufzuhaltende Verdrängung durch den dominanteren Teil folgte. Dort wo nicht wegen regionaler Isolation oder gezielter Abschottung ein Habitat erhalten werden konnte, war der Verlust der alten Identität nicht mehr zu stoppen. Vom slawischen Erbe sind im deutschkolonisierten Osten noch wenige Relikte übrig. Ortsnamen mit slawisch klingenden Endungen sind vielleicht noch die auffälligsten Überbleibsel einer sonst im Deutschtum aufgegangenen elbslawischen Kultur. Selbst die in der heutigen Nieder- und Oberlausitz mit Aufwand betriebene Unterstreichung des alten Erbes, der Sprache und überlieferten Brauchtums, kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass es mehr tourismusfördernde Folklore darstellt, denn lebendiges Brauchtum.


Graf Albrecht von Arneburg

Einiges von dem, was auf den kommenden Seiten zu lesen sein wird, wurde bereits im Kapitel über Markgraf Otto II. erwähnt, es kann trotzdem nicht schaden, eine Zusammenfassung unter veränderter Perspektive vorzunehmen.
Mit dem Tod Markgraf Ottos I. im Jahre 1184 erhielt Albrecht, zu diesem Zeitpunkt noch ein unmündiger Knabe, in der Altmark, nordöstlich von Stendal, die Grafschaft Arneburg als Erbe zugeteilt. Es war eine bescheidene Herrschaft, gerade groß genug um das Auskommen eines nachgeborenen Fürstensohns auf bescheidene Weise sichern zu können. Dass allen Söhnen die keine geistliche Laufbahn einschlugen ein Teil des väterlichen Erbes zugesprochen wurde, entsprach der üblichen, der fränkischen wie sächsischen Sitte. Mit der Zeit führte diese Praxis in vielen Fürstenfamilien zur Zersplitterung des Länderbesitzes so  dass ständige territoriale Bewegung im Reich vorherrschte. Auch Otto I. erhielt seinerzeit nur einen Teil des askanischen Erbes, nämlich die erst jetzt entstehende Mark Brandenburg. Bei seiner Regierungsübernahme bestand sie, bis auf die linkselbische Altmark, die so noch nicht hieß, hauptsächlich aus einem stark unterentwickelten, größtenteils slawisch besiedelten Heidenland. In seinen nicht ganz vierzehn Jahren Regentschaft tat er viel zur Besiedlung und  wirtschaftlichen Hebung des Landes, erwarb aber außer eines kleinen Gebiets nördlich der Prignitz, rund um die Tollense, keine weiteren Landschaften. Eine Verteilung seiner Landschaften zu gleichen Teilen unter den drei Söhnen wäre unvernünftig gewesen, es hätte Brandenburg zerstückelt. Trotzdem wollte er seine zwei jüngeren Sprösslinge nicht leer ausgehen lassen. Heinrich, der zweitgeborene Sohn aus erster Ehe erhielt die Grafschaft Gardelegen in der Altmark. Welches Witwengut der hinterbliebene Markgräfin angewiesen wurde, ist nicht bekannt. Es darf angenommen werden, dass auch sie ausreichend bedacht wurde. Vielleicht war vorgesehen, dass sie in der Grafschaft ihres damals unmündigen Sohnes Albrecht unterkam. Albrecht hatte in Arneburg etwas Autonomie und konnte bedingt wirken, das heißt sobald er das dazu notwendige Alter erreichte, denn bis dahin stand er unter Vormundschaft Ottos II. Albrecht wie Heinrich waren beide nur Grafen in Brandenburg und somit streng genommen Lehnsmänner des brüderlichen Landesherren, wenn auch Heinrich als Mitregent von Otto anerkannt wurde, während Albrecht das hierzu nötige Alter noch fehlte. Es liegt die Vermutung nahe, dass sich an der Frage der Mitregentschaft später der kurze aber schwere Streit zwischen Otto und Albrecht  entzündete, über den im vorangehenden Kapitel berichtet wurde. Albrecht geriet anlässlich einer gegen den Bruder geführten Aktion in dessen Gefangenschaft. In Kerkerhaft dürfte er nicht geraten sein, eher zu vermuten war strenger Hausarrest. Das Verhältnis war alles in allem nicht so zerrüttet, wie es in manchen Darstellungen vermittelt wurde, wo man von regelrechtem Hass liest. Die Halbbrüder versöhnten sich bald wieder und Albrecht wurde schließlich vom bislang kinderlosen Otto als Erbe eingesetzt und nahm an der Regierung teil. In den nachfolgenden Jahren sehen wir ihn immer wieder einträchtig an Ottos Seite. Besonders im Rahmen der Überschreibung des brandenburgisch-askanischen Allodialbesitz an das Erzstift Magdeburg, steht er hinter der Entscheidung Ottos II. und interveniert nicht dagegen.


Der Dritte Kreuzzug

Albrecht war zehn, vielleicht elf Jahre alt, als Papst Gregor VIII. im Jahre 1187 mit der Bulle Audita tremendi zur Heerfahrt nach Palästina aufrief. Die Heiligen Stätten sollten wieder aus den Händen der Ungläubigen gerissen werden. Zur Befreiung Jerusalems schlossen sich mit König Philipp II. von Frankreich, König Richard I. Löwenherz von England und dem römisch-deutschen Kaiser Friedrich I. Barbarossa, die drei mächtigsten Monarchen Europas dem Aufruf an. Kaiser Barbarossa, bereits im hohen Alter, nahm auf einem feierlichen Hoftag zu Mainz, März 1188 das Kreuz auf. Zahlreiche Fürsten des Reichs taten es ihm gleich, ebenso sein Sohn, Herzog Friedrich von Schwaben, der noch vor dem Vater das Kreuz aus den Händen des päpstlichen Legaten, Kardinalbischof Heinrich von Albano entgegennahm. Nach einem Jahr Vorbereitung sammelte sich bei Regensburg das größte bislang bekannte Kreuzfahrerheer und begann am 11. Mai 1189 den langen und beschwerlichen Landweg ins Heilige Land.
Markgraf Otto II. schloss sich dem Zug nicht an, er war auch nicht auf dem Mainzer Hoftag zugegen. Seit 1184, als er zu Pfingsten am prächtigen Tag zu Mainz teilgenommen hatte, sah man ihn nicht wieder an der Seite des Kaisers. Es hat den Eindruck, dass er die Politik des Vaters, der sich in Reichsangelegenheiten wenig engagierte, fortzuführen gedachte. Die allgemeine Quellenlage dazu ist mangelhaft, eine Erklärung zu finden fällt schwer aber es scheint, dass seit der Entscheidung Barbarossas Pommern zu einem reichsunmittelbaren Fürstentum zu erheben, ein Schatten auf dem Verhältnis des brandenburgischen Markgrafen und Friedrich I. haftete. Dass der märkische Zweig der Askanier 1180 bei der Entmachtung Heinrichs des Löwen völlig leer ausging, mag schon vor der Pommern betreffenden Entscheidung eine wichtige Rolle gespielt haben. Man kann die Passivität Brandenburgs – vergleicht man sie mit den außerordentlichen Aktivitäten des sächsischen Familienzweigs unter Bernhard I., dem herzoglichen Onkel – kaum anders interpretieren, als einen gezielten Rückzug in Reichsangelegenheiten.

Der Weg der deutschen Kreuzfahrer entlang der Donau, führte durch das verbündete Ungarn und glich stellenweise einem regelrechten Triumphmarsch. Die Situation änderte sich auf dramatische Weise, sobald byzantinisches Gebiet erreicht wurde. Für Barbarossa und sein Heer sollte der weitere Verlauf des Kreuzzugs fortan mit den größten Strapazen, Entbehrungen und schwersten Kämpfen verbunden sein. Der byzantinische Kaiser Isaak II. Angelos (1155 – 1204) verweigerte dem deutschen Heer die Versorgung und Weiterreise, entgegen aller zuvor geschlossen Vereinbarungen. Es war ein frevelhafter Vertragsbruch. Konstantinopel sah im Sacrum Imperium Kaiser Friedrichs den unwürdigen Rivalen um die wahre Nachfolge Roms und seiner Cäsaren. Die Rivalität ging so weit, dass der christliche, wenn auch orthodoxe oströmische Kaiser zwischenzeitlich mit Saladin ein heimliches Abkommen gegen die Kreuzfahrer geschlossen hatte. Neue Verhandlungen zwischen den Deutschen und Byzanz führten zu keinem Ergebnis. Es wurden sogar Unterhändler gegen alle Ehre und Sitte von den Byzantinern gefangen gesetzt. Barbarossa sah sich in einer prekären Lage. Gelang ihm der Weitermarsch ins Heilige Land nicht, würde sein Ansehen unter den europäischen Monarchen erheblich leiden. An den Kaiser, den weltlichen Schutzherren der Christenheit, waren in dieser Beziehung besonders hohe Erwartungen geknüpft. Ein Abbruch des Kreuzzugs und Umkehr war keine Option. Als Reaktion auf die Gefangennahme seiner Unterhändler ließ der Kaiser am 26. August 1189 Philippopel, das heutige Plowdiw sowie Umgebung plündern. Der byzantinische Kaiser blieb hart, worauf Barbarossa Anfang November Adrianopel, heute Edirne im äußersten Westen des europäischen Teils der Türkei, eroberte. Dicht bis an die Mauern der byzantinischen Hauptstadt, dem Rom des Ostens, plünderten die seit Monaten festsitzenden Kreuzfahrer, um an dringend benötigte Versorgungsgüter zu erlangen. Erst nachdem Friedrich I. mit den aufständigen Serben und Wallachen ein Bündnis zur Eroberung Kostantinopels schloss, gab Isaak II. unter dem Eindruck einer drohenden Niederlage nach. Er stellte die ursprünglich vereinbarten Transportschiffe und Lebensmittel zur Verfügung. Ende März 1190 überquerte das deutsche Heer den Hellespond und betrat den Boden Kleinasiens.

Auf dem Marsch durch das gebirgige Zentralanatolien litten die Kreuzfahrer abermals unter ernsten Versorgungsproblemen. Mit dem Sultan der Rum-SeldschukenKılıç Arslan II., er trug den Beinamen Löwenschwert, hatte Barbarossa gleichfalls ein Abkommen zum freien Durchmarsch und Versorgung abgeschlossen, doch der greise Sultan hatte zwischenzeitlich die Regierung weitestgehend an seine Söhne abgegeben, die ihrerseits mit Saladin ein Abkommen geschlossen hatten. Dem Kaiser blieb dies unbekannt, doch operierte  er vorsichtig und wählte den beschwerliche Weg durchs Gebirge, um den Pass von Myriokephalon zu meiden. Dort war 1176 ein byzantinisches Heer von Sultan Kılıç Arslan II. geschlagen worden. Der Weg über die schmalen Bergpfade ließ die Marschreihen weiter und weiter in die Länge ziehen, wodurch die Kolonne anfällig wurde gegenüber Angriffen aus dem Hinterhalt, die sich fortlaufend ereigneten. Die Wegverhältnisse und die lästigen Überfälle vermeintlicher Wegelagerer verlangsamten das Vorankommen der Kreuzfahrer drastisch. Akute Wasserknappheit stellte sich ein und ließ viele der überaus wichtigen Zug- und Reittiere verenden. Das Heer schleppte sich entkräftet weiter.  Am 7. Mai 1190, die größte Hitze war bis dahin noch nicht einmal angebrochen, erreichte die Vorhut unter dem Kommando von Herzog Friedrich von Schwaben endlich die Ebene bei Philomelion, wo sie von einem seldschukischen Heer erwartet wurden. Jetzt war es offensichtlich geworden, die im Gebirge aufgetretenen Angreifer, waren in Wirklichkeit keine Wegelagerer, stattdessen waren es schon dort Einheiten der Rum-Seldschuken.
Zwischen der Kreuzfahrervorhut und den in der Ebene wartenden Kräften der Seldschuken entspannte sich eine Schlacht. Die gegnerischen Verbände standen unter dem Kommando von Qutd-ad-Din, dem ältesten Sohn des Sultans. Das Gefecht blieb verhältnismäßig klein, die Masse der deutschen Streitkräfte befand sich zu dieser Zeit noch auf dem Anmarsch und genau hierauf spekulierte Qutd-ad-Din. Er wollte das Heer der Christen portionsweise schlagen. Obwohl stark entkräftet und durch den Mangel an Reittieren nur noch begrenzt mobil, blieben die schwer gepanzerten Truppen Herzog Friedrichs diszipliniert und hielten ihre Reihen dicht geschlossen, so dass die Wirkung des auf sie niedergehenden Pfeilhagels gering war. Sie ließen sich nicht durch vorgetäuschte Rückzüge dazu verleiten ihre Formationen aufzulösen, sondern warteten stattdessen den geeigneten Augenblick zum Gegenschlag ab. Man hatte im Abendland viel aus der 1187 erlittenen Niederlage bei Hattin gelernt und die Taktiken des Gegners hatten sich herumgesprochen. Hilfreich waren wahrscheinlich auch die Erfahrungen die Barbarossa als junger Mann anlässlich des Zweiten Kreuzzugs machte. Das Gefecht endete mit einer empfindlichen aber noch zu verschmerzenden Niederlage für die Seldschuken. Nach den Berichten eines Chronisten wurden rund 4.000 gefallene Türken gezählt, wohingegen die deutschen Verluste verhältnismäßig gering ausgefallen waren.

Am 18. Mai 1190 traf das ausgemergelte Heer, noch immer zwischen 90.000 und 100.000 Mann stark, bei Iconium, dem heutigen Konya, auf die Hauptstadt Sultan Kılıç Arslans. Als Verteidiger im eigenen Gebiet, gut versorgt mit Lebensmitteln, hatte er alle Vorteile auf seiner Seite. An Truppen standen ihm immerhin etwa 65.000 Mann zur Verfügung.
Deutscherseits wurden die eigenen Streitkräfte geteilt. Ein Unterhändler, immer noch wollte der Kaiser nur schnell und ungehindert nach Palästina ziehen und sich nicht in blutigen Kämpfen aufreiben, brachte die Information mit, dass sich der Sultan mit dem Großteil seiner städtischen Truppen und der Masse der Bevölkerung, in die Zitadelle zurückgezogen hatte. Während Friedrich von Schwaben die Gunst nutzte und im ersten Sturm die Stadt nehmen konnte, blieb Barbarossa mit dem größeren Teil des Heeres in der Ebene vor der Stadt zurück. Überraschend schnell und ohne große Verluste, gelang es dem Sohn die Verteidigung niederzuringen. Wer in der Stadt vorgefunden wurde, fiel dem Zorn der Eroberer zum Opfer.
Unterdessen wurde der in der Ebene liegende Heeresteil vom gegnerischen Hauptkontingent angegriffen. Gestützt auf die hohe Mobilität der eigenen Reiterei, schlossen die Seldschuken einen Einkreisungsring aus wirbelndem Staub um die dicht gedrängten Kreuzfahrer. Wir erinnern uns, beim Marsch durch Zentralanatolien verendeten die meisten Tiere und daher verfügte das Kreuzfahrerheer kaum mehr über eigene Reiterei. Die Lage begann aussichtslos zu werden. Der Hochadel und die Geistlichkeit scharte sich im Zentrum um den Kaiser, in Erwartung eines baldigen Todes oder schmachvoller Gefangennahme. Der an Jahren hochbetagte Kaiser gab die Situation nicht auf. Voller Zuversicht, auf Christus berufend, übernahm er persönlich die Spitze eines Gegenangriffs. Mitgerissen von dieser Szenerie, in der sich ein Mann in hohem Alter ohne Furcht in den sicheren Tod stürzte, gingen die hart bedrängten Kreuzfahrer zum allgemeinen Befreiungsangriff über und schlugen die gegnerischen Truppen auf offenem Feld völlig.
Am Ende der Schlacht lagen rund 20.000 Deutsche und 45.000 Türken erschlagen auf der Walstatt. Es war eine der blutigsten Schlachten des Mittelalters und das, noch bevor das deutsche Heer überhaupt einen Fuß ins Heilige Land setzte. Vielleicht waren viele schon jetzt, nachdem sie vor einem Jahr aufgebrochen und durch die Entbehrungen der zurückliegenden Monaten gezeichnet waren, nicht mehr mit ganzem Herzen bei der heiligen Sache und bereuten mittlerweile ihre Teilnahme.
Am Folgetag kapitulierte der Sultan. Da er nachweislich nicht Urheber des Verrats war, kam man zu einer gütlichen Einigung. Auf einem großen Markttag deckte sich das deutsche Heer mit Proviant, vor allem aber mit Pferden ein. Die Art der Tiere wäre eine nähere Betrachtung wert. Die schweren Schlachtrösser, welche die Kreuzfahrer aus dem Abendland mitführten, dürften völlig anders gewesen sein, als jene, die jetzt erworben wurden. Für viele Reiter bedeutete es einiges an Umgewöhnung, sich auf die neue Rasse einzustellen. Waren die abendländischen Schlachtrosse eine Züchtung, die in der Hitze der Schlacht ruhig blieb, reagierten die zierlicheren, heißblütigeren und schnell nervöseren Pferde aus dem Orient unbeherrschter und schrecksamer. Das Vertrauen in die Seldschuken war gering. Bevor das Heer seinen Marsch fortsetzte, wurde eine große Zahl Geiseln genommen, die als Unterpfand dienten. Schon Ende des Monats erreichte man das verbündete Armenien und Anfang Juni 1190 wurde das Taurusgebirge überschritten. Das Ziel begann in greifbare Nähe zu rücken. Noch zwei, allenfalls drei Marschwochen vom Heiligen Land entfernt, ereignete sich eine furchtbare Tragödie. Der Kaiser ertrank im Alter von rund 68 Jahren im Fluss Saleph bei Seleucia. Die genaueren Umstände sind nicht bekannt, es kursiert bis heute mancherlei Gerücht. Wir wollen darauf nicht weiter eingehen, auch nicht auf die Sagen die man sich über die schnell zur Legende verklärten Person des Kaisers seither erzählt.
Demoralisiert löste sich das deutsche Heer, welches bisher alle Strapazen und Gefechte des überaus langen Marschs überstanden hatte, in den folgenden Wochen und Monaten auf. Die überwiegende Masse kehrte von Antiochia aus über den Seeweg in die Heimat zurück. Vermutlich dachten nicht wenige der Kreuzfahrer, sie hätten seit Regensburg genug für die Heilige Kirche erduldet und es ist des Seelenheils für den Moment genug getan. Ungeachtet dessen zogen etwa 2.000 Mann des ehemals mehr als 100.000 Mann starken deutschen Kreuzfahrerheeres weiter. Ihr Weg führte sie unter der Leitung Friedrichs von Schwaben, dem Eroberer der Stadt Iconium, über Tyrus marschierend nach Akkon. Im Oktober 1190 erreichten sie die seit über einem Jahr belagerte Stadt.
Akkon stand seit August 1189 unter der Belagerung christlicher Kreuzfahrer aus ganz Europa, darunter normannische Kontingente aus Sizilien, Dänen und viele andere, die den weniger beschwerlichen Seeweg nahmen. Unter diesen waren auch weitere Fürsten aus dem deutschen Reichsteil, aus Reichsitalien und Reichsburgund. All jene, die nicht mit dem Kaiser den Landweg genommen hatten. Die Reise über das Meer war ungleich teurer und es wundert nicht, dass sich die meisten der finanziell notorisch klammen deutschen Kreuzfahrer für den Landweg entschieden. Schaut man sich die typische Zusammensetzung dieses Heeres an, so waren die meisten aus dem ärmeren Adel, zweit-, dritt-, oder viertgeborene Herren die über keine oder nur wenig eigene Einkünfte verfügten.
Die Tragödien auf deutscher Seite sollten vor Akkon nicht abbrechen. Am 20. Januar 1191 verschied Friedrich von Schwaben, möglicherweise an den Folgen von Malaria. Neben der Malaria, waren es besonders infektiöse Magen-Darmerkrankungen, infolge desaströser hygienischer Verhältnisse, die als dauerhafte Begleiterscheinung den Heeren auf dem Fuße folgte, die in den Gefilden südlich der Alpen oder dem vorderen Orient operierten. Ein vor Byzanz begonnener böser Anfang, fand vor Akkon ein entsprechendes Ende.

Der französische König
bei der Belagerung Akkons

Die Könige aus Frankreich und England gelangten mit ihren Hauptkontingenten im April und Juni 1191 auf dem Seeweg an. Bis zu diesem Zeitpunkt waren schon zehntausende Kreuzfahrer entweder vor Akkon oder auf dem beschriebenen Landmarsch in Folge von Erschöpfung, Krankheiten oder im Kampf verstorben, ohne dass in Palästina etwas erreicht war. Der europäisch Hoch- und Lehnsadel blutete sich auf fremder Erde aus.

Richard Löwenherz, hat sich, seit er mit seinem Heer aufgebrochen war, durch die Eroberungen Siziliens und Zyperns einen Namen als Feldherr gemacht und sein  Ruf eilte ihm in Heilige Land voraus.
Aus Deutschland schloss sich Ende 1190 ein neues Kontingent unter der Führung Herzog Leopolds V. von Österreich der Belagerung an. Leopold entstammte dem ursprünglich im fränkischen Raum von Bamberg ansässigen Geschlecht der Babenberger, die unter Kaiser Otto II. ab 976 erst Markgrafen, in späterer Zeit Herzöge Österreichs wurden, womit seinerzeit weitestgehend die Gebiete des heutigen Nieder- und Oberösterreich gemeint waren, ohne Tirol, die Steiermark,  Kärnten oder das Salzburger Land. Vor Ort übernahm Leopold an Kaisers statt das Oberkommando des deutschen Heerhaufens.
Am 12. Juli 1191 fiel Akkon endlich in die Hand der Christen. Anlässlich der folgenden Flaggendemonstration der Sieger auf den Zinnen der erstürmten Burg, soll es zu jenem Vorfall gekommen sein, der 1192 zur Gefangennahme König Richards durch Leopold von Österreich führte. Der Überlieferung nach empfand Richard den unbedeutenden Herzog und sein zahlenmäßig geringes Heer als nicht ebenbürtig um Teilhaber am Sieg und der reichen Beute zu sein. Es wird berichtet, er habe daraufhin die Standarte des österreichischen Herzogs in den Burggraben werfen lassen. Ob die Überlieferungen stimmen oder ob es sich anders verhielt, ist bis heute umstritten. Als gesichert gilt, dass es zu einem schweren Zerwürfnis zwischen dem Herzog von Österreich und dem König von England kam und Leopold kurz nach dem Fall Akkons ins Reich zurückkehrte, ohne sich an den weiteren Ereignissen im Heiligen Land zu beteiligen.

Ende 1191 sah sich Richard Löwenherz selbst gezwungen die Heimreise anzutreten. Die Zustände in seinem eigenen Herrschaftsgebiet zwangen ihn dazu. Der Weg über Frankreich war ausgeschlossen. Richard und Philipp von Frankreich waren tief verfeindet. Auch wenn heimkehrenden Kreuzfahrern vom Papst freie Passage durch alle christlich regierten Länder verbrieft war, wollte es der englischen König nicht darauf ankommen lassen. Zuerst den Seeweg nehmend, führte ihn der weitere Weg über Land durch Reichsterritorium. Verschiedene Umstände zwangen ihn in kleiner Gruppe und als Pilger verkleidet den Weg durch Österreich zu nehmen. In Wien wurde er entdeckt und vom Herzog in Gewahrsam genommen. Dieser übergab ihn im Anschluss an Heinrich VI., der nach dem Tod seines kaiserliche Vaters Friedrich Barbarossa dem Reich als Oberhaupt vor stand. Das für seine Freilassung verlangte, außerordentlich hohe Lösegeld von 100.000 Mark in Silber, entsprach einem Gewicht von mehr als 23 Tonnen.

Gefangennahme von Richard Löwenherz in Österreich

Die Gefangennahme Richards war hauptsächlich politisch motiviert. Heinrich sowie der französische König hatten jeweils partikulare Interessen den englischen König zu inhaftieren. Für Heinrich VI. bedeutete  es eine hervorragende Gelegenheit seine Kriegskasse für einen anstehenden Krieg in Unteritalien aufzufüllen, wo er seinen Thronanspruch auf Sizilien durchsetzen wollte. Der Vorfall in Akkon diente ihm als willkommener Anlass. Es sollte nicht unerwähnt bleiben, dass es mit Richard keinen Unschuldigen traf. Seine Verwicklungen während der innerdeutschen Auseinandersetzungen zwischen den Welfen und Staufern, sein unbotmäßiges Verhalten als Lehnsträger verschiedener französischer Besitzungen gegenüber dem französischen König, seine Rolle bei der Ermordung des Königs von Jerusalem und letztendlich die Demütigung Herzog Leopolds von Österreich bei Akkon, welcher Art sie auch immer tatsächlich gewesen war, boten ausreichend Gründe für eine gegen ihn gerichtete Aktion. Der 1820 von Sir Walter Scotts veröffentlichte Roman „Ivanhoe“ stellt eine idealisierte, man möchte sagen schöngefärbte Figur eines gutherzigen und edlen Monarchen dar, die aber in keiner Weise der realen Persönlichkeit des damaligen Königs von England entsprach. Mit Heinrich VI., Philipp II. und Richard Löwenherz haben wir ein Trio, das sich Sachen Machtpolitik nichts schenkte. Wir wollen es an der Stelle auf sich beruhen lassen und auf weitere Details nicht eingehen.


Albrechts Teilnahme am Deutschen Kreuzzug

1195, seit nunmehr elf Jahren regierte Markgraf Otto II. in Brandenburg. Kaiser Heinrich VI. führte die väterliche Reichspolitik fort, die sich im inneren auf den Konsens mit den Reichsfürsten konzentrierte und nach außen Reichsitalien im Fokus hatte. Durch Heinrichs Vermählung mit Konstanze von Sizilien fiel der Thron Siziliens und Unteritaliens den Staufer, als in Palermo mit ihrem Vater Wilhelm II. das normannische Königshaus der Hauteville im männlichen Stamm ausstarb. Statt Heinrichs Anspruch zu akzeptieren wählten sich Teile der sizilianischen Barone einen anderen Kandidaten zum König Siziliens, woraus ein jahrelange, blutiger Krieg um den Thron entbrannte. Heinrichs Thronkontrahent Tankred von Leece verstarb im Februar 1194, worauf seine Frau Sibylle von Acerra die Regentschaft für den gemeinsamen, noch unmündigen Sohn Wilhelm III. übernahm. Im August 1194 eroberte Heinrich Neapel und im November Palermo, wo ihm der Kronschatz in die Hände fiel. Der Widerstand der Usurpatorpartei brach daraufhin zusammen. Am 25. Dezember 1194 wurde Heinrich in Palermo zum König von Sizilien gekrönt. Er vereinte wie kein römisch-deutscher Kaiser vor ihm die Krone des Reichs, Burgunds, die Eiserne Krone der Langobarden Norditaliens und nun auch die normannische Krone Siziliens auf seinem Haupt, was ihn mit Abstand zur größten Macht Europas machte, zumal Richard Löwenherz seit seiner Gefangennahme und Freilassung formell ein Lehnsmann des Kaisers war. Dass eine solche Machtfülle die Rivalität anderer Großen beschwor, lag auf der Hand, doch wer sollte jetzt der drohenden Universalmacht noch Einhalt gebieten können? Heinrich hatte große Pläne, er wollte Unteritalien dauerhaft mit dem Reich verschmelzen, unio regni ad imperium“, konnte dies aber ohne die Zustimmung des Papstes, der sich von dem Staufer eingekreist fühlte, nicht erlangen. Der Kaiser bot Papst Coelestin III. einen Kreuzzug ins Heilige Land an. Coelestin war von der Ernsthaftigkeit Heinrichs nicht überzeugt und schickte den Bischof von Sutri nach Bari, wo der Kaiser Hoftag hielt und Ostern verbringen wollte. Am Karfreitag des 31. März 1195 nimmt Heinrich in aller Stille, nicht wie üblich vor großem Publikum, nur im Beisein dreier seiner Kapläne, das Kreuz aus der Hand des zugesandten Bischofs. An Ostern lässt er erstmals vor der Öffentlichkeit den Kreuzzug predigen. Es lässt sich darüber spekulieren warum Heinrich in gewisser Heimlichkeit das Kreuz aufnahm, statt es vor den Augen der zum Hoftag versammelten Fürsten zu tun, wie es seine Vorgänger taten. Nach den verlustreichen Kämpfen 1190, anlässlich des Dritten Kreuzzugs, dürfte sich die Begeisterung unter den deutschen Fürsten in Grenzen gehalten haben. Der Kaiser sagte dem Papst ein Kontingent von 1.500 Panzerreitern und ebenso viele Fußsoldaten zu, was für eine Heerfahrt nach Palästina freilich nicht ausreichend war. Die Teilnahme der Reichsfürsten war unerlässlich, weswegen er sich bald auf den Weg zurück in den Reichsteil nördlich der Alpen machte. Im April regelte der Kaiser die Regentschaft für Unteritalien während seiner Abwesenheit und machte Markward von Annweiler zum dortigen Statthalter. Im Mai zog er nach Oberitalien, um dort nach Kräften die Dinge zu regeln, bevor er um den 24. Juni 1195 den Marsch in den deutschen Reichsteil begann. Schon am 8. Juli war er in Frankfurt tätig. Es folgten Stationen in Worms, Kaiserslautern, Straßburg, Hagenau, Hochfelden, wieder Kaiserslautern, dann Würzburg, Mainz, bevor er im Oktober zu Gelnhausen jenen allgemeinen Hoftag abhielt, bei dem Markgraf Otto II., wie viele andere Fürsten, am 28. Oktober 1195 das Kreuz aufnahm und sich zum Heerzug ins Heilige Land verpflichtete. Albrecht tat es seinem Halbbruder gleich. Ob schon anlässlich dieses Hoftags oder zu einem späteren Zeitpunkt, ist aus den überlieferten Informationen nicht in Erfahrung zu bringen. Es war auch auf diesem Hoftag, wo die ersten Übertragungen des Alliodialbesitzes in Brandenburg zugunsten Erzstifts Magdeburg überschrieben wurden. Noch handelte sich nur um die beiden Dörfer Möckern und Schollene. Man hat fast den Eindruck, es wäre ein Test gewesen, wie von Seiten des Reichs und der sächsischen Verwandtschaft darauf reagiert würde. Damals trat Herzog Bernhard von Sachsen noch unter den anwesenden Zeugen auf. Es schien das letzte Mal, dass beide askanische Linien gemeinsam auf einem kaiserlichen Hoftag oder anderen Versammlungen bezeugt sind. Seither muss der schon angedeutete Bruch in der Familie seinen Lauf genommen haben.

Der Kaiser begab sich bald wieder nach Italien zurück, unter anderem um seine Nachfolge für den Fall zu regeln, dass er auf dem Kreuzzug ums Leben käme. Am 26. Dezember 1194 hatte ihm seine Gattin Konstanze im mittelitalienischen Jesi bei Acona einen Sohn geboren, der den Namen des verstorbenen Kaiser Barbarossas erhielt. Jener kleine Friedrich sollte bereits mit einem Jahr vom Papst getauft und zum König, gleichsam zum Kaiser gesalbt werden, die Wahl durch die deutschen Fürsten vorausgesetzt.
Die Hauptmaßnahmen Heinrichs standen 1195/96 in direktem Zusammenhang mit zwei großen Plänen:

    • Errichtung eines Erbkaisertum durch Abschaffung des Wahlprivilegs
    • Der Anschluss Siziliens sowie Unteritaliens ans Reich.

In beiden Fällen war er zu umfangreichen Kompromissen bereit, doch weder der Papst, der sich nicht von einem Stauferreich eingeschlossen sehen wollte, noch eine ganze Reihe der Fürsten waren gewillt ihm hierin zu folgen.
Unter den Fürsten waren es namentlich wieder einmal solche aus dem sächsischen Raum, wo seit dem Salier Heinrich IV. ein stetiger Hort der Gegenbewegung existierte, sobald ein Reichsoberhaupt den Weg der Konsensualpolitik verließ. Der Erzbischof von Köln schloss sich dieser Bewegung an und wurde zur Galionsfigur. Die Pläne hinsichtlich der Abschaffung der Wahlmonarchie musste Heinrich daraufhin aufgeben und auch der päpstliche Widerstand hinsichtlich seiner Unionspläne war bislang unüberwindbar. Hinzukamen Aufstände in Sizilien, die er 1196 durch seinen Statthalter Markward von Annweiler und den kaiserlichen Marschall Heinrich von Kalden niederschlagen ließ. Die Aufrührer wurden öffentlich hingerichtet. An ihrem Anführer wurde auf besonders grausame Weise Rache genommen, indem man ihm eine glühende Krone aufs Haupt nagelte. Diese brutalen Szenen, gepaart mit seinen hochfliegenden Plänen eines Erbkaiserreichs und der Union Unteritaliens, nicht zuletzt der von ihm auf Byzanz ausgeübte Druck, das seit seiner vertragsbrüchigen Rolle während des Dritten Kreuzzugs geschwächt war, führten zu jenem Zerrbild eines furchtbaren Tyrannen, das von seinen Gegnern in voller Absicht konstruiert und verbreitet wurde.

Das deutscher Kreuzfahrerheer sammelte sich seit einigen Monaten in den Häfen Süditaliens und Siziliens. Heinrich VI. wollte nicht väterlichen Vorbild folgen und den Landweg über den Balkan und Kleinasien wählen, sondern von Unteritalien aus den Seeweg nach Palästina nehmen, eine Option, die Barbarossa seinerzeit so nicht zur Wahl stand. Während die süddeutschen Fürsten mit ihren Kontingenten mehrheitlich auf den traditionellen Routen über die Alpen nach Süden zogen, schifften sich die norddeutschen Fürsten laut Arnold von Lübeck an der Ostsee ein, umrundeten die kimbrische Halbinsel, nahmen den Weg entlang der frisischen -, holländischen – und flämischen Küste durch den Kanal, um Frankreich und die iberische Halbinsel herum, fuhren sie durch die Meerenge von Gibraltar ins Mittelmeer ein bis nach Messina. Ob der zwischenzeitlich an der Regentschaft in Brandenburg teilhabende Albrecht wie einzelne sächsische Kreuzritter den Landweg über die Alpen nahm oder ob er sich in Lübeck auf eines der dort wartenden 44 Schiffe begab, ist nicht überliefert. Es ist aber anzunehmen, dass er den Seeweg wählte, wofür einiges spräche. Bei Tangermünde, Arneburg oder Havelberg auf die Elbe eingeschifft, bis Lauenburg gefahren, von dort auf dem Landweg weiter auf der Lüneburger Heerstraße bis Lübeck, wäre der bequemste Weg gewesen.
Vor Messina vereinten sich die Flotten der Kreuzfahrer. Insgesamt sollen sich fast 60.000 Mann dem Aufruf des Kaisers angeschlossen haben, darunter auch Kontingente Norwegen und England. Seit September 1197 landeten die Kreuzfahrer schubweise vor Akkon an, wo sie sich bis zum Ende des Monats versammelten. Schnell kam es zu Reibereien mit französischen Kreuzfahrern, die in Akkon bislang die Mehrzahl bildeten. Es ist anzunehmen, dass Albrecht mit der Hauptflotte um den 22. September ankam. Wie viele Streiter er aus seiner Grafschaft oder der sonstigen Mark mitführte, ist unbekannt. Hätte er die Ausgaben für die Heerfahrt aus den Einnahmen seiner kleinen Grafschaft finanzieren müssen, ist kaum daran zu glauben, dass es mehr als zwei Dutzend gewesen sein könnten. Es ist immerhin denkbar, wenn nicht sogar wahrscheinlich, dass Otto, der Oktober 1195 in Gelnhausen zwar das Kreuz aufnahm, dann aber vom Papst Dispens erhielt und in der Heimat blieb, einen stattlichen finanziellen Beitrag leistete. Sehr wahrscheinlich nahm Albrecht sogar anstatt seines Bruders am Kreuzzug teil. Da beide Askanier bislang keine Nachkommen hatten, musste man besorgt sein, es könnte ihnen unterwegs oder bei den zu erwartenden Kämpfen etwas zustoßen und damit die brandenburgische Linie aussterben. Die Chancen auf eigenen Nachwuchs waren für Markgraf Otto nicht mehr groß. Er selbst war nunmehr fast 50 Jahre alt, seine Frau wird zu diesem Zeitpunkt längst schon das gebärfähige Alter hinter sich gelassen haben. Es brauchte im Grunde schon ein Wunder, dass ihm noch ein Erbe geschenkt würde. Unter dieser Voraussetzung war es eigentlich unvorsichtig, den wahrscheinlich erst 20 oder 21 Jahre alten Albrecht den Kreuzzug antreten zu lassen. Er war damals weder verheiratet noch überhaupt verlobt, was verwundern muss, aber wahrscheinlich auf seine bescheidene Herrschaft Arneburg zurückzuführen war. Wir kommen noch darauf zurück und kehren ins Heilige Land zurück, wo sich Albrecht mit seinem sehr wahrscheinlich kleinen Truppenkontingent an dem jetzt zügig beginnenden Feldzug beteiligte. Seine Rolle kann nur bescheiden ausgefallen sein, denn wir hören überhaupt nichts bezüglich seiner Teilnahme anlässlich der Eroberung Sidons, der Ende Oktober die Einnahme Beiruts folgte. Auch Gibelet fiel den kaiserlichen Kreuzfahrern in die Hände. In knapp zwei Monaten waren sehr beachtliche Erfolge erzielt worden und der Vormarsch Richtung Damaskus begonnen, wo die Belagerung Torons begann. Die Besatzung der starken Festung wurde von den Franzosen aus Akkon gewarnt. Sie sollten sich keinesfalls den deutschen Kreuzrittern ergeben, da diese ihre Gefangenen, trotz anderslautender Zusagen ermorden würden. Mit den Franzosen kam es schon bald nach der Anlandung der ersten Kontingenten zu wiederholten Reibereien. Welche Seite die ausschlaggebenden Gründe für den Zwist gab, wird je nach Chronist anders beurteilt. Die Franzosen, besonders der stark französisch dominierte Templerorden, hatten eine gewissen Vormachtstellung unter den ansässigen Kreuzfahrern. Es ist wahrscheinlich, dass  die Ankunft der Deutschen schnell zu Kompetenzgerangel vor Ort führte und die Gemüter erhitzten. Die Lage im Outremer, in den Kreuzfahrerstaaten jenseits des Meers, war nicht njr wegen der islamischen Bedrohung gespannt. Mehr als das existierten unablässig Konflikte und Scharmützel untereinander, an denen Templer und Johanniter einen großen Anteil hatten. Statt sich gegenseitig im Kampf gegen den vermeintlich gemeinsamen Feind zu unterstützen, bekriegten sich die örtlichen Kreuzfahrerstaaten mehr, als sie sich halfen, auch schon bevor die Deutschen in Massen eintrafen. In ihren lokalen Rivalitäten unterschieden sich die christlichen Herren nicht von den moslemischen Fürsten der Region, die sich ihrerseits gegenseitig oft pausenlos bekriegten.

Noch waren nicht alle deutschen Truppenteile aus Sizilien und Unteritalien herübergebracht und auch der Kaiser war noch nicht im Heiligen Land angekommen. Mit seinem Eintreffen und der weiteren Truppenverstärkung war die allgemeine Zuversicht groß, dass die Rückeroberung Jerusalems gelingen würde, das sich mittlerweile seit zehn Jahren in den Händen der Ungläubigen befand. Die ab Spätherbst ankommenden Kreuzfahrer brachten allerdings eine verstörende Nachricht aus Italien mit, die erst als Gerücht die Runde machte, bevor es zur Gewissheit wurde. Der Kaiser war Ende September in Messina gestorben. Erneut starb das Reichsoberhaupt während die Ziele des Kreuzzugs noch nicht erreicht waren. Kaum wurde das Gerücht zur Gewissheit, als sich viele der deutschen Fürsten auf den Heimweg machten. Ihres Kreuzzugseids entbunden, den sie Heinrich geleistet hatten, galt ihre Sorge jetzt hauptsächlich den eigenen Besitzungen im Reich. Die baldige Wahl eines neuen Herrschers war zu erwarten und damit einhergehend das Buhlen um die Wiederbelehnung mit den Reichslehen aber auch die Sorge um die Nachfolge im Reich mit all den damit verbundenen Komplikationen, denn des verstorbenen Kaisers Sohn war noch ein Kleinkind. Das große Ziel Jerusalem aus den Händen der Muslime zu reißen, rückte in weite Ferne. Bevor der größte Teil des Heeres die Heimreise antrat, wurde mit Sultan Bakr Malik alʿAdil I. (1145 – 1218) ein fünfjähriger Waffenstillstand vereinbart.

Obwohl der Kreuzzug im wesentlichen nur rund zwei Monate mit aller Tatkraft gefochten wurde und mit dem Tod des Kaisers ein abruptes Ende nahm, war einiges erreicht worden. Der Fürst von Zypern, Amalrich von Lusignan (1145 – 1205) ließ sich schon auf dem Hoftag von Gelnhausen von Heinrich als Amalrich I. zum König von Zypern krönen und huldigte dem Kaiser. Der Selbe wurde nach der Einnahme von Beirut, als Amalrich II. zum König von Jerusalem gekrönt, wenngleich die Stadt sich unverändert in den Händen der Muslime befand. Daneben ließ sich auch Leo II., der Fürst von Armenien, als Vasall des römisch-deutschen Kaisers zum König von Armenien krönen. Die Machtposition die Kaiser Heinrich VI. durch seine ambitionierte Politik in wenigen Jahren erzielte, war beachtlich. Was hätte noch von ihm alles erreicht werden können, wäre er nicht im Herbst 1197 in noch realtiv jungen Jahren verstorben?

Es zogen nicht alle deutschen Kreuzfahrer ab. Schon seit dem dritten Kreuzzug waren deutschen Kontingente dauerhaft im Heiligen Land geblieben. Ganz im Gegensatz zu den Kräften anderer Kreuzfahrernationen, blieben sie eng mit dem Reich und ihrem angestammten Kulturkreis verbunden, mischten sich scheinbar auch weniger mit dem einheimischen Völkerschaften. Man möchte fast sagen, auch wenn der Vergleich mit großer Vorsicht zu ziehen ist, sie verhielten sich disziplinierter als speziell einige der französischen Lokalfürsten und deren Lehnsmänner. Auch Albrecht blieb in Palästina zurück. Was ihn dazu bewog, ist ungeklärt, es existieren hierzu keine erläuternden Aufzeichnungen. Im März 1198 lesen wir erstmals wieder von ihm, woraus man überhaupt die Erkenntnis erhielt, dass er nicht mit dem Hauptkräften ins Reich zurückkehrte. Schauen wir uns hierzu näher die Begebenheit an, sie ist von größtem Interesse für die weitere deutsche Geschichte. Zum besseren Verständnis ist ein zeitlicher Sprung von einigen Jahren die Vergangenheit notwendig, in die Zeit des Dritten Kreuzzugs, an den Ort der Belagerung Akkons.

Die insgesamt nahezu zwei Jahre andauernde Belagerung der Stadt, von August 1189 bis Juli 1191, stellte Belagerer wie Belagerte vor drastische Herausforderungen, nicht nur in Bezug auf die Nahrungsmittelversorgung, sondern auch hinsichtlich Hygiene und medizinischer Betreuung. Gemäß der Überlieferung wurde in Reaktion auf die verheerenden Verhältnisse vor Ort von Bremer und Lübecker Kreuzfahrern ein Hospital errichtet, das der Sage nach mit dem Segel einer Hansekogge überdacht war. Aus dieser Hospitalergemeinschaft entstand einige Jahre später zwischen Januar und März 1198, quasi im Nachklang an den Deutschen Kreuzzugs Heinrichs VI., ein neuer Ritterorden, der dem Vorbild der Templer und Johanniter folgte. Offiziell bestätigte Papst Innozenz III. im Februar 1199 die Erhöhung der Bruderschaft zum Ritterorden. Wesentlichen Beitrag leisteten der Patriarch von Aquilla, Wolfger von Erla (um 1140 – 1218) sowie der Konrad von Querfurt, der Kanzler des verstorbenen Kaisers und führende Kopf seines Kreuzzugs. Der junge Albrecht war Augenzeuge dieses Gründungsakts gewesen, was die Annahme nährt, dass er sich womöglich im engeren Kreis dieser Bruderschaft aufhielt und sich gegebenenfalls, er war ja noch ledig, mit dem Gedanken beschäftigte, dieser Gemeinschaft  beizutreten.
Wir werden in nachfolgenden Kapiteln mehr auf den Orden eingehen und lange Zeit immer wieder in Verbindung mit Brandenburg über den Orden berichten. Albrecht pflegte lebenslang Beziehungen zu Hochmeister Hermann von Salza (1162 – 1239). Dieser war der vierte Hochmeister des Ordens und neben Ulrich von Jungingen, sowie Albrecht von Hohenzollern, der bis heute mit weitem Abstand bekannteste Anführer des Deutschen Ritterordens. Er schuf dem Orden ein eigenes Ordensland, doch dazu an andere Stelle mehr.


Zurück in der Mark

Albrecht, in Urkunden weiterhin als Graf von Arneburg ausgewiesen, erscheint erstmals verbindlich wieder in einem Dokument vom 22. Januar 1202. Philipp von Schwaben nimmt darin das Augustinerstift Petersberg bei Halle in seinen Schutz und Albrecht wird unter den Zeugen aufgeführt. Es ist der erste schriftliche Nachweis, dass Albrecht wieder aus Palästina heimgekehrt war. Daneben belegt die Urkunde, dass Albrecht als offener Parteigänger des Staufers auftrat und hier mit seinem markgräflichen Halbbruder eine gemeinsame Linie fuhr. Ob Albrecht schon deutlich vor 1202 die Heimreise antrat, lässt sich nicht sagen, da keine Zeugnisse vorliegen. Der Markgraf, der sich seit Herbst 1198 im Krieg mit Dänemark und dessen pommerschen Vasallen befand, hätte die tatkräftige Unterstützung seines Bruders sicherlich gut gebrauchen können. Da Albrechts Name aber nirgendwo auftaucht, muss man wohl annehmen, dass  dieser sich noch in Palästina befand, zumindest schien er sich nicht nachweislich in Brandenburg aufgehalten zu haben.

Der alternde Markgraf war weiterhin ohne Erbe geblieben. Dass Albrecht dereinst die Nachfolge antreten würde, erschien täglich wahrscheinlicher. Vielleicht rief ihn gerade dieser Umstand in die Heimat zurück. Außer in der erwähnten Urkunde von 1202, wo er unter den Zeugen genannt ist,  taucht er erst wieder 1204 auf, hier bestätigt er den Mönchen des Klosters Ilsenburg ihre noch auf seinen Großvater Albrecht den Bären zurückreichenden Güter in Polkritz (Schwarzholz).

Im Deutschen Thronstreit zwischen dem Staufer Philipp und dem Welfen Otto, zeichnete sich zwischenzeitlich ein deutliches Übergewicht zugunsten des Staufers ab. Otto von Braunschweig war durch den Verlust seiner wichtigsten Verbündeten, darunter seinen Bruder Pfalzgraf Heinrich, seinen Schwiegervater Herzog Heinrich I. von Brabant, sowie Erzbischof Adolf I. von Köln, in die Defensive geraten. Am 6. Januar 1205 erfolgte die nochmalige Krönung Philipps, nachdem ihm auch die niederrheinischen Fürsten zuvor in einem symbolischen Wahlakt ihre Stimme gegeben hatten. Ein Ende des seit Jahren geführten Streits um den Thron zeichnete sich endlich ab. Das Reich hatte sich in zurückliegenden sechs Jahren durch die vorherrschenden Zustände selbst gegeiselt und infolge des Machtvakuums außenpolitisch gelähmt. All die großen Pläne Heinrichs VI. von einem Großreich, das seine Finger sogar bis nach Byzanz ausstreckte, waren in sich zusammengebrochen. Die Position Brandenburgs während des Thronstreits war unverbrüchlich an der Seite des Staufers Philipp. Man folgte hierin der pragmatischen Tradition die von Vater und Großvater bereits praktiziert wurde. Die unmittelbare Nachbarschaft zu den Kerngebieten der rivalisierenden Welfen zwang die Askanier seit Albrecht dem Bären fast schon gesetzmäßig an die Staufer.


Markgraf Albrecht II.

Nicht nur im Reich brachte das Jahr 1205 Veränderungen, auch für Albrecht ereignete sich Entscheidendes. Sein Halbbruder Otto II. war am 4. Juli 1205 gestorben. Wie lange schon erwartet, blieb dieser ohne einen eigenen Erben, worauf Brandenburg auf Albrecht überging, der nunmehr als Albrecht II. die  Regentschaft übernahm.
Der Erhalt der Dynastie wurde akuter denn je. Als letzter askanischer Spross in Brandenburg lag alles an ihm. Wie schon erwähnt, kann es nur verwundern, dass Albrecht, er war zum Zeitpunkt der Amtsübernahme 28 oder 29 Jahre alt, noch nicht verheiratet war. Eine ähnliche Affinität zum geistlichen Leben wie wir es bei seinem 1192 verstorbenen Halbbruder, dem Grafen von Gardelegen sahen, ist bei Albrecht, zumindest anhand der schriftlichen Hinterlassenschaften der Zeit, nicht zu erkennen. Ob er mit dem Gedanken spielte sich dem Deutschen Orden anzuschließen, oder einem der anderen Orden im Heiligen Land, ist ebenso unklärbar wie die Frage nach seinem Verbleib zwischen 1198 und 1202, weswegen aus Mangel an Zeugnissen auch die Frage seines bisherigen Jungesellendaseins unbeantwortet bleiben muss.

Als alleinregierender Markgraf Brandenburgs veränderten sich die Anforderungen an ihn mit einem Schlag. Zu seinen dringenden Verpflichtungen gehörte jetzt die Suche nach einer standesgemäßen Gattin, um schnellstmöglich eine Familie zu gründen, wollte man nicht Gefahr laufen, dass bereits in der dritten Generation das Gründergeschlecht Brandenburgs ausstarb. Tatsächlich ließ der neue Markgraf keine Zeit verstreichen, schon einen Monat nach der Regentschaftsübernahme, im August 1205, heiratete er Mechthild von Landsberg (1186 – 1255), die älteste Tochter Konrads II. von Landsberg (1159 – 1210), dem letzten Markgrafen der Lausitz. Wie es zu dieser Verbindung mit dem Wettiner Haus kam, ist nicht weiter bekannt. Albrecht und Konrad kannten sich womöglich vom Kreuzzug 1197.  Beide sind im März 1198 unter den Zeugen der Gründung des Deutschen Ordens vor Akkon. Die Hochzeitsfeier wurde von Graf Dietrich von Sommerschenburg (um 1154 – 1207), dem Bruder des Brautvaters, in Groitzsch ausgetragen. Schon im Folgejahr kam eine Tochter zur Welt, die nach der Mutter den Namen Mechthild (1206 – 1261) erhielt. Sie heiratete 1228 Welfenherzog Otto I. von Lüneburg (1204 – 1252). Im darauffolgenden Jahr wurde erneut eine Tochter geboren, Elisabeth (1207 – 1231). Im Jahr 1228 heiratete sie den Landgraf Heinrich Raspe von Thüringen. Noch ließ ein männlicher Nachkomme auf sich warten. Nach weiteren rund sechs Jahren war es soweit. Am markgräflichen Hof gab es Grund zu großer Freude, denn der lang ersehnte männliche Nachwuchs hatte sich endlich eingestellt. Mit der Geburt Johanns (1213 – 1266) war die Sorge um die Nachfolge vorerst genommen.  Die Namenswahl stellte eine Neuerung dar, er tauchte bisher bei den Askaniern Brandenburgs nicht auf. 1215 erblickte ein weiterer Sohn das Licht der Welt, womit sie Erbfolge eine zweite Standsäule erhielt. Diesem zweiten Sohn wurde der Namen Otto (1215 – 1267) gegeben, nach dem Großvater, womit wieder einer der Traditionsnamen gewählt wurde.

Albrechts erste drei Regentschaftsjahre verliefen augenscheinlich ruhig. Bekannt sind nur einige wenige Aufzeichnungen aus dieser Zeit, in denen er unter anderem der Kirche von Stendal ihren Besitz, auf seine Bitten hin, von Papst Innozenz III. bestätigen ließ. Aus dem Mangel an Urkunden darf nicht der Schluss gezogen werden, dass in der Zwischenzeit Müßiggang den Markgrafen überkommen hätte. Leider sind wohl viele Schriften in späteren Jahrhunderten verloren gegangen und man muss aus dem Wenigen was noch existiert, ein halbwegs schlüssiges Bild rekonstruieren, was aber selbst bei besserer Urkundenlage schon schwer genug wäre.


Königsmord

Im Reich hatte sich Philipp von Schwaben als König de facto durchgesetzt. Einzig die formelle Verzichtserklärung auf die Krone durch Otto von Braunschweig fehlte noch zur endgültigen Beilegung des Thronstreits, der jetzt schon seit einem Jahrzehnt ausgefochten wurde. Mitte Juni 1208 sollte ein Waffenstillstand zwischen Philipp und Otto zu Ende gehen. Der Staufer rüstete seit dem späten Frühjahr ein Heer, um seinen Kontrahenten endgültig niederzuwerfen und damit zum Verzicht auf die Krone zu zwingen. Seine Anhänger aus dem Nordosten, darunter werden sich auch brandenburgische Kontingente befunden haben, sammelten sich in Quedlinburg. Aus Böhmen rückte eine große Streitmacht heran, um über Thüringen marschierend in Braunschweig einzufallen. Erzbischof Waldemar von Bremen versammelte sein Heer in der Grafschaft Stade und selbst aus Ungarn schickte der dortige König Hilfsvölker. Eine eigene Streitmacht, bestehend aus Truppen seines eigenen Hauses sowie aus niederrheinischen und niederlothringischen Aufgeboten, führte Philipp selbst an, das sich in Bamberg formierte, wo er Juni 1208 weilte. Hier heiratete am 21. Juni seine Nichte Beatrix (1193 – 1231), Pfalzgräfin von Burgund, den Herzog Otto VII. von Meranien (vor 1190 – 1235). Philipps Anwesenheit war nicht nur aus der engen verwandtschaftlichen Beziehung heraus notwendig, es war eine wichtige Gelegenheit zur königlichen Repräsentation und Hofhaltung, weswegen er die eigenen Vorbereitungen zum Feldzug zwar nicht unterbrach aber in den fränkischen Raum verlegte. Die Kriegskasse war mit 30.000 Mark Silber gut gefüllt, der Ausgang des Feldzugs konnte kaum in Frage gestellt werden.
Otto von Braunschweig blieben die Vorbereitungen freilich nicht verborgen. Er versetzte alle seine Städte und Burgen in Verteidigungszustand und bat bei seinen Verbündeten, König Waldemar von Dänemark und König Johann von England um Beistand. Johann, der im Kampf gegen Frankreich in die Defensive geraten war, konnte nicht helfen aber Waldemar hoffte durch seine Unterstützung Kapital für sich, das heißt Raum nach Süden zu gewinnen. Das Engagement Dänemarks musste besonders für den brandenburgischen Markgrafen Anlass gewesen sein seinerseits aktiv zu rüsten, um Philipp von Schwaben tatkräftig zu unterstützen.

Pfalzgraf Otto ermordet König Philipp

Nachdem Philipp am Vormittag seine Nichte ihrem Bräutigam übergeben hatte, zog er sich, offenbar gesundheitlich angeschlagen, zur Mittagszeit in seine Gemächer in der Bamberger Bischofspfalz zurück. Hier wurde er zur Ader gelassen und ruhte sich von den bisherigen Anstrengungen aus. Bei ihm waren nur sein Kanzler, der Speyerer Bischof Konrad von Scharfenberg und Truchsess Heinrich von Waldburg. Gegen 15 Uhr wurde es unruhig. Pfalzgraf Otto VIII. von Wittelsbach traf in Begleitung einiger Bewaffneter am Tor zur Residenz des Bamberger Bischofs ein. Während seine Begleiter an der Pforte warteten, begab sich der Pfalzgraf zum Gemach des Königs und wurde arglos von ihm empfangen. Augenblicklich zog er sein Schwert, stürzte sich auf Philipp und führte einen tödlichen Hieb gegen dessen Hals. Dieser taumelte noch einige Schritte zurück und brach dann tot zusammen. Des Königs Kanzler versteckte sich aus Furcht, während der Truchsess noch versuchte dazwischenzugehen und dabei schwer am Kinn verletzt wurde. Der Mörder flüchtete aus dem Palast und ritt mit seiner Begleitung eilig davon.

Eine vergleichbar ungeheuerliche Bluttat hatte es bislang im Reich nicht gegeben. Philipp von Schwaben war der erste römisch-deutsche Herrscher, der einem Mordanschlag zum Opfer fiel. Alle Söhne des alten Kaisers Rotbart waren eines unnatürlichen Todes gestorben. Als letzter männlicher Spross aus dem staufischen Hause, lebte jetzt nur noch Friedrich, der zwischenzeitlich dreizehnjährige Enkel Barbarossas. Doch dieser weilte im fernen Palermo und war noch nie im Land seiner Väter gewesen. Philipp selbst hinterließ vier Töchter und eine hochschwangere Frau, die wenige Wochen nach ihm bei einer Frühgeburt starb. Als ob sie ihr Ende ahnte, hatte sie zuvor der Kirche großzügige Schenkungen gemacht. Die Nachricht von der Ermordung des Königs raste förmlich durch das Reich. Schon zwei Tage nach der Tat erreichte die Kunde das bei Quedlinburg versammelte Heer der ostsächsischen Fürsten. Im ganzen Reich brachen schon wenige Tage nach dem Tod des Königs anarchische Zustände aus. Zehn Jahre des Bürgerkriegs hatten viele hohe Herren verrohen lassen. Die unzähligen Plünderungen in den Ländereien der Anhänger des jeweils gegnerischen Königslagers hatten jedes Gefühl von Moral untergraben. Händler und Klöster waren überall wo die Obrigkeit den Landfrieden nicht mehr wahren konnte, Opfer von Plünderungen und Brandschatzungen. Der Begriff vom Raubrittertum war noch nicht geboren, doch waren es schon damals gerade die Herren des Landadels, die am schlimmsten wüteten.
Es sollte Monate dauern, bis das Reich aus dem Zustand von Lethargie und Gesetzlosigkeit erwachte und sich erinnerte, dass mit Otto von Braunschweig immer noch ein gewählter, König lebte. Dieser Otto konnte überhaupt nicht anders, als an ein Wunder, an ein Gottesurteil zu glauben, nachdem seine Lage hoffnungslos geworden war und er sich mit dem Gedanken abfand, bei den bevorstehenden Kämpfen gegen eine überwältigende Übermacht zu sterben.
Eine Verwicklung des Welfen beim Königsmord lag nicht vor, auch wenn dieser ohne jeden Zweifel der größte Nutznießer war. Tatsächlich handelte es sich um die Einzeltat des Pfalzgrafen Otto von Wittelsbach, der sich vom König verprellt und gedemütigt fühlte. Philipp verlobte vor Jahren eine seiner vier Töchter mit dem Wittelsbacher, zog die Verlobung dann aber erst kürzlich zurück, um sie stattdessen aus politischen Erwägungen mit einem Neffen des Papstes zu verloben. Da die diesbezüglichen Verhandlungen mit dem Papst unter den Zeitgenossen größtenteils verborgen blieben, machten sich schnell allerlei Gerüchte über den Grund der Verlöbnisauflösung breit. Dem Pfalzgrafen ging ohnehin der Ruf voraus, er würde zu übertriebener Gewalttätigkeit, bis hin zur Mordlust neigen und der König hätte deswegen die Verlobung aufgehoben. Der hitzköpfige Wittelsbacher sah sich in seiner Ehre tief gekränkt. Ausschlaggebend für seine Tat war letztendlich jedoch eine andere Angelegenheit. Otto von Wittelsbach hatte sich zwischenzeitlich mit Gertrud, der Tochter des schlesischen Herzogs Heinrich I. (1165 – 1238) verlobt. Er glaubte, die Ursache hierzu ist unbekannt, dass Philipp auch diese Verbindung zu hintertreiben suchte und in seinem Zorn oder Wahn, man weiß es nicht, ließ er sich dann zu jener schrecklichen Tat hinreißen.


Brandenburgs politischer Wechsel

Mit der Ermordung Philipps und den darauf folgenden Monaten der Anarchie, übernahm Otto von Braunschweig als Otto IV. endgültig die Regentschaft im Reich. Brandenburgs stauferfreundliche Politik war in eine gefährliche Sackgasse geraten. Im Juli erhielt der Markgraf, übrigens neben ihm viele weitere oppositionelle Fürsten, einen Brief vom Papst. Innozenz III. ermahnte darin, nachdem der Thronstreit auf so dramatische Weise zu Ende gegangen war, dem König Otto fortan treu anzuhängen. Albrecht befand sich in allerbester Gesellschaft. Sorgen vor Repressalien musste er sich eigentlich nicht machen, doch war es wegen der Nachbarschaft zu den welfischen Kernlanden geboten sich nicht zu lange Zeit zu lassen und am besten schnell zu handeln. Otto IV. zog mit einem Heer gegen den Bischof von Halberstadt, der sich kampflos unterwarf, worauf der König sich anschickte ins Magdeburgische einzurücken, doch lenkte der dortige Erzbischof rasch ein, womit eine Gallionsfigur der sächsischen Stauferpartei die Seiten wechselte und damit eine Lawine auslöste. Am 22. September kam es in Halberstadt zu einer Versammlung der ostsächsischen Fürsten, darunter auch Albrecht II. Sie erkannten anlässlich des Halberstädter Tag den König öffentlich an. Es war ein Paradigmenwechsel. Seit Konrad III. standen die Askanier grundsätzlich auf der Seite der Staufer, auch wenn es unter Barbarossa zeitweilig zu ernsten Verstimmungen rund um die Herrschaft Plötzkau kam. Jetzt vollzog Albrecht aus pragmatischen Erwägungen eine totale politische Kehrtwende und trat in das Lager der Welfen über. Vielleicht ist es zu drastisch formuliert von einer totalen Kehrtwende zu sprechen, denn zu diesem Zeitpunkt gab es im Reich keine weitere Partei mehr. Die Staufer und ihre meist süddeutschen Anhänger, einer männlichen Führung beraubt, lagen nach dem Tod Philipps in Agonie. Schnell fanden sich in den schwäbischen Kernlanden der Staufer zahlreiche lokale Kleinfürsten, die sich an der staufischen Erbmasse gütlich taten und das, obwohl des ermordeten Königs vier Töchter ein unbestreitbares Anrecht auf die Familiengüter besaßen und die Herzogswürde und das damit verbundene Reichslehen auf den fernen Neffen in Palermo überging, der jedoch aus der Entfernung keinerlei Handhabe hatte das Treiben in Schwaben zu unterbinden. In der zeitweisen Auflösung aller Ordnung, die dem Königsmord folgte, dachte zunächst augenscheinlich niemand daran den Tod Philipps zu rächen, bis zum ersten Hoftag des Königs. Am 11. November rief der Mainzer Erzbischof die Fürsten des Reichs nach Frankfurt und sie folgten zahlreich seinem Rufe. Es war seit Jahren der größte Hoftag. Hier wurde Otto IV. allgemein als König anerkannt und es war auch hier, wo Beatrix von Hohenstaufen, die älteste Tochter des ermordeten Königs, vor die versammelten Fürsten trat, in Bekleidung des Bischofs von Speyer, der Augenzeuge des Mordes war, und Klage gegen Pfalzgraf Otto von Wittelsbach erhob. In lauten, eindrucksvollen Worten forderte sie Sühne für das Verbrechen an ihrem Vater. Die anwesenden Fürsten, beeindruckt und vermutlich ebenso beschämt von der Szenerie, unterstützten ihre Forderung. Einstimmig wurde der Pfalzgraf verurteilt und vom König für vogelfrei erklärt, seine Reichslehen wurden eingezogen, ebenso jene des Markgrafen von Istrien und des Bischofs von Bamberg, die als Komplizen bzw. Mitwisser galten. Schon im Folgejahr wurde der Täter bei Regensburg gestellt und an Ort und Stelle gerichtet, sein Kopf abgetrennt und in die Donau geworfen. Der Torso wurde auf freiem Feld verscharrt. Erst acht Jahre später verschaffte ihm Herzog Ludwig von Bayern, sein Vetter, dem die Pfalzgrafschaft zugefallen war, eine christliche Bestattung im Kloster Indersdorf, rund 35 Kilometer nordwestlich von München.

In der Folgezeit trat Albrecht von Brandenburg häufig als Zeuge in Urkunden des Königs auf. Es scheint offensichtlich, dass er aus der geografischen Nähe zum königlichen Stammsitz in Braunschweig Kapital schlagen wollte. Neben der reinen Tatsache, dass es nur klug war dem amtierenden König gefällig zu sein, ließ er sich vermutlich vom Beispiel seines namensgebenden Großvaters inspirieren, der seinerzeit zu Lothar III. in gleicher regionaler Konstellation stand und sich damals eng an diesen anschloss. Nach vier Generationen staufischer Herrscher, mit einem klaren Schwerpunkt südlich der Mainlinie, verlagerte sich das Zentrum des Reichs wieder in den sächsischen, den norddeutschen Raum. Es war das letzte Mal, fortan folgten nur noch süddeutsche oder sogar reichsfremde Monarchen.

Unter Markgraf Albrecht trübte sich erstmals das Verhältnis zum Erzbistum Magdeburg. Bislang waren das Erzstift und Brandenburg in einträchtiger Verbundenheit, dabei oft genug in kriegerischen Bündnissen eng miteinander vereint. Dies schien sich mittlerweile geändert zu haben. Im Jahre 1208 lässt Albrecht II. bei Wolmirstedt die dortige, damals noch am Zufluss der Ohre in die Elbe gelegene Burg umfangreich erweitern und verstärken. Die Lage der Wehranlage, keine 20 Kilometer nördlich von Magdeburg entfernt, lässt nur den einen Schluss zu, dass sie gegen das Erzstift gerichtet war und den südlichen Zugang zur Altmark decken und gleichzeitig den Elbverkehr abschirmen sollte. In Magdeburg war seit August 1205 Albrecht I. von Käfernburg neuer Erzbischof. Dessen Amtseinführung war nahezu zeitgleich mit dem Regierungsantritt Albrechts in Brandenburg erfolgt. Beide Albrechts gehörten dem staufischen Lager Philipps von Schwaben an, es konnte somit keine unterschiedliche Position während des Thronstreits Ursache eines Zerwürfnisses gewesen sein, nicht zu diesem Zeitpunkt. Nach dem Tod des Staufers traten beide Fürsten ins Lager des Welfen über. Dem Erzbischof wurde sein Parteiwechsel durch umfangreiche Zugeständnisse reichlich vergoldet. Der Erzbischof war in der Folgezeit eine große Stütze bei der Anerkennung Ottos IV. und darin einer der führenden Köpfe. Er stand in gutem Einvernehmen mit Papst Innozenz III. und spielte auch später in der Reichspolitik eine bedeutende Rolle, wir werden noch von ihm lesen. Es scheint, dass dieser hochengagierte Kirchenfürst vor allem in Fragen der weltlichen Politik eine klare Linie fuhr und die Interessen des Erzbistums mit Selbstbewusstsein und Durchsetzungswillen vertrat. Vermutlich rührten hieraus schon bald die ersten Interessenskonflikte mit der markgräflichen Politik. Im Vergleich zu Magdeburg und der Stellung seines geistlichen Fürsten, war die Position Brandenburgs und des Markgrafen ungleich kleiner. Politisch versuchte das Erzstift über seine beiden Suffragandiözesen Brandenburg und Havelberg, die beide als Enklaven im Territorium der Mark lagen, Einfluss auf die Vorgänge in der Markgrafschaft zu nehmen. Einer der hauptsächlichen Aufhänger des Zerwürfnis war dabei der sogenannte Brandenburger Zehnstreit, der maßgeblich mit den beiden vorgenannten Bistümern geführt wurde, wo sich allerdings der Erzbischof als Metropolit der übergeordneten Kirchenprovinz einmischte. Der Streit zog sich über Jahrzehnte hin und wurde erst unter den Nachfolgern Albrechts in einem Vergleich gütlich beigelegt. Wir gehen später detaillierter darauf ein. Daneben traten noch andere Reibungspunkte zutage. Der Warenverkehr auf der Elbe nahm an Bedeutung immer mehr zu. Die Elbzölle spülten gutes Geld in die meist klammen Landeskassen der jeweiligen Anrainer und waren entsprechend hart umkämpft. Es konnte kaum anders sein, als dass es auch hier zu Verwicklungen kam. Möglicherweise waren es auch schon handfeste territoriale Konflikte, die einen Keil zwischen beide Fürstentümer trieb. In den ostelbischen Gebieten machten sich mehrere Fürsten untereinander Konkurrenz um die kleiner werdenden Gebiete der Slawen. Im Oktober 1207 verlieh Philipp von Schwaben dem Erzbischof Bistum, Kirche, Burg und Stadt Lebus, dessen Gebiet sich beiderseits der Oder erstreckte. Vorweg, man muss hier bei der Bewertung vorsichtig sein, denn es bedeutete nicht automatisch dass eine reale Herrschaft auf ein Gebiet ausgeübt wurde, nur weil ein König einem die Rechte dazu verlieh. Wir erinnern uns an das Beispiel der Nordmark aus der Ottonischen Zeit, das zwar formell von der Elbe bis an die Oder reichte, auf das aber faktisch keinerlei Zugriff existierte. Im dreizehnten Jahrhundert hatte sich daran freilich vieles geändert, doch waren die Gebiete östlich des Teltow und Barnim weiterhin in slawischer Hand. Darüber hinaus erhob Polen seit langem Anspruch auf die Region. Die einzelnen piastischen Linien, polnische wie schlesische, machten sich das Gebiet seit dem zehnten Jahrhundert untereinander streitig ohne es bisher vollständig unterworfen zu haben. Mit der Erweiterung des brandenburgischen Gebiets unter Markgraf Otto II., fiel das Lebuser Land, zumindest der Teil westlich der Oder, in die Einflußsphäre Brandenburgs, dessen Landesfürst als direkter Nachfolger des letzten Markgrafen der Nordmark, einen grundsätzlichen Anspruch auf die Regionen zwischen Elbe und Oder erhob und allein darin in jedem anderen Konkurrenten einen Widersacher seines ererbten Rechts sah. Schlussendlich waren dann noch die Wettiner in der Lausitz, und die sächsische, bald darauf zusätzlich die anhaltinische Verwandtschaft. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis alle slawischen Restgebiete zwischen Elbe und Oder unterworfen waren und alle glaubten schon jetzt vollmundig Ansprüche anzumelden.

Wappen Ottos IV., die Löwen des
Hauses Plantagenêt seiner Mutter
und der Reichsadler

Der Herrschaftsanspruch Ottos IV. im Reich war besonders im norddeutschen Raum unangefochten, doch war das nicht überall so. Die Fürsten, zumeist im Südenwesten aber auch manche Kommune in Reichsitalien, legten das erlittene Trauma seit der Ermordung Philipps langsam ab und die Stauferpartei begann sich wieder zu regen, wissend um den jungen,  zwischenzeitlich vierzehnjährigen Friedrich, Abkömmling Kaiser Heinrichs VI., der im Königreich Sizilien zu regieren begann. Otto, der sich seiner unsicheren Position bewusst war, erhielt moralische Unterstützung aus England, von König Johann, seinem Onkel. Reales konnte der im Dauerkrieg mit Frankreich gefangene Herrscher nicht leisten, am wenigsten Geld oder Truppen und so griff er immerhin zur Feder und schrieb an zahlreiche deutsche Fürsten, darunter auch an den Markgrafen von Brandenburg. In dem in London aufgesetzten, auf den 24. März 1209 datierten Schreiben, ruft er sie auf für König Otto einzustehen, was als Zeugnis gewertet kann, dass mit einer baldigen Gegenbewegung gerechnet wurde. Für Johann war der am englischen Hot aufgewachsene Neffe auf dem römisch-deutschen Thron strategisch. Er. erhoffte er sich dadurch Unterstützung im Kampf gegen Frankreich, sobald Otto IV. das Reich fest hinter sich gebracht hatte. Otto war zu diesem Zeitpunkt weit davon entfernt irgendwem Beistand leisten zu können. Sein hauptsächliches Bestreben galt der Vermeidung eines zweiten Thronstreits. Als wichtigste und nächste Maßnahme war die Erwerbung der Kaiserkrone, worauf er sich jetzt konzentrierte. Die Zeichen dazu standen besonders günstig. Innozenz III. hatte sich damals, nach dem Ausbruch der Auseinandersetzungen mit Philipp von Schwaben, bald offen für den Welfen ausgesprochen und an der päpstlichen Gunst hatte sich seither nichts verändert. Im Sommer 1209 sammelte sich bei Augsburg ein Heer zum Romzug. Ziel war die Kaiserkrone. Markgraf Albrecht war nicht unter den Teilnehmern, wohl aber der Erzbischof von Magdeburg und viele weitere Prälaten. Der Weg führte das Heer wie üblich über den Brenner nach Oberitalien, wo Otto IV. ehrenvoll empfangen wurde. Weiter ging es über die Toskana nach Süden. In Viterbo, 80 Kilometer nördlich von Rom, erwartete ihn der Papst. Es kam zu Unterhandlungen. Innozenz III. verlangte vor der Krönung, dass Otto IV. unter Eid dem Kirchenstaat den Anspruch auf verschiedene Gebiete in Mittelitalien bestätigte. Otto lehnte unter Berufung auf die Würde des Reiches ab und bestand auf die vorherige Krönung, bevor man im Anschluss in neue Verhandlungen gehen könne. Er bewies an der Stelle eine beachtliche Hartnäckigkeit und zeigte mehr Willen zur Wahrung der Reichsinteressen, als noch Heinrich VI., der zur Erreichung seiner staufischen Hausmachtinteressen in Unteritalien dem Papst umfangreiche Zugeständnisse machte. Wahrscheinlich war Otto in dieser Angelegenheit von Erzbischof Albrecht von Magdeburg beraten worden, der mit dem Papst in engem Verhältnis stand und wohl in der Lage war die Stimmung am Lateran richtig einzuordnen. Am 29. September brach das Heer auf, um weiter nach Rom zu ziehen. Der Papst war ihm bereits vorausgegangen. Am 2. Oktober trafen sie in Rom ein. Die Größe des Heers ist nicht überliefert, wir wissen nur, dass er etwa 6.000 Ritter, das heißt geharnischte Reiter neben den Armbrustschützen mit sich führte, dazu das zahlreiche Gefolge der viele Fürsten und Geistlichen, die ihn nach Italien begleitet haben. Alles in allem wird die Zahl wenigstens 20.000 Mann gewesen sein.
Am 4. Oktober erfolgte die Kaiserkrönung in der Peters Basilika. Eine Kaiserkrönung war ein Schauspiel und die Straßen, vor allem der Platz vor der Kirche war demgemäß dicht gefüllt mit Schaulustigen. Bereits beim Anmarsch kam es zu Schwierigkeiten aber noch nicht zu Ausschreitungen. Nach der Zeremonie spitzte sich die Situation dann zu. Während des Ausmarschs kamen eine ganze Anzahl Gefolgsleute des Königs zu Tode. Was der Auslöser der Gewalttätigkeiten war, ist ungewiss. Schon Barbarossa musste sich anlässlich seiner Krönung den Rückweg durch eine Meute aufgebrachter Römer freihauen. Damals leistete ihm Heinrich der Löwe, der Vater Ottos IV., große Dienste gegen den gewalttätigen Pöbel.

Kaiser Otto, nachdem er zuvor gegenüber dem Kirchenstaat und verschiedenen geistlichen Fürsten im Reich den Eindruck großen Entgegenkommens zeigte, ließ schnell die Maske fallen. In den vom Papst in Viterbo angesprochenen Interessensgebieten, gemeint waren das Herzogtum Spoledo und die Markgrafschaft Ancona, übte der Kaiser dort selbst die Regentschaft aus, verlieh sie schließlich an deutsche Fürsten. Überhaupt blieb der Kaiser, gegen alle päpstliche Erwartung in Italien, statt wieder in den deutschen Reichsteil zu ziehen. Innozenz war davon tief betroffen, regelrecht schockiert. Er klagte offen über die Undankbarkeit Ottos, den er durch seine Unterstützung erst zu dem machte, was er jetzt war. Innozenz sollte nicht der einzige Enttäuschte bleiben. Auch Erzbischof Albrecht von Magdeburg musste feststellen, dass die ihm gemachten Zusagen nicht in dem Maße in die Tat umgesetzt wurden, als erwartet. Zum Ausgang des Jahres 1209 hatte der neue Kaiser in rascher Folge einige mächtige Anhänger verprellt.


Albrechts Pläne für ein eigenes Bistum

Am 26. März 1210 schrieb der Papst an den Abt des Zisterzienser Klosters Sittichenbach, dem Mutterkloster des von Markgraf Otto I. im Jahre 1180 gegründeten Klosters Lehnin. Ebenso erhielt der Domdekan von Halberstadt einen Brief gleichen Inhalts. Innozenz III. informierte beide Kirchenmänner darüber, dass Albrecht II. plane eine Stiftskirche zu errichten, die unmittelbar dem Papst unterstünde. Analogien zu den Plänen seines 1192 verstorbenen Halbbruders Heinrich, der zuerst in Tangermünde, dann in Stendal ein exemptes, ein unabhängiges Bistum errichten wollte, sind deutlich zu erkennen. Der brandenburgische Landesherr argumentierte, dass der Großteil der jetzigen Mark von seinem Bruder, seinem Vater und seinem Großvater den slawischen Heiden aus eigener Kraft entrissen wurde. Die Bistümer Brandenburg und Havelberg daran keinen Anteil hatten und demgemäß die Christianisierung des ostelbischen Raum maßgeblich der Verdienst der askanischen Markgrafen wäre.

Die Absicht die Albrecht II. mit der Gründung verfolgte, war den Kirchenzehnten durch ein Abkommen mit dem Papst zu einem erheblichen Teil der eigenen landesherrlichen Kasse zufließen zu lassen. Sein Angebot sah vor, dass er in den in Frage kommenden Gebieten 2/3 des Kirchenzehnten erhielt, davon den Kirchenbau finanziere, sowie die notwendigen Truppen im Kampf gegen die Heiden. 1/3 käme dem Domprobst und damit der Stiftskirche zu. Besagter Probst würde von ihm ausgewählt aber dem Papst überließ er die abschließende Entscheidungsgewalt ob der Kandidat ins Amt eingeführt wurde. Weiter bot er ihm jährlich eine Mark reinen Silbers pro 50 Hufe Land an. Eine brandenburgische Hufe entsprach in etwa 17 Hektar nach heutigem Maß. Es kam also auf 850 Hektar bebauten Landes, je eine Mark Silber, was dem Gewicht von rund 234 Gramm entsprach. Grob überschlagen waren  zwischen den Jahren 1200 und 1230 etwa 25.000 Hufe in Brandenburg erschlossen, was einer jährlichen Abgabe von 500 Mark Silber für die päpstliche Kasse entspräche, einfach nur für dessen Zustimmung, ohne das daraus weitere Verpflichtungen entstünden. Der Papst stand dem Vorhaben demnach auch wohlwollend gegenüber.
Albrecht II. erwog diesen Schritt nicht um die Diözesen Brandenburg oder Havelberg, auch nicht Magdeburg zu verprellen, sondern um die eigenen klammen Kassen zur weiteren Expansion nach Osten, was nur mit Trupenaushebungen zu bewerkstelligen wäre, zu finanzieren. Die Erlöse die dem markgräflichen Kämmerer zuflössen, wären um ein vielfaches höher gewesen, als das, was dem Papst als Jahrgeld zukäme, wenn auch zunächst nur in Form von reinen Naturalien. Wir wollen nicht tiefer auf den Zehnt eingehen, er war von Fall zu Fall unterschiedlich und belief sich je nach Qualität des bebauten Landes auf bis zu 30 % des Ernteertrags bzw. auf das Großvieh. Es zeigt aber, welch gewaltige Dimensionen die kirchlichen Einnahmen besaßen, weshalb die jeweiligen Landesherren eifersüchtig auf diese Pfründe schauten und nach Mitteln suchten diese Geldquellen für sich selbst zu erschließen.
Das Vorhaben wurde letztendlich nicht zur Durchführung gebracht. Der Markgraf war bald andersweitig vollauf beschäftigt, denn es zogen Kriegswolken auf. Aus dem schon erwähnten Brandenburger Zehntstreit, vor allem der sich entwickelnden Ausprägung des Streits, können wir allerdings ableiten, dass Albrecht und seine Nachfolger, ohne die Stiftsgründung vorzunehmen, die Abgaben eintrieb und landesherrlich verwendete, ohne dass dem Papst dabei etwas zufiel oder einem Stiftskapitel. Ein derartiges Verfahren war alles andere als risikolos, eignete er sich doch dadurch streng genommen Kircheneigentum an. Eine bald auftretende Veränderung der politischen Lage im Reich und in Italien, entzog sein Tun der Aufmerksamkeit der Kurie, die sich mit den italienischen Verhältnissen zu beschäftigen hatte. Anders sah es mit dem magdeburgischen Metropoliten aus. Die Auseinandersetzungen mit Erzbischof Albrecht von Magdeburg verliefen dementsprechend nicht nur verbal oder schriftlich, sondern eskalierten auf dem Höhepunkt zum regelrechten Krieg. Mehr dazu im nächsten Kapitel.


Kaiser Ottos IV. Feldzug gegen Sizilien

In Italien befand sich Kaiser Otto IV. mit seinem Heer seit Herbst 1210 auf dem Vormarsch. Er hatte bis zum Herbst 1211 den größten Teil Unteritaliens unterworfen und schickte sich an der Meerenge bei Messina an nach Sizilien überzusetzen und sich des sizilianischen Königreichs zu bemächtigen, um es erneut an das Reich anzuschließen. Hier kollidierte er entschieden mit den Interessen des Papstes zusammen, der Sizilien als ein Lehen des Kirchenstaats betrachtete.
Nach dem Tod Heinrichs VI., der seinerseits darüber mit dem damaligen Papst in Konflikt geriet, war die kurzzeitige Union zwischen dem Reich und Unteritalien wieder zerbrochen, auch wenn in Sizilien formell ein Staufer, jener schon oft genannte Friedrich, designierter König war. Da Friedrich zum Zeitpunkt des Todes Heinrichs VI. erst zwei Jahre war und auch seine Mutter wenige Jahre darauf starb, nahm sich Papst Innozenz III. des Waisenknaben an, nicht ohne eine eigene politische Agenda damit zu verfolgen. Seit der Kaiserkrönung Ottos im Oktober 1209, hatte sich die Lage drastisch verändert und dem Papst ging die sorgsam eingefädelte Kontrolle in Italien zunehmend verloren. Otto IV. betrieb den Rest des Jahres 1210 und dann weiter im Folgejahr eine kühne Strategie die das bisherige gute Verhältnis mit dem Papst völlig über den Haufen warf. Mit seinem Vorstoss nach Süden verfolgte er zwei Ziele. Die schon genannte neuerliche Vereinigung Unteritaliens mit dem Reich und die Neutralisierung des junge Staufers, der ihm sonst sehr bald zum Konkurrenten werden konnte. Im Gegensatz zu ihm, konnte sich der Staufer Friedrich rühmen mit den Saliern verwandt zu sein, die ihrerseits mit den Ottonen verwandt waren, wenn auch in beiden Fällen über die weibliche Linie. Auch im frühen dreizehnten Jahrhundert war der Glaube an die wundersame Wirkung die im Königsheil steckte, dass sich durch Blutsverwandtschaft fortpflanzte, sehr groß im Bewusstsein der Menschen. Ein König der über das notwendige Heil verfügte, war von Gott gewollt, von ihm geleitet und damit ein rechter Vorsteher des Reichs.
Das militärische Vorgehen des Kaisers vom Herbst 1210 überstrapazierte die Geduld des Papstes längst. Noch Ende September erfolgten unter der Leitung des Abtes von Morimund Verhandlungen zwischen dem Pontifex in Rom und dem Kaiser. Sie blieben erfolglos. Nachdem Otto wie oben beschrieben Anfang November in das Königreich Friedrichs in Unteritalien eingefallen war, exkommunizierte ihn der Papst am 18. November 1210. Bei Capua überwinterte der Kaiser mit seinem Heer und setzte im Frühjahr 1211 seine Eroberung fort. Neapel, Salerno, ganz Kalabrien fielen in die Hände der kaiserlichen Truppen. Im September schickte er sich an nach Sizilien überzusetzen und die Insel einzunehmen, als ihn alarmierende Nachrichten aus dem deutschen Reichsteil überbracht wurden.
In Nürnberg hatten sich auf Initiative des Magdeburger Erzbischofs, der tief enttäuscht vom welfischen Kaiser abgefallen war, Erzbischof Siegfried von Mainz, ein langjähriger Weggefährte Ottos IV., der Landgraf Hermann I. von Thüringen und der böhmische König Ottokar I. im September 1211 getroffen. Sie wählten sich einen „anderen Kaiser“. Die Formulierung alium imperatorem ist dabei höchst interessant. Doch gehen wir zunächst auf die Tatsache ein, dass ein so kleiner Kreis von nur vier Reichsfürsten die Wahl vornahm. Im Kontext der bisherigen Wahlen ist das bemerkenswert. Die Veranstaltung hatte bei Licht betrachtet mehr den Charakter einer deutlichen Stellungnahme, als einer rechtsverbindlichen Wahl. Spätestens jetzt trat wieder eine Stauferpartei mit sehr prominenenten Anhängeren offen auf.  Noch beachtenswerter ist das erwähnte alium imperatorem. Sie wählten nicht einen König, sondern gleich einen Kaiser. Hiermit bewiesen sie mit aller Deutlichkeit den Anspruch der Fürsten des nördlichen Reichsteils, dass sie mit der Wahl des Königs stets auch den zukünftigen Kaiser kürten. Die Rolle des Papstes würde sich formell auf die eines reinen Koronators reduzieren, ohne echten Einfluss auf den Kandidaten. An diesen Punkt wird sich hundert Jahre später der Approbationsstreit entzünden, wir kommen in Buch 2 darauf zurück.

Alarmiert von den Vorgängen in Deutschland, brach der Kaiser seinen Feldzug unverzüglich ab und eilte nach Norden, verbrachte den Winter in der Lombardei, wo er zahlreiche Regentschaftsaktivitäten vornahm, um sich die Unterstützung der welfenfreundlichen Kommunen Oberitaliens, darunter vor allem Mailand, zu erhalten. Erst im Laufe des Februar 1212 kehrte er in den deutschen Reichsteil zurück und hielt Mitte März in Frankfurt einen Hoftag um sich Gewissheit über seine Anhänger zu machen. Aus den vorhandenen Urkunden geht nicht hervor, dass Markgraf Albrecht in Frankfurt gewesen wäre. Dieser schien bereits in kriegerischen Verwicklungen mit den Dänen zu stehen, die ihren Einfluss auf Pommern, dass seit den Feldzügen Markgraf Ottos II. unter brandenburgische Lehnsherrschaft geraten war, erneut auszudehnen und dabei rasch Fortschritte zu machen.


Krieg gegen Dänemark & ausbrechender Thronstreit

Der Vormarsch der Dänen in Pommern und die ausbleibende Unterstützung der pommerschen Vasallen, die in Brandenburg ein ebenso großes Übel sahen, wie in Dänemark, nötigte Markgraf Albrecht II. sich noch enger als bisher an den Kaiser zu binden. Albrecht musste aus akuter Not heraus diesen Weg eingeschlagen haben, obwohl sich seit Herbst 1211 eine starke Koalition um König Friedrich von Sizilien, den Enkel Kaiser Friedrichs I. und Sohn Kaiser Heinrichs VI., formierte. Bei Albrecht muss die bislang natürliche Nähe der Askanier zu den Staufern deutlich geringer ausgeprägt gewesen sein, als bei seinen Vorfahren. Die im askanischen Haus lange Zeit gelebte Feindschaft zu den Welfen schien mit Otto II. erloschen zu sein, auch wenn Albrecht II. beim Regentschaftsantritt noch dem Staufer Philipp anhing, was damals wohl hauptsächlich dessen absehbarem Sieg über Otto von Braunschweig geschuldet war. Das Jahr 1211 brachte die ersten, noch begrenzten Rückschläge in Pommern die sich mit den 1212 wieder ausbrechenden Kämpfen zum wahren Problem ausweiteten. Die Urkundenlage ist für diese wichtige Phase erneut bedauerlich dünn. Die dänischen Fortschritte und die brandenburgischen Gegenreaktionen lassen sich nicht zufriedenstellend rekonstruieren. Wahrscheinlich kam es zu weiteren Erfolgen der Dänen unter ihrem König Waldemar, denn im Sommer 1212 ging Albrecht ein festes Bündnis mit dem Kaiser ein, der ihm im Gegenzug versprach als Vermittler gegen Dänemark zu fungieren. Sollte die Vermittlung ohne Erfolg bleiben, unterstützte ihn der Kaiser im Kampf gegen Dänemark. Albrecht II. verpflichtete sich dafür in den angrenzenden Gebieten dem Kaiser nach Kräften Beistand zu leisten.

Zu diesem Zeitpunkt kämpfte Otto IV. in Thüringen gegen Landgraf Ludwig, der auf der Burg Weißensee, nördlich von Erfurt eingeschlossen war. Während der Kämpfe kam im nördlichen Reichsteil erstmals eine völlig neuartige Belagerungsmaschine zum Einsatz, die Blide auch Tribok oder französisch Trébuchet genannt. Eine wahrhaft gigantische Wurfmaschine, die je nach Größe der Ausführung, Steingeschosse mit 50 oder mehr Kilo, 200, 300 und in Einzelfällen sogar 400 Meter weit schleudern konnte und dabei eine ganz  erstaunliche Treffsicherheit erzielte. Fast alles Belagerungsgerät wurden an Ort und Stelle von Spezialisten und ihren Gehilfen montiert, entweder aus auf Karren mitgeführten Einzelteilen oder durch bearbeitetes, in nahen Wäldern geschlagenes Holz. Die hierzu notwendigen Werkzeuge führte ein Heer stets mit. Jeder zu den Waffen gerufene Lehnsmann hatte Sorge zu tragen, dass neben Truppen, Bewaffnung, Pferde etc., auch Werkzeuge aller Arten mitgeführt wurden, um damit am Belagerungsort in großem Stil alle erforderliche Arbeiten vorgenommen werden konnten. Das Wissen um die neue Technolgie kam vermutlich über Byzanz und den Umweg der Kreuzzüge nach Europa. Das Erscheinen neuer Angriffswaffen führte stets, wenn auch mit zeitlichem Verzug, zu Gegenmaßnahmen bei der Defensive und löste ein Wettrüsten zwischen besser werdenden Belagerungswaffen einerseits und Festungstechnik anderseits aus. Die Wehrhaftigkeit der Burganlagen wuchs in dem Maße, wie die Angriffskraft der Belagerungswaffen zunahmen.

Dem Thüringer Feldzug Ottos ging am 22. Juli 1212 seine Eheschließung mit Beatrix von Schwaben voraus. Jene freimütige Stauferin, die auf dem großen Frankfurter Hoftag von 1208, anlässlich dessen die Großen des Reichs das Königtum Ottos anerkannten, als junge Frau vor die Menge trat und Sühne für den Tod ihres Vaters Philipp von Schwaben forderte. Damals wurde die Vollwaise, ihre Mutter starb wenige Woche nach dem Mann im Kindbett, mit Otto IV. verlobt, in der Hoffnung dadurch Staufer und Welfen langfristig versöhnen zu können. Vier Jahre später erfolgte also die Hochzeit.  Zu einem Zeitpunkt, wo die Kluft beider Parteien erneut aufgebrochen war. Der Kaiser glaubt durch eine bewusste Inszenierung seiner Vermählung mit der ältesten Erbin des 1208 ermordeten Königs, wankelmütige Fürsten, die mit dem staufischen Usurpator Friedrich aus alter Anhänglichkeit zur Stauferpartei sympathisierten, wieder hinter sich scharen zu können. Er versäumte in dem Zusammenhang auch nicht mit besonderen Gunsterweisungen wichtige Persönlichkeiten zu locken, so in besonderem Maße den Herzog von Bayern. Die aus Staatsräson geschlossene Ehe stand unter keinem guten Stern. Beatrix starb am 11. August, nach dreiwöchiger Ehe. Wilde Gerüchte kursierten. Eines das sich hartnäckig hielt besagte, die zierliche rund vierzehnjährige Beatrix wäre an den Folgen brutaler Entjungferung gestorben. Den Tod der staufischen Königstochter nahmen die bayrischen und schwäbischen Truppenteile vor Weißensee zum Anlass, das Belagerungsheer zu verlassen und die Heimreise anzutreten. Die Kunde vom herannahmenden Friedrich hatte sich unter den Fürsten verbreitet. Tatsächlich hatte sich Friedrich im März 1212 in Sizilien mit kleinem Gefolge auf den gefährlichen Weg nach Norden gemacht. Ermutigt wurde er von einer Delegation staufertreuer Abgesandter aus dem Reich. Durch Mittelitalien verlief sein Weg ohne Komplikationen doch in Oberitalien zeigten sich die erwarteten Schwierigkeiten mit den welfentreuen Komunen. Der Einfluss Mailands war groß und Friedrich musste zeitweise regelrecht flüchten, um nicht in Gefangenschaft zu geraten. Den Kaiser erreichte im Feldlager die beunruhigende Nachricht des Fortschritts seines Konkurrenten. Mit dem Rückmarsch der Bayern und Schwaben war es offensichtlich geworden, dass ein neuerlicher Thronstreit unausweichlich wurde. Er brach die Belagerung ab und eilte in Gewaltmärschen der oberdeutschen Grenze zu, um Friedrich abzufangen, ihm wenigstens den Zugang in den deutschen Reichsteil zu verlegen. Ein dramatisches Wettrennen fand am Bodensee sein Ende. Anfang September erreichte Friedrich deutschen Boden und bahnte sich seinen Weg Richtung Konstanz. Wenige Stunden vor dem Eintreffen des Kaisers gewährte ihm der Konstanzer Bischof Einlass in die Stadt. Der Kampf um Krone und Macht im Reich war eröffnet.

Am 5. Dezember 1212 wählten die stauferfreundlichen Fürsten in Frankfurt den jungen König von Sizilien als Friedrich II. zum neuen römisch-deutschen König. Vier Tage später, am 9. Dezember wurde er in Mainz von Erzbischof Siegfried III. von Eppstein (1194 – 1249) gekrönt. Zwei kurz Anmerkungen dazu, bevor wir uns wieder den brandenburgischen Geschicken zuwenden:

    • Die in Frankfurt vollzogene Wahl war eine Bestätigung des Votums vom September des Vorjahres, das seinerzeit in Nürnberg von nur vier versammelten Fürsten vorgenommen wurde.
    • Frankfurt als Wahlort folgte ganz der überlieferten Tradition, wohingegen Mainz statt Aachen als Krönungsort und der Mainzer Erzbischof, statt dem Kölner Erzbischof, als die Krönung und Salbung vollstreckender Geistlicher, gegen Sitte und Brauch verstieß.

Die Stauferpartei musste auf die Ersatzlösung zurückgreifen. Kaiser Otto IV. hatte im September auf die Belagerung von Konstanz verzichtet, wissend dass er fern jeder ihm freundlich gesinnten Basis operierte, worauf er sich an den welfisch gesinnten Niederrhein zurückzog und dort den Weg nach Aachen verlegte, dem symbolträchtigen Krönungsort des Reichs, wo der Thron Karls des Großen stand.

In Brandenburg bzw. an seiner nördlichen Peripherie, in Pommern, entwickelten sich die Dinge derweil weiter zum Schlimmeren. Ob Otto IV. seine Bündnisversprechungen einhielt und Unterhandlungen mit den Dänen und Pommern führte, die in zeitgenössischen Urkunden noch oft pauschal als Slawen bezeichnet wurden, ist unklar. Man muss wegen den sich seit August überstürzenden Ereignissen davon ausgehen, dass er kaum die notwendige Zeit und Gedanken für persönliche Unterhandlungen fand und diese allenfalls delegierte. Umgekehrt liegt der Verdacht nahe, dass König Waldemar von Dänemark den Abzug des Kaisers an den Bodenseee dazu nutzte, noch vor der einsetzenden Frostperiode seine erreichte Position in Pommern zu erweitern. Aus dem Jahr 1213 ist keine einzige Urkunde aus dem Leben und Wirken des Markgrafen erhalten geblieben. Dem letzten Zeugnis aus dem Jahre 1212 entnehmen wir die Aufzeichnungen des Klosters Lehnin. Vermutlich im Dezember bestätigt er darin dem Spandauer Vogt die Schenkung von zwei Hufen Land im Dorf Wustermark, westlich von Spandau, zugunsten des Klosters Lehnin. Hieraus kann entnehmen, dass die Gebiete ostwärts Brandenburgs an der Havel mittlerweile gut erschlossen waren und sich ganz offensichtlich längst intakte dörfliche Strukturen weiträumig um das östliche Regionalzentrum Spandau gebildet hatten. Dass dem wahrscheinlich schon unter Otto II. so war, könnte man aus dem Umstand ableiten, dass dieser 1198 die Mark weit über ihre bisherige Ausdehnung nach Osten erweiterte, evtl. weil sich zwischenzeitlich eine Sättigung im bisherigen Siedlungsraum bemerkbar machte und die dortigen Gebiete unter guter Kontrolle standen und einen zufriedenstellenden Entwicklungsstand aufwiesen. Markgraf Otto II. hatte den wenigen erhaltenen Dokumenten nach in dieser Zeit einige nicht näher benannte elbslawische Stämme und deren Gebiete unterworfen, wahrscheinlich östlich und nordöstliche der Prignitz. Es musste sich um bedeutende Ländereien gehandelt haben, denn er geriet darüber mit Dänemark in Konflikt, dass seine Einflusssphäre verletzt sah. In dem daraus entstandenen Krieg entstand, der wahrscheinlich im nordöstlichen Grenzgebiet der Mark geführt wurde, setzte sich Otto II. glänzend durch.

Zurück ins Jahr 1213. Es fehlt das schriftliche Zeugnis, doch geht man nicht fehl in der Annahme, dass der Krieg gegen Dänemark um Pommern den Markgrafen Albrecht unvermindert in Atem hielt. 1211 begannen die Feindseligkeiten und führten 1212 zu jenem brandenburgischen Bündnis mit dem Kaiser, über das einige Seiten zuvor berichtet wude. Da 1214 der dänisch-pommersche Krieg an mehreren Stellen eskalierte und schon nahe an den Grenzen Brandenburgs geführt wurde, ist die Vermutung, dass der Krieg auch 1213 unvermindert tobte nur zu wahrscheinlich. 1214 wurde sowohl an der unteren Oder und der nördlichen Uckermark gekämpft, wie auch an der Elbe, nordwestlich der Altmark. Ob die Kämpfe gleichzeitig, mit geringen zeitlichen Überlappungen oder nacheinander geführt wurden, ist aus den zerstückelten Berichten verschiedenster Chroniken nicht zu entnehmen. Der Markgraf musste sich währenddessen sowohl Kasimir von Demmin und Bogislaw von Stettin erwehren, wie gegen dänische Truppen. Die beiden Herzöge wollten die brandenburgische Lehnshoheit abstreifen und ihre Reichsunmittelbarkeit erlangen. In ihrem Kampf verstanden sie sich als Allianzpartner der Dänen und nicht als ehemalige oder aktuelle Vasallen des dänischen Königs. Die Lage in Pommern wurde für den Markgrafen aussichtslos. Stettin, in dem scheinbar seit den Kriegserfolgen Ottos II. eine brandenburgische Garnison lag, ging verloren und auch die nördliche Uckermark mit Pasewalk. Bei Oderberg ließ er 1212/14 auf dem nach ihm benannten Albrechtsberg eine Festung errichten. Sie sollte die äußerste nordöstliche Grenze der Mark Brandenburg nach Norden und Osten sichern. Auch im westlichen Vorpommern gingen die Erwerbungen Ottos II. Stück für Stück verloren und so blieb in dem Gebiet nur noch die kleine Region um Tollense, die schon Otto I. annektierte.

Der Kaiser ließ Albrecht entgegen aller vollmundigen Bündniszusicherungen im Stich und wandte sich mit seinem Heer stattdessen gegen den französischen König. An der Seite seines englischen Onkels, König Johann, plante er die Zerschlagung Frankreichs. Nach anfänglichen Erfolgen Johanns, die nicht ausgenutzt wurden, weil sich die Versammlung des kaiserlichen Heers unnötig in die Länge zog, erfolgte ein herber Rückschlag für den König von England. Mittlerweile war Otto IV. in Frankreich eingefallen. Nachdem sich in Flandern noch einige flandrische und englische Kontingente anschlossen, ging es in allgemeiner Stoßrichtung Paris weiter. Bei Bouvines, unweit Lille, im heutigen französisch Flandern, kam es am 27. Juli 1214 zur Schlacht, die nach mehrstündigem blutigem Ringen von König Philipp II. August für sich entschieden wurde. Der geschlagene Kaiser zog sich daraufhin nach Köln zurück. Die Niederlage hatte verheerende Auswirkungen auf sein Prestige. Im Reich sagten sich eine große Zahl Fürsten von ihm los und schlossen sich der Partei Friedrichs II. an. Währenddessen kehrte Markgraf Albrecht II. dem Kaiser nicht den Rücken, obwohl er ihn im Kampf gegen Dänemark alleine gelassen hatte und sich lieber mit seinem englischen Onkel in einen Krieg mit Frankreich stürzte. Ein Seitenwechsel zur Partei der Staufer hätte dem Brandenburger zu dieser Phase nichts gebracht. Der Einfluss Friedrichs II. machte sich im norddeutschen Raum noch nicht ausreichend bemerkbar, auch wenn mit dem Magdeburger Erzbischof ein mächtiger und politisch einflussreicher Parteigänger offen zu Friedrich II. stand. Es war zum jetzigen Zeitpunkt immer noch angebrachter weiter dem welfischen Kaiserhaus anzuhängen, das im niedersächsischen Raum und am Niedrrhein weiterhin die Kontrolle hatte. Auch die askanischen Vettern in Sachsen-Wittenberg und Anhalt hielten Otto IV. die Treue. Im Herzogtum Sachsen war im Februar 1212 der alte Herzog Bernhard III. im beachtlichen Alter von etwa 72 Jahren gestorben. Er war der letzte noch lebende Sohn Albrechts des Bären gewesen. Mit seinem Tod wurde das ostsächsische Herzogtum geteilt. Sein erstgeborener Sohn wurde als Heinrich I. Graf von Anhalt und erbte die alten askanischen Stammlande. Dem nächstgeborenen Sohn Albrecht kam der Titel eines Herzogs von Sachsen und territorial die Regionen um Wittenberg und Lauenburg zu. Er führte auch das Ballenstedter Stammwappen der askanischen Familie weiter. Das gestörte Verhältnis der Askanier untereinander schien sich in den zurückliegenden Jahren immerhin nicht weiter verschlechtert zu haben. Die Wege verliefen aber, trotz der engen Verwandtschaft, weiterhin auffallend getrennt.
Im Dezember 1214 sollte sich die markgräfliche Anhänglichkeit an den   ohnmächtiger werdenden Kaiser rächen. In Metz gab König Friedrich II. die Gebiete jenseits von Elbe und Elde, gemeint war Ostholstein sowie die Gegenden des späteren Mecklenburgs und Vorpommerns als offizielle Reichslehen an König Waldemar II. von Dänemark. Der Lehnsakt hing unmittelbar mit dem antidänischen Bündnis zwischen dem Kaiser Otto IV. und Brandenburg zusammen. Otto hatte zwar bislang keine Taten wider Waldemar folgen lassen, doch veranlasste es den dänischen König sich jetzt an den Staufer zu halten, was sich, wie man sah, schnell bezahlt machte. Der brandenburgisch-dänische Krieg war durch den Lehnsakt von Metz in keiner Weise beendet. Da Albrecht den Staufer als römisch-deutschen König nicht anerkannte, sah er keine für ihn rechtsverbindliche Grundlage, den Kampf einzustellen, so lange er sich noch in der Lage glaubte einen Erfolg erzielen zu können.

Wenden wir kurz dem Krieg gegen die Dänen den Rücken zu und werfen einen  erneuten Blick auf das brandenburgische Verhältnis zu Magdeburg. Die Schwierigkeiten rund um den Zehntstreit nebst anderen Reibungspunkten waren alle nicht beseitigt, das Verhältnis entsprechend angespannt. Mit dem Seitenwechsel des Erzbischofs, der seit seiner Ernennung erst Otto IV. anhing, bald von diesem enttäuscht, sich dem Staufer zuwandte und Friedrich II. durch sein Votum in Nürnberg im Reich hoffähig machte, waren Markgraf Albrecht II. von Brandenburg und Erzbischof Albrecht II. von Magdeburg in verfeindeten Lagern. Es hielt beide Seiten nicht davon ab, von Fall zu Fall zusammenzukommen, so 21. September 1215 in Ziesar. Beide waren hier unter den Zeugen, als der Brandenburger Bischof Balduin die Marienkirche zu Coswig, westlich von Wittenberge an der Elbe zum Kollegialstift erhob. Unter den Zeugen war auch Bischof Sigebode von Havelberg. Alle drei Prälaten reisten von hier aus weiter nach Rom, wo Papst Innozenz III. zum vierten Laterankonzil gerufen hatte. Seinem Ruf folgten nicht weniger als 71 Patriarchen und Metropoliten, 412 Bischöfe und über 900 Äbte oder klösterliche Delegierte. Ferner waren neben Friedrich II., die Könige von Frankreich, England, Aragon, Ungarn, Zypern, Jerusalem und mit Heinrich I., der lateinische Kaiser von Konstantinopel anwesend. Es wollen hier nicht auf die Einzelheiten des Konzils eingegangen werden und nur der für das Reich und den Thronstreit wichtige Passus Erwähnung finden: Der Papst erklärte den Kaiser offiziell für abgesetzt und Friedrich II. als Rechtsnachfolger auf dem römisch-deutschen Thron. Im Verhältnis der Staufer und des Papstes hatte sich mit dem jungen Friedrich II. eine grundlegende Wende vollzogen. War der tiefe Gegensatz von Papst und Staufern endgültig beigelegt?

Die Lage für Kaiser Otto IV. war zum Ausgang des Jahres 1215 verzweifelt geworden. Entscheidend hierbei war ein letztendlich erfolgloser Feldzug gegen Dänemark in Holstein. Etwa zeitgleich mit dem in Rom abgehaltenen Konzil und der Abwesenheit seines staufischen Rivalen, unternahm der Kaiser, unterstützt von seinem älteren Bruder, dem Pfalzgrafen Heinrich und Markgraf Albrecht, eine Heerfahrt nach Holstein. Zuerst ging es sich gut an, es gelang Hamburg nach Belagerung zu erobern. Als Waldemar II. aber mit einem überlegenen Heer heranrückte, zog sich der Kaiser wieder kampflos hinter die Elbe zurück und der kaum begonnene Feldzug nahm ein baldiges Ende.


Feldzug gegen Magdeburg

Aus dem Jahr 1216 ist nur eine Urkunde im Kontext mit dem Markgrafen erhalten, sie ist auf den 28. Dezember datiert. Ihre Echtheit muss bezweifelt werden, denn darin bezeugt Albrecht II. angeblich die Rechte des Bistums Brandenburg. Rufen wir uns noch einmal die Pläne des Markgrafen rund um ein exemptes Bistum in den ehemals heidnisch-slawischen Gebieten der Mark ins Gedächtnis. Das Ziel des Vorhabens war sich dadurch den dortigen Kirchenzehnten zu sichern. Auch wenn das Projekt nicht zur Vollendung kam, zog er dennoch die Einnahmen aus den betreffenden Gebieten ein. Es wäre nur schwer nachvollziehbar, weswegen er Ende 1216 dem Bistum Brandenburg dessen Rechte bestätigen sollte, die seinen eigenen Interessen entgegengesetzt standen, zumal die markgräfliche Finanzlage nach fünf Jahren Krieg zweifelsohne angespannt sein musste und der Krieg sollte sich noch ausweiten

Ende des Jahres 1216 gehörte der Markgraf zu den wenigen Fürsten die dem welfischen Kaiser die Treue hielten. Man mag sich die Frage nach dem Motiv stellen und neigt womöglich zur Antwort, dass er es mit dem Lehnseid und dem geschlossenen Bündnis besonders aufrichtig und ernst meinte. Die Aufrichtigkeit oder Ernsthaftigkeit soll nicht grundsätzlich in Frage gestellt werden, doch sollte man bedenken, dass Eigennutz der weitverbreitete Motor und Beweggrund von Bündnissen und Anhänglichkeiten war. Es darf wohl mit gewisser Sicherheit angenommen werden, dass Albrecht II. in der Verbindung für sich und seine Politik immer noch einen Nutzen erkannte. Bislang blieben seine Kernlande von kriegerischen Übergriffen verschont. Auch wenn seine Gegner, Dänemark, Pommern-Stettin, Pommern-Demmin, bisher die Sieger waren und Brandenburg seinen Einfluss in Slawien, das heißt in Vorpommern und Mecklenburg fast gänzlich verlor hatte, wurden die Kämpfe noch immer auf deren Gebieten geführt und nicht in der Mark. Unter diesen Bedingungen war seine Loyalität dem Kaiser gegenüber bisher ohne Nachteile, wenn auch ebenso ohne merkliche Vorteile. Vom jungen Staufer Friedrich wäre keine Hilfe in seinem Ringen gegen Dänemark und dessen Vasallen zu erwarten gewesen. So lange sich keine große Fürstenkoalition militärisch zusammenfand, um gegen Otto IV. und seine Verbündeten vorzugehen, und bisher blieb dies überraschend aus, war das Risiko für Albrecht überschaubar. Es war sogar so kalkulierbar, dass sich Albrecht im Spätsommer 1217 einem Feldzug des Kaisers gegen Magdeburg anschloss. Dem Markgrafen mag dieser Heerzug ins Konzept gepasst haben, konnte er auf diese Weise seinen magdeburgischen Rivalen schädigen und genau darauf schien die Auseinandersetzung ausgelegt zu sein. Mit im Konzert war der Herzog von Sachsen und der Graf von Anhalt. Erstmals seit langem waren die askanischen Linien wieder vereint im gemeinsamen Vorgehen. Von Kalbe an der Saale aus rückte das Heer des Kaisers nach Osten gegen die Elbe und überschritt, eine Furt bei Aken nutzend, nordöstlich von Köthen den Fluss. Sie drangen in ein Gebiet südlich des Jerichower Lands, westwärts des Flämings und verheerten die Gegend. Es war die alte Form der Kriegsführung. Durch Zerstörung den Gegner schädigen sowie mürbe machen und durch Plünderung sich selbst verstärken. Die Stadt Burg, Zentrum der Region und nordöstlich Magdeburgs gelegen, wurde belagert. Der erzbischöfliche Truchsess und der Burggraf von Magdeburg verteidigten die Stadt verbissen und mit Erfolg. Die Belagerer, allen voran die Kontingente des Kaisers, erlitten Verluste durch Bogen- bzw. Armbrustschützen und verzichteten auf einen Sturm. Otto brach die Belagerung ab und zog sich nach Goslar zurück. Die zuvor genutzte Furt, die wohl hauptsächlich wegen Niedrigwasser einfach verwendet werden konnte, war nach Anstieg des Wassers zu einem gefährlichen Übergang geworden und der Kaiser verlor an dieser Stelle weitere Mannen. In Goslar hob er neue Truppen aus, nachdem die Nachricht eintraf, der Friedrich II. würde ein Heer ausrüsten, um dem Erzbischof beizustehen. Schon im September eröffnete Otto IV. einen zweiten Angriff, diesmal diesseits der Elbe. Während all der Zeit war die markgräfliche Burg in Wolmirstedt, nördlich Magdeburgs, ein wichtiges Bollwerk zum Schutz der Altmark vor Gegenreaktionen des Erzbischofs. Magdeburg war ansonsten von Feinden buchstäblich eingekreist und musste die Gewalthandlungen, völlig in die Defensive gedrängt, über sich ergehen lassen. Wieder waren die Askanier beteiligt und schlossen sich bei Hamersleben dem Kaiser an. Gegen Mitte September erscheint Friedrich II. mit einer zahlenmäßig überlegenen Armee, um dem schwer ringenden Erzstift beizustehen. Der Kaiser zieht sich daraufhin nach Quedlinburg zurück, wo er von den Truppen Friedrichs II. eingeschlossen wurde. Erst jetzt, nachdem die Gefahr eines Krieges auf eigenem Gebiet zu befürchten und die Sache Ottos IV. endgültig verloren war, verließ der Markgraf und mit ihm Graf Heinrich von Anhalt und Herzog Albrecht von Sachsen den Kaiser und unterwarfen sich Friedrich II., den sie als römisch-deutschen König anerkannten und huldigten. So wie man dem Markgrafen und auch seinen Vettern bisher besondere Treue hätte nachsagen können, läge jetzt der Vorwurf der Untreue auf der Zunge. Es wurde schon erläutert, weder das eine, noch das andere traf zu. Die Bindung zum welfischen Herrscher resultierte aus den lokalen Begebenheiten des ostsächsischen Raums. Sie war 1208 dem Umstand geschuldet, dass Philipp von Schwaben ermordet wurde und im Reich dessen bisheriger Gegenspieler allgemeine Anerkennung fand. Seit 1211 bestimmte der dänische Gegensatz alle politischen Handlungen des Markgrafen und der Kaiser erwies sich, wenn überhaupt, als einzige Hilfsquelle in dem für Brandenburg schlecht verlaufenden Konflikt. Albrecht II. fühlte sich nicht auf Gedeih und Verderb an den immer machtloser werdenden Monarchen gefesselt und behielt sich den Abfall als Option vermutlich von Beginn an in der Hinterhand.


Frieden mit Dänemark

Albrecht II. stand im Spätjahr 1217, isoliert und aller Hilfen beraubt, vor der Situation den gegen Dänemark beenden zu müssen, wollte er nicht auch noch die letzten mecklenburgisch-pommernschen Reste verlieren. Seine bisherigen Ansprüche auf Pommern waren militärisch nicht mehr durchsetzbar.
Auch mit Magdeburg musste ein Vergleich gefunden werden. Nach den Ereignissen des Sommers, war das Verhältnis zum Erzbischof mehr denn je belastet. Als erste nachweisbare Begütigungsmaßnahme trat er die Vogtei in den Dörfern Zernitz bei Zerbst und Dodewiz, heute nicht mehr existent, an den Erzbischof ab. Sie gehörten zur Nikolaikirche in Magdeburg und die brandenburgischen Markgrafen waren schon lange deren Vögte gewesen. Erstaunlicherweise verbesserte sich das Verhältnis zum Erzstift in der  Folgezeit.
1218 ist nichts Schriftliches über das Wirken Albrechts II. erhalten und doch ist  Jahr interessant, denn es brachte das unrühmliche Ende des Kaisers. Während im Herbst des Vorjahres das Heer Friedrichs II. zerstörend über die welfischen Kernlande hinweggezogen war, lag er eingeschlossen in Quedlinburg, unfähig zu einer Gegenreaktion. Diesem Schicksal waren die vormaligen askanischen Verbündeten durch ihren Seitenwechsel ins Lager Friedrichs II. rechtzeitig entgangen. Vor dem heraufziehenden Winter brach Friedrich die Belagerung Quedlinburgs ab, zog nach Süden und löste das Heer auf. Kaiser Otto starte von seinen Erblanden aus bereits im Folgejahr gegen Aschersleben einen Rachefeldzug, führte alles Korn nach Quedlinburg fort und brannte die Stadt des Grafen Heinrich von Anhalt nieder. Anfang Mai begab er sich einer Gewohnheit folgend auf die vor wenigen Jahren erst erbaute Harliburg, um dort eine Trankkur zu absolvieren. Der Chronist und Augenzeuge der Geschehnisse, Abt Friedrich von Walkenried, erwähnt in seinem Narratio de morte Ottonis IV. imperatoris einen als Medizin verabreichten Drunk, vermutlich unter anderem aus Bärlauchextrakt, der unerwartet zu heftigen und anhaltenden Durchfällen führte. Wurde der Kaiser absichtlich vergiftet oder hatten sich, für den Laien ähnlich aussehende Maiglöckchen, gar Herbstzeitlosen, die blutigen Durchfall erzeugen, in der Mixtur befunden? Seine Dienstmannen schafften den schwer erkrankten Monarchen auf die Harzburg um ihn von dort etappenweise nach Quedlinburg oder Braunschweig zu transportieren. Entkräftet und dehydriert, wurde die Harzburg seine letzte Station. Hier verfasste er kurz vor dem Tod sein politisches Testament und setzte seinen älteren Bruder Heinrich zum Universalerben und Testamentsvollstrecker ein. Es war das erste schriftliche Testament eines römisch-deutschen Kaisers das überliefert ist. Die Welfen waren bei der Kodifizierung im Reich Vorreiter, womit der Nachwelt ein reicher Schatz wichtiger Einblicke aus dieser Zeit ermöglicht wurde. Otto führte fast zwei Jahrzehnte Kriege um den Thron. Auf die zehn Jahre des ersten Deutschen Thronstreits, folgten nur wenige Jahre der Alleinherrschaft, bevor er sich wegen seiner Ambitionen in Unteritalien mit Papst Innozenz III. überwarf und gebannt wurde, worauf mit dem Staufer Friedrich, dem jungen sizilianischen König, Enkel Barbarossas, Sohn des letzten Kaisers, Neffe Philipps von Schwaben, ein Gegenkönig gekürt wurde. Es folgten erneut Jahre des Kriegs, sowohl im Reich wie außerhalb davon, gegen Frankreich. Auf dem Höhepunkt seiner Macht hatten ihm die Könige von Polen und Ungarn gehuldigt, bevor er aus der Höhe seiner kaiserlichen Autorität in bodenlose Tiefen stürzte und ein rasches, trauriges Ende nahm. Bis fast zuletzt stand Markgraf Albrecht II. von Brandenburg an seiner Seite, mit dem er ein Bündnis eingegangen war, bevor auch dieser ihn verließ, um sich des Zorn des jetzt etablierten römisch-deutschen Königs zu entziehen. Ottos Leichnam wurde in Braunschweig im Beisein weniger verbliebener Lehnsmänner beigesetzt.
Mit dem Tod des Kaisers war der Weg frei für Friedrich II. den Thron des römisch-deutschen Reichs ungeteilt in Besitz zu nehmen. Albrecht II. war durch den Tod Ottos IV. von möglichen Rachezügen des Welfen gegen die Altmark enthoben. Blieb nur noch Dänemark als letzter Alpdruck übrig und hier kam der am 16. Juli 1216 zum Papst gewählte Honorius III. (1148 – 1227) als Helfer ins Spiel. Wir müssen ausholen um den Zusammenhang darzustellen. Ein weiteres Mal müssen wir Heinrich den Löwen bemühen. Dieser hatte vier Söhne, drei davon spielten eine Rolle. Zunächst der erstgeborene Heinrich, späterer Pfalzgraf bei Rhein, Otto von Braunschweig, der spätere Kaiser Otto IV. und Herzog Wilhelm von Lüneburg. Nach dem Tod Ottos IV., erbte Pfalzgraf Heinrich die Güter des Kaisers. Wilhelm, Herzog von Lünburg, starb 1213 noch vor dem Kaiser. Dessen 1204 geborener Sohn Otto, den man das Kind nannte, war zum Zeitpunkt von Wilhelms Tod noch unmündig, weswegen vorerst die Mutter die Regenschaft in Lüneburg übernahm. Die Mutter, Helena von Dänemark, war das sechste von sieben Kindern des dänischen Königs Waldemar I. und eine jüngere Schwester des seit 1202 regierenden Waldemar II. Der kleine Lüneburger Herzog verbrachte immer wieder einige Zeit am dänischen Hof und der königliche Onkel fand Gefallen an dem aufgeweckten Jungen.
Der Brandenburger Markgraf suchte nach einem Weg den Krieg mit Dänemark beizulegen und glaubte mit einem einem Heiratsprojekt die Sache bewerkstelligen zu können. Zur Beilegung des für ihn aussichtslos gewordene. Krieges sollte Tochter Mechthild, sein erstgeborenes Kind, mit jenem Otto von Lüneburg vermählt werden. Dem Vorhaben stand eine Verwandtschaft vierten Grades im Wege. Wir rufen uns nochmal die Ahnen beider Häuser ins Gedächtnis. Sowohl das welfische, wie das askanische Haus, war in direkter Linie mit Herzog Magnus von Sachsen verwandt, dem letzten Vertreter aus dem Hause Billungen. Seine beiden Erbtöchter heirateten je einen Welfen und einen Askanier womit jeweils ein Teil des billungischen Allodialguts an die beiden Häuser ging. Die Askanier traten dadurch aus dem Kreis der sonstigen Kleingrafen der Region heraus, während die ursprünglich aus Oberschwaben stammenden Welfen im norddeutschen Raum Fuß fassten. Im Zusammenhang vorerwähnter Verwandtschaft der Heiratskandidaten, kommt Papst Honorius III. ins Spiel, der zu dieser Verbindung seinen Segen geben und musste und Dispens erteilte, was er letztendlich auch tat. In einem am 26. Mai 1219 an Bischof Christian von Preußen gerichteten Brief erläutert der Papst seine Gründe. Ein wenig muss nochmal ausgeholt werden. Besagter Christian, erster Bischof Preußens, war Zisterzienser und stammte aus dem Kloster Oliva, ganz in der Nähe des späteren Danzigs. Oliva wurde zum Stützpunkt der ersten Missionarstätigkeiten des Bischofs im Gebiet der westbaltischen Prußen. Im Jahre 1217 ersuchte der Bischof den Papst einen Kreuzzug gegen die heidnischen Prußen auszurufen. Es zeigte sich, dass die baltischen Stämme zwischen Weichsel und Memel äußerst widerstandsfähig waren und den Angriffen, vor allem des Herzogs von Masowien, mit großem Erfolg widerstanden. Der Papst erhoffte sich durch die Beilegung des jahrelangen Kampfes zwischen Dänemark und Brandenburg, beide Regenten für den gemeinsamen Kampf gegen die Heiden gewinnen zu können.
Das Hochzeitsprojekt mit den Welfen kam zustande. Die Formalitäten der Eheschließung wurden vereinbart, gefolgt von der Verlobung. Die eigentliche Hochzeit kam erst verhältnismäßig spät im Jahre 1228 zustande. Der erhoffte Friedensschluss mit Dänemark kam noch in der ersten Hälfte des Jahres 1219 zustande und beendete den für Brandenburg äußerst unvorteilhaft verlaufenen Krieg. Dänemark setzte sich im südewestlichen Ostseeraum als Lehnsherr über Vorpommern fest und verdrängte in dieser Hinsicht das unterlegene Brandenburg. Die Friedensbedingungen sind nicht überliefert, man kann aber annehmen, dass Dänemark selbst froh um den Friedensschluss war und auf dem derzeitigen Status Quo der Frieden vereinbart wurde. Die Beziehungen zum lpneburgischen Welfenhaus war seit dem Eheprojekt vortrefflich, worauf noch im kommenden Kapitel eingegangen wird. Herzogin Mechthild unterhielt zeitlebens engen Kontakt zu ihren jüngeren Brüdern in der Mark. Ihre eigenen Kinder ließ sie im altmärkisch-brandenburgischen Salzwedel erziehen, wo zu diesem Zeitpunkt eine der märkischen Residenzen lag. Möglicherweise ist sie selbst dort aufgewachsen, weshalb der ans Lüneburgische angrenzende Ort von ihr dazu bestimmt wurde. Albrechts Nachfolger, seine Söhne Johann I. und Otto III., verließen komplett die antidänische Politik von Onkel und Vater. Aus dem ehemaligen Feind im Norden, wurde so etwas wie ein Partner.


Der Schlussakkord

Im Juli 1219 erscheint Albrecht erstmals auf einer königlichen Urkunde Friedrichs II. unter den Zeugen. Der König bestätigte darin der Stadt Goslar ihre bisherigen Privilegien. In einer weiteren Urkunde auf der Albrecht als Zeuge erscheint, anerkennt Friedrich die von seinen Eltern vergebenen Rechte des bei Palermo liegenden und zum Deutschen Orden gehörenden Klosters zur Heiligen Dreifaltigkeit (St. Trinitas).
Noch im gleichen Jahr bewilligen der Markgraf von Brandenburg sowie sein zukünftiger Schwiegersohn, Herzog Otto I. von Lüneburg, dem Bischof von Preußen eine jähreliche Rente von 20 Mark Silber. Weiter sagen sie ihm verschiedene Freiheiten und Privilegien zu.
Eine 1219 in Salzwedel ausgestellte Urkunde ist von Interesse. Darin belehnt Albrecht II. den Grafen von Schwerin mit Burg und Dorf Lenzen im Grenzgebiet der Nordprignitz ins spätere Mecklenburgische hin. Es machte den Grafen dadurch zum Lehnsmann des Markgrafen, womit immerhin ein geringer Rest Einfluss im mecklenburgisch-pommerschen Raum für Brandenburg erhalten blieb. Der üblichen Lehnsformel nach gelobte Graf Heinrich dem Markgrafen und dessen Nachfolger gegen jedermann zu verteidigen, einzige Ausnahme war Dänemark. Wir dürfen aus dieser Sonderklausel schließen, dass es entweder als eine Grundbedingung von den Dänen vorgegeben wurde oder der Markgraf hatte von sich aus diesen Passus als wohlmeinendes Signal Richtung des dänischen Königs eingebaut. Im Falle eines neuerlichen brandenburgisch-dänischen Krieges, verpflichtete sich der Schweriner Graf, die Burg das dazugehörende Dorf und die Zölle wieder an den Markgraf abzutreten, damit dieser die Wehranlage in Kriegszustand versetzen konnte. Nach Beendigung des Konflikts würden gegen Begleichung der Baukosten, die Liegenschaften an den Grafen von Schwerin zurückgehen. Diese Lehnsvereinbarung ist das wichtigste Indiz, dass es 1219 tatsächlich zum Frieden mit Dänemark gekommen sein muss, auch wenn kein diesbezügliches Zeugnis erhalten blieb.

Markgraf Albrecht II. regierte knapp 15 Jahre in Brandenburg, etwas länger als sein 1184 verstorbener Vater aber kürzer als sein Bruder Otto II., der mehr als 20 Jahre die Geschicke der Mark leitete. Gut acht Jahre führte Abrecht gegen Dänemark einen Verteidigungskrieg. Zu Anfang noch mit Erfolg, verlor er mehr an mehr an Boden und war schließlich gezwungen den Konflikt beizulegen, um schlimmeres zu verhüten. Er büßte gegen Dänemark und die pommernschen Herzöge nahezu den kompletten Einfluss auf Pommern ein.

Am 25. Februar 1220 starb er im Alter von rund 43 Jahren nicht eben jung, aber auch selbst die Zeit nicht sonderlich alt. Die Umstände seines Todes blieben unbekannt. Er konnte den erst 1219 geschlossenen Frieden mit Dänemark nicht mehr lange auskosten. Da keine Quelle irgendwelche Andeutungen machen, kann von einem natürlichen Tod ausgegangen werden. Albrecht wurde im Kloster Lehnin beigesetzt, der askanischen Grablege in Brandenburg. Neben dem Krieg gegen das nordische Reich, dass während seiner Regentschaft die bislang größte Ausdehnung nach Süden erreichte, waren die beiden Thronstreits die zentralen Themen seiner Regierungsjahre. Zuerst den Staufern anhängig, trat er nach der Ermordung Philipps von Schwaben auf die Seite des Welfen Otto IV. über, den er als einer der letzten Verbündeten im Frühherbst 1218 verließ, um sich erneut auf die Seite eines staufischen Königs zu stellen. Es ist unklar, ob er in seiner Regierungszeit eigene Gebietserwerbungen machen konnte, zumindest förderte er den Landesausbau in den Gebieten ostwärts der Havel bis hin zur Oder. Mit der Errichtung des festen Platzes Oderberg, ist spätestens unter Markgraf Albrecht die Oderlinie erreicht und dauerhaft gehalten worden.
Als Albrecht starb, waren seine beiden Söhne Johann und Otto beide noch im Knabenalter. Die Mark erlebte dadurch ihr erstes Interregnum.


Buch 1, Kapitel V: „Otto II. der Freigiebige“


Markgraf Otto II.

Otto II. trat 1184 als Markgraf die Nachfolge des verstorbenen Vaters in Brandenburg an. Wie schon bei den Vorfahren, ist auch bei ihm das genaue Geburtsjahr unbekannt und kann deshalb nur geschätzt werden. Das Heiratsjahr der Eltern und spätere Ereignisse erlauben den Rückschluss, dass er wahrscheinlich um das Jahr 1149  geboren wurde.
Seine Mutter, Judith von Polen, stammte aus dem Geschlecht der polnischen Piasten. Sie war in erster Ehe mit Prinz Ladislaus verheiratet, dem späteren Ladislaus II. von Ungarn (1131 – 1163). Aus der früh geschiedenen Ehe ging eine Tochter mit Namen Maria hervor. Ob sie am ungarischen Hof des Vaters oder am brandenburgischen Hof bei der Mutter aufwuchs, ist nicht weiter überliefert. Marias spätere Heirat mit dem venezianischen Patrizier Nicolò Michiel, Graf von Arbe, Sohn von Vitale II., dem 38. Doge Venedigs, legt allerdings die Vermutung nah, dass sie beim Vater aufwuchs.
Über Ottos Kindheit ist nichts überliefert, weswegen der Bericht über ihn erst mit seiner Regierungsübernahme beginnt, auch wenn er als Heranwachsender verschiedentlich an der Seite des Vaters als Zeuge in Urkunden erwähnt wurde.


Ottos Brüder Heinrich und Albrecht

Mit Heinrich gebar Markgräfin Judith einen zweiten Sohn, dessen Geburtsjahr wahrscheinlich um 1150 lag. Sonstige Kinder aus dieser Ehe sind nicht bekannt. Heinrich erhielt 1184 die eigens für ihn geschaffene Grafschaft Gardelegen in der Altmark. Stendal und Tangermünde, beides aufstrebende frühe Handelszentren, sowie weitere Gebiete der Altmark, gehörten zu seinem wirtschaftlich selbsttragenden Herrschaftsbereich. Um eine Zersplitterung der noch unzureichend erschlossenen Mark zu verhindern, verfügte Markgraf Otto I., dass die Grafschaft fester Bestandteil Brandenburgs blieb und Heinrich als Mitregent fungierte, wenn auch wohl in untergeordneter Rolle. Er setzte keine eigenen politischen Akzente. Heinrich bleibt hauptsächlich wegen bedeutender Kirchengründungen in Erinnerung. So wollte er erst Tangermünde, später Stendal zu einem eigenen Bistum erheben, um dadurch von den Bistümern Halberstadt und Stade geistlich unabhängig zu werden. In Tangermünde ließ er den Grundstein eines steinernen Bauvorläufers der späteren Stephanskirche legen. Gemeinsam mit Bruder Otto gründete er 1184 in Stendal das Kollegialstift Sankt Nikolaus und ließ den dortigen Dom in seiner ersten Ausführung errichten. Heinrich starb bereits 1192, noch deutlich vor seinem älteren Bruder Otto II. und hinterließ keine eigenen Nachkommen. Die Grafschaft kam wieder unter die unmittelbare Verfügungsgewalt Ottos II., der jetzt als Alleinherrscher agierte, gleichwohl Halbbruder Albrecht 1192, bislang unter seiner Vormundschaft, das gesetzliche Alter zur Mitregierung hatte. Hieraus entstanden bald Verwicklungen zwischen beiden.

Nach dem Tod von Markgräfin Judith hatte sich Otto I. im Jahre 1176 wieder vermählt, vermutlich noch vor dem Frühjahr. Über die neue Markgräfin ist so gut wie nichts bekannt, außer ihr Name, Adelheid. Sie brachte mit Albrecht, benannt nach dem Großvater Albrecht dem Bären, ihrem Mann einen dritten Sohn zur Welt. In einer Urkunde vom 1. Januar 1177 wird er und die Mutter erstmals namentlich erwähnt, womit wir seine Geburt mit größter Sicherheit in oder vor das 1176 datieren können. Der Vater vermachte dem damaligen Knaben 1184 die Grafschaft Arneburg, östlich von Stendal gelegen. Arneburg hatte bei weitem nicht die Ausdehnung der Grafschaft Gardelegen seines Halbbruders Heinrich. Wegen seiner Minderjährigkeit kam er nach dem Tod des Vaters vorläufig nicht als agierender Mitregent in Frage und stand unter der Vormundschaft Ottos II.


Schriftliche Zeugnisse und ihre Bewertung 

Es wurde eingangs erwähnt, dass Ottos Geburtsdatum nicht verbindlich ermittelt werden kann. In heutiger Zeit verwundert dies, wird doch der Geburt eines Kindes üblicherweise mit größtmöglicher Aufmerksamkeit und Vorfreude begegnet. Im Mittelalter, so scheint es zumindest auf den ersten Blick, wird der Angelegenheit auffallend wenig Bewandtnis geschenkt. Aber war dem tatsächlich so oder gab es plausible Gründe, weswegen so wenige Geburtsdaten, selbst vom Nachwuchs regierender Fürsten festgehalten wurden? Gleich vorweg: man darf mit Gewissheit davon ausgehen, dass Nachwuchs auch damals die Eltern in Freude versetzte. Kinderreichtum galt als Segen, nicht als Belastung, besonders beim Hochadel. Mit der Geburt eines erhofften Erben war die Fortführung des eigenen Geschlechts gesichert. Bei Geburt nur eines Sohnes stand der Erhalt der Dynastie auf wackligen Beinen. Die Kindersterblichkeit, gerade unter Säuglingen, war ausnehmend groß und machte auch vor Fürstenhäusern nicht halt. Neben den Kleinkindern, war auch die Sterblichkeit der Mütter im Wochenbett hoch. Sie starben beispielsweise während einer komplizierten Geburt oder, wie so häufig, im Anschluss durch Infektionen, als Folge meist unzureichender Hygiene. Man könnte vor diesem Hintergrund auf die Idee kommen, Geburten wurden wegen des allgemein hohen Sterberisikos undokumentiert gelassen. Die fehlende Erwähnung in schriftlichen Zeugnissen hatte jedoch vermutlich andere Ursachen, auch wenn hohe Kindersterblichkeit eine unbestreitbare Tatsache war und in manchen Zeiten, eines von zwei Kindern nicht das Erwachsenenalter erreichte. Ein profanerer Grund ist verantwortlich. Die allgemeine Schriftpflege war noch wenig ausgeprägt. Auch wenn sich seit der Zeit der Ottonen und Salier eine Fortentwicklung bemerkbar machte, blieb die Epoche arm an schriftlichen Zeugnissen. Neben der Geistlichkeit, war hauptsächlich nur die kaiserliche Kanzlei mit den Aufgaben der schriftlichen Dokumentation bewandert. Schaut man sich die aufgezeichneten Hinterlassenschaften der letzten beiden Markgrafen an, klammert dabei noch die Erwähnungen in den kaiserlichen Urkunden aus, dann kommt man auf verhältnismäßig wenige Urkunden und Schriftstücke in Summe. Bei deren Studium stellt man schnell fest, dass nahezu ausschließlich Kaufverträge, Schenkungen oder Privilegienerteilungen aufgeschrieben wurden, hauptsächlich zugunsten geistlicher Stifte. Familiäres, Dinge des täglichen Lebens, blieben die Ausnahme und wurden, wenn überhaupt, nur von den Chronisten der Zeit erwähnt, dann zumeist rückblickend und aus Erzählungen entnommen, deren Wahrheitsgehalt sich selten garantieren läßt. Im Adel, auch im Hochadel, sofern einzelne Glieder nicht den geistlichen Weg einschlugen, konnte praktisch niemand lesen und schreiben. Diese Kunst wurde regelrecht als unmännlich und als dem Adelsstand unwürdig angesehen. Es war ein fast buchstäbliches Monopol der Klöster und Kirchen. Wichtige Urkunden gab man in aller Regel dort in Auftrag, wo sie bei Bedarf auch vervielfältigt wurden. Nur wenige Fürsten leisteten sich im Hochmittelalter einen ständigen Schreiber in unmittelbarer Nähe. Ein Fürst und dessen Hof musste schon von besonderer Bedeutung sein, dass dort regelmäßig Schriften angefertigt wurden. Eine Kanzlei war ein kostenintensiver Posten. Zur Zeit Albrechts I. und Ottos I., unterhielt neben dem kaiserlichen Hof unter den weltlichen Fürsten des Reichs nur Herzog Heinrich der Löwe eine eigene Kanzlei. Es darf in diesem Zusammenhang nicht überraschen, wenn unter den frühen askanischen Markgrafen kein ständiger Hofschreiber, keine eingerichtete Kanzlei und auch noch kein Register zur Erfassung getätigter Urkunden und Schreiben vorhanden war. Letzteres wird es während der gesamten Herrschaftszeit der brandenburgischen Askanier nicht geben, was die Erforschung der askanischen Zeit nicht eben einfacher macht.

Ein Geburt war auch damals ein denkwürdiges, augenscheinlich aber kein dokumentationswürdiges Ereignis. Geburtstagsfeiern, heute gang und gäbe, gibt es im privaten Bereich erst seit dem 19. Jahrhundert. Dem Tag der eigenen Geburt wurde bis dahin kaum besondere Aufmerksamkeit geschenkt, es sei denn um sich sein Horoskop ermitteln zu lassen, jedoch nicht um diesen feierlich zu begehen. Komplett anderes war dagegen ein Todesfall. Im Gegensatz zur Geburt, war der Tod, speziell wenn es sich bei dem Verstorbenen um einen wichtigen und wohlhabenden Zeitgenossen handelte, von erheblich größerer Bedeutung. Es stellte sich unmittelbar die Frage des Nachlasses, wobei eine ordentliche Urkundenlage unverzichtbare Notwendigkeit war, um spätere Streitigkeiten zu vermeiden, zumindest der reinen Lehre nach, denn sie blieben oft genug trotzdem nicht aus. Wo es um die Regelung von Besitzverhältnissen ging, da wurde geschrieben, darüber hinaus bislang kaum. Der Großteil des Alltagslebens der Epoche verharrte im Halbdunkel der Zeit und gibt viel Raum für Spekulationen. Der Historiker ist gezwungen seine gesamten Erkenntnisse aus den überlieferten Schriftstücken zu entnehmen und muss dabei auf jene wenigen zeitgenössischen Chronisten zurückzugreifen, die den Ereignissen der Zeit ihre Aufmerksamkeit schenkten und Aufzeichnungen hinterließen. Die allgegenwärtigen Aufzeichnungslücken verleiten zu allerlei Spekulationen und Phantastereien, die zu verhüten man sich ständig ermahnen muss.

Heinrich von Antwerpen

Die älteste brandenburgische Chronik stammt aus der Feder Heinrichs von Antwerpen. Bislang nahm man an, dass er Domherr zu Brandenburg war. In der neueren Forschung wird diskutiert, ob die Annahme zutreffend ist. Im Grunde ist es aber für die Bewertung des Inhalts nur bedingt von Interesse, wer er war und ob der ursprüngliche Schöpfer oder möglicherweise nur ein einfacher Kleriker und Schreiber gewesen ist, der das Werk eines älteren Autors kopierte oder vervollständigte und schließlich publizierte. Bis keine neueren Erkenntnisse die bisherige Annahme eindeutig widerlegen, nehmen wir der Einfachheit halber weiter an, dass es sich tatsächlich um jenen Heinrich von Antwerpen handelt, der im Brandenburger Domstift wirkte. In seinem Werk Tractatus de captione urbis Brandenburg dokumentiert er die Frühgeschichte der Nordmark und der Mark Brandenburg. Aus diesem Bericht entnehmen wir unter anderem die einzige schriftliche Überlieferung hinsichtlich der Kämpfe zwischen Albrecht dem Bären und Jaxa von Köpenick um die Brandenburg im Jahre 1157.
In Ermangelung weiterer Quellen ist man gezwungen große Teile des Wissen über die märkische Frühgeschichte auf dieses eine Schriftstück zu gründen und hofft, dass es die beschriebenen Begebenheiten realitätsnah wiedergegeben hat. Werke wie dieses, die ein Alleinstellungsmerkmal besitzen, sind Fluch und Segen zugleich. Einerseits bilden sie die einzige Ressource zum Nachschlagen und sind dadurch für den Historiker unbezahlbar, andererseits gibt es keinerlei, oder wenn überhaupt, oft nur rudimentäre Vergleichsmöglichkeiten, was die inhaltliche Authentizität kaum nachprüfbar macht. Man ist deswegen gut beraten, bei der Bewertung mit einer gesunden Mischung aus Wohlwollen und kritischer Reflexion heranzugehen. Als Beispiel nehmen den Bericht des Mönchs Widukind von Corvey (um 930 – nach 973). Er avancierte mit seinem Werk Res gestae Saxonicae zum nachträglichen Chronisten der Ottonischen Zeit. Seine Arbeit, in drei Büchern unterteilt, beschreibt die Sachsengeschichte seit Heinrich I. (876 – 936). Da es sich hierbei um ein Werk mit Alleinstellungsmerkmal handelt, ist es wichtig den Inhalt in den Kontext der Rahmenbedingungen zu stellen. Zunächst ist es der Äbtissin Mathilde von Quedlinburg gewidmet, Kaisertochter Ottos I. des Großen. Seine idealisierte Wiedergabe der sächsischen Geschichte könnte den Eindruck erwecken, das tendenziell Schönfärberei betrieben wurde. Man darf wohl davon ausgehen, dass er Mathilde, die in Abwesenheit ihres Vaters umfangreiche Regententätigkeiten im nördlichen Reichsteil vollzog, kaum eine besonders kritische Chronik hinterlassen hätte, hierzu dürfte die allgemeine Erwartungshaltung auch wenig Spielraum gelassen haben. Das Werk bleibt aber unabhängig davon von größter Bedeutung, weil es uns einen Einblick in den Zustand des Reichs und in das Netz der Fürsten gibt. Nimmt man von dem Gedanken Abstand, dass es Widukinds Absicht war eine echte Chronik zu schreiben, und kann man demgemäß jene biografischen Aspekte ausklammern, wo sie in Idealisierung abgleiten, um damit der Arbeit den Charakter eines Leitfadens, eines Art Fürstenspiegels zu geben, dessen Zweck darauf abzielte der jungen Kaisertochter einen Überblick des Status Quo im Reich zu gewähren, damit sie den Anforderungen einer Regentin gerecht werden konnte, kann man den großartigen Wert hinter Widukinds Werk erkennen und wertvolle Erkenntnisse entnehmen.


Das Erbe des Vaters

Otto II. trat im Frühjahr 1184 das Regiment über ein Land an, in dem vom Vater vieles eingeleitet und manches erreicht wurde, doch noch viel zu tun blieb. Wie wir lasen, konnte der neue Regent nicht über die komplette Mark verfügen. Durch väterliche Disposition waren ihm gewisse Grenzen auferlegt. Ausgerechnet wertvolle Landesteile der Altmark, dessen Städte durch den einsetzenden Elbhandel zu wachsen begannen, wie Tangermünde oder das westlich davon gelegene Stendal, aber eben auch Gardelegen selbst, das als Zentrum der Region der Grafschaft den Namen hab, wurden dem jüngeren Bruder Heinrich zugeteilt. Markgraf Otto I. verfügte ferner, dass die Mark zwar politisch ungeteilt blieb, Heinrichs Besitzungen politisch somit im brandenburgischen Landesverband verblieben, doch waren dem Zugriff auf die Mittel der Grafschaft Gardelegen Grenzen auferlegt. Nach außen, im Verhältnis zum Reich, bestimmte allein Markgraf Otto II. die Politik innerhalb des jungen Fürstentums, war er jedoch darauf angewiesen, den Konsens zu suchen, denn Heinrich fungierte neben ihm als Mitregent der Mark. In einer im Sommer 1190 zugunsten des Stendaler Münsters ausgefertigten Urkunde erwähnte Otto II., dass er und sein Bruder Heinrich zusammen zur gesamten Hand mit der Markgrafschaft belehnt wurden: qui nobiscum marchiam iure feodali de manu suscepit regia. Augenscheinlich gab es zwischen den Brüdern bestes Einvernehmen, so ist während der gesamten Dauer von keiner Verstimmung in Regierungsangelegenheiten zu lesen.

Neben Heinrich war da noch der unmündige Halbbruder Albrecht. Er war beim Tod des Vaters etwa sechs Jahre alt gewesen. Auch für ihn war eine kleine Herrschaft vorgesehen, um für sein späteres Auskommen zu sorgen. Die ihm geschaffene Grafschaft Arneburg, am westlichen Steilufer der Elbe, nordöstlich von Stendal, war signifikant kleiner als Heinrichs Grafschaft Gardelegen und selbstverständlich kleiner als die märkischen Gebiete auf die Otto II. unmittelbaren Einfluss ausübte. Die Vormundschaft übernahm nach geltendem Brauch der älteste, nächste Verwandte und somit sein ältester Bruder Otto. Schlussendlich war da noch der Witwensitz der Markgräfinwitwe Adelheid. Wir wissen nicht wo sich dieser befand, möglicherweise war es auch jene Grafschaft Arneburg. Das schriftliche Zeugnis über sie ist so dünn, dass man sie lange namentlich überhaupt nicht kannte. Ihr Sohn Albrecht galt bei den Historikern bis ins 20. Jahrhundert als dritter Sohn aus Markgraf Ottos I. erster Ehe mit Judith von Polen.

Soweit die Ausgangslage beim Übergang der Regentschaft auf die neue Generation. In den zurückliegenden rund vierzehn Jahren vermochte der alte Markgraf den Frieden in der Mark Brandenburg zu wahren. Selbst anlässlich der schweren Kämpfe im Rahmen der Entmachtung des welfischen Löwen, dem vormaligen Herzog von Bayern und Sachsen, blieb Brandenburg, ja sogar die westlich gelegene Altmark weitestgehend von den Kämpfen verschont. Wohl zog Heinrichs Vasalle Kasimir von Pommern bei seinem Heerzug gegen den Erzbischof von Magdeburg und den Markgrafen der Lausitz durch brandenburgisches Gebiet, doch schien er dabei nur verhältnismäßig wenig Schaden angerichtet zu haben. Der anschließende brandenburgische Gegenschlag führte zur Eroberung der Pommernfestung Demmin und zum Tod Herzog Kasimirs. Sein älterer Bruder Bogislaw I. war nun Alleinregent und trat das Gebiet entlang von Fluss und See Tollense an Brandenburg ab. Es blieb die einzige territoriale Erweiterung während der Regierungszeit Ottos I., der den Schwerpunkt seiner Regententätigkeit auf die Besiedlung und Hebung der dünn besiedelten Gebiete rechts der Elbe richtete.

Die Städte Havelberg und Brandenburg profitierten vom Zustrom der neuen Siedler aus den Küstenregionen des Westens und Westfalens. Beide Städte entwickelten sich zu Drehscheiben des Landesausbaus. Auch die weitere Festigung der bischöflichen Residenzen leistete ihren Teil bei der kulturellen Hebung beider Städte und des umgebenden Lands. Unter Otto I. wurde Brandenburg so etwas wie eine erste märkische Residenz und auch Otto II. nutzte bevorzugt jene Stadt an der Havel, während sein Bruder Heinrich wie angedeutet zunächst dem Ausbau Tangermündes, später Stendals sein Augenmerk schenkte. Für die weitere Entwicklung der Mark Brandenburg erwies es sich Segen, dass durch die getrennte Hofhaltung mindestens zwei märkische Zentren entstanden. Von Metropole zu sprechen wäre auf allen Ebenen übertrieben. Das alte Brandenburg entwickelte nie eine Metropole, seine Städte legten ihren eigentümlichen, provinziellen Charakter nie ab, hierzu war die umgebende Landmasse einfach zu groß, die Gesamtbevölkerung, die sich auf die gewaltige Fläche verteilte, immer zu gering. Brandenburg behielt bis weit ins späte 19. Jahrhundert hinein seine charakteristisch ländliche Prägung.


Der Mainzer Hoftag

Wenige Wochen nach der Regentschaftsübernahme in Brandenburg, reiste Markgraf Otto II. nach Mainz, um zu Pfingsten 1184 dem großen Mainzer Hoftag beizuwohnen. Auf der Maaraue, einer Halbinsel am Zufluss des Mains in den Rhein, ließ der Kaiser eigens eine hölzerne Stadt errichten, um die sich die Zeltlager der Hoftagsteilnehmer und deren Begleiter scharten. Es war möglicherweise das bis dahin größte Ereignis seiner Art überhaupt. Nach Berichten sollen allein 70.000 ritterständige Teilnehmer aus dem gesamten Reich und den Nachbarkönigreichen teilgenommen haben. Wahrscheinlicher sind Zahlen um die 20.000, was aber weiterhin eine gewaltige Zahl für die Zeit wäre.
Nach Meinung älterer Chronisten ist nicht Otto II., sondern noch sein Vater in Mainz zugegen gewesen. Sie datieren demzufolge dessen Tod nicht auf den 7. März 1184, sondern gehen stattdessen vom 8. Juli aus, was zufälligerweise der Todestag Judiths von Polen war, der ersten Frau Ottos I., Mutter von Otto II. und Heinrich. Besonders Otto von Heinemann, Bibliothekar und Historiker (1824 – 1904), einer der großen Kenner der altbrandenburgischen Geschichte sowie der Askanier, vertrat das zweite Datum. In Band 25 der Allgemeinen Deutschen Biografie, geschrieben von 1875 – 1912 in 56 Bänden, fand dieses Datum seither weite Verbreitung. Dagegen wird in der Neuen Deutschen Biographie, an der seit 1953 gearbeitet wird, in Band 19 auf Seite 675 die Korrektur dieser bisherigen Fehlannahme vorgenommen, woran Georg Sello, Archivar und Historiker (1850 – 1926), den größten Anteil hatte. Wir heben diesen Punkt deswegen so deutlich hervor, weil auf dem genannten Hoftag vier weltliche Reichsfürsten erwähnt werden, die dem Kaiser besondere zeremonielle Hofdienste geleistet haben. Schon unter den Ottonen gingen die großen Stammesherzöge der Franken, Schwaben, Bayern und Sachsen diesen höfischen Ämtern nach, die des Truchsess, des Mundschenks, des Kämmerers und des Marschalls. Dass der kürzlich verstorbene Markgraf Otto I. von Brandenburg die Würde eines Erzkämmerers inne hatte, haben wir im Zusammenhang einer Briefserie Papst Alexanders III. anlässlich der Verhandlungen zum Frieden von Venedig bereits gelesen. Aus dem obigen Nachweis, dass Otto I. vor Pfingsten 1184 starb, ergibt sich der Sachverhalt, dass Sohn Otto II. nun schon der dritte Askanier in Folge war, der die hohe Würde des Kämmerers führte, da auch schon der Großvater Albrecht der Bär diese Rolle ausübte. Es ist von Bedeutung, denn hieraus wird sich schon bald ein Vorzugsrecht zur Königswahl ableiten und im weiteren Verlauf die Kurwürde, endgültig verbrieft und besiegelt im Jahre 1356, in der Goldenen Bulle Karls IV.
Auf dem Tag zu Mainz erhielten die Söhne des Kaisers Friedrich I., Heinrich und Friedrich, ihre Schwertleite. Wir werden an andere Stelle etwas näher auf den Ritus der Schwertleite eingehen, konzentrieren uns für dem Moment aber auf die Wirkung, die der Hoftag bei den Zeitgenossen hinterließ. Veranstaltungen von solchen Dimensionen erforderten größte Anstrengungen. Die Unterhaltskosten für die geladenen Gäste waren ganz außerordentlich. Weshalb also nahm ein Herrscher wie Friedrich I. ein kostspieliges Spektakel dieser Größenordnung auf sich? Prestige und kaiserlicher Habitus ist die Antwort. Dem Kaiser ging es um herrschaftliche Selbstdarstellung. Nicht in einer egozentrischen Weise, sondern aus dem Selbstverständnis imperialer Größe und Universalanspruchs heraus. Die besondere Affinität des Kaisers zu großen Gesten und bewusster Inszenierung des Reichs als transzendentale Institution bringt er in dem erstmals 1157 zu findenden Begriff vom Sacrum Imperium zum Ausdruck, den wir an verschiedenen Stellen schon benutzten. Friedrichs Politik war Fortsetzung und konsequente Steigerung des von Otto III. (980 – 1002) eingeleiteten Restaurierungsversuchs der Reichsautorität unter dem Leitbegriff Renovatio imperii Romanorum. Der Mainzer Hoftag war demgemäß die öffentliche Zurschaustellung imperialer Pracht und Stärke dieses Heiligen Reichs, in welchem der Kaiser als zentrale Figur die Verkörperung irdischer Macht und Größe darstelle, als ein erwählter Monarch von Gottes Gnaden.
Die Positionen unterhalb des Reichsoberhaupts waren eifersüchtig umkämpft.  Die Sitzordnung an der kaiserlichen Tafel, wie auch die Reihenfolge beim festlichen Einmarsch, war für alle Welt sichtbares Zeichen, welchen Rang und Einfluss ein Fürst im Reich hatte. Zu den oben erwähnten zeremoniellen Hofämtern, an vier weltliche Reichsfürsten vergeben, gesellten sich die drei rheinischen Erzbischöfe aus Mainz, Köln und Trier. Sie übertrafen an Rang und Würde ihre Amtsbrüder und Mitfürsten der sonstigen Kirchenprovinzen des Reichs. Die Ehrenplätze unmittelbar neben dem Kaisers oder ihm gegenüber, waren nur diesen drei geistlichen Fürsten vorbehalten, was sie im Rang auch über die vier genannten weltlichen Hofamtsinhaber stellte. Ein umkämpfter, im Laufe der Zeit sich wandelnder Modus definierte, welche Kirchenfürsten, abhängig vom Ort des Hoftags, dem Herrn der Tafel zur Rechten, zur Linken oder ihm Gegenüber saßen. Um solche, nach heutigen Maßstäben vermeintlich kleinlichen Fragen, erhitzten sich die Gemüter, so auch in Mainz. Es wurde gestritten wer das Reichsschwert tragend, dem Kaiser voraus schritt. Die Herzöge von Böhmen, Österreich und Sachsen reklamierten das Recht für sich, wie auch der Pfalzgraf bei Rhein und der Landgraf von Thüringen, der Schwestersohn Friedrich Barbarossas.

Reichsschwert als Teil der Reichskleinodien

Der Kaiser fand einen von allen mitgetragenen Kompromiss, indem er dem Hennegauer Grafen das ehrenvolle Amt anvertraute, so verlor keiner der vorgenannten Fürsten sein Gesicht. Schwieriger, geradezu theatralisch bis hin zur Dramatik umstritten, war die Frage der Sitzordnung. Dem Erzbischof von Mainz stand in seiner eigenen Kirchenprovinz der rechte Sitzplatz zu, es blieb die Frage nach dem Platz zur linken Seite des Kaisers. Nach altem Recht reklamierte Konrad II., der Abt von Fulda den Ehrenplatz für sich. Erzbischof Philipp von Köln, der den Platz ebenfalls in Anspruch nahm, schien nicht nachzugeben und drohte tief gekränkt die Tafel verlassen zu wollen, mit ihm eine Reihe seiner Vasallen. Ein Eklat bahnte sich an. Der Kaiser und sein ältester Sohn, der gekrönte Mitregent Heinrich VI., warfen sich persönlich ins Zeug und suchten zu vermitteln. Dem Abt von Fulda wurde ein untergeordneter Platz zugewiesen. Erzbischof Philipp machte zuvor erfolgreich seine Verdienste anlässlich des letzten Italienzugs geltend, so vor Alessandria oder während der entscheidenden Kämpfe gegen Heinrich den Löwen vor Braunschweig.
Ein gutes Stichwort. Heinrich der Löwe trat anlässlich dieses Hoftags erstmals wieder vor den Kaiser. Vor weniger als zwei Jahren ging er nach seinem Sturz auf Befehl Barbarossas außer Land, und lebte seither auf dessen Geheis im englischen Exil. Am Hof seines Schwiegervaters, dem König von England, unterhielt er einen eigenen kleinen Hofstaat, den ihm der König finanzieren musste. Seine Anwesenheit im Reich stieß auf wenig Sympathien, so dass ihn Erzbischof Konrad von Mainz während der Zeit als Gastgeber des Hoftags unter seinen Schutz nahm. Die Begegnung mit dem Kaiser war unterkühlt und Heinrich vermochte nicht die kaiserliche Gnade zu erhalten. Mit Hartherzigkeit hatte das wenig zu tun. Es war die Rolle die der Kaiser im feinen Reglement der Zeit spielen musste. Heinrich der Löwe war vor der ihm gesetzten Frist ins Reich gekommen. Sein Schwiegervater, König Heinrichs II. von England sandte ihn als seinen offiziellen Gesandten nach Mainz. Heinrich hatte aber durchaus eigene Motive. Er verband die Reise mit der Hoffnung wenigstens sein altes Herzogtum Bayern zurückzuerhalten. Dort war im Juli 1183 der treue kaiserliche Gefolgsmann, Herzog Otto I. von Wittelsbach verstorben. Das Ansinnen des welfischen Löwen hatte indes keine Chance auf Erfolg, der Kaiser blieb in dieser Sache hart und belehnte stattdessen den noch unmündigen Sohn des verstorbenen Wittelsbachers, Ludwig I. (1173 – 1231), den man den Kehlheimer nannte. Heinrich kehrte ohne etwas für sich erreicht zu haben vorerst wieder an den englischen Hof zurück.
Ein abschließender Höhepunkt der Festivitäten war das abgehaltene Reiterturnier. Es war nicht als Kampfspiel vorgesehen, sondern als reines Geschicklichkeitsspiel. Das eigentliche Kampfturnier sollte eine Woche später in Ingelheim stattfinden. Ein schweres Frühlingsunwetter machte das Vorhaben zunichte. Zahlreiche Zelte wurden vom Sturm weggerissen und sogar die hölzerne Kirche zum Einsturz gebracht. Es kam zu mehreren Todesopfern. Das Unglück galt als ein Omen, ein Zeichen des Himmels, worauf das geplante Turnier in Ingelheim nicht mehr abgehalten wurde.
Der Hoftag ging zu Ende. Für den neuen brandenburgischen Markgrafen war die Teilnahme am größten Ereignis der Zeit, bei dem er zugleich als Erzkämmerer eine bevorrechtigte Rolle ausübte, ein eindrucksvolles Schauspiel und die Gelegenheit seine Position unter den Großen des Reichs einzunehmen. Es ist nicht überliefert, mit wie vielen seiner Vasallen und Rittern er in Mainz auftrat. Da der zeitgenössische Chronist, Abt Arnold von Lübeck (um 1150 – um 1213), die Namen einer ganzen Reihe von Fürsten unter Nennung der mitgeführten Zahl von Begleitern erwähnte, der Markgraf von Brandenburg diesbezüglich nicht gesondert in Erscheinung tritt, müssen wir wohl annehmen, dass er nur in kleinerem Gefolge erschien. Sein Onkel, Herzog Bernhard von Sachsen, wir erinnern uns, der jüngste Bruder des vormaligen brandenburgischen Markgrafen, erschien mit 700 Reitern oder Rittern, damals machte man darin noch keinen Unterschied. Das von ihm mitgeführte Kontingent war dabei lange nicht das größte, so hatte der Herzog von Böhmen derer 2.000 mit sich, der thüringische Landgraf 1.000, ebenso der Pfalzgraf bei Rhein und der schon oben genannte Graf Balduin V. von Hennegau, jener Träger des Reichsschwerts anlässlich des Festeinmarschs, hatte nicht weniger als 1.700 gerüstete Streiter in seinem Gefolge. Ganz unbegleitet konnte Otto II. selbstverständlich nicht erschienen sein, für einen Reichsfürsten war ein bestimmter Habitus unerlässlich, wozu ein standesgemäßes Gefolge von Kriegsleuten unbedingt gehörte. Da Ottos Gefolge zahlenmäßig nicht näher erwähnt wurde, muss man wohl davon ausgehen, dass es nur wenige hundert Mann groß war, wenn überhaupt, weshalb das märkische Kontingent für den Chronisten augenscheinlich nicht erwähnenswert war, möglicherweise auch überhaupt nicht wahrgenommen wurde. Die wirtschaftlichen Möglichkeiten des von Otto II. beherrschten Territoriums machte die Unterhaltung eines größeren Heeres schwierig, auch dürfte die Mark noch lange nicht über ein ähnlich dichtes Netz adliger Vasallen verfügt haben, wie es in den alten Reichsgebieten des sächsischen Raums auf der linken Seite der Elbe üblich war, wodurch der Markgraf auch nicht ein großes Aufgebot nach Mainz führen konnte. Das Land war nach den vierzehn durchaus segensreichen Herrschaftsjahren des alten Landesherren immer noch stark unterentwickelt. Die dem Wortlaut der väterlichen Disposition folgend vorgenommene Teilung der Herrschaftsbereiche unter seinen drei Söhnen, machte es dem tonangebenden Markgrafen nicht eben leichter, denn die am besten erschlossenen Gebiete standen nicht unter seinem unmittelbaren Zugriff, sie waren ein Refugium des jüngeren Bruders.


Dänemark unterwirft Teile Pommerns

Wir greifen jetzt etwas vorweg: Die Spätphase der Regierungszeit Ottos II. war von sich wiederholenden kriegerischen Auseinandersetzungen mit Dänemark geprägt. Dänemark schickte sich in den Schlussjahrzehnten des zwölften Jahrhunderts an, aus dem Vasallenverhältnis zu Kaiser und Reich zu entkommen. König Knut VI. nutzte Kaiser Barbarossas sechsten Italienzug, um seinen Machtbereich nach Süden ganz wesentlich auszuweiten, wenn er auch dazu eine zuvor gegen ihn gerichtete Aggression ausnutzte. Friedrichs Zug nach Italien war dieses Mal nichtmilitärischer Natur und hatte den Charakter einer Art Inspektionsreise. Während der Kaiser sich in den vorhergehenden Heerzügen, wie schon viele seiner Vorgänger, verausgabte hatte, verlor er die zunehmend die Kontrolle an der Peripherie des Reichs, so im Norden, Osten und auch Westen. Die Lehnshoheit über Dänemark und Polen ging schleichend verloren. Die übergebührende Konzentration auf den oberitalienischen Raum verzettelte die Kräfte des Kaisers, der zum Schluss hin dem sukzessiven Abfall der äußeren Vasallen die notwendige Aufmerksamkeit schenken konnte und somit keine geeigneten Gegenmaßnahmen ergriff. Noch ziemlich zu Anfang seiner Herrschaft, im Jahre 1157, also vor nunmehr bald 30 Jahren, führte Barbarossa einen Straf- und Unterwerfungsfeldzug gegen Herzog Bolesław IV. von Polen. Dieser hatte seinen älteren, deutschfreundlichen Bruder Władysław vertrieben und selbst die Macht als Seniorherzog übernommen. In Kapitel II wurde darüber berichtet. Nachdem das kaiserliche Heer Teile Niederschlesiens und Posens verheerten, drängte der polnische Großadel zum Einlenken. Bolesław unterwarf sich notgedrungen den Bedingungen des Kaisers, leistete diverse Sühnezahlungen und gelobte beim nächsten Italienzug mit einem Lehnskontingent von 300 Reitern das kaiserliche Heer zu verstärken. Wie wir sahen, hielt sich der Herzog nicht an seinen Eid und blieb dem Heerzug fern. Auch verantwortete er sich nicht wie vereinbart vor einem Fürstengericht in der Angelegenheit seines vertriebenen Bruders. Der Kaiser, vollauf mit den Belangen in Oberitalien beschäftigt, ahndete den schändlichen Meineid des polnischen Herzogs jedoch nicht, was dem weiteren Separatismus Tür und Tor öffnete.

Dänemark blieb unter König Waldemar I. (1131 – 1182) vorerst eng ans Reich gebunden. Nachdem er 1157 die Regentschaft in Dänemark übernahm, leistete er schon 1158 den Lehnseid auf Kaiser Barbarossa, den er 1162 erneuerte. Mit Heinrich dem Löwen unterhielt er ein freundschaftliches Verhältnis. 1168 eroberte er Rügen. Der Niederwerfung gingen jahrelange, gegenseitige Raubzüge voraus. Einmal von den auf Rügen lebenden slawischen Ranen ausgehend, dann wieder als dänische Reaktion gegen Rügen gerichtet. Waldemar eroberte und zerstörte das Zentralheiligtum bei Kap Arkona, wo der Hauptgottheit Svantovit gehuldigt wurde. Rügen wurde von Dänemark aus christlich missioniert und mit deutschen Kolonisten besiedelt. 1177 heiratete Kronprinz Knut mit Gertrud (1154 – 1197) eine Tochter des sächsischen Herzogs Heinrich. 1182 trat dieser Sohn als Knut VI. die Nachfolge des Vaters an, der zuvor in Dänemark die Wahlmonarchie außer Kraft und die Erbmonarchie in Kraft setzen konnte. Die schon im Schlussjahrzehnt vom Vater eingeleitete selbstbewusste Politik setzte der Sohn konsequent fort. Dänemark strebte die Eigenständigkeit und völlige Autonomie vom Reich an. Umfangreiche Befestigungswerke, so das schon in den Reichsanalen Karls des Großen erwähnte, im frühen achten Jahrhundert begonnene Danewerk – ein Befestigungsgürtel der sich quer über den dänischen Festlandteil zog – wurden entweder ausgebaut oder neu errichtet. Friedrich Barbarossa entgingen die Aktivitäten und das zugrundeliegende Motiv nicht, überließ die Wahrung der Reichsinteressen jedoch seinem Vetter, dem sächsischen Herzog, der sie auch lange durchzusetzen wusste. Nachdem sich 1180/81 die Entmachtung Herzog Heinrichs des Löwen vollzog, war im Norden ein Machtvakuum entstanden. Der Kaiser verfügte in der Region über keinen ausreichend starken Fürsten mehr, der dem dänischen Separatismus gegen wirken konnte. Der neue sächsische Herzog, der Askanier Bernhard, jüngster Sohn Albrechts des Bären, verfügte nur über knapp ein Drittel des ehemaligen Herzogtums und hatte selbst genug damit zu tun, seine renitenten sächsischen Vasallen hinter sich zu bringen. Erzbischof Philipp von Köln, der zwar den größeren Teil der enteigneten Landschaften erhalten hatte, war wohl mit dem Kaiser ganz gut, stand aber mit dessen Sohn, König Heinrich VI., quer und wollte sich nicht auch noch an den Nordgrenzen des Reichs einbinden lassen, nachdem er schon in Italien genug für Herrscherhaus und Reich geleistet hatte. Bliebe noch als letzte Mittelgewalt der Erzbischof von Bremen, dessen Einflusssphäre traditionell ohnehin der skandinavische Raum war und der dementsprechend die Aktivitäten in Dänemark aufmerksam verfolgte. Siegfried I., Metropolit der Kirchenprovinz Bremen, wir erinnern uns, ebenfalls ein Sohn Albrechts des Bären, verstarb Oktober 1184, wenige Monate nach seinem ältesten Bruder, dem Markgrafen Otto I. von Brandenburg. Der jetzt neu ins Amt gewählte Nachfolger musste seine Position im Erzstift erst noch festigen, bevor er darüber nachdenken konnte dem Kaiser in irgendeiner Weise besonders gefällig zu sein, und Dänemark wieder unter das Banner des Reichs zu holen. Aussichtsreiche Optionen hatte Friedrich I. Barbarossa im Grunde also keine. Alle anderen Fürsten waren kaum in der Lage die eigenen Interessen zu wahren, geschweige denn als Wahrer der Reichsinteressen dem mächtig gewordenen Dänemark entgegenzutreten.
Ein anderer Spieler ergriff überraschend die Initiative. Der Kaiser hatte  möglicherweise die Hände im Spiel. Reisen wir rund fünf Jahre in die Vergangenheit zurück. Es war im Nachgang der Gelnhäuser Urkunde, die das Ende des welfischen Herzogs von Sachsen besiegelte. Damals, im Jahre 1180, glaubte der Löwe noch daran seine Position in Sachsen halten zu können. Zum Auftakt ergriff Heinrichs Vasall Kasimir von Pommern die Initiative und drang quer durch Brandenburg ziehend ins magdeburgische Jüterbog und sogar in die Mark Lausitz, wo er schwere Verwüstungen anrichtete, bevor seine Scharen kaum behelligt den Rückweg antraten. Der damals noch lebende Markgraf Otto I. von Brandenburg, der sich wohl am liebsten aus dem Händel mit dem Welfen herausgehalten hätte, sammelte ein Heer und marschierte in Vorpommern ein, wo er Demmin, den Hauptort des Landes, erfolgreich belagerte. Bei einem Ausfall der Belagerten kam Herzog Kasimir ums Leben und die Burg fiel in brandenburgische Hand. Durch den Tod Kasimirs, wurde der ältere Bruder Bogislaw I., der tatkräftig am Kampf gegen Otto I. mitwirkte, zum alleinigen Herrscher des jetzt wieder ungeteilten Landes. Er schien bei Kaiser Friedrich die Erhebung in den Reichsfürstenstand erwirkt zu haben, zumindest glaubte er augenscheinlich selbst daran. Es ist bis heute umstritten, ob Barbarossa wirklich die Reichsunmittelbarkeit im Sinn hatte, als er dem Pommernfürsten 1181 vor Lübeck eine adlergeschmückte Fahne des Reichs überreichte, oder ob es eine Finte war, um ihn für seine Politik im Norden einzuspannen, als eine Art Pufferzone gegen Dänemark. Die seit 1180 vom Kaiser veränderte Lehnspolitik deutet darauf hin, dass er durch die Schaffung vieler kleinerer Regionalmächte ein Übergewicht, eine dominante Machtstellung eines Einzelfürsten, wie sie Heinrich der Löwe für lange Zeit inne hatte, zukünftig unterbinden wollte. Demgemäß mag der Eindruck einiger älterer Chronisten zutreffend sein, dass Friedrich I. ganz bewusst Pommern dem Zugriff Markgraf Ottos I. und somit der Mark Brandenburg zu entziehen suchte.
Bestärkt durch die vermeintlich errungene Reichsunmittelbarkeit, schritt der Pommernherzog 1184 zu einer beherzten Tat. Er suchte sich Rügens zu bemächtigen, was unweigerlich zum Konflikt mit Dänemark führte, das die Insel seit der Niederringung der Ranen als festen Teil seines Einflussbereichs betrachtete. Herzog Bogislaw eröffnete die Feindseligkeiten, scheiterte aber am dänischen Widerstand und vermochte Rügen nicht zu erobern. Er wurde von den Dänen zurückgeschlagen und in einer Serie von Folgekämpfen endgültig zur Aufgabe gezwungen. 1185 unterwarf Herzog Bogislaw I. sich und sein Land und wurde unter die Lehnshoheit Knuts VI. von Dänemark gezwungen. Der Kaiser tat nichts den Herzog zu unterstützen, was man vielleicht als ein Indiz deuten kann, dass Friedrich I. in Bogislaw keinen direkten Reichsfürsten, in seinem Territorium kein Gebiet sah, das nun dem Reich entfremdet wurde. Möglich, dass er formell König Knut immer noch als einen Reguli des Reichs betrachtete, einen Kleinkönig, der Teil des Reichsverbands war, womit Vorpommern tatsächlich nicht in reichsfremde Hände gefallen wäre.

Für Brandenburg und für für den neuen Markgrafen Otto II. hatte die veränderte Situation im Nordwesten langfristige Auswirkungen. Das mit dem Vergeltungsfeldzug von 1180 gegen Kasimir I. früh geweckte brandenburgische Interesse an Pommern, wurde vom Kaiser jäh gezügelt. Gewisse Analogien zur Zeit Albrechts des Bären, 50 Jahre zuvor, als Lothar III. den Hevellerfürsten Pribislaw-Heinrichs in den Reichsfürstenstand hob, sind nicht ganz von der Hand zu weisen. Es mag ein Zufall sein oder aber Ausdruck pragmatischer Politik des Reichsoberhaupts, um eine gewisse Balance unter den rivalisierenden Fürsten in den Regionen des Reichs zu wahren.
Markgraf Otto I. erwarb nach seinem erfolgreichen, äußerst gefährlichen Feldzug nur einen kleinen Landstreifen. Vielleicht geht man nicht fehl, nimmt man an, dass eine Unterwerfung ganz Vorpommerns und der Zugang zur Küste, schon so früh in der Geschichte der Mark von ihm in Betracht gezogen wurde. Die Gründung Lübecks als Handelsposten, der nach den Anfangswirren rasch an Einfluss gewann, konnte dem damaligen Markgrafen nicht verborgen geblieben sein. Die Ostsee begann sich, wenn auch zunächst noch langsam, zur wichtigsten Warenverkehrsstraße in Nordeuropa zu entwickeln. Ein direkter Zugang zu diesem Meer wurde bald strategisch. Wichtige Seestädte entlang der Küste Mecklenburgs und Pommerns, wie Rostock, Wismar, Stralsund, Greifswald etc. entstanden recht bald. Sollte der verstorbene Markgraf all das vorausgesehen haben? Es würde ein zusätzliches Licht auf einen Fürsten werfen, der in der Geschichtsschreibung weitestgehend im Schatten des großen Vaters stand und der sich, ganz im Gegensatz zu diesem, nicht durch zahlreiche Feldzüge, umfangreiche Landerwerbungen und aktive Reichspolitik einen Namen machte, sondern dem gezielten Landesausbau seine hauptsächliche Aufmerksamkeit schenkte und dadurch seinem Fürstentum erst zu jener Prägung verhalf, die Brandenburg eigen war.
Wir werden noch auf das sich veränderte Verhältnis zwischen Dänemark und dem Reich, sowie den Spannungen Brandenburgs und Dänemarks zurückkommen.


Die Jahre 1184 – 1190

Die ersten Regierungsjahre sahen den neuen Markgrafen verhältnismäßig verhalten agieren. Er erweckte den Eindruck, die Politik des Vaters, die sich fast komplett auf die innere Landespolitik beschränkte, konsequent fortzusetzen. Während über die Regelungen bezüglich der Söhne des verstorbenen Markgrafen gesprochen wurde, kann über den Verbleib seiner Witwe nur spekuliert werden. Dass Otto I. auch für sie gesorgt hatte, ist kaum zu bezweifeln. Es ist jedoch nicht überliefert auf welche Weise oder wo ihr Wittum lag, auch nicht welche Rolle sie bei der weiteren Erziehung des leiblichen Sohnes Albrecht spielte. Aus der schon erwähnten Urkunde Ottos I. vom 1. Januar 1177 ist bekannt, dass er alle seine drei Söhne rechtlich gleichberechtigt stellte und damit nicht nur für Heinrich die Mitregentschaft an der Seite seines Bruders vorsah, sondern ebenso für den jüngsten Sohn Albrecht. Der Knabe war beim Ableben des Vaters noch unmündig. Sofern es nicht um sein unmittelbar leibliches Wohl ging, wo die Mutter, Markgräfinwitwe Adelheid, sicher weiterhin eine Auge auf ihn hatte, war nun Otto II. der natürliche Vormund Albrechts. Inwieweit Adelheid um das Recht ihres Sohnes zur späteren Mitregierung kämpfte, ist ungewiss. Ob es darüber zum Streit zwischen ihr und mindestens ihrem Stiefsohn Otto II. gekommen ist, bleibt ungeklärt. Sie tritt in keinem schriftlichen Zeugnis der Zeit nochmals auf oder wird irgendwie erwähnt. Bemerkenswert ist der Umstand, das Albrecht als Graf von Arneburg zunächst noch als Zeuge auf einigen Urkunden auftritt, sich dann aber für einige Jahre völlig die Spur verliert. Ist es inzwischen unter den Halbbrüdern zum Streit gekommen? Wenn ja, ging es um die Frage der Mitregierung? Nach praktiziertem sächsischem Recht war Albrecht ab 12 Jahren dazu berechtigt selbstständig sein Erbe anzutreten, was etwa für die Zeit um 1290 der Fall gewesen sein muss. Möglicherweise   verwehrte Markgraf Otto II. dies vorerst.

Über Otto II., ausschließlich er wird seit 1184 als Markgraf in Urkunden geführt, während die Brüder nur Grafen mit brandenburgischen Lehen waren, lesen wir in den Jahren bis 1190 recht wenig. Auf Reichsebene ist er nach dem Mainzer Hoftag nicht mehr aktiv und auch sonst nur gelegentlich in Urkunden erwähnt, ohne dass besonders erwähnenswerte Aktivitäten darin dokumentiert wären. Von größerem Interesse war in dieser Zeit die Tätigkeit Heinrichs, des Grafen von Gardelegen. Es ist bekannt, dass er letztendlich kinderlos starb, dennoch ist  nicht auszuschließen, dass er einst erbberechtigte Nachkommen hatte, die aber noch vor ihm verstarben. Worauf ist diese diese nicht ungewagte Aussage begründet? In einer 1187 dem Domstift von Brandenburg ausgestellten Urkunde zeichnen Otto und Heinrich unter anderem auch im Namen ihrer Erben, ex consensu et voluntaria collaudatione legitimorum nostrorum heredum. Hier wird im Plural von Erben gesprochen. Bei Markgraf Otto II., wir greifen etwas voraus, wissen wir, dass er kinderlos blieb. Halbbruder Albrecht war 1187 noch ein Knabe von weniger als zehn Jahren. Bliebe allenfalls noch die Annahme, dass Graf Heinrich zu diesem Zeitpunkt legitime Kinder, insbesondere Söhne besaß, dementsprechend auch eine Frau. Urkundlich ist überhaupt nichts überliefert, was alleine aber noch keine Indiz für die Unmöglichkeit der Annahme ist, wenn wir uns das Beispiel der Markgräfinwitwe Adelheid vor Augen halten, über die auch nahezu nichts bekannt ist.
Heinrich tat sich durch eine Reihe äußerst ungewöhnlicher Kirchenstiftungen in seinem Sprengel hervor. Zunächst beabsichtigte er in Tangermünde einen Bischofssitz zu errichten. Alleine die Absicht dadurch die Altmark dem Einfluss des Halberstädter Bischofs zu entziehen, reicht als Begründung nicht aus. Bedenkt man die verhältnismäßig geringe Größe seiner Grafschaft, in der Gardelegen, Tangermünde und Stendal die Zentren bildeten, kann man sich über die freiwillige Minderung eines ohnehin nicht großen Machtbereichs, denn nichts anderes hätte die Bestellung eines Bischofs schon mittelfristig bedeutet, nur wundern. Hermann Krabbo (1875 – 1928), Archivar und Historiker, deutet in seinem Werk „Forschungen zur brandenburgischen und preußischen Geschichte“ in den Fußnoten auf Seite 343 ff darauf hin, dass der großzügige Hang zu Kirchenstiftungen und ein auffallend religiöses Leben möglicherweise Hinweis auf einen schmerzlichen Trauerfall war, wie etwa der Tod von Frau oder Kindern. Dem Gedanken steht die Frage gegenüber, warum in keiner der Gründungsurkunden ein entsprechendes Motiv Erwähnung findet, kein Hinweis auf das Seelenheil einer verstorbenen Gattin oder eines Kindes. Sollte ein Schicksalsschlag Auslöser von Heinrichs verändertem Lebensstil gewesen sein, wäre entsprechende Hinweise zu erwarten, doch nichts dergleichen taucht auf. Es bleibt also im Dunkeln, wer mit den 1187 erwähnten Erben gemeint sein könnte. Am Ende ist es vielleicht ein hoffnungsvoller Ausblick auf erhofften, noch ungeborenen Nachwuchs.
Der Plan ein eigenes, linkselbisches, ans markgräfliche Herrscherhaus gebundene Bistum, wie jenes in Havelberg oder Brandenburg zu gründen, kam nicht mehr zur Vollendung. Der Widerstand den die Bischöfe von Verden und Halberstadt leisteten, die ihren Einfluss dadurch gefährdet sahen, hemmte den Fortschritt. Graf Heinrich leitete viele Schritte zur Umsetzung seines Plans ein, wie den Vorgängerbau der Stephanskirche in Tangermünde sowie der Nikolaikirche in Stendal, die Schaffung eines Kollegialstifts, bestehend aus einem Probst und zwölf Chorherren und die Bereitstellung ausreichender Ländereien, um das Auskommen des zukünftigen Domkapitels zu gewährleisten, doch lebte er nicht lange genug, um das Vorhaben zum Abschluss zu bringen. Graf Heinrich starb 1192 und wurde im Stendaler Dom beigesetzt. Sein Bruder verfolgte die Pläne des Bruders nicht weiter, inkorporierte die Grafschaft Gardelegen in den brandenburgischen Gesamtbesitz und vermied dadurch weitere Auseinandersetzung mit den Bischöfen von Halberstadt und Stade.

Am 2. Oktober 1187 ereignete sich fern der Mark Brandenburg ein für die ganze Christenheit entsetzliches Drama. Jerusalem und mit ihm die Heiligen Stätten, fiel den Ayyubiden unter der Führung Saladins (arabisch صلاح الدين) in die Hände. Dem Fall der heiligen Stadt ging Anfang Juli bei Hattin die Vernichtung des größten Teils der christlichen Truppen der Kreuzfahrerstaaten voraus. Die militärisch größtenteils entblösten Burgen der Kreuzfahrer fielen in der Folge reihenweise in die Hände der Muslime. In der zweiten Septemberhälfte begannen sie mit der Belagerung Jerusalems, das sich nach kurzer Zeit kampflos ergab.
Ein Ruck ging durch die Reiche des Abendlandes. Schon im Oktober des gleichen Jahres rief Papst Gregor VIII. (um 1100 – 1187) in der berühmten Kreuzzugsbulle Audita tremendi zur Befreiung des Grabs Christi und zum Schlag gegen die Ungläubigen auf. Gregor starb noch im Dezember 1187 und erlebte nicht einmal mehr die Vorbereitung zum großen Kreuzzug.
Der Kaiser und die Könige von Frankreich und England sagten ihre Teilnahme zu. Friedrich I. berief zum 27. März 1188 einen feierlichen Hoftag nach Mainz ein. Hier nahmen rund 13.000 der anwesenden Fürsten und Ritter das Kreuz auf und beschworen ihre Teilnahme am Kreuzzug. Groß war die Begeisterung im Reich, völlig anders als zur Zeit des Zweiten Kreuzzugs, dem Friedrichs Onkel, König Konrad III. nur widerwillig folgte. Markgraf Otto II. von Brandenburg scheint nicht unter den Teilnehmern des Hoftags gewesen zu sein. Es gibt aus dieser Zeit ohnehin fast keine Aufzeichnungen über sein Wirken. Erst in einer Urkunde vom Mai des gleichen Jahre lesen wir seit langem wieder von ihm. Darin schenkt er den Kanonikern des neu gegründeten Stendaler Stifts das Grundstück, auf dem der Bruder die Nikolaikirche errichten ließ. Am Kreuzzug beteiligte weder er noch Heinrich. Wie er sich von der Teilnahme befreien konnte, ist nicht belegt. Da er zu Mainz nicht anwesend war, dort nicht das Kreuz aufnahm, dürfte die weitere Befreiung vom Zug nach Palästina ohne größere Komplikationen möglich gewesen sein. Es ist nur zu wahrscheinlich, dass er sich freikaufte. Die allgemeine Kreuzzugseuphorie, nicht nur im Reich, in weiten Teilen Europas, ließ die bewaffneten Massen in großer Zahl zum Kreuz strömen. Wahrscheinlich war es ganz im Sinne des Kaisers dass staufisch gesinnte Fürsten im Reich zurückblieben. Die Streitigkeiten Barbarossas mit Erzbischof Philipp von Köln, auch wenn sie formell auf dem Kreuzzugshoftag zu Mainz beigelegt wurden, konnten während seiner Abwesenheit wieder ausbrechen. Es war klug Anhänger seines Hauses dem noch unerfahrenen Sohn, König Heinrich VI., der in Abwesenheit des Kaisers im Reich einstweilen die Regentschaft übernahm, beizustellen. Auch trat wieder ein alter Bekannter und Unruheherd ins Blickfeld. Auf Fürsprache von König Heinrich II. von England und Papst Gregor VIII., durfte der gestürzte und seiner Reichslehen entledigte vormalige Herzog von Sachsen und Bayern wieder in seine deutsche Heimat zurückkehren. Im Juli 1188 stellte ihn der Kaiser vor die Entscheidung am Kreuzzug teilzunehmen, dafür würde hinsichtlich der welfischen Erbgüter um Braunschweig und Lüneburg sofort restituiert zu werden. Bei Verweigerung erhielte er nur einen Bruchteil. Als dritte Option blieb ihm das weitere Exil.
Die Forderung des Kaisers waren begründet: Friedrich I. ahnte, dass der Löwe, bliebe er im Reich, sehr bald wieder für Unruhe sorgen würde, entweder von ihm selbst losgetreten oder durch angrenzende Fürsten, die sich durch seine schiere Präsenz herausgefordert fühlten. Stünde Heinrich nur der verkleinerte Allodialbesitz zur direkten Handhabe, konnte man ihm im Falle einer Eskalation leicht beikommen, ohne das gleich wieder der ganze sächsische Raum in Aufruhr geriet. Das für alle Beste wäre, er verließe das Reich wieder, wozu er sich schließlich auch entschloss. Ostern 1189 verließ er in Begleitung seines gleichnamigen Sohnes das Land und kehrte nach England zurück. Seine englische Frau Mathilde blieb in Braunschweig, wo sie bereits Ende Juni starb. Der Löwe nutze die Beisetzungsfeierlichkeiten zur abermaligen Reise ins Reich. Die erwartete Konfrontation mit dem Kaiser blieb aus, dieser befand sich mit dem deutschen Kreuzfahrerheer bereits auf dem Marsch nach Süden.
Wie vom Kaiser und seinen Beratern vorhergesehen, begann Heinrich der Löwe bald für Unruhe zu sorgen. Viele der ehemaligen Besitzungen konnte er wieder unter seine Herrschaft bringen. Der Erzbischof von Bremen belehnte ihn beispielsweise mit der Grafschaft Stade. König Heinrich VI. ging im Spätherbst an des Vaters statt militärisch gegen den Löwen vor. Wegen der bevorstehenden Winterzeit gelang es in der Kürze der Zeit ab nicht den umtriebigen vormaligen Herzog zu züchtigen. König Heinrich musste sich alsbald wichtigeren Themen zuwenden. In Sizilien, woher Heinrichs normannische Frau stammte, war am 18. November in Palermo der Schwiegervater Wilhelm II. verschieden, womit der sizilianische Thron Heinrich zugefallen wäre. Die Barone des Landes wählten stattdessen Tankred von Lecce  (um 1138 – 1194). Unterstützt wurde Tankred vom neuen Papst Clemens III., der gegen die legitime Erbfolge des kaiserlichen Sohns Position bezog, um die Machtvergrößerung der Staufer in Italien zu untergraben. Clemens scheute sich zur Wahrung seiner eigenen politischen Interessen nicht, die Ansprüche Heinrichs zu hintertreiben, während der Kaiser zeitgleich mit seinem Heer am Zweiten Kreuzzug teilnahm, zur Größe der Römischen Kirche. Um den sizilianischen Thron wurde noch einige Jahre heftig gerungen, doch letztlich setzte sich Heinrich erfolgreich durch.


Ein  neues Haupt auf dem Thron des Reichs

Kaiser Friedrich I. Barbarossa ertrank tragischerweise am 10. Juni 1190 im Fluss Saleph, in Kleinarmenien. Sein Heer hatte, seit es die Grenzen des befreundeten Ungarns hinter sich ließ, zahlreiche Hürden nehmen. In Kleinasien angekommen, folgte ein beschwerlicher Weg durch das Gebirge bei unzureichender Wasserversorgung. Zwei erfolgreich geschlagene, blutige Schlachten gegen die türkischen Seldschuken ließen hoffen, den restlichen Weg nach Palästina ohne weitere Schwierigkeiten zurücklegen zu können. Die näheren Details im nächsten Kapitel.
Als Nachfolger stand Barbarossas schon vor Jahren designierter, 1169 gewählter und gekrönter Sohn Heinrich fest. Als Heinrich VI. war er seither als Mitregent aufgetreten. Er übte die Regentschaft im Reich aus, während Barbarossa mit dem Heer auf dem Weg nach Palästina war, begleitet von Heinrichs Bruder Friedrich. Zur Erinnerung, Heinrich und besagter Friedrich erhielten auf dem groß Mainzer Hoftag, Pfingsmontag 1184, ihre Schwertleite.

Markgraf Otto II. führte die bisherige Haltung der Askanier gegenüber den Staufern fort, die unter Friedrich Barbarossa nicht immer unbelastet war. Er unterstützte wie schon der Vater das Herrscherhaus vordergründig, war aber nicht ausgesprochen staufisch eingestellt. Grundsätzlich gab es keinen Anlas sich politisch neu auszurichten.
Zwischen Askaniern und Staufern bestand ein verwandtschaftliches Verhältnis. Es war freilich nur noch schwach ausgeprägt und schon bis zum vierten Grad verwässert. König und Markgraf waren beide mit dem ausgestorbenen sächsischen Herrschergeschlecht der Billunger verwandt. Herzog Magnus von Sachsen, letzter männlicher Spross aus dem Hause Billung, war über seine zweite Tochter Eilika der Großvater Albrechts des Bären und über seine erstgeborene Tochter Wulfhild der Urgroßvater Kaiser Friedrich Barbarossas. Über die gleiche Linie bestand auch ein Verwandtschaftsverhältnis der Askanier mit der welfischen Linie Heinrichs des Löwen. Der neue Monarch erwähnte die Verwandtschaft zu den Askaniern gelegentlich selbst, wenn er in einer Urkunde von dilectus consanguineus noster sprach, von Unserem lieben Verwandten.

Der Tod des Kaisers hatte auf die Mark keine unmittelbaren Einflüsse, wohl aber die mit der Wiederkehr Heinrichs des Löwen einsetzende Unruhe in Norddeutschland. Sie ließ den Markgrafen auf der Hut sein. 1191 führte er, unterstützt von Herzog Bernhard von Sachsen, seinem Onkel, einen Streich gegen den ins Alter gekommenen, immer noch unruhigen Welfen. Beide halfen dem aus Tyrus vom Kreuzzug heimkehrenden Grafen Adolf III. (1160 – 1224) bei der Verteidigung seiner Ländereien in Holstein.
1192 beendete der Tod Graf Heinrichs von Gardelegen die verhältnismäßige Ruhe im brandenburgischen Haus. Nicht nur weil Markgraf Otto II. einen Bruder verlor, mit dem er bislang in engem Einvernehmen stand, sondern weil sich daraus ein innerfamiliärer Konflikt entzündete. Zunächst führte der Tod des kinderlos gebliebenen Bruders zu einem deutlichen Machtzuwachs, indem die wirtschaftlich weiter entwickelten Städte der Altmark wieder unter die direkte Verfügungsgewalt des Markgrafen gerieten. Der zwischenzeitlich etwa fünfzehn Jahre alte Halbruder Albrecht war mit der fortwährenden Übergehung seiner Ansprüche als Mitregent unzufrieden und suchte sein Recht immer vehementer geltend zu machen.  Ob die Mutter, Markgräfinwitwe Adelheid, hierbei eine Rolle spielte, ist unklar. Über sie liegt nach 1184 keine weitere Information mehr vor. Man muss aber geradezu annehmen, dass sie in dieser Hinsicht wirkte,  alles andere wäre völlig atypisch gewesen. Es existieren zahlreiche vergleichbare Situationen wo Mütter nachgeborener Söhne, vorzüglich solche aus zweiter oder dritter Ehe die Interessen ihrer Kinder mit Energie durchzusetzen suchten. Für die Jahre 1192 – 1194 sind bezüglich des Streits keine Nachrichten überliefert, es muss aber in eben dieser Zeit zur Eskalation gekommen sein, denn 1194 beginnt Albrecht nicht näher genannte Besitzungen seines Bruders zu plündern. Mittlerweile etwa siebzehn Jahre alt, wurde er bei einem dieser Streifzüge gefangen genommen und für einige Zeit von seinem Halbbruder inhaftiert. Es schien währenddessen zur klärenden Aussprache und vollständigen Beseitigung der offenen Streitpunkte gekommen sein, denn Albrecht wurde bald wieder freigelassen und darüber hinaus offiziell als Erbe eingesetzt, für den Fall dass Otto weiterhin ohne eigenen Erbe bliebe.
Die Hoffnung auf Nachwuchs gab der Markgraf lange nicht auf. Verheiratet war er mit Adelheid bzw. Ada von Holland. Viel ist auch über sie nicht bekannt, selbst nicht das Datum der Eheschließung. Es mag von Interesse sein, dass sie aus jenem Reichsteil stammte, aus dem ein größerer Teil der brandenburgischen Siedler ursprünglich stammte. Höchstwahrscheinlich hat Markgraf Otto I. ganz bewusst seinen ältesten Sohn mit einer Tochter des Grafen Florenz III. von Holland (1138 – 1190) verheiratet, um den dringend benötigten Zuzug von Siedlern nicht abreißen zu lassen.
Aus dem Jahr 1192 ist eine weitere Episode überliefert. Im Norden nutzte Dänemark die sizilianischen Verwicklungen des seit 1191 zum Kaiser erhobenen Heinrichs VI., um seinen Einfluss weiter nach Süden auszuweiten. Das dänische  Lehnsverhältnis zum Reich war zwischenzeitlich völlig abgestreift und König Knut VI. agierte mit großem Selbstbewusstsein. Dennoch gab es gab im dänischen Hochadel noch Anhänger der Staufer, vielleicht auch nur aus partikularen Interessen. Bischof Waldemar von Schleswig opponierte gegen den dänischen König Er wurde hierin von Otto II. unterstützte. Es ist der Beginn einer lange andauernden antidänischen Politik des brandenburgischen Markgrafen. Er stand darin ganz im Einvernehmen mit dem Kaiser. Otto II. nutzte den sich entwickelnden Konflikt, um Erwerbungen im dänisch beherrschten Pommern zu machen. Es erschien ihm wahrscheinlich attraktiver in das besser erschlossene Gebiet der christlich missionierten Abodriten zu expandieren, als in die noch wild und ursprünglich gebliebenen Slawengebiete östlich und nordöstlich des Havellands und der östlichen Prignitz. Die Unterstützung für den Bischof war nicht von langer Dauer. Allianzen hielten selten mehr als ein Feldzug und waren häufig rein saisonale Vereinbarungen. Ottos Engagement machte deutlich, dass er von der praktizierten Politik des Vaters Abstand nahm und eher dem Großvater nacheiferte. Zur Erweiterung des eigenen Einflussgebiets griff er zu den Waffen und ließ sich auch nicht von der Größe und Macht eines Gegners abschrecken.
Das gleiche Jahr sah erneut Heinrich den Löwen in voller Aktion. Seine vorherige Bezwingung und die daraus resultierenden Klauseln des Fuldaer Friedens kümmerten ihn jetzt, nachdem das Reichsoberhaupt in Unteritalien stand und Neapel belagerte, nicht sonderlich. Er setzte weder die darin festgesetzten Bestimmungen um, noch hielt er Frieden. Ganz seinem rastlosen Naturell folgend, nutzte er jede Gelegenheit und Schwäche zur Durchsetzung seiner territorialen Interessen im sächsischen Gebiet. Natürlich konnte ein Zusammentreffen mit den Askanieren nicht ausbleiben. Dass der Konflikt mit dem Kaiser nicht völlig eskalierte, trotz dessen Anwesenheit, lag an einer Reihe natürlicher Todesfälle in beiden Lagern. Der kinderlos gebliebene Welf VI. war im Dezember 1191 gestorben und seine umfangreichen Besitzungen in Oberschwaben fielen an den Kaiser. Dessen Hausmacht wuchs hierdurch im süddeutschen Raum nochmals erheblich an, was ihn gegenüber dem renitenten Welfen, der leer ausgegangen war, milde stimmte. Umgekehrt starb im staufischen Lager im August 1192 Erzbischof Wichmann von Magdeburg. Mit Wichmann verlor die Stauferpartei ihren einflussreichsten Anhänger in Norddeutschland. Fast 40 Jahre lenkte dieser nicht nur die Geschicke des Erzstifts, er gehörte auch zu jener Gruppe deutscher Grenzfürsten, die sich am meisten bei der Erschließung der rechtselbischen Territorien hervortat. Drei Generationen Askanier fanden in ihm einen zuverlässigen Bundesgenossen, geistigen Ratgeber und Fürsprecher. Kaiser Heinrich VI. lag viel daran in Sachsen die Gemüter zu beruhigen und keinen Flächenbrand in Form eines neuerlichen Kriegs ausbrechen zu lassen. Der von ihm gegen das normannische Unteritalien geführte Feldzug um die Krone Siziliens beanspruchte seine ganze Aufmerksamkeit. Es galt eine Destabilisierung Norddeutschlands zu verhüten, um den Ambitionen Knuts VI. von Dänemark begegnen zu können. Ein gewisse Parallele erkennt man hier zu den Ereignissen der frühen Herrschaftszeit des verstorbenen kaiserlichen Vaters. Auch er sah während seiner Italienkampagnen großzügig über die ständigen Friedensbrüche des Löwen hinweg, da er ihn auch immer als halbhegemonialen Machtfaktor benötigte. Selbstverständlich sind die Relationen jetzt, in den Schlussjahren des zwölften Jahrhunderts, völlig verändert. Die Machtbasis Heinrichs des Löwen war an so vielen Stellen verloren gegangen, dass er nicht mehr die Rolle der regionalen Großmacht spielen konnte. Im Kielwasser seines Machtverlusts sind neue Mittelmächte im sächsischen Raum entstanden, die zwar den Löwen in Balance hielten, der dänischen Expansion einzeln jedoch nicht gewachsen waren.


Die markgräfliche Politik ab 1194

Im Jahre 1192 unterstützte nicht nur Otto II. den Bischof von Schleswig in seiner Opposition gegen den dänischen König, auch Graf Adolf III. von Schauenburg-Holstein hatte sich angeschlossen. Für den Grafen war es nur zu offensichtlich, dass Dänemark beim Versuch die ganze kimbrische Halbinsel unter Kontrolle zu bringen, bald auch nach seinen Holsteiner Ländereien die Finger ausstrecken würde. Knut VI. von Dänemark hatte diese Waffenhilfe nicht vergessen auch nicht verziehen und begann 1194 mit Zurüstungen gegen den Grafen. Adolf III. rief den brandenburgischen Markgrafen um Hilfe. Scheinbar bestand zwischen Adolf und Otto ein festes Bündnis. Immerhin hatte er dem 1191 vom Kreuzzug heimkehrenden Grafen schon einmal geholfen, damals noch gegen Heinrich den Löwen, im Konzert mit seinem Onkel Herzog Bernhard von Sachsen. Über die brandenburgischen Ambitionen hinsichtlich Pommern wurde schon gemutmaßt. Dass für Otto II. eine antidänische Koalition im ureigenen Interesse lag, ist nur zu offensichtlich. Vergleicht man die gegensätzliche Politik des Vaters mit der des Sohnes, erstaunt nicht unbedingt die Tatsache, dass Otto II. draufgängerischer war, man stellt sich eher die Frage woher er die Mittel für seine wiederholten Heeresaufstellungen nahm. Es stehen so früh in der brandenburgischen Geschichte keine zuverlässigen Informationen über die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Mark oder die allgemeine Finanzlage des markgräflichen Hofs zur Verfügung. Aus bisherigen Schenkungen an kirchliche Einrichtungen kann man bestenfalls Ahnungen anstellen. Mann davon ausgehen, dass sich die Jahre des konsequenten Landesausbaus mittlerweile Früchte trugen und bemerkbar machten. Das seit 1183 in der Zauche errichtete Kloster Lehnin hatte daran einen wachsenden Beitrag aber auch die Bistümer Havelberg und Brandenburg und sowieso die prosperierende Altmark. Während der Regentschaft Heinrichs von Gardelegen, dem 1192 verstorbene Bruder des Markgrafen, entwickelten sich Stendal, Tangermünde, Gardelegen und Salzwedel zu regionalen Handelszentren. Die Mark mauserte sich vom Entwicklungsland, zum aufstrebenden Fürstentum, woraus sich für Otto II. bislang unbekannte Möglichkeiten zu einer selbstbewussten Außenpolitik ergaben. Dem Hilferuf des Grafen von Holstein folgend, zog er mit einem brandenburgischen Heer bis an die dänische Grenze, traf an der Eider angekommen aber niemanden an, so dass er unverrichteter Dinge wieder abzog. Ottos Abzug abwartend, fiel der Dänenkönig anschließend erst in Holstein ein und richtete dort starke Verwüstungen an. Der Kaiser ließ diese unerhörte Verletzung geschehen. Er war seit seiner sizilianischen Erbschaft auf Italien fixiert, noch mehr als schon der Vater. Das Reich hatte unter Kaiser Heinrich VI. zwar seine bislang größte territoriale Ausdehnung, doch war es schwächer als zu Zeiten der Ottonen oder der frühen Salier. An seinen Rändern hatten sich neue Mächte gebildet, die lange tributpflichtig waren und jetzt, im Überschwang der erlangten Unabhängigkeit, die vernachlässigten Reichsgrenzen bedrohten. Polen und Dänemark, immer wenn dort die inneren Konflikte um die Krone beseitigt waren, entwickelten eine eindrucksvolle Machtentfaltung. Im Südosten lag das ungarische Königreich. Die Nachfahren der Magyaren hatten sich seit der Ottonischen Zeit in ihrem pannonischen Siedlungsraum konsolidiert und waren kontinuierlich gewachsen. So belastet das Verhältnis unter den frühen Ottonen war, hatten sich die Beziehungen seit Beginn der dortigen Christianisierung fortlaufend verbessert, so dass es nicht nur über lange Zeit zu keinen Reibungen mehr kam, mittlerweile bestand ein regelrechtes Freundschaftsverhältnis. Im Westen lag für das Reich der gefährlichste Machtblock. Seit Teilung des fränkischen Großreichs im Frieden von Verdun 843, worauf die Teilungsverträge von 870 und 880 folgten, standen sich die Nachfahren der galloromanischen Franken im Westen und der fränkisch beherrschten germanischen Stämme im Osten mit wachsender Rivalität gegenüber. Auf dem Höhepunkt des Hochmittelalters hatten sich beide Reiche soweit auseinanderentwickelt, das nahezu keine Gemeinsamkeiten mehr existierten und bereits wiederholt offene Feindschaften ausgetragen wurden.

Der brandenburgische Markgraf beteiligte sich ab Mitte der 1190‘er Jahre vermehrt an der Reichspolitik. In diese Zeit fiel auch die Versöhnung zwischen ihm und seinem Halbbruder Albrecht. Sahen wir ihn seit seinem Regierungsantritt nur anlässlich des prächtigen Mainzer Hoftags von 1184 im Umfeld des Kaisers, scheint der Wechsel auf dem Thron des Reichs zu einem nachgelagerten Wandel seiner Politik geführt zu haben. Mit dem Tod des Erzbischofs von Magdeburg ging dem Kaiserhaus ein einflussreicher Parteigänger im Norden verloren, wodurch Wert und Einfluss des Markgrafen am kaiserlichen Hof stiegen.
Am 28. Oktober 1195 rief der Kaiser nach Gelnhausen einen großen Hoftag ein. Er machte dort Werbung für einen neuerlichen, einen deutschen Kreuzzug. Der anwesende Markgraf Otto II. ließ sich von der herrschenden Stimmung mitreißen und nahm, neben vielen anderen, feierlich das Kreuz auf, ebenso sein Halbbruder Albrecht. In dessen Fall ist ungeklärt, ob er zum Hoftag persönlich anwesend war oder zu einem späteren Zeitpunkt seine Teilnahme bekundete. Im nächsten Kapitel wird der Hoftag detaillierter ausgeführt und die Motivation hinter den Kreuzzugplänen erläutert.


Lehnsverhältnis zum Erzbistum Magdeburg

Auf dem gleichen Hoftag bestätigte der Kaiser diverse Schenkungen des Markgrafen und seines Bruders an das Erststift Magdeburg, wo seit 1192 Ludolf von Kroppenstedt († 1205) das Amt des Erzbischofs ausübte. Der Metropolit führte die stauferfreundliche Politik seines Amtsvorgängers nahtlos fort.
Es ist notwendig an der Stelle näher auf die vorgenannten Schenkungen einzugehen: sie bildeten den Auftakt noch umfangreicherer Übereignungen. Art um Umfang werfen Fragen auf und bilden das bisher größte Rätsel in der Politik Ottos II., für das es bis heute nur Erklärungsansätze gibt.
Schauen wir uns zunächst die im Oktober bestätigten Übertragungen an. Vorerst ging es um einige Gebiete bei Rathenow und Möckern. Ein Jahr später, Ende November 1196, nehmen die Abtretungen solche Dimensionen an, dass spätestens jetzt die Frage nach dem Motiv laut werden musste. Der Markgraf überschreibt allen seinen Allodialbesitz dem Magdeburger Erzbistum und erhält sie, ein Jahr und sechs Wochen später, als magdeburgisches Lehen zurück. Ottos Halbbruder Albrecht, von dem man hätte erwarten sollen, er würde gegen einen solchen Ausverkauf des Familienbesitzes – wohlgemerkt, es handelte sich um Allodialgut, nicht um Lehnsgut des Reichs – regelrecht zu Felde ziehen, bestätigte überraschenderweise die Überschreibungen, die feierlich im Magdeburger Dom, im Beisein des päpstlichen Legaten Kardinalpriester Fidentius vollzogen wurden.
Verständlich, dass sich die Chronisten hierüber den Kopf zerbrachen. Ohne offensichtlich erkennbare Not tritt der Markgraf das Familieneigentum an einen benachbartem Kirchenfürsten ab, zu dem weder ein familiäres Verhältnis bestand, noch ein praktischer Nutzen ersichtlich wurde. Schon die Zeitgenossen suchten nach einer zuverlässigen Erklärung. Unter den schnell aufkommenden Theorien häuften sich die Vermutungen, der Markgraf hätte sich eines sündigen Lebenslaufs schuldig gemacht, weswegen er mit dieser großzügigen Geste zugunsten der Kirche danach trachtet, sein Seelenheil zu retten. Bei der Bewertung solch Annahmen muss man vorsichtig sein und diese nicht sofort als abwegig ausschließen, weil heutige Maßstäbe herangezogen werden. Zunächst entsprach es ganz der allgemein verbreiteten Auffassung, dass zur Rettung der eigenen Seele nur die Kirche beitragen konnte. Wir wissen um den dringenden Wunsch des Landesherren bezüglich eines Erben. Dass er sich in Gelnhausen  dem geplanten Kreuzzug des Kaisers anschloss, deutete man als Hinweis dafür. Er ersehnte, erflehte sich vom Heiland die Geburt eines Sohnes und nahm dafür bereitwillig das Kreuz auf, bereit nach Palästina zu ziehen. Anlässlich des letzten Kreuzzugs ließ sich Otto noch nicht von der damals vorherrschenden Euphorie mitreißen, dieses Mal gehörte er zu den Ersten. Ein bloßes Lippenbekenntnis, eine Tat um vor anderen Mitfürsten in großtuerischer Weise zu glänzen, war es sicherlich nicht. So fremd der Gedanke heute erscheinen mag, muss man akzeptieren, dass die Menschen des Mittelalters in vermeintlich heiligen Taten Handlungen sahen, die im Diesseits oder Jenseits göttlichen Lohn erhoffen ließen, Otto II. konnte in dieser Hinsicht keine Ausnahme sein.
Nachweise gibt es keine, aber es wird vermutet, dass der Markgraf zeitweise unter Kirchenbann stand. Anlässe gab es im politischen Wechselspiel genügend und der Papst war lange nicht die einzige kirchliche Instanz, die den Bann aussprach. Erinnern wir uns an die Pläne des verstorbenen Bruders bezüglich einer altmärkischen Diözese und den Widerständen, die die hierdurch benachteiligten Bischöfe von Verden und ganz besonders von Halberstadt gehabt hätten. Es dürfte nicht verwundern, wenn sich hieraus ernste Auseinandersetzungen entwickelten. Dass die Kirche ihr schärfstes Schwert, die Verhängung des Kirchenbann, auch aus realpolitischen Gründen anwandte, ist hinlänglich bekannt. Vermeintlich legitime Gründe waren schnell und zahlreich gefunden. Einer Anekdote nach, soll der Markgraf wegen einer nicht näher genannten Angelegenheit vom Magdeburger Erzbischof Ludolf gebannt worden sein, sich daraus aber Nichts gemacht haben, bis die Hunde aus seiner Hand kein Futter mehr nahmen, was ihn schließlich zur inneren Einkehr brachte, worauf er zu den vorgenannten Schritten überging.
Für die einfachen Menschen des Mittelalters mag eine Geschichte wie diese vielleicht ausreichend gewesen sein, als schlüssige Erklärung ist sie jedoch ungeeignet. Vielleicht hilft es über einen Umweg an den Sachverhalt heranzugehen. Bemerkenswert ist, dass unter den Zeugen der Schenkungen kein weiterer askanischer Verwandter auftaucht. Es war schon verwunderlich genug, dass Halbbruder Albrecht zustimmte. Da beide zu diesem Zeitpunkt noch ohne Erben waren, im Falle von Albrecht auch noch keine Partnerin gefunden war, hatten die Verwandten einen Erbanspruch auf den Eigenbesitz der brandenburgischen Askanier. Zu diesem Zeitpunkt allen voran Herzog Bernhard von Sachsen. Dass weder er noch die Verwandtschaft in Weimar-Orlamünde die Schenkung als Zeuge unterzeichneten, muss als Indiz gewertet werden, dass dort in keiner Weise Konsens herrschte. Hat Markgraf Otto mit voller Berechnung die askanische Verwandtschaft auf diese Weise enterbt? Man weiß es nicht, aber seither waren die Beziehungen zu Onkel und den Vettern in Sachsen und den Vettern in Weimar-Orlamünde nachweislich gestört.
Hermann Krabbo (1875 – 1925), Archivar, Historiker und Hochschullehrer, bietet eine eigene Herleitung an. Ottos Bruder, der 1192 verstorbene Graf von Gardelegen, wollte in Stendal bekanntermaßen einen Bischofssitz errichten. Sein Lebenswandel zeigte mindestens zeitweise geistliche Züge. So wird berichtet, dass er an Feiertagen in seidener Kutte neben den Vertretern des Kollegialstifts saß und Andacht übte. Woher seine Frömmigkeit rührte, kann nicht gesagt werden, möglicherweise übte die Mutter, Judith von Polen, noch zu Lebzeiten dahingehend Einfluss aus. Markgraf Otto schien von anderem Holz geschnitzt zu sein. Sicherlich fehlte es ihm nicht am Glauben, ein Pfaffenfürst war er allerdings nicht. Nach dem verhältnismäßig frühen Tod des jüngeren Bruders kassierte er dessen Besitzungen ein. Von den Plänen eines Bischofssitzes wollte er augenscheinlich nichts wissen, denn er stellte die noch ausstehenden Aktivitäten unmittelbar ein. Dass Otto in dieser Hinsicht nicht dem Wesen seines Bruders folgte, konnte Heinrich von Gardelegen zu Lebzeiten nicht verborgen geblieben sein. Nach allem was aus seinen Regentschaftshandlungen als Graf von Gardelegen bekannt ist, war es ihm mit dem Bistum sehr ernst und es drängt sich der Gedanke förmlich auf, dass er, wissend um des Bruders Haltung, einen anderen mit der Vollendung des Projekts beauftragte. Hierzu kam wegen der Verwerfungen mit Stade und Halberstadt niemand besseres als der Magdeburger Erzbischof in Frage, schon weil Stendal als Sitz eines altmärkischen Bistums eine Suffragandiözese der Magdeburger Kirchenprovinz geworden wäre. Da Erzbischof Wichmann von Magdeburg nur wenige Monate nach Graf Heinrich von Gardelegen verstarb, dürfte die Angelegenheit erst dessen Nachfolger, Ludolf von Kroppenstedt ernsthaft aufgegriffen haben. Sollte die von Hermann Krabbo aufgestellte These zutreffen, dass Graf Heinrich den Magdeburger Erzbischof mit der Fertigstellung der Stendaler Diözese beauftragte und ihm demgemäß die damit verbundenen Besitzungen verschrieben haben, hätte Markgraf Otto durch die Inbesitznahme des brüderlichen Erbes streng genommen auch Teile von Kirchenbesitz eingezogen. Ein Kirchenbann wäre nach den damaligen Rechtsgrundsätzen adäquat gewesen. Der 1195 eingeleitete und 1196 abgeschlossene Prozess könnte als ein pragamtischer Vergleich zwischen dem Markgrafen, seinem Mitregenten Albrecht, und dem Erzbischof gedacht gewesen sein. Formal wären die strittigen Besitzungen und sogar einiges mehr in magdeburgischen Besitz übergegangen, faktisch bliebe durch die Belehnung des Markgrafen der uneingeschränkte Nießbrauch bei den alten Landesherren.
Am 9. Juli 1197 bestätigt Kaiser Heinrich VI. bei Patti auf Sizilien den beiden Brüdern die Überschreibung ihrer Güter an das Erzstift, womit der Akt förmlich beglaubigt und abgeschlossen war. Am 28. Juli erfolgt zusätzlich die Lehnsbestätigung. Alle an Magdeburg übertragenen Güter sollen dem Markgrafen sowie seinem Halbbruder Albrecht und allen ihren Nachkommen, so denn irgendwann vorhanden, nach einem Jahr und sechs Wochen als magdeburgisches Lehen zurückerstattet werden.


Zwei ereignisreiche Jahre 

1197 begann der lange vorbereitete Kreuzzug des Kaisers. Im August brach auch Graf Albrecht von Arneburg, der Halbbruder des Markgrafen, mit den Teilnehmern aus dem sächsischen Raum auf. Im nächsten Kapitel mehr dazu. Otto II., der in Gelnhausen seine Teilnahme eidlich bekundete, blieb im Reich zurück, er hatte sich zuvor von Papst Coelistin III. (1106 – 1198) Dispens geben lassen.
Am 28. September 1197 starb Kaiser Heinrich VI. überraschend in Messina, im Heerlager der sich dort sammelnden Kreuzfahrer. Es war ein Schock, ein vermeintlich böses Vorzeichen, doch auch davon mehr im nächsten Kapitel. Im Reich kam es 1198 zu einer folgenreichen Doppelwahl. Am 6. März wurde Philipp von Schwaben (1177 – 1208), der Bruder des verstorbenen Kaisers, im thüringischen Arnstadt von den anwesenden Fürsten zum neuen König gewählt. Zwei Tage später, am 8. März 1198, erfolgte in Mühlhausen, ebenfalls Thüringen, in feierlicher Weise die Wiederholung.

Friedrich I. Barbarossa mit seinen
Söhnen Heinrich und Philipp

Die staufisch gesinnten Fürsten entschieden sich für Philipp statt des erst zweijährigen, in Palermo lebenden Friedrichs, Sohn Heinrichs VI. und Konstanze von Sizilien. Sie wählten einen handlungsfähigen Monarchen statt ein unmündiges Kind, das unter dem Einfluss seiner Erzieher stand. Die Zeit der Ottonen, wo mit Adelheid von Burgund, Witwe Ottos I., und Theophanu von Byzanz, Witwe Ottos II., zwei gleichsam energische, wie befähigte Frauen das Reich für den unmündigen Otto III. berwalteten, lag lange zurück. Unter Otto I. erinnerte das Reich in seiner territorialen Gliederung noch sehr an die alten stammesherzöglichen Strukturen. Den wenigen aber starken territorialen Mittelmächten, stellte er das Reichskirchensystem der Erzbischöfe und Bischöfe als Reichsfürsten zur Ausbalancierung gegenüber. Jetzt, fast 200 Jahre später, hatte sich die innere Struktur des  Reichs sehr verändert. Wohl hatte sich die Institution des Kaisers im deutschen Reichsteil, inklusive Böhmen, fest etabliert, doch gab es längst eine Inflation neuer Fürsten. Der Flickenteppich aus hunderten Kleinterritorien, der zum prägnanten Merkmal wurde, nahm schon unter den Saliern seinen Anfang und erreichte unter Friedrich Barbarossa einen vorläufigen Höhepunkt, ohne dass eine Ende absehbar war. Der Kaiser musste nahezu ständig durchs Reich ziehen, um seine Ziele durch persönliche Präsenz durchzusetzen. Ein Kleinkind, das zwar schon gewählt und gekrönt, jedoch unfähig die Regentschaft für geraume Zeit ausüben zu können, war am Übergang zum dreizehnten Jahrhundert nicht mehr tragbar.
Am 9. Juni wählten die rheinischen und niederrheinischen Fürsten mit dem Welfen Otto von Braunschweig (1175 – 1218) einen Gegenkönig. Er war der dritte Sohn des im August 1195 in Braunschweig verstorbenen Heinrich dem Löwen. In Aachen erfolgte am 12. Juli durch Erzbischof Adolf von Köln die Krönung Ottos IV. zum römisch-deutschen König. Die Anhänger der Stauferpartei, zu denen  auch wieder der brandenburgische Markgraf gehörte, hatten nach der Wahl Philipps versäumt die Krönung zügig in Angriff zu nehmen und waren jetzt in eine schwierige Position geraten. Zwar holte man in Mainz am 8. September 1197 das Krönungszeremoniell nach, doch war weder Ort noch der die Krönung vornehmende Erzbischof gemäß den gewohnheitsmäßigen Ritus ausgewählt worden, was eine große Hypothek hinsichtlich der Anerkennung des Staufers darstellte. Immerhin war Philipp aber im Besitz der wichtigen Reichskleinodien, der Krone, dem Reichsschwert und dem Reichsapfel. Dass es überhaupt zur Wahl eines Gegenkönigs kam, hatte mit den Absichten des verblichenen Kaisers zu tun, der die Wahlmonarchie abschaffen und die Erbmonarchie einführen wollte.  speziell die geistlichen Wahlfürsten am Rhein sahen hierin eine zukünftige Beschneidung ihrer Macht und ihres Einfluss auf die Reichspolitik.

Im gleichen Jahr, vielleicht sogar schon im Winter 1197/98, begann Otto II. einen Vorstoß in slawisch besiedeltes Gebiet, das Dänemark zu seinem Einflussbereich zählte. Der Schritt war wahrscheinlich von längerer Hand geplant. Meist wird vermutet, er wäre unmittelbar nach Norden eingerückt, also in jenes Gebiet Vorpommerns um Demmin, das schon sein Vater in der Vergangenheit erfolgreich bekriegte. Es ist fraglich, ob er zu diesem Zeitpunkt, wo im Reich der Ausgang des Thronstreits völlig offen war, einen bewusst einkalkulierten Streit mit Dänemark gewagt hätte. Viel wahrscheinlicher ist, dass sein Stoß nördlich am Teltow vorbei, in das Gebiet des westlichen Barnim ging, also in bislang unerschlossenes Gebiet der heidnischen Sprewanen und Rezanen. Den  dürftigen Überlieferungen nach unterwarf er einige slawische Stämme. Wäre er stattdessen in das pommersche Herzogtum der Brüder Bogislaw II. und Kasimir II., Söhne Bogislaws I., über den schon berichtet wurde, eingezogen, hätten sich die Schreiber mit Sicherheit konkreter ausgedrückt, zumal das Land mittlerweile in dritter Generation christlich missioniert war und ein grundloser Einfall vermutlich auch von der Kirche sanktioniert worden wäre, mit der Otto erst vor kurzer Zeit Frieden geschlossen hatte. Er zog viel wahrscheinlicher in jenes kaum erschlossene Gebiet, das in der Zeit der Ottonischen Kaiser formell zur Nordmark gehörte, dauerhaft aber nie wirklich unterworfen wurde. Als Enkel des letzten Markgrafen der Nordmark, glaubte er schon alleine deswegen ein legitimes Anrecht geltend machen zu dürfen. Für die These, die erstmals Siegfried Passow, Hohenfinower Pfarrer und Heimatforscher, in einem Aufsatz vorbrachte, spricht auch die Reaktion König Knuts VI. von Dänemark. Im Besitz einer eindrucksvollen Flotte, schiffte er ein Heer ein, fuhr bei Stettin in die Oder und landete die Truppen östlich des Lands der Uckerer, in der heutigen Uckermark. Wäre Otto II. statt den Barnim zu erobern,  nach Pommern marschiert,  wäre ihm Knut dort entgegen getreten und hätte wohl nicht den Umweg über die Oder genommen. König Knuts Reaktion Entschluss war eine entschlossene Berteidigung gegen einen ebenso entschlossenen Angreifer, der nicht zum plündern, sondern zum Erobern angetreten war. Das Heer der Dänen stand unter dem Kommando des königlichen Kanzlers Bischof Peter von Roskilde.
Es kam noch im gleichen Jahr zur entscheidenden Schlacht, die für beide Seiten blutig verlief, in der sich der Markgraf aber siegreich durchsetzen konnte und hierbei den verwundeten dänischen Heerführer gefangen nahm. Der wervolle Gefangene hat sich später durch Lüge und Heimtücke befreien können, indem er eine schwere Erkrankung vortäuschte und daraufhin  Hafterleichterung erhielt, die er zur Flucht nutzte. Da die beiden pommerschen Herzöge dem Dänenkönig Heerfolge leisteten – vermutlich erhofften sie die unter Otto I. verlorenen Gebiete um Tollense zurückerobern zu können – wandte sich der brandenburgische Markgraf, unterstüzt von Graf Adolf III. von Holstein, im Winter 1198/99 gegen Pommern, durchzog verwüstend das Land bis zur Küste und schickte sich an nach Rügen überzusetzen. Einsetzendes Tauwetter verhinderte das weitere Vorgehen, worauf er sich wieder nach Brandenburg zurückzog und das bisher erfolgreich kämpfende Heer auflöste.
Der gegen Dänemark geführte Doppelschlag zerschlug 1198 nicht nur das dänische Heer, Otto II. kämpfte auch die Vasallen des Dänenkönigs nieder, darunter die beiden Pommernherzöge und den Fürsten von Rügen. Nur die Eroberung der Insel blieb ihm wegen des einsetzenden Tauwetters versagt. Die Krone des Erfolgs war die von König Philipp von Schwaben ausgesprochene Lehnshoheit Brandenburgs über Pommern. Er setzte sich über die Entscheidung seines Großvaters Friedrich Barbarossa hinweg und erklärt das Herzogtum nicht mehr für reichsunmittelbar, stattdessen unterstellte er es dem Markgrafen. Zu einem Lehnseid der beiden Brüder Bogislaw II. und Kasimir II. kam es nicht. Sie standen in einem unklaren Verhältnis von halbautonomer Souveränität und formeller Lehnsabhängigkeit sowohl aus Sicht Dänemarks, wie neuerdings aus der Perspektive Brandenburgs.  Jahrhunderte des Ringens um Abhängigkeit und Unabhängigkeit  folgten.

Das Jahr 1199 sah Brandenburg auf einem ersten Höhepunkt in seiner noch kurzen Geschichte. Otto II. erwies sich in den zurückliegenden Jahren als erfolgreicher Feldherr und profitierte von seinem guten Verhältnis zum verstorbenen Kaiser Heinrich VI. und jetzt zu dessen Bruder Philipp. Die bislang relativ unbedeutende Mark begann aus dem Schatten der nieder- und obersächsischen Fürstentümer zu treten und nahm für die Staufer eine zunehmend wichtige Rolle im norddeutschen Raum ein. Der mittlerweile wahrgenommene Machtzuwachs Brandenburgs schürte die Rivalität, unter anderem auch zum verwandten Zweig der sächsischen Askanier.


Der Deutsche Thronstreit

Zwei gewählte und gekrönte Häupter standen an der Spitze des Reichs. Ein Reich, das auf keiner geschriebenen Verfassung basierte und keine Handhabe kannte, wie man mit zwei Monarchen umgehen sollte. Nach den langen Jahren der Regierung Friedrich Barbarossas und dem viel zu kurzen Intermezzo seines Sohnes, fürchtete man einen langen Bürgerkrieg, der das Reich vielleicht zerbrechen ließ. Das Schreckensgespenst aus der Zeit Heinrichs IV., als eine Fürstenopposition den schwäbischen Herzog Rudolf von Rheinfelden (um 1025 – 1080) im Jahre 1077 zum Gegenkönig wählte, war als Erinnerung tief verankert, lag diese dunkle Zeit doch erst etwas mehr als 100 Jahre zurück. In der verlustreichen Schlacht bei Hohenmölsen am 15. Oktober 1080 wurde Rudolf tödlich verletzt, was den Kampf um die Herrschaft damals beendete. Wird auch dieses Mal erst der Tod eines der Kontrahenten eine Lösung des Konflikts herbeiführen?

Philipp von Schwaben

Die Anhänger Philipps von Schwaben wollten einen militärisch ausgetragenen Konflikt vermeiden. Eine bewaffnete Konfrontation konnte wegen der weitverzweigten Netzwerke beider Kontrahenten schnell zu einem reichsweiten Flächenbrand führen. Schon war in Reichsitalien die imperiale Autorität zusammengebrochen und bald musste man damit rechnen, dass angrenzende Königreiche die innere Schwäche des Reichs auszunutzen wussten. Die staufische wie die welfische Partei versuchte in der ersten Zeit den Papst  zu gewinnen. Anfang des Jahres 1199 versammelte König Philipp einen Teil seiner Anhänger, darunter drei Erzbischöfe, neun Bischöfe, vier Äbte der großen Reichsabteien und neun weltliche Fürsten, darunter Otto II. von Brandenburg. Sie schrieben an den römischen Pontifex, den seit Januar 1198 zum neuen Papst gewählten Innozenz III. (1161 – 1216). Mit Innozenz wurde seit längerem wieder ein jüngerer Papst auf den Stuhl Petri gesetzt. Man musste nicht befürchten, bzw. durfte nicht hoffen, je nach Betrachtungsweise, dass er nach kurzem Pontifikat altersbedingt sterben würde. Es war anzunehmen, dass er die Interessen der römischen Kirche durchsetzen würde. Innozenz war ein ehrgeiziger Charakter, hochgebildet und energisch. Die Gefahr einer Einschnürung des Kirchenstaats durch die Stauferdynastie, die in Unteritalien den Thron der Normannen auf Sizilien geerbt hatten und gleichzeitig im Reich den römisch-deutschen König und designierten Kaiser stellten, stand seinen eigenen territorialen Plänen in Italien entgegen. Die Ausgangslage der Stauferpartei war daher denkbar schlecht, weswegen sie nicht versäumten, den vor einem Jahr erst gewählten Papst einzuschüchtern, indem sie einen baldigen Romzug der zahlreichen Anhänger König Philipps ankündigten, um ihn zum Kaiser krönen zu lassen. Es war im Nachhinein betrachtet ein riskanter und wahrscheinlich kontraproduktiver Verstoß aber nicht ganz ohne Aussicht auf Erfolg. Der neue Papst galt bei vielen hohen Kirchenmännern als zu jung. Innozenz musste seiner Stellung erst noch gerecht werden. Dass er voller Selbstbewusstsein war, bewies schon am Folgetag seiner Weihe. Er nahm dem Präfekten von Rom den Treueeid ab und kleidete ihn ein, womit er sich ganz selbstverständlich ein bis dahin von den römisch-deutschen Kaisern ausgeübtes Privileg aneignete. Schnelles Handeln war erforderlich.  Einerseits musste man dem Welfen Otto zuvorkommen, wenn dieser auch kaum Chancen hatten unbehelligt aus seinen norddeutschen Besitzungen nach Italien zu ziehen, ohne im süddeutschen Raum durch staufisches Gebiet zu müssen. Andererseits musste man den jungen Papst zurechtzustutzen, bevor sich nich mehr Anmaßungen erlaubte. Es galt ihn soweit einzuschüchtern, dass er Philipp mehr oder weniger freiwillig zum Kaiser krönte. Schlimmstenfalls musste man ihn mit Waffengewalt dazu zwingen oder gleich einen stauferfreundlichen Gegenpapst installieren. Wie immer das Vorhaben bewerkstelligt worden wäre, die Erhebung Philipps zum Kaiser hätte die Opposition in eine praktisch ausweglose Situation gebracht. Das zu Nürnberg aufgesetzte Schreiben rotierte vor seiner Weiterleitung nach Rom unter 22 weiteren Reichsfürsten, die alle der Partei der Staufer die Treue hielten und namentlich in die Liste aufgenommen wurden, bevor es am 28. Mai 1199 von Speyer aus in seiner finalen Form abgesandt wurde.

Innozenz ließ sich weder einschüchtern noch beeindrucken. In einem Schreiben  drückte sich die Haltung des Pontifex deutlich aus:

»Dem göttlichen Gesetz gemäß werden wohl die Könige und die Priester gesalbt, aber die Könige von den Priestern, nicht die Priester von den Königen. Wer salbt, ist größer als der, welcher gesalbt wird … Den Fürsten wird die Macht auf Erden, den Priestern aber auch die Gewalt im Himmel verliehen; jenen nur über den Leib, diesen auch über die Seele. So viel die Würde der Seele die des Leibes überragt, ebenso viel überragt die Würde des Priestertums die des Königs.«

Der Papst eröffnete eine neue Phase im Machtkampf zwischen Kaisertum und Papsttum. Nach dem durchgefochtenen, von Rom gewonnenen Investiturstreit mit den späten Saliern, begann die Kurie grundsätzlich Anspruch auf das Approbationsrecht geltend zu machen. Das ausschliessliche Recht zu bestimmen, wer den römisch-deutschen Thron besteigen durfte und wer nicht. Damit widersetzte sich das Papsttum dem althergebrachten Recht der deutschen Fürsten ihren König und zukünftigen Kaiser selbstständig, ohne Einfluss von außen zu wählen. Ein Konflikt bahnte sich an, dessen Dimension den Investiturstreit weit übertraf. Aus gelegentlichen Rivalitäten zwischen einzelnen Päpsten und Kaisern, entwickelte sich ein förmliches System des ernsthaften Gegensatzes.

Im Reich blieb die Partei des Welfen Otto derweil nicht passiv. Seine hauptsächlichen Anhänger waren entlang des Niederrheins zu finden. Die Staufer begannen gegen ihre welfischen Widersacher vorzugehen und drangen bis auf die Höhe Köln vor, das wahrscheinlich gefallen wäre, denn die Stadt besaß damals noch keine Mauer. Von Westen zog ein Entsatzheer unter der Führung Herzog Heinrichs I. von Brabant (1175 – 1218), dem Schwiegervater Ottos von Braunschweig. Philipp wollte es auf keine Schlacht ankommen lassen und trat den Rückzug an ließ ihn den Rückzug an.
An der Nordgrenze des Reichs sorgte der dänische König für Unruhe. Im Sommer stand Knut VI. mit einem großen dänischen Heer an der Eider und schickte sich an ins Reich einzufallen. Otto von Braunschweig machte als König keine Anstalten der drohenden Gefahr entgegenzutreten, woraus vielleicht sogar eine gewisses Einvernehmen zwischen ihm und Knut erkennbar ist. Philipp von Schwaben konnte selbst nicht in den Norden eilen, so dass ein Heer seiner sächsischen Parteigänger, unter anderem Markgraf Otto II. von Brandenburg  und Erzbischof Hartwig II. von Bremen, stattdessen dem Dänenkönig entgegentraten. Bei Rendsburg lagen sich beide verfeindeten Gruppen lange gegenüber, nur durch die Eider getrennt. Keine der Seiten wagte den Flussübergang, und so blieb die Schlacht aus. Knut VI. zog am Ende unverrichteter Dinge wieder ab, ohne Reichsgebiet betreten zu haben aber auch ohne einen Friedensschluss. Otto von Braunschweig hatte vielleicht insgeheim darauf gehofft, dass sich beide Heere in einer Schlacht gegenseitig soweit schwächten, dass er entweder ein siegreiches aber stark dezimiertes Heer der Anhänger Philipps anschließend niederringen konnte oder, für den Fall dass diese dem dänischen König unterlagen, als Retter des Reichs gegen Knut auftreten konnte, indem er ihn wieder über die Grenze jagte. Dass eine Schlacht ausblieb, war für den Welfen die schlechteste Alternative, setzte ihn jetzt sogar der akuten Gefahr aus, von dem in Norddeutschland versammelten feindlichen Heer in seinen sächsischen Stammlanden angegriffen zu werden, wozu es 1199 allerdings nicht mehr kam, denn der heraufziehende Winter ließ auf beiden Seiten die kriegerischen Aktivitäten einschlafen.

Weihnachten verbrachte König Philipp in Magedburg, wo er einen großen, festlichen Hoftag abhielt. Erstaunlicherweise war der brandenburgische Markgraf, trotz der Nähe zu seinen Landen, nicht anwesend. Auch auf den nächsten Hoftagen im Januar 1200 in Hildesheim und Goslar, sehen wir ihn nicht unter den Anwesenden, zumindest taucht er in keiner einzigen ausgestellten Urkunde unter den Zeugen auf, ganz im Gegensatz zum verwandten askanischen Grafen Albrecht II. von Orlamünde, Urenkel Albrechts des Bären und Schwager des dänischen Königs. Er war zu Magdeburg anwesend, wie man anhand der Zeugenliste diverser Urkunden erkennt. In Hildesheim und Goslar war des Markgrafen Onkel, Herzog Bernhard von Sachsen unter den Zeugen. Es mag Zufall sein, doch offenbar steckte mehr hinter der Abwesenheit des brandenburgischen Fürsten. In der ersten Jahreshälfte 1200 finden wird überhaupt keine Zeugnisse über ihn, weswegen eine Bewertung der Ursachen spekulativ bleibt, doch kann man den Eindruck gewinnen – was die schon geäußerte Vermutung unterstreichen würde – dass das Verhältnis der brandenburgischen Askanier zu den Verwandten in Sachsen und Weimar-Orlamünde seit den Schenkungen an das Erzstift Magdeburg ernsthaft gestört war.

April 1200 vermochte der Erzbischof von Mainz auf Geheiß Papst Innozenz III. einen Waffenstillstand zwischen den Thronkontrahenten zu vereinbaren. Der sächsische Raum profitierte hiervon jedoch nicht. Pfalzgraf Heinrich, der älteste Bruder König Ottos von Braunschweig, fiel in das Hildesheimische ein und verwüstete es. August 1200 erfolgte die Gegenreaktion Philipps. Markgraf Otto II. ist unter den Fürsten, die mit dem Staufer vergebens die Stadt Braunschweig belagerten, wo Pfalzgraf Heinrich die Verteidigung leitete. Einige der Belagerer waren befreundet mit dem welfischen Pfalzgrafen bei Rhein und sollen während der Belagerung betont nachlässig gewesen sein. Zu dieser Gruppe schien auch der Markgraf gehört zu haben.


Die letzten Jahre Ottos II.

Spätestens in den Februar 1201 fällt ein bemerkenswerter Brief des Papstes an Otto II. von Brandenburg gerichtet. Er ist nicht exakt datiert und gibt nur den Hinweis auf das dritte Jahr im Pontifikat Innozenz III., womit das Schreiben zwischen dem 22. Februar 1200 und dem 21. Februar 1201 verfasst wurde. Auch wenn die Wahrnehmung über Otto aus der weiten und mitunter subjektiven Ferne des Heiligen Stuhls stammte, bleibt der Brief ein einmaliges Zeugnis. Er erlaubt einen Blick, wie die Zeitgenossen den Markgrafen erlebten.
Der Brief gliedert sich in vier Themenschwerpunkte:
Zunächst wird der Markgraf ermahnt seiner Gemahlin mit ehelicher Liebe zu begegnen. Weiter soll er die Geistlichen ehren und sich den Turniervergnügungen enthalten. Schließlich soll er mehr Augenmerk auf die christliche Erziehung  seiner slawischen Untertanen legen und die Fortsetzung ihrer heidnischen Gebräuche entschieden untersagen.
Gehen wir näher auf die einzelnen Punkte ein. Der mahnende Aufruf seiner Gattin, gemeint war die kinderlos gebliebene Adelheid (Ada) von Holland,  mit ehelicher Liebe zu begegnen, gibt weiten Raum zur Spekulation. War Otto ein Tyrann, der seinen Haushalt mit harter Hand führte? Da keine weiteren Hinweise existieren, kann die Annahme weder entkräftet, noch  untermauert werden, weswegen gilt, in dupio pro reo, im Zweifel für den Angeklagten. Kam der Markgraf seinen ehelichen Verpflichtungen nicht in der gebührenden Weise nach? Fast selbstverständlich gibt es auch in diese Richtung keinerlei Dokumente. Zieht man das Alter des Markgrafen heran, er war  mittlerweile Anfang 50, glauben wir, dass seine Frau wahrscheinlich um die 40 Jahre war, unwahrscheinlich, dass sie wesentlich jünger gewesen ist. Ob der amtierende Pontifex sich ernsthaft in das Liebesleben zweier Eheleute in fortgeschrittenem Alter eingemischt hätte, glaubt man an dieser Stelle ernsthaft bezweifeln zu dürfen. Kann es sein, dass er sie einfach grundsätzlich vernachlässigte, indem er sie sich selbst überließ, vielleicht aus der zur Gewissheit gewordenen Erkenntnis, dass sie ihm keine Kinder, keinen Erben mehr schenken konnte, woraus über die Jahre ein Groll in ihm entstanden ist? Ist in diesem Zusammenhang vielleicht sogar mit einem sittenlosen Leben des Markgrafen zu rechnen? Hielt er es mit der ehelichen Treue nicht mehr so genau? Ohne eindeutige Zeugnisse bleibt im Zweifel nur wieder ein Nein, wenigstens für den zweiten Teil. Sicher wäre die Formulierung des päpstlichen Schreibens anders, schärfer, vorwurfsvoller ausgefallen. Ein Vorwurf im Zusammenhang mit einer allgemeinen Vernachlässigung seiner Frau erscheint immerhin gut denkbar. Seit 1190 erleben wir den Markgrafen deutlich rühriger als zuvor. Mit dem Tod Friedrich Barbarossas gewinnt man den Eindruck, dass Otto II. erst jetzt die Motivation fand in Reichsangelegenheiten aktiv zu werden. Wir sehen ihn gehäuft an der Seite des neuen Königs und späteren Kaisers. Allein schon aus den damit verbundene Abwesenheiten könnte sich eine Veränderung im Verhältnis beider Eheleute entwickelt haben. Einen Hinweis der die These eines kritikwürdigen Lebenswandels vielleicht weiter unterstützt, zumindest noch mehr Licht auf den Charakter Ottos wirft, gibt der an ihn gerichtete Brief, wenn es dort heißt, dass er sich den Turniervergnügungen enthalten soll. Gemeint kann natürlich nicht die buchstäbliche  Teilnahme am mannhaften Kampf, am Geschicklichkeitsmessen im Umgang mit Pferd und Waffen, sein, wenn auch die Kirche diesem Veranstaltungen zunehmend kritisch gegenüberstand. Wahrscheinlicher sind stattdessen die Lustbarkeiten gemeint, die mit einem Turnier einhergingen. Übermäßiger Alkoholkonsum, Speisen, Spiele, auch Glücksspiele und wohl auch die Derbheit der von Wein und Bier gelockerten Zunge, mögen noch für einen Waffenknecht und das gemeine Volk angehen, nicht aber für einen Fürsten. In dem Zusammenhang mag auch die lokale Geistlichkeit den Landesherren manches Mal gerügt haben und vielleicht war die Reaktion des Markgrafen nicht von christlicher Demut und Reue, sondern von hochfahrender Art gewesen, woraus man die vom Papst niedergeschriebene Aufforderung ableiten könnte, dass er die Geistlichkeit ehren soll. Und kann man ausschließen, dass dieser Personenkreis Otto auch in Bezug auf das Verhältnis seiner Frau kritisierte? Ist es nicht nur zu wahrscheinlich, dass es Geistliche waren, die überwiegend Schreibkundigen der Zeit, die das ferne Rom auf diesen und all die weiteren Sachverhalte erst aufmerksam machten? Die kirchliche Kritik am Markgrafen in dieser Hinsicht lag sicherlich nicht am Mangel irdischer Zuwendungen für Klöster und Kirchen, gut ein Drittel aller Urkunden in denen er federführend zeichnete, zeigen ihn in der Rolle des großzügigen Pfründenspenders. Die Ermahnung muss schon in die vermutete Richtung gehen, dass Otto II. im persönlichen Umgang mit geistlichen Personen gelegentlich die Form vergaß, möglicherweise hochfahrend oder hochmütig war. Die Frage wer hier konkret in Frage kam, liegt auf der Hand, befriedigend beantwortet kann sie nicht werden. Bei einem Fürsten wie Otto II., der sich in den zurückliegenden Jahren besonders durch seine kriegerischen Erfolge gegen Dänemark ins Bewusstsein der Zeitgenossen geschoben hat, darf man berechtigterweise davon ausgehen, dass es Vertreter auf Ebene der Bischöfe, Pröpste oder sonstige Domherren waren und natürlich die Geistlichen am markgräflichen Hof. Kommen wir zum letzten Punkt aus dem Schreiben des Papstes. Der Punkt im Zusammenhang mit der Slawenmissionierung bzw. der unzureichenden Unterdrückung ihrer heidnischen Bräuche. Zu Beginn stellt sich die Frage nach dem Fokus. Spricht der Papst von den Gebieten die seit der Zeit Albrechts des Bären missioniert werden und wo die Bistümer Havelberg und Brandenburg, auch das Erzstift Magdeburg und nicht zuletzt die Klöster Leitzkau, Jerichow und Lehnin sehr aktiv waren? Vielleicht, auszuschliessen ist es wirklich nicht, jedoch müsste der Vorwurf dann auch in Richtung der Bischöfe und Klöster gehen und nicht alleine auf dem brandenburgischen Landesherren lasten, dessen primäre Verantwortung die Erschließung, Verteidigung und wirtschaftliche Hebung war und erst dann das Seelenheil seiner Untertanen, was in den Verantwortungsbereich der Kirche fiel. Wahrscheinlicher waren die Neuerwerbungen in der Ostprignitz, im Barnim und nördlichen Teltow sowie an den Rändern der Uckermark gemeint. Sehr wahrscheinlich unterwarf sich der Markgraf diese Gebiete, ließ die alten Strukturen und die heidnischen Bräuche aber weitestgehend bestehen, um sich keinen dauerhaften Herd verprellter, rebellischer Untertanen zu schaffen. Möglich, dass er es langsam, statt mit Feuereifer angehen wollte. Es sieht nicht danach aus, dass er Kolonisten in diese Regionen ziehen ließ, es zumindest nicht nachhaltig förderte. Augenscheinlich war der langfristige Besitz noch zu unsicher und die brandenburgischen Grenzen im Osten und Norden veränderlich. Vor dem Hintergrund immer wieder aufflammender kriegerischer Aktivitäten, traten die Belange des Landesausbaus und die Unterdrückung alter Bräuche unter den Slawen beim Markgrafen in den Hintergrund.

Wagt man eine Wertigkeit der vier Themenkomplexe, könnte der erste Kritikpunkt nur als einleitender Aufhänger gedacht sein und schon Punkt zwei, die vermeintlich fehlende Hochachtung vor der Geistlichkeit, so kurz er erscheint, eigentlicher und zentraler Kritikpunkt darstellen, während nachfolgende Punkte wieder den Charakter von Beiwerk haben. Ermahnungen, wie sie in gleicher Weise vielen der Zeitgenossen gemacht werden konnten. Das Selbstverständnis des Papstes legte größtes Augenmerk auf die übergeordnete Stellung der Geistlichkeit gegenüber dem Adel. Schon als Kardinaldiakon betonte er in seinem 1194 verfassten Werk De miseria conditionis humanae den Vorrang des Klerus vor allen anderen Ständen. Der Papst war seinen Ausführungen nach jenseits aller Menschen, zwischen Gott und allen irdischen Dingen, in der Mitte thronend. Daraus folgte, dass der Inhaber des Heiligen Stuhls über dem Kaiser stand. Ließ sich das römisch-deutsche Kaisertum davon vorläufig unbeeindruckt, erkannten einige europäische Königreiche den Papst sehr wohl als ihren obersten Lehnsherren an, so Portugal, Aragon, das Zarenreich Bulgarien, Sizilien und England.

Der Konflikt mit dem Reich, der im Wormser Konkordat von 1122 nur der Form halber beigelegt wurde, brach unter Friedrich I. Barbarossa wieder offen aus. In Fragen des Anspruchs nach Universalmacht wurde der Name der Staufer auf dem Höhepunkt der Auseinandersetzungen zum regelrechten Gegenbegriff des Papsttums. Philipps Chancen als Abkömmling dieser Dynastie päpstliche Anerkennung zu finden, wurden zunehmend geringer. Am 3. Juli 1201 verkündete der päpstliche Legat, Kardinalbischof Guido von Palestrina, in Köln, einem der Zentren des Widerstands gegen Philipp von Schwaben, dass der Papst Otto IV. als römisch-deutschen König anerkenne. Gleichzeitig wurden alle seine Gegner exkommuniziert. Der Staufer hatte das Rennen um die päpstliche Anerkennung verloren. Seine Aussichten standen von Beginn an schlecht. Wahrscheinlich hätte nur ein frühzeitiger Romzug die Dinge zu seinen Gunsten beeinflusst. Die Dinge standen nach seiner Wahl, an der Wende zum dreizehnten Jahrhundert aber so ungünstig, dass er nicht für längere Zeit nach Italien ziehen konnte, nicht bevor die Kronansprüche Ottos von Braunschweig neutralisiert waren. Seine Anhänger blieben ihm trotz der Entscheidung des Papstes treu, vielleicht sogar gerade deswegen. Durch den kollektiven Ausschluss wurden sie regelrecht an ihren König geschmiedet. Als Antwort schrieben 30 hohe geistliche und weltliche Reichsfürsten eine Protestnote an den Papst, worin sie sich gegen die Einmischung des Legaten Guido in ihre Wahlrecht aufs schärfste verwahrten. Eine Gesandtschaft unter der Leitung des Erzbischofs Eberhard von Salzburg brachte Mitte März 1202 das Dokument, das seit September 1201 unter den Anhängern Philipps kreiste, nach Rom.

Im weiteren Verlauf des Jahres 1202 lesen wir vom Markgrafen nur einmal. In Osterhausen, östlich von Sangerhausen beurkundet er am 21. Juli zugunsten des Doms in Stendal eine Schenkung. Weiter sind über Otto II. in diesem Jahr keine erhaltenen Dokumente zu finden. Der Thronstreit zog sich zwischenzeitlich seit vier Jahren hin, ohne dass sich eine Entscheidung abzuzeichnete. Philipp von Schwaben hatte unter den Fürsten des Reichs eine gewisses Übergewicht, während hinter seinem Kontrahenten Otto von Braunschweig nicht nur der Papst, sondern auch die rheinischen Erzbischöfe von Mainz und Köln standen. 1203 ereignete sich eine drastische Wende in der vorherrschenden Pattsituation. Hermann I. (um 1155 – 1217), Landgraf von Thüringen, wechselte die Seiten, kehrte den Staufern den Rücken und wandte sich König Otto zu, der ihm als Lockmittel territoriale Zugeständnisse machte. Gleichzeitig fiel in Böhmen Ottokar I. (1155 – 1230), der von Philipp im September 1198 zum erblichen König erhoben wurde, von dessen Seite ab und trat zu Otto über. Eine gefährliche Gewichtsverlagerung die Philipp von Schwaben erkannte und augenblicklich Gegenmaßnahmen ergriff indem er einen Feldzug nach Thüringen unternahm. Das Land wurde während des Sommers schwer heimgesucht, von Freund wie Feind. Die eigentlich mit dem untreuen Landgrafen verbündeten böhmischen Streitkräfte wütete in Thüringen als ob es Feindesland wäre, stellten sich aber keiner Schlacht. Auch Philipp lag mehr daran durch Schädigung der Ländereien eine Entscheidung herbeizuführen, als durch das ausfechten einen Feldschlacht. Das Heer war in mehrere Abteilungen verteilt im Gebiet zugange, darunter auch Markgraf Otto II. von Brandenburg, der im Hochsommer 1203 von einer Übermacht in Halle eingeschlossen wurde. Die Magdeburger Schöppenchronik erwähnt ihn als den Anführer der städtischen Verteidigung. Laut der Chronik soll er mit rund 300 Rittern erfolgreich der Belagerung standgehalten haben. Auch Philipp musste sich gelegentlich auf feste Plätze zurückziehen, so im Juli nach Erfurt, um sich vor einer Übermacht zu schützen. 30 Tage dauerte die Belagerung, bevor sie abgebrochen wurde. Dauerhaft ging dem Landgrafen aber die Luft aus, vor allem als sich sein Verbündeter nach Böhmen zurückzog. Der Landgraf musste sich unterwerfen und auch Böhmen unterwarf sich 1204 wieder.
Während sich die gefährliche Situation in Thüringen und Böhmen für die Stauferpartei glücklich wendete und so der Status quo ante von 1202 wieder hergestellt war, hatte sich jenseits der Reichsgrenzen in Dänemark ein Thronwechsel vollzogen. Knut VI. starb 1202 und Waldemar II., sein jüngerer Bruder, übernahm die Regentschaft. Schon 1201 nutzten die beiden Brüder die innere Lähmung des Reichs und schlugen in der Schlacht von Stellau den Grafen Adolf III. von Schauenburg-Holstein, den alten Verbündeten des Markgrafen von Brandenburg. Adolf III. musste nach Hamburg fliehen, wo er von Waldemar eingeschlossen und letztendlich gefangen genommen wurde. 1203 verzichtete Adolf auf die Grafschaft Holstein, die an Dänemark fiel, als Preis für seine Freiheit. Mit Holstein fiel Hamburg und Lübeck an Dänemark. Beide Städte, die hundert Jahre später dominierende Seestädte wurden, waren damals noch klein und nur Lübeck hatte bereits einen gewissen Einfluss auf den Handel im nordischen Raum. Der Verlust hatte noch nicht das Gewicht, den er in späteren Zeiten hätte, weswegen der Sache seitens des Reichs noch verhältnismäßig wenig Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Viel bedeutsamer war der dänische Vorstoß weiter nach Süden, in das Lauenburgische, das 1180 an den neuen Herzog von Sachsen ging, an den Askanier Bernhard, Onkel Markgrafs Otto II. von Brandenburg. Otto schien nichts dagegen unternommen zu haben und unterstützte den Onkel und seine beiden Söhne nicht. Ein Indiz mehr, dass zwischen beiden Zweigen ein tiefer Riss entstanden war.
Um den Markgrafen bleibt es nach der Verteidigung von Halle dunkel hinsichtlich weiterer Aktivitäten im Zusammenhang des Thronstreits. Alle Spuren, so spärlich sie wieder sind, kreisen um Schenkungen oder Bestätigungen von Pfründen für Kirchen oder Klöster Brandenburgs.

Das Jahr 1204 brachte für Philipp von Schwaben ein zunehmendes, bald deutliches Übergewicht im Reich.  Ein im Frühjahr durchgeführter Feldzug in die von Otto von Braunschweig kontrollierten Gegenden Sachsens, namentlich nach Goslar, schwächte den Gegenkönig weiter. Zwischenzeitlich war Ottos älterer Bruder, Pfalzgraf Heinrich in das Lager der Stauferpartei gewechselt. Er hatte sich zuvor mit Otto wegen des Braunschweiger Erbes überworfen, während Philipp gleichzeitig mit der Einziehung der Pfalzgrafschaft drohte, sollte Heinrich ihm weiterhin die Stirn bieten. Im Herbst 1204 erfolgte die schon erwähnte Unterwerfung des thüringischen Landgrafen, bald darauf folgte König Ottokar von Böhmen. Die Position Ottos von Braunschweig begann unhaltbar zu werden. Mehr und mehr isoliert, blieb ihm immer weniger Handlungsspielraum, wodurch sein Prestige bei den verbliebenen Parteigängern erodierte. Mit dem Kippen des Erzbischofs Adolf von Köln und des Herzogs von Brabant, gingen im November 1204 die beiden wichtigsten verbliebenen Fürsten ins Lager Philipps über.
Am 6. Januar 1205 ließ sich Philipp in Aachen ein zweites Mal zum König wählen. Es handelte sich um eine symbolische Handlung, damit das Wahlrecht der niederrheinischen Fürsten gewahrt blieb. Am gleichen Tag folgte die Krönung, bei der auch seine Gattin, Irene von Byzanz (um 1180 – 1208) gekrönt wurde.


Tod Ottos und Nachwort

Am 4. Juli 1205 starb Otto II. und wurde, wie schon der Vater, im Kloster Lehnin beigesetzt. Ottos Ehe blieb kinderlos, die Nachfolge war für diesen Fall seit löngerem geregelt. Sein Halbbruder Albrecht trat als Albrecht II. die Nachfolge als Markgraf von Brandenburg an. Adelheid oder Ada, des verstorbenen Landesherren Witwe, verließ noch im gleichen Jahr die Mark und kehrte in ihre Heimat zurück, vermutlich ohne Brandenburg noch einmal wiederzusehen. Außer einer im Todesjahr ihres Mannes in Holland ausgestellten Urkunde, in der ihre Brüder als Zeugen aufgeführt sind, verliert sich die Spur von ihr völlig. Sie schien keine tiefen Wurzeln in Brandenburg gefasst zu haben, ohne Kinder gab es für sie augenscheinlich keinen Grund zu bleiben. Ihre Ehe war nicht immer glücklich, was wir aus dem zitierten Brief von Papst Innozenz III. ableiten können. Ein versuchter Mordanschlag durch einen brandenburgischen Ritter bei Schönwalde dürfte einen Argwohn gegen Land und Leute noch genährt haben. Dieser rätselhafte Attentatsversuch wirft allerlei Fragen auf. Alleine der Ort des Verbrechens ist unbestimmt, es könnte sich sowohl um Schönwalde in der Altmark, südlich von Stendal handeln, wie auch um Schönwalde nördlich von Spandau. Der Name des gefassten und vom Markgrafen hingerichteten Ritters ist nicht überliefert, auch das Datum des Vorfalls ist bislang  unbekannt.

In Ottos Regierungszeit wurde die Mark nach Norden gegen Pommern und Dänemark abgesichert und dortige Erwerbungen, sowohl jene die schon unter Otto I. getätigt wurden, als auch eigene, nachhaltig gefestigt. Nach Osten erweitertet er die Mark um die ersten Teile der Landschaften Barnim, Teltow, dem Ruppiner Land und der Uckermark. In den bereits davor erworbenen Gebieten der Prignitz und des Havellands wurde die deutsche Besiedlung weiter vorangetrieben. Der Zuzug von Siedlern erlebte seinen Höhepunkt im ausgehenden 12. Jahrhundert und die Mark gewann an Ausdehnung und innerer Festigkeit hinzu. Die Neuerwerbungen sind wegen der unsicheren Ausgangslage im Kampf gegen Dänemark sehr wahrscheinlich noch nicht erschlossen worden und waren demnach mehr tribut- und heerespflichtige Landesteile, unter halbautonomer Führung der alten, slawischen Stammestrukturen. Pommern fiel nach Ottos erfolgreichen Winterfeldzug gegen Dänemark und dessen pommerschen Vasallen, auf Geheiß König Philipps von Schwaben formell als Lehn an Brandenburg, wenngleich die Ausübung der Lehnshoheit nicht ausgeübt werden konnte.
Der ihm von den Chronisten gegebene Namenszusatz der Freigiebige ist auf die bis heute nicht verstandene Überschreibung des Allodialbesitz der Familie an das Erzbistum Magdeburg zurückzuführen, wie auch auf zahlreiche Schenkungen und Übereignungen an die Kirche in Brandenburg. Er blieb nach dem Tod Kaiser Barbarossas der Partei der Staufer verhaftet und beteiligte sich seither aktiv in der Reichspolitik. Er war ein äußerst erfolgreicher Kriegsmann, was er wiederholt gegen Dänemark aber auch im Deutschen Thronstreit an der Seite Philipps von Schwaben unter Beweis stellte. Im Gegensatz zu seinem Vater, der nahezu alle Aufmerksamkeit dem Landesausbau schenkte, betrieb Otto II. eine vielleicht nicht unbedingt gezielte aber erfolgreiche Erweiterungspolitik nach Osten. Der hieraus entstandene Krieg gegen Dänemark führte zur erwähnten Lehnshoheit über Pommern. Aus einem Brief des Papstes kann man den Hinweis entnehmen, dass der Markgraf den Freuden des Lebens offenbar nicht abgeneigt war. Wenn er wohl auch sonst ein gottesgläubiger Fürst gewesen ist, war sein Verhältnis zum Klerus zeitweise getrübt. Er führte als Pilger eine Reise ins Heilige Land. Das Datum ist nicht bekannt, wird aber sehr wahrscheinlich nach dem Kreuzzug Heinrichs VI. gewesen sein. Der Spätsommer 1202, nachdem sein Halbbruder wieder aus Palästina heimgekehrt war oder ab dem Herbst 1203 würden sich als zeitlicher Rahmen anbieten, da wir hier wieder längere Lücken im Itinerar Ottos feststellen können. Trotz der Kriege gegen Dänemark und Pommern und dem Bürgerkrieg anlässlich des langen Thronstreits zwischen Philipp von Schwaben und Otto von Braunschweig, wurde Brandenburg von Kriegsverwüstungen nach bisherigen Erkenntnissen verschont. Die Regierungszeit Ottos II. war für die Mark Brandenburg eine Zeit der weiteren Landeshebung wie auch der Expansion. Als Erzkämmerer des Reiches wurde er bestätigt, wenn hierzu auch nur ein Zeugnis gleich zu Beginn seiner Regierungszeit existiert, wo die explizite Ausübung dieses Amtes erwähnt wird. Zu den verwandten Zweigen in Sachsen und Orlamünde muss nach dem Tod Graf Heinrichs von Gardelegen eine Rivalität entstanden  sein. Es ist auffallend, dass seit den Übertragungen des askanisch-brandenburgischen Familienbesitzes  zugunsten des Erzstifts Magdeburg, der Markgrafen nicht mehr im gemeinsam mit seinem Onkel, Herzog Bernhard von Sachsen oder mit Graf Siegfried von Orlamünde auf Hoftagen gesehen wurde, zumindest tauchen die Namen seither nicht mehr gemeinsam in Urkunden auf.


Buch 1, Kapitel IV: Das Reich und seine Anfänge

 


Siegel Kaiser Ottos I.
Foto: Landeshauptarchiv Magdeburg

Der wiederholt benutzte Begriff vom Reich bedarf der Erörterung. Was hat es mit diesem Reich auf sich?
Das berüchtigte Dritte Reich ist hinlänglich bekannt und auch das von Bismarck geschaffene Kaiserreich unter  der Vorherrschaft Preußens, das als kleindeutscher Bundesstaat ohne Deutschösterreich erst sehr spät entstand. Beide Reiche, ob sie den Namen verdienen, sei dahingestellt, können zeitlich exakt eingegrenzt werden. Hinsichtlich des ersten, des gerne so genannten Alten Reichs, fällt die Bestimmung einer Geburtsstunde weniger leicht. Es entstand nicht durch staatsstreichartige Aushebelung aller demokratischen Gewalten, wie das Dritte Reich. Es wurde auch nicht proklamiert, wie das zweite Kaiserreich, das auf dem Höhepunkt einer Siegesserie gegen Frankreich eine Einheitseuphorie im deutschen Volk auslöste, die selbst die widerspenstigen Fürsten Deutschlands zur Geschlossenheit mahnte. Das erste, das Alte Reich war anderes, es entstand auf andere Weise und es hatte ein völlig anderes Wesen. Mit Bestimmtheit kennen wir den Tag seines Endes, den 6. August 1806. An diesem Tag legte der Habsburger Franz II. auf Druck Napoleons als letzter römisch-deutscher Kaiser die Reichskrone nieder. Je nach zeitlicher Einordnung, endeten damit mehr als tausend Jahre Reichsgeschichte. Aber wo, wie und wann nahm es seinen Anfang, woher seine Legitimation, was war Zweck seiner Existenz, wer waren seine Glieder und was blieb von ihm übrig?


Die Anfänge

Die Debatte um den Beginn des Alten Reichs ist selbst heute noch lebendig.  Lange hatte dieses Reich nicht einmal einen zuverlässigen Eigennamen,  verbreitete, heute verwendete Bezeichnungen, sind im Lauf der Geschichte nachträglich geschaffene Hilfsmittel, um einzelne Zeitabschnitte einzuordnen. Erst seit der zweiten Hälfte des zwölften Jahrhunderts etablierte sich so etwas wie ein erster Eigenname, das Sacrum Imperium. Zwei Generationen später gefolgt vom Sacrum Imperium Romanorum, dem Heiligen Römischen Reich. Zu diesem Zeitpunkt existierte jenes Reich oder man sollte es präzisieren, das Reichsgebilde, woraus es sich entwickelte, seit hunderten von Jahren und erlebte unter dem Staufer Friedrich II. einen seiner Höhepunkte. Nach Aussterben jener schwäbischen Herrscherdynastie, ereilte das Reich ein unruhiger Dornröschenschlaf, während überall an den Grenzen neue und mächtige Machtblöcke und sogar schon erste frühe Nationalstaaten entstanden. Die unmittelbare Phase nach dem Ende der Staufer wird das Interregnum genannt. Richtig ist die Bezeichnung nicht, denn königlos war die Zeit nicht, und doch war sie quasi führungslos, denn keiner der gewählten Könige konnte sich nachhaltig durchsetzten und Autorität entwickeln. Es war eine Zeit teilweiser Anarchie und weiter wachsender Autonomisierung der Territorialstaaten und Stadtrepubliken.

Wandern wir in der Zeit zurück. Das Ende der Salier haben wir in Kapitel I beleuchtet. Kaiser Heinrich V. war letzter Spross dieses rheinfränkischen Herrscherhauses, das mit Konrad II. 1024 begann. Wenn wir in Gedanken noch weiter in die Vergangenheit wandern, denn die Salier bildeten nicht den Anfang, stoßen wir unmittelbar auf die Ottonen, das große sächsische Geschlecht der Liudolfinger. Lassen wir die ottonische Seitenlinie Heinrichs II. dabei außer Acht, nicht weil er eine uninteressante Persönlichkeit wäre, das Gegenteil ist der Fall, es führte aber zu weit. Konzentrieren wir uns stattdessen auf die vier königlichen Hauptpersonen der Ottonen. Von hinten nach vorne aufgezählt, wären dies Otto III., Otto II., Otto I. und zuletzt, bzw. zuerst, Heinrich, genauer Heinrich I., um ihn von den vielen salischen Heinrichs späterer Zeit unterscheiden zu können. Heinrich und Otto sind zwei sehr prägnante Personen, denen man durchaus die Urheberschaft des Reichs nachsagen könnte. War es nun Otto, der nach seinem fulminanten Sieg über die Ungarn auf dem Lechfeld bei Augsburg im August 955, nach Jahren innerer Konflikte, die großen Stammesherzöge endgültig hinter sich brachte? Oder war es doch schon sein Vater Heinrich, im Volksmund der Vogler genannt, weil man ihm der Sage nach die Nachricht seiner Wahl überbrachte, als er beim Vogelfang war? Ohne den geringsten Zweifel hatte auch Heinrich viel geleistet und die Frage ob er der Reichsstifter war, ist  berechtigt. Wäre nur zu beantworten, ob nun Vater oder Sohn Reichsstifter war, könnte man sich nach Abwägung aller Für und Wider entscheiden, doch so einfach macht es uns die Reichsgeschichte nicht. Es bleibt nicht bei diesen beiden und auch nicht bei den Ottonen als Dynastie. Noch ein weiterer, früherer Kandidat kommt 911 ins Spiel. Mit Konrad I. wird zwar erneut ein Franke, aber zum ersten Mal ein Vertreter, der nicht aus dem Geschlecht der Karolinger stammt, zum König gewählt. Die national gestimmten Geschichtsschreiber des 19. Jahrhunderts tun sich schwer diesem wenig illustren, wenig spektakulären Fürsten die Ehre der Reichsgründung zu überlassen. Er machte sich keinen Namen durch große Siege und überhaupt regierte er nicht lange, bevor er die Augen schloss. Trotzdem war seine Wahl ein Paradigmenwechsel, und von dieser Warte betrachtet, kann man ihn nicht einfach unberücksichtigt lassen, nur weil ihm Glorie fehlte. Seine Wahl bildete einen wichtigen Meilenstein in der Gesamtgeschichte des Reichs. Wir kommen auf ihn zurück und gehen, wenn schon der Name gefallen ist, auf die Karolinger und auch auf deren Vorgänger, auf die Merowinger ein. Sind wir jetzt endlich bei den Urhebern des Reichs, bei den Anfängen angekommen? Wir werden sehen. Wir müssen zunächst in die Endphase der Spätantike. Die über sehr lange Zeit dominierende römische Weltmacht hatte sich in zahllosen inneren und äußeren Konflikten im fünften Jahrhundert endgültig erschöpft und krümmte sich ein letztes Mal im Todeskampf. Wilde und kriegerische Völker aus dem Osten und Norden brachen überall in die Provinzen des römischen Reichs ein, ohne dass sie wieder vertrieben werden konnten. Es war der Auftakt einer völligen Neuordnung Europas.


Merowinger, Karolinger & das Reich der Franken

Die Geschlechter der Merowinger und Karolinger spielten eine wesentliche Rolle, wenn es darum ging, weiten Teilen Mittel- und Westeuropas jenes Gesicht zu verleihen, das selbst heute noch unter den Schichten der Zeit zu erkennen ist. Während das Siechtums des spätantiken Roms im Verlauf des fünften Jahrhunderts in Agonie überging, drängten ansässige, oft genug von den Römern zuvor als Hilfsvölker gerufene germanische Stämme in das entstehende Machtvakuum und übernahmen die regionale Kontrolle ganzer Provinzen. Stämme wie die Ostgoten unter Theoderich dem Großen, die Westgoten unter Alarich, die Vandalen unter Ermanarich und Geiserich, und mehr, gaben dem sterbenden weströmischen Reich nicht nur den Todesstoß, sie traten gleichzeitig zeitweise oder dauerhaft die Nachfolge als Kleinkönige an. Es wäre spannend und buchfüllend die Geschichte der germanischen Stämme tiefer zu beleuchten, doch  muss davon Abstand genommen werden, um den Umfang nicht ins Uferlose zu treiben. Mit der Zeit wuchsen viele der zahlreichem Ursippen zu größeren Verbänden, schließlich zu Großstämmen zusammen, darunter die Franken, deren Siedlungsgebiete sich entlang des Niederrheins nach Westen über das heutige Belgien bis nach Frankreich, an die Seinelinie heran und darüber hinaus erstreckten. Im Osten expandierten sie auf dem Höhepunkt entlang des Mains bis ins heute noch nach ihnen benannte Franken, das die östlichste Siedlungsausdehnung darstellte. Die Germanen kannten kein ethnisch- schon gar kein nationales Zusammengehörigkeitsgefühl, sie waren sich untereinander die meiste Zeit selbst die größten Feinde. Im Kampf gegen oder mit Rom, mit dem man wahlweise verbündet oder verfeindet war, oder gegen die gefürchteten Hunnen, verbündete man sich, wie 451 auf den katalaunischen Feldern bei Troyes, in der heutigen Champagne. Vollständigerweise muss man erwähnen, dass auf der Seite der Hunnen, unter ihrem Führer Attila, ebenso germanische Stämme kämpften, darunter vor allem Ostgoten. Bleiben wir aber bei den Franken. Trotz des Siegs über die Hunnen, erholte sich das weströmische Reich nicht mehr. Zu Tode erschöpft, wurde es überall Beute regionaler Kriegerfürsten. Alle Strukturen an der Peripherie begann zu kollabieren. Die ehemaligen foederati, die germanischen Verbündeten, erstritten sich in ihren von Rom einst zugewiesenen Siedlungsräumen Autonomie, blieben dabei aber in der Mehrheit weiterhin unstet und gaben ihre Wanderungen lange nicht auf, bis auf die Franken und Friesen, die eine verhältnismäßige Stetigkeit und örtliche Beständigkeit bewiesen, was gerade bei den Franken eine mögliche Erklärung ihres baldigen Aufstiegs sein könnte.

Der salfränkische Kleinkönig Chlodwig I. einte im letzten Viertel des fünften Jahrhunderts die Franken und inkorporierte weitere germanische Stämme zum ersten fränkischen Großkönigtum. Eine freiwillige Einheit war es keinesfalls. Kriegerisch unterwarf Chlodwig die rheinfränkischen Stämme und beseitigte alle Kontrahenten, indem er sie kaltblütig und mit großer Heimtücke ermorden ließ. Er entstammte dem Geschlecht der Merowinger, sein Vater war Childerich I. († 481), der die Ausgangsbasis für den späteren Aufstieg des Sohnes schuf, indem er die erlahmende römische Macht dazu nutzte, sich ein selbstständiges Herrschaftsgebiet zu schaffen. Auf den Großvater Merowech (†458) berief sich das Geschlecht der Merowinger namentlich. Chlodwig konnte durch seinen Sieg über die Alamanen bei Zülpich, westlich von Köln, im Jahre 496, und ein weiteres Mal 506, seinen Machtbereich entlang des linken, mittleren Oberrheins bis ins heutige Elsass ausbauen. Um das Jahr 500 nahm er den christlichen Glauben an. Ein denkwürdiger Schritt, so die Analen. Um die Motivation seiner Christianisierung ranken sich einige Mythen. Die weniger sagenumwogene Realität dürfte wohl doch recht rationalen Beweggründen gefolgt sein. Die Franken machten im von ihnen unterworfenen galloromanischen Raum kaum 10 % der Gesamtbevölkerung aus. Sie bildeten dabei nicht nur zahlenmäßig die Minderheit, sie waren durch ihren heidnischen Glauben auch in religiösem Sinne ein Fremdkörper unter den christianisierten keltischen Galliern und den ebenfalls christlichen Nachfahren der Römer. Chlodwig, mit ihm die herrschende fränkische Oberschicht, benötigte die römische Staatskirche, die den Zusammenbruch Westroms überdauert hatte, um die Bevölkerung in diesen weiten Räumen langfristig beherrschen und steuern zu können, womit Chlodwigs Übertritt zum christlichen Glauben eine rein pragmatische Entscheidung war. Er schwankte dabei zwischen der Dogmenauslegung des Arius, wie sie von Goten, Langobarden und Vandalen ausgeübt wurde, und dem Dogma der römischen Kirche, wobei dies eine stark vereinfachte Sichtweise ist, an der Stelle aber genügen muss. Seine burgundische Frau Chrodechild war lange schon Christin und auch die beiden ersten Söhne waren getauft. Der Übertritt stellte damit für ihn keine wirklich große Hürde dar. Mit dem Tod Chlodwigs I. im Jahre 511, vermachte er das damalige Frankenreich an vier Söhne aus zwei Ehen. In den Folgegenerationen zerfiel es in Einzelreiche, fand wieder zusammen, nur um erneut in Teilreiche zu zerfallen. In dieser Zeit des schleichenden Niedergangs königlicher Autorität, gewann eine beaondere Klasse von Hofbeamten, sogenannte Hausmeier, zunehmend Einfluss und übernahmen – ursprünglich nur adlige Verwalter des königlichen Haushalts – mehr und mehr Verantwortung, bis sie schließlich die tonangebenden Funktionäre am Hof wurden und schlussendlich königsgleiche Macht ausübten. Sowohl bei den Franken, wie bei den Burgunden, waren Hausmeier für verschiedene Verwaltungsbereiche gängig, die Ämter bald hart umkämpft und schließlich erblich geworden. Ein gewisser Karl Martell (um 690 – 741), auch bekannt als Karl der Hammer, er wurde zum Namensgeber der Karolinger, erlangte von allen Hausmeiern die bislang größte Macht. Sie stellte ihn neben den König und de facto darüber. König Childerich II. versuchte wiederholt diese Machtstellung zu brechen, wurde aber bei Soissons im Herbst 718 oder 719, die Quellen sind hier nicht eindeutig, endgültig geschlagen. Karl hatte im Februar 718 mit Chlothar IV. einen ihm gefälligen Merowinger als Marioettenkönig installiert, was die Missachtung des amtierenden Königs ausdrückte. Nach Childerichs Tod 721 hob er mit Theuderich IV. eine weitere Marionette auf den Thron der Franken. Karls Sohn Pippin (714 – 768), genannt der Jüngere, machte der ganzen Farce 751 ein Ende und erhob sich selbst zum König aller Franken. Er machte sich nicht einmal mehr die Mühe den letzten merowingischen König Childerich III. beiseite zu schaffen, das heißt ermorden zu lassen, sondern verfrachtete ihn samt dessen Sohn ins Kloster Prüm. Pippin hegte enge Bindung zum römischen Bischof, dessen Stellung als Papst unter den Mitbischöfen noch nicht unumstritten war. Er wollte den Frankenkönig im Kampf gegen die Langobarden für sich gewinnen. Die Langobarden, ein weiterer germanischer Stamm, der sich nach langer Odyssee in Oberitalien festgesetzt hatte und der Lombardei ihren Namen gab, setzten dem Papst und dem entstehenden Kirchenstaat schwer zu. Als römischer Bischof zwar bereits mächtig aber noch nicht mit jener selbstverständlichen Universalmacht ausgestattet, wie in späteren Zeiten, glaubte er Pippin dadurch zu gewinnen, dass er ihm die Krone der Franken anbot, um damit dessen Usurpation zu legitimieren. Pippin war es offen gesagt reichlich egal, ob sein Staatsstreich irgendeine Legitimation hatte, er besaß die Mittel und die Macht dazu und des Papstes Motive durchschaute er ohnehin. Dass er gegen die Langobarden vorging, lief seinen eigenen Absichten im Grunde zuwider. Er glaubte sie noch zu benötigen, denn im Südwesten seines Reichs, kaum noch von den Pyrenäen ferngehalten, waren die Glaubensanhänger Mohammeds auf dem Vormarsch. Es war eine sich seit der ersten Hälfte des siebten Jahrhunderts rasch ausbreitende, neue monotheistische Glaubensrichtung, die in kürzester Zeit millionenfache Anhängerschaft fand. Fast das ganze ehemalige iberische Reich der Westgoten war unter ihren Einfluss geraten, Nordafrika und der Orient ohnehin. In Kleinasien konnte das  oströmische Kaiserreich und die Ostkirche dem Ansturm bislang standhalten, doch schon setzten die ersten Fremdgläubigen nach Sizilien über und machten sich auch dort heimisch.
Wir wollen die Erwägungen Pippins III. des Jüngeren nicht weiter darlegen und gehen weiter zu seinem ältesten Sohn Karl.

Die Eiserne Krone der Langobarten

Als Karl der Große wird er das Frankenreich zum europäischen Großreich ausbauen. Ostwärts des Rheins unterwarf er die Thüringer, Friesen, Bayern, Schwaben und nach langen, äußerst verlustreichen Kämpfen, selbst die Sachsen. Die Sachsen hingen wie die Friesen noch dem alten Glauben an die nordischen Götterwelt nach und wurden gegen Abschluss der Unterwerfungsphasen von den Franken mit brutaler Gewalt zum christlichen Glauben bekehrt. Auch in Oberitalien intervenierte Karl, besiegte die Langobarden und setzte sich als ihr König die Eiserne Krone auf. Am Weihnachtstage 800 salbte und krönte ihn schließlich Papst Leo III. (um 750 – 816) in Rom zum ersten westeuropäischen Kaiser seit der Antike.
Karls Krönung darf als der frühste aller in Frage kommenden Anfänge jenes Reichsbegriffs betrachtet werden, den wir zu erörtern suchen. Sein universeller Machtanspruch war ein prägnantestes Merkmal, das seinem wie den danach kommenden Reichen inhärent war. Der Kaiser war nicht Primus inter pares, nicht Erster unter Gleichen, er stand über allen anderen, war weltlicher Herr der Herren, oberster aller christlichen Könige und zugleich Schutzmacht der Christenheit.

Ist der Beweis erbracht, dass das Reich Karls des Großen der Anfang des Reichs war, das noch 1000 Jahre später existierte oder war es nur einer seiner Bausteine, dabei vielleicht der Grundstein oder Eckpfeiler?


Zerfall des fränkischen Großreichs

Zersplitterung und Zerfall war den fränkischen Herrschern, Merowingern wie Karolingern, förmlich in die Wiege gelegt. Die salfränkische Praxis den Besitz an alle männlichen Nachkommen zu mehr oder weniger gleichen Teilen zu vermachen, führte nicht nur zu unvermeidlichen Aufspaltungen, es führte oft genug zu bitter ausgefochtene Erbfolgestreitigkeiten, bis hin zu langwierigen  Kriegen.
Mit dem Tod Karls des Großen am 28. Januar 814, blieb vorläufig eine Teilung des gewaltigen Reichs aus. Trotz seiner 806 vorgesehenen Devisio Regnorum, die eine Dreiteilung der Herrschaft nach seinem Ableben vorsah, kam es nicht dazu, denn zwei seiner drei Söhne starben noch vor ihm. Nur Ludwig, zu dem er am wenigsten Bezug und Zutrauen hatte, er trug den Beinamen der Fromme, überlebte als einziger Sohn. Seit dem 11. September 813, Karl fühlte dass seine Zeit bald kommen würde, war Ludwig Mitkaiser, wodurch die baldige Nachfolge ohne Schwierigkeiten verlief. Das Reich Karls blieb somit territorial und politisch ungeteilt, litt aber in weiten Teilen unter Korruption und schon unter Zerfallserscheinungen. Ludwig tat manches um gegenzusteuern. Er reformierte unter anderem das Prozessrecht, konnte jedoch keine dauerhafte Kehrtwende bewirken, zumal die eigenen Söhne die größten Probleme bereiteten . Schon 817 traf er in der Ordinatio imperii eine Regelung zur Reichsteilung unter den Söhnen. Neu an seiner Disposition war die Bildung eines Herrschaftsschwerpunkts zugunsten seines ältesten Sohns Lothar, der nicht nur die Kaiserkrone weiterführen, sondern auch nach außen das Primat über alle fränkischen Herrschaftsgebiete ausüben sollte, während die zwei jüngeren Brüder Pippin und Ludwig nur in ihren Teilkönigreichen innenpolitische Autonomie genossen. Sie durften weder eigene Kriege führen, noch Bündnisse schließen. Es folgten in den 830’er Jahren schwierige Zeiten für den gutmütigen Kaiser. Er wurde zweimal abgesetzt, 830 und 833, fand aber zweimal an die Spitze zurück. Stets waren wechselnde Koalitionen seiner Söhne daran beteiligt ihn entweder vom Thron zu stürzen oder wieder einzusetzen. Eine Ursache der familiären Konflikte war ein mittlerweile geborener vierter Sohn aus Ludwigs zweiter Ehe mit der Welfin Judith. Die ehrgeizige Mutter wollte für ihren Sohn auch ein Stück vom künftigen Erbe. Im Jahre 837 revidierte der Kaiser seine 817 getroffene Erbverordnung zugunsten jenes vierten Sohnes, der den Namen des berühmten Großvaters trug. Karl, man nannte ihn den Kahlen, war den Halbbrüdern ein Dorn im Auge aber auch untereinander legten sie ihren Argwohn und ihre Eifersucht nicht ab.

Kaiser Ludwig der Fromme verstarb 840 in Ingelheim, auf dem Rückweg von einem Straffeldzug gegen seinen gleichnamigen Sohn Ludwig den Deutschen, den er zuvor gegen sich aufgebracht hatte. Erwähnenswerte Randbemerkung, Ludwig der Deutsche war mit der Schwester seiner Stiefmutter verheiratet, die somit gleichzeitig seine Schwägerin wurde. Seine Frau Hemma war zugleich Schwiegertochter und Schwester von Kaiserin Judith.
Kaiser Ludwigs ursprünglicher Plan die politische Integrität des fränkischen Imperiums unter der Leitung seines ältesten Sohns Lothar zu erhalten, bei gleichzeitiger Wahrung gängiger Erbansprüche der nachgeborenen Söhne, scheiterte an mehreren Faktoren, wozu die 837 getroffene, übermäßige Bevorzugung seines jüngsten Sohns Karl gehörte, doch nicht nur daran. Der Einheitswille unter den nachgeborenen Söhnen war gering ausgeprägt, ihr Wunsch nach mehr Autonomie wurde nicht ausreichend berücksichtigt, was schon bei Lebzeiten des Vaters zu allerlei kriegerischen Auseinandersetzungen führte.

Reichsteilung gemäß dem
Vertrag von Verdun im Jahre 843

Die Konflikte reichten wie zu erwarten über den Tod Ludwigs hinaus und wurden erst mit dem Frieden von Verdun 843 für einige Zeit beigelegt. Es kam damals zur folgenreichen Dreiteilung des Frankenreichs. Es entstand ein westfränkisches Reich unter Karl dem Kahlen, ein ostfränkisches Reich unter Ludwig dem Deutschen und ein großes Mittelreich unter Kaiser Lothars Herrschaft.
Das Mittelreich zerfiel schon ein Jahrzehnt später durch neuerliche Erbteilungen. In der Prümer Reichsteilung vom 19. September 854 teilte der bereits todkranke Kaiser Lothar I. das Lotharii Regnum unter seinen drei Söhnen. Zehn Tage später verschied er im Kloster Prüm. Dem ältesten Sohn fiel als Ludwig II. (825 – 875) die Kaiserkrone und das Königreich Italien zu. Der zweitgeborene Lothar (835 – 869), fortan Lothar II., erhielt Lotharingien, aus dem später das Herzogtum Lothringen hervorging und die Gebiete bis an die Nordseeküste, des Weiteren die Region um Köln mit der wichtigen Kaiserpfalz Aachen, wo im Dom der Thron Karls des Großen stand und selbiger auch beigesetzt wurde. Der jüngste Sohn Karl (845 – 863) erhielt, damals noch unmündig und unter formeller Vormundschaft Ludwig II., die Provence und Burgund ohne die Bourgogne, die seit 843 zum westfränkischen Reich seines gleichnamigen Onkels Karl dem Kahlen gehörte. Karl von der Provence, wie er zur besseren Unterscheidung genannt wird, war wahrscheinlich zeitlebens kränklich. Gegen Ende seines kurzen Lebens litt er nachweislich an Epilepsie. 863, zwanzig Jahre nach dem Vertrag von Verdun, starb Karl ohne einen Erben zu hinterlassen und seine Brüder Ludwig II. und Lothar II. teilten sich seine Ländereien.


Expansion des West- & Ostfrankenreichs

Unter Ludwig II. zerfiel die kaiserliche Autorität weiter und verkam zur reinen Titulatur. Auf die fränkischen Teilkönigreiche seiner Onkel im Westen und Osten hatte er keinerlei Einfluss mehr.
Im Jahre 869 verstarb auch des Kaisers zweiter Bruder Lothar II. ohne eigenen Erben. Für Kaiser Ludwig II. wäre es die Gelegenheit gewesen das alte Mittelreich des Vaters wieder zu vereinen, doch er verzichtete auf Inanspruchnahme des brüderlichen Erbes. Stattdessen eigneten sich die Onkel, der westfränkische König Karl der Kahle und der ostfränkische König Ludwig der Deutsche die Ländereien nach einem bereits 867 vereinbarten Modus an.

Vertrag von Meerseen 870

Am 8. August 870 wurden die Annexionen im Vertrag zu Meerssen beurkundet. Burgund, sowie die westlichen Teile Lotharingiens fielen an das Westfrankenreich Karls des Kahlen. Friesland, Holland, der östliche Rest Lotharingiens, das Elsass und das Gebiet Köln-Aachen mit dem Thron Karls des Großen, fiel an Ludwig den Deutschen und damit an das ostfränkische Reich. Vom alten Mittelreich Kaiser Lothars I. blieb nur noch das Königreich Italien, die Provence und die südöstlichen Teile Burgunds, was heute in etwa der französischsprachigen Schweiz entspricht.
Am 12. August 875 starb Kaiser Ludwig II. bei Brescia. Er hinterließ nur zwei Töchter, die nach salischem Recht nicht titelberechtigt waren. Der Kaisertitel war vakant geworden. Sowohl Ludwig der Deutsche, wie sein deutlich jüngerer Halbbruder Karl der Kahle strebten die Krone an und buhlten darin um die Gunst des Papstes. Karl kam Ludwig mit einem Romzug zuvor und wurde am 25. Dezember in Rom zum Kaiser gekrönt, auf den Tag 75 Jahre nach der Krönung Karls des Großen, dem Großvater. Der ostfränkische König Ludwig gab seine Ansprüche nicht auf, doch verhinderte sein fortgeschrittenes Alter und eine nicht mit genug Nachdruck betriebene Politik den Erfolg. Die zahlreichen Konflikte in seiner 50 jährigen Regentschaft, darunter fast ununterbrochene Kriege mit den Slawen, die er wieder unter fränkische Lehnshoheit bringen wollte, aber auch Auseinandersetzungen mit den eigenen Söhnen seit den frühen 870‘er Jahren, hatten ihn erschöpft. Der neue Kaiser schätzte den vermuteten inneren Konflikt zwischen Vater und Söhnen und die von ihm erwarteten Rivalitäten unter den Söhnen, nach Ableben des greisen Ostfrankenkönigs jedoch falsch ein, was ihn dazu verleitete eine Reunion Lotharingiens bis zum Rhein und je nach Verlauf auch noch darüber hinaus, mit Waffengewalt vornehmen zu wollen.

Siegel Ludwigs des Deutschen
Auffallend die starke Ähnlichkeit
mit römischen Siegeln aus der Antike

Als Ende August 876 der ostfränkische König Ludwig II. der Deutsche nach ungewöhnlich langen 50 Jahren Regentschaft, davon 33 Jahre als ostfränkischer König, im damals hohen Alter von rund 70 Jahren in seiner Königspfalz zu Frankfurt starb, wurde sein Reich einvernehmlich unter den Söhnen Karlmann, Ludwig und Karl gemäß seiner Nachlassbestimmung geteilt. An den erstgeborenen Karlmann fiel das Königreich Bayern, zu dem das slawisch besiedelte Kärnten und das heutige Ober- und Niederösterreich gehörte. An den zweitgeborenen Ludwig, jetzt Ludwig III., fielen Sachsen, gemeint ist das heutige Niedersachsen mit Friesland und Holland, Thüringen zu dem große Teile des heutigen Hessens gehörten und Franken, womit die rheinfränkischen Gebiete und Ostlotharingien gemeint sind. An den jüngsten Sohn Karl fiel das Königreich Alemannien, wozu der südwestdeutsche Raum rechts und links des Rheins bis Oberschwaben im Osten, und der größte Teil der heute deutschsprachigen Schweiz gehörte.
Karl der Kahle, König im fränkischen Westreich, König in Italien und seit Weihnachten 875 römischer Kaiser, stellte an seinen Neffen Ludwig III. umgehend die Forderung die linksrheinischen Gebiete Lotharingiens, die 870 im Vertrag von Meerssen ans ostfränkische Reich gefallen waren, an ihn abzutreten. Ludwig lehnte wie zu erwarten ab, worauf der Kaiser mit dem vorbereiteten Einmarsch begann und weite Teile des von ihm geforderten Gebiets besetzen ließ. Am 8. Oktober 876, etwas mehr als einen Monat nach dem Tod des alten ostfränkischen Königs Ludwig dem Deutschen, Karls Halbbruder, kam es bei Andernach zur Schlacht zwischen den Heeren des westfränkischen Königs und seines Neffen Ludwig III., der überraschend schnell Kräfte zusammenziehen konnte. Im ostfränkischen Territorium waren die Absichten im Vorfeld nicht unbemerkt geblieben, so dass Ludwig Streitkräfte sammeln konnte. Zahlen über die eingesetzten Truppen beider Seiten sind nicht bekannt, doch darf man davon ausgehen, das Karl der Kahle nicht leichtfertig mit kleinem Kontingent eingerückt war, entsprechend wird das Heer Ludwigs gewesen sein. Es gelang ein überwältigender Abwehrsieg, wobei das Heer Karls vernichtend geschlagen wurde und nur Reste flüchten konnten. Ludwig III., unterstützt von seinen Brüdern, ging in die Gegenoffensive und marschierte nun seinerseits in die westlichen Regionen von Lotharingien ein. Der Kaiser befand sich seither regelrecht auf der Flucht und starb fast genau ein Jahr nach der Schlacht bei Adernach am 6. Oktober 877 unweit der Grenze zwischen Hochburgund und Italien.

Der ostfränkische König Ludwig III. verglich sich schon bald mit Karls Enkeln Ludwig III. und Karlmann, beiläufig erwähnt eine interessante und verwirrende Namensgleichheit hinsichtlich Ludwig III. und Karlmann im ostfränkischen Reich. Die beiden westfränkischen Karolinger hatten nach dem raschen Tod ihres Vaters Ludwig II. (845 – 879), der Stammler genannt, den Thron im zweigeteilten westfränkischen Reich bestiegen und gemeinschaftlich regiert. Im Vertrag von Ribemont kam es 880 zur Abtretung ganz Lotharingiens ans ostfränkische Reich Ludwigs III. und damit zum genauen Gegenteil von dem, was Kaiser Karl der Kahle 876 mit seinem Marsch zum Rhein bezweckt hatte.


Zerfall, Wiedervereinigung & Wikingerplage

Nach dem Tod Kaiser Karls des Kahlen im Jahr 877, ging das westfränkische Reich an seinen einzigen noch lebenden Sohn Ludwig II. den Stammler. Dessen Herrschaft war schwach. Dass er überhaupt zum König erhoben wurde, musste durch reiche Gebietsschenkungen an die Großen des westfränkischen Reichs erkauft werden. Ludwig II. ist schon 879 gestorben und das westfränkische Reich wurde unter seinen zwei Söhnen zweigeteilt, wir erwähnten es. Franzien im Norden ging an Ludwig III., Aquitanien an Karlmann II., Niederburgund und die Provence, das sogenannte Arelat, erlangten die Unabhängigkeit, die genauen Hintergründe lassen wir unerwähnt, es würde zu weit gehen. Ludwig III. starb kinderlos nach bereits drei Jahren im August 882 in Paris, wodurch Franzien und Aquitanien wiedervereint unter die Regentschaft Karlmanns II. kam, jedoch nicht für lange, denn auch er starb schon zwei Jahre später, im Dezember 884 bei einem Jagdunfall an der Grenze zur Normandie. Karlmann hinterließ eine hochschwangere Frau und damit zunächst keinen nachfolgefähigen Erben.

Wie verhielt es sich in dieser Zeit im ostfränkischen, damals dreigeteilten Reich? Nach den 880 im Vertrag von Ribemont beurkundeten Gebietserweiterungen, war das ostfränkische Reich dominant geworden, das mittlerweile aus fünf großen Stammesherzogtümern bestand, Lothringen, Sachsen, Franken, Schwaben und Bayern. Am 29. September 880 starb Karlmann in Altötting. Es muss noch einmal auf die  Namensgleichheit im ost- und westfränkischen Reich hingewiesen werden, um Verwechselungen vorzubeugen. Mit dem 880 gestorbenen Karlmann ist der älteste Sohn Ludwigs des Deutschen gemeint, nicht sein gleichnamiger Vetter, der Enkelsohn Karls des Kahlen. Seit der ostfränkischen Reichsteilung von August 876, war Karlmann König von Bayern. Mit dem Tod seines westfränkischen Halbonkels Karl dem Kahlen 877, fiel die Krone Italiens an ihn. Schon zwei Jahre später begann seine Gesundheit nachzulassen, 879 trat er deswegen die italienische Krone an seinen jüngsten Bruder Karl III. ab, der den Beinamen der Dicke trug. Als Karlmann starb, fiel Bayern an den nächstjüngeren Bruder Ludwig III., dem seinerzeitigen Sieger von Andernach. Ludwig III. vereinte nun Sachsen, Lothringen, Franken und Bayern auf sich. Karl III. regierte als Kaiser über Allemannien, mit dem Herzogtum Schwaben und über Italien. Am 20. Januar 882 starb Ludwig in Frankfurt, wie schon der Vater sechs Jahre zuvor. Er hinterließ keine Erben. Im Jahr 879 war sein einziger Sohn als Kleinkind durch einen Sturz aus dem Fenster ums Leben gekommen. Seine vier Herzogtümer fielen damit an den Bruder, an Karl III., der nun alleine die Krone des ostfränkischen Reichs und die Eiserne Krone Italiens auf sich vereinigte. Die größte fränkische Machtkonzentration, seit dem Tod Ludwigs des Frommen. Als im Dezember 1184 im Westfrankenreich die karolingische Königslinie endete, bot eine westfränkische Adelsdelegation Karl III. die Krone des Westfrankenreichs an. Karl III. vereinte nun das großfränkische Reich Karls des Großen unter sich. Nicht durch Kriege und Eroberungen, sondern durch das schicksalhafte Wegsterben seiner Brüder, sowie dem Aussterben der Westfranken.
Trotz der wiedererlangen Einheit, war das Kaiserreich Karls III. machtpolitisch ein Schatten jenes Karls des Großen. Lokale Kräfte fränkischer Adliger und mächtige Kirchenfürsten übten einen stetigen Druck aus und untergruben zusehends die Zentralgewalt des Kaisers. Als weitaus größte Gefahr für den Weiterbestand des fränkischen Reichs zeigte sich noch eine ganz andere Bedrohung und sie kam in flachen, seetüchtigen Langbooten aus dem Norden Europas. Wikinger, ein neuer Schreckensbegriff verbreitete sich entlang der Küsten und Flüsse. Schon unter den späten Merowingern kam es zu gelegentlichen Überfallen nordischer Heiden auf Küsten und ufernahe Flußabschnitte. Unter Karl dem Großen mehrten sich die Angriffe, denen wegen der hohen Mobilität kaum adäquat begegnet werden konnte aber unter seinen Nachfolgern wurde es zur wahren Plage. Scharen ergossen sich mal hier, mal dort, plünderten und zerstörten, was sie nicht mitnehmen konnten, bevor sie wieder verschwanden. Unter Karl dem Kahlen wurde den Nordmännern ein eigenes Fürstentum beiderseits der Seinemündung gegebene, das fortan Normandie genannt wurde. Bedingung war, die Franken bei der Bekämpfung  weiterer Wikingerattacken zu unterstützen. Die Nordmänner des späten 9. Jahrhunderts waren in ihrer inneren Zerstrittenheit ihren germanischen Vettern der Antike und Spätantike sehr ähnlich. Um des eigenen Vorteils Willen bekämpften sich die Sippen ebenso gegenseitig, wie sie gemeinsam gegen Dritte zu den Waffen griffen. Gegen die eigenen Leute zu kämpfen, war nicht anrüchig. Ähnlich den Römern, die sich seinerzeit germanische Söldnertruppen hielten, wurde es Mode sich kampferprobte Nordmänner zu halten. Dass das Verfahren unter dem christlichen fränkischen Adel nicht überall auf Akzeptanz stieß, war nachzuvollziehen, besonders nicht, nachdem den Heiden jene umfangreichen Gebiete an der Küste zugestanden wurden. Überraschenderweise blieben sie kein Fremdkörper. Sie begannen sich, analog den spätantiken Franken, in die galloromanische Mischgesellschaft zu integrieren, lernten die volkstümliche Sprache, eine Mischung aus Vulgärlatein, keltisch und germanischen Sprachresten, aus der sich das Altfranzösisch entwickelte. Es erscheint erstmals in schriftlicher Form in den Straßburger Eiden 842, und beweist, dass es als Umgangssprache längst Einzug gehalten hatte. Die Straßburger Eide waren zweisprachig gehalten, neben Altfranzösisch, war das Dokument auch in Altdeutsch gehalten, ein westgermanisch-fränkischer Dialekt. Die Straßburger Eide belegen eindrucksvoll wie weit die fränkischen Territorien am Vorabend des Vertrags von Verdun (843), der ersten Teilung des großfränkischen Reichs, sprachlich und kulturell bereits auseinander lagen. Im ostfränkischen Reich hatten sich die germanischen Ursprünge der Franken, überhaupt das Germanische in seiner Ursprünglichkeit länger erhalten als im westfränkischen Teil, wo die romanische und die romanisierte keltische Bevölkerung das germanisch-fränkische Erbe größtenteils verdrängt hatten. Die erste Territorialteilung folgte gewissermaßen auch schon vorhandenen Sprach- und Kulturzonen, von harten Grenzen wollen wir aber nicht sprechen. Wenn es noch vereinigende Merkmale gab, so hauptsächlich politisch getrieben von der aristokratischen Oberschicht der Franken und den karolingischen Königsgeschlechtern.

Karl III. konnte die Einheit nicht bewahren. Wie allen seinen Vorgängern, gelang es auch ihm nicht den Überfällen der Wikinger Herr zu werden, was sein Ansehen unter bei den Großen des Frankenreichs beschädigte. Noch vor seinem Tod am 13. Januar 888, zerfiel das fränkische Großreich erneut und dieses Mal endgültig. Der Wille das fränkische Reich in seiner territorialen Integrität zu erhalten, war selbst in der Königsdynastie kaum mehr vorhanden und die zahlreichen regionalen Mächte strebten ohnehin auseinander. Das Fehlen eines legitimen Erben tat ein Übriges. Der Versuch einen unehelichen Sohn namens Bernhard von Papst Hadrian III. legitimieren zu lassen, schlug fehl, denn der Papst starb noch vor Ausführung des Plans. Sein Nachfolger, Papst Stephan V. ließ sich nicht auf das Vorhaben ein. Ein unehelicher Sohn des 880 verstorbenen Karlmann, er war wie wir erwähnten der älteste Sohn Ludwigs des Deutschen, brachte schließlich den Stein ins rollen, der das morsche Herrschaftsgefüge zum Einsturz brachte.

Siegel König Arnolf
Rex Francorum Orientalium

Arnolf von Kärnten, besagter unehelicher Sohn Karlmanns, scharte durch Charisma und Führungsstärke die Großen Bayerns, Frankens und Thüringens hinter sich. Sachsen zeigte sich schon damals königsfern, wenn auch nicht separatistisch. Alemannien hielt es weiterhin mit Karl III. und seinem gleichfalls unehelichen Nachfolgekandidaten Bernhard. Lothringen  lieb indifferent, neigte später zum westfränkischen Reich, kehrte dann wieder ins ostfränkische Reich zurück. Kaiser Karl III. war seit der Reichsversammlung vom November 887 zu Trebur im ostfränkischen Raum faktisch entmachtet. Zu einer kriegerischen Auseinandersetzung mit seinem Neffen Arnolf kam es nicht. Als der Kaiser nicht lange nach Trebur im Januar 888 in Neudingen an der Donau starb, wurde Arnolf offiziell zum ostfränkischen König erhoben ohne Ansprüche auf Italien oder das Westfrankenreich zu erheben. Eine Adelsdelegation der Westfranken trug ihm die Regentschaft an, er lehnte jedoch ab und schlug stattdessen Graf Odo von Paris vor, der sich bei der Verteidigung von Paris gegen die Nordmänner einen Namen gemacht hatte. Odo wurde, nachdem er sich mit Arnolf im August 888 in Worms getroffen und von diesem eine eigene Krone erhalten hatte, am 13. November 888 in Reims zum westfränkischen König gekrönt. Er war damit der erste König in Westfranken, der nicht der Dynastie der Karolinger angehörte. Eine Zäsur zwischen dem West- und Ostreich der Franken war erfolgt. Die seit dem Tod Ludwigs des Frommen trotz Reichsteilung kontinuierlich fortbestandene enge verwandtschaftliche Bindung innerhalb der Karolinger, war durchschnitten. Odo erkannte zwar den Vorang Arnolfs vorbehaltlos an, konnte aber im Westen völlig uneingeschränkt herrschen.
Die zehn Jahre seiner Regierung waren geprägt von inneren Unruhen. Unmut unter den Großen führte 893 zur Wahl eines Gegenkönigs. Ausgewählt wurde ein Enkel Ludwig des Stammlers. Beim Tod des Vaters noch nicht geboren, war er als karolingischer Thronerbe übergangen worden, indem man in Ermangelung einer Alternative den Ostfranken Karl III. auserkor und dannach Arnolf zu inthronisieren suchte, um schließlich ganz mit der Karolinger Dynastie zu brechen und den Robertiner Odo auf den Thron zu heben. Odo konnte sich während des Bürgerkriegs durchsetzen, wurde vom Thronprätendenten anerkannt, gestand diesem aber umgekehrt die zukünftige Thronfolge zu, statt wie bisher dem eigenen Bruder. Der Name des designierten westfränkischen Thronerben, wen kann es noch wundern, war Karl. Dass im ostfränkischen Reich mit Arnolf endlich ein anderer Name als Karlmann, Ludwig oder eben Karl auf dem Thron erschien, war eine Neuerung.


Lage im italienischen Reichsteil

Wie sah es im italienischen Reichsteil derweil aus? Auch hier setzten sich nichtkarolingische Thronfolger durch, die jetzt den König von Italien stellten und ebenso den Kaiser. Zuerst erschien der Franke Berengar von Friaul (um 850 – 924) aus dem Geschlecht der Unrochinger, dann der Langobarde Guido von Spoledo (855 – 894), aus dem Haus der Guidonen, gefolgt von seinem Sohn Lambert (875 – 898).
Die Macht Herzog Guidos wurde Papst Stephan V. schnell zur Last. 891 erzwang vom Papst die Kaiserkrönung. Wahrscheinlich bereute er es längst, damals dem unehelichen Sohn des verstorbenen Kaisers Karl III. nicht zur Nachfolge verholfen zu haben.  Stattdessen saß ihm nun der Herzog von Spoledo als Kaiser und König von Italien direkt vor der Haustier und übte beständigen Druck auf das Patrimonium Petri aus. Doch musste sich Stephan V. nicht lange darüber grämen, er starb noch im gleichen Jahr, am 14. September 891. Nachfolger wurde Papst Formosus. Auch er geriet sofort unter der die Knute der Guidonen und wurde gezwungen des Kaisers Sohn Lambert im Februar 892 zum Mitkaiser zu krönen.
Der neue Papst, bei seiner Wahl mit rund 75 Jahren in sehr hohem Alter, sandte an den ostfränkischen König Arnolf von Kärnten und bat um Unterstützung gegen die Überhand nehmenden langobardischen Gewaltakte gegen Papst und Kurie. Schon Papst Stephan V. hatte ein geheimes Bittschreiben geschickt, das aber nicht erhört wurde, da sich Arnolf aus den Streitigkeiten außerhalb des ostfränkischen Herrschaftsgebiets heraushalten wollte, zumal ohnehin erst zu dieser Zeit der Konkurrenzkampf um die ostfränkische Krone im Wettstreit mit Bernhard, unehelicher Sohn Karls III., endgültig zu seinen Gunsten entschieden wurde. Des Weiteren waren Konflikte mit den Mähren und einfallenden Nordmännern bestimmend für seine auf innere Angelegenheiten gerichtete Politik der Anfangsjahre.
Wir kommen im nächsten Abschnitt auf die Reaktion Arnolfs zurück, und schließen die Betrachtung der italienischen Verhältnisse mit der Bemerkung: alles war in Bewegung. Stabilität innerhalb der fränkischen Teilreiche gab es am Ende des neunten Jahrhunderts nur noch im ostfränkischen Raum, dem wir uns jetzt näher widmen.


Das ostfränkische Reich unter den Karolingern

Wir fassen nochmal in aller Kürze die wichtigsten Etappen aus der Perspektive des ostfränkischen Reichs zusammen. Der Vertrag von Verdun, geschlossen am 10. August 843 zwischen den drei überlebenden Söhnen Kaiser Ludwigs I. des Frommen, war der Anfang des ostfränkischen Reichs, aus dem sich in sehr weiter Zukunft einmal Deutschland entwickelte. Er war in gleicher Weise für das westfränkische Reich von Bedeutung, denn aus ihm ging später die französische Nation hervor und dies schon relativ früh, wie wir noch feststellen werden. Im Hinblick auf unsere Anfangsfrage nach dem Beginn jenes Reichskonstrukts, das zur Zeit der Mark Brandenburg existierte, ist dieses Datum ein ganz wichtiger Meilenstein, den es zu merken gilt.
Ludwig der Deutsche – er regierte als Unterkönig seit 817 in Bayern und Karantanien, das später zum Herzogtum Kärnten wurde, und zunächst noch slawisch besiedelt war – wurde der erste ostfränkische König und erhielt erst von der Geschichtsschreibung den Beinamen „der Deutsche“, denn deutsch oder Deutschland war noch völlig unebkannt. Mit seinem Tod kam es zu einer einvernehmlichen, territorial ungleichen Dreiteilung des ostfränkischen Reichs, das aber nach außen als einheitliche Union auftrat. Es ist in dieser durchgängigen Ausprägung die frühste Form föderaler Herrschaftsstruktur auf dem Territorium des späteren Deutschlands. Ludwig III., er war der zweite Sohn des erst kürzlich verstorbenen Königs, siegte bei Andernach über seinen expansionistischen Onkel, den westfränkischen Kaiser Karl den Kahlen. Dies stärkte das ostfränkische Reich und brachte 880 Westlotharingien im Vertrag von Meerssen ein. Nachdem sowohl der erstgeborene Karlmann wie auch Ludwig III. nach nur jeweils kurzer Regentschaft starben, ohne dabei einen legitimen Erben zu hinterlassen, vereinte Karl III. der Dicke alle ostfränkischen Teilreiche plus das Königreich Italien unter seiner Hand. Zu diesem Zeitpunkt waren die wichtigsten Einzelterritorien, die sehr bald für Jahrhunderte integraler Bestandteil des Alten Reichs wurden, unter einem Herrscher vereint. Wenige Jahre später fielen sogar die beiden westfränkischen Teilkönigreiche, allerdings ohne Niederburgund, an Karl III., der damit das erste Mal seit Kaiser Ludwig I. dem Frommen, alle fränkischen Reichsteile Karls des Großen unter ein Regiment brachte. Sein persönlicher Anteil daran war gering, er hatte einfach alle anderen Kandidaten überlebt, so dass ihm die Teilreiche ohne eigenes Zutun zufielen.
Die Einheit des großfränkischen Reichs war nicht von langer Dauer. Selbst über keinen allgemein anerkannten Thronfolger verfügend, schwach und ohne Fortune bei der Regentschaft, regte sich Unmut unter den ostfränkischen Großen des Reichs, vor allem im bayrischen Raum. Karl III. rief 887 zu einer großen Reichsversammlung nach Trebur, die jedoch von den meisten lokalen Größen des Reichs boykottiert wurde, was einer symbolischen Absetzung gleichkam. Sie hatten sich einen anderen Kandidaten als Anführer, als König auserkoren. Einen unehelichen Sohn Karlmanns und somit ein Neffe Karls III. Sein Name lautete Arnolf, was soviel wie Adlerwolf bedeutet. Spätestens seit 888 regierte er unangefochten im ostfränkischen Reich. Anerbietungen hinsichtlich der Krone des Westfrankenreichs, nach dem Tod Karls III., lehnte er ab. Auch in die verworrene Italienpolitik mischte er sich zunächst nicht sein.
Soweit die Zusammenfassung.

Arnolf war ein erfolgreicher Heerführer, was ihm unter den Regionalfürsten zu hohem Ansehen verhalf. Im Sommer 891 schlug er bei Löwen östlich von Brüssel die Nordmänner, die fortan das ostfränkische Reich nicht mehr plünderten. Damit gelang ihm ein ganz wesentlicher Sieg, der im Norden des Reichs den Landesausbau erheblich beförderte. Die Plage der nordischen Räuberhorden war seit Jahrzehnten eine wahre Geisel und Heimsuchung. Das Prestige Arnolfs stieg mit dem Sieg in ungekannte Höhen. Beflügelt von den Erfolgen, widmete er sich in den beiden kommenden Jahren 892 und 893 in zwei Feldzügen den Mährern, die mit aller Gewalt ihre Unabhängigkeit anstrebten. 894 kam es zur einvernehmlichen Einigung.

Siegel Arnolfs als Kaiser

Jetzt war die Zeit gekommen, sich den verworrenen Verhältnissen in Italien anzunehmen, wo er jeweils von Papst Stephan V. und von Papst Formosus um Hilfe gegen den despotischen agierenden Kaiser aus dem langobardischen Geschlecht der Guidonen gerufen wurde. Zweimal zog er dafür nach Italien. Den ersten Romzug brach er April 894 nach der Eroberung von Pavia und Bergamo ab und kehrte erst wieder im Spätjahr 895 nach Italien zurück. Der italienische König unterwarf sich ihm kampflos. Rom verwehrte ihm aber den Zugang, so dass er sich den Weg in die Stadt erkämpfen musste. Ende Februar 895 wurde er vom Papst zum Kaiser gekrönt. Man möchte an dieser Stelle fast von der Geburt einer Tradition sprechen. Nach ihm werden noch viele Könige aus den Gebieten nördlich der Alpen aufbrechen und an der Spitze eines Heeres entweder die Römer oder den Papst von einer Kaiserkrönung überzeugen müssen. Manchmal wird die reine Drohkulisse genügen, manchmal musste gekämpft werden und manches Mal wurde sogar eigens ein Gegenpapst installiert, um die Kaiserkrönung gegen alle Widerstände zu ermöglichen.

Mit Arnolf von Kärnten war der Zenit karolingischer Macht, ausgehend vom ostfränkischen Reich, erreicht. Zwar konnte er nicht mehr wie sein Onkel Karl III. das ganze Reich einen, dafür war seine Machtstellung als Monarch unangefochten, sein Ruf als Feldherr makellos, was ihn fast auf die Höhe mit Karl dem Großen hob. Noch im Jahr seiner Kaiserkrönung erlitt Arnulf in Italien einen Schlaganfall, von dem er sich nur leidlich erholte. Er kehrte in den Reichsteil nördlich der Alpen zurück und hielt im August 896 in Forchheim eine Reichsversammlung ab. Zur Jahreswende verschlechterte sich der Gesundheitszustand des Kaisers. Die Nachfolgefrage wurde zur dringenden Angelegenheit. Schon kurz nach seinem Regierungsantritt versuchte er anlässlich einer Versammlung der Großen des Reichs im Jahre 889 zwei uneheliche Söhne von zwei verschiedenen Müttern für den Nachfolge zu positionieren. Etwa um die Zeit seiner Königserhebung hatte Arnulf geheiratet, die Fürsten erhofften sich aus dieser Verbindung einen legitimen männlichen Nachkommen, weswegen sie Vorbehalte gegen die beiden illegitimen Söhne   hatten. Im Herbst 893 stellt sich glücklich ein männlicher Nachkomme ein. Er erhielt ganz der Karolinger Tradition den Namen Ludwig und somit einen der üblichen gewordenen drei Königsnamen.
Frühling 899 ereilte den Kaiser ein zweiter Schlaganfall. Sein Gesundheitszustand ließ kaum mehr Regierungshandlungen zu. Unter der Führung Erzbischof Hattos von Mainz sollte der minderjährige Ludwig nun als Nachfolger anerkannt werden. Die Pläne des ehrgeizigen Erzbischofs führten zu einer regelrechten Schmierenkomödie gegen des Kaisers Frau Oda, gegen die ein öffentlicher Prozess wegen angeblichem Ehebruch eingeleitet wurde. Letztendlich wurde sie von Leumundszeugen entlastet und freigesprochen. Denkbar war dass die Mutter des designierten Thronfolgers gezielt unschädlich gemacht werden sollte, damit der fränkische Hochadel, darunter das dominierende Geschlecht der Konradiner, ebenso einzelne Kirchenfürsten, allen voran jener Mainzer Erzbischof Hatto, freien Zugang und Einfluss auf das Kind nehmen konnten. Vielleicht war aber auch ein Dynastiewechsel schon damals das Ziel aller Bemühungen.

Am 8. Dezember 899 starb der Kaiser nach einer Serie von weiteren Schlaganfällen mit rund 50 Jahren in Regensburg und wurde in der nahe gelegenen Benediktinerabtei Sankt Emmeram beigesetzt. Acht Wochen später krönte man seinen sechsjährigeren Sohn Ludwig am 4. Februar 900 in Forchheim zum neuen König der Ostfranken. Die Kaiserkrone erhielt mit Ludwig dem Blinden wieder ein Langobarde, während die Eiserne Krone der Langobarden, die Krone des italienischen Königs, erneut an den Franken Berengar I. von Friaul ging. In Lothringen konnte sich Zwentibold, der ältere der beiden erwähnten, vorehelichen Söhne Arnolfs kurze Zeit noch halten, bevor ihn der lothringische Adel, der ihn schon immer ablehnte, entmachtete, dem neuen König im März 900 huldigte und diesen in ihr Herzogtum führte. Zwentibold ist am 13. August 900 während eines Gefechts an der Maas ums Leben gekommen, er hinterließ zwei Töchter. Seine Witwe heiratete noch im gleichen Jahr den Grafen Gerard, der am Gefecht gegen Zwentibold beteiligt war.

Im Sommer des Jahres 900 fielen in Niederösterreich, dass damals zu Bayern gehörte, erstmals in großem Stil halbnomadisierende Reiterheere ins ostfränkische Reich ein. Sie kamen aus dem Karpartenbecken der pannonischen Tiefebene, das größtenteils dem heutigen Ungarn entspricht. In den kommenden fünf Jahrzehnten werden sie zur Heimsuchung für ganz Mittel-, selbst West- und Südeuropa bis zur iberischen Halbinsel werden. Am schlimmsten traf es immer wieder das ostfränkische Reich, das sich in den ersten Jahren noch erfolgreich wehren konnte, dauerhaft aber auszubluten begann und schließlich kaum mehr Mittel zur Abwehr fand.
Wer waren diese Reiter? Wir kommen im nächsten Abschnitt auf sie zurück, beenden zuvor die karolingische Episode, überspringen dabei die wenigen nennenswerten Ereignisse aus der kurzen Lebenszeit Ludwigs IV., auf die wir teilweise im nächsten Abschnitt noch eingehen werden. September 911 starb der junge König nach zahlreichen Krankheiten in der Königspfalz zu Frankfurt mit nur 18 Jahren. Er hatte Februar 900 als Kind den Thron des Vaters bestiegen. Zu einem Zeitpunkt, wo der Machtzenit des ostfränkischen Reichs überschritten war und unter den Großen des Reichs ein Drang nach mehr Autonomie einzusetzen begann. Wegen seines Alters und seiner kränklichen Konstitution, vermochte er es unter der Kontrolle des Mainzer Erzbischofs nie, eigene Autorität zu entwickeln. Sein Amtsantritt fiel zeitlich mit den einsetzenden Plünderüberfällen der Magyaren zusammen, die die Schwäche an der Spitze des Reichs auszunutzen wussten.


Die Magyaren, Instrument des Niedergangs und Neuanfangs

Die Magyaren waren ursprünglich einer von sieben halbnomadisierenden Stämmen, die sich von den Weiten des Ostens kommend, man vermutet aus dem Uralgebiet, im Schlussjahrzehnt des neunten Jahrhunderts im Karpartenbecken niederließen, was augenblicklich zu Auseinandersetzungen mit benachbarten  Anrainern und ansässigen Westslawen führte.

Árpád, erster ungarischer Großfürst

Fürst Árpád (um 845 – 907) einte 906 die sieben Stämme und wurde erster Großfürst der Magyaren. Ursprünglich waren sie von einer zweigeteilten Spitze regiert, dem sogenannten Kenden, ein weltlicher Herrscher und gleichzeitiger Hoher Priester und dem Gyula einem Kriegerhäuptling, dem bei den Auseinandersetzungen während der Zeit der Wanderschaft und der späteren Landnahme besonderer Stellenwert zukam, weswegen sich dessen Ansehen  zunehmend über das des Kenden erhob.

Zu Beginn der pannonischen Landnahme dienten die Magyaren unterschiedlichen Herrschern als Kriegssöldner. Unter anderem auch dem ostfränkischen König Arnolf, der sie für seine Feldzüge gegen die Mährer anheuerte und noch ein Jahr vor seinem Tod zu einem Überfall auf Italien animierte, was ihm bei italienischen Chronisten der Zeit ein vernichtendes Zeugnis einbrachte. Er wurde als Tyrann dargestellt, dessen bald eingetretener Tod die gerechte Strafe Gottes war. So lange Arnolf lebte, hielten sich die Magyaren an die vertraglichen Vereinbarungen. Mit seinem Tod waren diese hinfällig geworden, weswegen es zu dem vorgenannten Plünderzug gegen Bayern kam. Eilig sammelten die bayrischen Adelsführer eine Streitmacht und zogen den Plünderern entgegen, die wegen des herannahenden Winters größtenteils mit ihrer Beute bereits den Rückmarsch in die ungarische Tiefebene angetreten hatten. Ein großer Trupp befand sich noch auf der nördlichen Donauseite und wurde am 20. November 900 von einem bayrischen Heerhaufen unter dem Kommando Markgraf Luitpolds und des Passauer Bischofs Richard gestellt. Die Plündergruppe wurde vollends aufgerieben, Gefangene keine gemacht. Am Ende des Gefechts zählte man 1.200 getötete ungarische Reiter. Schon im Folgejahr erschienen die Ungarn erneut. An der Fischa, einem rechten Nebenfluss der Donau, konnte man dieses Mal die Hauptkräfte stellen, schlagen und vertreiben. Wie im Vorjahr befanden sie sich auf dem Heimweg in ihre Winterquartiere, weswegen der Zugriff gelang. So lange die Ungarn nicht durch erbeutetes Plündergut in ihrer Bewegungsfreiheit beeinträchtigt waren, konnte man sie nur mit Glück oder durch einen Hinterhalt fassen. Waren sie durch erbeutete Viehherden und Wagen voller Beute beschwert, dazu zahlreiche Geiseln im Schlepptau, bestand Hoffnung sie erfolgreich abzufangen und in einen Kampf zu verwickeln, bei dem sie ihre hohe Mobilität nicht in der gefürchteten Weise zur Geltung bringen konnten.
904 gelang der bisher schwerste Schlag gegen die Ungarn. Unter dem Vorwand einer Verhandlung mit abschließendem Festmahl, lud der bayrische Markgraf Luitpold den amtierenden Kenden Kursan, den ungarischen Sakralkönig, auf die Preßburg (Bratislava) ein, wo dieser und eine große Zahl weiterer Fürsten sowie das mitgeführte, zahlreiche Gefolge ermordet wurden. Die bayrischen Edelleute  gingen davon aus den größten Teil der ungarischen Führungsschicht ausgeschaltet zu haben und deswegen fortan vor weiteren Überfällen sicher zu sein. Tatsächlich war aber nur ein überschaubarer Kreis von Hauptleuten dem heimtückischen Attentat zum Opfer gefallen, während die Führung der meisten Stämme ausreichend erhalten blieb. Der militärische Anführer, Guyala Árpád, schwang sich in einer blutigen Säuberungsaktion, bei der die verbliebenen Anhänger Kursans beseitigt wurden, zum Alleinherrscher und Großfürst aller Magyaren auf. Im Jahre 906 fiel er an der Spitze der geeinten Stämme in Mähren ein, das seit dem Abfall der Böhmer und Sorben in inneren Auseinandersetzungen, Reunionskriegen sowie den dauerhaften Konflikten mit den ostfränkischen Bayern, den Höhepunkt seiner frühstaatlichen Existenz überschritten hatte. Das mährische Heer erlitt an der Nitra eine totale Niederlage. Es folgte ein erster ungarischer Plündereinfall in sächsisches Gebiet.
Markgraf Luitpold von Bayern, bestärkt durch die Waffenerfolge der Vorjahre, wollte das Ungarnproblem nun in offensiver Weise lösen und nicht erst wieder auf einen neuerlichen Einfall warten. Ein bayrisches Aufgebot der waffenfähigen freien Männer, ein sogenannter Heerbann, sammelte sich bei der Ennsburg, damals noch Anesaburch genannt. Die in der Nähe des heutigen Linz, am Zufluss der Enns zur Donau gelegene Festungsanlage, wurde nach dem ersten Einfall der Ungarn errichtet und bildete seither eine wichtige Bastion zur Sicherung des  südlichen Zugangs nach Niederösterreich. Am 4. Juli 907 fand eine für Bayern und das ganze ostfränkische Reich verheerende Schlacht statt, die mit einer totalen Niederlage des bayrischen Heerbanns endete. Neben Markgraf Luitpold, fiel Erzbischof Theotmar von Salzburg, sowie die Bischöfe Uto von Freising und Zacharias von Säben, darüber hinaus zahlreiche sonstige Edelleute. Über den Verlauf der Schlacht und was zur völligen Niederlage führte, ist nichts Näheres bekannt. Der Kampfweise der Ungarn, die mit ihren schnell vorgetragenen Angriffen, tödliche Pfeilsalven aus der Distanz auf ihre Gegner abfeuerten und sich dann in Scheinrückzügen wieder vom Feind lösten, waren die schwerfälligen ostfränkischen Krieger nicht gewachsen. Und obwohl man die ungarische Kampfweise aus den zurückliegenden Jahren gut kannte, fand das bayrische Heer Luitpolds offenbar kein Mittel zu adäquater Gegenwehr. Der exakte Ort des Gefechts ist unter Forschern umstritten, wenn auch Pressburg, das heutige Bratislava, für gewöhnlich als Austragungsort der Schlacht allgemein genannt wird, gibt es auch Theorien, die ein bayrisches Vordringen tief in ungarisches Gebiet anführen. Fest steht nur, die Niederlage war überwältigend. Das bislang gut verteidigte südöstliche Bollwerk und Tor ins ostfränkische Reich stand nun sperrangelweit offen. Die Schlacht war wahrscheinlich auch für die Ungarn blutig und sehr verlustreich. Es wird spekuliert, ob Großfürst Árpád bei dieser Schlacht oder kurz darauf verstarb. Sein überliefertes Todesjahr ist zumindest identisch mit dem Jahr der Schlacht.

Vom ostfränkischen Kindkönig Ludwig IV. kam in der Zeit weder Hilfe noch Weisungen auch nicht vom Mainzer Erzbischof, welcher damals der eigentliche Regent war. Das bayrische Herzogtum und ehemalige Teilkönigreich Karlmanns war praktisch autonom geworden, überhaupt begann sich eine Separierung in vormaligen Siedlungsräumen der ehemaligen germanischen Großstämme abzuzeichnen. Der Einfluss der bislang dominierenden Franken als homogene Führungsschicht war durch Versippung immer mehr verwässert. Regionale Grenzen, so unscharf sie waren, ergaben sich aus natürlichen Begrenzungen wie Wasserläufe oder Bergketten aber auch anhand von Mundarten. Im Norden trifteten die Sachsen ebenso aus der losen, unter Karl dem Großen mit Waffengewalt geschaffenen Union, wie im Südosten die Bayern. In einer auf Kriegserfolge fixierten Herrschaftsgesellschaft, führte das Fehlen einer starken Führungspersönlichkeit zum drastischen Autoritätsverlust des Merowinger Königtums. Das ostfränkische Reich stand vor dem Zerfall in Einzelterritorien.
Nach dem Tod Markgraf Luitpolds von Bayern übernahm Sohn Arnulf die Regentschaft in der Region und regierte fast königsgleich den südöstlichen Teil des auseinanderstrebenden ostfränkischen Reichs. Zum Schutz seines Herrschaftsgebiets begann er unmittelbar mit der Aufstellung einer professionellen Reitertruppe. Mit Fußsoldaten, bedarfsweise aus den Freibauern rekrutiert, war den mobilen Ungarn nicht beizukommen. Die zur Aufrüstung notwendigen Geldmittel beschaffte er durch Konfiszierung von Kirchengütern, was ihm den Beinamen der Böse einbrachte.

Juli 908 wurde abermals sächsisches Gebiet heimgesucht. Auf dem Weitermarsch nach Süden kam es in Unterfranken zur Schlacht, die die Ungarn für sich entscheiden konnten. Bei diesen Kämpfen kamen am 3. August neben dem Bischof Rudolf von Würzburg, der thüringische Markgraf Burchard und der Badanachgauer Graf Egino ums Leben.
Im Sommer 909 drangen die Ungarn in Alemannien ein, richten auch dort verheerende Schäden an und traten mit unermesslicher Beute und Geiseln den Rückmarsch an. Unterwegs plünderten und brandschatzten sie weiter. Freising wurde am 30. Juli angegriffen, die dortige Stiftskirche Sankt Veit am 4. August angezündet, bevor sie nach Süden weiterzogen. Bei Rott am Inn konnte Herzog Arnulf von Bayern mit seinem mobilisierten Heer die Nachhut einholen und schlagen. Ein dringender Teilerfolg wurde dadurch erfochten.
König Ludwig, mittlerweile bald siebzehn Jahre alt, sammelte nun endlich ein großes fränkisches Heer. Unter Androhung des Galgens wurde jeder waffenfähige freie Mann zur Heerfolge aufgerufen. Ein gewaltiges Heer trat den Weg nach Augsburg an, um sich dort mit Herzog Arnulfs bayrischen Truppen zu vereinen. Aus Alemannien rückte zusätzlich ein schwäbischer Heerbann heran. Die Ungarn, die ausschließlich zu Pferd unterwegs waren, fassten die heranrückenden schwäbisch-alemannischen Kräfte auf dem Anmarsch und schlugen sie am 10. Juni 910. Am 22. Juni kam es auf dem Lechfeld bei Augsburg zum Hauptgefecht mit den Streitkräften König Ludwigs. Auf offenem Feld schien sich das Schlachtenglück den Franken zuzuneigen. Die Ungarn wendeten sich zum Rückzug, worauf sich die Reihen der fränkischen Truppen öffneten, die Reiterei die Verfolgung aufnahmen und sich dabei immer weiter von den eigenen Fußtruppen entfernten. Die Ungarn wendeten sich jetzt wieder zum Kampf. Ihr Rückzug war eine Finte, auf die die Franken, in zuversichtlicher Annahme den Sieg nur noch einfahren zu müssen, hereinfielen. Ausgestattet mit weitreichenden, durchschlagsstarken Kompositbögen, die jeder Reiterkrieger meisterhaft beherrschte, konnten die Ungarn im vollen Galopp ihre Gegner beschießen, auf diese Weise dezimieren und nach und nach ausschalten. Nachdem die fränkische Reiterei größtenteils vernichtet war, wurde das zahlreiche Fußvolk, dessen Reihen völlig aufgelöst waren, umringt und nieder gemacht. Die Niederlage König Ludwigs war schrecklich, die fränkischen Verluste furchtbar. Unter den gefallen Großen war Herzog Gebhard von Lothringen, aus dem im ostfränkischen Reich mittlerweile tonangebenden Geschlecht der Konradiner.
Die Ungarn setzten sich samt ihrer unermesslichen Beute südostwärts ab, wo sie bei Neuching, nordöstlich des heutigen Münchens, auf die Reiterei Herzog Arnulfs von Bayern stießen. Schwer dezimiert von den bisherigen Schlachten gegen die Schwaben und Franken, erschöpft und beschwert durch die mitgeführte Beute, wurden sie abermals von den Bayern geschlagen und vertrieben.
Trotz stetiger Verluste, die heimgebrachte Beute überwog den geleisteten Blutzoll und so sammelten sich in jedem Frühjahr frische Reiterscharen, um auf neue Beutezüge zu gehen. Die Stämme gingen nicht als geschlossener, einziger Heerhaufen vor. Mögen sie auch Anfangs gesammelt aufgebrochen sein, teilten sie sich unterwegs in Gruppen, die divergierende Richtungen einschlugen, phasenweise wieder größere Einheiten bildeten, um sich aufs Neue zu teilen.

Mitte September 911 starb der letzte ostfränkische Merowinger, vermutlich in Frankfurt, mit kaum 18 Jahren unter ungeklärten Umständen. In die Geschichte ist er als Ludwig das Kind eingegangen. Nicht nur sein Leben war kurz, auch die Liste seiner selbstständigen Handlungen. Wenn die von ihm gezeichneten Urkunden auch den Endruck eines agierenden Monarchen zu bezeugen scheinen, blieb er zeitlebens unter der Obhut Erzbischof Hattos von Mainz und der mächtig gewordenen Konradiner, aus deren Reihen am Sonntag dem 10. November 911 Konrad I. zum neuen König gewählt wurde.

Siegel König Konrads I.

Die in Forchheim durchgeführte Wahl wurde hauptsächlich aus Franken, Lothringen und Schwaben  beschickt. Bayern und Sachsen blieben fern. Karl III., genannt der Einfältige, König  des westfränkischen Reichs und letzter lebender Karolinger, lehnten sie als Nachfolger für den ostfränkischen Thron ab, weswegen 911 mit Konrad ein Kandidat aus den eigenen Reihen gekürt wurde. Auch wenn der frühe Tod des eben erst herangewachsenen Königs nicht unbedingt vorauszusehen war, gab sein bisheriger Gesundheitszustand nie viel Anlass an eine lange Lebenszeit zu glauben. Nach der furchtbaren Niederlage gegen die Ungarn im Vorjahr, kündigte sich ein Dynastiewechsel vielleicht ohnehin schon an.
Konrad I. verfügte über eine starke Hausmacht im fränkischen Herzogtum. Zur Erlangung der Vormachtstellung, fochten die Konradiner und Babenberger über Jahre einen zähen Kampf, der schließlich mit Hilfe des kindlichen Königs für die Konradiner Familie entschieden wurde. Auch mit den sächsischen Liudolfingern kam es zu Verwicklungen, die am Ende ihren bisherigen engen Kontakt zur Königsfamilie einbüßten und im Reich in die zweite Reihe zurückgedränkt wurden.
Der neue 911 gewählte neue König stand bei seinem Amtsantritt vor großen Herausforderungen. Regionale Mittelmächte im sächsischen Norden und im bayrischen Südosten machten ihre eigene Territorialpolitik, gegen die Konrad trotz aller Bemühungen den Zerfall des ostfränkischen Reich zu verhindern, kaum etwas ausrichten konnte. Ob sein Königtum im auseinanderbrechenden Reich doch noch Anerkennung in den königsfernen Räumen finden würde, stand und fiel mit der Frage, ob er der Ungarnplage Herr werden konnte. Diese brachen im Sommer 912 plündernd und sengend in Thüringen und Franken ein. Konrad stand zeitgleich mit einem fränkischen Heer in Lothringen, um das abspenstige Herzogtum, das sich dem westfränkischen Reich zugewandt hatte, wieder zu unterwerfen. Für die Ungarn war der Raubzug 912 ganz außerordentlich erfolgreich. Sie stießen auf wenig Widerstand und konnten ihre reiche Beute nahezu unbehelligt in die Heimat führen. Bestärkt von diesem Erfolg, zog 913 ein großes Heer direkt durch Bayern, dieses Mal nach Schwaben. Nachdem sie auch dort schwere Verwüstungen hinterlassen hatten und an Plündergut alles  mitnahmen, was irgend beweglich war, traten sie im aufziehenden Spätjahr den Rückmarsch in ihre pannonische Heimat an. Schwerfällig durch all die mitgeführte Last, wurden sie von einem vereinten alemannisch-bayrischen Heer unter dem Befehl Herzog Arnulfs und diverser schwäbischer Großen am Inn in einen Hinterhalt gelockt und nahezu restlos vernichtet. Den Analen zufolge entkamen nur 30 Mann dem Gemetzel. Ob es Übertreibung war, Kriegspropaganda um den eigenen Widerstandsgeist zu heben, wissen wir nicht. Tatsächlich muss die Ungarn aber eine schwere Niederlage ereilt haben, denn es wurde für die Folgejahre ein Separatfrieden mit Bayern vereinbart, das in den kommenden Jahren verschont blieb.
Der Frieden in Bayern gab dem Herzog die Möglichkeit seine Kräfte neu zu bündeln. 916 erhob er sich gegen den König, wurde dann, nachdem seine Residenz Regensburg in die Hände Konrads fiel, aus dem eigenen Land vertrieben und nahm für einige Zeit, man höre und staune, Zuflucht bei den Ungarn. Konrad I. zog sich bei den Kämpfen eine Verwundung zu, an der er fortan litt. Der König suchte während seiner Regierungszeit mit allen Mitteln den weiteren Zerfall des Reichs zu verhindern und führte hierzu fast fortlaufend Kämpfe an den Rändern seiner Kerngebiete. Neben Bayern und Lothringen, besonders auch mit Sachsen, wo die Liudolfinger unter Heinrich I. die Herzogswürde erlangten. Die inneren Konflikte schwächten die Widerstandskraft gegen die Ungarn, die jetzt in immer weiter ausholenden Überfällen nahezu ganz Europa heimsuchten. In den kommenden Jahren und Jahrzehnten stießen an die Nordsee, den Atlantik, selbst bis über die Pyrenäen ins heutige Spanien vor. Das Ausmaß der Schäden und die Verluste an Mensch und Vieh überstieg im ostfränkischen Reich alles was die Nordmänner in der Vergangenheit je anrichteten. In Italien drangen sie 922 bis Kalabrien vor. Der Balkan wurde wieder und wieder geplündert und selbst dicht an die Tore Konstantinopels kamen sie heran.
Die ungarischen Reiterscharen beschleunigten durch ihre spektakulären Beutezüge den seit dem Tod König Arnulfs im Jahre 899 einsetzenden Niedergang des ostfränkischen Reichs. Blieb das Gefüge unter dem letzten Merowinger Ludwig IV. noch trügerisch bestehen, separierten sich weite Reichsteile unter Konrad I., der trotz aller Anstrengungen den begonnenen Zerfall nicht mehr rückgängig machen konnte. Der Verlust Lothringens, das sich von ihm lossagte und dem westfränkischen Reich Karls des Einfältigen anhing, kostete Prestige. Gegen die mindestens vier großen ungarischen Einfälle ins ostfränkische Reich tat Konrad nichts. Da es hauptsächlich Regionen traf, die nach Autonomie strebten, mag dies mit voller Berechnung gewesen sein, glaubte er vielleicht damit seine dortigen Widersacher zu schwächen. Das Schrifttum ging seit Ludwig II. dem Deutschen merklich zurück und erreichte unter Konrad den Tiefpunkt. Seine Regierungszeit gilt als die schriftenärmste des gesamten Mittelalters.
Am 23. Dezember 918 starb Konrad, lange schon leidend, an den Folgen jener Verwundung, die er sich während der Kämpfe gegen Herzog Arnulf von Bayern zuzog.


Neuanfang unter den Liudolfingern

Nach sieben Jahren unter den Konradinern, kam es mit der Wahl Heinrichs I., des Voglers, wie er im Volksmund genannt wurde, zu zweite Dynastiewechsel in kurzer Zeit. Die zeitgenössischen Chronisten maßen diesem Wechsel fast einstimmig große Bedeutung bei. Den Überlieferungen nach ermahnte Konrad auf dem Sterbebett liegend die führenden fränkischen Adelsvertreter in väterlicher Weise, nach seinem Ableben keinen Zwist aufkommen zu lassen und einmütig den Liudolfinger Heinrich, einen Sachsen, zum König zu wählen. Angeblich soll er seinen Bruder Eberhard mit den Reichsinsignien, der Krone und dem Szepter, zum Sachsenherzog gesandt haben. Ganz so einvernehmlich ging es nicht vonstatten, denn die Wahl Heinrichs fand erst fünf Monate später, im Mai 919 in Fritzlar statt, was den Rückschluss zulässt, dass zwischen Eberhard und Heinrich zuvor noch einige Verhandlungen notwendig waren, bevor der Bruder des verstorbenen Königs auf die Krone verzichtete. Viel wurde über Heinrichs Ablehnung der Königssalbung durch den Mainzer Erzbischof geschrieben und seine vermeintlichen Gründe. Die Salbung war noch kein fester, unverzichtbarer Akt. Neben dem im Jahre 800 gekrönten und gesalbten Karl dem Großen, war erst wieder Ludwig IV. hundert Jahre später und Konrad I., weitere 11 Jahre danach, ebenfalls gesalbt worden. Der Verzicht Heinrichs war kein Bruch einer langen Tradition, er war wohl abgewogen, er wollte sich freie Hand gegenüber der Kirche bewahren.

Siegel Heinrichs I.

Heinrich, der bislang nur im fränkischen und sächsischen Gebiet Königsgewalt ausüben konnte, machte sich noch im Wahljahr mit einem Heer nach Schwaben auf, um dort Herzog Burchard II. (883 – 926) zu unterwerfen. Ein geschickt gewählter Zeitpunkt, denn Burchard stand im Krieg mit dem hochburgundischen König Rudolf II., der zu dieser Zeit seinen Herrschaftsbereich gewaltsam nach Osten und Nordosten erweiterte. In der Schlacht bei Winterthur konnte sich Burchard gegen Rudolf durchsetzen und den Zürichgau und Thurgau zurückerobern. Um einen Konflikt mit Heinrich zu vermeiden, unterwarf er sich widerstandslos und huldigte ihm, wofür er weitreichende Rechte in seinem Herrschaftsbereich zugestanden bekam. Heinrich verzichtete dadurch zwar auf Königsmacht in Schwaben, gewann aber umgekehrt einen wichtigen Parteigänger im Südwesten.
Das Herzogtum Bayern vermochte Heinrich zunächst nicht unter Kontrolle zu bringen. Zur Erinnerung, das Territorium von dem hier gesprochen  wird, ragte weit über das heutige Bayern hinaus und beinhaltete Kärnten, Nieder- sowie Oberösterreich, die Steiermark das Friaul und Teile Istriens. Auch auf Schwaben, besser ausgedrückt wäre Alemannien, traf dies in gleicher Weise zu. Es bestand aus dem, was wir heute zu großen Teilen als das Land Baden-Württemberg kennen, ohne die nördlichen Teile Badens, aus dem Elsass und weiten Bereichen der deutschsprachigen Schweiz, sofern nicht zeitgleich mit Oberburgund darum gestritten wurde. Der bayrische Herzog Arnulf, er war zwischenzeitlich aus dem ungarischen Exil zurückgekehrt, entzog sich dem Zugriff durch den ostfränkischen König und strebte ein eigenes ostfränkisches Teilkönigtum an, wie schon zu Zeiten Karlmanns, dem ältesten Sohn Ludwigs des Deutschen. Es drohte eine Situation, wie sie im westfränkischen Reich bestand, wo eine schwach ausgeprägte Königsherrschaft die Abspaltung Hoch- und Niederburgunds ermöglichte. Heinrich führte zwei Heerzüge nach Bayern, wodurch Arnulf zur Unterwerfung gezwungen wurde. Dem bayischen Herzog wurden anschließend ähnlich vorteilhafte Herrschaftsbedingungen zugestanden, wie zuvor Herzog Burchard von Schwaben. Selbst Lothringen konnte wieder ins ostfränkische Reich rückintegriert werden, obwohl Heinrich dies ursprünglich nicht beabsichtigte und hierzu mit Karl III. dem Einfältigen November 921 einen Freundschaftsvertrag schloss. Karl stand im eigenen Königreich unter Druck, die Königsschwäche im westfränkischen Reich wurde akut. 922 wählten Teile des dortigen Adels ein Gegenkönig, es kam zum Bürgerkrieg und zur Schlacht.  Zwar fiel der Gegenkönig im Kampf, doch geriet Karl gleichzeitig in Gefangenschaft so dass die Schlacht verloren ging. In Lothringen formierte sich daraufhin eine Fürstenkoalition die sich vom glücklosen Karl III. löste und stattdessen Heinrich I. unterwarfen.
Heinrich vereinte mit verhältnismäßig wenigen Aufwand alle fünf Herzogtümer unter seiner Krone. Der zu leistende Preis war die Aufgabe wesentlicher Herrschaftsrechte in diesen Gebieten. Heinrichs bisherige Herrschaft verlief in diesem Sinne bislang erfolgreich, er konnte den Zerfall des ostfränkischen Reichs verhüten. Politisch setzte er nach der förmlichen Unterwerfung und Huldigung, auf Ausgleich mit den Territorialfürsten und zelebrierte öffentliche Freundschaftsbündnisse. Hauptherausforderung blieben die Ungarn, die 919, 924 und 926 in großen Gruppen ins vage sich wieder formierte Reich einfielen und schwere Schäden anrichteten. Heinrich blieb tatenlos und überließ, ähnlich wie seine Vorgänger, die Verteidigung den lokalen Mittelmächten. 926 kam ihm schließlich das Glück zur Hilfe, es gelang die Gefangennahme eines hohen ungarischen Fürsten. Der Name ist nicht überliefert. Bei Werla im heutigen Niedersachsen flüchtete sich der König vor einem großen Trupp Ungarn mit einer Schar Krieger in die dortige, stark befestigte Königspfalz. Die imposante Ringwallanlage umschloss ein Areal von rund 20 Hektar. Eine günstige Gelegenheit zum Ausfall nutzend, gelang ihm die Gefangennahme des Anführers. Statt dem üblichen Lösegeld, was wegen der ständigen Plünderungen nur rechte Tasche, linke Tasche bedeutet hätte, handelte er einen neunjährigen Frieden mit den Ungarn aus und war bereit jährliche, im Herbst fällige Tribute zu leisten. Eine weitblickende Entscheidung mit Tragweite. In den kommenden Jahren erfolgte eine grundlegende Reformierung des Heerwesens. Dem erfolgreichen Beispiel Arnulfs von Bayern folgend, lag der Schwerpunkt auf Bildung gut ausgerüsteter und ausgebildeter Reiter. Hierzu wurden aus den waffenfähigen Freibauern je ein Mann von neun genommen, der fortan berufsmäßig als Kriegsmann diente. Zusammen mit anderen Reiterkriegern bewohnte er die jetzt überall entstehenden Ringwallburgen. Es waren üblicherweise mit dicken Palisaden bewährte, an strategischen Plätzen errichtete Schutzburgen, die der ländlichen Bevölkerung im Falle von Überfällen als Rückzugsort dienten. Die Errichtung bzw. der Ausbau vorhandener Burgen wurde in Heinrichs Burgenordnung, ein Begriff der so erst durch die Geschichtsschreibung in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts geprägt wurde, im November 926 auf dem Wormser Hoftag beraten und beschlossen. Die zu einem Burgbezirk gehörenden Bauern mussten ein Drittel ihrer Ernte in der Burg einlagern, um bei Überfällen Schutzsuchende und stationierte Truppen längere Zeit versorgen zu können. Zusammenkünfte, Festlichkeiten usw. mussten auf Anordnung in diesen Burgen abgehalten werden, um den lokalen Zusammenhalt zu fördern, der als wichtige Voraussetzung eines erfolgreichen Widerstands gesehen wurde. Die Maßnahmen beweisen, der Erhalt der Bevölkerung war von größter Dringlichkeit. Schlimmer als Raub und Zerstörung, waren die von Ungarn herbeigeführten Menschenverluste, egal ob sie nun erschlagen oder verschleppt wurden.
Im Herbst 928 war Formierung, Ausrüstung und Ausbildung des neuen Heeres soweit fortgeschritten, dass es erstmals in größerem Rahmen eingesetzt wurde. Wohlweislich nicht gegen die Ungarn selbst, mit denen noch Waffenruhe herrschte. Ziel waren stattdessen die Slaven dieseits und jenseits der Elbe. In den zurückliegenden drei Königsgenerationen war das Tributverhältnis mit den Slawen verlorengegangen. Die Macht des ostfränkischen Reich war so dramatisch zerfallen, dass man vom Tributempfänger, zum Tributleistenden geworden war.
Erstmals in der Geschichte kommt Brandenburg ins Spiel. Winter 829/29, bei klirrender Kälte, nahm Heinrich die beherrschende Havelfestung Brennaburg, eingedeutscht Brandenburg, ein und führte Tugomir, den Sohn des namentlich unbekannten Hevellerfürsten sowie dessen Tochter als Geiseln weg. Bis zum Frühling unterwarf er das ganze Havelland und zwang die Heveller zur Tributpflicht. Das neue Heer Heinrichs verschlang enorme Summen, die durch die jahrelangen Plünderung und entstandenen Schäden nur unter Streckung aller Kräfte aufgebracht werden konnten. Die Verluste an Mensch, Vieh und beweglicher Habe aller Art sowie die hohen Tributzahlungen an die Ungarn, blieben nicht ohne ökonomische Folgen für das ostfränkische Reich. Trotz oder gerade wegen dieser hochangespannten Lage, wurden alle Ressourcen gebündelt um das Reiterheer auf einem hohen Ausrüstungs- und Ausbildungsstand zu halten. Gleichzeitig musste die fortwährende Anlage neuer Burgen, sowie die Verstärkung vorhandener finanziert werden. Die Siege seiner aufgebotenen sächsischen Truppen in den Slawengebieten waren umfassend. Heinrich unterwarf langfristig nicht nur die Heveller, auch die Abodriten, Daleminzier, Böhmen, Redarier, Lausitzer, Milzen und Ukranen, worauf sie alle wieder zu tributpflichtigen Vasallen wurden, wie zu den großen Tagen der Karolinger. Zur Kontrolle der Slawen richtete er in der sogenannten sächsischen Ostmark starke Militärstützpunkte ein, so auf der Brandenburg oder auf der neu errichteten Burg Meißen. Die militärischen Erfolge hoben nicht nur die Kampfmoral und Zuversicht der neuen Truppen, die slawischen Tributzahlungen entlasteten gleichzeitig die königlichen Finanzen und erhöhten das Prestige des Königs.

Noch vor Ablauf des Waffenstillstands setzte Heinrich alles auf eine Karte. Seine Anerkennung im ostfränkischen Reich hatte einen Höhepunkt erreicht. Heinrichs Innenpolitik, die auf Ausgleich mit den Großen setzte, hatte alle Stammesherzöge hinter sich gebracht, dies wollte er nutzen. Nach gemeinsamer Beratung wurde darin übereingestimmt, die Zahlungen nicht mehr weiter zu leisten, der königliche Schatz war ohnehin fast erschöpft. Im Herbst 932 kamen die Abgesandten aus Ungarn, um wie gewöhnlich den Tribut einzufordern. Dieses Mal erhielten sie statt des üblichen Tributs, der Legende des Widukind von Corvey folgend stattdessen den Kadaver eines Hundes vor die Füße geworfen. Ein bewusst einkalkulierter Akt der Provokation, den die Ungarn keinesfalls unbeantwortet lassen konnten. Sie waren den Hund gekommen und ließen diese Beleidigung erwartungsgemäß nicht lange unbeantwortet. Der Winter noch nicht recht abgeklungen, machten sich die Ungarn 933 mit großem Heer in zwei Gruppen geteilt, diesmal besonders früh im Jahr, auf den Weg. Eine Heeressäule nahm den Weg über Italien, fiel in Ober- und Niederburgund ein und plünderte, ohne auf großartigen Widerstand zu stoßen. Die zweite Gruppe drang ins ostfränkische Reich vor, wo sie sich nochmals teilten. Eine der Teilgruppen wurde im sächsisch-thüringischen Grenzgebiet gestellt, geschlagen und zerstreut. Die zweite, größere Gruppe, belagerte indes die Burg eines gewissen Wigo. Es ist bis heute ungewiss,  wo sie Lage dieser Burganlage war. Heinrich und mit ihm Vertreter aller Gaue des Reichs, sammelten sich zum Entsatz. Heinrich hatte eine sprichwörtliche Wunderwaffe zur Hand, die lancea sacra, die sogenannte Heilige Lanze. Ihr Vorbesitzer, König Rudolf II. von Oberburgund, tauschte sie seinerzeit anlässlich des Wormser Hoftags von November 926 gegen den ursprünglich zum Herzogtum Schwaben gehörenden Aargau samt der Stadt Basel ein. Der Überlieferung nach, trägt die Lanze im Inneren einen der Nägel, mit denen Christus ans Holz geschlagen wurde. Dem Träger dieses Relikts soll in der Schlacht der Sieg vorbestimmt sein und entsprechend wurde unter den Kriegern der versammelten ostfränkischen Territorien viel Aufsehen um diesen sakralen Gegenstand gemacht, der beiläufig erwähnt, das älteste Kleinod der Reichsinsignien darstellt.
Den Ungarn, die die erwähnte, nicht näher bekannte Burg belagerten, war zwischenzeitlich von Versprengten die Nachricht überbracht worden, dass ihr weiter westlich operierender Heerhaufen geschlagen wurde und sich aufgelöst hatte. Aufgeschreckt, lösten sie die Belagerung auf und sammelten ihre Kräfte. Bei einem in den Analen als Riade bezeichneten Ort, der bis heute nicht eindeutig lokalisiert werden konnte, kam es am 15. März zur Schlacht. Heinrich, im festen Vertrauen auf die Stärke seiner schweren Reiterei, musste zu einer List greifen, um die Ungarn überhaupt zum Gefecht zu stellen. Seine Hauptkräfte hielt er im Verborgenen und lockte stattdessen mit leichter Reiterei der thüringischen Legion den Feind an. In bewährter Strategie gingen die Ungarn vor. Reitergruppen stießen vor, feuerten eine Salve Pfeile ab und zogen sich daraufhin wieder zurück, um nun Welle auf Welle das gleiche Manöver durchzuführen. Sobald der fortlaufend beschossene Gegner in Folge erlittener Verluste oder weil die Nerven durchgingen, die eigene Formation auflöste, fielen die Ungarn mit voller Stärke und danke ihren schnellen und ausdauernden Pferde über den sich absetzenden, bald in heilloser Flucht auflösenden Feind her und rieben ihn auf. Genau dieses so oft erlebte Szenario schien sich aus der Sicht der Ungarn wieder abzuzeichnen. Die Thüringer hielten der ersten Pfeilattacke stand, doch noch bevor die Ungarn zur zweiten geschlossenen Salve ansetzen konnten, gingen die bislang verborgenen Hauptkräfte mit angelegter Lanze zum Gegenangriff über. Die Ungarn mussten von diesen unerwarteten Kräften tatsächlich überrascht worden sein. Ob sich eine blutige Schlacht entwickeltet, ist bis zum heutigen Tag unklar. Die von zeitgenössischen Chronisten erwähnten 36.000 erschlagenen Ungarn erscheinen in jedem Fall sehr übertrieben. Wahrscheinlich konnten die zur überstürzten Flucht wendenden ungarischen Hauptkräfte von Heinrichs Reitern mehrheitlich nicht eingeholt werden, wenn auch mancher den Lanzen der Panzerreiter zum Opfer gefallen sein wird. Verheerend genug war die Einnahme des ungarischen Lagers. Es konnten die zahlreich versammelten Geiseln befreit und reiche Beute gemacht werden. Obwohl die Ungarn nicht entscheidend geschlagen wurden, war es ein großer Sieg. Sie kamen während Heinrichs Regierungszeit kein weiteres Mal. Er war nun unangefochten im Reich. Seine Entschlüsse sowohl hinsichtlich der Anlage von Schutzburgen, wie auch die neue Reiterei waren von Erfolg gekrönt, wodurch er aller Welt bewies, besonders jedoch den großen im Reich, dass er über das notwendige Königsheil eines erfolgreichen Herrschers verfügte, und somit augenscheinlich den Segen Gottes besaß. In einer vom Kriegeradel geführten Gesellschaft war nichts bedeutsamer, als der Erfolg der Waffen. Ein König der auf dem Schlachtfeld Sieger blieb, hatte die Achtung und den Gehorsam seiner Zeitgenossen. Sein Sieg fand überall großen Anklang und man darf davon ausgehen, dass er zur Stärkung seines Herrschaftsanspruchs auch überall von den Ereignissen berichten ließ.
Im Jahre 934, nachdem ungarische Überfälle ins Reich ausblieben, unterwarf Heinrich I. in einem schnellen Feldzug die heidnischen Dänen. Gründe hierzu waren fortgesetzte dänische Seeräubereien gegen friesische Händler. Ihr geschlagener König Knut wurde tributpflichtig und nahm in der Folge sogar den christlichen Glauben an, wenn auch halbherzig.
Zu den Königen von Burgund und dem westfränkischen Reich pflegte Heinrich I. ein freundschaftliches Verhältnis, womit seine Herrschaft ringsum unangefochten blieb. 935, die Aufzeichnungen geben keine genaueren Zeitangaben, erlitt Heinrich auf der Jagd bei Elbingerode, südwestlich von Quedlingburg, einen Schlaganfall. Die Frage nach einer Nachfolge wurde jetzt dringend. Heinrich hatte insgesamt vier Söhne aus zwei Ehen, Thankmar, Otto, Heinrich und Brun. Bereits 929, anlässlich des  Quedlinburger Hoftags, zeichnete sich Heinrichs präferierte Nachfolgeordnung ab. Um es abzukürzen Heinrich I. wollte Otto, den ältesten Sohn aus zweiter Ehe mit Mathilde, seinem erstgeborenen Thankmar vorziehen. Den jüngsten Sohn Brun sah er für ein geistliches Leben vor und übergab ihn der Obhut des Bischofs von Utrecht. Mit Sohn Heinrich, er wurde den Berichten zufolge von seiner Mutter Mathilde bevorzugt, entstand ein Interessenkonflikt. Auf einem Reichstag zu Erfurt beschloss Heinrich testamentarisch dass die jüngeren Brüder Ottos sich ihm unterordnen sollen, nur er die Krone erben werde. Heinrich I. wandte sich hiermit in wegweisender Weise von der fränkischen Tradition ab, die eine Herrschaftsteilung unter den legitimen, teilweise auch illegitimen männlichen Nachfahren vorsah.

Am 2. Juli 936 starb der König nach einer Serie weiterer Schlaganfälle in der Pfalz Memleben, im Beisein seiner Söhne und Ehefrau. Heinrich führte in seinen 17 Jahren Regentschaft das auseinandertreibende ostfränkische Reich wieder zusammen. Er förderte durch eine Politik des Ausgleichs und Duldung großer territorialer Selbstständigkeit in den traditionellem Stammesgebieten, ein Zusammenwachsen in Form eines Bundes. Wenn er dadurch auch direkte Verfügungsgewalt in diesen Regionen verlor, gewann das Königtum an Identifikation und Bedeutung unter seinen Untertanen und im umliegenden Ausland. Die ständige Gefahr der Ungarn förderte das Einheits- und Zusammengehörigkeitsgefühl, was den schon länger schwelenden Autonomisierungsbestrebungen entgegenwirkte. Die von ihm beschlossene Heeresreform war Keimzelle des späteren Ritterwesens und leistet zur Entstehung eines feudalen Landadelsstands entscheidenden Beitrag. Es gelang ihm die Slawen östlich der Elbe erneut tributpflichtig zu machen, nachdem diese unter den frühen ostfränkischen Karolingern die Abhängigkeit vom Reich abstreiften. Der heidnische dänische König Knut wurde durch einen Heerzug gezähmt, christianisiert und ebenfalls zu Tributzahlungen verpflichtet. Die wichtigste Leistung mit der größten Innen- und Außenwirkung blieb aber sein erfolgreicher Widerstand gegen die einfallenden Ungarn, wodurch der völlig Ruin des Reichs abgewendet und umegekehrt wurde.
Heinrich, der sich rex francorum orientalium nannte, sah sich, obwohl Sachse, noch in der Tradition der ostfränkischen Könige. Mit seiner Politik, eine Mischung aus Machtdemonstration und konsensualer Verständigung, die zur Föderalisierung des Reichs führte, beschritt er neue Wege. Ein  Übergang vom alten ostfränkischen Reich in ein noch wesensähnliches,  aber weiterentwickeltes Reich, zeichnete sich ab. Wenn bereits die Wahl Konrads I. einen Bruch mit der Königsdynastie der Karolinger bedeutete, so stellte die Wahl des Sachsen Heinrich eine völlige Abkehr von der fränkischen Vorherrschaft im germanischen Raum dar. Ob die Verweigerung der Königssalbung ein von Heinrich selbst gewählter, öffentlicher Ausdruck willentlicher Distanz gegenüber dieser fränkischen Praxis war, bleibt offen. Mit seiner Verfügung, dass die Krone des Reichs und das Reichsgut auf Sohn Otto übergehen soll, schuf er einen Präzedenzfall. Ein Novum, das für die weitere Entwicklung des Reichs wegweisend war. Das ostfränkische Reich bekam unter Heinrich eine andere Prägung und Richtung. Sächsische und thüringische Adelshäuser traten vermehrt unter den Großen des Reichs auf, überhaupt verschob sich das Schwergewicht erstmals in den norddeutschen Raum, mit Quedlinburg als eines der neuen Zentren, weg von Frankfurt, Köln, Worms und Aachen.


Das ostfränkische Reich unter Otto I.

Otto I.
Kopf des Magdeburger Reiters

Otto, noch vom Vater zu Lebzeiten designiert, trat die Nachfolge als König der Ostfranken – es sei an der Stelle bereits gewagt, wenn auch zu früh – als König der Deutschen an. Über die Vorgänge der Krönung liegt uns der ausführliche Bericht des Mönchs Widukind von Corvey vor. Er wurde erst drei Jahrzehnte später geschrieben und ist seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts Gegenstand kritischer Debatten unter Mediävistikern. Da kein alternativer Bericht vorliegt, bedienen aber auch wir uns daraus. Ein Wahlkonvent unter den Großen des Reichs fand nicht statt. Die Bestimmung des Vaters wurde vom maßgeblichen Hochadel akzeptiert, demgemäß traf man die notwendigen Vorbereitungen zur Krönung. Nach Widukind soll das Volk die Basilika Karls des Großen zu Aachen zum Krönungsort bestimmt haben. Nun dürfte der Entschluss vom gemeinen Volk ausgegangen sein, eher vom versammelten Adel. Am Krönungstag, dem 7. August 936 waren alle Herzöge der zum Reich gehörenden Stammesgebiete anwesend. Es waren dies Giselbert von Lothringen, Eberhard von Franken, Arnulf von Bayern und Hermann von Schwaben. Sachsen, das fünfte Herzogtum, repräsentierte der angehende König selbst. Die anwesenden Großen des Reichs, neben den genannten Herzögen zahlreiche Gaugrafen etc., huldigten dem erwählten König in der Vorhalle der Basilika, welcher auf dem Thron Karls des Großen sitzend die Unterwerfung und Huldigung empfing. Es folgte die königliche Investitur. Otto wurde von Erzbischof Hildebert von Mainz († 937) mit dem Reichsschwert gegürtet, anschließend der Königsmantel angelegt und das Szepter überreicht. Salbung und Krönung nahmen Hildebert von Mainz und der Kölner Erzbischof Wichfried († 953) gemeinsam vor.
Otto beging seine Thronbesteigung, ganz im Gegensatz zum Vater, mit großem Zeremoniell. Die Anwesenheit aller bedeutsamen Persönlichkeiten des Reichs war zunächst Ausdruck einer vorläufig uneingeschränkt anerkannten Regentschaft. Die Voraussetzungen zu Beginn seiner Regierung schienen optimal, doch schwelte Hader in der Familie. Heinrich, der nächstjüngere Bruder Ottos, hatte noch zu Lebzeiten gegen die Pläne des Vaters aufbegehrt, mit tatkräftiger Unterstützung von Mutter Mathilde. Er war unzufrieden nicht als Mitkönig regieren zu dürfen. Thankmar, Heinrichs I. ältester Sohn aus erster Ehe, wurde völlig von der Thronfolge ausgeschlossen und mit dem Nachlass der Mutter abgefunden, welchen er auf Entscheidung Ottos, der ihn anderweitig verlieh, nie erhielt, womit ein weiterer Bruder oppositionell wurde. Es folgten durch den Tod Herzog Arnulfs von Bayern ernste kriegerische Auseinandersetzungen, die Otto erst nach zwei Heerzügen für sich entscheiden konnte. Auch in Sachsen selbst, am meisten aber in Schwaben und Franken, war man mit Ottos Lehnspolitik sehr unzufrieden. Er überging mächtige Familien und deren vermeintliche Rechte, womit es zur Abkehr von der väterlichen Politik des Konsens kam. Dabei machte Otto selbst vor der eigenen Familie keinen Halt, wie das Beispiel Thankmars beweist.
Für Oktober 941 plante Heinrich einen Mordanschlag auf seinen königlichen Bruder. Eine Reihe sächsischer Adliger war in das Komplott verwickelt, doch Otto erfuhr von den Plänen, traf Vorkehrungen und holte zum Gegenschlag aus. Heinrich wurde gefangengenommen, übrigens zum zweiten Mal, seine Mitverschwörer größtenteils hingerichtet. Heinrich gelang zunächst die Flucht, Weihnachten 941 unterwarf er sich aber in bußfertiger Weise zu Frankfurt dem königlichen Bruder, der ihm ein weiteres Mal verzieh. Fortan blieb Heinrich treu und verzichtete auf alle Thronansprüche. Nach Niederschlagung der sächsischen Adelsrebellion, folgten Jahre relativen Friedens und der Machtkonsolidierung.
Um im Detail auf das Leben Ottos I. einzugehen, wäre Stoff für mehr als ein Buch, weswegen wir uns nur auf die allerwichtigsten Episoden in Kurzform konzentrieren. Zweifelsfrei gehört die Erwerbung der italienischen Krone dazu, die wenn auch nicht durch bloßen Zufall, so doch immerhin unerwartet in die Hände Ottos fiel.
Zur Erläuterung des Kontext, muss ein wenig ausgeholt werden: In Italien saß seit dem Tod Kaiser Arnulfs von Kärnten mit dem Franken Berengar I. wieder einer der sogenannten Nationalkönige auf dem Thron der Langobarden. Wir gehen die Reihe zügig durch. Ihm folgte Rudolf II., der fränkische König von Hochburgund. Jener Rudolf II., übrigens aus einer burgundischen Nebenlinie der Welfen stammend, der König Heinrich I. auf dem Hoftag zu Worms 926 die Heilige Lanze im Tausch gegen den Aargau aushändigte. Nach Rudolf kam Hugo I., ein Bosonide aus Niederburgund. Hugo wurde von seinem Sohn Lothar II. beerbt und hier setzen wir ein. Jener Lothar II. war mit einer gewissen Adelheid, Tochter des schon erwähnten Rudolfs II. von Hochburgund verheiratet. Lothar starb mit nur 22 Jahren im November 950 in Turin, vermutlich wurde er vergiftet. Die Regentschaft, die er 946 von seinem zurückgetretenen und bald danach gestorbenen Vater übernahm, übte er faktisch nicht aus, denn Berengar II., der mächtige Markgraf von Ivrea, war eigentlicher Herr in Ober- und Mittelitalien und dies schon, während König Hugo I. noch amtierte. Nach dem vorzeitigen Tod Lothars II. wählten Teile des lombardischen Adels Berengar  zum König. Adelheid, die junge Witwe Lothars wurde zwischenzeitlich von Berengar auf seiner Burg in Garda festgehalten. Sie sollte seinen Sohn und Mitkönig Adalbert II. heiraten, weigerte sich aber. Die Herrschaft Berengars II. und seines Sohns Adalbert II. stieß bald auf Missfallen in weiten Kreisen des oberitalienischen Adels. Adelheid gelang mit ihrer kleinen Tochter Emma die Flucht auf die Burg Canossa, wo sie, dieser Teil ist umstritten, ein Hilfegesuch an Otto I. ins ostfränkische Reich sandte. Otto hatte, Hilfegesuch hin oder her, ein Eigeninteresse zu intervenieren. Seit 946 verwitwet, sah er in der Rettung, verbunden mit einer möglichen Heirat der noch jungen Burgunderin, Witwe des gerade verstorbenen Königs von Italien, Tochter eines ehemaligen Königs von Italien, die begründete Chance die Krone der Langobarden an sich zu bringen, gefolgt von der Kaiserkrone. Nachdem ein unzureichend vorbereiteter, überstürzter und hoffnungslos unterbemannter Zug Liudolfs, Ottos Sohn, in einem schmählichen Fehlschlag endete – die Aktion wurde vom eigenen Onkel, von Ottos Bruder Heinrich aus Eifersucht hintertrieben und verraten – machte  sich der König an der Spitze eines großen Heers im Spätsommer 951 selbst auf den Weg über die Alpen. Heinrich, der zuvor den eigenen Neffen verriet, fungierte als Heer- und Verhandlungsführer Ottos. Berengar II. flüchtete vor dem herannahenden Heer aus Pavia, das kampflos in die Hand der Deutschen fiel. Wir haben es ein weiteres Mal gewagt und von deutsch gesprochen, immer noch zu früh und doch notwendig, um den fließenden Übergang vom fränkisch dominierten Reich zu einem Reich deutscher Stämme zu kennzeichnen. Otto nahm jetzt, wir greifen vorweg, noch vor der Hochzeit mit Adelheit, den Titel eines Königs von Italien an. Er wurde weder erwählt, noch gesalbt oder gekrönt, dennoch machte ihm niemand den Titel streitig. Oberitalien, nur hierauf konzentrierte sich sein Einflussgebiet, fiel an das ostfränkische Reich und war fortan Bestandteil deutscher Herrschaftspolitik für ein gutes halbes Jahrtausend. Im Oktober erfolgte die Hochzeit mit Adelheid von Burgund. Seine militärische Thronusurpation in Italien bekam dadurch gewissermaßen eine nachträgliche Legalisierung.
Otto I. saß weiterhin nicht fest im Sattel. Die Entscheidung des Vaters das Königtum, besonders aber den allergrößten Teil des territorialen Erbes an nur noch eine Person, an Otto weiterzugeben, brachte die schon am Rande erwähnten Auseinandersetzungen mit den Brüden Thankmar und Heinrich zu Beginn seiner Herrschaft ein, welche Otto letztlich militärisch für sich entscheiden konnte. Thankmar fand dabei auf der Eresburg einen unrühmlichen Tod. Jetzt, mehr als ein Jahrzehnt später, erschütterte eine erneute Krise den Frieden und wieder kamen die Unruhen aus den Reihen der Familie. Nicht mehr Bruder Heinrich, der endgültig befriedet war, sondern diesmal Ottos Sohn Liudolf. Als designierter Nachfolger des Vaters, fürchtete Liudolf um seine zukünftige Stellung als Thronfolger. Was wenn aus der Heiratsverbindung mit der stolzen Adelheid weitere Söhne erwuchsen, eine ernste Gefahr für seine einstige Nachfolge im Reich. Was wenn der Vater vom eingeschlagenen Weg des Großvaters. abging und dereinst unter allen geborenen Söhnen die Regentschaft verteilte, ganz der alten fränkischen Tradition folgend? Was wenn Otto, wie Heinrich I. im Jahr 929 einst Thankmar, ihn Liudolf, den Erstgeborenen Ottos überging und stattdessen einem zukünftigen Nachkommen aus der Ehe mit Adelheid Krone und Szepter vermachte? Getrieben von dieser Sorge, verfinsterte sich das Verhältnis. Liudolf rebellierte gegen den Vater, was ursprünglich unbeabsichtigt war, dann aber rasch eine Eigendynamik erhielt, an deren Ende sich der Sohn, aller Verbündeter beraubt, rituell dem Vater unterwerfen musste.

Was war mit den Ungarn seit der Thronbesteigung Ottos? Mit dem Wechsel an der Spitze des Reichs probten die Ungarn 938 die Widerstandskraft der neuen Regierung indem sie in Sachsen einfielen. Das Burgensystem Heinrichs I. bewährte sich abermals vortrefflich, die Ungarn wurden abgeschlagen und blieben die kommenden Jahre fern. Sie durchstreiften stattdessen andere europäische Regionen. Nach den diversen Machtkämpfen im Reich, Otto konnte sie alle für sich entscheiden, wenngleich teilweise mit Mühe, kam es in Bayern zum Machtwechsel. Der königstreue Berthold, Onkel des bisherigen Herzogs Eberhard, wurde mit Bayern belehnt. Er führte am 12. August 943 auf der Welser Heide, im oberösterreichischen Alpenvorland, einen schweren Schlag gegen ein gerade einrückendes ungarisches Heer. Fünf Jahre später fielen die Ungarn unter einem neuen Anführer abermals in Bayern ein und wurden ein weiteres Mal geschlagen. Es folgte 949 ein erfolgreicher offensiver Vorstoß ins Gebiet der Ungarn. Es war seit der verheerenden bayrischen Niederlage vom 4. Juli 907 bei Pressburg, das erste offensive Vorgehen, das direkt gegen ungarische Siedlungsgebiete gerichtet war.
Die wiederholten Rückschläge der Ungarn in den zurückliegenden Jahrzehnten, welche sich insbesondere in Bayern, meist während des Rückzugs ereigneten, blieben nicht ohne Auswirkungen auf die immer sesshafter werdenden Stämme im Karpartenbecken. Man darf nicht davon ausgehen, dass das ganze ungarische Volk, vielmehr seine wehrfähigen Männer, zu Reiterkriegern wurden und  einziges Ziel ihres Lebes darin bestand, in räuberischen Kriegszügen Jahr für Jahr in die Ferne zu ziehen. Schon zu Beginn der Pannonischen Landnahme begannen große Gruppen sesshaft zu werden und das Land zu bebauen, statt weiter zu nomadisieren. Es entwickelte sich auf Dauer eine bodenständige Bevölkerung, die sich mit den schon ansässigen Slawen versippte. Noch war aber die Kaste der Reiterkrieger die treibende Kraft und gab die politische Richtung vor. Die ungarischen Rückschläge führten zu Anpassungen in den Strategien der Magyaren. Natürlich blieben ihnen die überall entstandenen Burgen nicht verborgen, auch nicht die Professionalisierung des ostfränkischen Heers und noch weniger dass die Gegenden die sie durchstreiften, in kürzester Zeit menschenleer waren, weil überall die Bevölkerung mit ihrem Vieh und ihrer mobilisierbaren Habe in die Fluchtburgen entwisch, wo sie zur Not wochenlang ausharren konnten. Sie wurden selbst vorsichtiger, kundschafteten ausgiebig und waren informiert hinsichtlich der politischen Lage in den jeweiligen Zielgebieten. Es blieb ihnen nicht verborgen, das Otto I. im Kampf gegen seinen Sohn Liudolf unter Druck stand und dass parallel dazu die Slawen im ostfränkischen Grenzgebiet für Unruhen sorgten. Bayern und Franken standen zeitweise und wechselseitig auf der Seite des aufständigen Sohns. Die Fesselung und Blockierung der militärischen Kräfte im innerdeutschen Vater-Sohn-Konflikt nutzten die Ungarn 954 zu einem spektakulären Zug entlang der Donau, über den Rhein ins westfränkische Reich bis an die Atlantikküste und zurück, ohne dass sie großartigen Widerstand erfuhren. Bestärkt vom Erfolg sollte 955 ein konzentrierter Schlag auf das ostfränkische Reich erfolgen, dort hatte sich aber im Sommer die Lage grundlegend zugunsten König Ottos geändert. Im Herbst  unterwarf sich Liudolf. Auf einem Hoftag in Arnstadt, südwestlich von Erfurt, wurde formell der Friede zwischen Vater und Sohn wieder hergestellt. Die Kräfte im Reich standen dem König aber weiterhin nicht voll zur Abwehr der ungarischen Bedrohung zur Verfügung. Zunächst waren die Slawen entlang der Elbe und in den Marken zu unruhiger Aktivität übergegangen und bedrohten unmittelbar Ottos sächsisches Herzogtum links der Elbe. Mit Unterstützung zweier sächsischer Großen, fielen die Elbslawen nach Ostern 955 in Sachsen ein, während der König zeitgleich Regensburg belagerte, dass sich, wie weitere Teile Bayerns, gegen ihn und den neuen Herzog Heinrich, Ottos jüngerer Bruder, auflehnte. Die slawische Bedrohung in Sachsen zwang den König seine ohnehin angespannten Kräfte zu teilen. 2.000 der wertvollen Panzerreiter, die schlagkräftigste Waffe des Heers, musste er in Sachsen zum Schutz vor den Slawen zurücklassen.

Niemand wusste welchen Weg die Ungarn ins Reich nehmen würden. Es war nicht ausgeschlossen, dass sie in diesem Jahr überhaupt nicht kamen. Im Mai kamen Nachrichten, dass die Ungarn in großen Gruppen die Grenze zum Herzogtum Bayern überschritten. Zunächst marschierten sie entlang der Donau nach Westen, schwenkten dann nach Süden ein, Richtung Augsburg, überschritten den Lech und begannen die gesamte Gegend um Augsburg bis zur Iller einzuäschern. Einzelne Gruppen streiften sie bis in den Schwarzwald und plünderten nach alter Manier. Die Hauptkräfte blieben vor Augsburg liegen und begannen ganz untypisch für die Ungarn, mit der Belagerung der Stadt, die von Bischof Ulrich verteidigt wurde. Erst kürzlich hatte Stadt eine niedrige, turmlose Steinmauer erhalten, die jetzt heftig von den Ungarn berannt und mit größter Zähigkeit von den Augsburgern und den Truppen des Bischofs verteidigt wurde. Otto rief zur allgemeinen Heerschau auf und machte sich mit seinen sächsischen Teilkräften auf den Weg. Auch aus den anderen Herzogtümern, außer aus Lothringen, strömten ihm Truppen zu, sogar ein starkes Kontingent von 1.000 Mann aus Böhmen, dass hier erstmals in großem Stil an der Seite deutscher Fürsten kämpfte. Alles in allem standen dem König rund 10.000 bei Ulm sich sammelnde, stark bewaffnete Reiter zu Verfügung, davon 3.000 Mann aus Sachsen, ebenso viele aus Bayern, 2.000 aus dem Herzogtum Schwaben und je 1.000 aus Franken und Böhmen. Die Zahl der ungarischen Kräfte ist unbekannt, Widukind von Corvey spricht von der unglaublichen Zahl von 100.000 Mann, was kaum realistisch ist. Wahrscheinlicher dürften es um die 40.000  oder 50.000 Mann gewesen sein. Wie auch immer, die Aussichten für das Heeresaufgebot fast aller deutschen Stämme waren auch dann nicht rosig.
Zu allem Überfluss wurde das Herannahen den Ungarn von einem oppositionellen Bayern verraten. Die Ungarn verstärkten jetzt ihre Bemühungen Augsburg zu Fall zu bringen. Beim bislang schwersten Angriff auf das zum Lech hin gerichtete Stadttor, fiel der ungarische Angriffsführer womit die weiteren Bemühungen eingestellt wurden. Die Ungarn rüsteten sich zur Schlacht gegen den herannahenden Otto. Nach den Erfahrungen der zurückliegenden Gefechte, wussten sie, dass die deutschen Reiter schwer gepanzert und diszipliniert waren, sich bei guter Führung nicht aus der Formation locken ließen und im Nahkampf durch ihre schwere Bewaffnung und größere Statur weit überlegen waren. Dass die Ungarn die Schlacht dennoch suchten, kann auf ihre zahlenmäßige Überlegenheit zurückgeführt werden, die ihnen Selbstsicherheit und Siegeszuversicht verlieh.

Am 10. August kam es zur Schlacht auf dem Lechfeld. In den  Morgenstunden begann der Anmarsch zum erwarteten Schlachtort. Die Ungarn nutzten ihre hohe Mobilität aus, um den Aufmarsch zu stören. Wissend um die erwarteten Störangriffe der Ungarn, wählte man für den Anmarsch ein baumreiches, schwieriges Gelände zum Schutz gegen die gefürchteten Pfeilhagel der Magyaren. Vorweg waren die drei bayrischen Legionen, gefolgt von den Franken unter dem Kommando Konrads des Roten, dann kam der König mit den auserlesensten Rittern, die Heilige Lanze und das Banner des Heiligen Michaels mitführend. Es folgten zwei Legionen Schwaben und den Schluss bildeten 1.000 böhmische Reiter die den Wagentross deckten. Die Ungarn, leicht bewaffnet und zu Pferde unerreicht geschickt, gelangten mit einem Teil ihrer Kräfte in den Rücken des Reichsheers, zerstreuten die böhmischen Reiter und trieben die Schwaben in die Flucht. Ein Fiasko drohte. In dieser kritischen Phase, noch vor der eigentlichen Schlacht, ließ Otto die vor ihm marschierenden fränkischen Kontingente wenden, um die Situation in seinem Rücken zu bereinigen. Konrad der Rote zerschlug die ungarischen Truppen, die sich plündernd über den Troß hergemacht hatten, und zerstreute sie. Die böhmische und schwäbische Reiterei organisierte sich wieder und fand den Anschluss an die Hauptstreitmacht des Königs.

Über den eigentlichen Schlachtverlauf berichtet erstaunlicherweise niemand der zeitgenössischen Chronisten, überliefert ist nur der Ausgang. Die Ungarn erlitten eine vernichtende Niederlage. Die höchsten Führer, sofern sie nicht gefallen waren, gerieten in Gefangenschaft und wurden später hingerichtet, es gab keine Gnade für den Verlierer. Wer sich noch vom Schlachtfeld retten konnte, teilweise waren es große und intakte Verbände, geriet in den Strudel kopfloser Flucht. Es konnte keinerlei Struktur und Formation mehr gebildet werden. Alles zerfiel in Gruppen und Grüppchen. Überall in Bayern wurden in den kommenden Tagen versprengte Ungarn aufgeschnappt und gelyncht. Der aufgestaute Hass von Jahren und Jahrzehnten entlud sich zügellos. Auf dem Lechfeld lagen nicht nur die gefallenen Leiber der Ungarn, auch unter dem Reichsheer hatte der Tod reiche Ernte gehalten. Herzog Konrad der Rote war der prominenteste Gefallene. In der glühenden Hitze löste er seinen Helm, worauf er von einem ungarischen Pfeil tödlich verletzt wurde. Ebenso fiel der Bruder des Augsburger Bischofs. Nachdem die Ungarn die Belagerung Augsburgs auflösten, war dieser mit einem Teil der berittenen Truppen in der Nacht ausgebrochen und hatte sich dem Heer Ottos angeschlossen. Auch sonst muss man schon wegen der zahlenmäßigen Überlegenheit der Ungarn annehmen, dass das Reichsheer viele weitere, schmerzliche Verluste hatte.
Die Auswirkungen der ungarischen Niederlage waren signifikant. Mittel-, West- und Südeuropa wurde nie mehr von ungarischen Reiterheeren heimgesucht. Nur das oströmische Reich erlebte noch für einige Zeit Übergriffe, doch auch diese hörten nach 970 auf. Sie zogen sich aus den südöstlichen Teilen des heutigen Österreichs zurück, worauf dort eine deutsche, eine frühdeutsche Besiedlung einsetzte. Die Macht der Reiterkrieger war gebrochen, es setzten sich andere politische Strömungen bei den Magyaren durch. Das ungarische Volk wurde in der ersten Hälfte des elften Jahrhunderts endgültig sesshaft und nahm den christlichen Glauben an. Es wurde ein Teil der europäischen Völkerfamilie. In Bezug auf Otto war der Sieg auf dem Lechfeld der außen- wie innenpolitische Befreiungsschlag. Kein Fürst im ostfränkischen Raum konnte jetzt noch wagen in unmittelbare Opposition zu treten, nicht gegen einen König, der ganz offensichtlich den Segen des allmächtigen Gottes, der Königsheil hatte. Konflikte gab es derweil in den Stammesherzogtümern weiterhin, es wäre falsch von einer jetzt angebrochenen Zeit des Friedens zu sprechen, und dennoch, das Zusammengehörigkeitsgefühl war groß. Noch auf dem Schlachtfeld riefen ihn die siegreichen Truppen zum Pater Patriae, zum Vater des Vaterlands aus und zum Imperator. Eine Reminiszenz an die Zeit des antiken Roms. Ottos Ruf in Europa konnte nicht schillernder sein, selbst im fernen und stolzen Konstantinopel, im oströmischen Reich, kam man nicht umhin, den ostfränkischen König wahrzunehmen. Doch blieben unmittelbar nach der Schlacht noch die Unruhen in den Slawengebieten. Diesen nahm er sich noch im gleichen Jahr an. Die Slawen, wir meinen hier jene aus den Gebieten der späteren Mark Brandenburg, aus Mecklenburg, Holstein und Pommern, sandten in Erwartung einer sehr wahrscheinlichen Niederlage Unterhändler und boten Tributzahlungen an. Einen kriegerischen Konflikt wider den Sieger über die furchtbaren Ungarn, wollten sie wenn möglich vermeiden. Otto, miltärisch nun im Vorteil, war nicht gewillt die seinem Herzogtum Sachsen zugefügten Schäden ungesühnt zu lassen. Er forderte neben Schadenersatz für die zugefügten Verheerungen, die bedingungslose Unterwerfung, was die Slawen ablehnten und sich in ihre unwegsamen Gebiete zurückzogen.
Furchtbar plündernd und sengend zog Otto mit seinen Truppen, den Markgrafen Gero als einen wichtigen Heerführer bei sich, durch das Slawengebiet östlich der Elbe. An der Raxa, ein in den Analen so erwähnter Fluss, der möglicherweise der Regnitz entspricht, geriet er und seine Sachsen in einen Hinterhalt. Vor sich, auf der jenseitigen Flussseite ein großes Slawenheer, das den Übergang geschickt verhinderte, hinter sich ein mit Hindernissen verbarrikadiertes, feindbesetztes undurchdringliches Widerstandsnest, waren die Sachsen mehr oder weniger bewegungsunsfähig eingeschlossen. Verhandlungen führten zu keinem Ergebnis. Nach einigen Tagen stellte sich Hunger und die ersten Krankheiten ein, es musste schnell gehandelt werden. Otto führte einen nächtlichen Scheinangriff über den Fluss, um den gegenüberliegenden Gegner zu binden und abzulenken, während Markgraf Gero an anderer Stelle drei Behelfsbrücken schlagen ließ. Hierbei erhielten die Sachsen von verbündeten Ranen tatkräftige Unterstützung. Die Ablenkung der gegnerischen Hauptstreitkräfte gelang, der heimliche Brückenschlag glückte. Die sächsischen Truppen setzen am 16. Oktober 955 vom Gegner ungehindert über den Fluss. Zu spät bemerkten die Slawen unter dem Oberkommando des Abodritenfürsten Stoignew die Gefahr. Eilig warf er seine Fußtruppen dem Feind entgegen. Das slawische Heer bestand im Gegensatz zum sächsischen Verband größtenteils aus unberittenen, nur leicht bewaffneten Truppen, was sich in den sumpfigen und waldreichen Gegenden üblicherweise bewährte.
Ottos schwere Reiter warfen den Gegner im ersten Angriff über den Haufen, erschlugen alles was im Weg war und trieb den Rest in die dichten Wälder. Fürst Stoigenew hatte mit seiner kleinen Reiterei auf einem Hügel die Niederlage beobachtet und leitete den beschleunigten Rückzug ein, wurde aber dem Bericht nach von einem sächsischen Ritter nemens Hosed in einem Dickicht gestellt und getötet. Besagter Ritter wurde mit einer Landschenkung für die Tat entlohnt. Es folgte die Einnahme des feindlichen Lagers. Bis in die Nacht ging das abschlachten der Slawen weiter. Am kommenden Tag wurden abermals 700 Gefangene vor dem abgeschlagenen und auf eine Lanze aufgesteckten Haupt ihres Anführers hingerichtet und Stoigenews Ratgeber durch Blendung verstümmelt.

Überraschend stand die Machtposition des Königs dauerhaft auf weniger festen Füßen, als es zunächst den Anschein hatte. Im Gegensatz zur Politik des Vaters, beruhte Ottos Herrschaft hauptsächlich auf einer Serie bemerkenswerter militärischer Erfolge und nicht auf Konsensualpolitik. Bei der Vergabe von Lehen machte er sich von Beginn an Gegner, was zu den schon beschriebenen inneren Verwerfungen sowohl in der Familie, wie im Verhältnis zu zahlreichen Fürsten des Reichs führte. Als Ende 955 die Auseinandersetzungen im Reich beigelegt waren, lebten wichtige Säulen seiner Königsherrschaft nicht mehr. Im August war auf dem Lechfeld Konrad der Rote gefallen, er war übrigens, es wurde noch nicht erwähnt, der Schwiegersohn Ottos. Obwohl er zeitweise am Aufstand Liudolfs beteiligt war, wurde er bald wieder eine große königliche Stütze. Im Spätherbst 955 starb als nächstes, nach langer Krankheit, Bruder Heinrich in Regensburg. Auch er war, gerade im Anfangsjahrzehnt, ein energischer Widersacher Ottos, später dann ein enger Vertrauter und Heerführer. Blieb Ottos ältester Sohn Liudolf, dessen Aufstand gegen den Vater angerissen wurde. Nach seiner demonstrativen Unterwerfung und Versöhnung, half er die Slawen im ostsächsischen Raum zu bekämpfen, während zeitgleich Otto I. Regensburg belagerte und im August die Ungarn bei Augsburg besiegte. Im Herbst 955 war er mit dem königlichen Vater auf dessen Feldzug im Slawenland. Als wichtigste Stütze erwieß sich Ottos jüngster Bruder Brun. Zunächst Kanzler, war er seit 953 Erzbischof von Köln, kurz darauf Herzog von Lothringen und von 954 an Vormund seiner rivalisierenden, westfränkischen Neffen Lothar und Hugo, Söhne seiner Schwestern Gerberga und Hadwig. In dieser Rolle war er zeitweise Regent des westfränkischen Reichs. Brun war ein gebildeter Mann. In jungen Jahren von Vater Heinrich I. zum geistlichen Stand bestimmt, genoss er eine vorzügliche Ausbildung. Für König Otto I. war er als treuer Bruder, hoher Kirchenfürst, Herzog von Lothringen, Vormund der gemeinsamen Neffen und Regent des Westfrankenreichs, man kann noch nicht Frankreich sagen, von unschätzbarem Wert. Vermutlich war es Brun, der einen wichtigen Beitrag zur Errichtung des ottonischen Reichskirchensystems leistete. Wobei neuere Forschungen den Einfluss des Königs auf die hohe Geistlichkeit im ostfränkischen Reich mittlerweile stark relativieren. Otto verfolgte möglicherweise einen viel geringeren, vielleicht sogar überhaupt keinen  programmatischen Ansatz, sondern war möglicherweise mehr glücklicher Nutznießer und in diesem Sinne beiläufiger Förderer des Systems, denn Initiator und Architekt. Das Reichskirchensystem ist ein wichtiger Themenkomplex, soll aber an dieser Stelle nicht weiter vertieft werden, zumal wir es in Kapitel I. bereits anrissen. Wir kommen nochmal andernorts darauf zu sprechen und richten stattdessen den Blick nach Italien.

Ottos erster Italienzug vor vier Jahren brachte ihm seinerzeit die Eiserne Krone der Lombarden kampflos ein, sowie die Hand Adelheids von Burgund. Hierzu  vertrieb er zuvor Markgraf Berengar II. von Ivrea, der seit einigen Jahren, ohne erblichen Rechtsanspruch, de facto König von Italien war. Ottos eigene Thronusurpation bekam mit der Heirat Adelheids, der Witwe des letzten Königs von Italien, einen legalen Anstrich. Otto, der damals im ostfränkische Reich durch die Rebellion Liudolfs, dem sich Schwaben, Franken und Bayern zuerst anschlossen, bedrängt war, hatte weder Zeit noch Mittel, um sich der  Regentschaft in Italien anzunehmen, weswegen er den eben erst vertriebenen Berengar von Ivrea mit dem Königreich Italien belehnte. Während nun Berengars Lehnsherr Otto im Norden den Aufstand des Sohnes niederschulg, mit ihm wieder versöhnte, dann die Ungarn für alle Zeiten vertrieb, abschließend die Slawen nördlich und östlich der Elbe bis zur Oder unterwarf, machte Berengar immer mehr Anstalten Italien selbstherrlich zu regieren. Er legte sich mit dem Papst an, der, wie im Übrigen auch zahlreiche fränkische und lombardische Adlige, Otto um Unterstützung gegen den tyrannischen Berengar bat. Auf Rat Bruns, Ottos erzbischöflichem Bruder, sandte dieser seinen Sohn Liudolf, der wieder das volle Vertrauen des Vaters genoss, mit einem Heer nach Italien, um die Sache zu bereinigen und den untreuen Vasallen zur Räson zu bringen, was ihm gelang. Berengar wurde auf seine Burg vertrieben, wo ihn die eigenen Leute auslieferten. Liudolf ließ ihn wieder laufen, blieb zum Erhalt des Status Quo allerdings in Italien, wo er im Folgejahr, schon auf dem Rückweg in die Heimat, plötzlich erkrankte und am 6. September 957 im oberitalienischen Pompia starb. Für die Thronfolge war der unerwartete Tod Liudolfs ein schwerer Schlag. Zwei Tage später starb König Ottos ältester noch lebender Sohn Brun, aus der zweiten Ehe mit Adelheid von Burgund stammend, in jungen Jahren. Nun gab es nur noch den kleinen Otto. Er war erst 955 geboren worden und es war ungewiss, ob dieser das Erwachsenenalter überhaupt erreichen würde, immerhin war neben Brun, noch ein weiterer Sohn Ottos aus der Ehe mit Adelheit bald nach der Geburt verstorben. In Italien ging Markgraf Berengar von Ivrea fast augenblicklich zu seiner alten Gewaltherrschaft über. Das Machtvakuum ausnutzend, immer noch über große Teile Oberitaliens gebietend, eignete er sich das Königreich Italien abermals an und saß erneut dem Patrimonium Petri auf dem Nacken. Papst Johannes XII. und weitere hohe Kleriker Oberitaliens ersuchten wieder die Hilfe König Ottos, der seit 958 an einer längeren Krankheit litt, den Analen nach einem epidemisch auftretenden Ausschlag, den man zeitweise für Aussatz hielt, wovon er sich nur langsam erholte. Trotz der hinderlichen Erkrankung war ein neuer Feldzug gegen die Slawen notwendig geworden, die auch dieses Mal wieder mit aller Brutalität geschlagen wurden.

Das Königtum beruhte zur damaligen Zeit auf persönlicher Repräsentation. Herrschaft hieß Reisekönigtum und nur zeitweilige Residenz in den lokalen Zentren des Reichs. Ein nahes Verhältnis zu den regionalen Mittelmächten des Reichs war unerlässlich. Durch längere Abwesenheiten lief der Monarch Gefahr, die Kontrolle über die stark autonom geführten Stammesherzogtümer zu verlieren. Otto war dementsprechend nicht in der Lage die Verhältnisse in Italien ohne weiteres gleich in die Hand zu nehmen. Das Fehlen zuverlässiger, an ihn und sein Haus gebundener Vertrauter war eine Hypothek, die sich nach dem Tod der schon erwähnten Verrauenspersonen akut bemerkbar machte. Zur Jahreswende 960/61 war die Lage im ostfränkischen Reich soweit stabilisiert, die Machtverhältnisse in den Stammesherzogtümern soweit geregelt, dass Otto mit konkreten Vorbereitungen zu einem zweiten Italienzug begann. Neben finanziellen und militärischen Aspekten, war die Nachfolge im Reich seit dem Tod Liudolfs zur dringendsten Frage geworden. Söhnchen Otto war jetzt sechs Jahre alt, dennoch erreichte Otto I. auf dem Wormser Hoftag Mai 961 seine Wahl zum Mitkönig. Am 26. Mai, zu Pfingsten, gaben auch die Lothringer in Aachen ihre Stimme für den kleinen Otto ab. Die Krönung nahmen der Onkel, Erzbischof Brun von Köln, sowie die Erzbischöfe Wilhelm von Mainz und Heinrich von Trier im Aachener Dom vor, wo schon der Vater gekrönt wurde und der fortan zum sakralen Krönungsort des Reichs wurde.

Das Heer Ottos I. sammelt sich in Sommer 961 um Augsburg, wo im August der Zug über die Alpen nach Italien begann. Der königliche Sohn wurde derweil der Obhut des Onkels und des Erzbischofs von Mainz übergeben, die als Verweser des Reichs fungierten. Über den Brenner ziehend, verbrachte der König Weihnachten in Pavia. Berengar von Ivrea und seine Anhänger entzogen sich durch Rückzug jedem Kampf und verschanzten sich in festen Plätzen und Burgen. Im Januar begann der Weitermarsch nach Rom, das Otto an der Spitze des Heeres und in Begleitung seiner Gattin am 31. des Monats erreichte. Papst Johannes XII., bisher unter der an Willkür grenzenden Herrschaft Berengars und seines Sohnes stehend, erwartete die Ankunft Ottos seit langem sehnlichst. Er salbte und krönte Otto I. am 2. Februar 962 in der Petersbasilika zum Kaiser. Mit ihm wurde auch seine Frau Adelheit gekrönt, eine bisher noch nicht dagewesener Einzelfall in der Geschichte der postantiken Kaiser. Mit der Erhebung zum Kaiser wurde Italien, Oberitalien, ein Bestandteil der Reichsterritorien.

Berengar unterwirft sich Otto I.

Berengar wurde ein zweites Mal und diesmal endgültig unterworfen. Er wurde ins Exil nach Bamberg geschickt, wo er einige Jahre später verstarb. Der Sohn sollte sich zwar bald mit ausgerechnet jenem Papst gegen den Kaiser verbünden, der zuvor Otto dringend nach Italien rief, doch darüber hier jetzt keine weiteren Details, außer dass er sehr bald vor Otto, welcher als Reaktion gegen Rom zog, zusammen mit seinem Mitverschwörer fliehen musste. Der Kaiser ließ daraufhin auf einer einberufenen Synode Leo VIII. zum neuen Papst wählen.
Die weitere Regentschaft Ottos soll in aller Kürze zusammengefasst werden. Ein langgehegter Plan war die Errichtung eines Magdeburger Erzbistums, das schließlich, trotz größter Widerstände durch das Mainzer Erzstift und das Halberstädter Stift, geformt wurde. Magdeburg wurde von Otto I., seit seinem Sieg gegen die Ungarn Otto der Große genannt, konsequent zu seiner Hauptresidenz ausgebaut. Außenpolitisch stellte die letzte Phase seiner Regierung einen Höhepunkt der bisherigen Reichsgeschichte seit Karl dem Großen dar.


Wann war nun der Anfang?

Von Karl dem Großen bis Otto dem Großen wurden auf den zurückliegenden Seiten alle fränkischen, nach der Reichsteilung von 843, alle ostfränkischen Könige oder Kaiser in einem manchmal mehr, manchmal weniger detailierten Überblick erwähnt. Genügen diese Informationen, um damit die Eingangsfrage nach dem Anfang des Reichs beantworten zu können?

Karl der Große schuf zu seiner Zeit ein fränkisch dominiertes Großreich, doch schon damals barg sowohl die fränkische Erbpraxis, wie die heterogene Zusammensetzung seines Vielvölkerreichs den Samen des Zerfalls in Teilreiche. Im 843 geschlossenen Vertrag von Verdun kam es zur ersten Teilung, ihm folgten weitere. Immer neue Fragmentierungen waren in jeder Nachfolgegeneration zu erwarten. Erstaunlicherweise zersplitterten die Teilreiche nicht in einen wahren  Flickenteppich unabhängiger, möglicherweise verfeindeter Territorien. Unter Karl III. dem Dicken kam es unverhofft wieder zur Wiedervereinigung aller fränkischen Teilgebiete. Mit seinem kinderlosen Tod brach es dann ein allerletztes Mal auseinander. Sprachlich und kulturell bildeten die unterschiedlichen Reichsteile nie eine Einheit. Das Reich Karls des Großen war von seinem Heer mit Waffengewalt geschaffen und zusammengehalten worden. Mit seinem Tod begann ein fast schon natürlicher Prozess der Territorialisierung des fränkischen Großreichs. Es bildeten sich bald zwei prägnante Gebiete heraus, das sogenannte Westfränkische- und das Ostfränkische Reich. Ein fränkisch- lombardisch geführtes Italien, ohne Unteritalien, wurde wechselweise vom einen, dann wieder vom anderen, einige Male auch selbstständig regiert. Mit dem Aussterben der ostfränkischen Karolinger durch den frühen Tod Ludwigs IV., dem man bezeichnenderweise den Beinamen das Kind gab, verloren sich endgültig alle dynastischen Ansprüche auf ein Gesamtreich. Das ostfränkische Reich entwickelte sich fortan als eigenständiger Machtblock und übernahm unter Otto I. die Führungsrolle als dominierende Kraft am Übergang zum hochmittelalterlichen Europa, das sich, nach Eindämmung der maurischen Expansionen, und dem Ende der Wikinger- und Ungarnüberfälle, zu formen begann. Unter Otto I., dem Bezwinger der Ungarn, kam die Kaiserkrone in das vormalige Ostfränkische Reich. War es überhaupt noch fränkisch zu diesem Zeitpunkt? Otto und sein Vater, beides Sachsen, referenzierten auf ihren Siegeln noch auf das fränkische Erbe, indem sich Heinrich I. Rex Francorum Orientalium nannte und Sohn Otto zusätzlich auf den italienischen Anspruch verweisend, Otto Dei gratia Rex Francorum et Langobadorum. Gerade bei Otto dem Großen wird man den Verweis auf das fränkische Erbe kaum als mehr, denn Reminiszenz verstehen dürfen. Legitimität zur Herrschaft, die sich aus scheinbarer Kontinuität ergab. Otto strebte, wie seit Karl dem Großen niemand vor ihm, eine selbstbewusste Neuordnung des Herrschaftsgefüges an. Seine Autorität nahm er direkt aus dem Willen des Allmächtigen, was er mit der Formulierung Dei gratia, von Gottes Gnaden, deutlich zu Ausdruck bringt. Das gestiegene Selbstbewusstsein seines Amtsanspruchs kommt letztendlich auch in einem völlig neuen Siegel zum Ausdruck. Waren bisher alle Herrscher immer in der Profilansicht zu sehen, im Übrigen auch das königliche Siegel Ottos I., so wechselt er seit der Kaiserkrönung auf eine Frontalansicht. Siehe hierzu das Siegel zu Beginn dieses Kapitels.

Das Reich, um es jetzt zum Abschluss zu bringen, nahm unter Karl dem Großen einen frühen Anfang, seine Krönung am Weihnachtstage des Jahres 800 darf als eine Geburtsstunde gesehen werden, doch wusste niemand wohin die Reise gehen würde. Statt eines fortdauernden, großeuropäischen Reiches unter fränkischer Vorherrschaft, entstand eine Reichsteilung wobei sich der westliche Teil nach ereignisreichen Jahrhunderten zu einem frühen europäischen Nationalstaat entwickelte, Frankreich, während der östliche Teil das Erbe und die Reichsidee gewissermaßen fortführte, allerdings unter veränderten Rahmenbedingungen. Das Reich Karls des Großen muss von der Herrschaftsstruktur zentralistisch gesehen werden. Wenngleich ein Reich dieser Größe in der damaligen Zeit nicht wirklich zentral regiert werden konnte, war sein Wesen von oben, vom Kaiser nach unten herab. Das Reich, das sich im Osten unter Otto I., ja schon unter Heinrich I. zu entwickeln begann, war von Beginn an föderal strukturiert. Nicht dass dies von den Oberhäuptern des Reichs gewollt war, es war jedoch unvermeidlich. Der Herrscher musste im Einklang mit den starken Mittelmächten, den Fürsten der Stammesherzogtümer, und mit den Kirchenfürsten der Reichskirche regieren. In späteren Jahrhunderten kamen weitere, mitunter wechselnde Territorialfürsten hinzu, an deren Stelle noch später die Kurfürsten traten.
Zwar versuchten zukünftige Könige und Kaiser mit unterschiedlichem Erfolg eine Bündelung und Zentralisierung der Herrschaftsautorität, doch waren bald schon wichtige Königsregalien an Reichsfürsten vergeben, so dass das Reich eine in der europäischen Geschichte bis heute eine einzigartige Struktur erhielt, nicht nur auf seine territoriale Struktur bezogen, eher noch auf die Gliederung seines Machtapparats.
Wenn man die Kaiserkrönung Karls des Großen als Geburt betrachtet, drohte in den Teilungswirren danach schon der Untergang. Demgemäß könnte man die Kaiserkrönung Ottos I. des Großen als eine Neugeburt, vielleicht auch im christlichen Sinne, als die Taufe des Reiches sehen. Entwickelt hat es sich seither immer weiter und existierte bis 1806 fort, womit es auf eine mehr als tausendjährige, wechselvolle Geschichte zurückschauen kann.
Es blieb, nehmen wir die frühen Karolinger aus, in all den Zeiten eine Wahlmonarchie. Alle seine Häupter wurden gekürt, die allermeisten auf Lebenszeit. Auch wenn es immer große Herrscherdynastien gab, die aus ihren Reihen mehrere Herrscher hintereinander stellten, dabei gleichzeitig immer ein Erbkönigtum für ihre Nachfahren anstrebten, gewählt mussten sie alle werden. Am Übergang zum Spätmittelalter bekam das Reich seinen letztendlichen Namen, Heiliges Römisches Reich, Ende des fünfzehnten Jahrhunderts mit dem Zusatz versehen Deutscher Nation, nachdem sich Oberitalien und Burgund größtenteils dem Reich entfremdet hatten.

Seit 150 Jahren debattieren Historiker, die größten ihres Fachs, soviel darf gesagt sein, über das Wesen des Reichs. Viele Erklärungen sind trotz allem in ihrer Art dem jeweiligen Zeitgeist geschuldet. Bis heute hallt der Sybel-Ficker-Streit nach: Ist das Reich an seiner Italienpolitik gescheitert, wäre es nicht Aufgabe seiner Regenten gewesen, die Kräfte ganz auf die Ostkolonisation zu konzentrieren? Wir wagen es nicht Stellung zu beziehen, das tun heutige Historiker zu Genüge. Das Reich ist auch nicht Hauptthema des Buches, es bietet aber das notwendige Fundament auf dem die Mark Brandenburg entstand und sich entfaltete, entsprechend ist es ratsamen gewesen diesem Themenkomplex ein eigenes Kapitel zu  widmen.
Die zeitversetzte Entwicklung Brandenburgs zeigt gewisse Parallelen. Wie die Mark nicht in einem singulären Akt entstand, so ist das Reich, das Alte Reich, das Ergebnis einer Evolution über Jahrhunderte. Sein Wohl und Wehe hing von den Dynamiken der Zeit ab und von dem Fortune seiner Herrscher und Glieder.


 

Buch 1, Kapitel III: „Otto I. der Besiedler“

 


Markgraf Otto I.

Otto war ältester Sohn Albrechts des Bären und dessen Gattin Sophia von Winzenburg. Er wurde um das Jahr 1126 geboren. Zu seinen Geschwistern zählten mindestens zwei, vermutlich drei Schwestern und sechs Brüder. Ganz der Tradition folgend, trug er den Namen des Großvaters, Otto Graf von Ballenstedt, Albrechts Vater. Es war dies eine verbreitete Sitte im deutschen Kulturraum, die nicht nur in Adelskreisen sondern ebenso vom gemeinen Volk praktiziert wurde. Noch bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts war es in Deutschland ein weit verbreiteter Brauch.
Otto folgte dem Vater im Jahre 1170 als Markgraf nach und intensivierte die schon unter dem Vorgänger ab den späten 1150’er Jahren eingeleitete Besiedlung des ostelbischen Raums ganz wesentlich. Sieht man im Vater den Erwerber der Mark, muss man in Otto den eigentlichen Formgeber, Besiedler und streng genommen, den eigentlichen Begründer Brandenburgs erkennen. Er widmete fast hauptsächlich dem Landesausbau und schuf seinen Nachfolgern damit die Grundlagen zu deren Expansion nach Osten.


Ottos Rolle als Mitregent

Über die Kindheit Ottos ist nichts bekannt. In einer Urkunde Konrads III., datiert auf den 13. August 1138, lesen wir erstmals von ihm, er erscheint hier unter der Liste der Zeugen neben seinem Vater. Otto musste demnach wenigstens 12 Jahre gewesen sein, womit sein Geburtsjahr auf das Jahr 1126 oder geringfügig davor zurückgerechnet werden kann.
Kaiser Lothar III. erhob den Vater 1134 zum Markgrafen der Nordmark, einer fast nur noch dem Namen nach existenten Grenzmark, deren vormaliges  Gebiet rechts der Elbe bis zur Oder lag. Nachdem Albrecht 1150 die Brandenburg mit dem umliegenden Havelland als Erbe zufiel, nannte er sich erstmals im Oktober 1157 selbst einen Markgrafen in Brandenburg. Am Erwerb der Brandenburg hatte der christliche Hevellerfürst Pribislaw-Heinrich, der die strategisch wichtige Havelfestung bis ins Jahr 1150 regierte und früh ein enges Bündnis mit Albrecht dem Bären schloss. Pribislaw war gleichzeitig Ottos Taufpate, was dem Charakter des wahrscheinlich seit Mitte der 1120’er Jahre existierenden Bündnis mit Albrecht eine enge familiäre Note gab. Als Taufgeschenk überließ er den Askaniern die Landschaft der Zauche, südwestlich seiner späteren Residenzfestung Brandenburg, die damals noch von Fürst Meinhard geführt wurde und nach dessen Tod unter unbekannten Umständen an Pribislaw überging. Welches weitere Verhältnis Pribislaw zu seinem Patenkind hatte ist nicht belegt, es kann allerdings angenommen werden, dass wegen der Natur der engen Verbindung zum askanischen Haus, der kinderlose Hevellerfürst ein starkes Interesse am Gedeihen Ottos hatte und ihn vielleicht schon in frühen Jahren als einen möglichen Erben seines havelländischen Refugiums sah, obwohl das Erbe 1150 zunächst an den Vater ging, was den Rechtsbräuchen der Zeit entsprach.

Otto war seit 1144 Teilhaber am Markgrafentitel und Mitregent in der Nordmark, die damals faktisch nur noch aus einem Streifen links der Elbe bestand, dem sich im westlichen Hinterland einiger askanischer Besitz anschloss. Keiner von Albrechts siebzehn Vorgängern, bis auf den ersten nordmärkischen Markgrafen Dietrich von Haldensleben (vor 940 – 985), konnte wirkliche Herrschaftsgewalt östlich der Elbe ausüben und selbst dieser nur zeitweise. Der während Dietrichs Regentschaft im Jahr 983 ausgebrochene, nach Bischof Thietmar von Merseburg (975 – 1018) von seiner Habgier provozierte Wendenaufstand, entfremdete das Gebiet dem Reich, so dass die seither real noch existierende Nordmark zum kümmerlichen Rumpfterritorium wurde, das sich an der östlichen Reichsgrenze entlang der mittleren Elbe erstreckte.
Albrecht der Bär errichtete spätestens 1147, wahrscheinlich aber schon 1136, zum Schutz der linkselbischen Nordmark um Havelberg einen dauerhaften Brückenkopf rechts der Elbe. Mit dem Erbe der Brandenburg vervielfältigte sich der askanische Besitz rechts der Elbe um ein Vielfaches, woraus sich dort zusätzliche militärische Sicherungsaufgaben ergaben, die die Askanier in dem rein slawisch besiedelten Gebiet vor allerlei Herausforderungen stellten und deren Kräfte zu diesem Zeitpunkt aller Wahrscheinlichkeit nach hoffnungslos überspannten. Der mittlerweile erwachsene Otto hatte mit seinen bald 25 Jahren vom Vater längst zahlreiche Aufgaben zugewiesen bekommen, zu denen auch solche im Havelland gehören mussten, worüber jedoch keine Aufzeichnungen existieren. Mit Verlust der Brandenburg im Frühjahr 1157 und der Rückeroberung im Juni des gleichen Jahres, intensivierten sich die askanischen Tätigkeiten im ostelbischen Raum, denn man beobachtete seither eine gesteigerte Aufmerksamkeit des Landesherren für die Region jenseits der Elbe. Ottos Anteil daran dürfte sich in dieser Zeit nochmal deutlich vermehrt haben. Überhaupt fungierte er während der vielen Abwesenheiten des Vaters, der in Reichsangelegenheiten besonders aktiv war, immer wieder als Statthalter in den askanischen Herrschaften, wobei er sich offenbar bewährte. Auch die Brüder, sobald sie das jeweils notwendige Alter erreichten, hatten einen Anteil an der Verwaltung der wachsenden askanischen Landschaften. Albrecht legte augenscheinlich auf die Ausbildung aller seiner Söhne großen Wert und nahm sie häufig zu Amtsgeschäften im sächsischen Raum mit, wo sie schon in jungen Jahren Einblick in die Gepflogenheiten und  Ränke an den Höfen der Mitfürsten und des Königs bzw. Kaisers erhielten. Bereits im Jünglingalter werden sie wiederholt in Urkunden an der Seite des Vaters erwähnt.
Als Albrecht Ende 1158, über Reichsitalien heimkommend, von einer mehrmonatigen Pilgerfahrt aus dem Heiligen Land zurückkehrte, erkennen wir eine deutliche Abkehr von seiner bisherigen Expansionspolitik, hin zu einer Administration auf dem Status des Erreichten.
Den Belangen in Reichsangelegenheiten widmete er sich zwar weiterhin kaum geschmälert, doch konzentrierte er sich jetzt nachhaltiger als je zuvor auf den Landesausbau. Gleichzeitig führte er eine Art vorgezogene Teilung seiner Besitzungen durch, im Vorgriff auf die später praktizierte Landesteilung. Otto sollte als dem Erstgeborenen die Nachfolge als Markgraf zuteil werden. Als Landbesitz war damit die Nordmark verbunden, bestehend aus der späteren Altmark links der Elbe, den westlichen Teilen der Prignitz, Havelberg und Umgebung, sowie dem Havelland bis zur Höhe Spandau. Dem zweitgeborenen Hermann wurde die Verwaltung der Grafschaften Weimar-Orlamünde zuteil, welche er nach der Erbteilung von 1170 übernahm. Seit 1167 wird er bei der Reichskanzlei als Graf von Weimar-Orlamünde entsprechend geführt. Auf die ersten beiden Söhne folgten mit Siegfried und Heinrich zwei nachgeborene Brüder, die den Gepflogenheit der Zeit für den geistlichen Stand vorgesehen waren. Siegfried stieg bis zum Erzbischof von Bremen auf und war davor Bischof von Brandenburg. Heinrich erlangte immerhin eine höhere Funktion im Magdeburger Domkapitel und war zuletzt Leiter der Domschule. Es sollte nicht bei den drei genannten Brüdern bleiben, noch drei weitere erblickten in rascher Folge das Licht der Welt und erreichten das Erwachsenenalter. Auch sie erhielten territoriale Zuwendungen in den alten Stammlanden. Bernhard, der jüngste Sohn Albrechts, erbte später die Gebiete seiner beiden älteren Brüder Adalbert und Dietrich. Beide starben ohne männliche Nachkommen zu hinterlassen. Wir kommen an anderer Stelle nochmal auf Bernhard zurück.

Wie erwähnt begleitete Otto schon als Jüngling zweitweise den Vater bei dessen Tätigkeiten auf Reichs- und regionaler Ebene. Es war für einen heranwachsenden Fürstensohn, der einmal selbst Regent werden sollte, eine wichtige Schule. Gleichzeitig waren Fürstentage die geeignete Umgebung frühzeitig Heiratsverbindungen zu knüpfen. Jetzt, zur Mitte des Hochmittelalters, wurde der Nachwuchs noch nicht im frühen Kindesalter versprochen, wenn es auch schon gelegentlich zu entsprechenden Vereinbarungen kam. Im Spätmittelalter sollte Heiratspolitik zu einem wesentlichen Element der Diplomatie werden, wobei mitunter noch Ungeborene, zukünftige Prinzen Prinzessinnen versprochen worden.
Anfang 1158 machte sich Albrecht mit seiner Gattin auf den beschwerlichen Pilgerweg nach Palästina, um dort das Grab des Erlösers zu besuchen. Jetzt leitete Otto das erste Mal fast ein ganzes Jahr die Regierungsgeschäfte. Vielleicht waren es jene Monate des Jahres 1158, in denen Otto über die Besiedlung der östlichen Gebiete seines einstmaligen Erbes intensiv nachdachte, denn spätestens seit dem Jahre 1159 wird großangelegt die Besiedlung in den neu erworbenen Gebieten eingeleitet. Er legte zeitlebens darauf ein ganz besonderes Augenmerk. Wir mutmaßten im vorherigen Kapitel, dass es Otto gewesen sein könnte, der den Vater überhaupt erst von der Sinnhaftigkeit einer solchen Maßnahme überzeugte. Sollte dem so gewesen sein, brachte er höchstwahrscheinlich die positiven Beispiele aus dem Bremischen, aus Wagrien in Ostholstein und aus der Altmark zur Sprache.
Mit den Siedlern kamen nicht nur bäuerliche Kolonisten aus dem Westen des Reichs, auch Vasallen des Markgrafen aus dem altmärkischen Adel suchten ihr Glück durch Landnahme jenseits des Flusses. Es waren zumeist nachgeborene Söhne alteingesessenen Adels, die im Siedlungsraum die Chance auf eine eigene Herrschaft als Lehnsleute erhielten. Zu den sich östlich der Elbe weiter festigenden Kirchenstrukturen, gesellte sich damit das feudale Ritterwesen als militärischer Unterbau, zum Schutz des Siedlungsraums.


Otto wird Alleinregent in der Mark

Beschädigtes Siegel Markgraf Ottos I.
Das sogenannte Ovalsiegel blieb typisch
für die brandenburgischen Askanier

Im Spätjahr 1170 starb Albrecht der Bär im verhältnismäßig hohen Alter von rund 70 Jahren. Gemäß seiner Disposition, die in dieser Weise schon seit einigen Jahren unter den Söhnen praktische Anwendung fand, wurde der väterliche Besitz einvernehmlich verteilt. Otto folgte dem Vater als Markgraf nach. Sein Erbe reichte im Westen vom nordöstlichsten Zipfel des Harzvorlands, hinüber über die Elbe, beinhaltete dort kleine Teile des Flämings, die Zauche, die Brandenburg mit dem Havelland als territorialem Kernstück, das Havelberger Land und die westliche Prignitz. Die östliche Grenze sicherte die von den Askanieren verstärkte Burganlage bei Spandau.
Die ererbten Besitzungen der Brüder waren politisch und auch dynastisch voneinander getrennt, sie waren vom Reichsoberhaupt nicht gegenseitig zu gemeinsamer Hand belehnt worden. Als 1171 Graf Adalbert (Albrecht) bald nach seinem gleichnamigen Vater Albrecht dem Bären kinderlos verstarb, fiel seine verwaiste Grafschaft Ballenstedt nicht an den ältesten Bruder Otto, stattdessen belehnte der Kaiser den jüngsten der Brüder damit. Die Grafschaft als erledigtes Lehen einzuziehen, dürfte sich Friedrich Barbarossa nicht getraut haben und so blieb Ballenstedt in der Familie. Dass mit Bernhard, ausgerechnet dem siebten Sohn und jüngsten von Ottos  Brüdern – ihm fiel 1170 zunächst der askanische Eigenbesitz um Aschersleben als Erbe zu und schließlich auch noch wie erwähnt Ballenstedt – alle drei askanischen Stammburgen, Aschersleben, Ballenstedt und Anhalt, zum Besitz wurden, ist erwähnenswert. Er sollte sich in der Folgezeit noch einen großen Namen machen.

Otto nannte sich erstmals in einer Urkunde vom 28. Dezember 1170, also anderthalb Monate nach dem Tod des Vaters, einen brandenburgischen Markgrafen „ego Otto Dei gratia marchio Brandenburgensis“. Ausgestellt wurde das Dokument in Brandenburg an der Havel, wo sich seit den späten 1150‘er Jahren städtisches Leben nach Magdeburger Stadtrecht entwickelt hatte und zum politischen Zentrum des Markgrafentums wurde.
Entgegen aller anderslautenden Lehrmeinungen war es Otto I. und nicht schon der Vater, der erster wirklicher Markgraf Brandenburgs war. Sein Vater schuf ohne jeden Zweifel die dazu notwendigen territorialen Voraussetzungen aber erst mit der Erbteilung von 1170 trat Brandenburg als eigenständiges Fürstentum ins Blickfeld der Zeitgenossen. Es erhielt sein typisches, wenn auch noch frühes Aussehen und war von den sonstigen askanischen Gebieten politisch deutlich ersichtlich getrennt.
Albrecht der Bär war in Personalunion Markgraf der Nordmark, Graf von Ballenstedt, Graf von Weimar-Orlamünde gewesen, alles Lehen des Reichs, und zusätzlich Herr über allerlei Streubesitz im östlichen Harzvorland bis zur Elbe, wovon der größte Teil damals noch askanischer Allodialbesitz war, das heißt Eigenbesitz. Durch die vorgenommene Erbteilung unter den fünf weltlichen Söhnen Albrechts, kam dem territorialen Hauptnachlass, das Otto zuteil wurde, eine veränderte Betrachtung zu. Zum Titel, erhielt Otto die Markgrafschaft Nordmark. Sie unterschied sich von der unter Kaiser Otto I. einst festgelegten Nordmark, wenn auch jetzt schon wieder bedeutende Teile des alten Gebiets dazugehörten. Auf die sich ursprünglich bis zur Oder erstreckende frühe sächsische Nordmark hatte jeder der regierenden Markgrafen zwar einen Rechtsanspruch, doch diesen zu realisieren lag fern. Es ist fraglich ob Otto oder dessen verstorbener Vater je daran geglaubt haben, dass unter askanischer Herrschaft dieses Gebiet je wieder dem Reich unterwerfen werden könnte. Markgraf Ottos Mark reichte im nur bis Spandau, alles östlich, nördlich und südlich davon, alles was einst zur historischen Nordmark gehörte, war jenseits seines Einflussbereichs. Das Havelland machte den flächenmäßig größten Teil seiner Mark aus und Brandenburg an der Havel bildete das Herz des Havellandes, wo Otto sich noch vor dem Tod des Vaters vermehrt aufhielt. Dem Besitz der weithin das Land dominierenden Burg fiel gleichsam eine namensgebende Rolle zu und der alte Name der Nordmark, der ohnehin in Urkunden kaum mehr Verwendung fand, rückte schließlich ganz aus dem Bewusstsein.
Schauen wir uns einige urkundliche Erwähnungen an: Albrecht der Bär, dem nicht der Ruhm geschmälert werden soll, wurde seitens der kaiserlichen Hofkanzlei durchgehend nur als Markgraf Albrecht, „Adelbertus marchio“ oder „Albertus marchio de Saxonis“ bezeichnet. Als Institution die den gesamten offiziellen Schriftverkehr von Reichs wegen vornahm, besaß die kaiserliche Kanzlei durchaus eine gewisse Autorität und Expertise hinsichtlich Titulaturen. Um der Wahrheit zu ihrem Recht zu verhelfen, tatsächlich wurde er ein einziges Mal auch von der Kanzlei Friedrichs I. als brandenburgischer Markgraf tituliert und zwar beim Regensburger Hoftag im Juli 1152, also wenige Monate nach Friedrichs Wahl und Krönung. Wir können annehmen, dass die Kanzlei damals noch identisch war mit der Konrads III., dem im Februar in Bamberg verstorbenen Onkel und Vorgänger Friedrichs. Seither wird Albrecht nur wieder in der vorgenannten Weise als Markgraf ohne territorialen Bezug oder pauschal als sächsischer Markgraf erwähnt. Selbst in den allerletzten kaiserlichen Urkunden, in seinem Todesjahr, ausgestellt anlässlich des Erfurter Fürstentags Juni 1170, erfolgt die Nennung nur unter der gewohnten Verwendung des Titels ohne Erwähnung eines damit verbundenen Territoriums. Im Gegenzug dazu wird Sohn Otto I. in einer Urkunde, ausgestellt am 21. Juli 1172 in Altenburg, von der Kanzlei ganz offiziell als Otto Markgraf von Brandenburg „Otto marchio de Brandenburch“ genannt. Mit ihm wird ebenso sein fünfter Bruder Dietrich als Graf von Werben „Theodericus comes de Wirbene“ in der Liste der Zeugen erwähnt. Rufen wir uns nochmal den 3. Oktober 1157 ins Gedächtnis zurück. Damals, vier Monate nach der erfolgreichen Rückeroberung der Brandenburg, nannte sich Albrecht in einer Urkunde erstmals nachweisbar selbst „Ego Adelbertus Dei gratia marchio in Brandenborch“, interessanterweise niemals vorher. Es hat den Eindruck, als ob er sich hinsichtlich seines diesbezüglichen Anspruchs bislang selbst nicht ganz sicher war. Auf den feinen Unterschied in der verwendeten Formulierung wurde im letzten Kapitel hingewiesen, wenn Albrecht von sich als einem Markgrafen „in“ Brandenburg  und nicht „von“ Brandenburg spricht. Die kaiserliche Kanzlei lässt bei ihm wie bisher, so auch danach, jeglichen Bezug auf Brandenburg vermissen, verwendet schließlich aber beim Sohn, wenn auch erst 15 Jahre später, die Formulierung „Markgraf von Brandenburg“, „Otto marchio de Brandenburch“. Im gleichen Dokument, in Bezug auf den Markgrafen Dietrich von der Lausitz, lässt die gleiche Kanzlei wiederum jeden Hinweis auf das damit verknüpfte Lehen unerwähnt und führt ihn nur als Markgraf Dietrich. Am Unterschied muss man wohl erkennen, dass die von der Kanzlei verwendete Titulatur kein Zufall war.
Man könnte alles vielleicht noch auf eine mögliche Nachlässigkeit des Schreibers schieben, wäre da nicht die vorherige konsequente, mindestens dreizehn Jahre andauernde Weglassung jedes brandenburgischen Bezugs beim Vater, der seinerseits in eigenen Urkunden wiederholt den brandenburgischen Hinweis seit 1157 verwendet. Es drängt den Schluss auf, dass Barbarossas Kanzlei in bewusster Absicht handelte, nicht aus Nachlässigkeit, nicht aus Ignoranz. Die Kanzlei des Kaisers schien in Albrecht schlicht nicht einen Markgrafen von Brandenburg gesehen zu haben, nicht weil man ihm den territorialen Besitz in Abrede stellte, sondern weil Brandenburg in der Wahrnehmung einfach noch nicht als eigenständiges Reichslehen existierte, ganz gleich wie Albrecht sich selbst seit Oktober 1157 nannte.
Bleibt die Frage nach dem Motiv. Über die Rivalität zwischen Albrecht dem Bären und Heinrich dem Löwen wurde in den beiden vorangehenden Kapiteln berichtet. Heinrich war nicht nur Vetter des amtierenden staufischen Kaisers Friedrich, er war auch in den ersten beiden Dekaden der kaiserlichen Regentschaft eine unschätzbare Stütze für das Reichsoberhaupt, besonders dessen Italienpolitik betreffend. Selbstlos waren die Dienste des Herzogs von Sachsen nicht, es zahlt sich mehrmals für ihn aus. Der Kaiser bedachte ihn gegen allen Widerstand neben Sachsen, auch noch mit dem Herzogtum Bayern und war auch sonst auffallend gnädig und parteiisch, wenn es darum ging über den stellenweise schwer zu zügelnden Machtdrang des Welfen hinwegzusehen. Öfter intervenierte der Kaiser zu Gunsten des Herzogs, als sich eine sächsische Fürstenkoalition gegen den Löwen formierte. Friedrich I. konnte, wenn auch mit wachsender Mühe, letztlich aber doch erfolgreich, jeweils eine Beilegung der Kämpfe bewirken. Albrecht war lange einer der führenden Köpfe, zeitweise das Herz der antiwelfischen Opposition in Sachsen. Wir dürfen annehmen, dass der Löwe seinen ganzen Einfluss beim Kaiser aufwandte, jede weitere Expansion des Bären, nach dessen glücklichem Erbe der Brandenburg, nach Kräften zu untergraben und wo es möglich war, zu hemmen. Es kann kein Zufall sein, dass die kaiserliche Kanzlei in den langen 20 Jahren seit dem Erbfall von 1150, den Markgrafen bis zu dessen Tod im November 1170, nur dieses eine erwähnte Mal im Jahre 1152 als brandenburgischen Markgraf erwähnte und danach nicht wieder. Brüskierte Albrecht den Kaiser irgendwie, vielleicht durch seine vermeintliche Selbsternennung im Oktober 1157, was Friedrich als eine Anmaßung aufgefasst hätte, wäre eine entstandene Verstimmung oder sogar Zerrüttung sicherlich schriftlich überliefert worden. Aus den kaiserlichen Regesten, den mittelalterlichen Urkundensammlungen des betroffenen Zeitraums, und auch aus sonstigen Überlieferungen geht aber kein diesbezüglicher Konflikt hervor. Ob dennoch ein latenter, unausgesprochener Unmut bestand, ob dieser vom Löwen kraft seines Einflusses geschürt wurde, ist immerhin denkbar, denn das feurige Gemüt des Kaisers konnten selbstherrliche, die Ehre des Reichs und seines Oberhaupts kränkende Maßnahmen, nur zu leicht in Wallung bringen. Auf eine abschließend befriedigende Antwort müssen wir in Ermangelung aussagekräftiger Zeugnisse verzichten.


Der brandenburgische Adler

Mit der askanischen Landesteilung von 1170, ergab sich für Markgraf Otto die Frage eines eigenen Wappens. Vater Albrecht führte das Wappen der Grafen von Ballenstedt. Nach der Erbteilung wurde nur für Otto und Bruder Dietrich die Frage akut, während die Brüder Hermann, Adalbert und Bernhard auf die alten Wappen ihrer Herrschaften zurückgreifen konnten. Hermann führte das Wappen der askanischen Grafen von Weimar-Orlamünde fort, Adalbert das Wappen der Grafen von Ballenstedt, jenes des Vaters und Bernhard, belegt ist es nicht, vermutlich das askanische Hauswappen, was sich schon 1171 änderte, als nach dem Tod von Bruder Albrecht die Grafschaft Ballenstedt samt Wappen an ihn ging.
Ein näherer Blick auf einige der erwähnten Wappen bietet sich an dieser Stelle an. Glücklicherweise besaß Anfang des zwölften Jahrhunderts das Wappenwesen noch nicht jene Komplexität, die es später zur regelrechten Wissenschaft machte. Wappen waren noch ganz rudimentär, meist zweifarbig gehalten, mit einfachen geometrischen Mustern.

Das älteste überlieferte Wappen der Askanier hat eine schwarz karierte Unterteilung auf silbernem Untergrund. Jeweils drei abwechselnde Karos in fünf Reihen angeordnet. Es bildet das Hauswappen oder Stammwappen der Askanier.
Auch das Wappen der Grafschaft Ballenstedt war zweifarbig gehalten. Fünffach  horizontal schwarz gestreift, auf goldenem Untergrund. Stark vereinfachte Tiergestalten waren schon früh beliebt. Hierzu zählten besonders der Löwe, der in aufgerichteter Form zum Beispiel im Hauswappen der Welfen, und in dreifacher, übereinander gestellter, waagrechter Anordnung bei den Staufern verwendet wird. Der schwebende schwarze Adler vor goldenem Hintergrund wurde unter Kaiser Friedrich Barbarossa zum Symbol des Reichs.

Als Albrecht der Bär 1123 seinen Vater Otto beerbte, nutzte er das schwarz-gelb gestreifte Ballenstedter Wappen weiter, auch nach seiner Erhöhung zum Markgrafen der Nordmark, die offenbar über kein eigenes Wappen verfügte. Mit der 1170 vorgenommenen Landesteilung blieb das Wappen beim zukünftigen Grafen Ballenstedt, bei Graf Adalbert (Albrecht), dem fünften Sohn Albrechts des Bären.

Der neue Graf von Ballenstedt starb bereits im Folgejahr, und Bernhard, siebter und letzter Sohn des Bären, erbte die Grafschaft und demgemäß das Wappen. Er führte es fort, sogar als er 1180 zum Herzog von Sachsen erhoben wurde. Im Jahre 1260 bekam es abschließend seinen charakteristischen Rautenkranz als Ergänzung und wird in dieser Form bis heute als Landeswappen des Freistaats Sachsen verwendet.

Otto benötigte für seine Markgrafschaft also ein eigenes Wappen, das fortan sein Banner zieren sollte. Als Erbe eines noch jungen Fürstentums, kaum erschlossen, ohne heraldische Vorprägung, entschied sich der Markgraf für ein ganz neues Wappen, das weder einen Bezug zum askanischen Stammwappen hatte, noch zum Wappen der Grafen von Ballenstedt.

Ein mit ausgebreiteten Schwingen, frei schwebender roter Adler, den Kopf nach rechts gewandt, mit geöffnetem goldenem Schnabel und Fängen, mit roter Zunge, auf weißem, ursprünglich silbernem Grund.
Die Verwendung von Wappen auf Schildern, wie man es zunehmend ab dem dreizehnten Jahrhundert erlebte, war zu Ottos Zeit noch unüblich. Schilder dienten noch ganz ihrem ursprünglichen Zweck, dem Schutz im Kampf. Gängig waren sogenannte Langspitzschilde, auch als Normannenschild bekannt.
Zu Repräsentationszwecken waren einfache Varianten bemalt, für gewöhnlich in den Farben ihres Trägers,  die sich aber für ein Gefecht nicht eigneten. Die für den Kampf eingesetzten Schilde, aus ausgesuchtem Holz bestehend und mit Eisenbändern verstärkt, um sie gegen Schläge widerstandsfähiger zu machen, waren ansonsten schmucklos. Auf den Luxus von Verzierungen, aufwendigen Bemalungen oder Wappen wurde bei Kampfschildern üblicherweise verzichtet. Die kleineren, deutlich leichteren, heute sogenannten Wappenschilde, kamen nach und nach im dreizehnten Jahrhundert auf. Sie waren schon bald aus Metall. Da die Haltbarkeit und Wiederherstellbarkeit dieser Schilder normalerweise deutlich höher war, sah man zunehmend die Wappen der Träger aufgemalt, woraus sich der schon genannte Name des Wappenschildes ableitet. Es diente gleichzeitig als Repräsentationsschild und als Kampfschild.


Die von Markgraf Otto eingeschlagene Politik

Otto folgte in Reichsangelegenheiten nicht dem Vorbild Vaters, zumindest nicht in gleichem Umfang. Der Urkundennachweis bezeugt ihn in weit geringerem Maße an der Seite des Kaisers. Es lässt sich nicht ausschließen, dass ein frühes Zerwürfnis mit dem Kaiser dazu Ursache gab. Auf dem Hoftag zu Goslar, 18. November 1171, kündigte der Kaiser an, das plötzkauische Erbe, das seinerzeit an Albrecht den Bären ging, nachdem er im Vorjahr verstorben war, als erledigt einzuziehen und nicht an Bernhard zu verleihen, wie es vom Vater in seiner Disposition vorgesehen war. Otto, mit ihm die Brüder, standen hinter ihrem jüngsten Bruder Bernhard. Sie waren bereit dem Kaiser in Sache des Plötzkauer Erbes die Stirn zu bieten. Betroffen vom kaiserlichen Vorhaben war auch Bischof Martin von Halberstadt. Im Herbst 1172, Kaiser Friedrich I. kehrte erfolgreich vom Feldzug gegen den polnischen Herzog Mieszko III. (1126 – 1202) nach Sachsen zurück, spitzte sich die Lage zu. Otto, an den als hoher Reichsfürst die Erwartung geknüpft war den Kaiser bei seinem Feldzug zu unterstützen, zumal die geografische Lage der brandenburgischen Markgrafschaft es geradezu gebot, verweigerte den kaiserlichen Ruf, ebenso die Brüder. Neben dem Disput rund um das vorerwähnte Erbe, dürfen wir in Bezug auf Otto I. nicht dessen Verschwägerung mit dem polnischen Hof vergessen. Seine Gattin, Markgräfin Judith, war eine Schwester des herrschenden polnischen Seniorregenten, mit dem Otto keinesfalls in Konflikt geraten wollte. Tief saßen wohl noch die Erinnerungen an 1157, als sich Jaxa von Köpenick mit polnischer Hilfe erfolgreich der Brandenburg bemächtigte. Der Kaiser wollte das hauptsächlich aus sächsischen Fürsten bestehende Heer – Herzog Vladislaw von Böhmen war zuvor mit seinem Kontingent nach Süden abgezogen – dazu aufwenden die askanischen Landschaften mit Krieg zu überziehen um seinen Forderungen Nachdruck zu verleihen und sich für die Missachtung der Heerfolge zu rächen. Die Askanier hatten es nach seiner Rückkehr darüber hinaus versäumt vor ihm zu erscheinen und sich zu demütigen, um Abbitte zu leisten. Ohne Zweifel standen sie zu diesem Zeitpunkt in offener Opposition zum Kaiser. Friedrich war kein Zeitgenosse, der solch unehrerbietiges Verhalten leicht verzieh. Die 1162 vorgenommene Zerstörung Mailands und die Vertreibung seiner Bewohner sind das sicher bekannteste Beispiel des furchterregenden Zorns Friedrich Barbarossas. Fehlende Achtung gegenüber seiner Person, seiner Stellung als Reichsoberhaupt, brachten sein temperamentvolles Wesen zum kochen. Nur mit Mühe konnten die sächsischen Fürsten den Kaiser umstimmen. Käme es im sächsischen Raum zur Demütigung und Schwächung der Askanier, profitierte davon nur der ohnehin schon übermächtige Vetter des Kaisers, der bayrisch-sächsische Herzog Heinrich der Löwe. Hauptsächlich aus dieser Sorge heraus lässt sich die Parteinahme der sächsischen Fürsten für die Askanier erklären.   Barbarossa schob die Angelegenheit für den Augenblick nach hinten, die Fürsprecher gelobten ihrerseits die Askanier zum Einlenken zu bewegen. Zum Krieg kam es dennoch, aber er wurde nicht vom Kaiser ausgefochten. Dieser überließ es seinem Vetter Herzog Heinrich dem Löwen und seinem Neffen dem Landgrafen Ludwig III. von Thüringen, beides erklärte Rivalen der Askanier und willige Exekutionskräfte. In den Jahren 1173 – 1175 tobte der Kampf besonders in den alten askanischen Stammlanden. Aschersleben aber auch Gröningen im benachbarten Halberstadt wurden verwüstet. Otto hielt sich aus den Kämpfen seiner Brüder raus, die Beweggründe seiner Zurückhaltung sind unbekannt. Das brüderliche Verhältnis schien sich in der Folge hierdurch nicht zu trüben, was die Annahme erlaubt, dass es für seine Neutralität triftige Gründe gab.
Noch Anfang Mai 1173 sehen wir Markgraf Otto und seine Brüder Graf Hermann von Weimar-Orlamünde, Graf Dietrich von Werben sowie Graf Bernhard von Aschersleben auf dem Hoftag zu Goslar wo sie sowohl am 4. wie am 7. Mai in Urkunden als Zeugen fungieren. Schon am 8. Juni des gleichen Jahrs sehen wir nur noch Otto in Frankfurt unter den gelisteten Zeugen. Auch im folgenden Jahr, am 21. Februar 1174, damals gemeinsam mit Bruder Dietrich von Werben, erscheint er auf dem Hoftag zu Merseburg. In all den genannten Fällen war auch Herzog Heinrich der Löwe Teilnehmer und trat unter den besiegelnden Zeuge auf. Es war Ottos aktivste Zeit im Reichsdienst und deutet darauf hin, dass er in den ersten Jahren seiner Regierung bemüht war die Hoftage im sächsischen Raum zu besuchen. Wahrscheinlich um als Vermittler und Fürsprecher seiner Brüder aufzutreten, hierbei ein Gegengewicht zum welfischen Herzog Heinrich  dem Löwen zu bilden, aber sicher auch in ganz eigener Sachen, um gleichzeitig seinem jungen Fürstentum und auch sich Geltung unter den Fürsten zu verschaffen.
Der Kampf um den Nachlass der Herrschaft Plötzkau bewies, der Gegensatz zu den Welfen war mit dem Tod Albrechts weder beendet, noch die Gefahr, die von Heinrich dem Löwen ausging, irgendwie beseitigt. Wenn man so möchte, war auch das Teil des väterlichen Erbes und die Söhne fuhren fort den Widerstand an des Vaters statt ausfzufechten. Otto hielt sich in den ersten Jahren seiner Regentschaft geschickt von allen Auseinandersetzungen fern, die sich größtenteils im ostniedersächsischen Gebiet abspielten. Die Festigung der Mark stand im Fokus von Ottos Politik. Vielleicht spielte dabei auch sein schon gesetzteres Alter eine Rolle. Im Jahr seines Herrschaftsantritts war er immerhin bereits Mitte 40 und Vater von zwei Söhnen aus der Ehe mit Judith von Polen.


Das Besiedlungswerk in der Mark

Otto hatte wie mehrfach bemerkt bei der Besiedlung der ostaskanischen Besitzungen links und rechts der Elbe größten Beitrag. In der Zeit nach Rückeroberung der Burganlage Brandenburg begann zuerst verhalten, seit 1159 schließlich rasant, die gezielte Besiedlung der größtenteils unerschlossenen Landschaften durch deutsche Siedler. Dem bis 1170 formal regierenden Albrecht dem Bären, wahrscheinlich auf Anraten seines erstgeborenen Sohns Otto, wurde vermutlich bewusst, dass sich ohne Durchmischung der Bevölkerung rechts der Elbe, jederzeit ein Vorfall wie jener vom späten Frühjahr 1157 wiederholen konnte. Doch woher sollten die Siedler kommen? Das Reich zwischen Rhein, Elbe und Donau war lange noch nicht so dicht besiedelt und auch noch nicht flächendeckend erschlossen, dass es die Bauern in hellen Scharen in ferne Länder trieb, wo sie unbewirtschaftete Landschaften vorfanden.
Bei der Suche nach Kolonisten kam den Askaniern eine Serie von Ereignissen zugute, die sich seit Mitte des Jahrhunderts am nordwestlichen Rand des Reichs abspielten. Es ereigneten zu der Zeit wiederholt außerordentlich verheerende Sturmfluten entlang der Nordseeküste, so zum Beispiel im Jahre 1158 oder die sogenannte Thomasflut im Dezember 1163 und ganz besonders die Julianflut von Februar 1164, bei der laut den Chroniken 20.000 Menschen ums in Leben kamen. Die heimgesuchten Bewohner der Küstenregionen verzweifelten an diesen wiederkehrenden, bisher in dieser Gewalt unbekannten Katastrophen und flüchteten in Scharen ins Landesinnere, wo sie von den dortigen Bewohnern alles andere als Willkommen geheißen wurden. Und selbst wenn die Winter in den Küstenregionen das Meer nicht sintflutartig über die Küstenbewohner hereinbrechen ließ, waren selbst die weniger zerstörerischen Stürme zersetzend genug, so dass sich große Hoffnungslosigkeit breit machte. In regelrechten Auswanderungstrecks zogen sie in die Ferne und in eine ungewisse Zukunft. Manche davon gelangten unter anderem in die Regionen an der Elbe, wo sie zuerst in den vom Krieg entvölkerten Gebieten links des Stroms angesiedelt wurden aber auch schon erste Gruppen über die Elbe setzten, um im Havelberger Land und in Brandenburg an der Havel angesiedelt zu werden, den zwei rechtselbischen Kolonisationszentren im dritten Viertel des 12. Jahrhunderts. Kurz vor Albrechts Tod ereignete sich Anfang November 1170 abermals eine schwere Sturmflut die große Verwüstungen entlang der gesamten Küste Frieslands und Hollands anrichtete. Längst hatte es sich herumgesprochen, dass in der Mark Platz und Bedarf für fleißige Bauern war und dass die dortigen Herren großzügig Land vergaben, unter mehrjährigem Verzicht auf den üblichen Grundzins. In den Städten der Altmark und noch mehr jenseits der Elbe in Havelberg sowie Brandenburg waren ebenso alle Arten Handwerker und geschäftige Händler gesucht. Eine neue Welle Kolonisten machte sich hoffnungsvoll auf den Weg. Sie alle brachten neben ihrem nackten Leben, einiger weniger Habseligkeiten, vor allem ihr Können und die norddeutsche Lebensweise und Sprachfärbung mit. Die typische Backsteinarchitektur ist in den märkischen Altstädten besonders an den zahlreichen Kirchenbauten bis heute zu erkennen und das Erbe jener Siedler aus dem späten zwölften und dreizehnten Jahrhundert. Bei der Urbarmachung der sumpfigen Niederungen der Elbe-Havel Region leisteten sie Pionierarbeit. Ihr mitgebrachtes Wissen aus der alten Heimat, ihr Können und Wissen um Deichbau, in der Entwässerung und Kultivierung von sauren Böden, Böden die für den Ackerbau bislang ungeeignet waren, all das erwies sich von unschätzbarem Wert. Sie legten Sümpfe trocken, rodeten Wälder, schufen überall an geeigneten Plätzen neue Ortschaften und hauchten dadurch der dünn besiedelten Mark Leben und aufkommende Betriebsamkeit ein. Auf diese Weise wurden die wiederkehrenden Sturmfluten der Küstenregionen, zum Segen für die Mark Brandenburg. Von West nach Ost wurde das Land besiedelt und kultiviert. Die Mark erhielt auf diese Art Marken en miniature. Es entstand beispielsweise die Altmark links der Elbe, die das älteste Gebiete der Mark Brandenburg war und ein Zusammenschluss der sächsisch besiedelten Nordmark und weiterer askanischer Erwerbungen aus der Zeit Albrechts des Bären war. Rechts der Elbe nannte man die Region der Prignitz zeitweise Vormark und das Havelland die Neue Mark, die später mit anderen Landstrichen zur Mittelmark wurde und sich heute im brandenburgischen KFZ Kennzeichen PM „Potsdam-Mittelmark“ widerspiegelt, auch wenn dieser Landkreis nur einen kleinen Teil der historischen Mittelmark abdeckt.

Nicht nur das junge Brandenburg profitierte vom Siedlerstrom, ebenso das Erzstift Magdeburg, das rechts der Elbe eigene Kolonien unterhielt, weiter die  Grafschaft Brehna oder die Mark Meißen, um einige zu nennen. Der Fläming, ein Landstrich östlich Magdeburgs, bezeugt mit seinem Namen die ursprüngliche Herkunft seiner frühen Bewohner, die Flamen, welche einst entlang der Küsten der heutigen Niederlande, Belgiens und Nordwest Frankreichs beheimatet waren.

Trotz Zuzug tausender Kolonisten blieb die junge Mark Entwicklungsland. Während der Vater die territorialen Voraussetzungen schuf, war es am Sohn, an Markgraf Otto I., als Nachfolger in seinem neugeschaffenen Fürstentum das relativ menschenleere und nahezu unerschlossene Land zu bevölkern und wirtschaftlich zu heben. Es galt eine nachhaltige Peuplierung durch eine Kombination aus Neuansiedlung von Kolonisten und Akkulturation der ansässigen Slawen zu bewerkstelligen. Die Experimente im Kleinen, wie wir sie anhand der Holländersiedlungen im Erzbistum Bremen oder in Ostholstein, in Wagrien beschrieben haben, bekamen in Brandenburg eine wahrhafte Großdimension mit ganz eigener Dynamik. Ein Erfolgsfaktor war die Kirche und waren ganz speziell die Klöster, worauf wir an anderer Stelle zu sprechen kommen. Damit aber nicht genug, es reichte nicht einen christlichen Freibauernstaat zu errichten. Das Herrschaftsgepräge des Mittelalters sah im Feudaladel die natürlich Führungskaste. Für Otto war es gleichsam natürlich wie unerlässlich, dass Vertreter des Lehnsadels dem Besiedlungswerk Leitung und gleichzeitig militärischen Schutz gaben. Hierfür wurden sie mit Land belehnt, von dem es reichlich gab. Kostenlos erhielten sie es freilich nicht, es musste dem Markgrafen gegen klingende Münze oder sonstigen Leistungen abgekauft werden. Wir erwähnten es bereits, noch unter Markgraf Albrecht machten sich die ersten Vertreter aus altmärkischem und anhaltinischem Adel stammend, auf den Weg über die Elbe. Für gewöhnlich junge Herren, die geringe oder keine Aussicht auf ein ausreichendes väterliches Erbe hatten, weil ältere Brüder existierten. Einige Namen werden die Jahrhunderte überdauern und zu den wichtigen märkischen Häusern des alteingesessenen Landadels werden. Namen wie derer von Gardelegen, Hillersleben, Alvensleben, Osterburg, Wartbeck, Schwerin, Arnstein und andere zog es als Erste in die Region jenseits der Elbe. Wir sehen über die Zeit wiederholt Vertreter aus diesen Familien als Burggrafen, Vögte und in ferner Zukunft sogar als Räte und engste Berater des Landesherren erscheinen. Neben dem Adel der vermeintlichen Invasoren, wenn man es so deutlich ausdrücken möchte, gab es noch jenen der alteingesessenen Slawen. Die gefestigten Herrschaftsstrukturen der Brizanen und Stodoranen, auch als Heveller bekannt, hatten sich schon eine Weile von den ursprünglichen, archaischen Stammeshierarchien wegentwickelt und sich seit Beginn der Neuchristianisierung immer deutlicher den Formen des deutsch-sächsischen Feudalwesens angenähert. Nachdem sich ein erfolgreicher Widerstand gegen die neuen Herren als zunehmend sinnlos erwies, war der slawisch-christianisierte Adel bemüht, Anschluss ans markgräfliche Herrscherhaus zu finden, um sich damit entweder eine gewisse regionale Autonomie zu bewahren oder schlicht ein Stück vom Kuchen am Tisch neuer Herren zu ergattern. Durch Versippung mit zugezogenem Adel oder mit Häusern aus angrenzenden Reichsterritorien, verschwanden die alten slawischen Bindungen bald ganz. Es scheint, dass viele eingesessene Familien der vormals slawischen Oberschicht von sich aus bestrebt waren ihr Erbe abzulegen, vielleicht gedrängt durch äußere Umstände, vielleicht in Vorahnung der unabänderlichen Veränderung. Der individuelle Vorteil des eigenen Familienverbands stand über einem rasch erodierenden Gefühl der  Zugehörigkeit zu einer ethnischen Volksgruppe. Man kann trefflich darüber streiten, ob die freiwillige Eingliederung dem Schwinden des slawischen Erbes Vorschub leistete oder ob dadurch immerhin jene bis heute erhaltenen Restformen bewahrt werden konnten.


Der Löwe fällt in Ungnade

Herzog Heinrich der Löwe

Es wird Zeit sich wieder dem Kampf der sächsischen Fürstenopposition gegen den Herzog von Sachsen, gegen Heinrich den Löwen zu widmen. Wie schon erwähnt hielt sich Otto dabei vorerst erfolgreich zurück. Das kriegerische Naturell des Vaters erkennt man an ihm nicht, er stürzte sich nicht in waghalsige Abenteuer um neue Ländereien zu erwerben. Die mächtige Präsenz des Kaisers, der seinem welfischen Vetter bislang in besonders gönnerhafter Weise gewogen war, spielte hierbei sicherlich eine gewichtige Rolle, und ließ Otto davon Abstand nehmen sich ohne Not in einen Kampf mit unsicherem Ausgang einzumischen. Markgraf Otto verfügte nicht über die einstigen Mittel des Vaters, der die Ressourcen seines gesamten Länderkomplex für sich nutzbar machen konnte. Ein Blick auf die Karte mag im ersten Augenblick einen falschen Eindruck von Ottos Möglichkeiten vermitteln. Er verfügte zwar über eine ansehnliche Landfläche, doch die realen Möglichkeiten, die sich daraus ergaben, waren nüchtern betrachtet bescheiden. Faktisch waren nur die Gebiete der Altmark von größerem Wert und ökonomisches Herzstück der Mark. Rechts der Elbe gab es zwar mit Havelberg und Brandenburg aufstrebende, aber noch immer wirtschaftlich leistungsschwache städtische Zentren, die vorerst nur wenig Einkommen in die markgräfliche Kasse spülten. Wir wollen nicht sagen der Markgraf musste von der Hand in den Mund leben, doch für kostspielige Feldzüge, die vor allem eine Frage der vorhandenen Geldmittel waren, warf das unterentwickelte Land zu wenig ab. Sollten im Rahmen der üblichen Kriegsführung feindliche Trupps in die Gebiete der Altmark einbrechen, dort plündern und brandschatzen – nichts lag bei der unmittelbaren Nachbarschaft des Welfen näher, als die dieser Gedanke – brach möglicherweise sein ganzes, auf noch schwachen Füßen stehendes Fürstentum in sich zusammen. Dass er bestrebt war seine begrenzten Mittel zusammenzuhalten und die sich zaghaft bemerkbar machenden Erfolge nicht leichtfertig zu gefährden, ist nachvollziehbar und Ausdruck einer realistisch kalkulierenden Persönlichkeit. Heute zollt man im Rückblick einem Fürsten oder Staatsmann, der eine schonende Politik praktizierte, den größten Respekt, doch muss man den Drang gegenwertige Wertmaßstäbe anlegen zu wollen beiseite drängen und gegen die zeitgenössische Sicht von damals eintauschen. Zu Zeiten Ottos konnte es sich ein Fürst, ohne dass sein Prestige schwer gelitten hätte, nicht ohne Weiteres leisten, den politischen Strömungen und Parteiungen seiner Umgebung zu entfliehen. Wenn man es genau betrachtet, unterscheidet es sich kaum von der heutigen Zeit, nur die Mittel sind meist andere geworden. Otto musste also wohl oder übel Farbe bekennen. Dass seine Position nur im Lager der Widersacher Heinrichs sein konnte, ergab sich aus der Vergangenheit, mehr noch aus den sich unveränderten Interessenkonflikten im sächsischen Raum. Was Otto die Entscheidung erheblich vereinfachte, war der dramatische Wandel im Verhältnis Heinrichs zum Kaiser. Mehr als zwei Jahrzehnte war der Welfe eine wichtige Stütze des Kaisers und dieser im Umkehrschluss ein wohlwollender Gönner. In dieser Zeit stieg der Löwe zum mächtigsten Territorialfürsten im gesamten Reich auf. Niemand, weder im deutschen Reichsteil, samt Böhmen, noch in Reichsitalien oder im Arelat, in Reichsburgund, kam an die Machtfülle Herzog Heinrichs heran, vielleicht nicht einmal der Kaiser trotz seiner starken schwäbischen Hausmacht und den Krongütern.
Mit den Herzogtümern Sachsen und Bayern, sowie dem Eigenbesitz bei Braunschweig und Lüneburg, herrschte Heinrich über die reicheren Teile der vormaligen Siedlungsgebiete der sächsischen und bayrischen Stämme. Mit Bayern und Sachsen waren nicht die Landschaften der heutigen, gleichnamigen Bundesländer gemeint. Das heutige Sachsen liegt komplett außerhalb des historischen sächsischen Siedlungsraums und Bayern ist heute ohne Tirol, Nieder- und Oberösterreich, ohne die Steiermark und ohne Kärnten.
Um sich einen Begriff von der Ausdehnung des ehemaligen Siedlungsraums der Sachsen und Bayern zu machen, dient nachfolgende Übersichtskarte um das Jahr 1175, dem Wendejahr im Kampf gegen den Welfenherzog.

Quelle: Johann Gustav Droysen (1808 – 1884)

Freilich waren seit den Tagen der Ottonen in beiden Herzogtümern mittlerweile eine große Zahl reichsunmittelbarer Fürstentümer entstanden oder grenzten an, weltliche und geistliche. Auch Reichsgut, wie Goslar mit seinen wichtigen Silberbergwerken und andere, dem jeweiligen Reichsoberhaupt zur Verfügung  stehende Landschaften. Dennoch war der Herrschaftsbesitz und die dem Herzog zur Verfügung stehenden Mittel noch immer ganz außerordentlich, gemessen an den Mitfürsten. Diese herausragende Machtstellung nutzte Heinrich oft in rücksichtsloser Weise aus. Besonders in seinem Herrschaftsbereich liegende Kirchengüter waren wiederholt Opfer seiner Expansionslust. Nicht dass er sie einfach an sich gerissen hätte aber er nutzte beispielsweise sein Investiturrecht in den slawischen Gebieten nordöstlich der Elbe aus, in Wagrien, sowie im späteren Mecklenburg und Vorpommern und trat in dieser Hinsicht als direkter Rivale des Erzbistums Bremen auf, mit dem er deswegen im Konflikt stand, woraus sich für ihn wiederum neue Möglichkeiten zu Übergriffen ergaben. Wiederholt bildeten sich Allianzen gegen den Herzog. Über zwei Kriegszüge zu Zeiten Albrechts des Bären wurde im letzten Kapitel berichtet. Zweimal vermittelte der Kaiser, den die fortgesetzten Unruhen im Reich bei seiner Italienpolitik hinderlich waren, und zweimal konnte er die blutigen Fehden beilegen, bevor der Welfe ernsten Schaden nehmen konnte.
Die Wende im vordergründig ungetrübten Verhältnis zwischen dem staufischen Kaiser und dem welfischen Herzog hatte einen langen Vorlauf. 1167 befand sich Friedrich Barbarossa auf seinem vierten Italienzug. Während er mit einem Teil der Streitkräfte die rebellische Stadt Ancona belagerte, schlug sein Kanzler Reinald von Dassel, der Erzbischof von Köln, sowie Erzbischof Christian von Mainz am 29. Mai 1167 bei Tusculum die zahlenmäßig überlegenen römischen Truppen vernichtend. Im Juli erreichte das vereinte Heer bei schlimmer Sommerhitze Rom. Anfang August brach unter den Truppen die Ruhr aus und raffte in wenigen Wochen große Teile des kaiserlichen Heers dahin. Die Epidemie machte auch vor dem Hochadel nicht halt. Der Kanzler und wichtigste Berater des Kaisers, jener erwähnte Erzbischof Reinald von Dassel, gehörte zu den prominentesten Opfern. Unter den Toten war mit Welf VII. auch ein Vetter Herzog Heinrichs des Löwen. Zwar lebte mit Welf VI. noch der Vater, dieser hatte jedoch keinen weiteren Sohn mehr. Als einstige Erben kamen somit nur seine zwei Neffen in Frage, besagter Heinrich und der Kaiser. Das Verhältnis beider Erbschaftskandidaten zerbrach daran zwar nicht, aber die Rivalität um den zukünftigen Nachlass warf Schatten auf das gegenseitige Verhältnis. Der Kaiser zeigte sich dem Löwen nicht mehr mit dem gleichen gönnerhaften Selbstverständnis wie ehedem, was diesen zu größerer Vorsicht nötigte. Wir wollen die recht komplexen und bis heute auch noch nicht völlig widerspruchsfreien Ereignisse zwischen 1170 und 1180 aufrollen, das alleine könnte ein Buch füllen. Reduzieren wir uns stattdessen auf die wesentlichen Höhepunkte.
Im Reich konnte niemandem mehr entgangen sein, dass sich im Verhältnis der beiden früher kooperierenden Vettern eine schleichende, zwischenzeitlich evidente Änderung ergeben hatte. Heinrich erschien nur noch selten zu den Hoftagen, ganz im Gegensatz zu früheren Zeiten. Die Gegner des Löwen scharten sich wieder zusammen, mancher der alten Rivalen war nicht mehr, wie Markgraf Albrecht. Dafür kamen neue dazu, darunter der Kölner Erzbischof Philipp von Heinsberg, der dem vor Rom gestorbenen Rainald von Dassel 1167 gefolgt war. Erzbischof Philipp gehörte fast von Beginn an zu den schärfsten Gegnern des sächsischen Herzogs. Fortgesetzte Streitigkeiten in Westfalen sprechen eine deutliche Sprache. Heinrich bemühte sich mehr als je zuvor um Zurückhaltung, aber die lange aufgestauten Frustrationen und Rachegelüste unter seinen Gegnern ließ diese nur auf einen geeigneten Anlass lauern. 1174 machte sich der Kaiser erneut auf nach Italien. Es war sein fünfter Italienzug (1174 – 1176). Auslöser waren die mittlerweile gefährlich gewordenen Unabhängigkeitsbestrebungen des Lombardischen Städtebunds und deren offen zur Schau gestellten Ehrverletzungen gegenüber Kaiser und Reich. „Contra honorem nostrum et imperii“, „Gegen Unsere und des Reichs Ehre“, wie sich Friedrich I. ausdrückte. Zunächst verlief der Feldzug wie erhofft. Am 17. April 1175 unterwarfen sich die beiden lombardischen Heerführer dem Kaiser in einem Demütigungsakt, worauf sie von Friedrich durch den Friedenskuss wieder in seine Huld und Gnade aufgenommen wurden. Die Lösung der unbereinigten Kritikpunkte wurden für den Moment vertagt. Es hatte den Eindruck als ob der Kaiser mit der erwiesenen Demutsgeste zufriedengestellt wäre und die Ehre des Reichs (honor imperii) wieder hergestellt war. Im Herbst, möglicherweise sogar schon im Spätsommer, begann Friedrich aber erneut auf Kriegskurs einzuschwenken, auf die Hintergründe hierzu gehen wir nicht weiter ein. Er sandte Boten in den nördlichen Reichsteil, um die Fürsten, die mit ihren Kontingenten bislang noch nicht in Italien lagen, zur Heerfahrt zu rufen. Das Echo blieb nicht aus, besonders in Sachsen, wo viele bislang zurückhaltend waren, gerade auch die Askanier, mit ihnen Markgraf Otto, sagten ihre nachträgliche Teilnahme zu. Nur Herzog Heinrich von Sachsen nicht. Kaiser Barbarossa ließ ihn daraufhin gesondert einladen. Zu Beginn des Jahres 1176 trafen sich beide unweit des Comer Sees, in der Reichsburg bei Chiavenna. Den Überlieferungen zufolge soll der Kaiser einen symbolischen Kniefall vor dem stolzen Sachsenherzog geleistet haben, um ihn hierdurch zur Teilnahme am Feldzug gegen den Lombardenbund zu bewegen. Heinrich lehnte ab, da Friedrich nicht auf dessen Forderungen einging, auch nicht eingehen konnte, denn der Löwe forderte Goslar und damit die für den Kaiser ungemein wichtigen Silberbergwerke. Eine tiefe Kluft entstand. Heinrich war nicht zwingend zur Heerfolge verpflichtet, doch der vom Kaiser bewusst inszenierte Kniefall durfte von keinem Reichsvasallen mit gutem Gewissen ignoriert werden. Ein unerhörter Akt der Missachtung aller überlieferten Sitten und Gebräuche. Für den Augenblick trennten sich die Wege des Kaisers und seines einst vielgeliebten Heinrichs (dilecto nostro Heinrico). Heinrichs Verweigerungshaltung blieb nicht ohne weitere Folgen. Aus Sorge vor unberechenbaren Schritten des Löwen, nahmen praktisch alle der sächsischen Territorialfürsten ebenfalls von einem Italienzug Abstand. Erzbischof Wichmann von Magdeburg war einer der wenigen, der sich auf den Weg nach Italien machte. Der Zustrom zum Reichsheer blieb damit weit hinter den Erwartungen, was den Kaiser dennoch nicht abhielt gemeinsam mit den wenigen eintreffenden Kräften in die Offensive zu gehen.
Am 29. Mai kam es bei Legnano, unweit von Mailand, zu jener unglückseligen Schlacht, die die kaiserliche Autorität in Oberitalien augenblicklich kollabieren ließ. Das Gefecht entspann sich in drei Phasen. Zunächst wurde die kaiserliche Vorhut völlig unerwartet von meist bäuerlichen Bewaffneten überfallen und größtenteils nieder gemacht. Der Kaiser kam mit der schweren Reiterei zum Entsatz, woraus sich mit den jetzt eingetroffenen Truppen der Lega Lombarda, der Lombardischen Liga des Städtebunds, eine heftige Schlacht entwickelte. Das Kriegsglück neigte sich auf die Seite der Kaiserlichen und die Lombarden wurden zu hunderten niedergemacht, gaben den Kampf dennoch nicht auf. Sie zogen sich zu ihren Fahnenwagen zurück, formierten sich in wilder Entschlossenheit und mit todesverachtendem Mut leisteten sie entschlossenen Widerstand. Mittlerweile trafen berittene Verstärkungen bei den Lombarden ein und griffen die Flanke des kaiserlichen Heeres an. Fast sechs Stunden tobte der Kampf schon. In den jetzt mit nochmals gesteigerter Wut geführten Kämpfen fiel der kaiserliche Bannerträger.  Ein böses Omen. Als auch noch der Kaiser aus dem Sattel gehoben wurde und dem Blick der eigenen Kämpfer entglitt, wandten sich die ersten, bisher so tapfer und siegessicher Streitenden ab. Mit Mühe gelang dem Kaiser der Rückzug, der unter seinen sich jetzt auflösenden Truppen in helle Panik überging. Viele wurden auf der Flucht erschlagen, andere ertranken im nah gelegenen Fluss. Die Schlacht endete in einer schweren und demütigenden Niederlage. Friedrich Barbarossa verlor bei den Kämpfen und im Chaos des Rückzugs seine Fahne, die Lanze, das Kreuz und seinen Schild. Fahne und Schild waren von großer symbolischer Bedeutung, das Kreuz und die Lanze nicht viel weniger. Für die Lombarden war dieser Sieg von enormer Bedeutung und hob ihr allgemeines Selbstbewusstsein und den Willen zu weiterer Autonomie. Den anschließenden Frieden von Venedig überspringen wir an dieser Stelle und konzentrieren uns auf die weiteren Ereignisse um Herzog Heinrich.

Der Unmut des geschlagenen und in seinem Stolz tief gekränkten Kaiser drohte sich ungehemmt über die Zuhausegebliebenen, über die vermeintlich untreuen Vasallen zu ergießen. Sein Zorn, seine unerhörte Enttäuschung wurde von den Gegnern des Sachsenherzogs nach Kräften gegen Heinrich den Löwen gelenkt und, nachdem es erste Wirkung zeigt, weiter geschürt. Es bleibt ungeklärt, ob die folgenden Maßnahmen nur zur Befriedigung der seit langem aufgebrachten Reichsfürsten diente oder auch ein persönlich motivierter Vergeltungsakt des Kaisers war. Friedrich hatte lange die Balance zwischen den föderalen Gliedern des Reichs, den Fürsten und dem Klerus auf der einen Seite und den eigenen imperialen und dynastischen Ambitionen auf der anderen Seite vernachlässigt, indem er den Welfen mächtig und mächtiger machte, um hierdurch seine eigene Politik umsetzen zu können. Da Friedrichs Macht nach zwei verheerenden Fehlschlägen in Italien auch im deutschen Reichsteil nicht mehr auf unerschütterlichen Fundament saß, war er bereit den Welfen zu opfern, um damit den Zorn im Reich zu besänftigen und die selbst heraufbeschworene, lange ignorierte Schräglage zu korrigieren. Wir wollen Heinrich den Löwen nicht zum Opfer imperialer Willkür erklären. Eine Intervention war überfällig. Über die Härte der Maßnahmen lässt sich streiten. Heinrichs selbstherrlicher Weg, am auffälligsten in Sachsen zum Ausdruck gebracht, war die direkte Folge einer über Jahre vom Kaiser geduldeten und dadurch indirekt von dort geförderten Politik. Verantwortung trug somit auch der Kaiser, aber als Oberhaupt des Reichs konnte es am Ende nur einen Verlierer, einen Gerichteten, einen Gedemütigten geben, denn das Reich selbst war heilig, Sacrum Imperium, und seine Galionsfigur, der Kaiser, durfte nicht in Frage gestellt werden.

  • Auf das Geschehen, das sich nach dem Kniefall von Chiavenna ereignete, kommen wir im nächsten Abschnitt näher zu sprechen, wenn wir uns wieder den Aktivitäten des Markgrafen Otto widmen. Schauen wir uns zuvor den Schlussakt an, dessen formaler Höhepunkt Sachsen betreffend in der Gelnhäuser Urkunde zum Ausdruck kam.
    Im Bund und Einvernehmen fast aller Fürsten wurden Heinrich dem Löwen seine Reichslehen anlässlich eines Fürstengerichts während des Würzburger Hoftags 1280 entzogen. Auf dem folgenden Hoftag zu Gelnhausen wurde am 13. April 1280 die Teilung des Herzogtums Sachsen beschlossen, gefolgt von einem Hoftag zu Altenburg, wo die Belange das Herzogtum Bayern betreffend, geregelt wurden. Dem Löwen blieb nur noch der Familienbesitz im Raum Lüneburg und Braunschweig. Das alte Herzogtum Sachsen wurde geteilt und unter mehreren Fürsten verteilt. Größter Nutznießer war der Kölner Erzbischof, dem Westfalen und Engern als neu gegründetes Herzogtum zufiel. Graf Bernhard von Anhalt, jüngster Bruder Ottos I. von Brandenburg, erhielt ebenfalls ein großes Stück vom Kuchen. Es mag verwundern, dass ausgerechnet der jüngste der Askanier solch großen Vorteil daraus ziehen konnte, besonders nachdem es im Zusammenhang mit dem Streit um die Herrschaft Plötzkau im Herbst 1172 beinahe zum Krieg mit dem Kaiser gekommen wäre. Dass Bernhard mittlerweile bei Barbarossa hoch im Kurs stand, war die Folge seiner aktiven Rolle auf Reichsebene, besonders in den entscheidenden Jahren nach der Niederlage von Legnano. Bernhard regierte fortan den östlichen Teil des zerschlagenen Herzogtums und trug seither den Titel eines Herzogs von Sachsen. Vielleicht war es eine Kompensation für das nicht zuerkannte plötzkauische Erbe, dass Barbarossa nach dem Tod Albrechts des Bären als erledigt einzog, obwohl dieser es seinem jüngsten Sohn Bernhard als Teil seines Erbes zugedacht hatte.
    Im Süden bekam Bayern, das durch die Wegnahme Österreichs schon einmal verkleinert wurde, zwei weitere Landesteile entzogen. Die Steiermark wurde von einer Markgrafschaft zum Herzogtum erhoben und erhielt bayrische Landesteile. Ebenso wurde das Herzogtum Meranien gegründet und mit Landschaften aus dem ehemaligen Herzogtum Bayern vergrößert. Restbayern ging an den verdienten, langjährigen Wegbegleiter des Kaisers, an Otto von Wittelsbach, dessen Nachkommen in Bayern bis zum Ende der Monarchie mit unterschiedlichen Familienzweigen regierten. Anhand der Zerstückelungen erkennen wir drei Aspekte:

    • Die Entmachtung des welfischen Löwen und damit Beseitigung eines Machtblocks, der dauerhaft selbst für den Kaiser zum Problem hätte werden können, besonders hinsichtlich der Errichtung eines Erbkaisertums.
    • Die Belehnung verdienter oder für die kaiserliche Autorität wichtiger Vasallen, zur Stärkung der eigenen Partei.
    • Die signifikante Verkleinerung der alten Stammesherzogtümer, bei gleichzeitiger Vermehrung der Herzöge im Reich und damit zahlenmäßigen Erhöhung der Mittelmächte, die sich gegenseitig die Balance halten sollten.

Zurück in die noch junge Mark

Kehren wir chronologisch noch einmal vor das Jahr 1180, vor die Gelnhäuser Urkunde zurück. Es ist notwendig um die Aktivitäten der Askanier und Markgraf Ottos zu beleuchten. Der Krieg von 1173 – 1175, den die askanischen Brüder Hermann Graf von Orlamünde, Dietrich Graf von Werben und Bernhard Graf von Ballenstedt und Anhalt ohne die Mithilfe ihres ältesten Bruders Otto gegen das Bündnis Herzog Heinrichs von Sachsen und Landgraf Ludwigs III. von Thüringen führten, wurde angerissen. Die zweite Hälfte des Konflikts fiel in den Beginn von Kaiser Friedrich Barbarossas fünften Italienzug. Dieser setzte sich nach den Erfolgen vom April 1175 dringend für die Beilegung des Kampfes im sächsischen Gebiet ein, den er im Ursprung mitzuverantworten hatte. Friedrichs Friedensbemühungen sollten die Verstärkung durch die sächsischen Fürsten   garantieren, um seinen weiteren Feldzug im Folgejahr zu unterstützen. Der Krieg in Sachsen wurde auf dem Status Quo beigelegt.
Das Jahr 1175 brachte für Markgraf Otto einen schmerzlichen Trauerfall. Am 8. Juli war seine Frau Judith verstorben. Sie stammte wie schon erwähnt aus dem polnischen Herrscherhaus der Piasten. Ihr Vater war kein geringerer als Herzog Bolesław III. Schiefmund, der in Krakau als Seniorherzog königsgleich über Polen regierte. Sie wurde nach ihrer Großmutter Judith von Böhmen (1056 – 1086) benannt. Ihrem Mann hinterließ sie zwei erwachsene Söhne, Otto und Hermann. Über weitere Kinder ist nichts bekannt. Auch der Ort ihres Todes ist unbekannt, es ist jedoch sehr wahrscheinlich, dass es sich in Brandenburg an der Havel zutrug. Die Stadt hatte sich unter der Regentschaft Ottos I. zur hauotsächlichen Residenz entwickelte, woran sein Bruder Siegfried, seit 1173 Bischof von Brandenburg, den lebhaftesten Anteil hatte. Die sterblichen Überreste Markgräfin Judiths wurden im dortigen Dom, von dem bereits Chor, Vierung und Querhaus existierten, beigesetzt. Sie war das erste Mitglied der askanischen Dynastie, das rechts der Elbe beigesetzt wurde. Ihr Grabstein ist schon lange nicht mehr vorhanden, doch der märkische Chronist Zacharias Garcaeus (1544 – 1586), Syndicus und Leiter der Lateinschule in der Altstadt Brandenburg, erwähnte in seinen Schriften ihren Grabstein und die Aufschrift darauf: „VIII. idus Julii obiit Juditha machionissa, gemma Polonorum“.

Zurück zur Lage im sächsischen Raum. Vorläufig blieb es dort ruhig. Der Feldzug des Kaiser, an dem viele der norddeutsche Fürsten aus den schon erwähnten Gründen nicht teilnahmen, gebot zur Zurückhaltung. Alle Augen richteten sich nach Italien, wo im Mai 1176 das kaiserliche Heer überraschend und vernichtend geschlagen wurde. Dem Kaiser gelang mit größter Mühe der Rückzug und die spätere Flucht aus Italien. Die sächsischen Fürsten verharrten jetzt in banger Sorge und Furcht vor dem Zorn des Kaisers. Dieser blieb nicht aus, konzentrierte sich aber fast völlig auf Heinrich den Löwen, der nun als Sündenbock aller herhalten musste. Allein wegen der verweigerten Heerfolge konnte er ihn nicht behelligen und selbst das Ignorieren des kaiserlichen Kniefalls, gab keinen formalrechtlichen Anlass zur Bestrafung, wenn es auch ein ungeheuerlicher Vorgang war.
Im August 1177 lag Otto, es mag überraschen, gemeinsam an der Seite Herzog Heinrichs vor Demmin und belagerte zehn Wochen lang die Festung Kasimirs I. (nach 1130 – 1180). Kasimir galt bisher als ein treuer Gefolgsmann Heinrichs. D Der  gegen ihn gerichtete Kriegszug des eigenen Lehnsherrn muss daher verwundern. Die einzige uns zur Verfügung stehende Information entnehmen wir einer nicht präzise datierten Urkunde vom Sommer 1177. Hierin wird erwähnt, dass Demmin nach langer Belagerung einlenkte, Geiseln stellte und von weiteren Grenzverletzungen absehen würde. Der Hinweis auf Grenzverletzungen lässt aufhorchen und gibt vielleicht den entscheidenden Wink. Es ist unwahrscheinlich, dass Kasimir gegen seinen eigenen Lehnsherren diesbezügliche Übertretungen vorgenommen hat, was die Annahme nährt, dass brandenburgisches Gebiet betroffen gewesen sein könnte. Das wirft erneut die Frage auf, weshalb Herzog Heinrich beteiligt war. Es muss wohl als exemplarisches, zur Schau gestelltes Zeichen seines guten Willens interpretiert, indem er sich an der Züchtigung des eigenen Lehnsmanns beteiligte. Er gab sich allem Anschien nach wenig Illusionen hin und war zweifelsohne in banger Vorahnung der Dinge, die bald über ihn hereinbrechen würden und suchte einerseits sein Image aufzupolieren, anderseits die Zahl seiner möglichen Widersacher zu verkleinern.
Zeitgleich fanden in Venedig Friedensverhandlungen zwischen dem Reich auf der einen Seite und dem Lombardischen Städtebund auf der anderen Seite statt. Mit den Lombarden war Papst Alexander III., jener antistaufische Pontifex, dessen Absetzung der Kaiser in bislang zwei erfolglosen Italienzügen anstrebte. In mehreren päpstlichen Schreiben wird Otto I. von Brandenburg als des Kaisers Kämmerer bezeichnet, der zu der Fürstengruppe gehörte, die die Friedensbedingungen an des Kaisers statt beschworen. Zwei Bemerkungen hierzu: Um Markgraf Otto konnte es sich keinesfalls gehandelt haben, denn dieser lag bekannterweise zu dieser Zeit vor Demmin im Heerlager. Zum anderen erwähnt der Papst in diesem Zusammenhang das Amt des Kämmerers. Ein imperiales Hochamt, das im Rahmen kaiserlicher Festakte zeremoniell ausgeübt wurde. Schon Albrecht der Bär hatte dieses bevorrechtigte Amt inne, von dem es noch drei weitere gab. Tatsächlich wird das Erzkämmereramt in den nachfolgenden Jahrhunderten unlöslich mit Brandenburg verknüpft bleiben. Wir kommen an anderer Stelle darauf zurück. Wie konnte es beim Papst, vielmehr bei dessen Kanzlei zu einer derartigen Verwechslung kommen? Wahrscheinlich war die Verwechslung geringer, als es zunächst den Anschein hatte. Man kann getrost davon ausgehen, dass tatsächlich ein Askanier in Venedig, nebst weiteren Vertretern des Kaisers die beschriebene Beeidigung leistete. Am wahrscheinlichsten war Graf Bernhard von Anhalt (Aschersleben) die erwähnte Person. Es ist bekannt, dass er im Jahre 1176/77 zum Kaiser nach Italien zog und sich seither in seiner direkten Nähe aufhielt. Es darf spekuliert werden, ob die spätere Erhöhung Bernhards zum Herzog von Sachsen auf dessen Dienste in Italien zurückzuführen ist.

Seit Mitte 1177 ereigneten sich wiederholte Fehden gegen Heinrich, in die der Kaiser nicht mehr eingriff.  1178 mischte sich Erzbischof Christian von Köln aktiv in die Kämpfe ein und bekriegte seither Westfalen. Noch gelang es dem Herzog sich solcher unabgestimmten Angriffe erfolgreich zu erwehren. Sie kosteten ihn nichtsdestotrotz Substanz. Otto und auch seine Brüder waren hieran nicht beteiligt, wenngleich ihre antiwelfische Gegnerschaft weiterbestand.
Im Oktober 1177 starb mit Graf Hermann von Weimar-Orlamünde ein weiterer Bruder Ottos. Hermann war der zweitälteste Sohn Albrechts des Bären gewesen und hatte 1170 aus dessen Nachlass die reiche Grafschaft erhalten, die sowohl im Thüringischen wie im Fränkischen lag. Die Nachfolge trat sein um 1255 geborener Sohn Siegfried an, der sich der askanischen Opposition gegen Heinrich den Löwen anschloss und damit den Kampf des Vaters fortführte.
Vom Jahre 1178 existiert nur eine urkundliche Erwähnung das Wirken Ottos betreffend. Am 6. Juni bezeugt er eine Landschenkung des Magdeburger Erzbischof Wichmann an das Kloster Jerichow. Ansonsten bleibt der weitere Verlauf des Jahres im Zusammenhang mit Markgraf Otto im Dunkeln.
Im Jahre 1179 sehen wir den Markgrafen seit längerem wieder tätig an der Seite des Kaisers. Er reist zum Hoftag nach Hagenau. Es ist die weiteste urkundlich nachgewiesene Reise Ottos in den den Westen des Reichs. Hier bestätigt er am 6. April eine Schenkung des Kaisers zugunsten der Zisterzienserabtei Stürzelbronn. Fünf Tage später, am 11. April, erscheint er in Selz, gegenüber Rastatt, erneut als Zeuge in einer kaiserlichen Urkunde. Diesmal zusammen mit seinen Brüdern Dietrich von Werben und Bernhard von Anhalt. Wir nehmen an, dass sich die Askanier danach wieder in ihre östlichen Landschaften begaben. Bereits am 1. Juli zu Magdeburg, und am 29. Juli zu Erfurt, wohnten sie dem kaiserlichen Hoftag bei.
Die Fürsten um den Kaiser, bei denen es sich bei weitem nicht nur um die Askanier handelte, hatten schon jetzt die Enteignung Heinrichs des Löwen geplant, vielleicht längst beschlossen. Heinrich war, abgesehen von der unseligen Begegnung auf der Reichsfeste in Chiavenna, das letzte Mal im Juli 1174 in einer Urkunde an der Seite Friedrich Barbarossas erwähnt worden. Berücksichtigt man das vorherige innige Verhältnis beider nahestehenden Verwandten, dann drückt diese Tatsache eindrucksvoll die mittlerweile tiefe Kluft zwischen dem welfischen Herzog und dem staufischen Kaiser aus.
1179 zog sich die Schlinge um den Hals des Welfen zu. Schon im Januar war Heinrich nach Worms geladen, um sich in einer Anhörung wegen seiner Gewalttaten gegen die sächsischen Fürsten zu äußern. Er erschien nicht. Der Kaiser sah sich in dem jetzt offen gezeigten Ungehorsam in seiner und des Reiches Ehre verletzt. Er ordnete das Erscheinen des Herzogs auf dem schon erwähnten Hoftag in Magdeburg an, bei dem die Askanier wieder teilnahmen. Unter Androhung der Reichsacht wurde dem Löwen angetragen zu erscheinen. Er erschien auch dieses Mal nicht und das Verhängnis nahm seinen Lauf. Er wurde zum Majestätsverbrecher erklärt, all seiner Reichslehen enthoben und in die Verbannung geschickt.
Der Kampf um Sachsen sollte bald darauf beginnen, denn ohne Widerstand ließ sich der immer noch mächtige Herzog seiner Besitzungen nicht entheben. Wir schieben den Bericht noch einmal nach hinten und gehen zuerst auf eine für die weitere Entwicklung der Mark wichtige Gründung ein.


Klostergründungen in Brandenburg

Der Mark Brandenburg fehlte es im zehnten Jahre der Regentschaft Ottos noch immer an einem eigenen Kloster. Zwar profitierte man in großem Umfang von den Gründungen in Leitzkau, im Ländchen Gommern, südwestlich von Brandenburg, oder von Jerichow, nordwestlich davon, doch standen diese in keinem direkten Verhältnis zum brandenburgischen Landesherren. Auf die Geschichte der europäischen Klöster und ihre Rolle im christlichen Abendland wird in einem gesonderten Kapitel eingegangen.
Diesem bisherigen Mangel sollte endlich Abhilfe geschaffen werden. Im April 1180 stiftete Otto das Kloster Lehnin, in der Zauche. In jenem Landstrich, der ihm vom vormaligen Herrn der Brandenburg, dem Hevellerfürsten Pribislaw-Heinrich, vor mehr als einem halben Jahrhundert als  Taufgeschenk in die Wiege gelegt wurde. Im Gegensatz zu den oben genannten Klöstern von Leitzkau und Jerichow, die dem Orden der Prämonstratenser angehörten, sollte Lehnin ein Kloster des Zisterzienser werden. Die sich entwickelnde Anlage zählt zu den bedeutendsten romanisch-gotischen Backsteinbauten des norddeutschen Hochmittelalters.

Zum Ort der Klostergründung gibt es eine populäre, in einigen literarischen Werken gepflegte Legende, worauf etwas später eingegangen wird. Dass Otto diesen Ort wählte hatte – man kann es sich bei diesem pragmatisch denkenden Fürsten kaum anders annehmen – unter anderem ökonomische Gründe. Gestalt und Beschaffenheit erhielt die Region der Zauche während der Weichseleiszeit. Es entstanden bei Zurückgehen der Eismassen eine Reihe von trockenen Hochplateaus, umsäumt von sandigen, kiesigen oder vermoorten Urstromtälern. Kiefernwälder bildeten den hauptsächlichen Baumbestand. Einige Seen, Relikte von isoliert zurückgebliebenem Todeis, lockern die karge Landschaft auf. Der Name der Zauche ist dem Slawischen entlehnt und bedeutet nichts anderes als trockenes Land. Das Gebiet war, selbst gemessen an der ohnehin geringen Bevölkerungsdichte der ostelbischen Gegenden, ganz besonders spärlich bewohnt. Vom Kloster und den Zisterziensern erhoffte sich der Markgraf eine allgemeine Hebung des Landes. Die Zisterzienser waren bekannt für ihr asketisches und gleichzeitig fleißiges Ordensleben. Das Prinzip „ora et labora et lege“, „bete und arbeite und lese“, des heiligen Benedikt, war auch bei den Zisterziensern Eckpfeiler ihres Ordens.

Abt Sibold von Halberstadt

Im Jahr 1183 ließen sich, dem Ruf Markgraf Ottos folgend, der Abt Sibold zusammen mit zwölf weiteren Mönchen in Lehnin nieder. Sie kamen aus dem Kloster Sittichenbach bei Eisleben. Sibold von Halberstadt wurde bereits in den Jahren zwischen 1185 und 1190 von heidnischen Slawen ermordet. Es bewies, dass der neue Glaube lange noch nicht überall in den rechtselbischen Gebieten gefahrlos gepredigt werden konnte. Es ereigneten sich noch allerlei Gegenmaßnahmen als Reaktion auf die Zerstörung heidnischer Kultstätten. Die wachsende Verbreitung der christlichen Lehre, verbunden mit einer zunehmenden Zahl deutscher Siedler, führte in den frühen Kolonisationsräumen unvermeidlich zu Spannungen und Konflikten, die der ständigen Aufmerksamkeit durch den Markgrafen bedurften.

Kommen wir zur erwähnten Gründungslegende:

„Markgraf Otto schlummerte nach der Jagd, während der Mittagshitze unter einer Eiche, während seine Mannen noch dem Waidwerk oblagen; im Traum schaute er eine Hirschkuh, die ihn unausgesetzt beängstigte und nicht schlafen ließ, bis er sie mit dem Wurfspieß stracks durchbohrte. Erwacht, erzählte er diesen Traum seinen Mannen. Da meinten einige, er solle an diesem Ort ein Kloster gründen, andere, er solle eine Burg bauen gegen die heidnischen Wenden, die verdammten Feinde des Kreuzes. Der Fürst aber entgegnete: „Eine Burg will ich gründen, von der aus die Feinde und Teufelsknechte durch die Waffen der geistlichen Männer weithin aufgescheucht werden sollen, und in der ich den jüngsten Tag ruhig erwarten werde.“

Heute ist noch in den Stufen zum Altar ein silifizierter, ein verkieselter Baumstumpf einer Eiche zu sehen, der dem Mythos nach von jener Eiche stammt, unter der Markgraf Otto einst schlief. Ohne diese liebenswerten Mythen und Märchen zerstören zu wollen, ist ein anderer Ansatz eher wahrscheinlich. Es wurde schon erwähnt, dass die Missionare bei ihrem Prediktwerk hinsichtlich der heidnischen Symbole, die sich oft in Gegenständen der Natur ausdrückten, nicht zimperlich waren. Wo immer es die Gelegenheit zuließ, brannten sie Götzensymbole nieder oder rissen diesbezügliche Bauwerke ein. Große Bäume, besonders Eichen, analog zu den vorchristlichen Germanen, genossen als vermeintliche Heimstätten der Götter starke Verehrung. Wahrscheinlich wurde das Kloster auf einem slawischen Götterhain errichtet und eine dort möglicherweise existente Eiche wurde symbolträchtig umgehauen und fand in Form eines Stumpfes, ob im Original oder als nachträglich eingearbeitetes Stück, seine bis heute vorhandene Bestimmung.
Zum Ursprung des Klosternamens existieren wenigstens zwei Versionen. Eine Variante besagt, dass sich der Name vom slawischen Wort „Lableitet, was so viel wie Faulpelz, fauler Mensch oder Müßiggänger bedeutet.
Eine zweite Version, die sich wunderbar mit der Entstehungssage verträgt, gibt folgenden Hintergrund an. Der Klostername Lehnin stammt demzufolge vom slawischen Wort Jelenin ab, was so viel wie Hirschort bedeutet. In polnischer Sprache wird Hirsch übrigens mit Jeleń und in tschechisch mit Jelen übersetzt.
An dieser Version, wie an der Anekdote, wird zumindest soviel Wahrheit sein, als dass es sich beim Gründungsplatz um einen ehemals ausgesprochen guten Jagdort gehandelt haben könnte, mit reichen Hirsch- und sonstigen Wildbeständen. Da der Überlieferung nach Markgraf Otto der Jagd große Aufmerksamkeit schenkte, ist es immerhin denkbar, dass er tatsächlich persönlich den späteren Gründungsort auswählte, ob aufgrund eines Traumes oder einfach aus einer alltäglichen Begebenheit heraus, sei dahingestellt. Denkbar und zugegebenermaßen am wahrscheinlichsten ist allerdings, dass eine Abordnung von Mönchen den Ort selbst für sich erwählten und dafür die Zustimmung des Landesherren erhielten.
Das Kloster wurde zur tragenden Säule in den Bestrebungen der Askanier, die erworbenen Gebiete östlich der Elbe zu festigen, vielleicht schon in Vorbereitung zu weiteren Expansionen nach Osten. Als Wirtschaftsfaktor, noch mehr als administrative Hauptinstanz, war das Kloster Lehnin Mittelpunkt der märkischen Frühkolonisation und ein Motor des Landesausbaus.
Als Mutterkloster wurde Lehnin zum Vorbild und Muster für drei weitere bedeutende märkische Klostergründungen späterer Zeiten. Zu diesen gehörte die Gründung des Klosters Paradies (1230) im Lebuser Land, Kloster Mariensee (1258) das einige Jahre später verlegt wurde und seither bekannt ist als Kloster Chorien bei Eberswalde im Barnim und zum Schluss noch die Neugründung des Klosters Himmelpfort (1299) bei Fürstenberg an der Havel.

Neben den wirtschaftlichen Impulsen, die sich Otto von den Zisterziensern in Lehnin versprach, hatte er noch ein anderes Motiv. Der alternde Markgraf, zum Zeitpunkt der Gründung war er immerhin schon Mitte 50 und viele seiner Zeitgenossen, darunter zwei jüngere Brüder und seine erste Frau waren bereits verstorben, dachte zweifelsfrei an sein eigenes baldiges Ende und damit verbunden, an sein zukünftiges Seelenheil. Er wäre eine völlige Ausnahme gewesen, hätte er keine Vorkehrungen für die Zeit nach seinem Ableben getroffen. Der von der römischen Kirche verbreiteten, von Papst Gregor I. (um 540 – 604) eingeführten, allgemein anerkannten Lehre, gelangten die Seelen aller nicht Heiligen nach dem Tod nur über den Umweg des Fegefeuers in den Himmel. An diesem Zwischenort würden die Toten von ihren irdischen Sünden durch Feuer geläutert. Dank Gebeten der Geistlichen, konnte die Zeit an diesem Ort zu verkürzt werden. Es soll hier nicht auf Fragen der Theologie eingegangen werden. Fakt war, für die Menschen des Mittelalters war die Existenz des Fegefeuers eine unbestrittene Tatsache. Getrieben von Ängsten vor Hölle und Purgatorium (Läuterung im Fegefeuer), wuchsen die geistlichen Stiftungen mit der Zeit zu waren Großkomplexen heran. Durch Geld- und Landschenkungen wurden von der Geistlichkeit wiederkehrende Fürbitten und Messen erkauft. In sogenannten Seelenämtern wurde zum Heil der Verstorbenen gebetet. Markgraf Otto war, wie seine Vorfahren, gegenüber Klöstern, egal ob nun bezogen auf das erst gegründete Lehnin oder auf Leitzkau, Jerichow, das Stift in Ballenstedt oder andere Einrichtungen, großzügig bei der Erteilung von Privilegien und der Vergabe von Zuwendungen. Hierdurch regelte Otto auf die Weise der Zeit die Bedürfnisse seiner verstorbenen Ahnen und sorgte gleichzeitig für sein eigenes Seelenheil vor.

Die 1183 eingetroffenen Mönche lebten zuerst in einfachen Holzgebäuden. Auch das Gebetshaus war zunächst noch ganz einfach. Die wesentlichen Bautätigkeiten zur Errichtung einer steinernen Kirche, wie auch die zentralen Klostergebäude, wurden 1185 begonnen und erst 1235 beendet. Es folgten verschiedene sonstige Gebäude, bzw. Gebäudeerweiterungen, um dem steten Wachstum, besonders im wirtschaftlichen Bereich, gerecht zu werden. Wehranlagen waren schon früh Teil des Klosterkomplexes und wurden fortlaufend erweitert. Das Kloster wurde ganz der Absicht des Markgrafen folgend, zur Grablege der Askanier. Generationen askanischer Nachkommen, nicht nur solche des brandenburgischen Zweigs, fanden in Lehnin ihre letzte Ruhestätte. Keines der Gräber ist jedoch heute noch vorhanden.

Otto ließ es mit dem Kloster Lehnin nicht bewenden. Weihnachten 1183 stiftete er das Benediktinerinnen-Kloster Arendsee in der Altmark. Wie schon in Lehnin, begannen auch in Arendsee die eigentlichen Baumaßnahmen im Jahre 1185 und somit erst unter Ottos gleichnamigem Sohn und Nachfolger. Auch diese Vollendung dauerte bis weit ins nächste Jahrhundert.


Der markgräfliche Hof

Zu Lebzeiten Albrechts des Bären kamen die meisten der ihn unmittelbar umgebenden Personen noch aus dem Ritterstand, hauptsächliche Ausnahmen waren Geistliche, die neben ihrer originären seelsorgerischen Betätigung, auch für die Urkundenausfertigungen zuständig waren. Zum größten Teil rekrutierten sich die Mannen des Markgrafen aus den Häusern seiner Vasallen. Der frühe markgräfliche Hof, wie im Grunde alle Höfe der Zeit, war geprägt vom Militäradel des Ritterwesens. In der Zeit Markgraf Ottos hatten sich die höfischen Sitten an den Höfen der großen europäischen Dynasten längst weiterentwickelt, so dass sich auch an den provinzialen Höfen verfeinerte Strukturen etablierten.  Auch in Brandenburg entstanden Hofämter analog dem Beispiel des königlichen Hofs.
Im August 1170, anlässlich der Einweihung des Havelberger Doms, es war der letzte dokumentierte öffentliche Auftritt Albrechts des Bären, ließ sich Markgraf Otto von den anwesenden Vasallen über die zukünftige Hauptresidenz seines neuen Fürstentums beraten, worauf die Entscheidung auf Brandenburg an der Havel fiel. Damit wurde der politische Schwerpunkt mitten in das Kolonialgebiet rechts der Elbe gelegt. Nicht den besser entwickelten Orten der Altmark gab er den Vorzug, mit ihrer fast durchweg sächsischen Bevölkerung, sondern der erst im Aufstreben befindlichen Doppelsiedlung an der Havel, deren gesamtes Umland slawisch besiedelt war. Ein klarer Fingerzeig hinsichtlich seiner eigenen Ambitionen und völlige Abkehr von der Politik des Vaters, der seinen Schwerpunkt eindeutig in den westlichen Provinzen seines Länderkomplex hatte. Wenn auch Ottos Hof eine mobile Einrichtung blieb und auch er zu immer wiederkehrenden Reisen durch sein Fürstentum gezwungen war, erwies sich die Bildung eines administrativen Mittelpunkts förderlich für die Entwicklung eines ständigen Hofstaats und der städtischen Entwicklung Brandenburgs.
Dem Beispiel des königlichen Hofs folgend, wurden Hofämter wie Mundschenk, Truchseß, Marschall, Kämmerer und andere geschaffen. Der Dienst am Hof eröffnete Männern mit geeigneter Bildung die Gelegenheit sich gesellschaftlich zu verbessern und hierarchisch aufzusteigen, selbst wenn sie nicht von Adel waren. War bislang hauptsächlich das Schlachtfeld ein Ort an dem sich ein Name gemacht wurde, selbst wenn jemand nicht von edlem Geblüt war, so war denjenigen, welche im administrativen Dienste des Landesherren standen, ebenfalls Bewährungsmöglichkeiten gegeben. Weltliche Bildung als Karrierefaktor trat, wenn auch noch verhalten, zaghaft an die Seite von Kriegskönnen. Neben den Landvögten, die statt des Markgrafen in den Vogteien landesherrliche Regentschaft ausübten, bildete der Hofstaat eine erste Frühform des Beamtentums.
Man darf sich den frühen brandenburgischen Hofstaat nicht als ein Gewimmel von Hofchargen vorstellen. Die Mittel des Markgrafen waren begrenzt und gerne sparte man in Brandenburg unter dem höfischen Personal. Sogar die großen Markgrafen Johann I. und Otto III., Enkel Ottos I., wir kommen noch auf sie zu sprechen, teilten sich aus Ersparnisgründen über lange Zeit einen gemeinsamen Hof und unterhielten nur wenige Personen zu ständigen Verfügung, so zum Beispiel einen eigenen Kaplan, der auch auf Reisen, hier nicht selten von einem zweiten oder gar dritten begleitet, zur ständigen Verfügung stand. Schon eine Generation später sollte sich das drastisch ändern. Der markgräflich brandenburgische Hof entwickelte unter Otto IV. eine Pracht, die es mit den größten im Reich aufnehmen konnte. Doch greifen wir den Geschehnissen nicht voraus und gehen stattdessen kurz auf die Rollen der wichtigsten Hofbeamten ein, um die Aufgabenverteilung an einem mittelalterlichen Hof besser zu verstehen. Man wird feststellen, dass symbolische Aktivitäten selbst an einfachen Höfen von großer Bedeutung und Bestandteil des Zeremoniells waren. Die Personen hinter den Hofämtern, dies sollte noch erwähnt werden, belegten zu diesem Zeitpunkt meist auch die höchsten Staatsämter und selbst wenn nicht, so nahmen sie durch ihre ständige Präsens mal mehr, mal weniger Einfluss auf den Landesfürsten und dessen Politik. Der Truchseß hatte die Oberaufsicht über die fürstliche Tafel, überwachte die Küchen und sorgte für die Aufwartung der Speisen. Nach heutigem Denken erscheint dies wenig bedeutend, doch war die fürstliche Tafel der primäre Ort, an dem das gesellschaftliche Hofleben zelebriert wurde, wo Netzwerke geknüpft, Vereinbarungen erarbeitet und auch verkündet wurden. Weiter beaufsichtigte er alle Lager des fürstlichen Haushalts, formal auch die landesherrlichen Lager in den sonstigen Teilen des Fürstentums. In der Realität übernahmen selbstverständlich die Landvögte und deren Chargen die tatsächliche Kontrolle außerhalb des unmittelbaren Fürstenhofs und mussten bei Besuchen des Regenten dem Truchseß Bericht und Rechenschaft leisten. Der Mundschenk sorgte für die Reichung der Getränke an der Tafel. Ihm unterstanden die fürstlichen Bier- und Weinkeller, die Weinberge, Brauereien und entsprechenden Anbaugebiete. Der Marschall kümmerte sich um die fürstlichen Pferde. Ihm unterstanden die Futterspeicher aber auch die Rüstkammer, weswegen in der Wahrnehmung späterer Zeiten dem Marschall hauptsächlich eine kriegerische Komponente beigemessen wurde. Er plante und organisierte die Reisen seines Herren und alle damit verbundenen Aktivitäten. Schließlich der Kämmerer, der den Landesherren ankleidete, bzw. hierfür verantwortlich war. Er hatte sich um die Behausung, die Dienerschaft und den Finanzhaushalt des Hofs zu kümmern, als solcher stand er der fürstlichen Schatzkammer vor.


Der Kampf um Sachsen

Heinrichs Vasallen stellten sich getreu dem Lehnseid ihrem Herzog zur Seite und bereiteten sich auf den bevorstehenden Angriff des Kaisers oder seiner sächsischen Exekutionskräfte vor. Nicht alle verharrten in der Rolle des Abwartenden. Fürst Kasimir I., über ihn haben wir im Zusammenhang mit der Belagerung von Demmin Juli und August 1177 schon geschrieben, ging stattdessen in die Offensive. Quer durch Brandenburg ziehend, fiel er verheerend in die ostelbischen Kolonien des Magdeburger Erzbischofs ein und richtete schreckliche Verwüstungen im Land Jüterbog an, rund 70 Kilometer südöstlich von Brandenburg an der Havel. Die Stadt Jüterbog wurde erobert und niedergebrannt. Nördlich davon wurde das im Bau befindliche Kloster Zinna zerstört und dessen Abt erschlagen. Auch die südöstlich gelegene Lausitz wurde auf den weitläufigen Raids Kasimirs entsetzlich heimgesucht. Brandenburg war wahrscheinlich ebenfalls in Mitleidenschaft gezogen, jedoch in nicht annähernd ähnlich schwerer Weise. Man muss fast glauben, dass die märkischen Gebiete rechts der Elbe, abseits der Städte Havelberg und Brandenburg, kaum lohnende Ziele für einen Kriegszug waren. Vielleicht verschonte Kasimir die überwiegend slawische Landbevölkerung auch ganz gezielt, in der Hoffnung diese dadurch für sich oder seinen Herren zu gewinnen. Möglicherweise gab sogar Heinrich der Löwe gezielt Anweisungen den Brandenburger Markgrafen, der bislang seine Neutralität bewahrt hatte, ausdrücklich nicht zu behelligen.
Markgraf Otto sah sich anlässlich der Heimsuchungen Kasimirs veranlasst seine Vasallen zur Heerschau zu rufen und drang in das Gebiet Kasimirs vor, wo Demmin abermals belagert wurde, genau gesagt die dortige Burg, denn die Stadt besaß keine Verteidigungsanlagen und war schnell weggenommen. Die Belagerung war schwer und bei einem Ausfall der Garnison wurde Otto durch einen Schwerthieb verletzt und fiel vom Pferd. Der Brandenburger Burggraf Siegfried kam dem am Boden liegenden Markgrafen mit 28 Rittern. Der verletzte Markgraf wurde, während der Kampf noch hin und her wogte, auf ein Pferd gesetzt und aus dem Getümmel geführt. Wahrscheinlich war es bei diesem Gefecht, wo Ottos Gegner, Fürst Kasimir aus dem wendischen Hause Greif, sein Leben verlor. Die Burg fiel im Anschluss in die Hand der Brandenburger. Der Markgraf gab das Gebiet nicht mehr heraus und annektierte es, worauf sich das frühe Brandenburg nach Norden, rund um die Gegend von Fluss und See Tollense erweiterte. Ein Enkel Ottos gründete dort im Januar 1248 die Stadt Neubrandenburg, worauf in einem späteren Kapitel zurückgekommen wird.
Es sollte die einzige Gebietserweiterung unter Ottos Regierung bleiben.

Die Kämpfe in Sachsen selbst ebbten zum Herbst hin ab. Der Löwe konnte seine Position bisher halten. Das Jahr 1181 brachte schließlich die Entscheidung. In einem gemeinschaftlichen Kraftakt begannen im April die Zurüstungen. Der Kaiser und die ihn unterstützenden Fürsten, darunter Markgraf Otto von Brandenburg sowie seine Brüder und ein Neffe, Graf Siegfried von Weimar-Orlamünde, fielen ab Juni sengend über das Land Heinrichs her. Von allen Seiten zugleich bedrängt, gerieten in kurzer Zeit Burgen und ganze Landstriche in die Hände der kaiserlichen Truppen. Heinrichs Vasallen liefen jetzt in großer Zahl ins Lager der Gegner über und unterwarfen sich. Der Löwe war geschlagen. Im Herbst 1181 unterwarf auch er sich nach altem Brauch der Gnade Barbarossas und hoffte auf Restitution, auf die Wiedereinsetzung in seine alten Besitzungen, doch der Kaiser blieb eisern. Aller Reichslehen beraubt, blieb ihm nur der Allodialbesitz. Er musste die zu Würzburg über ihn verhängte Verbannung akzeptieren. Hierdurch sollte in Sachsen endlich Ruhe einkehren. Ende Juli 1182 trat Heinrich mit seiner Familie und einem Gefolge Treugebliebener die Reise an den Hof seines Schwiegervaters König Heinrichs II. (1133 – 1189) an. Er kehrte erst nach Jahren wieder zurück, spielte aber in der Reichspolitik und im sächsischen Raum keine wichtige Rolle mehr.

Die 1180 formell vorgenommene Neuordnung Sachsens wurde jetzt faktisch vollzogen. Neben dem Erzstift Köln, dem das Herzogtum Westfalen mit Engern zufiel, gehörte besonders der jüngste askanische Zweig zu den großen Gewinnern. Bernhard war fortan Herzog von Sachsen und in den vor vornehmsten Kreis des Hochadels aufgestiegen. Auch Siegfried, der vormalige Bischof von Brandenburg, kam zu allerhöchsten Würden. Seine Wahl zum Erzbischof von Bremen wurde jetzt akzeptiert und er trat 1180 das dortige Amt an. Bischöflicher Nachfolger in Brandenburg wurde der Magdeburger Klosterpropst Baldram.
Otto konnte aus dem großen Konflikt für sich und die Größe seines brandenburgischen Zweigs kein Kapital schlagen. Bis auf die schon erwähnten Erwerbungen entlang der Tollense, ging er leer aus.

1182 und 1183 sehen wir ihn nochmal wiederholt an der Seite des Kaisers, wo er als Zeuge in Urkunden erwähnt wird. Vermutlich 1183 starb mit Graf Dietrich von Werben der dritte Bruder Ottos. Die Grafschaft Werben am linke Elbufer, gegenüber der Havelmündung gelegen, schien daraufhin an Otto gefallen zu sein, denn das Gebiet gehörte später zur Altmark Brandenburg.


 Ehen und Nachkommen

Otto heiratete in erster Ehe um das Jahr 1148 Judith von Polen (1132 – 1174). Sie war die Tochter von Herzog Bolesław III. Schiefmund aus dem Geschlecht der Piasten. Die Anwartschaft auf das havelländische Erbe bewegte den Vater wahrscheinlich dazu, seinen erstgeborenen Sohn mit der slawischen Prinzessin aus Polen zu verheiraten. Die dynastische Verbindung mit dem polnischen Königshaus war politisch klug, zumal Polen damals noch, wenn auch höchst widerwillig, ein tributpflichtiger Vasall des Reichs war. Bolesław Schiefmund fühlte schon sehr früh nach Norden und Westen vor und unterwarf 1121/22 das östliche Pommern bis zur Odermündung, darunter Stettin.  Erste Versuche das Gebiet zu christianisieren scheiterten am Widerstand der heidnischen Pomoranen. Der nach Pommern gesandte spanische Missionsbischof Bernhard, konnte mit seinem ärmlichen und demütigen Auftreten keinen Eindruck hinterlassen. In Wollin, wo sich ein heidnisches Heiligtum befand, wurde er kurzerhand in einen Kahn gesetzt, mit der Empfehlung, er solle besser „den Fischen im Meer und den Vögeln am Himmel“ predigen. Bernhard kehrte zu Herzog Boleslaw III. zurück, der ihm zuvor die Aussichtslosigkeit seiner Missionssreise vorausgesagte.
Bolesławs Ambitionen entlang ihn auch bereits in Regionen links der Oder, wo er Teile der dort lebenden Elbslawen in einem räumlich begrenzten Feldzug unterwarf. Diese formierten sich nach seinem Abzug auf die altgewohnte Weise und übernahmen wieder die Kontrolle. Für die vorerwähnte Anwartschaft auf das Havelland, die sich 1150 schließlich realisierte, war ein potenter Verbündeter im Osten von Vorteil, auch wenn sich die Askanier damit, während Barbarossas Unterwerfungszug gegen Polen, im sächsischen Raum gefährlich exponierten, besonders bezüglich Heinrich dem Löwen. Auch zeigte Albrechts gedachte Annäherung und Verbindung mit den Piasten nicht den Nutzen, den er sich davon erhoffte, wie der Verlust der Brandenburg 1157 zeigte, als Jaxa von Köpenick mit Hilfe seiner verschwägerten polnischen Verwandtschaft die Havelfestung handstreichartig unter seine Kontrolle brachte.
Ottos Gattin Judith war in erste Ehe mit dem ungarischen Prinzen Ladislaus verheiratet. Die Ehe wurde früh geschieden, wahrscheinlich aus machtpolitischen Erwägungen Ladislaus. Aus der Ehe mit Otto gingen zwei Söhne hervor:

  • Otto (nach 1148  – 1205), ab 1184 als Otto II. regierender Markgraf Brandenburgs
  • Heinrich (um 1150 –  1192), Graf von Gardelegen

Nach dem Tod seiner ersten Frau, heiratete Otto 1176 eine gewisse Adelheid, über deren Herkunft nichts weiteres bekannt ist.

Aus dieser Ehe kam ein weiterer Sohn:

  • Albrecht (1177 – 1220), 1205 folgte er Halbbruder Otto II. als Markgraf von Brandenburg

Tod des Markgrafen und Nachruf

Otto I. starb am 7. März 1184 und wurde später in dem von ihm gestifteten Kloster Lehnin beigesetzt, dessen Bau zu diesem Zeitpunkt noch nicht begonnen hatte. Als er 1170 die ihm vermachten Ländereien übernahm, zeichnete sich erstmals jenes Fürstentum in einer frühen Ausprägung ab, das als Mark Brandenburg in die Geschichte einging. Markgraf Otto widmete sich in den etwas über dreizehn Jahren seiner Regierung ganz der Fortführung der schon zuvor eingeleiteten Besiedlungspolitik und intensivierte sie. Die Politik der Anlehnung an das staufische Herrscherhaus, die der Vater wegen seiner Opposition gegen die Welfen begann, setzte er mit Unterbrechungen fort, ohne sich hierdurch, im Gegensatz zu seinem jüngsten Bruder Bernhard, Vorteile herauszuarbeiten. Die Bedeutung der Mark war im Konzert der damaligen Reichsterritorien untergeordnet. Das Gebiet jenseits der Elbe blieb ein Enwicklungsland, noch immer hauptsächlich besiedelt von Slawen, die sich abseits der wenigen städtischen Zentren der Christianisierung noch erfolgreich widersetzten. Der seit 1159 steigende deutsche Bevölkerungsanteil, sowie das christliche Missionswerk, führten zunehmend zu Spannungen im rechtselbischen Kolonialraum. Während der Kämpfe im Rahmen der Niederwerfung Heinrichs des Löwen, konnte er die Mark Brandenburg nach Norden geringfügig erweitern. Die Gründung des Klosters Lehnin stellte einen wichtigen Meilenstein bei der Erschließung des Havellandes dar und war Vorbild weiterer Klostergründungen.
Rückblickend war Ottos Besiedlungspolitik, gestützt auf den gezielten Zuzug deutscher Kolonisten, der prägnanteste Aspekt sowohl der Jahre als Mitregent an der Seite des Vaters, wie auch seiner eigenen Regierungszeit. Da die junge Mark Brandenburg in ihrer ganzen Struktur, abgesehen von der linkselbischen Altmark, dem Landesherren kaum Möglichkeiten zu ehrgeiziger Politik gab, war die Fokusierung auf den Landesausbau vernünftig. Das kräfteschonende Regiment Ottos war Ausdruck eines besonnenen, die Mittel und Möglichkeiten reiflich abwägenden Herrschers. Als er im Frühjahr 1184 starb, hatte er viele Dinge auf den Wege gebracht, doch war erst der Anfang geschaffen, sehr vieles gab es noch für die Nachfolger zu tun.


Buch 1, Kapitel II: „Albrecht der Bär – Die Brandenburg“

 


Albrecht war mit seinen Bemühungen die Vorherrschaft in Sachsen durch den Erwerb des Herzogtitels zu erringen, krachend gescheitert. Zwar belehnte ihn Konrad III. 1138 mit Sachsen, doch konnte er sich dort ohne Bündnispartner nicht halten und war nach anfänglichen Erfolgen, von einer unüberwindlichen Opposition aus Anhängern Heinrichs des Stolzen konfrontiert worden. Im Mai 1142 resignierte er seine Ansprüche, nachdem nicht nur längst alle Positionen im Herzogtum verloren waren, sondern auch der größte Teil seiner Erblande und Reichslehen besetzt waren. Der zwölfjährige, gleichnamige Sohn des vorerwähnten Heinrichs, er war überraschend verstorben, wurde jetzt mit dem Herzogtum belehnt. Trotz des zeitweilig drohenden Verlusts wesentlicher Teile seiner Besitzungen, gemeint waren sowohl die askanischen Stammlande, als auch die Nordmark, ging er am Ende der Auseinandersetzung nicht territorial gemindert aus dem Konflikte hervor. Als Nutznießer einer glücklichen Erbschaft konnte er sogar einen Gebietszugewinn verbuchen. 1140 starb mit dem rheinischen Pfalzgrafen Wilhelm eine Nebenlinie der Askanier aus. Wilhelm war der jüngste Sohn Pfalzgraf Siegfrieds, der seinerseits ein Bruder von Albrechts Großvater war. Wohl kam Markgraf Albrecht nicht in den Genuss durch den staufischen König mit dem pfalzgräflichen Fahnlehen bedacht zu werden, erhielt aber immerhin Teile der Allodialgüter in Thüringen und Nordfranken. Später folgte noch die Grafschaft Weimar-Orlamünde, die ihm als Reichslehen verliehen wurde. Obwohl er also den Kampf um das Herzogtum Sachsen verloren hatte, zweimal praktisch heimatlos für eine ganze Zeit mit dem königlichen Hof umherreisen musste, hatte er am Ende Glück und ging territorial gestärkt aus dem Frankfurter Reichstag hervor.


Die Zeit nach dem Frankfurter Friede

Am 10. Mai 1142 wurde der Friede auf dem Frankfurter Hoftag beurkundet. Alle Seiten zeigten sich, gedrängt vom Reichsoberhaupt, kompromisbereit und gaben Teile ihre Ansprüche auf. Der König belehnte den jungen Heinrich den Löwen mit Sachsen, dieser verzichtete dafür auf seine Ansprüche am Herzogtum Bayern, womit dort die Babenberger Regentschaft bestätigt wurde. Albrecht verzichtete seinerseits auf seine Ansprüche hinsichtlich Sachsen, und erhielt dafür die Güter in Thüringen und Franken und wie erwähnt später auch noch die Grafschaft Weimar-Orlamünde. Als letzten Nutznießer wollen wir nicht den König selbst vergessen. Er ging aus jenem Konflikt als das von allen anerkannte Oberhaupt des Reiches hervor und war damit vielleicht der größte Gewinner überhaupt, immerhin musste er hierfür nichts opfern, sondern konnte aus den Hinterlassenschaften und der allgemeinen Streitmasse anderer die Ansprüche der Rivalen befriedigen, während er gleichzeitig noch den Babenberger Verwandten Leopold und Heinrich mit dem Herzogtum Bayern und der rheinischen Pfalzgrafschaft bedeutende Reichslehen zukommen lassen konnte. Nach einer Frühphase, in der Konrad mit militärischer Stärke seine Entschlossenheit unter Beweis stellte, schwenkte er jezt auf eine Politik des Interessensausgleich ein und beschritt in dieser Hinsicht die Pfade der Konsensualpolitik seines Vorgängers.  Selbstverständlich konnte der Frankfurter Friede nicht alle offenen Streitpunkte, nicht all die erlittenen oder geleisteten Demütigungen bereinigen. Es gab für den König aber auch für die Mittelmächte in den Einzelterritorien, immer noch viel Arbeit zu leisten.

Furchtbar hatte der jahrelange Krieg in den Ländern Albrechts gewütet. Ungezählte Dörfer und Meiereien waren verwüstet, ganze Gegenden entvölkert. Felder waren unbestellt geblieben und verödet. Die Burgen lagen in Trümmern. Kurzum, ein jammervolles Bild in weiten Teilen seiner Landschaften. Ob sich der Markgraf die Frage nach dem Sinn und Wert seiner bisherigen Anstrengungen stellte? Wenn auch seine Territorien jetzt größer waren als ehedem, durch die Verheerungen blieben sie weit unergiebiger und weit hinter dem zurück, denn zum Zeitpunkt als er 1123 vom Vater das Erbe antrat. Verbrannte Dörfer, Weiler und Flecken waren nicht das Ergebnis einer segensreichen Regentschaft, sie waren das Resultat einer gefährlich ehrgeizigen Machtpolitik die auf Expansion ausgerichtet war. Wir wissen nicht ob ihn eine derartige selbstkritische Frage bewegte, ob sie für die Zeit überhaupt denkbar war. Im zwölften Jahrhundert war das ganze Schriftwesen auf das Nötigste reduziert. Auf Beurkundung von Kaufverträgen, Schenkungen, Belehnungen, Gründungen und dergleichen andere Dinge. Wir wissen sehr wenig was an alltäglichen Maßnahmen von den Territorialfürsten vorgenommen wurde, vom Leben der einfachen Menschen ganz zu schweigen. Demgemäß bleibt in Bezug auf Albrecht nichts anderes übrig, als sich auf jene, nicht übermäßig vielen Urkunden zu beschränken, in denen er inhaltlich erwähnt wurde. Es genügt um seine oft rastlos anmutende Geschäftigkeit auf Reichsebene und im sächsischen Raum zu verfolgen, lässt aber allerhand Lücken und damit Interpretationsspielraum hinsichtlich seiner Gedanken und alltäglichen Tätigkeiten. Aus den schriftlichen Zeugnissen der Zeit nach dem Frankfurter Frieden entnehmen wir ein neue, bislang ungekannte Facette an Albrecht. Er tritt jetzt gehäuft als Schlichter auf, was einen scharfen Gegensatz zu seiner bisherigen Politik des Schwertes darstellte. Sollte es sich doch erweisen, dass er in sich gegangen war um seine bisherige Politik zu hinterfragen? Man könnte zumindest den Eindruck gewinnen. Wir sehen jetzt seinen ältesten, zwischenzeitlich etwa siebzehnjährigen Sohn Otto (1128 – 1184), des Öfteren an seiner Seite, daneben auch schon gelegentlich den Jüngling Hermann (1130 – 1176) und sogar den Knaben Siegfried (1132 – 1184).

1146 trat Albrecht in Gemeinschaft mit dem Meißner Markgrafen Konrad von Wettin als Schlichter in den Zerwürfnissen zwischen dem Reich und Polen auf. Wie kam es dazu? Am 28. Oktober 1138 starb in Polen der herrschende Herzog Bolesław III. Schiefmund (1085 – 1138). Dessen Tod fiel zeitlich mit den im Reich ausgebrochenen Kriegswirren um das Herzogtum Sachsen zusammen. Laut Testament sollte Polen unter den vier ältesten Söhnen aufgeteilt werden, wobei dem Erstgeborenen aus erster Ehe, Władysław (1105 – 1159), neben Schlesien, zusätzlich das Krakauer Land und damit das Amt eines Seniorherzogs zukam. Diese Vorkehrung des Vaters sollte einen ausbrechenden Machtkampf unter den Brüdern und deren Nachfolgern verhindern. Lange währte der Frieden derweil nicht. Es kam unter den brüderlichen Teilherzögen, unterstützt vom polnischen Großadel, zum Widerstand gegen Władysław, der umgekehrt die eigene Vormachtstellung auf Kosten seiner Brüder weiter ausbauen wollte. In der Schlacht an der Pilitza (polnisch Pilica) erlag er ihren vereinten Kräften und musste aus dem Land fliehen, wodurch er seither den Beinamen der Vertriebene trug. Er begab sich in den Schutz des deutschen König, mit dem er verschwägert war. Seine Gemahlin, Agnes von Babenberg (um 1110 – 1163), war die Halbschwester Konrads III.

Zu Kayna bei Altenburg, im Bistum Naumburg, hielt der König im März und April 1146 Hoftag. Władysław reiste herbei und unterwarf sich dem Staufer, huldigte ihm und nahm seine polnischen Herzogtümer in Schlesien und Krakau vom römisch-deutschen König zu Lehen. Es war ein gerissener Schachzug und Konrad III. schluckte den Köder, indem er den Herzog zum Herrscher von ganz Polen machte, ohne die Begebenheiten zuvor ausreichend abzuwägen. Der König forderte die Brüder des verschwägerten Herzogs auf dessen Oberherrschaft über Polen zu akzeptieren, doch stattdessen wählten sie den nächstälteren Bruder, Bolesław IV. (1120 – 1173) zu ihrem Senior. Den Hochsommer über wurden die Verhandlungen ohne Erfolg fortgesetzt, so dass Konrad, dessen Geduld sich dem Ende neigte, beschloss das vermeintliche Recht mit dem Schwert durchzusetzen. Im August beriet er sich in Meißen mit den anwesenden Fürsten, ließ ein Heer aufstellen und marschierte Richtung Oder. Polnischerseits wurde der Einmarsch, gut gerüstet und in günstigen Positionen erwartet. Mit ihrer leichten Reiterei, die schnell und wendig den schwerfälligen Schlachtrössern der deutschen Panzerreiter entfliehen konnten, störten sie den Lebensmittelnachschub des königlichen Heers, das schon bald unter Knappheit zu leiden begann. Konrad III. war durch die akut werdende Versorgungsknappheit und von murrenden Fürsten aus seinem Lager unter Druck gesetzt. Er nahm abermals Verhandlungen auf, die er den oben genannten beiden Markgrafen Albrecht von Ballenstedt und Konrad von Meißen überließ. Beiden gelang es einen Frieden auszuhandeln, indem Bolesław versprach zu gegebener Zeit vor einem Fürsten- oder Hoftag zu erscheinen und das Urteil, gleich wie es ausfallen mag, zu akzeptieren. Bis dahin wurde Władysław in Altenburg ein repräsentativer Wohnsitz zugewiesen. Der jüngere Bolesław blieb indes der dominante Herzog in Polen, während sein älterer Halbbruder in der Fremde ausharren musste.

Zwischenzeitlich fesselte ein anderes Ereignis die Aufmerksamkeit des Königs, wenngleich er sich zu Beginn dem trügerischen Reiz noch erfolgreich erwehren konnte.


Zweiter Kreuzzug und Wendenkreuzzug

Ende Dezember 1144 fiel mit der Stadt Edessa, einer jener Kreuzfahrerstaaten, der nach dem ersten Kreuzzug (1096 – 1099) im syrischen Gebiet entstanden war. Edessa ging durch die Unvorsicht des Grafen Joscelin II. verloren, der zuvor mit dem Großteil seiner Truppen einem Verbündeten Hilfe leistete. Der seldschukische Fürst Imad ad-Din Zengi (arabisch عماد الدين زنكي) nutzte die günstige Gelegenheit, um die weitgehend schutzlose und entblößte Stadt im November zu belagern und am Heilig Abend des Jahres 1144 einzunehmen. Zwei Tage später brach auch in der Zitadelle der letzte Widerstand zusammen. Es folgte ein Gemetzel unter den christlichen Einwohnern der Stadt. Die Grafschaft Edessa war bislang ein Bollwerk nach Osten und schirmte die christlichen Staaten, die sich entlang der Küste nach Süden, bis zur Sinai Halbinsel hinzogen, gegen die kriegerische Expansion der türkischen Seldschuken ab. Ein sorgenvolles Raunen und Klagen ging durch die Region und die Welt der römischen Kirche. Die heiligsten Stätten der Christenheit liefen Gefahr erneut in die Hände des Islams zu fallen.

In Rom wurde der Plan eines neuen Kreuzzugs geboren. Papst Eugen III., ganz unter dem Einfluss des charismatischen Zisterzienser Mönchs Bernhard von Clairvaux (1090 – 1153), verfasste am 1. Dezember 1145 die goldene Kreuzzugsbulle Quantum praedecessores, die er direkt an den französischen König Ludwig VII. adressierte. Bernhard von Clairvaux avancierte in kürzester Zeit zur Gallionsfigur der Kreuzzugsbewegung. Ostern 1345 nahm der König von Frankreich das Kreuz auf. Er verpflichtete sich an einem Zug ins Heilige Land teilzunehmen. Auch andere europäische Fürsten schlossen sich an, aus England, Flandern, Oberitalien strömten Kreuzfahrer zusammen. Mit den Königen von Sizilien, Ungarn und dem römisch-deutschen König Konrad III. wurde verhandelt. Kaiser Manuel I. Komnenos von Byzanz gewährte den Durchmarsch nach Kleinasien und sicherte Versorgung zu.
Dem Beispiel des Klerikers Bernhard schlossen sich weitere Apologeten an. Sie hetzten die Volksmassen auf, so dass es, wie schon während des ersten Kreuzzugs, zu Übergriffen und auch Morden gegen Juden kam. Konrad III., der im Dezember aus Sachsen an den Rhein zurückgekommen war, schritt energisch ein, unterstützt von der hohen Geistlichkeit, die schockiert von den Pogromen war. Die Exzesse blieben, trotz aller Schwere, durch die königliche Intervention weit hinter jenen anlässlich des ersten Kreuzzugs.

König Konrad der III. als Kreuzfahrer

Konrad war bislang nicht geneigt sich dem großen Zug nach dem Heiligen Land anzuschließen. Im November lehnte er die Aufforderung des redegewaltigen Abtes ab. Zu große war die Unruhe im Reich und zu wackelig der Frieden in Sachsen. Auf dem im Dezember zu Speyer abgehaltenen Hoftag kam es zu einer erneuten Unterredung zwischen Bernhard und Konrad. Der König begann zu schwanken. Am 27. Dezember hielt der Zisterzienser Abt während der Messe im Kaiserdom eine flammende Rede. Die Zuhörer waren zutiefst davon betroffen. Der anwesende König und zahlreiche hohe Fürsten ließen sich mitreißen und waren jetzt von der Notwendigkeit überzeugt, das Grab des Heilands zu schützen. Entgegen seiner bisherigen Haltung und wider dem ausdrücklichen Wunsch und Rat des älteren Bruders, der schwer erkrankt mit dem Tode rang, nahm Konrad die Fahne und das Kreuz aus der Hand Bernhards von Clairvaux entgegen. Die Herzöge von Böhmen und Lothringen, die Bischöfe aus Freising und Naumburg taten es ihm gleich. Der rebellische Welf VI., jüngerer Bruder des verstorbenen Heinrichs des Stolzen und Onkel des jetzt amtierenden sächsischen Herzogs Heinrich dem Löwen, hatte bereits am Heiligabend das Kreuz aufgenommen. Sehr wahrscheinlich erleichterte dies dem König seine eigene Entscheidung. Schlussendlich schloss sich dem königlichen Beispiel auch noch der Neffe, Herzog Friedrich III. von Schwaben an, der nachmalige Friedrich I. Barbarossa.
Aus dem sächsischen, dem norddeutschen Gebiet, waren kaum Freiwillige zu finden, außer dem schon genannten Naumburger Bischof, schien nur noch Graf Bernhard von Plötzkau sich berufen gefühlt zu haben. Bevor der König sich an der Spitze des deutschen Kontingents auf den Weg machen konnte, musste noch so manches im Reich geregelt werden. Auf einem im März 1147 abgehaltenen, großen Hoftag in Frankfurt versammelte er noch einmal viele der Großen des Reichs. Sein erst zehnjähriger Sohn Heinrich wurde dabei einstimmig zum Mitkönig gewählt und der Mainzer Erzbischof Heinrich (1080 – 1153) während der Abwesenheit des Königs zum Regenten des Reichs bestimmt. Abt Bernhard versucht auf dem Hoftag die bisherigen Zauderer, vor allem die sächsischen Fürsten, doch noch zu gewinnen, doch die drei einflussreichsten Fürsten, Herzog Heinrich der Löwe, Markgraf Konrad von Meißen und der Lausitz sowie Markgraf Albrecht der Bär beharrten auf ihrer ablehnenden Position. Sie argumentierten, dass ihren Gebieten die heidnischen Slawen unmittelbar gegenüber lägen und diese galt es zuerst zu bekehren. Wohl war das Argument, nach den Wahrnehmungen der Zeit stichhaltig, doch ist nicht zu leugnen, dass es ein willkommener Vorwand war, um nicht die beschwerliche und gefährliche Reise in den Orient zu unternehmen. Die Rivalität untereinander erlaubte es keinem der drei sich dem Zug des Königs anzuschließen, wenn von ihnen auch nur einer zurück bliebe.

Man sollte annehmen, der Papst, der nicht nur Schirmherr, sondern auch leitender Kopf des Kreuzugs sein wollte, könnte sich nicht genug Unterstützung wünschen und wäre über jeden Fürsten, der sich der Bewegung anschloss höchst erfreut. Doch im Falle Konrads war der Fall anders. Von ihm erhoffte sich der in Rom auf sehr schwachen Füßen stehende Papst, er würde mit einem Heer nach Italien, statt nach Palästina ziehen und die päpstliche Stellung militärisch durchsetzen. Daran hätte sich sicherlich die Kaiserkrönung angeschlossen, womit auch Konrad gedient gewesen wäre. Es kam anders. Der Papst blieb unter dem Druck des römischen Senats und musste um sein Pontifikat bangen. Den Zug ins Heilige Land begleitete er nicht, ob er es selbst unter veränderten Vorzeichen in Erwägung gezogen hätte, ist fraglich. In seiner politisch geschwächten Lage konnte er keinerlei Druck auf jene Fürsten des Reich oder im sonstigen christlichen Europa ausüben, die sich dem Kreuzugsvorhaben verweigerten. Als Kompromiss gestand er den norddeutschen und skandinavischen Fürsten sowie den christlichen Reichen auf der iberischen Halbinsel zu, ihren eigenen regionalen Kreuzzug gegen die Heiden in ihrer unmittelbaren Umgebung vorzunehmen. In Spanien waren dies die seit dem siebten Jahrhundert sich ausbreitenden Mauren und in Norddeutschland die Wenden rechts der Elbe und entlang der Ostseeküste im späteren Mecklenburg und Pommern, wie auch in Schleswig und Holstein. Beiden parallelen Unternehmungen wurden die gleichen Privilegien, wie Sündenvergebung und kirchlicher Schutz, das heißt Immunität während der Teilnahme am Kreuzzug garantiert. Der zweite Teil der päpstlichen Verfügung war für so verkrachte Persönlichkeiten wie es Welf VI. war, eine willkommene Gelegenheit seinen verbliebenen Besitzungen im Reich Luft zu verschaffen, während er sich selbst in Dienste des Herren verdient machte.

Über den Zug ins Heilige Land fassen wir uns kurz, man könnte ein eigenes Kapitel darüber schreiben. Um es vorweg und auf einen Punkt zu bringen, er verlief für das deutsche Kontingent katastrophal. Im August 1147 ging es von Regensburg aus über Österreich, den Balkan und die Meerenge bei Konstantinopel, in den vorderasiatischen Raum. Der französische König, der sein Heer bei Metz sammelte, zog mit seinem Heer erst einige Wochen später los. Konnte der deutsche Zug noch bis etwa zur Höhe von Sofia in disziplinierter Marschordnung und Zucht gehalten werden, kam es jetzt zunehmend zu Fällen von Plünderungen, denen Konrad anfangs noch mit harten Strafen begegnete, im weiteren Verlauf aber immer weniger Herr wurde. Den bewaffneten Kreuzfahrern hatten sich ganze Heerscharen aus dem einfachen Volk angeschlossen, vom frommen Pilger bis zum mittellosen Bettler, selbst ganze Familien. Um die ohnehin schwieriger werdende Versorgungslage nicht noch zu steigern, trennten sich die unbewaffneten Teilnehmer und nahmen jenseits der Meerenge von Konstantinopel eine vermeintlich sicherere Route entlang der Küste. Konrad zog mit den kampfkräftigen Streitkräften, verproviantiert für acht Tage, weiter durch das zentralanatolische Bergland. Bald gingen die Vorräte zur Neige. Geschwächt durch Wasserknappheit und den Belastungen des Marschs, kam es bei Dorylaion dem heutigen Eskişehir, Oktober 1147 zu einem Hinterhalt und einer Serie von äußerst verlustreichen Rückzugsgefechten. Von knapp 20.000 deutschen und böhmischen Kreuzfahrern, konnten sich nur rund 2.500 zumeist Berittene retten, darunter die Masse des Hochadels. Viele von ihnen waren verletzt. Ein kümmerlicher Rest schloss sich später den heranrückenden Franzosen an. Auch König Konrad trug Verletzungen davon, erkrankte darüber hinaus um die Weihnachtsfeiertage und reiste nach Konstantinopel, wo er sich erholte und später erneut Anschluss zum französischen Heer suchte, dass seinerseits bei Laodicea schwere Verluste erlitten hatte. Wir brechen die weitere Betrachtung an dieser Stelle ab, nur noch so viel, den fast ungeschützten Treck der Zivilisten traf es nicht minder hart, auch unter Ihnen hielt der Tod die reichste Ernte. Es war ein entsetzliches, ein nahezu vollständiges Fiasko an dessen Ende die gesamte Region, selbst solche Gebiete die bislang neutral oder sogar wohlwollend waren, zu Gegnern der Christen wurden. Die Situation in Syrien und Palästina war in Folge des gescheiterten Kreuzzugs anschließend um einiges schlechter als vor Beginn der Unternehmung.

Ohne auf die Einzelheiten und zahlreichen Fehler des gescheiterten Kreuzzugs näher einzugehen, konzentrieren wir uns stattdessen auf den großen Wendenzug im Nordosten. Albrecht spielte schon beim Beschluss eine entscheidende Rolle. Anlässlich des Frankfurter Hoftags vom März 1147 wurde offenkundig, dass viele deutsche Fürsten nicht gegen die Ungläubigen im Heiligen Land ziehen wollten, stattdessen alternativ einen Kreuzzug gegen die heidnischen Slawen im Nordosten und Osten präferierten. Abt Bernhard von Clairvaux unterstützte trotz anfänglicher Bedenken das Vorhaben, zu dessen maßgeblichen Verfechtern Albrecht der Bär gehörte. Ein weiterer, im April in Nürnberg abgehaltener Hoftag festigte den Entschluss. Wir deuteten schon darauf hin, dass im sächsischen Raum die vordergründig beigelegte, latent aber weiterschwelende Rivalität, besonders zwischen Albrecht und dem jungen Heinrich, einer der ausschlaggebenden Gründe einer weitverbreiteten Verweigerungshaltung unter den Sachsen hinsichtlich eines Palästinazuges war. Der von Herzog Heinrich vorgebrachte Anspruch auf das Herzogtum Bayern erhöhte die allgemeine Skepsis im norddeutschen Reichsteil noch. Es scheint, Heinrich war in Bezug auf seine Anrechte bezüglich Bayerns bereit auf Konfrontationskurs zum König zu gehen. Unter diesen Bedingungen hielten es die allermeisten sächsischen Fürsten für ratsam nicht in die Ferne zu ziehen. Möglicherweise war der in gößerem Umfang ins Spiel gebrachte Wendenkreuzzug vor allem als Manöver gedacht, um der norddeutschen Region und gleichzeitig dem Reich den erst wenige Jahre alten, brüchigen Frieden zu bewahren. Auf jeden Fall fand die Unternehmung jetzt großen Zulauf zahlreicher weltlicher und geistlicher Fürsten.
Am 13. April verfasste Papst Eugen III. von Troyes aus eine eigene Kreuzzugsbulle Divini dispensatione, die den Zug gegen die slawischen Heiden dem Kreuzzug ins Heilige Land rechtlich gleichstellte. Ende Juni sollte sich das gegen die Slawen gerichtete Heer in Magdeburg sammeln. Im Verlauf des Nürnberger Tags brachte Heinrich der Löwe einen eigenen Kreuzzugsentwurf vor. Bislang war ein Heer vorgesehen das von Magdeburg aus über die Elbe setzen und nördlich an der Havel vorbei, in allgemein nordöstlicher Richtung vorstoßen sollte. Heinrich forderte einen parallelen Zug gegen die Abodriten, die nördlich der Prignitz im heutigen Mecklenburgischen und in Ostholstein siedelten. Sein Vorschlag war nachvollziehbar, lagen doch deren Siedlungsstätten seinen Ländereien abschnittsweise gegenüber. Aus den gleichen Gründen bevorzugte Albrecht den Zug über die Elbe bei Magdeburg oder etwas nördlich davon. Hier lag das rechtselbische Wendenvorland, das widerum seinen Besitzungen am nächsten war und dessen nachhaltige Befriedung ganz in seinem Interesse sein musste, weil es von dort aus in der Vergangenheit zu wiederholten Aktionen gegen seine Ländereien kam. Wenn wir schon über Präferenzen sprechen macht es Sinn auch gleich die Motivationsfrage zu stellen. Zunächst waren es wohl die schon erwähnte taktischen Beweggründe. Einerseits ersparte man sich einen langen, überaus beschwerlichen und höchst gefährlichen Zug in den vorderen Orient, zum zweiten diente, wie wir schon erläuterten, der Wendenzug der Stabilisierung des Reichsfriedens, ging doch mit der Kreuzzugsbewegung, egal ob ins Heilige Land oder in das Gebiet der heidnischen Slawen, ein allgemeiner Reichsfriede einher. Ein Verstoß dagegen, möglicherweise noch dazu gegen einen Fürsten der zuvor das Kreuz aufnahm, hätte die schwersten Folgen gegen den Friedensbrecher mit sich geführt. Worüber wir bezüglich der Beweggründe bislang noch nicht sprachen waren die Partikularinteressen der Fürsten. In Bezug auf Albrecht den Bären und Heinrich den Löwen stand durchaus schon reale Territorialpolitik als Motiv hinter einem Zug in die Slawengebiete. Dass es Albrecht um die Bekehrung der Heiden ging würden wir gerne unterstellen, doch zeigten die bisherigen Ereignisse anlässlich seiner beiden Kriegszüge ins Gebiet der Elbslawen, dass es mit der Christianisierung nicht weit her war. Plünderungen, Geiselnahmen zwecks Lösegelderpressung, Abschreckung und Machtdemonstration bildeten den Schwerpunkt bisheriger Aktionen. Wir dürfen mit gutem Gewissen annehmen, dass es auch bei Heinrich dem Löwen nicht um menschenfreundliche Motive ging. Die Erweiterung des eigenen Territoriums bzw. Einflussgebiets, besonders die Erschließung neuer Geldmittel, war hauptsächlicher Motor fürstlicher Politik im Mittelalter.

Den Slawen blieben die Vorbereitungen jenseits ihrer Grenzen selbstverständlich nicht verborgen, immerhin machte auch niemand ein Geheimnis aus dem Vorhaben. Und nur weil sie nicht dem christlichen Glauben nachhingen und stattdessen einem archaischen Naturglauben anhafteten, verfügten sie dennoch über Informanten, Mittelsmänner und Kontaktleuten in den christlichen Ländern.
Den Heiden sollte, so war das formelle Kreuzzugsmotto, endgültig und für immer das Christentum gebracht werden, zur Not mit äußerster Gewalt, zum Wohle ihrer umsterblichen Seele. Weder die Elbslawen, noch die nördlicher siedelnden Verwandten, die Abodriten und deren assozierte Stämme darf man sich als Halbwilde vorstellen. Ihre bisherigen Stärken waren Zusammenhalt und die Unwegsamkeit ihrers Siedlungsraums, in dem sich die Bevölkerung im Bedarfsfall leicht bei Angriffen verbergen konnte. In technologischen Aspekten, in der Kunst des modernen Schmiedens von Waffen und Rüstungen etc., waren sie von den christlichen Reichen ringsherum längst überflügelt worden. In den rund 150 Jahren ihrer Selbstständigkeit hatten sie größtenteils den Anschluss verloren, die Kehrseite der bisherigen Abschottung und Isolation. Da im Krieg ihre Hauptstrategie ohnehin im schnellen zuschlagen und abtauchen bestand und nicht im ausfechten von Feldschlachten, fiel dieser Nachteil, der auch schon zu Zeiten der Ottonen existierte, bislang nicht übermäßig ins Gewicht. Jetzt aber, im zwölften Jahrhundert, war die Kluft bereits ganz erheblich geworden, auch wenn einzelne Trupps, wie die Leibwachen der Adelsfamilien, gut ausgerüstet waren. Vielleicht kann man es ein wenig vergleichen mit den vortrefflich ausgestatteten römischen Legionen der Antike und den germanischen Kriegern um die Zeitenwende. In einer offenen Feldschlacht waren die Germanen den disziplinierten, aufeinander abgestimmten Formationen Roms, sollte keine drückende Überlegenheit bestehen, üblicherweise deutlich unterlegen. Im Guerillakrieg in den Wäldern, wo die Legionäre ihre Formationstaktiken, wie auch ihre überlegene Waffentechnik nicht zur Entfaltung bringen konnten, war der Vorteil bei den Einheimischen, wie die katastrophale römische Niederlage im Teutoburger Wald im Jahre 9 bewies. Völlig chancenlos waren die Slawen also nicht. Sie mussten sich auf ihre Stärken konzentrieren, auf die Einheit untereinander, auf Ortskenntnisse und auf schnelles zuschlagen und ebenso schnellen Rückzug, um damit den Gegner zu zermürben.

Statue von Fürst Niklot
Schloss von Schwerin

Niklot (um 1100 – 1160), der heidnische, königsgleiche Fürst der Abodriten, Kessiner und Zirzipanen, bereitete sein Volk auf den Einfall der christlichen Streitkräfte vor. Unter Lothar III. war er seit 1131 in ein dem Reich nahes Verhältnis gerückt und leistete Tribut und wohl auch Heerfolge. Mit dessen Tod erlosch für den slawischen Großfürsten die Verbindung und Treupflicht, die er dem Kaiser nicht aber dem Reich geschworen hatte. Wir erkennen hier ein ganz wesentliches Merkmal, ein weitverbreitetes Prinzip des Mittelalters. Loyalität existierte hauptsächlich zwischen einem Personenverband. Man schwor primär einer Person, nicht einer Institution oder Sache die Treue. Der Reichsgedanke war etwas abstraktes und wohl noch einem christlichen Fürsten gedanklich zugänglich, da ebenso der christliche Glaube an ein Himmelreich oder an die Kirche in gleicher Weise abstrakt war. Für einen heidnischen Fürsten wie Niklot waren dergleichen Assoziationen vielleicht nicht unbedingt fremd aber doch unzweckmäßig bzw. in seinem Kulturkreis nicht existent. In seinem, wie im Verständnis vieler anderer, vergingen mit dem Tod einer Person, auch die bislang eingegangenen Verbindlichkeiten.
Mit dem bevorstehenden Kreuzzug bestand für den erst wenige Jahre wieder unabhängig agierenden Abodritenfürsten die ernstzunehmende Gefahr abermals in ein tributpflichtiges Abhängigkeitsverhältnis gepresst zu werden. In dieser Situation trat er an Graf Adolf II. von Schauenburg (1110 – 1164) heran. Mit ihm bestand seit 1142 ein Freundschafts- und Bündnisvertrag, vergleichbar mit jenem zwischen Albrecht dem Bären und dem Hevelerfürsten Privislaw-Heinrich von Brandenburg, wenn auch nicht mit gleichem familiären Charakter und mit dem Unterschied, dass der Abodrite im Gegensatz zu Pribislaw kein Christ war. Niklot bat seinen Verbündeten um Vermittlung und Fürsprache bei den Sachsen, besonders bei Adolfs Lehnsherren, dem welfischen Herzog Heinrich von Sachsen. Im äußersten Falle forderte er auch um waffenmäßige Bündnisunterstützung. Der Graf musste in beiden Fällen ablehnen, es fiel ihm nicht leicht den einst geleisteten Zusagen nicht nachzukommen, aber die Verpflichtungen seinem eigenen Lehnsherren gegenüber, wogen unter allen Umständen schwerer. Enttäuscht, aber nicht überrascht gab Niklot auf und begann mit Zurüstungen sowie der Befestigung seiner Residenzburg bei Dobin, am Schweriner See. Gleichzeitig unternahm er einen der gefürchteten Vorstöße in das Herrschaftsgebiet seines formell weiterhin noch Verbündeten. Tatsächlich ließ er ihn am Vorabend der Aktion davon noch in Kenntnis setzen, aber natürlich blieb in der Kürze der Zeit keine Gelegenheit geeignete Abwehmaßnahmen zu ergreifen. Gerade die Siedlungen der Kolonisten in Wagrien konnten nicht mehr gewarnt werden. Bis heute wird von einigen Historikern die Tat als militärischer Präventivschlag gedeutet, besonders in Polen, wo der vermeintlich unbeugsame Slawenfürst eine gewisse Popularität genießt. Am 26. Juni überfiel er von der Seeseite kommend, die Trave hinauffahrend, den von Graf Adolf II. gegründeten Handelsposten Lübeck und ließ die Wallsiedlung plündern. Auf mitgeführten Pferden steiften sie nach Westen und überfielen die Dörfer der vor nicht allzu langer Zeit zugewanderten deutschen Kolonisten und brannten sie nieder. Die Männer wurden erschlagen, Frauen und Kinder verschleppt. Die Siedlungen der slawischen Holsten wurden auf ausdrückliche Anweisung Niklots verschont. Als Adolf mit einer bewaffneten Schar anrückte, zogen sich die Angreifer mit ihrer reichen Beute auf die Boote zurück und traten den Heimweg an. Den Charakter eines großangelegten, präventiven Militärschlags kann man der Aktion nur schwer unterstellen. Die abseits gelegene Burg von Lübeck wurde beispielsweise verschont und auch sonst Kampfhandlungen aus dem Weg gegangen. Wenn der Überfall überhaupt einen militärischen Zweck hatte, dann um mit der heimgeführten Beute, Mittel für den erst anstehenden Konflikt mit den Kreuzfahrern zu schaffen.

Die Kunde vom Überfall auf die Siedlungen in Wagrien erreichte in Windeseile die sächsischen Gaue weiter südlich. Die zum Kreuzzug gerüsteten Streiter brannten auf Rache. Vom Auftrag den Heiden die christliche Botschaft zu bringen waren die wenigstens noch beseelt, wenn überhaupt je. Unter der Leitung der Herzöge von Sachsen und Zähringen, sowie des Erzbischofs von Bremen, setzte sich das nördliche Heer von vermutlich Lüneburg aus in Marsch. Die zeitgenössischen Chronsiten bezifferten es auf 40.000 Mann. Nach heutigen Einschätzung war die Zahl sicherlich deutlich zu hoch und dürfte nur schwer 10.000 Mann stark gewesen sein. Bei Artlenburg überschritt man die Elbe und marschierte in direkter Richtung auf Dobin, wo Niklots Hauptburg lag. Der Vormarsch war durch die wald- und sumpfreiche Landschaft erheblich erschwert. Nirgendwo stieß das Heer auf Widerstand. Die wenigen Siedlungen, die durchzogen wurden, waren kürzlich verlassen worden. Die vorgewarnte Bevölkerung war in die zahlreichen Wälder und Moore abgetaucht und wartete dort den Durchmarsch der Kreuzfahrer ab. Die Burg lag hervorragend zu verteidigen auf einer schmalen Landbrücke, nordöstlich des Schweriner Außensees. Dort angekommen, begannen die Sachsen von Süden her mit der Belagerung. Von Norden wurden sie von eintreffenden Dänen unterstützt, die ihrerseits die Gelegenheit Beute zu machen nicht verstreichen lassen wollten. Die beiden rivalisierenden Könige Sven III. Grate (vor 1120 – 1157) und Knut V. Magnuson (1130 – 1157), sie waren Vettern, legten ihren Thronstreit während des dänischen Kreuzzugs bei. Bei vermutlich dem heutigen Wismar hatten sie einen wendischen Hafen erobert, wo sie ausschifften und die verbliebenen rund 20 Kilometer auf dem Landweg zurücklegten.

Was war zwischenzeitlich aus Albrecht geworden? Er gehörte zum zweiten, etwas größeren Heer, das sich bei Magdeburg versammelt hatte. Wenige Tage nach dem Aufbruch der nördlichen Gruppe, überschritten auch sie bei Havelberg die Elbe und stießen nordöstlich auf Demmin und begannen mit der Belagerung. Auch sie sind ohne auf Widerstand zu stoßen bis zu diesem befestigten Ort vorgedrungen. Unterwegs verheerten sie alle Dörfer und Behausungen, vernichteten die kurz vor der Reife stehenden Ernte auf den wenigen Feldern und verwandelten das Land in eine Wüste. Bei Malchin teilte sich ein kleinerer Teil unter der Führung der geistlichen Fürsten ab, um noch weiter nach Osten zu marschieren und Stettin zu belagern. Markgraf Albrecht befand sich bei den Belagerern vor Demmin an der Peene, nordöstlich des Kummerower Sees. Die gewaltigen Anstrengungen bei der Aufstellung der zwei Heere mündeten neben den Verheerungen beim Zug durch das Land, in drei Belagerungen fester Orte. Das Ergebnis schien vorhersehbar, doch ähnlich wie König Konrads Kreuzzug, der schon in Anatolien fast sein Ende fand, stand auch der wendische Zug unter keinem guten Stern. Im Verlauf der Belagerung von Niklots Hauptfestung ereilte das dänische Heer ein schwerer Schlag. Bei einem nächtlichen Ausfall der Belagerten erstürmten diese das Lager der Dänen, konnten viele im Schlaf erschlagen und eine große Zahl Gefangene in die Burg entführen. Es sollte noch schlimmer kommen. Die Ranen überfielen von Rügen aus die unzureichend bewachte dänische Schiffsflotte vor Wismar und erbeuteten viele Fahrzeuge. Kaum machte sich die Kunde davon im dänischen Lage breit, brachen sie panisch die Belagerung ab, eilten zu den verbliebenen Schiffen, bemannten diese und trieben die Angreifer zurück nach Rügen. Desillusioniert, untereinander zerstritten, traten sie schließlich die Heimreise an, wobei sie ihre gefangenen Leute in den Händen der Abodriten zurückließen.

Bischof Otto von Bamberg, Apostel der Pommern

Die Sachsen setzten die Belagerung indes ohne den notwendigen Ernst fort. Es wurden keine Versuche unternommen die Burg einzunehmen. Ausfälle der Wenden wehrte man zwar ab, aber die Gelegenheit zu aussichtsreichen Gegenangriffen blieben ungenutzt. Schon machte sich Unmut unter den Belagerern breit. Viele der Fürsten und mit ihnen das Gefolge, waren wegen Aussicht auf Beute ins Slawenland mitgezogen. Sitzkrieg vor einer feindlichen Burg, gar verlustreiche Angriffe, waren überhaupt nicht in ihrem Interesse und untergrub die Moral der Belagerer.
Vor Demmin sah es ähnlich aus, auch dort wurde nicht genug Ernst an den Tag gelegt, um die gegnerische Burg zu nehmen und vor Stettin erwartete die Belagerer sogar so etwas wie eine Überraschung. Hier erschienen auf den Burgwällen christliche Kreuze und die Menschen innerhalb der Wälle gaben sich als schon lange getaufte Christen zu erkennen. Es wäre demgemäß nicht notwendig die Burg einzunehmen, nur um sie bekehren zu wollen, es sei denn die Belagerer hätten in Wirklichkeit andere Motive. Tatsächlich wäre es sogar ein Verbrechen, sie, ihre christlichen Brüder und Schwestern mit Krieg heimzusuchen. Und tatsächlich hatte in Stettin das Christentum Einzug gehalten. Bischof Adalbert von Pommern traf sich im Auftrag von Fürst Ratibor I. zu Unterhandlungen mit dem Anführer der Belagerer, Bischof Heinrich von Olmütz. Bischof Adalbert war Nachfolger des 1139 verstorbenen Bischofs Otto von Bamberg (um 1060 – 1139), dem sogenannten Apostel der Pommern. In den Jahren 1124 und 1128 unternahm er zwei längere Missionsreisen ins Land der Slawen, zerstörte dort heidnische Kultstätten und begann die Menschen zu taufen. In seiner Begleitung war ein Mönch namens Adalbert, aus der Benediktinerabtei Michelsberg in Bamberg. Adalbert beherrschte die Sprache der pommerschen Heiden und diente Bischof Otto als Übersetzer. Als Otto 1139 starb, wurde Adalbert erster Bischof in Pommern. Der Sitz seiner direkt dem Papst unterstellten Diözese war Cammin. Wahl und Gründung des Bistums fielen fast zeitgleich zusammen. Ein Domkapitel existierte noch nicht, weswegen ihn die pommerschen Fürsten wählten, statt einer Versammlung von Domklerikern. Adalbert forcierte in den Jahren nach seiner Weihe den Bau von Kirchen und die Anstellung von Priestern und Missionaren. Der christliche Landesfürst Ratibor I. und der christliche Hochadel Pommerns unterstützen ihn hierbei aktiv. Obwohl sich der alte Glaube und die Bräuche außerhalb der wenigen Zentren noch über Jahrzehnte hielt, konnte kaum daran gezweifelt werden, dass der christliche Glaube schon lange in Pommern Einzug hielt und mittlerweile eine gewisse Verwurzelung hatte. Die Belagerung wurde dementsprechend aufgehoben. Unter den gegebenen Umständen hielten es die geistlichen Fürsten für nicht verargumentierbar, die Feindseligkeiten weiter fortzusetzen. Man kommt nicht umhin, den Alleingang der geistlichen Fürsten Richtung Stettin kritisch zu hinterfragen. Es konnten ihnen eigentlich kaum entgangen sein, dass in Pommern einer der ihren seit mehreren Jahren wirkte. Wollten sie sich mit ihrem selbstständigen Zug nach Stettin, von dem sie wissen mussten dass es christlich war, vor einem verlustreichen Sturm von Demmin drücken?

Auch auf die Belagerungen von Demmin und Dobin macht der Seperatfrieden Eindruck. Sowohl Markgraf Albrecht, wie Herzog Heinrich sahen keinen Sinn mehr darin die Landschaften, auf die sie längst ein Auge geworfen hatten, weiter zu verheeren und zu entvölkern. Im Dezember kam es zu Vergleichen. Die Slawen bekannten sich zum Christentum, zumeist allerdings nur dem Scheine nach, worauf es zu Massentaufen kam und die christlichen Kreuzfahrer zogen ab. Die ausgehandelten Bedingungen wurden schon zu Beginn des Friedens kaum eingehalten. Von den Gefangenen, meist waren es Dänen, wurden nur die Kranken und Alten freigelassen, die arbeitsfähigen wurden weiter einbehalten. Überhaupt waren es im Nachgang die Dänen, welche am meisten unter den von See her betriebenen Überfällen leiden mussten. Ganze Landstriche wurde von den wieder und wieder durchgeführten Streifzügen der Abodriten und Ranen entvölkert.
Der mit viel Aufwand begonnene Wendenkreuzzug war zwar nicht völlig gescheitert, doch blieben die großen Ziele unerreicht. Ein Teilerfolg war zumindest, dass es zu keinen großen Überfällen auf die linkselbischen Gebiet mehr kam. Die Machtzunahme und die wachsende territoriale Integrität der sächsischen Grenzfürsten, darunter Markgraf Albrecht, machten Eindruck in den noch nicht besetzten Slawengebieten.


 Die Brandenburg fällt an Markgraf Albrecht

Nach dem Wendenkreuzzug widmete sich Albrecht wieder vermehrt den Angelegenheiten im Reich. Mit der Rückkehr des Königs aus Kostantinopel, der seit seiner Infektion während seines Kreuzzugsunternehmens immer wieder an Malariaschüben litt, brachte der unruhige Sachsenherzog Heinrich erneut seinen Anspruch hinsichtlich des Herzogtums Bayern vor. Er war längst nicht mehr abgeneigt sein vermeintliches Recht mit Waffengewalt durchzusetzen.
In diese aufgeheizte Stimmung, fällt die bedeutendste Erwerbung in Albrechts gesamter Regierungszeit, auch wenn er dies vielleicht bis zu seinem eigenen Lebensende nicht realisierte. Im Spätjahr 1150 starb Fürst Pribislaw-Heinrich wie es scheint überraschend. Erwartungsgemäß hinterließ er keine eigenen Nachkommen. Die Brandenburg sowie die zugehörigen Landschaften des Havellandes bis zur Höhe Spandau, fielen laut dem seit langem existierenden Abkommen als Erbe an Albrecht und dessen Familie. Pribislaws Frau Perrussa verheimlichte zunächst den Tod ihres Gemahls. Sie hatte die berechtigte Sorge, eine heidnische Opposition könnte sich die Situation zu eigen machen und die Macht auf der strategisch wichtigen Burg übernehmen. Zum Markgrafen wurden vertrauenswürdige Boten mit höchster Eile entsandt, die im dringend empfahlen unverzüglich mit einer Streitmacht zu erscheinen und die Regentschaft, gesichert durch ein militärisches Aufgebot, offiziell zu übernehmen. Drei Tage später ritt Albrecht an der Spitze einer Schar in der Havelfestung ein und der Tod, sowie die neuen Machtverhältnisse wurden dem anwesenden Volk öffentlich verkündet. Die Reaktion kennen wir nicht, es muss aber angenommen werden, dass die Vorsicht der Fürstenwitwe Perussa nicht unberechtigt war und dass der Regierungsantritt durch einen christlichen, sächsischen Reichsfürsten nicht rundweg positiv aufgenommen wurde. Die Erinnerungen an den Wendenkreuzzug, der kaum erst drei Jahre zurücklag, war sicherlich noch nicht verblasst, selbst wenn der Herrschaftsbereich des kürzlich verstorbenen Fürsten damals wohlweislich ausgespart wurde. Die Rolle die Albrecht im Kampf gegen ihre verwandten Vettern weiter nördlich spielte, auch seine persönlichen Rachezüge ins Wendenland davor, verliehen ihm eher den Ruf eines Slawenschlächters, denn eines vielversprechenden Fürsten und gütigen Herren.

Im Besitz der wichtigen, gut angelegten Festung an der Havel, hatte der Markgraf die besten Voraussetzungen zur Kontrolle des ganzen Havellandes. Ihre nachhaltige Sicherung durch Einquartierung einer deutschen Garnison, musste ohne jeden Zweifel eine der ersten Maßnahmen gewesen, die der Markgraf in Angriff nahm.  Belegen können wir es anhand eines direkten Urkundennachweis nicht aber wir nehmen an, dass Albrecht der Siedlung, die sich der Burganlage  anschloss, dass Stadtrecht nach Magdeburger Recht verlieh. Wir machen es daran fest, dass er in einer zeitgenössischen Urkunde davon spricht, dass Brandenburg, neben Havelberg, die einzigen Städte seiner rechtselbischen Ländereien wären. Mit dem Stadtrecht ergaben sich für die Bevölkerung gewisse Handelsprivilegien, womit zumindest einzelne Bewohner der Umgebung persönliche Vorteile aus den veränderten Besitzverhältnissen zogen. Wie es üblich war, wurden die Bewohner für fünf Jahre von allen Abgaben an die Landesherrschaft befreit.

Der überaus glückliche, wenn auch durch die Kinderlosigkeit des Hevellerfürsten  zu erwartende Erbfall, leitete die zweite askanische Expansionsphase nach Osten ein.


Konrad III. stirbt, Friedrich I. wird neuer König

Nach der Erbschaft eines so flächenmäßig so bedeutenden und weit nach Osten reichenden Gebiets, hätte man mit gutem Recht annehmen dürfen, dass sich Albrecht, mit ihm drei seiner zwischenzeitlich erwachsenen Söhne, ganz dem Landausbau links und besonders rechts der Elbe gewidmet hätten. Die Verhältnisse im Reich nahmen allerdings bald wieder den größten Teil seiner Aufmerksamkeit in Anspruch. Wir wollen nicht zu tief in die vielen kleinen Einzelheiten eintauchen und springen daher in das Jahr 1151 vor. Im Herbst zog Albrecht nach Würzburg, wohin der König einen Fürstentag einberufen hatte. Es sollte über einen Italienzug beratschlagt werden. Der nach wiederholten Zerwürfnissen mit dem römischen Stadtbürgertum außerhalb Roms residierende Papst Eugen III., rief den römisch-deutschen König zu Hilfe, um den republikanischen Senat in die Schranken zu weisen und die weltliche Autorität des Papstes über Rom wieder zu installieren. Als Lohn winkte die Kaiserkrone. Besagter Senat buhlte ebenfalls um die Hilfe des Königs und bot ihm die Kaiserkrone aus ihren weltlichen Händen an, was dieser beharrlich ablehnte. Ein weiterer Punkt der auf dem Hoftag besprochen wurde, war die Wahl eines neuen Mitkönigs. Sein ältester, bereits im März 1147 zum Mitkönig erhobener Sohn Heinrich VI., war im Spätsommer 1150 verstorben. Wir müssen bei all den Heinrichs an der Spitze des Reichs vorsichtig sein und dürfen diesen Heinrich VI. nicht mit jenem Heinrich VI. verwechseln, der später als Sohn Kaiser Friedrich I. Barbarossas dem Vater auf den Thron folgte. In der Geschichtsschreibung wird der erstgenannte Heinrich VI. nicht als offizieller römisch-deutscher König geführt, da er in Folge seines vorzeitigen Todes nie zur Alleinregentschaft kam. Kehren wir zum Würzburger Hoftag zurück. Für Ende Februar 1152 wurde beschlossen Konrads zweiten Sohn Friedrich zum Mitregenten zu wählen, worauf für den 9. März 1152 die Krönung in Aachen vorgesehen war. Zur Durchführung kam es nicht mehr. Konrad starb am 11. Februar 1152 in Bamberg, an den Folgen eines neuerlichen Ausbruchs der Malaria. Auf dem Sterbebett empfahl er den anwesenden Fürsten seinen Neffen, den schwäbischen Herzog Friedrich III., statt seines noch minderjährigen Sohns zu wählen.

Zwischen den Monaten des Hoftags zu Würzburg und dem Tod Konrads, bahnte sich im sächsischen Raum ein Krieg gegen den welfischen Herzog Heinrich an. Aufhänger war neben einem schon einige Zeit existierenden Erbstreit zwischen dem Welfen und dem askanischen Markgrafen Albrecht, das drohende Verhalten des Herzogs in Bezug auf seine bayrischen Ansprüche. Albrecht sammelte unter Aufbringung aller Kräfte ein Heer von etwa 1.500 Mann und fiel in Absprache mit König Konrad, in die sächsischen Besitzungen Heinrichs ein. Der Herzog selbst stand mit seinem Heer drohend in Schwaben. Konrad ließ alle Abmarschwege abriegeln, so dass seine Truppen weitestgehend unbeweglich blieben, was für die Operationen Albrechts von großen Nutzen war. Kaum waren die Bewegungen gestartet, erreichte ihn die schockierende Nachricht, dass sich der Herzog mit nur kleinem Gefolge aus Schwaben absetzen konnte und in Sachsen eingetroffen war. Schnell scharte sich der Widerstand um ihn herum.  Eine erstaunliche Parallele zu den Vorgängen im Rahmen von Albrechts versuchen die Herzogswürde in Sachsen zu erkämpfen, als Heinrich der Stolze, des Löwen Vater, als Händler verkleidet aus Bayern nach Sachsen reiste und dort den Widerstand gegen Albrecht den Bären organisierte, an dessen Ende fast alle Besitzungen Albrechts verloren gingen. Der jetzt einsetzende Winter ließ die militärischen Aktivitäten zur Ruhe kommen. Der König, welcher zunächst mit einem eigenen Heer nach Sachsen rücken wollte, kehrte um. Erneut brach die Malaria bei ihm aus und zehrte an den Kräften des Endfünfzigers.

In der Nacht vom 29. zum 30. Januar ereignete sich ein schändlicher Mord. Graf Hermann II. von Winzenburg und seine schwangere Frau wurden im Ehebett erschlagen. Der Graf hinterließ keinen Erben, worauf sowohl der sächsische Herzog Heinrich wie auch Albrecht der Bär Ansprüche auf das Erbe geltend machten. Albrechts Gattin Sophie war Schwester des Ermordeten. Es war offensichtlich, dass vor diesem Hintergrund mit einsetzendem Frühlingswetter die Feindseligkeiten mit neuen Motiven wieder aufgenommen würden, doch der schon erwähnte Tod des Königs verlagerte die allgemeine Aufmerksamkeit für einige Zeit auf die Frage der Nachfolge im Reich.

Friedrich I. Barbarossa“

Am 4. März 1153 wählten die versammelten Fürsten in Frankfurt Herzog Friedrich III. von Schwaben zum neuen römisch-deutschen König. Als Friedrich I. wurde er schon fünf Tage später in Aachen durch Erzbischof Arnold von Köln (1098 – 1156) gekrönt. Es war kein leichtes Amt das der junge Staufer antrat. Das Reich, das Kaiser Lothar III. bei seinem Tod hinterließ, war nach der Wahl Konrads III. innerlich zerrissen durch die Gegensätzen zwischen den Staufern und Welfen. Konrads desaströser Kreuzzug ließ ihn nicht nur als geschlagenen, sondern auch als kranken Mann heimkehren. Er vermochte als erstes Reichsoberhaupt der seit Otto I. nicht die Kaiserkrone zu erwerben, auch war es ihm nicht vergönnt das Königtum an einen seiner Söhne weiterzureichen. Mit seinem Neffen Friedrich, den er selbst vorschlug, blieb die Krone aber immerhin bei den Staufern. Friedrich I. begann seine Regentschaft in der Tradition vieler seiner Vorgänger, indem er den Ausgleich unter den Fürsten des Reichs förderte, um den eigenen Königsanspruch während der Übergangszeit zu festigen. Im Konflikt der beiden sächsischen Fürsten, Herzog Heinrich, dessen Vetter er war, und Albrecht dem Bären, hoffte er vermitteln und einen Frieden stiften zu können. Anlässlich des ersten Hoftags in Merseburg zu Pfingsten 1152 waren beide Kontrahenten anwesend, verweigerten aber hochfahrend alle Vorschläge und Aufforderungen der jeweils anderen Seite Zugeständnisse zu machen. In dieser Hinsicht ging der Hoftag erfolglos auseinander. Mehr Erfolg hatte Friedrich I. bei den Auseinandersetzungen in Dänemark, das weiterhin in Lehnsabhängigkeit zum Reich stand und wo er den dortigen Thronstreit schlichten konnte. Ebenfalls in der Nachfolgefrage des kürzlich verstorbenen Magdeburger Erzbischofs erwirkte der neue König einen akzeptablen Kompromiss.

In Sachsen brach der befürchtete Krieg jetzt mit ganzer Wucht los. Überraschend genug gelang es dem schwächeren Markgrafen durch kühnes Ergreifen der Initiative den Herzog in die Defensive zu drängen. Osterode im Harz fiel in seine Hände, worauf er den Ort niederbrennen ließ. Bei einem Gefecht auf halbem Weg von Osterode nach Herzberg, fiel Graf Lüdiger von Wöltingerode, Sohn von Graf Ludolf I. von Wöltingerode-Woldenberg, einem Vasallen des Löwen. Heinrich begann sich nach Verbündeten umzuschauen. Der Landgraf von Thüringen, ein eifersüchtiger Rivale des Markgrafen Albrecht, bot sich als willfähriger Bundesgenosse an. Der Sachsenherzog scheute sich keineswegs seinen Stiefvater, Herzog Heinrich Jasomirgott von Bayern um Beistand zu ersuchen. Jenen Gatten seiner Mutter, dem er das bayrische Herzogtum anfechtete und den er von dort zu verdrängen suchte. Wenn ihm letzterer auch nicht aktiv unterstützen wollte, so sagte er ihm doch, und das erscheint unter den gegebenen Umständen immerhin unerwartet, für den äußersten Notfall Beistand zu. Neuerliches Unheil zog sich über dem Bären zusammen, denn die Übermacht der Gegner war erheblich. Man stellt sich unwillkürlich die Frage, hatte er überhaupt nichts aus seinem ersten sächsischen Krieg gegen die Welfen gelernt?

Es kam indes zu keinen größeren Kampfhandlungen mehr, die Friedensbemühungen des Königs zeigten letztendlich Erfolg. Auf einem weiteren Hoftag, dieses Mal zu Würzburg, wurde ein Vergleich zwischen beiden Häusern erwirkt. Vornehmlich in den Ansprüchen bezüglich der Nachlässe des Grafen Bernhard von Plötzkau, jenem tapferen Befehlshaber der königlichen Nachhut, der während Konrads Kreuzzug dessen Rückzug deckte und dabei sein Leben ließ, und des Grafen Hermann von Winzenburg, der Ende Januar gemeinsam mit seiner Frau im Bett erschlagen wurde, kam es zu einer einvernehmlichen Einigung. Albrecht erhielt das Erbe aus dem Nachlass der Plötzkaus, während Heinrich dem Löwen das andere Erbe zufiel. Schon wieder gingen beide Parteien aus einem Konflikt jeweils gestärkt hervor. Wie lange würde das gut gehen, und wie lange sähen die Mitfürsten der Region der beständigen Machtzunahme beider Fürsten zu?
Die Angelegenheit hinsichtlich des bayrischen Herzogtums war in Würzburg ebenfalls Gegenstand der Erötterungen, es konnte jedoch keine Einigung erzielt werden, da der amtierende bayrische Herzog, der schon erwähnte Stiefvater Heinrichs, nicht erschienen war. Wichtigstes Thema war jedoch ein geplanter Italienzug Friedrichs I., dem die anwesenden Fürsten eidlich zustimmten, darunter auch Albrecht der Bär. Man erkannte an dem jungen Staufer schon jetzt, dass er so bald als möglich die Verhältnisse in Oberitalien und in Rom zu regeln wünschte und im Gegensatz zu seinem unglücklichen Onkel rasch die Kaiserkrone erwerben wollte.


Aufstieg des Löwen

Herzog Heinrich der Löwe war schon unter Konrad III. ein mächtiger, vermutlich der mächtigste Territorialfürst nach dem König. Als er 1142 im Alter von zwölf Jahren mit dem Herzogtum Sachsen belehnt wurde, leistete er eine öffentliche Verzichtserklärung auf das Herzogtum Bayern, das seit seinem Urahn Herzog Welf I. von Bayern (1010 – 1101), dem Begründer der jüngeren Welfenlinie, über mehrere Generationen in Familienbesitz war. Mit zunehmendem Alter entwickelte der junge Sachsenherzog mehr und mehr Eigeninitiative und Machtbewusstsein. Am Vorabend des Zweiten Kreuzzugs, zu dem sich Konrad III. nur schwer durchgerungen hatte, erhob er Anspruch auf das Herzogtum Bayern, mit dem seit 1142 sein Stiefvater, der Babenbeger Heinrich II. Jasomirgott belehnt war. Besagter Heinrich wurde als friedensstiftende Maßnahme mit Judith von Süpplingenburg, des Löwen Mutter, zeitgleich verheiratet. Heinrich nahm, nachdem er erst einmal die Forderungen gestellt hatte, fortan davon keinen Abstand mehr und begann mit Zurüstungen, um seinen Ansprüchen notfalls mit Waffengewalt Nachdruck zu verleihen. Zu größeren Kampfhandlungen mit dem König oder seinem Stiefvater kam es nicht mehr, Konrad III. war, wie wir gelesen haben, zuvor in Bamberg an den Folgen wiederkehrender Malariaschübe verstorben.

Mit der Wahl Friedrichs I., dem Neffen des verstorbenen Königs, kam jetzt ein ambitionierter Herrscher auf den Thron, der den Beginn seiner Regentschaft auf bewährter Basis konsensualer Reichspolitik aufbaute, wenn es auch der eigenen Hauspolitik wenig zuträglich war. Ein Eckpfeiler dieser Politik war die Verständigung mit dem mächtigen Löwen, der gleichzeitig ein Vetter war. Der rund acht Jahre ältere König bewies dem sächsischen Herzog frühzeitig seine Gunst, die ihm dieser wiederum mit Unterstützung seiner außenpolitischen Aktivitäten honorierte. Anlässlich seines ersten Italienzugs und der frühzeitig erfolgten Kaiserkrönung Friedrichs I. am 18. Juni 1155, bewies Heinrich besondere Umsicht und Mut, als es in Rom zu Ausschreitungen gegen den frischgekrönten Kaiser kam. Albrecht der Bär hatte trotz seiner vorherigen Zusage nicht am Zug nach Italien teilgenommen und musste, gemeinsam mit einigen anderen Fürsten befürchten in Ungnade zu fallen. Erzbischof Hardwig von Bremen und Bischof Ulrich von Halberstadt verloren zur Strafe ihre kaiserlichen Privilegien, ihre Regalien, erhielten sie später aber wieder zurück. Im Falle Albrechts, wie auch bei Herzog Heinrich Jasomirgott von Bayern wurden keine Maßnahmen ergriffen. Im Falle des Herzogs glauben wir besondere Rücksichtnahme des Kaisers zu erkennen, der hoffte den Herzog zum freiwilligen Verzicht auf Bayern bewegen zu können. Hinsichtlich Albrecht dem Bären haben wir keine verbindliche Erklärung, müssen aber annehmen, dass er eine hinreichende Entschuldigung hatte. Möglicherweise waren auftretende Probleme in den rechtselbischen Gebieten, besonders im Havelland, eine Erklärung. Wir kommen noch darauf zu sprechen.

Heinrich der Löwe

Im September 1155 kehrte der Kaiser aus Italien zurück. Er konnte weder die Position des normannischen Königs von Sizilien in Unteritalien brechen, noch die Autorität des Papstes gegen den römischen Senat durchsetzen. In dieser Hinsicht kam er seinen Zusagen anlässlich des Konstanzer Vertrags vom 23. März 1153 nicht nach. Dennoch konnte er, obwohl die Verhältnisse in Oberitalien unverändert verworren waren, sowohl mit der Krone Italiens, als auch der Würde eines Kaisers in den nördlichen Reichsteil zurückkehren. Dort machte es unter den zurückgebliebenen Fürsten den allergrößten Eindruck und Albrecht sowie andere, darunter der bayrische Herzog Heinrich Jasomirgott beeilten sich, dem Kaiser schnellstmöglich entgegenzureiten. Oktober 1155 fand in Regensburg ein großer Hoftag statt, hier wurde endgültig über das Herzogtum Bayern entschieden. Der bisherige Herzog, der abermals nicht zu einem offiziell einberufenen Tag erschienen war, wurde jetzt endgültig seines Herzogtums für verlustig erklärt. Stattdessen erhielt Heinrich der Löwe die Belehnung. Zu seinem sächsischen Reichslehen, gesellte sich wieder das alte welfische Herzogtum Bayern. Albrecht, der gegen die Entscheidung nicht intervenieren konnte, machte zähneknirschend gute Miene zu bösen Spiel und er sollte nicht der einzige Fürst sein, der die ausufernde Machtfülle des Löwen mit einer Mischung von Missgunst und berechtigter Sorge beäugte. Erst im kommenden Jahr, Mitte September 1156 kam es zu einer Versöhnung des Kaisers mit dem abgesetzten vormaligen Herzog Bayerns, der nun auf seine Ansprüche verzichtete. Heinrich der Löwe wurde jetzt feierlich mit Bayern belehnt. Zum Ausgleich wurde Heinrich Jasomirgott zum Herzog von Österreich gemacht, das damit von einer Markgrafschaft zum Herzogtum erhoben wurde. Im Privilegium Minus vom 17. September 1156 wurde dem neugeschaffenen Herzogtum Österreich außerordentliche Autonomie und in manchen Bereichen fast die Unabhängigkeit vom Reich gewährt. Die Herzöge von Österreich mussten nur zu Hoftagen erscheinen, die im alten bayrischen Stammesgebiet stattfanden, die Beteiligung an Kriegszügen des Reichs mussten nur in der Nachbarschaft unterstützt werden, weiter besaßen sie Gerichtsautonomie und das Münzrecht, nebst anderen Privilegien. Kaiser Friedrich I. musste zu diesem Mittel greifen, um einerseits die kaum mehr zu bändigenden Forderungen des welfischen Löwen  zu befriedigen, andererseits minderte er durch die Herauslösung Österreichs aus Bayern, die Größe und Macht des bayrischen Restherzogtums. Schließlich  schuf er durch die erwiesenen Sonderprivilegien ein Babenberger Gegengewicht im Süden des nochmals wesentlich erstarkten Welfen. Dafür musste er Teile seines souveränen Herrschaftsanspruchs als kaiserliche Zentralgewalt aufopfern, womit seine eigene Autorität als Reichsoberhaupt empfindlich beschnitten wurde. Die Konsensualpolitik Barbarossas zeigte jetzt ihre Schwächen. Bedingt durch das weiter schwindende Mittel des Reichskirchensystems, das eigentlich seit dem Wormser Konkordat von 1122 formell nicht mehr existierte, zumindest aber im deutschen Reichsteil in Überresten noch weiterbestand und dem Kaiser bis zu einem gewissen Grade nutzbar blieb, rückte der Konsens mit dem weltlichen Fürsten umso mehr in den Mittelpunkt kaiserlicher Innenpolitik, womit allerdings ein schleichender Verlust realer Macht und Autorität einherging.

Kein Fürst im Reich profitierte mehr von des Kaisers Zuwendungen, wie Heinrich der Löwe, der Herzog von Sachsen und nun auch von Bayern. Hätte nicht schon längst eine Opposition gegen den Herzog bestanden, spätestens jetzt wäre sie unter den Fürsten des Reichs gewachsen. Unter diesen Gegnern war keiner aktiver und mehr darauf bedacht den Herzog wieder fallen zu sehen, wie Markgraf Albrecht der Bär. Doch die Zeit war noch nicht gekommen und erst noch hatte der Bär einen völlig anderen Konflikt auszutragen.


Kampf um die Brandenburg
 

Als Albrecht im Spätjahr 1150 die Brandenburg und das damit verbundene Havelland erbte, machte sich ein gewisser Jaxa von Köpenick (vor 1125 – 1176) ebenfalls Hoffnung auf den Nachlass. Er war, wie der verstorbene Burgherr, ein christianisierter Fürst der Slawen, dessen Gebiet sich unmittelbar östlich und südöstlich an das Havelland anschloss. Nur mit kluger und tatkräftiger Unterstützung der Fürstenwitwe und schnellem Zugreifen, gelang es Albrecht den Besitz für sich zu sichern. Es machte den Eindruck, dass Jaxa sich damit abfand.
Woraus leitete Jaxa seinen Anspruch auf Burg und Gebiet ab? Es wird angenommen, dass er mit einer Schwester des verstorbenen Fürsten Pribislaw verheiratet war. Zum Zeitpunkt des Erbfalls war diese Gattin, sollte es sie denn gegeben haben, schon einige Zeit verstorben, denn Jaxa war seit 1145 in die einflussreiche Familie des polnischen Fürsten Piotr Włostowic eingeheiratet. Piotr war unter anderem Burggraf von Breslau und verfügte über umfangreichen Besitz in Schlesien, im Raum von Krakau und andernorts. 1145 ist im Gebiet um Miechów, ebenso bei Lublin, ein Jaxa von Miechów nachzuweisen. Mittlerweile gilt als gesichert, dass es sich hierbei um die Person des Jaxa von Köpenick handelte. Wir glauben annehmen zu können, dass in den ersten beiden Jahren nach dem glücklichen Erbfall zu keinen erwähnenswerten Konflikten mit dem südöstlichen Nachbarn gekommen sein kann, andernfalls hätte sich Albrecht seinerzeit nicht so leidenschaftlich gegen den sächsischen Herzog Heinrich gewandt und stattdessen den Frieden und die Sicherheit in den neuen Besitzungen gegen aufständische Bewegungen verteidigt. Dass es völlig friedlich zuging dürfen wir dennoch nicht annehmen. Unvermeidlich muss es zu Auseinandersetzungen zwischen Slawen und der der neuen sächsisch-deutschen Obrigkeit gekommen sein. Um die Zeit des ersten Italienzugs Friedrichs I., zu dem sich Albrecht ursprünglich verpflichtet hatte, trat in den rechtselbischen Gebieten des Havellandes der deutsch-slawische Gegensatz gehäuft zutage und  es kam wohl zu offenem Widerstand. Ein Hinweis auf eine feindselige Haltung von Teilen der Heveller mag der Tod Konrads von Plötzkau sein, nicht zu verwechseln mit jenem 1133 in Italien gefallene Markgrafen Konrad von Plötzkau. Jener spätere Konrad war ein Dienstmann des Bären und wurde von Wenden in einen Hinterhalt gelockt und gemeinsam mit seinem Gefolge im Jahre 1155 ermordet. Wahrscheinlich waren die Verhältnisse im Havelland die Gründe, weswegen Albrecht nicht am Zug nach Italien teilnahm, daraus aber keine Konsequenzen für ihn erwuchsen und trotzdem in der Huld des zurückgekehrten Kaisers blieb.

Wir springen ins Jahr 1157, Albrecht ist jetzt wieder vermehrt auf Reisen. Am 5. Februar 1157 war Konrad von Wettin gestorben, Albrechts ehemaliger Waffengefährte der jungen Jahre, der mit der Zeit immer mehr zum Rivalen gewordene Markgraf von Meißen. Das große Erbe wurde unter seinen fünf Söhnen aufgeteilt, im übrigen schon vor seinem Ableben. Der vielfach kampferprobte Meißner Markgraf kam völlig verändert von einer Pilgerreise zurück und, nachdem er seinen Nachlass geregelt hatte, empfing er das Mönchsgewand aus den Händen von Erzbischof Wichmann von Magdeburg und zog sich aus den Amtsgeschäften zurück. Die Mark Meißen ging an seinen ältesten Sohn Otto, die Mark Lausitz an Dietrich, während die kleineren Grafschaften Wettin, Brehne und Rochlitz, an Heinrich, Dedo und Friedrich gingen. Der Segen einer reichen Schar Söhne führte nach Ableben eines großen Stammhalters für gewöhnlich zu einer Zersplitterung der Besitzungen und oft schon in der Generation der Erben zu innerfamiliären Auseinandersetzungen, entweder wegen des Erbes selbst oder aufgrund politischer Umstände, die die Erben in gegnerischen Lagern wiederfanden. Markgraf Albrecht war mit allen seinen Söhnen, es fehlte nur der erstgeborene Otto, bei der feierlichen Beisetzung anwesend. Ohne Zweifel machte er sich seine eigenen Gedanken, wie dereinst sein Nachlass unter die Söhne verteilt werden sollte, doch noch fühlte er sich in der vollen Kraft seiner Jahre.

Im März 1157 sehen wir ihn in Würzburg am kaiserlichen Hoftag teilnehmen, im April in Worms, jeweils in Begleitung seines jüngsten Sohnes Herrmann. Otto, der Älteste, vertrat ihn jetzt im besten Mannesalter in der Nordmark und in den Neuerwerbungen entlang der Havel. Die anderen Söhne werden ihrerseits in dem weiten Streubesitz der Familie den gleichen Tätigkeiten als Vertreter ihres Vaters nachgegangen sein. Aus den Urkundenberichten, vielmehr aus den Namensangaben der Zeugen erkennen wir bei Albrecht eine durchgängige Linie. Sobald die Söhne alt genug waren und dem Kleinkindalter entwachsen, begann er sie an die Aufgaben und das Leben eines regierenden Reichsfürsten heranzuführen. Das Spiel der Fürsten auf den großen Hof- und Fürstentagen war für einen jungen Menschen nicht nur aufregend, es war eine wichtige Schule. Verbindungen zu anderen Fürsten wurden aufgebaut, Stimmungen aufgeschnappt, Koalitionen und Oppositionen wurden geboren und geschmiedet und natürlich wurden Heiratsbündnisse vereinbart. In Worms wurde über einen kaiserlichen Straffeldzug gegen Polen diskutiert und auch beschlossen. Polen, dass formell ein Vasall des Reichs war, hatte sich in den zurückliegenden Jahren distanziert. Über Ereignisse rund um den Erbstreit der Söhen des Boleslaw III. Schiefmund zur Zeit Konrads III., haben wir gelesen. Seither kam der neue Seniorherzog Polens den Verpflichtungen gegenüber dem Reich nicht mehr nach.
Während des Hoftags zu Worms ereignete sich auf der entfernten Brandenburg ein Umsturz, der Albrecht überrumpelte. Der 1150 leer ausgegangene Fürst von Köpenick, jener Jaxa oder Jacza bzw. Jaczo, hatte sich, unterstützt von polnischer Seite, in einer buchstäblichen Nacht-und-Nebel-Aktion der gut gesicherten Burg bemächtigt. Augenscheinlich hatte er mit beharrlicher Geduld die passende Gelegenheit abgewartet und geschickt genutzt. Vermutlich durch Bestechung einzelner Burginsassen erhielten seine Leute kampflos den Zugang zur Burg. Als Albrecht die Nachricht überbracht wurde, eilte er in Begleitung des Magdeburger Erzbischofs Wichmann in höchster Eile zurück. Beide sammelten im Mai ihre Vasallen und brachen in das revoltierende Hevelland ein. Widerstand stellte sich ihnen nirgendwo entgegen, so dass sie Ende Mai oder Anfang Juni die Brandenburg erreichten und sofort mit der Belagerung begannen. Albrecht wollte die Burg schnell und mit allen Mitteln zurückerobern, bevor sich ein allgemeiner Aufstand unter den Elbslawen erhob. Nach drei Seiten wurden Schanzen und Befestigungen angelegt, eine Art Burg um die Burg, um Angriffe von innerhalb der belagerten Burg, wie auch von außen abwehren zu können. Auf der vierten Seite wurde der Angriff vorbereitet. Nach wenigen Tagen begannen die Erstürmungen. Die zahlreichen Insassen verteidigten sich mit dem Mute der Verzweiflung, mussten sie doch mit dem Schlimmsten rechnen, demgemäß blutig waren die Kämpfe. Bei den Angriffen fiel unter anderem mit Werner von Veltheim ein Neffe Albrechts, der Sohn aus zweiter Ehe seiner Schwester Adelheid. Am 11. Juni war der Widerstand soweit erlahmt, dass die Burg in die Hand der Angreifer fiel. Wir können nicht ausschließen,  dass unter den Insassen blutige Rache genommen wurde. Genaues wissen wir nicht, allerdings wurde Burg und angrenzende Stadtsiedlung im Anschluss mit deutschen Bewohnern besiedelt und die Slawen großteils von der Insel vertrieben.

Jaxa von Köpenick wird von Albrecht I. verfolgt und laut der Überlieferung in die Havel getrieben

Jaxa konnte sich der Gefangenschaft entziehen und entkam. In der Schildhornsage wird seine Flucht durch die Havel beschrieben. Der Legende zufolge soll er im Fluss, nachdem sein Pferd zu ermüden begann, zum Gott der Christen gefleht haben ihn zu retten, wofür er sich zum Dank taufen lassen wolle, worauf das Pferd augenblicklich mit neuen Kräften versehen wurde und ihm die Flucht gelang. Der Fürst war zu diesem Zeitpunkt freilich schon lange getauft, anders wäre seine polnische Heiratsverbindung von 1145 nicht denkbar gewesen. Die Sage bleibt nichtsdestoweniger eine bis heute beliebte Legende.
Den tatsächlichen Ablauf kennen wir nicht. Die einzige halbwegs zeitgenössische Aufzeichnung der Ereignisse entnehmen wir dem Tractatus de captione urbis Brandenburg des Heinrich von Antwerpen. Und selbst dessen Ausführungen wurden erst Jahre nach den tatsächlichen Ereignissen niedergeschrieben. So manche Legendenbildung und Mystifizierung der Ereignisse mag von den wahren Augenzeugen an den Autor herangetragen worden sein.


Entstehung der Mark Brandenburg

In einer auf den 3. Oktober 1157 datierten Urkunde nennt sich Albrecht erstmals selbst Markgraf von Brandenburg: „EGO ADELBERTUS DEI GRATIA MARCHIO IN BRANDENBORCH“, Albrecht von Gottes Gnaden Markgraf in Brandenburg. Seit geraumer Zeit gibt man dem 11. Juni 1157, dem Rückeroberungstag der Burganlage Brandenburg, bei der Suche nach einem Gründungsdatum den Vorzug. Zutreffend sind beide Daten wohl nicht, denn es ging der Gründung der Mark keine singuläre oder konstituierende Handlung voraus, kein fester Moment. Die Diskussion um ein Entstehungsdatum bekam erst in jünger Zeit eine gewisse, der Sache durchaus abträgliche, weil irreführende Bedeutung. Der geschätzte und ausgesprochene Experte für alle Belange der frühen Mark Brandenburg, Dr. Lutz Partenheimer, war, wahrscheinlich ungewollt, nichtsdestoweniger maßgeblich, eine der Kapazitäten, die die Diskussion befeuerten. Mit Heranrücken des Jahres 2007 sahen sich eine Reihe Heimatforscher befleißigt dem 850 Jahrestag der vermeintlichen Gründung der Mark Brandenburg gebührend zu gedenken und fanden in Herrn Dr. Partenheimer einen sachkundigen Kenner und Unterstützer. In einer Reihe von Briefen an die Brandenburger Staatskanzlei wurde auf den Jahrestag hingewiesen. Nach einigen problematischen Diskussionen, Partenheimer erwähnt diese in seinen Publikationen am Rande, verständigte man sich allgemein auf das Jahr 1157, ohne auf den 11. Juni seitens der Staatskanzlei gezielt eingehen zu wollen, da man glaubte in der Eroberung einer Burg das falsche Signal zu setzen.
Die Frage nach einem Anfangspunkt mag nach heutiger Sichtweise von Bedeutung und daher verständlich sein. Die Bundesrepublik Deutschland wurde am 23. Mai 1949 in einer konstituierenden Sitzung geboren, das Kaiserreich durch Proklamation der deutschen Fürsten am 18. Januar 1871 ausgerufen. Es ist für uns Menschen des 21. Jahrhunderts völlig normal, dass einer Sache von Relevanz ein eindeutiger Beginn unterstellt wird. Wir kennen und beobachten  unsere Geburtstage, Hochzeitstage, Firmenjubiläen und andere Momente unseres Lebens. Der nachvollziehbare Wunsch auch Brandenburg einen Geburtsmoment zuzuordnen, woraus man gar einen gezielten Gründungsakt ableiten könnte, ist allzu natürlich, doch wird es der Sache nicht gerecht, denn es ist eine verkehrt ausgerichtete Betrachtungsweise. Begibt man sich gedanklich auf eine Zeitreise in die Vergangenheit, wird man schnell feststellen, dass viele Ereignisse erst mit der Zeit, in der rückblickenden Bewertung der Historiker einen Namen erhielten und dass die damaligen Zeitgenossen ihre Handlungen nicht notwendigerweise an der Existenz einer klangvollen Bezeichnung festmachten. Auch wenn der Erbfall von 1150 und die damit einhergehende Erwerbung der Burganlage und die damit verbundenen Landschaften des Havellandes von großer Bewandtnis für Albrecht waren, zeigte seine allgemeine Politik, dass er der Sache zunächst nicht mehr Aufmerksamkeit schenkte, als beispielsweise der Belehnung mit der Grafschaft Weimar-Orlamünde, die er aus dem rheinischen Nachlass des 1140 verstorbenen verwandten Pfalzgrafen Wilhelm erhielt, sehr wahrscheinlich sogar weniger. Welch herausragende Bedeutung die Gebiete rechts der Elbe schon bald für die Nachfahren seines Hauses, den norddeutschen Raum, und in ferner Zukunft für das ganze Reich spielen werden, war und konnte weder ihm, noch sonst einem damaligen Zeitgenossen bewusst gewesen sein, dementsprechend liegt der Mark, so verführerisch der Gedanke sein mag, kein wirklicher, zumindest kein programatisch gesteuerter Entstehungstag oder Gründungsakt zugrunde. Es wäre falsch dies als einen Mangel, gar als Makel zu betrachten, immerhin lässt sich selbst dem Alten Reich kein von allen akzeptierter, verbindlicher Gründungstag zuweisen, denn auch hier waren es evolutionäre Meilensteine und kein singulärer Moment, auf den man sich mit gutem Recht und einvernehmlich festlegen könnte. Selbst nach der verhältnismäßig schnellen, wenn auch blutigen Rückeroberung der Burg, eilte Albrecht, seiner bisherigen Politik folgend, zügig ans kaiserliche Hoflager zurück, das im Juni 1157 in Goslar weilte. Bereits am 23. Juni, also keine zwei Wochen nach dem Fall der Havelfestung, finden wir ihn unter der Liste der Zeugen einer zugunsten des Klosters Walkenried ausgestellten Urkunde. Ebenso tritt er unter den Zeugen einer am 25. Juni verfassten Urkunde auf, die dem Stift zu Riechenberg ausgestellt wurde. Fasst man die Ereignisse der zurückliegenden Monate zusammen, bemerkt man, dass zwischen dem Hoftag im April in Worms und jenem vom Juni in Goslar, nur einige Wochen lagen, in denen er, gemeinsam mit dem Magdeburger Erzbischof, ein Heer sammelte und zur Rückeroberung der Brandenburg schritt, worauf wir ihn Anfang der vierten Juniwoche erneut in unmittelbarer Nähe des Kaisers vorfinden. Hieraus lassen sich drei Erkenntnisse ableiten:

  • Die Burg, so wichtig ihr Besitz für die Beherrschung des ganzen Havellandes war, nötigte ihn nicht dazu, durch vermehrte Anwesenheit persönlichen Einfluss zu nehmen. Er übertrug die Burgaufsicht getreuen Vasallen, wie schon seit 1150, und betreute mit der weiteren Landesaufsicht vermehrt seinen ältesten Sohn Otto.
  • Der politische Erfolg eines Territorialfürsten, insbesondere im unruhigen sächsischen Raum, mit dem übermächtigen Herzog Heinrich dem Löwen an der Spitze, hing stark mit dem einvernehmlichen Verhältnis zum Reichsoberhaupt zusammen, demgemäß war der direkte Umgang und die aktive Anteilnahme an der Reichspolitik damals geradezu unerlässlich.
  • Die Mark Brandenburg, im Grunde darf man zu diesem Zeitpunkt noch überhaupt diese Bezeichnung wählen, deren Gebietsausdehnung noch gering war und in der frühesten Phase vermutlich nur die Gebiete an der Havel bis zur Höhe Spandau  die Zauche und Teile der Prignitz beinhaltete, spielte im Bewusstsein der Zeitgenossen eine untergeordnete und außerhalb des ostsächsischen Raums vermutlich überhaupt keine Rolle.

Wir müssen uns vor Augen halten, Markgraf Albrecht war Herr vieler Einzelterritorien und keineswegs nur eines einzigen, adminstrativ oder regional zusammenhängenden Fürstentums. Möglicherweise bereitet schon dieser Gedanke dem Leser Unbehagen, viel lieber, weil leichter zuzuordnen, wäre es uns, Albrecht hätte alle seine Gebiete mit einem einzigen Stempel, einer einzigen Bezeichnung versehen. Stattdessen umfasste seine Herrschaft Gebiete im Harzvorland, in der Altmark, die damals so noch nicht genannt wurde, im späteren Anhalt, Weimar-Orlamünde und zuletzt jene Regionen rechts des Elbestroms, in denen er als Graf oder Markgraf herrschaftliche Rechte, kraft der vom Reich verliehenen Privilegien ausübte oder als Besitzer in privatrechtlichem Sinne auftrat. Vereinzelt bestand nicht einmal eine direkte Verbindung zwischen den Gebieten. All das wirft die Frage auf, weswegen machte man sich die Adminstration unnötig schwer? Ging es denn anders, hatte ein Territorialfürst die Handhabe, seine vom Reich verliehenen Lehen eigenmächtig zu vereinen und so eine schlankere, einheitlichere Verwaltungsstruktur zu errichten? Obwohl ein Fürst das volle Nutz- und Nießrecht besaß, konnte er mitnichten willkürlich Reichslehen nach eigenem Ermessen zusammenfassen, um besonderen Bedürfnissen gerecht zu werden. Nur im engen Einvernehmen mit dem Reichsoberhaupt konnte die Lehensstruktur verändert, verschiedene Lehen gebündelt oder auch zerstückelt werden. Erst mit der Zeit, mit dem einhergehenden Zerfall kaiserlicher Autorität und Zentralgewalt, nahmen sich, zumeist die großen, einflussreichen Reichsfürsten, gewisse Rechte heraus oder trotzten sie dem Monarchen ab, ohne aber je völlig autonom die vom Reich erhaltenen Landschaften zu vermengen. Selbst als 1806 das alte Reich nach bald einem Jahrtausend ein unrühmliches Ende fand und 65 Jahre später im Spiegelsaal von Versailles die deutschen Fürsten einen neuen deutschen Kaiser proklamierten, klangen die uralten Bezeichnungen der Fürstentümer noch nach, obwohl die meisten in den zurückliegenden Jahrhunderten von großen und immer größer werdenden deutschen Staaten, wie allen voran Preußen, geschluckt wurden. In den Titularien der wenigen übrig gebliebenen Landesherren blieben sie erhalten. Als ein höchst anschauliches Beispiel nehmen wir den großen Titel Wilhelms I. von Preußen, aus dem Jahre 1873:

„Wir Wilhelm, König von Preußen,
Markgraf zu Brandenburg, Burggraf zu Nürnberg, Graf zu Hohenzollern,
Souveräner und oberster Herzog von Schlesien wie auch der Grafschaft Glatz,
Großherzog vom Niederrhein und Posen,
Herzog zu Sachsen, Westfalen und Engern, zu Pommern, Lüneburg, Holstein und Schleswig, zu Magdeburg, Bremen, Geldern, Cleve, Jülich und Berg, sowie auch der Wenden und Kaschuben, zu Krossen, Lauenburg, Mecklenburg,
Landgraf zu Hessen und Thüringen,
Markgraf der Ober- und Niederlausitz,
Prinz von Oranien,
Fürst zu Rügen, zu Ostfriesland, zu Paderborn und Pyrmont, zu Halberstadt, Münster, Minden, Osnabrück, Hildesheim, zu Verden, Kammin, Fulda, Nassau und Mörs,
gefürsteter Graf zu Henneberg,
Graf der Mark und zu Ravensberg, zu Hohenstein, Tecklenburg und Lingen, zu Mansfeld, Sigmaringen und Veringen,
Herr von Frankfurt.“

All die genannten Großherzogtümer, Herzogtümer, Mark- und Landgrafschaften, Grafschaften und Herrschaftsgebiete gingen über rund 500 Jahre im späteren brandenburgisch-preußischen Flächenstaat auf, ohne je ganz vergessen zu werden. Auch wenn sie de facto nur noch Nomenklatur waren, beweist es doch auf eindrucksvolle Weise, das sich selbst nach dem Ende des alten Reichs die Erinnerung an die ursprünglichen Strukturen zumindest auf symbolische Weise erhalten hatte. Hieraus lässt sich wiederum der Rückschluss ziehen, dass zu einer Zeit, wo Reich und Haupt noch im Aufblühen waren, und die Herrschaft des Staufers Friedrichs I. gehörte selbst bei kritischster Betrachtung zu den unbestrittenen Höhepunkten des römisch-deutschen Kaisertums, die selbstständige Schaffung eines neuen Fürstentums, durch eigenmächtiges Zusammenwerfen verschiedener Ländereien, nicht aus der Initiative eines Fürsten hervorgehen konnte, sondern nur aus der Konsensentscheidung des Monarchen, der günstigenfalls dabei Rücksicht auf die Wünsche und Bedürfnisse des Landesfürsten nahm unter gleichzeitiger Beachtung der Rechte anderer Reichsfürsten. Vielleicht erkennen wir hier auch einen Mitgrund, weswegen Albrecht verhältnismäßig intensiv die Nähe des kaiserlichen Hofes suchte. Über seine hochstrebenden, letztlich gescheiterten Ziele im Kampf um Sachsen haben wir geschrieben, er ging daraus zwar als Verlierer aber trotzdem nicht territorial beschnitten hervor. Was sollte uns bei einem so rastlosen Fürsten annehmen lassen, er hätte nach diesem Rückschlag den Gedanken an eine Rangerhöhung schon völlig beiseite gelegt? Sicher, der Titel eines Herzogs von Sachsen war durch die Machtfülle von Herzog Heinrich dem Löwen nicht mehr in Erwägung zu ziehen, hierzu war dessen Dominanz spätestens seit der Doppelbelehnung mit Bayern fast unantastbar geworden. Spräche aber etwas dagegen im Einvernehmen mit dem Kaiser ein neues Herzogtum zu gründen? Ein Herzog über die Wenden, über die Landschaften und Menschen beiderseits der mittleren Elbe bis zur Oder? Immerhin wurde durch die Herauslösung der Markgrafschaft Österreich und der Rangerhöhung zum Herzogtum erst vor wenigen Jahre ein entsprechendes Beispiel gegeben und es war lange nichts das einzige. Da es hierzu keinerlei schriftliche Zeugnisse gibt die unsere Hypothese belegen könnten, wollen wir lieber wieder in den Bereich der belegten Ereignisse zurückkehren und lassen die Angelegenheit im Raum stehen.

Die Frage nach der Gründung der Mark konnte bislang nicht beantwortet werden. Existierte sie zum jetzigen Zeitpunkt schon oder nicht? Wenngleich sich Albrecht ab Oktober als brandenburgischer Markgraf bezeichnete, nahm die kaiserliche Kanzlei davon keine Notiz. Man könnte geradezu den Eindruck gewinnen, es wurde mit voller Absicht auf eine Benennung verzichtet. So lange aber von dieser Seite keine offizielle Verlautbarung zu vernehmen war, kann nicht berechtigterweise von Brandenburg als Reichsfürstentum gesprochen werden, zumindest bislang noch nicht. Da wir allerdings wissen, dass die Mark schließlich doch noch ganz feste Formen annahm, wir würden sonst nicht darüber schreiben, fehlte ganz offensichtlich noch eine Art offizielle Bestätigung. Für den Augenblick schließen wir an dieser Stelle mit dem Vermerk, dass die Entstehung Brandenburgs ein Entwicklungsprozess war und dass mit dem Erbe von 1150 und der Rückeroberung von 1157, zwei entscheidende Meilensteine genommen wurden. Ein noch ausstehender und formal wichtiger Meilenstein, die von Reichs wegen vorgenommene Nennung, musste noch folgen. Wir werden darauf an anderer Stelle erneut zu sprechen kommen.


Kaiserlicher Feldzug gegen Polen

Der erst kürzlich erfolgreich aus der Brandenburg vertriebene Jaxa von Köpenick trat seinen Eroberungszug nicht ohne tatkräftige Unterstützung an. Ihm war von polnischer Seite zuteil geworden, wo er in ein dortiges Fürstengeschlecht eingeheiratet, über gewisse Ländereien verfügte. Albrecht, in Gemeinschaft mit Erzbischof Wichmann von Magdeburg, wird von diesem Sachverhalt dem Kaiser in Goslar Meldung gemacht haben. Für ihn, wie den Erzbischof, bedeutete ein Gegener, der über starken Beistand verfügte, eine ständige Bedrohung. Bei der erstbesten Gelegenheit, konnte sich ein neuerlicher Einfall wiederholen und wer weiß, ob sich daraus nicht ein neuerlicher Wendenaufstand entwickeln könnte, wie einst im Jahre 983. Dem Kaiser, der ja schon im April in Worms mit den Fürsten des Reichs hinsichtlich einem Heerzug gegen Polen sprach, kamen diese Informationen nur recht. Nicht nur, weil er mit der Unterstützung zweier wichtiger, ostsächsischer Fürsten rechnen durfte, sondern hauptsächlich, da sich jetzt ein guter Anlass zum Angriff gegen Polen bot, das ganz offensichtlich gegen einen Fürst des Reichs vorgegangen war, wenn auch der Beweis fehlte, dass außerhalb der polnischen Familie Jaxa von Köpenicks, an höherer polnischer Stelle zu seinen Gunsten interveniert wurde.

Anfang August sammelte sich das Reichsheer bei Halle. Das Gesuch und mitgebrachte Angebote einer polnischen Verhandlungsdelegation war für den Kaiser unannehmbar. Unter den versammelten Fürsten waren neben Herzog Heinrich dem Löwen, Erzbischof Wichmann von Magdeburg, die Markgrafen Albrecht der Bär und Dietrich von der Lausitz, Pfalzgraf Otto von Wittelsbach sowie zahlreiche weitere Fürsten mit ihren Vasallen und Kriegsvölkern. Am 4. August setzten sich die Truppen nach Osten in Marsch und überschritten am 22. August 1157 bei Glogau die Oder. Unmittelbar zuvor hatte sich noch Herzog Vladislaw von Böhmen mit seinen Brüdern Heinrich und Thebald angeschlossen. Die Polen hatten die Übergänge und die Wege im waldreichen Vorgelände heftig verbarrikadiert, leisteten aber nirgendwo ernsten Widerstand, stattdessen steckten sie die Burganlagen bei Glogau und Beuthen an und zogen sich zurück. Die Vorhut über den reißenden Fluß übernahmen die böhmischen Kontingente. Friedrich I. zog mit dem deutschen Heer sengend und plündernd vor Posen, verwüstete dabei Gebiete des Bistums Breslau. In der Nähe von Posen kam ihm, auf Druck der polnischen Magnate, sein Kontrahent Herzog Bolesław IV. (1120  – 1173) entgegen und unterwarf sich dem Kaiser. Er erklärte, dass die Vertreibung seines zuvor regierenden, deutschfreundlichen Bruders Władysław II. keine geringschätzige Handlung gegen das Reich oder den damaligen König Konrad III. war. Friedrich, der kein Interesse an einem langen Feldzug hatte, stimmte einem Frieden zu folgenden Konditionen zu: Zunächst musste der im thüringischen Exil lebende, ältere Bruder Władysław II. wieder in seine schlesischen Besitzungen eingesetzt werden. Zum zweiten hatte Bolesław Bußgeldzalungen, unter anderem jährlich 200 Mark in Gold an die Lehnskasse, einmalig 2.000 Mark in Gold an den Kaiser, 1.000 Mark an die am Feldzug beteiligten Fürsten sowie 20 Mark an die Kaiserin zu leisten. Ingesamt waren das mehr als eine halbe Tonne in Gold. Als drittes verpflichtete er sich eidlich mit 300 Berittenen am geplanten kaiserlichen Italienzug teilzunehmen. Abschließend wurden sein Bruder Kasimir (1138 – 1194) sowie weitere polnische Adlige als Geiseln genommen. Zu ihrer Befreiung bekam Bolesław die Auflage sich an Weihnachten in Magdeburg einzufinden, um dort nach polnischem und böhmischem Recht hinsichtlich der Angelegenheit mit seinem älteren Bruder verhört zu werden. Zufrieden seine Forderungen angemessen durchgesetzt zu haben, führte der Kaiser die Truppen wieder ins Reich zurück, wo sich Albrecht von ihm trennte und nach Erfurt eilte. Hier sollte er als Vertreter des Kaisers an der Weihe des neuen Bischofs von Prag teilnehmen, der dort durch den Mainzer Erzbischof, seinem übergeordneten Metropoliten, die Weihe empfing. Der Kaiser selbst reiste in den Westen des Reichs, nach Besançon und hielt dort einen Hoftag ab. Hier erreichte ihn ein Brief Papst Handrian IV., der missverständlich übersetzt zu einem schweren Zerwürfnis führte. Wir werden an anderer Stelle darüber ausführlich berichten, es ist von größter Tragweite für das weiteren Verhältnis zwischen Reich und Papst.

An Weihnachten fand der schon erwähnte Tag zu Magdeburg statt. Hier traf Albrecht erneut auf den Kaiser. Gemeinsam mit den sonst versammelten Fürsten wartete man vergebens auf das Eintreffen des polnischen Herzogs, der seinen geleisteten Eid brach und nicht wie versprochen zur Anhörung erschien, auch später nicht zum Italienzug. Markgraf Albrecht, wir wissen nicht ob er sich freikaufte oder was ihn sonst entschuldigte, folgte dem Kaiser erneut nicht nach Italien. Er bereitete sich stattdessen auf eine Pilgerreise ins Heilige Land vor. Nach dem Tag zu Magdeburg begleitete er Friedrich erst noch ein weiteres Mal, zunächst nach Goslar, dann nach Regensburg. Auf den genannten Hoftagen nahm der Kaiser einen Gebietstausch mit Albrechts Widersacher, dem sächsischen Herzog Heinrich vor, was dessen Position in Sachsen noch weiter stärkte. Auch dem Herzog von Böhmen wurden besondere Gunsterweisungen zuteil, indem ihm für seine Dienste im polnischen Feldzug ein Königsdiadem überreicht wurde. Ob das böhmische Königtum mit dieser Handlung seinen Anfang nahm, ob es tatsächlich schon früher existierte, bzw. sogar erst zu einem späteren Zeitpunkt entstand, ist je nach Sichtweise unterschiedlich zu beurteilen. Sehr wahrscheinlich handelte es sich bei dem Geschenk um eine bewusste Geste an einen königsähnlichen, wenn auch ungekrönten Fürsten. Böhmen spielte für den Kaiser in mehrfacher Hinsicht eine wichtige Rolle. Es deckte die Südostflanke des Reichs gegen Ungarn und das unzuverlässige, nach Autonomie strebende Polen und war gleichzeitig ein Gegengewicht zum Sachsenherzog, der bekannterweise auch Herzog in Bayern war, sowie den aufstrebenden Babenbergern in Österreich.


Pilgerfahrt und Neuchristianisierung der Slawen

Nach dem Hoftag von Regensburg begab sich Albrecht am 2. Februar 1158, zu Mariä Lichtmess, in Begleitung seiner Gattin, Bischof Ulrich von Halberstadt (vor 1133 – 1180) und zahlreichem Gefolge auf die schon erwähnte Pilgerfahrt ins Heilige Land. Seinem Sohn Otto überantwortete er die Verwaltung der askanischen Herrschaften in seinem Namen. Auf den Heerzug nach Italien, begleiteten an des Vaters statt zwei Söhne den Kaiser.
Leider ist uns nichts schriftliches über die Fahrt nach Palästina hinterlassen worden. Selbst über den genommenen Reiseweg können wir nur Mutmaßungen anstellen. Als gesichert kann man nur davon ausgehen, dass die Pilgergruppe auf der Donau abwärts bis Ungarn reiste. Ob sie dann an die Küste abbogen und an der dalmatinischen Küste einschifften, um über die Adria, das ägäische Meer, in die Levante den Seeweg zu nehmen oder den Landweg durch Ungarn, die Landschaften des heutigen Bulgariens passierend, bis zur Meerenge des Bosporus weitermarschierten, um dann über Konstantinopel, entlang der Westküste bis zum endgültigen Ziel zu reisen, ist alles nicht belegt. Da unter anderen fürstliche Damen teilnahmen, sollte eher vom deutlich komfortableren Seeweg ausgegangen werden
Erst wieder im November des Jahres 1158 hören wir von ihm. Der Kaiser, der zwischenzeitlich seine Strafexpedition gegen Mailand erfolgreich zum Abschluss brachte, hatte sein Lager traditionell auf den Ronkalischen Feldern errichten lassen, wo er vom 11. – 26. November residierte und zahlreiche Regentschaftstätigkeiten für den oberitalienischen Raum vornahm, die sogenannten Gesetze von Roncaglia. Mit dem anstehenden Winter entließ Friedrich einen großen Teil des Heeres in die Heimat. Mit diesen Heimkehrern, höchstwahrscheinlich in Begleitung der beiden am Italienzug beteiligten Söhne, erreicht auch Albrecht und seine Gemahlin die Heimat wieder.

Mit Rückkehr erkennen wir an Albrecht eine Änderung der bisherigen Politik im Umgang mit den Slawen. Vielleicht waren es die Erlebnisse im Heiligen Land, wo christliche Feudalherren, Nachfahren des ersten Kreuzzugs, über Christen, Juden und Moslems gleichermaßen herrschten, die dort halbwegs einträchtig nebeneinander und miteinander lebten und wirkten. Vielleicht waren es die langen Monate auf Reisen, wo er, befreit von den vielfachen Aufgaben eines Regenten und Reichsfürsten, Zeit zur Besinnung und Reflexion fand. Möglicherweise gelangte er zur Überzeugung, dass die bisherige Weise, mit der man den heidnischen Slawen begegnete, nämlich mit Härte, schlimmstenfalls mit Vernichtung, Verschleppung oder Vertreibung, überall dort wo sie sich nicht bereitwillig unterwarfen, nicht nur ein in der Sache falscher, sondern ganz und gar unchristlicher Weg war. Es könnte sein, dass Sohn Otto, der in den Monaten seiner selbstständigen Regierung eigene Erfahrungen machte, dem Vater Erfolge im Umgang mit den Slawen vorweisen konnte. Vielleicht war es am Ende einfach nur das sich bemerkbar machende Alter, das den betagten Krieger ruhiger und bedächtiger werden ließ, auch weil die Kräfte nachzulassen begannen, was wir glauben auch daran zu erkennen, dass bereits einzelne Landstriche seines Herrschaftsbereichs mehr oder weniger selbstständig von den Söhnen verwaltet wurden, allen voran sein zweitältester Sohn Hermann, der die Grafschaft Weimar-Orlamünde verwaltete, welche ihm später auch als Erbe zufiel. Er selbst, in enger Gemeinschaft mit Sohn Otto, konzentrierte sich jetzt auf die Bedürfnisse der rechtselbischen Region. Ob wir hierbei noch von der klassischen Nordmark oder schon von einer sich entfaltenden frühen Mark Brandenburg sprechen sollen, bleibt unter Berücksichtigung des zum Thema Entstehungsprozess bereits geschriebenen, den Vorlieben des Lesers überlassen.

Die langfristige Erschließung und Sicherung der Gebiete rechts der Elbe mussten mit einer grundlegenden Christianisierung der dort eingesessenen Bevölkerung einhergehen. Nur die Kirchen bzw. die Klöster brachten in ausreichendem Umfang die notwendigen Strukturen mit, um einen nachhaltigen Landesausbau zu bewerkstelligen. Eine weltliche Verwaltungsebene gab es in Form der Ministeriale, einer Art mittelalterlichem Beamten. Doch davon waren davon im zwölften Jahrhundert bei weitem nicht genug geeignete verfügbar.
Diesem Ansatz der Regierung über die Slawen vertraten die Askanier keineswegs als erste und noch weniger als einzige Zeitgenossen der damaligen Zeit. Zwei wesentliche Eckpfeiler eines frühen Missionierungswerks waren die beiden Bistümer Havelberg und Brandenburg. Jene existierten wie wir wissen bereits seit der ersten Unterwerfung im zehnten Jahrhundert, während der Regentschaft der Ottonen. Schon mehrfach erwähnt, gingen sie anlässlich der großen Slavenaufstände der zum  Lutizenbund zusammengeschlossenen Elbslawen im Jahre 983 wieder verloren. Die Kicheneinrichtungen wurden zerstört, ihre Vertreter getötet oder vertrieben. Es folgte ein Rückfall von bereits christianisierten Bevölkerungsteilen, zurück zum alten Götterglauben. Die Bischöfe von Havelberg und Brandenburg waren wie ebenfalls schon erwähnt bis weit ins zwölfte Jahrhundert hinein im Grunde nur noch Titularbischöfe, sie verfügten über praktisch keinen realen politischen oder kirchlichen Einfluss.

Im Jahr 1138 wurde mit Wigger von Brandenburg (um 1100 – 1159) ein neuer Bischof für das Bistum Brandenburg gewählt. Wigger war Prämonstranenser, ein 1120 durch Norbert von Xanten (1080 – 1134) gegründeter Mönchsorden, der sich besonders dem Missionardienst in Form eines Wanderpredigttums verschrieb. Der neue Bischof begann ein kraftvolles und persönlich betriebenes  Predigtwerk. Zuerst unweit der Grenzgebiete zwischen den Sachsen und den Slawen, dann zunehmend  rund um das ehemalige Kernland des Bistums. Hilfreich waren dabei einzelne, konvertierte slawische Adelsfamilien, allen voran Pribislaw-Heinrich, dem Herrn der Brandenburg. Auf solcher Grundlage bildete Wigger immer neue Missionsstützpunkte und war einer der großen Pioniere bei der Neuchristianisierung der Elbslawen, zunächst im westlichen Teil der späteren Mark, unmittelbar rechts der Elbe, bis an die Spree. Im Gegensatz zum luxeriösen Leben vieler Kirchenfürsten der Zeit, lebte Bischof Wigger den Idealen seines Ordens folgend, ein materiell enthaltsames Leben. Anlässlich des 1147 durchgeführten großen Wendenkreuzzugs, dem er kritisch gegenüberstand, sich aber dennoch aktiv beteiligte, gelang es ihm, dass sein Bistumsgebiet von Übergriffen ausgespart blieb, was dem weiteren Prediktwerk im Anschluss zusätzliche Impulse verlieh und auch Albrecht später zugute kommen sollte. Als Bischof war er zugleich Reichsfürst und als solchen sehen wir ihn aktiv in Reichsangelegenheiten an der Seite Konrads III. Zu Albrecht dem Bären bestanden im Rahmen gemeinsam wahrgenommener Hof- und Fürstentage, verscheidentliche Kontakte, die sich aber erst anlässlich des erwähnten Wendenkreuzugs mehrten und schließlich mit dem Erbfall von 1150, die den Bären in den Besitz der Brandenburg und des Havellandes brachte, intensivierten. Noch sah Albrecht den vollen Wert des Missionarwerks für seine landesherrliche Politik nicht. Zunächst betrachtete er seine slawischen Untertanen wohl hauptsächlich als tributpflichtige Heiden, kaum aber als vollwertige Landeskinder. Der Begriff Landeskinder ist unpassend, er war nirgendwo im mittelalterlichen feudalen Europa bekannt. Menschen, abhängig von ihrem Stand, waren mehr oder weniger Unterthanen eines Lehnsherren. Sie fühlten sich bestenfall einer kleinen Region zugehörig, zumeist nur ihrer unmittelbaren Sippe oder Dorfgemeinschaft, keinesfalls aber einem größeren, staatsähnlichen Gebilde. Diese Konstrukte, Staat konnte man es noch nicht nennen, hatten bislang auch selten einen Namen und wenn, dann beschrieben sie einen regional begrenzten Bereich, einen Gau, eine Grafschaft eine überschaubare Landschaft. In der Person des Lehnsherren und der darunter liegenden Lehenspyramide, war die ganze frühstaatliche Struktur eines Fürstentums begründet.

Die Anteilnahme Albrechts am Christianisierungswerk müssen wir uns vor allem im militärischen Schutz der beiden Bistümer vorstellen. Havelberg war wohl allerspätestens seit 1147, vermutlich aber schon anlässlich des 1136/37 durchgeführten Kriegszugs Albrechts gegen die nördlich des Havellandes lebenden Brizaner und Wilzen, wieder unter sächsischer Kontrolle. 1150 oder 1151 wurde dort ein Domkapitel gegründet, das seinen festen Sitz in dem alten Bistumszentrum nahm. Mit Einrichtung dieser wichtigsten administrativen wie klerikalen Führungsstruktur, die den Bischof beriet und in allen Belangen unterstützte, war das Bistum administrativ wieder voll handlungsfähig. Was noch fehlte, war ein repräsentatives Kirchengebäude, ein Dom. Die Grundsteinlegung erfolgte vermutlich erst Anfang oder Mitte der 1160‘er Jahre. Bischof Anselm von Havelberg, ein wichtiger Diplomat im Dienste von drei römisch-deutschen Monarchen, erlebte diesen Akt vermutlich schon nicht mehr, er ist am 12. August 1158 in Mailand verstorben, während des zweiten Italienzugs von Kaiser Friedrich I. Persönlich konnte er nie in gleichem Maße das Prediktwerk betreiben, wie sein Ordensbruder Wigger von Brandenburg. Seine vielfältigen Aufgaben als kaiserlicher Gesandter und Diplomat banden ihn stets stark in die Reichsgeschäfte ein. Die von ihm 1144 eingeleitete Klostergründung in Jerichow, südlich von Havelberg und östlich von Tangermünde und somit jenseits der Elbe, war ein wichtiger Schritt dem christlichen Missionierungswerk im Wendenland ein erstes funktionales Zentrum zu schaffen. Mit dem großen Wendenkreuzzug von 1147 brach endgültig der Zusammenhalt und die Widerstandskraft im elbslawischen Raum zusammen. Wohl kam es immer wieder zu lokalen Aufständen, doch blieb eine allgemeine Erhebung aller Stämme aus. Im Norden, entlang den Küsten Pommerns macht der neue Glaube rasche Fortschritte. Die Tätigkeit des Bischofs Otto von Bamberg fiel in den stadtähnlichen Zentren auf fruchtbaren Boden und breitete sich von dort weiter aus. Auch das längst christianisierte Polen im Osten, mit dem man in ehtnischer Hinsicht verwandt war, drückte nach Westen, während die deutschen Fürsten ihrerseits aus dem sächsischen Raum nach Osten vorfühlten. Die Zeit der slawischen Selbstbehauptung ging rasch zu Ende. Mehr und mehr der regionalen Adlesfamilien stellten sich durch Hingabe zum christlichen Gott auf die neue Zeit ein. Dieser von innen heraus wirkende tretende Zerfall der Einheit, führte zu irreversibler Schwächung und Spaltung. Die militärische Widerstandskraft, wie sie in den zurückliegenden Generatione existierte, getragen vom Einheitsgedanken und Wunsch die eigene Freiheit gegen die christlichen Invasoren zu bewahren, war erlahmt. Zunehmende Überlegenheit in der Waffentechnik gaben den christlichen Kriegern eine drückende Überlegenheit. Hinzu kamen Konflikte unter den Slawen selbst, was die Erosion nur noch beschleunigte.
Für die sächsischen Fürsten in den Marken, den Grenzgrafschaften, war der Zeitpunkt gekommen ihr Gebiet mit eigener Kraft, durch das Schwert zu erweitern. Markgraf Albrecht und seine Familie hatten dabei das große Glück der schon mehrfach erwähnten Erbverbrüderung mit Pribislaw-Heinrich, die 1150 zum erfolgten Erbe führte. Dass dieses Erbe selbst nach Jahren nicht sicher war, haben wir anhand der Geschehnisse von 1157 gesehen. Es war dies aber der letzte große militärische Kraftakt zur Rückgewinnung der Brandenburg und des Havellandes. Fortan, es wurde erwähnt, traten nur noch lokale Aufstände auf, denen mit den örtlichen Kräften begenet werden konnte.


Das Besiedlungswerk

Die Serie der Feldzüge ins Land der Wenden seit Lothar III. führte zu einer schleichenden Entvölkerung ganzer Landstriche. Entweder weil die dort Lebenden erschlagen, verschleppt oder vertrieben wurden, bzw. von sich aus tiefer ins Hinterland abwanderten. Ein weitestgehend menschenleeres Land zu besitzen, brachte einem Fürsten keinerlei Vorteile, dafür allerhand Nachteile in Form von nicht zu deckenden Ausgaben für den Erhalt militärischer Stützpunkte. Das ohnehin nur wenig erschlossene Land im Grenzgebiet rechts der Elbe und unmittelbar dahinter, war selbst in den Hochzeiten slawischer Autonomie nur dünn besiedelt, wirkliche Zentren gab es wenige. Havelberg, Brandenburg im Einflussbereich Albrechts oder Demmin und Stettin auf dem Gebiet der vormaligen Billunger Mark, gehörten dazu. Für Albrecht, und hier dürfen wir die berechtigte Annahme hegen dass sein ältester Sohn Otto einen großen Anteil hatte, galt es das Land zu bevölkern. Weniger, was so in älteren Geschichtswerken hervorgehoben wird, um das Deutschtum in die rechtselbischen Gebiete zu tragen, sondern hauptsächlich aus rein wirtschaftlich-pragmatischen Gründen. Die früher vielzitierte Germanisierung des Ostens war bestensfalls ein sich von selbst ergebender Nebeneffekt. Eine Ausrottung der slawischen Menschen war nie vorgesehen, auch wenn die brutalen Ereignisse anlässlich der schon zitierten Feldzüge gegen die Slawen ein anderes Bild vermitteln mögen. Auch auf die Gefahr uns zu widerholen, bei objektiver Betrachtung unterschieden sich diese Kriegszüge nicht wesentlich von Feldzügen, wie sie zwischen christlichen Fürsten geführt wurden.
Albrecht griff bei seinen Bemühungen Kolonisten ins Land zu holen auf ein seit einiger Zeit bewährtes Mittel zurück. Er war hierbei keineswegs ein Pionier, sondern ahmte die Erfolge zweier anderer Fürsten nach. Der Bremer Erzbischof Adalbero (vor 1100 – 1148) ließ zahlreiche, meist flämische Siedler in sein Land, die durch Naturgewalten getrieben, ihre Heimat verlassen hatten. Die Küsten der heutigen Niederlande und Belgien waren immer wieder von schweren Sturmfluten heimgesucht. Besonders erwähnenswert war zunächst jene vom 4. Oktober 1134, die große Teile der flämischen Küste überschwemmte, teilweise bis tief ins Hinterland. Die Zahl der Todesopfer ging in die Tausende. 1134 war übringens das Jahr, in dem Albrecht von Kaiser Lothar III. zum Markgrafen der Nordmark ernannt wurde. In den folgenden Jahren ereigneten sich wieder und wieder in den Herbst- und Wintermonaten regionale Überflutungen der Küstenregionen, wenn auch nicht in solch entsetzlichem Ausmaß wie im Jahr 1134. Trotz der sich fortentwickelnden Technik im Deichbau, die vielerorts schlimmeres verhinderte, fürchteten zahlreiche dort lebende Menschen die Gewalt der Natur. Es kam zu ersten Auswanderungswellen, zuerst ins Bremische. Hier erhielten die Ankömmlinge vom Erzbischof bislang unkultiviertes, sumpfiges Land zur freien Verfügung zugewiesen, samt einer mehrjährigen Enthebung vom Landzins und teilweise sogar vom Kirchenzehnten. Die Siedler erschlossen durch Entwässerungsarbeiten und Errichtung von Deichen in wenigen Jahren das ihnen zugewiesene Land und machten es urbar. Das beeindruckende Beispiel blieb nicht unbemerkt. Graf Adolph II. von Schauenburg-Holstein, ein Vasall Herzog Heinrichs des Löwen, holte ab 1142 ebenfalls flämische und auch westfälische Siedler in sein Gebiet. Sie errichteten Dorfgemeinschaften abseits der Siedlungen der slawischen Holsten und Abodriten. Das Land war groß genug, so dass man sich aus dem Weg gehen konnte. Es war jener Graf Adolph, der die Stadt Lübeck in Form einer Rundwallsiedlung errichten ließ. Sie war als ein Seehandelsposten gedacht und die erste deutsche Stadt an der Ostsee. Am Vorabend des Wendenkreuzzugs von 1147 überfiel Niklot die Handelsniederlassung von Lübeck und brannte sie nieder. Auch viele Dörfer der Kolonisten ließ er überfallen und niederbrennen. Nach Abschluss des Kreuzzugs wurde Lübeck wieder aufgebaut, ebenso die heimgesuchten Dörfer der Kolonisten. Der Graf widmete sich seither in noch deutlich stärkerem Maße der Kolonisierung und rief immer neue Siedler herbei.

Albrecht, der seit 1150 Herr auf der Brandenburg war, stand vor einer ähnlichen Situation wie der Graf von Holstein. Auch er verfügte formell über ein Gebiet, dass von überwiegend heidnischen- und wenigen christlichen Slawen nur dünn besiedelt war. Keineswegs waren seine Besitzungen vor Übergriffen sicher, wie es sich im Frühling 1157 erwies, als ihm die wichtige Havelfestung Brandenburg durch Bestechung entrissen wurde. Albrecht war mittlerweile an der Schwelle ins Greisenalter. Das Beispiel in Holstein inspirierte ihn, möglicherweise spielte Sohn Otto hierbei die ausschlaggebende Rolle, denn gerade er tat sich im Anschluss besonders hervor. Ganz unerfahren waren die Askanier im kolonisieren nicht, immerhin waren schon in den Regionen der alten Mark, besonders entlang der Elbe, holländische und flämische Siedlungen entstanden, vor allem nach den Verheerungen im Zusammenhang mit dem Kampf um das Herzogtum Sachsen, den Albrecht wie wir berichteten verloren geben musste. Auch damals suchte er nach Mitteln, die stark deszimierte Bevölkerung wieder aufzubauen. Nach 1158 begann das große Besiedlungswerk der Landschaften, die zu den ersten Regionen der Mark Brandenburg werden sollten. Albrecht sandte Boten nach Utrecht, Brügge auch nach Köln, in alle größeren Städte im nordwestlichen Teil des Reichs und ließ öffentlich verkünden, dass er jedem der gewillt ist in die Mark zu ziehen, ein Stück Land rechts der Elbe und Zinsfreiheit, das heißt Abgabenfreiheit für das erworbene Land, auf mehrere Jahre zusichere. Zu tausenden strömten die Kolonisten aus Holland, Seeland, aus Flandern, Westfalen und vom Rhein in die entvölkerten Gebiete jenseits der Elbe. Es war das letzte große Werk des gealterten Bären. Die junge Mark bekam durch den Zuzug dieser Menschen ihre typisch norddeutsch geprägte Form.


Ehe und Nachkommen

Wir haben bisher meist nur am Rande über die Familie Albrechts gesprochen. Am meisten wurde dabei sein ältester Sohn Otto erwähnt. Werfen wir einen Blick auf seine zahlreichen Kinder und natürlich auf seine Gattin. Er heiratete 1124 Sophie von Winzenburg (1105 – 1160). Sie war Tochter des aus dem bayrischen stammenden Grafen Herrmann von Winzenburg (um 1083 – 1137). Sie schenkte ihrem Mann in den über 35 Ehejahren mindestens neun Kinder die das Erwachsenenalter erreichten. Im Jahre 1158 begleitete sie ihren Mann auf dessen Pilgerfahrt ins Heilige Land, von wo sie, möglicherweise schon gesundheitlich angeschlagen, Ende des selben Jahres zurückkehrte. Schon im Sommer 1160 starb sie in Brandenburg an der Havel, vermutlich auf der dortigen Festung. Ihr Leichnahm wurde im Ballenstedter Stift, der bisherigen Grablege der askanischen Grafen von Ballenstedt, zur letzten Ruhe gelegt. Obwohl sie rund zehn Jahre vor Albrecht starb, blieb Sophie die einzige Ehefrau des Bären. Für einen regierenden Fürsten war es durchaus üblich, dass er sich sogar in hohem Alter noch einmal vermählte, selbst wenn die Erbfolge durch ausreichend Nachkommen als gesichert gelten konnte. Ein bei Aschersleben, der alten Residenz der Askanier, gemachter Münzfund (Brakteat) zeigt den stilisierten Markgrafen gemeinsam mit seiner Frau. Das Fürst und Gattin auf einer Münze gemeinsam abgebildet wurden, war ungewöhnlich und bemerkenswert. Es muss als ein besonderer Ehrenerweis gegenüber der Gattin interpretiert werden und drückt die Innigkeit des beiderseitigen Verhältnisses aus.

An der Seite Albrechts wurde Sophie von Winzenburg zur Stammherrin der Markgrafen und Kurfürsten von Brandenburg, Herzöge und Kurfürsten von Sachsen-Wittenberg, der Herzöge von Sachsen-Lauenburg, der Fürsten von Anhalt und der Grafen von Weimar-Orlamünde.

Neun der namentlich bekannten Kinder waren wie folgt:

  • Otto (1125  – 1184), ab 1170 Albrechts Nachfolger als Markgraf von Brandenburg.
  • Hermann (um 1130 – 1176), ab 1167 Graf Hermann I. von Weimar-Orlamünde
  • Siegfried (1132 – 1184), 1173 – 1180 Bischof von Brandenburg, ab 1180 Erzbischof von Bremen
  • Heinrich (vor 1140 – 1185/86), Domprobst zu Magdeburg, Vorsteher der Domschule zu Magedburg.
  • Hedwig (vor 1136  – 1203), verheiratet seit 1155 mit Markgraf Otto von Meißen.
  • Adalbert (um 1136  – 1173), Graf von Ballenstedt
  • Dietrich (vor 1130 – 1187), Graf von Werben
  • Bernhard (1140 – 1212), seit 1170 Graf von Aschersleben, ab 1173 Graf von Ballenstedt, Burggraf von Magdeburg, ab 1180 Herzog von Sachsen
  • Gertrud (? – ?), verheiratet seit 1153 mit Fürst Děpold von Böhmen-Jamnitz

Tod, Erbteilung & Nachwort

Das letzte Jahrzehnt seines Wirkens verwandte Albrecht dazu, der noch spärlich besiedelten Mark durch den Zuzug deutscher Kolonisten aus unterschiedlichen  Gauen des Reichs einen Bevölkerungszuwachs zu verschaffen, um die Stellung im dünn besiedelten Osten gegenüber der slawischen Mehrheitsbevölkerung zu stärken und die Landstriche zu erschließen.
Er beteiligte sich von jungen Jahren an sehr aktiv in den Auseinandesetzungen im sächsischen Raum, wie auch in der Reichspolitik. Mit dem Sachsenherzog Lothar, dem späteren Kaiser Lothar III., verband ihn seit seinen ersten Regentschaftsjahren ein enges Band. Selbst nachdem Albrecht 1131 wegen schwerem Landfriedensbruch von einem Fürstengericht verurteilt wurde, worauf ihm die Mark Lausitz entzogen wurde, fiel er bei Lothar nicht in Ungnade und blieb diesem umgekehrt treu. Schon 1134 belehnte Lothar ihn mit der verwaisten Nordmark. Durch die politischen Umstände in Sachsen genötigt, nach dem Tod des Kaisers, wurde er ein Parteigänger der Staufer. Als er das von der Kaiserinwitwe Richenza geplante Wahlkonvent zu Quedlinburg sabotierte, ermöglichte er dadurch ungeplant die kurz darauf folgende Wahl des Staufers Konrad zum römisch-deutschen König. Eine Absprache dazu gab es mit den Staufern nicht, Albrechts Handlung war eine Einzeltat, die weitreichende Folgen hatte. Die Nähe zu den Staufern wurde in den kommenden Generationen zu einer Art politischem Grundsatzprogramm der brandenburgischen Askanier, und kam es auch gelegentlich zu Zerwürfnissen, nahm man später nur einmal eine grundlegend oppositionelle Haltung gegenüber der schwäbischen Herrscherdynastie ein.
Er gehörte von Anbeginn an zu den erbittertsten Gegnern der frühen sächsischen Welfen und bekämpfte zeitlebens Heinrich den Stolzen, wie auch dessen Sohn Heinrich den Löwen. Seine antiwelfische Politik wurde von den Söhnen vorbehaltlos mitgetragen und später von Bernhard sehr erfolgreich fortgeführt.

Albrecht in fortgeschrittenem Alter

Am 18. November 1170 starb Markgraf Albrecht I. Er wurde im Kollegialstift zu Ballenstedt neben seiner Frau und seinen Vorvätern beigesetzt. In der Spätphase seines Lebens wurde unter seiner Regie dem Reich östlich der Elbe eine neue Markgrafschaft erschlossen. Die Schritte die dazu führte, waren die Belehnung mit der Nordmark, gefolgt von der Inbesitznahme der westlichen Prignitz, nördlich von Havelberg und der Zauche, die als Taufgeschenk an die Askanier fiel. Es folgte Havelberg, das spätestens seit 1147 in askanischer Hand war, vermutlich schon etwas früher und schließlich 1150 das wichtige Erbe der Brandenburg mit dem Havelland. Im Frühjahr 1157 verlor er die Festung für kurze Zeit, konnte sie aber schon im Juni des gleichen Jahres nach blutigen Kämpfen endgültig zurückerobern. Die Ausdehnung der jungen Mark nach Osten war noch verhältnismäßig gering und es sollte Generationen dauern, bis die Oder erreicht und überschritten wurde. Ein vielversprechender Anfang war dennoch getan und der Bär drückte dieser Anfangszeit seinen Stempel auf.
Als Stammvater begründete er eine Reihe askanischer Linien. Mit seinem Tod und der Erbteilung von 1170, entstanden neben der brandenburgischen Hauptlinie, die Linie von Weimar-Orlamünde, eine sächsische Linie, die sich 1296 nochmals teilte und die anhaltinische Linie, dem einzigen askanischen Zweig, der heute noch existiert. Albrechts Landschaften wurden gemäß einer  einvernehmlichen Landesteilung unter den vier weltlichen Söhnen aufgeteilt, während zwei weitere Söhne hohe geistliche Ämter begleiteten. Noch zu seinen Lebzeiten begannen diese als Stellvertreter und Mitregenten ihre späteren Besitzungen zu verwalten. Die vormalige Nordmark und das Siedlungsgebiet rechts der Elbe sowie der väterliche Titel eines Markgrafen, ging als Nachlass an den erstgeborenen Sohn Otto.

Die Herkunft des Namenszusatzes der Bär, der schon zu Lebzeiten für Albrecht verwendet wurde, ist nicht belegt, man darf aber mit einigermaßen großer Sicherheit annehmen, dass er als eine Art oppositioneller Gegegenbegriff zu Heinrich dem Löwen gedacht war. Er hat nichts mit dem späteren Wappentier Berlins zu tun. Im Übrigen hat auch der phonetisch ähnlich klingende Name der Stadt nichts mit dem Bären zu tun, wie vereinzelt bis heute behauptet wird. Die eigentliche Stadt existierte zu Lebzeiten Albrechts noch nicht, wenn auch schon seit einiger Zeit dort eine größere slawische Siedlung lag. Der Bär als Wappen Berlins kam erst spät auf. Wie die meisten märkischen Städte hatte auch die Doppelstadt Berlin-Cölln unter anderem den roten märkischen Adler im Wappen, der zu Lebzeiten Albrechts noch nicht existierte. Zur Zeit Albrechts waren die Gebiete östlich Spandaus außerhalb des Zugriffs der brandenburgischen Markgrafen, erst seine Urenkel werden den Teltow erobern und sichern.

Albrecht war in seinem langen Leben Reichsvasall von Königen und Kaisern, dem Salier Heinrich V., dem Süpplingenburger Lothar III., sowie den Staufern Konrad III. und Friedrich I. Barbarossa. Als Kind war er sogar noch Zeitzeuge Heinrichs IV., womit er insgesamt fünf römisch-deutsche Könige und Kaiser erlebte. In seiner Zeit verschwanden die die alten germanischen Stammesherzogtümer endgültig und die Territorialisierung des Reichs nahm sichtbar Gestalt an.

Buch 1, Kapitel I: „Albrecht der Bär – Vom Grafen zum Herzog“


Der Prolog skizzierte in groben Zügen die Entstehung der Mark Brandenburg in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts und warf daneben einen oberflächlichen Blick auf die Zeit vor der sächsisch-deutschen Besiedlung. Der von Kaiser Barbarossa geschaffene Begriff vom Heiligen Reich, vom Sacrum Imperium, als Eigenname des Kaiserreichs, kam etwa um die gleiche Zeit auf, als sich Brandenburg in seiner Frühform zu bilden begann.

Anlässlich der überelbischen Kolonisierung und Unterwerfung der jenseits des großen Grenzstroms ansässigen Bewohner, trat ein ostsächsischer Graf namens Albrecht von Ballenstedt aus dem Schatten der Zeitgenossen heraus. Er wurde zu einer der großen Figuren der sächsisch-deutschen Landnahme zwischen Elbe und Oder.
Albrecht wurde etwa um das Jahr 1100 ales einziger Sohn des Grafen Otto von Ballenstedt geboren, den man den Reichen nannte. Das  exakte Geburtsdatum Albrechts ist unbekannt, ebenso der Geburtsort. Überhaupt ist nichts aus seiner Kindheit oder Jugend überliefert. Erstmals taucht er namentlich im Zuge einer Klostergründung am 16. April 1120 auf. Hier ist er neben Bischof Reinhard von Halberstadt einer der vermerkten Mitunterzeichner auf der ausgestellten Stiftungsurkunde. Seine Mutter war Eilika von Billungen, Tochter von Herzog Magnus von Sachsen. An Geschwistern ist nur eine Schwester namens Adelheid nachweisbar. Diese war in erster Ehe mit Markgraf Heinrich II. von Stade (1102 – 1128), in zweiter Ehe mit Graf Werner III. von Veltheim (ca. 1100 – 1170) verheiratet.


Ursprung und Geschichte des askanischen Hauses

Albrecht entstammte dem ostsächsischen Geschlecht der Askanier. Die Wurzeln der Familie gehen laut Sachsenspiegel, auf den wir an anderer Stelle noch eingehen werden, auf suebischen Uradel zurück, was sich in Ermangelung verwertbarer Aufzeichnungen freilich nicht nachweisen. Den Ursprung der Familie findet man wahrscheinlich in der Region des Schwabengaus, östlich von Quedlinburgim nordöstlichen Harzvorland. Die Namensherkunft Askanier oder Askanien geht auf Burgbesitz bei Aschersleben zurück, dessen lateinisierte Form Ascharia lautet. Möglicherweise wurde er in Anlehnung an den mythologischen trojanischen Helden Aeneas und in der weiteren Folge als Ascanius, Sohn des Aeneas, umgedeutet, um damit dem Geschlecht eine Heldenabstammung und weit in die Vergangenheit zurückreichende Wurzeln zu verleihen. Im frühen Hochmittelalter ware es eine Art Mode auf vorgeblich antike Wurzeln und Sagengestalten zu verweisen. Das Bewusstsein, die eigenen Vorfahren könnten einst nichts weiter als Bauern gewesen, die sich irgendwann innerhalb der Sippe über ihre Zeitgenossen erhoben hatten, war vermutlich kein sonderlich erhabener Gedanke und demgemäß eines edlen Stammbaums unwürdig. Viele spätere Adelsgeschlechter im Raum nördlich der Alpen dürften am Übergang von der Antike zum Frühmittelalter tatsächlich kaum mehr als Freibauern und Krieger gewesen sein, die sich in den zahllosen Auseinandersetzungen mit Römern, Hunnen oder verfeindeten germanischen Gruppen einen Namen machten und hierdurch innerhalb ihres sozialen Umfelds in Ansehen und Rang aufstiegen. Niemand konnte aber mit Recht und nachweislich auf einen hochwohlgeborenen Stammbaum verweisen, der in die undokumentierte Zeit der unruhigen Germanen oder gar bis in die Frühantike zurückreichte.
In der Spätphase des Frühmittelalters entwickelte sich zunehmend ein Kriegeradel heraus. Durch Einführung und Professionalisierung einer berufsmäßigen Kämpferkaste und einer damit verbundenen Abkehr vom Vorrecht des Waffenbesitz als erklärtes Privileg des freien Mannes, entstand hieraus ein frühfeudales, niederes Adelssystem. Waren unter den germanischen Ahnen noch alle freien Bauern zur Heerfolge verpflichtet und demgemäß legitimiert Waffen zu tragen, übernahmen künftig nur noch berufene Personengruppen und deren bewaffnetes Gefolge den Kriegsdienst. Sie waren zu ständiger Kampfbereitschaft verpflichtet und mussten die entsprechende Ausrüstung auf eigene Kasse beschaffen und pflegen. Zur Finanzierung der außerordentlichen Kosten für Waffen, Schild, Kettenpanzer und vor allem Pferd, das alleine schon den Gegenwert von 20 Kühen hatte, sowie den zusätzlichen Unterhalt einer Handvoll Bewaffneter, erhielt der berufsmäßige Krieger ein Stück Land abgabenfrei vom Lehnsherren zugewiesen, dass aber nicht er, sondern eine festgesetzte Zahl benachbarter Bauern für ihn bestellte. Oft genügten die Einnahmen daraus dennoch nicht und die Bauern mussten zur Bestreitung der Kosten zusätzliche Abgaben aus den eigenen Erträgen leisten. Dafür waren sie zwar völlig vom Kriegsdienst entbunden aber gleichzeitig ebenso vom grundsätzlichen Vorrecht eine Waffe zu führen, was die Voraussetzung zur Teilnahme am Ting war, der Volksversammlung aller Stimmberechtigten. Hierdurch verloren sie schnell Rechte und Freiheiten, weil an ihren Bedürfnissen und Interessen vorbei Entscheidungen getroffen wurden. Umgekehrt entwuchs jener der Feldarbeit entwöhnte Kämpfer seiner ursprünglichen Herkunft und einstigen Beruf. In Ermangelung schriftlicher Fixierung der Abkommen, wer hätte sie auch lesen können, war dem Missbrauch des Stärkeren Tür und Tor geöffnet. Das Kriegerprivileg wurde innerhalb der eigene Familie an die Söhne weitervererbt und schon bald erhoben sich nachfolgende Generationen als die geborenen Herren über die ihnen ursprünglich nur zuarbeitenden Bauern. Letztere fanden sich, je nach Umstand der Dinge, gewollt oder gezwungenermaßen mit ihrem Schicksal ab und versäumten fast überall rechtzeitig zu intervenieren, bevor sich die Verhältnisse zementierten. Ein grundlegendes Rechtsprinzip trat zutage, indem aus Gewohnheit Recht wurde. Was sich in wenigen Generationen bildete, war eine bisher unbekannte Hierarchieebene, der niedere Kriegeradel. Während sich nun die allermeisten im Kriegsdienst einen hervorgehobenen Platz auf der Gesellschaftsleiter erst erkämpfen mussten, waren wenige andere von Geburt an Herren. Als wenn man so will Hochwohlgeborene, entstammten sie aus den Sippen vormaliger Stammesführer und ihre Stellung, wie die ihrer Familie, war von alters her anerkannt. Diese sehr kleine Gruppe besetzte die allerhöchsten Stellen der nicht klerikalen Gesellschaftsordnung, woraus sich schließlich bis zum Hochmittelalter eine festgefügte Feudalpyramide formte. Unterhalb des Hochadels, gefolgt vom Kriegeradel oder Vasallenadel, standen als nächstes die Ministeriale. Sie waren eine nichtaristokratische Klasse und fungierten als eine Art Verwaltungsbeamte. Auch sie konnten sich im Dienst einen Namen machen, hierdurch in den Adelsstand aufsteigen und auf der weltlichen Gesellschaftsleiter emporklettern.
Für die Dynastien des Hochadels, die auf der feudalen Leiter oben standen, galt es die eigene Herkunft und Abstammung deutlich herauszustellen und sich gegenüber den hierarchisch untergeordneten Gruppen klar abzugrenzen. Man griff dabei gerne auf Mythologien des Altertums zurück oder auf mystische Wesen, um die herum der eigene Stammbaum geflochten wurde. Neu war dies nicht, schon der Frankenhäuptling Merowech, Stammvater der ersten fränkischen Königsdynastie der Merowinger – er lebte Mitte des fünften Jahrhunderts auf dem Gebiet des heutigen Belgien – leitete seine Abstammung von einem angeblichen Meerdrachen ab, um hierdurch die Übernatürlichkeit seiner Vorfahren gegenüber Rivalen und gegenüber dem einfachen Volk herauszustellen und damit seinem Herrschaftsanspruch übernatürliche Legitimität zu verleihen.

Kehren wir zu den Askaniern zurück. Anhand von Urkundenfunden können die Vorfahren Albrechts verbindlich bis zu Graf Esico (um 990 – 1060) zurückverfolgt werden. Er war Albrechts Urgroßvater. Über Esicos Mutter Hidda kam mit dem Tod ihres Vaters, Markgraf Hodo I. (um 930 – 993), ein umfangreiches Erbe an die Grafen von Ballenstedt, die sich langsam aus der Gruppe umliegender Gaugrafen und Kleinadligen des östlichen Harzvorlandes herauszuheben begannen. Die Askanier wuchsen zu einer lokalen Größe heran. Der Name von Esicos Vater ist nach bisherigen Erkenntnissen unbekannt. Wegen einer weitverbreiteten Praxis bei der Namensvergabe wird angenommen, er könnte Adalbert (Albrecht) geheißen haben. Von Albrechts Großvater, Graf Adalbert von Ballenstedt (1030 – um 1080) existiert auf einem Wachssiegel das älteste bekannte Bildnis eines Vertreters des askanischen Hauses. Dieser Adalbert war mit Adelheit (um 1055 – 1100), Erbtochter des Grafen Otto I. von Weimar-Orlamünde (vor 1020 – 1067) verheiratet. Sie brachte nach dem Tod ihres Vaters weiteren Territorialbesitz in die Ehe. Adalbert oder Albrecht, wie er ebenso genannt wurde, war an zwei der großen sächsischen Erhebungen gegen Kaiser Heinrich IV. beteiligt, die der Kaiser beide für sich entschied. Beim zweiten Aufstand in den Jahren 1073 bis 1075, wurde Graf Albrecht anlässlich der Schlacht bei Homburg an der Unstrut am 9. Juni 1075 zusammen mit zahlreichen weiteren Fürsten gefangengenommen und von Heinrich IV. gedemütigt, der damals alle dem Rang nach barfüßig vorführen und anschließend im gesamten Reich verteilt internieren ließ. Die sächsischen Ländereien der Rebellen, darunter jene der Askanier, wurden von den Siegern ausgeplündert oder von lokalen kaisertreuen Kleinadligen annektiert. Es schien, als ob die sächsischen und thüringischen Gebiete der Aufständigen ihren angestammten Adelsgeschlechtern entfremdet und neu verteilt werden sollten. Der ausbrechende Investiturstreit zwischen Kaiser Heinrich IV. und Papst Gregor VII. brachte schließlich neue Bewegung in die Aufstände und eine Wendung zum Besseren für die gedemütigten Sachsen. Heinrich IV. kam unter Kirchenbann, worauf ihm viele Reichsfürsten die Gefolgschaft aufkündigten. Hierdurch wurde der größere Teil der Gefangenen auf freien Fuß gesetzt. Sie eilten in ihre Ländereien zurück und fanden viele in verheertem Zustand vor. 1077 kehrte auch Adalbert nach Hause zurück, wo er nicht nur zerstörte Landschaften vorfand, sondern darüber hinaus ihm entrissene Gebietssprengel. Rivalisierende Familien, so die Grafen von Konradsburg, nutzten seine Abwesenheit und kaiserliche Ungnade, um einzelne Landstriche an sich zu bringen. Hieraus entspann sich eine Fehde beider Häuser, bei der Adalbert um das Jahr 1080 in der Gegend von Westdorf von Egeno II. von Konradsburg heimtückisch erschlagen wurde. Nach Adalberts Tod kam es zur Erbteilung unter den Söhnen Otto und Siegfried. Otto, der schon erwähnte spätere Otto der Reiche, erbte die angestammten Besitzungen des Vaters, während Siegfried zunächst das von der Mutter eingebrachte Erbe, die Grafschaft Weimar-Orlamünde erhielt. Es kam später, als Siegfried die Pfalzgrafschaft bei Rhein zu Lehen erhielt, zu einer neuerlichen Absprache beider Brüder, worauf Otto schließlich auch Gebiete aus dem Erbe der Mutter übernahm. Graf Otto I. von Ballenstedt (um 1070 – 1123)der Reiche, wurde Vater Albrechts des Bären. Er war wie im ersten Abschnitt erwähnt, verheiratet mit Eilika (vor 1085 – 1142), der jüngeren von zwei Erbtöchtern des sächsischen Herzogs Magnus von Billungen (um 1045 – 1106). Da das Billunger Geschlecht mit Magnus im männlichen Stamm ausstarb, brachte Ottos Frau Allodialgut, das heißt Eigengut an ihren Mann. Das dritte Mal in Folge wuchs das askanische Territorium durch Erbschaften die aus den väterlichen Hinterlassenschaften stammten, welche die Ehefrauen im Verlauf ihrer Ehen einbrachten. Mit einigermaßen großer Wahrscheinlichkeit begannen bereits jetzt erste frühe Rivalitäten mit dem ursprünglich aus Oberschwaben stammenden welfischen Haus. Der Gegensatz zu den Welfen wird für Generationen die Hauspolitik der Askanier wesentlich mitbestimmen. Otto versuchte sich, ganz im Gegensatz zu seinem Bruder Siegfried, zunächst den Aufständen gegen Kaiser Heinrich V. zu enthalten, um seine gewachsenen Besitzungen zu konsolidieren und zu schützen, da besonders die Landschaften zwischen Saale und Elbe immer wieder unter Überfällen elbslawischer Plünderer litten. Er war vollauf beschäftigt den Einfällen in den ihm unterstellten Gauen Herr zu werden. Im Winter 1115 drangen rund 2.800 slawische Krieger in die Gaugrafschaft Serimunt, zwischen Mulde, Saale, Fuhne und Elbe ein und plünderten unter anderem die Stadt Köthen. In den Grenzgauen lebten seit Jahrhunderten eingewanderte oder von Karl dem Großen angesiedelte Slawen. Zwischenzeitlich christianisiert, lebten sie mit ansässigen Sachsen friedlich neben- und miteinander. Die von jenseits der Elbe kommenden, heidnisch gebliebenen Slawen waren rauer, urtümlicher und nutzten den abermals entfachten innerdeutschen Bürgerkrieg, um die entblößten Grenzmarken zu plündern, den weiteren Vormarsch der sächsisch-deutschen Feudalherren zu bremsen und vielleicht sogar zu revidieren. Graf Otto standen Anfang Februar 1115 in dem bedrohten Raum gerade einmal 60 Lanzenreiter seines Lehnsadels zur Verfügung. Er wagte, trotz der gewaltigen Übermacht, das Überraschungsmoment und Schnelligkeit seiner berufsmäßigen Kämpfer und stellte die in Plündertrupps aufgeteilten Slawen. Am 9. Februar gelang ihm im Raum Köthen mit seiner kleinen Streitmacht mehr als 1.500 gegnerische Krieger, echte Krieger im Sinne des Wortes waren die meisten wohl nicht, bei ihren Plünderungen oder auf der Flucht zu erschlagen und den Rest zurück über die Elbe zu jagen. Eine bemerkenswerte Waffentat, die sein Prestige in der Region und unter seinen Vasallen ganz wesentlich steigerte.
Unterdessen nahm der sächsische Aufstand gegen Kaiser Heinrich V. eine entscheidende Wendung. Nachdem im März 1113 das kaiserliche Heer unter seinem Heerführer Graf Hoyer von Mansfeld die Aufständigen schlug, fassten diese Ende 1114 ein weiteres Mal Mut und trafen am 10. Februar 1115 bei Warnstedt auf das Heer des Kaisers. Am darauffolgenden 11. Februar entspann sich die als Schlacht am Welfesholz in die Geschichte eingegangene Entscheidung. In einer mehrstündigen, außerordentlich blutigen Schlacht konnte sich das sächsisch-rheinische Heer durchsetzen. Die Entscheidung brachte der Tod des kaiserlichen Heerführers, der im Zweikampf mit dem jüngeren Wiprecht von Groitzsch (1088 – 1116) fiel, worauf die Schlacht kaiserlicherseits verloren gegeben wurde. Der Kaiser musste fliehen und büßte fortan gänzlich die Kontrolle über den sächsischen Raum ein. Die kaiserliche Autorität war wesentlich untergraben, während gleichzeitig das Prestige Lothars von Süpplingenburg, Anführer der aufsässigen Sachsen, steil emporstieg.


Aufruhr in Sachsen

Im Jahr 1123, vermutlich im Februar, starb Graf Otto von Ballenstedt. Er fand in der Benediktinerabtei zu Ballenstedt seine letzte Ruhestätte. Graf Otto führte ein ruhiges Regiment, es scheint, dass er darauf bedacht war die sächsischen Erwerbungen aus dem billungischen Erbe seiner Frau zu konsolidieren. Ein kriegerisches Naturell erkennt man nicht zwingend an ihm, wenngleich die schweren Aufstände im sächsischen Raum gegen Kaiser Heinrich IV. und auch später gegen dessen Sohn und Nachfolger Heinrich V. ihn zwangen, eine meist oppositionelle Position zu beziehen und dabei auch zu den Waffen zu greifen.
Albrecht von Ballenstedt, er war wahrscheinlich der dritte der diesen Namen trug, sofern wir wirklich annehmen dürfen, dass der erwähnte, nicht namentlich durch Urkunden belegte Urahn, der Vater Esicos, tatsächlich ebenfalls Adalbert bzw. Albrecht hieß. Die Annahme stützt sich auf die damals gängige Sitte, dass die männliche Enkelgeneration häufig den Namen eines Großelternteils erhielt. Ein Brauch, der sich noch bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts in Deutschland hielt, mittlerweile aber aus der Mode gekommen ist und durch nicht traditionelle Namen größtenteils ersetzt wurde.

Im sächsischen Gebiet war Herzog Lothar von Süpplingenburg zur dominierenden Persönlichkeit geworden. Lothar hatte sich als treibende Kraft und Oppositionsführer gegen die salischen Kaiser Geltung im norddeutschen Raum verschafft. Kaiser Heinrich V. war mehr und mehr von der Konsensualpolitik seiner ersten Regierungsjahre abgekommen, die bis dahin Rücksicht auf die Belange der Teilfürsten nahm, und war zusehends zur autokratischen Politik des Vaters übergegangen. Bald regte sich im Reich neuer Widerstand, einmal mehr im sächsischen Raum, wo den dortigen Fürsten die meisten Nachteile aus dem politischen Richtungswechsel erwuchsen. 1121 wurde der Kaiser anlässlich des Würzburger Fürstenspruchs zum Einlenken gezwungen, unter anderem war darin auch der seit Jahrzehnten schwelende Investiturstreit mit dem Heiligen Stuhl berücksichtigt, der im Wormser Konkordat (Pactum Calixtinum sive Heinricianum) am 23. September 1122 offiziell beigelegt wurde. Das römisch-deutsche Kaisertum erlitt darin eine schwere politische Niederlage. Das seit Otto I. existierende Reichskirchensystem, eines der wichtigsten machtpolitischen Instrumente des amtierenden Königs oder Kaisers, das bislang ein wirksames Gegengewicht zu den Territorialfürsten darstellte, war damit eigentlich beendet. Die universelle weltliche Autorität des Kaisers wurde tief erschüttert, die Weichen zu neuen Konflikten mit Rom gelegt. Unter den Staufern wird der Streit unter veränderten Vorzeichen aber auf Basis gleicher Ursachen erneut eskalieren und sich mit Unterbrechungen durch das gesamte Mittelalter fortsetzen.
Der in Würzburg ausgesprochene Landfriede von 1121 war nicht von langer Dauer. Schon im Sommer 1123 erhoben sich Teile der sächsischen Fürsten aufgrund erneutet fehlender kaiserlicher Rücksichtnahme lokaler Ansprüche bei der Vergabe von Reichslehen. Schon unter Heinrich IV. erhitzten sich daran die Gemüter und es kam seinerzeit zum jahrelangen Bürgerkrieg. Zentrum des Aufbegehrens gegen die kaiserliche Lehensvergabe war erneut Herzog Lothar von Sachsen, der Süpplingenburger. 1123 konnte er aber nicht mehr die große Mehrheit der sächsischen Fürsten hinter sich scharen. In den zurückliegenden beiden Jahren war seine regionale Machtzunahme auf Missfallen beim umliegenden Adels gestoßen, der sich in seiner Autonomie zunehmend eingeschränkt und gefährdet sah. Verbündete fand Lothar hauptsächlich in Graf Konrad von Wettin (um 1098 – 1157) und dem gerade erst zur Regentschaft gekommenen jungen askanischen Grafen Albrecht von Ballenstedt. Letzterer stürzte sich mit größtem Eifer in den jetzt ausbrechenden Verteilungskampf, ehrgeizig entschlossen das Geerbte nicht nur zu hegen wie der Vater , sondern entscheidend zu vermehren. Es zeigte sich an ihm eine deutlich kämpferischere Ader, als man sie beim Vater erkennen konnte, wenn auch der Übereifer und das Feuer der jungen Jahre hierbei sicherlich eine große Rolle spielte. Vergleicht man hierzu die resolute Politik der Mutter, die von in ihrem Wittum, ihrem Witwensitz aus tatkräftig mitwirkte – jene billungische Tochter des großen verstorbenen Sachsenherzogs Magnus – so glaubt man zu erkennen, woher Albrechts kriegerisches Naturell, seine Bereitschaft Risiken einzugehen, herstammen könnte.
Die drei vereinten Truppenkontingente, größtenteils bildeten einfache Freibauern das Fußvolk, nur die Reiterei waren berufsmäßige Kriegsleute, marschierten in die Markgrafschaft Meißen ein, vertrieben die Amtsleute und wenigen Bewaffneten des erst kürzlich vom Kaiser belehnten Wiprecht von Groitzsch der Ältere (um 1050 – 1124) und setzten Konrad von Wettin in Meißen als den neuen Markgrafen ein. Mit Konrad und mit der Markgrafschaft Meißen sollte der große Aufstieg der Wettiner beginnen, die es im Spätmittelalter zu Kurfürsten und im 17. und 18. Jahrhundert in Personalunion zu polnischen Königen bringen sollten. Herzog Heinrich und Albrecht zogen weiter, um auch das linkselbische Gebiet das dem Grafen Hermann von Winzenburg (um 1083 – 1137) übertragen wurde zu entreißen. Hier fand man ebenso nur wenig Widerstand und die Gebiete der alten Mark, in späteren Zeiten nur noch als Altmark bezeichnet, so sie nicht schon zuvor vom askanischen Hause besessen wurden, fielen jetzt dem jungen Grafen Albrecht zu. Erwähnt sei, dass sowohl Wiprecht wie auch Hermann, noch vor wenigen Jahren die engsten Weggefährten Lothars waren. Der Kaiser suchte beide durch Belehnung mit zusätzlichen sächsischen Gütern gezielt dem Kreis des mächtig gewordenen sächsischen Herzogs und Widersachers zu entziehen, was ihm schlussendlich auch gelang. Es erschien ihm wichtig und war klug kalkuliert, die Partei Lothars im sächsischen Raum zu spalten. Länger schon suchte der kinderlose Herrscher seine Nachfolge im Reich so zu lenken, dass bei seinem Ableben nicht der ehrgeizige sächsische Herzog, sondern der von ihm selbst bevorzugte Kandidat, Herzog Friedrich II. von Staufen, genannt der Einäugige (1090 – 1147), gewählt würde. Friedrich war des Kaisers Neffe und entstammte dem schwäbischen Geschlecht der Staufer.

Kaiser Heinrich verweilte während des Sommers 1323 am Rhein in seinen bevorzugten Residenzen Speyer und Worms und tat persönlich nichts, um dem Treiben der drei sächsischen Aufrührer ein Ende zu setzen. Völlig untätig blieb er freilich nicht. Schon zur Wahrung seiner Autorität musste er handeln. Statt aber selbst mit einem Heer vorzugehen, auf die Gefahr hin zu scheitern und noch mehr Ansehen zu verlieren, beauftragte er stattdessen Herzog Vladislav I. von Böhmen (1070 – 1125) die Interessen des Markgrafen Wiprecht in den Marken Meißen und Lausitz zu verteidigen. Gemeinsam mit seinem Vetter Herzog Otto von Mähren-Olmütz (1099 – 1126) marschierte er an der Spitze eines böhmisch-mährischen Heers über das Erzgebirge in Meißen ein. Herzog Lothar und die Grafen Konrad von Wettin und Albrecht von Ballenstedt eilten ihm mit ihren Truppen entgegen und bezogen eine vorteilhafte Verteidigungsstellung, so dass es nicht gleich zur offenen Feldschlacht kam. Für die drei Verschwörer sollte die Situation dennoch gefährlich werden. Markgraf Wiprecht hatte sich mit dem Mainzer Erzbischof Adalbert von Saarbrücken (vor 1100 – 1137) verbündet. Adalbert war lange Zeit im gemeinsamen Kampf gegen den vormaligen Kaiser Heinrich IV. ein Verbündeter Lothars gewesen. Seit der Thronbesteigung Heinrichs V. dann auf die kaiserliche Seite eingeschwenkt, wo er zum Kanzler und Berater des Oberhaupts avancierte. Nachdem Heinrich V. ab 1111 zunehmend seinen zuvor erfolgreichen Weg der konsensualen Politik verließ und zu jener erwähnten autokratischen Politik im Stil des Vaters überging, kam es zum Bruch mit dem Erzbischof, jedoch nicht zu einer neuerlichen Annäherung mit Lothar, dessen agressive Expansionspolitik im sächsischen Rechtsraum dem gebildeten Erzbischof zuwider war.
Das Heer der drei sächsischen Fürsten drohte entweder von den beiden Heerhaufen aus Meißen abgedrängt zu werden oder, womit es noch schlimmer käme, beide gegnerischen Heere würden sich vereinen und die sächsischen Rebellen zur Schlacht stellen. Lothar gab vorläufig die günstige Defensivposition nicht auf und ließ die am Fluss Mulde operierenden Kräfte Wiprechts und des Erzbischof observieren. Der Böhmenherzog lud unterdessen zu Unterhandlungen ein. Es war dies als Ablenkungsmanöver gedacht, um Lothar in langen Verhandlungen zu binden, derweil sich die eigenen Verbündeten heranarbeiten konnten. Lothar war schlau genug die Finte nicht nur zu erkennen sondern seinerseits den Argwohn Vladislavs zu schüren. Wir müssen dazu kurz die Umstände seiner Machtübernahme in Böhmen erklären. Nach dem Tod des Vaters, König Vradislavs II. von Böhmen, kam es zu jahrelangen Erbfolgestreitigkeiten unter den vier Brüdern und das böhmische Königreich zerfiel. Vladislav I. konnte sich als regierender Fürst im Range eines Herzogs durchsetzen, wenn auch nicht das Königtum restaurieren. Im Laufe der Auseinandersetzung vertrieb er seinen vermutlich etwas älteren Bruder Soběslav I. (nach 1068 – 1140). Dieser kam zuerst beim verschwägerten Markgrafen Wiprecht und dann beim polnischen König unter und lebte dort im zeitweiligen Exil, wo er, gemeinsam mit dem zahlreich mitvertriebenen böhmischen Adel, gegen Vladislav agitierte. Für Lothar war es ein Leichtes die verwandtschaftliche Beziehung Soběslav zu Wiprecht zu instrumentalisieren und dadurch die ärgsten Befürchtungen beim böhmischen Gegenüber zu wecken. Tatsächlich zog Vlatislav mit seinem Kontingent wieder zurück, ließ dabei aber weite Landstriche Meißens ausgiebig plündern. Gegen versprengte Plünderer gingen die Sachsen im Anschluss mit gnadenloser Gewalt vor und erschlugen jeden, dessen sie habhaft werden konnten.
Das Blatt hatte sich also ganz entscheidend gewendet. Beflügelt von diesem Erfolg, stürzte sich das vereinte Heer gegen die Kräfte von Markgraf Wiprecht, der in höchster Not mit seinem Verband den Rückzug antrat. Der Mainzer Erzbischof war in der Zwischenzeit durch einen neuerlichen Aufstand seiner thüringischen Vasallen, im Zusammenhang mit dem seit langem brodelnden Zehntstreit, gezwungen worden abzuziehen, um die von den Aufständigen belagerte Stadt Erfurt zu beschützen. Der heraufgezogene Spätherbst kündigte den herannahenden Winter an und die Kämpfe fanden ein vorläufiges Ende. Markgraf Wiprecht konnte vorerst noch den größeren Teil der Mark Lausitz glücklich halten und hoffte auf Beistand im kommenden Frühjahr. Der Kaiser, immer noch unwillig selbst einzuschreiten, kam nach dem unerwarteten Ausfall der böhmischen Hilfe in ernsten Zugzwang. Er berief für das Frühjahr 1124 einen großen Fürstentag nach Worms ein. Die sächsischen Rebellen erschienen nicht, ebenso blieben die böhmischen Fürsten aus, wo der Herrschaftsstreit um Böhmen erneut ausgebrochen war.
Ungehalten von dieser Respektlosigkeit, wurde vom Kaiser für den 7. Mai 1324 zu Bamberg ein neuerlicher Fürstentag einberufen, der besonders von den süddeutschen Fürsten stark beschickt wurde. Auch dieses Mal blieben Lothar, Konrad und auch der Askanier Albrecht aus. Herzog Lothar sandte immerhin einen Bevollmächtigten und auch aus Böhmen kamen von den verschiedenen Parteien Abgesandte. Heinrich V. war außer sich, er ließ gegen den unbotmäßigen Vasallen aus Sachsen abstimmen und es wurde beschlossen ein Reichsheer wider ihn aufzustellen, um ihn in die Schranken zu weisen und an seine Gehorsamspflicht gegenüber dem Kaiser, mit Schwert und Schild zu erinnern.
In der Zwischenzeit war Markgraf Wiprecht am 24. Mai im Kloster Pegau verstorben. Er erlag den Folgen schwerer Verbrennungen, die er sich anlässlich eines Brandes in Halle zuzog, wo er bei Löscharbeiten persönlich zur Hand ging. Sein letzter verbliebener Sohn Heinrich trat das schwere Erbe an und führte mit unzureichenden Mitteln den Kampf gegen die sächsische Dreierkoalition weiter. Konrad von Wettin und Albrecht warfen sich von zwei Seiten auf den Unglücklichen und vertrieben ihn ohne große Mühen aus der Lausitz, die jetzt komplett in die Hände der Angreifer fiel.
Bemerkenswert was nun folgte. Heinrich V., über dessen Lehensentscheidungen sich Lothar und seine Mitverschwörer hochverräterisch hinwegsetzt hatten, die keinem seiner Rufe Folge leisteten, sandte das ursprünglich gegen den Sachsenherzog mobilisierte Heer nach Westen, gegen König Ludwig VI. von Frankreich in Marsch, statt nach Sachsen. Man muss diese unglaublich anmutende Wendung erläutern. Heinrich V. war seit dem 7. Januar 1114 mit Mathilde von England (1102 – 1167) verheiratet, was ihn zum Schwiegersohn König Heinrich I. von England (1068 – 1135) machte. Heinrich I. war der jüngste Sohn des Normannenherzogs Wilhelm von der Normandie, jener Herzog der 1066 England eroberte und als Wilhelm der Eroberer (1027 – 1087) am Weihnachtstag 1066 erster normannischer König Englands wurde. Heinrich I. lag im Streit mit Ludwig VI. hinsichtlich seiner in Frankreich liegenden Lehen und Stammlande der Familie. In Buch 2 und 3 werden wir spezieller auf den langen, eine ganze Epoche andauernden Streit zwischen der Krone Englands und Frankreichs eingehen. Jetzt für den Moment reduzieren wir es darauf, dass Heinrich von England bereits 1123 seinen kaiserlichen Schwiegersohn um militärische Unterstützung bat. Im Sommer 1124 kam ihm dieser mit jenem kürzlich ausgehobenen Exekutionsheer des Reichs zu Hilfe, das gegen die sächsischen Aufrührer aufgestellt wurde.
Für die Sachsen kam die kaiserliche Heerfahrt gegen Frankreich zur rechten Zeit. Der weitere Verlauf des unglücklichen Feldzugs erlöste sie restlos von allen Gefahren. In Frankreich entfaltete sich nach Bekanntwerden der Maßnahmen im Reich eine bisher völlig unbekannte patriotische Stimmung. Aus allen Teilen des Landes folgten die Vasallen in Scharen dem Hilferuf des Königs, der am Ende ein gigantisches, rund 60.000 Mann starkes Heer versammeln konnte. Bei Metz traf er auf die Truppen des Kaisers. Heinrich V., erschüttert von der gegnerischen Übermacht, ließ seine Truppen auflösen und machte eilig Frieden mit Ludwig VI. von Frankreich. Ins Reich zurückgekehrt, blieb er im westlichen Teil und überließ den Norden und Osten den lokalen Kräften, ohne dort noch einmal wirksamen Einfluss zu nehmen. Vermutlich litt der Kaiser schon zu dieser Zeit an den Symptomen einer Krebserkrankung, der er schließlich am 25. Mai 1125 in Utrecht erlag.


Ein neuer König

Der Tod Kaiser Heinrichs V. beendete die Reihe salischer Kaiser. Unter ihnen gewann das Reich schon jene ersten Züge eines föderalen Flickenteppichs aus nach Unabhängigkeit strebenden Territorialfürsten, die das Gesicht des alten Reichs bis zu seinem Ende im Jahre 1806 markant machte. Stand die Machtentfaltung und Größe des Reichs unter Konrad II. und Heinrich III. auf dem bisherigen Zenit, wirkten äußere und innere Konflikte unter den letzten beiden Saliern zersetzend und das Urteil über Heinrich IV. und Heinrich V. fällt oft kritisch aus. Man erkennt bei beiden universellen Machtanspruch und den Willen das Kaisertum zu bewahren und weiter auszubauen, was zu Zerwürfnissen mit den Fürsten und Mittelgewalten führte und unter Heinrich IV. im eskalierenden Investiturstreit mit Papst Gregor VII. (1025 – 1085) gipfelte. Erst  Herbst 1123, durch das Wormser Konkordat, konnte der Konflikt mit der römischen Kirche für den Augenblick beigelegt werden. Ein zunehmend autokratischer, von den überlieferten Rechten der ehemaligen, sich mehr und mehr zersplitternden Stammesherzogtümer abkehrender Regierungsstil, schuf eine wachsende Fürstenopposition im Reich, wobei in den ehemaligen Stammesgebieten der Sachsen die oppositionelle Hochburg lag. Die Herrschaft Heinrichs IV. war geradezu durchsetzt von zahlreichen Aufständen. Bei seinem Nachfolger Heinrich V., glaubte man in den ersten Jahren einen grundlegenden Neuanfang zu erkennen, eine Rückbesinnung auf die große Zeit unter Konrad II. oder ganz besonders Heinrichs III. Die ersten Jahre seiner Regierung waren gekennzeichnet von einer pragmatischen, konsensualen Politik, die das Einvernehmen mit den Reichsfürsten im Blickpunkt hatte. Ab 1111 erkennt man einen merklichen Umschwung. Willkürlich, regelrecht eigennützig anmutende Praktiken bei der Vergabe von Reichslehen stießen besonders im sächsischen Rechtsraum auf größten Widerstand. Die Praxis Lehen, bei denen der männliche Zweig erloschen war, nach fränkisch-karolingischer Sitte als erledigtes Reichslehen einzuziehen und nach Ermessen und Nutzen des Reichsoberhaupts neu zu vergeben, widersprach überlieferten sächsischen Bräuchen, wo üblicherweise verwaiste Ländereien an den nächsten Verwandten gingen und hier auch die weibliche Linie ausschlaggebend sein konnte. Auf Basis solcher Art strittiger Belehnungen kam es 1123 zu jenem Aufstand, an dem sich auch der junge Graf Albrecht von Ballenstedt an der Seite Herzog Lothars von Sachsen beteiligte und dabei überaus glänzende Erfolge feierte. Nun war der Kaiser verhältnismäßig früh an einem Krebsleiden gestorben, worauf die bereits beschlossenen Sanktionen gegen die sächsischen Rebellen ausblieben. Heinrich V. hinterließ keinen männlichen Erben, der Thron des Reichs war vakant. Er traf wohl noch auf dem Sterbebett gewisse Vorkehrungen um seinen Neffen, Herzog Friedrich II. von Schwaben in Positur zu bringen, doch war es an den Fürsten ihn in einer Wahl zu bestätigen. Als symbolisches Zeichen übergab Heinrich seine Frau Mathilde der Obhut des Schwabenherzogs und vermachte ihm seinen Besitz. Die Reichsinsignien, Sinnbild der weltlichen Macht des Kaisertums, übergab Mathilde dem Erzbischof von Mainz. Eine Weitergabe der Insignien an den kaiserlichen Wunschkandidaten hätte soviel deutlicher den letzten Willen des dahingeschiedenen Monarchen zum Ausdruck gebracht, so blieb der Ausgang der Wahl offen. Erzbischof Adalbert von Mainz setzte für den 24. August 1125 das Wahlkonvent zu Mainz an. Die Vertreter der großen Stämme, der Franken, Sachsen, Schwaben und Bayern sandten ihre Fürsten nach Mainz. Der Erzbischof wandte erstmals eine neuartige Wahlform an, nach dem Prinzip Electio per compromissum, Wahl nach Übereinkunft. Aus jedem der Stämme wurden vor Ort je zehn Delegierte bestimmt. Sie sollten sich auf einen einzigen Kandidaten einigen. Da allerdings kein einvernehmlicher Konsens erreicht werden konnte, standen schlussendlich drei Kandidaten zur Disposition. Neben den schon bekannten Herzögen aus Sachsen und Schwaben, bewarb sich auch Markgraf Leopold III. von Österreich (1073 – 1136), aus dem Geschlecht der Babenberger. Er hatte von Beginn an die geringsten Chancen, wurde aber von einigen geistlichen Fürsten aus dem süddeutschen Raum unterstützt. Leopolds Außenseiterrolle begründen einige Historiker mit seinem fortgeschrittenen Alter. Da aber auch Lothar von Sachsen bereits rund 50 Jahre war, konnte es nur als nachgeordnetes Argument in Betracht gezogen werden. Viel wahrscheinlicher fiel der Malus seiner nur kleinen Hausmacht negativ ins Gewicht. Noch bewegen wir uns in einem Zeitabschnitt des deutschen Mittelalters, wo die von Haus aus mitgebrachte Machtfülle und daraus abgeleitet die Wehrhaftigkeit, eine mitentscheidende Vorbedingung zur Wahl des Oberhaupts darstellte. Spätere Zeiten werden stattdessen eine Phase hervorbringen, wo bewusst vermeintlich schwache Kandidaten erwählt wurden, sie liegt aber noch über 100 Jahre in der Zukunft.
Überraschenderweise trat der oberschwäbisch-bayrische Herzog Heinrich IX. der Schwarze, ein Welfe, nicht als Kandidat auf, wird aber während des Wahlakts die alles entscheidende Rolle spielen. Favorit war der staufische Herzog Friedrich II. von Schwaben. Er konnte sowohl die schwäbischen Wahlmänner hinter sich vereinen als auch den größeren Teil der zur Wahl delegierten fränkischen Fürsten. Herzog Lothar von Sachsen vereinte die zehn sächsischen Fürsten hinter sich, zu denen vermutlich auch der askanische Graf Albrecht gehörte. Einige fränkische Stimmen vermochte er durch Wahlversprechen zu seiner Partei zu ziehen. Hinter den Franken stand kein eigener Herzog, der die Leitlinie vorgab, weswegen jeder der zehn Delegierten gemäß seiner eigenen Interessen und Überzeugungen seine Stimme vergab. Die Entscheidung mussten die Stimmen aus dem Herzogtum Bayern bringen. Herzog Heinrich war der Schwiegervater von Friedrich II., es schien daher eine ausgemachte Angelegenheit wie die bayrischen Stimmen ausfallen würden. Nachdem Heinrich IX. bei der Vergabe des sächsischen Herzogtum durch Kaiser Heinrich V. seinerzeit übergangen und stattdessen 1106 überraschend der Süpplingenburger Lothar zum Herzog erhoben wurde, konnte kaum noch angezweifelt werden, dass Heinrich anders als für seinen staufischen Schwiegersohn stimmen würde. Zur Bekräftigung der Favoritenrolle versagte die staufische Partei ostentativ die Anerkennung eines anderen Königs, als Friedrich II. von Schwaben. Vor diesem Hintergrund ist es erstaunlich, dass Lothar die Sache nicht aufgab und seine Kandidatur zurückzog. Wir haben schon bei seinem Feldzug nach Meißen vor zwei Jahren einen Eindruck von seiner augenscheinlichen Beredsamkeit erhalten, als er in kritischer Lage den böhmischen Herzog zum kampflosen Abzug seines Heeres bewegen konnte und so die Entscheidung im Kampf gegen Markgraf Wiprecht von Groitzsch einleitete. Lothar trat jetzt im Rahmen der Wahlverhandlungen an den bayrischen Herzog heran und unterbreitete ihm ein Heiratsprojekt zwischen seiner Tochter und einzigem Kind Gertrud (1115 – 1143) und dem ältesten Sohn des Bayernherzogs, Heinrich dem Stolzen (1102 oder 1108 – 1139). Es war unwahrscheinlich dass Lothar noch einen eigenen Erben zeugen würde, seine Frau Richenza von Northeim (1087 – 1141) war mit Ende 30 aus dem gebärfähigen Alter, woraus sich für den Schwiegersohn in spe die Anwartschaft auf das Herzogtum Sachsen ergab. Dieses, für das Haus Welf aus dynastischer Sicht verlockende Angebot ließ Heinrich IX. die Seiten wechseln. Als daraufhin die Anhänger des sächsischen Herzogs Lothar zum König ausriefen, führte dies zu gewalttätigen Szenen. Der erste Wahlakt wurde nicht einstimmig vollzogen, viele der Fürsten waren überhaupt nicht anwesend. Die Veranstaltung drohte einen blutigen Ausgang zu nehmen, nur mit größter Mühe gelang es dem päpstlichen Legaten die Gemüter zu beruhigen. Die Entscheidung wurde vorerst vertagt. Nachdem sich die Wahlversammlung ein zweites Mal zusammenfand, wurde Lothar von Süpplingenburg einstimmig zum neuen römisch-deutschen König gewählt. In den zurückliegenden Tagen zeigte sich, dass er durch den Parteiwechsel des bayrischen Herzogs eine eindeutige Stimmenmehrheit hinter sich vereinen konnte. Der neue Ritus sah vor, dass als symbolischer Akt der Einstimmigkeit auch die vorherigen Anhänger anderer Aspiranten ihr Votum für den eindeutigen Mehrheitskandidaten abgaben.

Lothar III. von Süpplingenburg

Die Wahl Lothars, fortan Lothar III., war eine handfeste Überraschung und die Partei des Staufers Friedrich von Schwaben hatte schwer daran zu tragen. Zwar huldigte ihm der unterlegene Herzog noch, doch leistete er nicht den Lehnseid. Ein Konflikt war vorprogrammiert.
Für Albrecht von Ballenstedt war die Wahl seines ehemaligen Kampfgefährten ein Glücksfall, da hierdurch die vor kurzem erst gewaltsam und widerrechtlich angeeigneten Gebiete durch königliche Belehnung nachträglich legitimiert wurden.
Am 13. September 1125 fand im Dom zu Aachen die Krönung Lothars III. durch den Erzbischof von Köln statt. Sie wurde in aller Pracht und Würde der Zeit begangen und konnte für einen kurzen Augenblick über die Verwerfungen im Reich hinwegtäuschen. Der Konflikt mit der Stauferpartei sollte schon im November 1125 auf dem Hoftag zu Regensburg seinen Anfang nehmen. Hauptgegenstand der Auseinandersetzung waren die unterschiedlichen Betrachtungsweisen bezüglich der salischen Hinterlassenschaft. Am Streit was Allodialgut und was Krongut war, entzündete sich der Konflikt und noch im gleichen Jahr brachen die ersten Kämpfe aus.


Albrechts Politik nach der Königswahl

Unproblematisch sollte die Wahl des von Albrecht unterstützen Kandidaten nicht bleiben. Der neue Monarch wechselte augenblicklich seine Politik im sächsischen Raum und untersagte jede Form selbstherrlich ausgetragener Fehden, auch wenn er sie, wie die Vorgänger, nur dort unterbinden konnte, wo sein persönlicher Einfluss wirkte. Es erscheint merkwürdig, wenn mit Lothar der seit Jahren unruhigste Geist der Region nun zum Hüter des sächsischen Landfriedens wurde. Albrecht musste klar sein, dass eine ungezügelte Territorialpolitik in einer Region, wo zahlreiche Familien um regionale Bedeutung stritten, unter den veränderten Umständen nicht fortgesetzt werden konnte. Da die Askanier in den zurückliegenden Generationen ostwärts des Harz durchgängig an Einfluss und territorialer Größe hinzugewannen, darf nach allem was Albrecht seit der Übernahme des väterlichen Erbes bewies, ausgegangen werden, dass er vom Naturell her nicht geneigt war, seine Regentschaft auf dem erreichten Stand noch noch zu bewahren, sondern noch weiter zu vergrößern. Vater Otto wäre vermutlich einen Weg der Konsolidierungspolitik mit Überzeugung und Tatkraft gwgangen, nicht aber dessen heißblütiger Sohn Albrecht. Aus den schon genannten Gründen standen aber allzu ambitionierten Vorhaben gewichtige Hindernisse im Weg. Der neue König beäugte argwöhnisch den Frieden im sächsischen Gebiet. Das Reich, selbst wenn es sich weiterhin veränderte, bekam eine festere Gestalt. Auch die etablierten Territorialfürsten achteten eifersüchtig auf jeden Machtzuwachs eines Nachbarn, wodurch sich ein ständig angespanntes Gleichgewicht einstellte. Für Albrecht konnte es nur heißen die bisherigen Aktivitäten einzustellen und das bislang enge Verhältnis zum Monarchen nicht aufs Spiel zu setzen. Dass Albrechts ehemaliger Kampfgefährte als römisch-deutscher König eine völlig veränderte Politik an den Tag legen musste, bedarf keiner Erläuterung. Das in nir zwei Jahren erreichte, konnte sich sehen lassen. Albrecht hatte anlässlich des erfolgreichen Feldzugs 1123/24 an der Seite des jetzigen Königs und damaligen Herzog von Sachsen, sein Territorium erheblich erweitern können und war nicht Markgraf der Lausitz, er hatte auch Gebietsteile im linkselbischen Raum der später sogenannten Altmark, nahe an den askanischen Stammbesitzungen erworben. Doch es genügte ihm nicht und so überspannte er in den Folgejahren leichtsinnigerweise den Bogen.
Die Mark Lausitz, genau genommen den nördlichen Teil, die später sogenannte Niederlausitz, konnte er als Markgraf nur bis ins Jahr 1131 regieren. Auf einem Gerichtstag zu Lüttich entzog ihm der König wegen schwerem Landfriedensbruch im Rahmen einer im Frühjahr 1130 ausgetragenen Fehde gegen den Markgrafen der Nordmark, Udo von Stadedas Lehen wieder und sprach es wieder jenem Heinrich von Groitzsch zu, dem Albrecht, in Gemeinschaft mit Konrad von Wettin das Land 1124 entrissen hatte. Es blieben ihm als Beute des damaligen Heerzugs nur noch die Teile der späteren Altmark, die den bisherigen askanischen Stammgebieten benachbart lagen.

Doch wir sind zu weit in die Zukunft geraten. Kehren wir wieder ins Jahr 1125 zurück. Erwähnt sei ein Feldzug des frisch gekrönten Königs gegen Böhmen. Aufgestachelt von Herzog Otto von Mähren-Olmütz, ging Lothar III. gegen dessen Vetter Soběslav vor. Soběslav hatte nach dem Tod des Bruders, mit dem er jahrelang im Kampf stand, in Böhmen die Regentschaft übernommen. Herzog Otto erhoffte sich mit der Hilfe des neuen römisch-deutschen Königs die Macht in Böhmen zu erlangen. Er versicherte Lothar, dass die böhmische Bevölkerung in hellem Aufruhr sei und das Niederwerfen Soběslav ein Leichtes wäre. Mit einem viel zu kleinen Heer zog Lothar Richtung Erzgebirge, wo zuerst schwere Schneefälle, dann einsetzendes Tauwetter den Marsch erheblich behinderten. Albrecht begleitete das Heer des Königs mit einem Truppenaufgebot. An der Grenze zu Böhmen wurden sie von einem überlegenen böhmischen Heer erwartet. Eine stark gerüstete Vorhut unter der Leitung des mährischen Herzogs Otto stieg von den Höhen herab, wurde in ein hoffnungsloses Gefecht verwickelt und erlitt dabei eine verheerende Niederlage. Über 270 Ritter und Angehörige des höheren Adels blieben erschlagen auf dem Schlachtfeld liegen. Um ein Gefühl über das Ausmaß der Niederlage zu bekommen: der Bischof von Hildesheim, Berthold von Alvensleben, verlor seine gesamte Gefolgschaft von 50 Rittern mit unterstelltem Kriegsvolk und auch Graf Albrecht von Ballenstedt verlor wohl seinen ganzen Anhang und wurde gemeinsam mit Graf Ludwig von Lohra als Gefangener weggeführt. Lothar verschanzte sich mit dem Rest seiner Truppen auf einem Berg und leistete mannhaften Widerstand, wodurch es jetzt auch bei den Böhmen zu schweren Verlusten kam. Es wurde nicht bis zum äußersten weitergefochten sondern auf die Vermittlungsinitiative Heinrichs von Groitzsch ein Frieden ausgehandelt. Der im Grunde siegreiche Herzog Böhmens bot dem unterlegenen König durchaus überraschend seine Unterwerfung an. Lothar erkannte jetzt seinen immensen Fehler. Er war den leeren Worten Herzog Ottos aufgesessen, der niedergehauen tot auf dem Schlachtfeld lag. Es kam zur völligen Versöhnung zwischen ihm und dem böhmischen Herzog, der, obwohl Sieger geblieben, bereitwillig dem römisch-deutschen König huldigte und Böhmen von ihm zum Lehen nahm. Graf Albrecht wurde wieder auf freien Fuß gesetzt. Fast wäre er bei Lothars leichtsinnigem Sieg gefallen, wodurch das askanische Haus ausgestorben wäre. Er kehrte in seine Ländereien zurück, wo er allem Anschein nach einige Zeit verweilte, um die Verluste an Mann und Material auszugleichen.

Am 29. Mai 1127 kam es zu jener Hochzeit, die zwischen Lothar und dem bayrischen Herzog Heinrich IX. während des Wahlkonvents zu Mainz vor zwei Jahren verabredet wurde. Für Albrecht, der mütterlicherseits eine Anwartschaft auf das Herzogtum Sachsen hatte, zeichnete sich ab, dass mit den süddeutschen Welfen ein neuer Machtblock im sächsischen Gebiet entstehen wird, spätestens mit dem zukünftigen Tod Lothars und dem Übergang seiner sächsischen Allodialgüter an den welfischen Schwiegersohn. Auch wenn es in der Regierungszeit Lothars zu keinem Bruch und Richtungswechsel des Askaniers kam, dürfte er sich schon jetzt nach neuen Koalitionspartnern umgesehen haben, für die Zeit nach dem Tod des Reichsoberhaupts. Die geschilderte Wegnahme der Lausitz im Jahr 1331 gaben spätestens den Anlass dazu. Durch die Verbindung Lothars mit den Welfen nahm deren Einfluss auf den Monarchen nicht nur in der Region, auch in der Reichspolitik beständig zu, während jener der sächsischen Mittelmächte zusehends schrumpfte und in den Hintergrund trat. Es wundert, dass Albrecht in dieser Lage nicht die Gelegenheit nutzte und sich vom König abwandte, um zur staufischen Partei überzugehen, die unablässig Krieg gegen Lothar III. führte. Schon 1127 hatten sie mit den fränkischen Fürsten im Bunde, Konrad, den Bruder des bei der Wahl 1125 in Mainz unterlegenen Friedrich von Schwaben zum Gegenkönig ernannt. Mit fränkischen Fürsten sind hier solche entlang des Rheins um Speyer, Worms, Alzey, Mainz etc. gemeint, nicht die Gegenden um Würzburg, Nürnberg, Fürth, Bamberg, Ansbach, Bayreuth, die man heute als Franken kennt. Es scheint, Albrecht brachte dem König weiterhin die bisherige Loyalität entgegen, der umgekehrt aber nicht mehr mit der gleichen gönnerhaften Gesinnung den Grafen protegieren konnte, da Albrecht für laufende Unruhe im ostsächsischen Raum sorgte. Im Kampf gegen die Staufer musste Lothar III. den Konsens mit den sächsischen Regionalfürsten wahren und hierzu war ein klares Exempel an dem umtriebigen Askanier notwendig geworden. Es kam zu der erwähnten Verurteilung von 1131 anlässlich des Hoftags zu Lüttich und dem Entzug der Mark Lausitz.
Sehr wahrscheinlich gab es eine stille Absprache zwischen Lothar und Albrecht und die Inaussichtstellung einer Kompensation in naher Zukunft, denn der Verurteilte, vom Markgrafen zum Grafen zurückgestutzte Albrecht, nahm das Urteil demütig an und wechselte die Fronten nicht.


Italienzug Lothars und Belehnung mit der Nordmark

Auf dem Hoftag zu Lüttich, wo unter anderem über Albrecht Gericht gehalten wurde, traf sich der König mit Papst Innozenz II. (1088 – 1143), den aus Rom vertriebenen, am 14. Februar 1130 nur durch eine Minderheit der Kardinäle gewählten Pontifex. Eine Mehrheit der Kardinäle wählte mit Anaklet II. (1090 –  1138) einen Gegenpapst, der sich in Rom durchsetzen konnte. Innozenz fand jedoch sowohl in Frankreich wie in England Anerkennung. Der römisch-deutsche König war zuerst unschlüssig, bekannte sich dann ebenfalls zu ihm. Innozenz witterte die Gunst der Stunde. Für den Dienst sein Pontifikat gegen den Rivalen  militärisch durchzusetzen, versprach er Lothar die Erhebung zum Kaiser. Nun blieb diesem wenig anderes übrig, als auf das Angebot einzugehen. Der Zug nach Rom war so oder so unvermeidlich, wollte er nicht der erste römisch-deutsche König seit acht Generationen sein, der seine Regentschaft ohne Erlangung der Kaiserwürde beschloss. Verknüpft man die Reichsgründung mit dem Sachsen Otto I. und nicht mit dem Franken Karl dem Großen, wäre er überhaupt das erste Haupt des Reiches, dass nicht die Kaiserwürde erlangt hätte. Allein schon der Gedanke war zu dieser Zeit abwegig. Vor dem Hintergrund der laufenden Auseinandersetzung mit den Staufern konnte die Erhöhung zum Kaiser nur von Vorteil sein, wodurch er erheblich Prestige gewinnen konnte. Lothar setzte die Heerschau für den Sommer 1132 zu Würzburg an und hoffte auf die Teilnahme von 30.000 Mann oder mehr. Tatsächlich hatten sich bis Mitte August lediglich 1.500 Mann eingefunden, die zumeist aus dem sächsischen Raum stammten. Immerhin waren darunter so namhafte Persönlichkeiten wie die Erzbischöfe von Bremen und Magdeburg, die Bischöfe von Halberstadt, Paderborn, Osnabrück und Havelberg, die Äbte von Nienburg und Lüneburg sowie zahlreiche sächsische Markgrafen, Grafen, darunter Albrecht von Ballenstedt und zahlreiche Edelfreie. Lothar nutzte die Gelegenheit die staufisch gesinnte Stadt Augsburg zu unterwerfen, was nach einem sechstägigen Aufstand der Bürgerschaft, den er mit großer Härte niederschlagen ließ, ohne besonderen Aufwand gelang. Das kleine aber ausgesuchte Heer zog weiter durch das Herzogtum Bayern und nahm die Alpenpässe Richtung Trient, wo südlich davon erstmals das oberitalienische Gebiet Reichsitaliens betreten wurde. Nur wenige der lombardischen Städte unterwarfen sich dem König. Mailand, Verona und Cremona verschlossen dem König die Tore, der weder Zeit noch die Truppenmittel besaß, die Städte zu erstürmen oder auch nur zu belagern. Bei Piacenza traf das Heer wieder auf Papst Innozenz II., der sich dem Zug  nach Rom anschloss. Heiligabend verbrachte das Heer östlich von Bologna. Am folgenden Weihnachtstag ging der Zug weiter. Markgraf Konrad von Plötzkau übernahm die Vorhut und geriet in ein Scharmützel mit normannischen Kriegern König Rogers II. von Sizilien (1095 – 1154). Die Normannen Siziliens waren als Schutzmacht von dem in Rom weilenden Gegenpapstes Anaklet II. herbeigerufen worden. Beim Gefecht wurde Konrad, er war seit 1130 Markgraf der Nordmark, von einem Pfeil getroffen und erlag einige Tage später seiner Verletzung. Der Markgraf war unvermählt und ohne Nachkommen. Seine überaus ritterliche Art sowie sein stattliches Äußeren machte ihn weithin beliebt, was ihm den Beinamen die Blume der Sachsen eintrug. Mit seinem Tod war die Nordmark, das Gebiet zwischen Elbe und Oder, verwaist. Die ihm nachfolgenden Streitkräfte brachen den normannischen Widerstand, worauf der ganze Heerhaufen langsam und mit großer Vorsicht weiter durch die Toskana zog und endlich im April die Vororte Roms erreichte. Bis in den Juni hinein zogen sich die letztendlich ergebnislosen Verhandlungen mit Papst Anaklet II., der den Forderungen Lothars von seinem Amt zurückzutreten nicht Folge leistete. Gewaltsam konnte der König nicht gegen ihn vorgehen, die eigenen verfügbaren Kräfte waren dafür eindeutig zu schwach, was Anaklets Informanten natürlich nicht verborgen blieb.

Am 4. Juni 1133 kam es in der Lateranbasilika des heiligen Johannes durch Papst Innozenz II. zur Krönung Lothars III. zum Kaiser. Die Krönung entsprach nicht dem bisherigen Brauch, demgemäß die Kaiser bislang in der Petersbasilika gesalbt wurden. Da jedoch der größte Teil Roms in der Hand des Gegenpapstes war, inklusive dem Dom Petris, war das Ausweichen auf den Lateran ein notgedrungener Kompromiss. Wirklich gegen Anaklet vorgehen und Hand an ihn anlegen, konnte sich Lothar nicht erlauben, wollte er nicht die Intervention des mächtigen sizilianischen Normannenkönigs heraufbeschwören. Der Form halber ließ er den Gegenpapst in Abwesenheit von einem Gericht aus deutschen und italienischen Teilnehmern verurteilen und verhängte die Reichsacht über ihn, woraus sich  allerdings keinerlei Folgen ergaben.
Schon Mitte des Monats zog der frischgekrönte Kaiser mit seinem Heer wieder in den deutschen Reichsteil ab. Über Parma und Padua ziehend, ging es Richtung der Alpenübergänge. Ende August befand er sich bereits wieder auf bayrischem Gebiet. Jetzt, auf deutschem Reichsboden, konnte man sich mit der Nachfolgefrage des in Italien gefallenen Markgrafen der Nordmark beschäftigen. Wir deuteten beim Bericht über das Gerichtsurteil gegen Albrecht anlässlich des Hoftags zu Lüttich an, dass zwischen Lothar und Albrecht eine Art Vereinbarung existiert haben könnte, denn Albrecht nahm die damalige Entziehung der Markgrafschaft Lausitz protestlos an und trat nicht, wie man hätte vermuten können, zur staufischen Opposition über. Auch sonst blieb Albrecht dem alten Weggefährten treu, was sein Zug an der Seite des Königs nach Italien, der keineswegs unriskant war, bestens dokumentiert. Weder Lothar, noch Albrecht konnten damals ahnen, welcher Art eine mögliche Kompensation sein könnte. Der unerwartete Tod des vorgenannten Markgrafen der Nordmark eröffnete jetzt allerdings eine günstige Gelegenheit Albrecht zu entschädigen und gleichzeitig für seine Dienste anlässlich des königlichen Romzugs zu belohnen. Zunächst fiel die Nordmark aber noch nach altem sächsischem Recht an den Bruder des verstorbenen Markgrafen Konrad von Plötzkau.

Bevor wir auf die Nachfolge näher eingehen, werfen wir einen Blick auf diese Nordmark. Historisch ging sie rund  200 Jahre zuvor als Teilmenge der älteren, ersten Ostmark hervor. Jene östlichste Grenzmark des damals verklingenden  ostfränkischen Reichs, wurde im Winterfeldzug 928/29 von König Heinrich I. unterworfen. Das Gebiet erstreckte sich östlich der Elbe bis an die Oder, im Süden bis nach Böhmen und beinhaltete die Territorien der heutigen Bundesländer Brandenburg, Sachsen sowie die östlichen Teile Thüringens und SachsenAnhalts. Nach dem Tod des ersten ostmärkischen Markgrafen Gero I. (um 900 – 965), wurde die Ostmark von Heinrichs Sohn Otto dem Großen in fünf Teilmarken aufgesplittert, in die Mark Meißen, mit Böhmen an seiner südlichen und Polen an der östlichen Grenze. Südöstlich angrenzend lag die Mark Lausitz, westlich die Marken Zeits und Merseburg. Nördlich dieser vier Marken war die Nordmark, deren Fläche alleine so groß war, wie die der vier anderen zusammen. Während die erstgenannten Markgrafschaften schon in der Ottonischen Zeit mit deutschen Siedlern sukzessiv durchmischt wurden und unter den seit dem siebten Jahrhundert dort heimischen Slawen der christliche Glaube erfolgreich Fuß fassen konnte, blieb die Nordmark, das Territorium des heutigen Brandenburgs, ohne Niederlausitz, dem christlichen Glauben fremd, besonders seit dem großen Wendenaufstand von 987. Seither war das Gebiet wieder fest in der Hand verschiedener elbslawischer Stämme. Die Einführung des christlichen Glaubens brach daraufhin völlig zusammen und die beiden von Otto dem Großen gegründeten Bistümer Havelberg und Brandenburg verkamen zu reinen Titulaturbistümern ohne jeglichen Einfluss in den slawischen Gebieten. Die missionierten Slawen, die ihrem alten Götterglauben abgeschworen hatten, wurden entweder mit den wenigen Sachsen im Land vertrieben oder kehrten, was auf die meisten zutraf, zu ihren heidnischen Bräuchen zurück. Die Nordmark, das Land jenseits der Elbe, hatte die sächsisch-deutsche Herrschaft abgestreift und sich vom Reich der Ottonen aus eigener Kraft gelöst. Markgrafschaft und Titel blieben zwar auch in der Folgezeit erhalten, stellten aber faktisch keinen realen Wert dar, analog dem Beispiel der Bischöfe von Brandenburg und Havelberg. Das mit dem Titel eines Markgrafen der Nordmark verbundene Gebiet musste erst wieder unterworfen werden.
Albrecht hatte wie angedeutet zunächst so oder so keinen Nutzen davon, denn nicht er sondern Rudolf II. von Stade, der nach dem Tod des Markgrafen Konrad von Plötzkau, als Bruder das Sukzessionsrecht auf die Mark geltend machte, bemächtigte sich formell der Mark, natürlich ohne dort irgend eine Form des Einfluss ausüben zu können. Vor jenem in Italien gefallen Konrad, war wiederum ein anderer Bruder, nämlich Udo IV. von Stade Markgraf der Nordmark. Dieser wurde im Jahre 1130 von Dienstmannen Albrechts bei Aschersleben getötet, weswegen Albrecht seinerzeit auf dem erwähnten Hoftag zu Lüttich wegen Landfriedensbruch verurteilt und der Mark Lausitz für verlustig erklärt wurde. Ein interessanter Zufall und erstaunliche Wendung, dass ausgerechnet dessen Markgrafschaft dem Askanier in Aussicht gestellt wurde.

Als jetzt der Kaiser von seinem Italienzug zurückkehrte, unternahm er zunächst nichts gegen die eigenmächtige Übernahme durch Rudolf II., belehnte ihn gleichzeitig aber auch nicht mit der Nordmark, was seinen Besitz illegal machte. An Ostern 1134, auf einem Fürstentag zu Halberstadt regelte Lothar III. die Angelegenheit. Er belehnte Albrecht von Ballenstedt feierlich mit der Nordmark und erhob ihn wieder zum Markgrafen. Erwähnenswert, der Kaiser wandte jene in Sachsen verhasste fränkische Vergabepraxis an, die gegen die althergebrachten Sitten im sächsischen Raum verstießen, weswegen er als Anführer der sächsischen Rebellen seinerzeit gegen Kaiser Heinrich V. offen die Waffen erhob. Der verdrängte Rudolf machte augenscheinlich keine Schwierigkeiten und zog sich auf die Stammlande der Familie an die untere Elbe zurück.


Markgraf der Nordmark

Was sollte Albrecht mit einer Mark anfangen, deren weitaus größter Teil rechts der Elbe lag, im Gebiet slawischer Heiden, die dort äußerst erfolgreich seit Generationen ihre Selbstständigkeit bewahrten und gelegentlich sogar größere Überfälle in die Gaue links der Elbe unternahmen?
In der langen Liste der Markgrafen der Nordmark, seit dem großen Aufstand der im Lutizenbund vereinten nordwestlichen Elbslawen im Jahre 983, konnte keiner dauerhaft rechts der Elbe Fuß fassen. Einzig Markgraf Lothar Udo III. von Stade vermochte 1100 anlässlich einer Strafexpedition die Brandenburg an der Havel zu erobern, worauf er dort einen Burggrafen einsetzte. Ganz offensichtlich ging die Eroberung im Anschluss erneut verloren, denn wir sehen danach mindestens zwei souverän regierende Hevellerfürsten hintereinander in der Brandenburg herrschen. Sehr wahrscheinlich wurde nach der Eroberung von 1100 in der Burg und der direkten Umgebung ein neuer Keim des Christentums gepflanzt, aber kommen wir darauf zu einem späteren Zeitpunkt zurück.

Albrecht unternahm vorläufig keine Aktivitäten im wendischen Raum, im Gebiet der Elbslawen jenseits des großen Grenzstrom. Er konzentrierte sich stattdessen auf jene Landesstreifen der Nordmark, die dieseits der Elbe lagen und an vielen Stellen durchzogen waren von Gebietsflecken, die zu den Diözesen Halberstadt und Verden gehörten. Wichtigste Städte entlang der Grenze nach Osten waren Wolmirsted, Arneburg, Werben und Tangermünde, die über starke Burganlagen verfügten. Städte waren im frühen zwölften Jahrhundert nur selten befestigt und verfügten üblicherweise über keine eigene Stadtmauer. Den Schutz übernahmen meist unmittelbar angremzende Burgen.
Eine feste Residenz hatte Albrecht nicht. Ganz im Sinne der Zeit war er als Reisefürst von einer Siedlung oder Burg zur anderen unterwegs. Auch war er häufig im Reichsdienst an der Seite Kaiser Lothars zu sehen, spielte aber keine bevorrechtigte Rolle. Diese Position hatte der welfische Schwiegersohn Lothars eingenommen, Heinrich der Stolze, der seine Sonderstellung eifersüchtig hütete.

Vielleicht sollten man an dieser Stelle ein wenig über die fürstlichen Privilegien, Regalien und Einnahmequellen sprechen, die ihm als Markgraf zukamen. Zunächst war er für die militärische Sicherheit seiner Markgrafschaft verantwortlich. Er war für seine Herrschaft durch königliche, bzw. kaiserliche Gnade berechtigt jederzeit Kriegsvolk zu werben um es zum Schutz des oder der  im anvertrauten Reichslehen einzusetzen. Die Nordmark reichte wie bereits erwähnt ursprünglich bis zur Oder und war im Norden von der ehemaligen Billunger Mark von der Ostseeküste abgeschirmt. Aus dieser Mark, die wie die Nordmark slawisch besiedelt war, bildeten sich in den folgenden Generationen die Fürstentümer Mecklenburg, Schwerin, Werle, Rügen, Stettin, Wolgast, Stargart etc. Wie erwähnt, galt die Nordmark als dem Reich entfremdet, niemand erwartete wirklich von Markgraf Albrecht, dass er dort die alten Verhältnisse wie zur Zeit der frühen Ottonen herstellen könnte. Sein realer Wirkungskreis  endete im Osten zwar an der Elbe, doch bildeten die askanischen Landen seines Vaters , die Eroberungen in der später erst später so genannten Altmark und der nordmärkische Streifen entlang des linken Elbufers immerhin ein ansehnliches und durchaus einträgliches Ländergeflecht, das noch dazu weitestgehend miteinander verbunden war.
Innerhalb seines Herrschaftsgebiets hatte er das hohe Gerichtsrecht. Die als Gerichtsgebühren anfallenden Gelder waren eine überall gern gesehene Einnahmequelle, die im Falle akuter Geldnot regional gerne gegen klingende Münze verpfändet wurde. Weiter durfte er Münzen schlagen, sowie das Markt- und Zollrecht ausüben. Ganz besonders der lukrative Elbzoll war ein wichtiger Geldstrom, weswegen er sich beim König erfolgreich für eine Minderung des Elbzolls einsetzte, was zunächst vielleicht paradox klingen mag. Durch die Reduzierung des Zolls, stieg der Warenverkehr auf der Elbe, wodurch sich schon kurzfristig die Erträge erhöhten. Neben anderen Quellen, seien zuletzt die Einkünfte aus Albrechts Hausgütern zu nennen. Seine Höfe und Meiereien lieferten allerlei Erzeugnisse ab, die entweder in Naturalform direkt verbraucht wurden, zum Beispiele bei Hofe, oder auf Märkten veräußert. Auch als Landesfürst war er wie seine zahlreichen rittermäßigen Vasallen nichts anderes als Grundbesitzer, nur eben in wesentlich größerem Stile.

Springen wir in der Zeit etwas nach vorne. Der Konflikt mit den Anhängern der staufischen Brüder Konrad und Friedrich neigte sich dem Ende. Kaiser Lothar lud zu Ostern 1135 nach Bamberg zu einem großen Fürstentag. Die Stauferbrüder sollten sich ihm dort vor den anwesenden Fürsten des Reichs symbolisch unterwerfen und seine Gnade anrufen. Es war ein großes Ereignis, neben sieben anwesenden Erzbischöfen, weiteren Bischöfen und Äbten, waren die Herzöge aus Bayern und Kärnten anwesend, sowie verschiedene Pfalz-, Land- und Markgrafen, darunter Albrecht. Herzog Friedrich von Schwaben schritt gemäß des überlieferten Brauchs zum Unterwerfungsakt und erflehte die kaiserliche Gnade für seinen jahrelangen Widerstand und Unbotmäßigkeit. Lothar III., ganz den Regeln dieses inszenierten Akts folgend, ermahnte den Herzog ernstlich und nahm ihn daraufhin wieder in seine Huld und Gunst auf.

In den folgenden Monaten blieb Albrecht im Gefolge des Kaisers, der durch das sächsische Gebiet reiste. Pfingsten befand er sich in Magdeburg, Anfang Juli in Königslutter, dort legte er den Grundstein des Kaiserdoms, der ihm und seiner Gemahlin später zur Grablege wurde. In Merseburg fand ein neuerlicher, überaus prunkvoller Fürstentag statt. Herzog Bolesław III., er trug den Beinamen Schiefmund, seit 1109 Alleinherrscher Polens, nahm anlässlich des Fürstentags die pommerschen Gebiete als Reichslehen und leistete die rückständigen polnischen Tributzahlungen, die seit dem Tod Kaiser Heinrichs V. aufgelaufen waren, womit er die Lehnsoberhoheit Lothars und damit des Reichs über Polen anerkannte.
Die Urkundenlage gibt über das weitere Jahr keine Hinweise auf Tätigkeiten Albrechts, erst wieder zu Ostern 1136 sehen wir ihn am kaiserlichen Hoflager zu Aachen. Es ist nur wahrscheinlich, dass sich Albrecht nach dem Fürstentag von Merseburg zunächst wieder um die Belange seiner eigenen Ländereien kümmerte und erst gegen Frühjahr 1136 an die Seite des Kaisers zurückkehrte.  Sich ganz aus dem den Kaiser umgebenden Fürstenkreis zurückzuziehen, war undenkbar. Die unmittelbare Nachbarschaft zu den Allodialgütern Lothars und die Gewissheit, dass mit seinem dereinstigen kinderlosen Ableben Schwiegersohn Heinrich eine bedeutende Größe in Sachsen wird, zwangen den Markgrafen geradezu, möglichst dicht und möglichst oft am kaiserlichen Hof zuzubringen.
Auf dem Aachener Hoftag wurde ein zweiter Italienzug vereinbart und die Heerschau auf Mitte September festgelegt. Pfingsten verbrachte der Kaiser wieder in Ostsachsen, in Merseburg, wo der Italienzug konkretisiert und auf August vorverlegt wurde. Albrecht war augenscheinlich seit spätestens Ostern immer in der direkten Umgebung des Kaisers, und wenn überhaupt, so nur kurze Zeit abwesend, um etwaige eigene Angelegenheiten zu klären. Mai und die erste Junihälfte begleitet er den Kaiser nach Quedlinburg und Goslar. Hier erhielt er eine besorgniserregende Nachricht von den Grenzen seiner Mark. Die Söhne des slawischen Fürsten Widukind von Havelberg, der um das Jahr 1130 vom Magdeburger Erzbischof aus seiner Stadt vertrieben wurde, worauf dort erneut versucht wurde die alte Bischofsresidenz aufzurichten, eroberten 1136 die Stadt ihres Vater zurück und zerstörten die Kirchengebäude aufs Neue. Sie beließen es jedoch nicht dabei, im Übermut drangen sie in die linkselbischen Gebiete der Nordmark ein und forderten damit den Markgrafen Albrecht heraus. Weite Landstriche wurden ausgeplündert. Albrecht eilte von Goslar heran, unterwegs sandte er Boten zu seinen Vasallen aus die Waffen zu ergreifen und ihn bei der Verteidigung zu unterstützen. Angekommen, konnten nur noch wenige Plünderer diesseits der Elbe gestellt werden, worauf er die Eindringlinge über die Elbe verfolgte. Sein Heerzug durch das slawische Gebiet hinterließ ein Spur der Verwüstung. Brennende Dörfer zeichneten den Weg der Sachsen, beginnend an der Elbe, durch Havelberg und die spätere Prignitz, Richtung der großen Seenplatte an der Müritz, dann entlang der Peene bis fast zum Oderdelta. Der weiteste Vorstoß seit vielen Generationen. Es gelang nicht die Anführer zu stellen und so musste der Rückmarsch angetreten werden, ohne das eigentliche Ziel erreicht zu haben, da die Zeit drängte. Das Reichsheer begann sich für den anberaumten Italienzug in Würzburg zu sammeln und er musste bis zum 15. August dort erscheinen. Belegen können wir es nicht, aber es liegt nahe, dass er während und nach seiner Expedition in das Slawenland das eroberte Havelberg besetzt hielt und dauerhaft militärisch absicherte, womit ein bedeutsamer askanischer Brückenkopf rechts der Elbe entstanden wäre.


Die  Brandenburg

Auch für den Fall, dass Havelberg seit Sommer 1136 wirklich dauerhaft in der Hand des askanischen Markgrafen blieb, war es nicht der erste nachhaltige Schritt über die Elbe. Schon elf Jahre vor den Ereignissen von 1136, fasste Albrecht auf friedlichem Wege Fuß im Land jenseits des Stroms, etwas weiter südlich, elbaufwärts. Zu diesem Zeitpunkt war er noch nicht mit der Nordmark belehnt aber noch Markgraf der Lausitz. Herzog Lothar von Sachsen ware in Mainz gerade erst zum König gewählt worden. Es ist ein Jahr her, seit Albrecht die Mark Lausitz seinem rechtmäßigen Herren Heinrich von Groitzsch entriss und 1125 vom neuen König damit belehnt wurde. Um diese Zeit, das genaue Datum ist unbekannt und der Zeitraum kann nur anhand späterer Ereignisse eingrenzt werden, traf Albrecht auf jenen Mann, der sein weiteres Geschick maßgeblich beeinflusste. Alles steht im Zusammenhang mit einer strategisch wichtig Burganlage an der Havel, von der aus das weite Umland beherrscht wurde.

Die Brandenburg wie sie möglicherweise im zwölften Jahrhundert aussah

Die Brandenburg oder Brennaburg war als Wasserburg in der Form eines typischen Rundwalls angelegt. Die ersten archäologisch nachweisbaren Anlagen werden auf das achte Jahrhundert datiert. Den Begebenheiten der Landschaft entsprechend war sie als Niederungsburg auf einer Havelinsel errichtet worden, zusätzlich von einem Wassergraben umgeben, um sich so besser vor Überfällen zu schützen. In härteren Wintern froren die Gewässer der Region zeitweise zu, auch die Havel, wodurch der Vorteil der Insellage verloren ging.
Schriftlich wird die Wehranlage erstmals anlässlich des Wendenfeldzugs König Heinrichs I. erwähnt. Im Winter 928/29 rückte er ins Land der Stodoranen eindeutscherseits besser bekannt als Heveller. Ein elbslawischer Stamm, dessen Siedlungsgebiet sich im zehnten Jahrhundert entlang der Havel, vom heutigen Rathenow im Westen, bis etwa Spandau im Osten zog. Über die Motive, die Heinrich zum damaligen Angriff bewegten, gehen die Lehrmeinungen auseinander. Einer These folgend, wollte der König das Gebiet jenseits der Elbe tributpflichtig unterwerfen um die erheblichen Kosten seines gegen die Ungarn  neuaufgestellten Heeres tragen zu helfen. Eine Besetzung und sächsische Annexion war nicht vorgesehen. Einer anderslautenden Theorie nach wollte Heinrich die Kampfkraft seiner bislang größtenteils unerfahrenen Reitertruppen an den Hevellern erproben lassen, also ein Art Manöver unter realen Bedingungen.

Schauen wir uns die historischen Hintergründe näher an. Seit dem frühen zehnten Jahrhundert, mit dem Aussterben der ostfränkischen Karolinger, überfielen nomadisierende ungarische Reitervölker weite Teile der ostfränkischen und auch slawischen Siedlungsgebiete im östlichen Teil Mitteleuropas und stießen auf ihren immer weiter ausholenden Plünderzügen sogar in Gebiete des von den Nachfahren der Langobarden besiedelten späteren Oberitaliens vor, und selbst noch darüber hinaus. Man wurde der fast jährlich wiederkehrenden Ungarnplage nicht mehr Herr. Die materiellen Verluste und das kontinuierliche Ausbluten der Landbevölkerung hatte besorgniserregende  Ausmaße angenommen. Bis sich lokale Verteidigungskräfte mühsam und träge gesammelt hatten, waren die mobilen Krieger bereits weitergezogen oder richteten unter den schwerfälligen, oft zu Fuß kämpfenden Bauernheere entsetzliche Blutbäder an. Diese aus dem Vorland des Ural stammenden Reitervölker teilten vor ihrem Zug nach Westen ein ähnliches Schicksal wie die aus ihren Siedlungsräumen am Schwarzen Meer vertriebenen Ostgoten. Auch sie flüchteten vor den Hunnen, die aus den zentralasiatischen Weiten mit unüberwindlicher Gewalt nach Westen expandierten. Sie fanden in der ungarischen Tiefebene, der vormals römischen Provinz Pannonien, geeignete Siedlungsräume und vertrieben die dort seither Ansässigen. Ein Teil blieb  in den ersten Jahrhunderten dem nomadischen Erbe treu und so unternahmen sie immer kühnere und weitere Vorstöße. Im Jahre 924 gelang es König Heinrich mit Glück einen hohen ungarischen Fürstensohn gefangenzunehmen. Im Austausch konnte er einen neunjährigen Frieden aushandeln. Wohl mussten zusätzlich jährliche Tribute geleistet werden, doch waren diese immer noch leichter zu bewältigen, als die bisherigen Plünderzüge, bei denen ungezählte Menschen entweder niedergemacht oder verschleppt wurden. Die Zeit der Ruhe wusste er zu nutzen. Er ließ das Land an strategischen Punkten mit Wehranlagen befestigen, den sogenannten Ungarnburgen. Die wenigen Landverkehrswege im dicht bewaldeten ostfränkischen Reich wurden dadurch nachhaltig gesichert und gleichzeitig der umliegenden Landbevölkerung ein Zufluchtsort gegeben. Größere Orte und Städte erhielten Palisadenwälle, selten sogar erste Mauern, was bislang untypisch war. Neben diesen Verteidigungsmitteln, ließ er ein Heer schwer gepanzerter Reiter aufstellen und durch ein ausgeklügeltes System unterhalten. Die Versorgung und Finanzierung dieser Klasse Berufskrieger wurde durch eine kollektive Kraftanstrengung von den nicht zum Kampf verpflichteten Bauern geleistet, die statt dem sonst unausweichlichen Kriegsdienst, der Versorgung je eines Reiterkriegers nachkamen. Pro berittenem Krieger, der sich für gewöhnlich zwei, drei oder vier Waffenknechte hielt, leisteten sechs bis acht Bauernfamilien festgelegte Abgaben und bewirtschafteten gleichzeitig den Hof des Kriegers, dessen ganze Aufgabe fortan das reine Kriegshandwerk war. Man erahnt es schon anhand der phonetischen Verwandtschaft, aus den Reitern entstanden recht bald die Ritter und der feudale Landadel.

Heinrich begann seinen Feldzug ins Land der Heveller im Winter des Jahres 928. Die für einen Feldzug untypisch gewählte Winterzeit war der unwegsamen, sumpfigen Geografie des Hevellerlandes geschuldet. Es existierten praktisch keine Straßen und die wenigen Wege oder Stege waren für ein im Sommer operierendes Reiterheer völlig unzureichend. Alle Vorteile seiner Reiterei wären hierdurch außer Kraft gesetzt worden. Nur gefrorener Untergrund sorgte für die notwendigen Geländebedingungen die es brauchte, um gute Marschleistungen zu erreichen und zugleich die Vorteile berittener Kriegsführung zur Geltung zu bringen. Dass die winterlichen Witterungsbedingungen für Mensch und Tier eine hohe Belastung darstellten, wurde billigend in Kauf genommen. Das Heer Heinrichs erreichte also bei bitterlich kaltem Frostwetter die Havelfestung und begann mit der Einschließung und Belagerung. Die Havel war wie erwartet zugefroren, wodurch die Angreifer trockenen Fußes an die Wehranlagen herankamen. Der mit einer Holzpalisadenreihe bewährte Ringwall aus aufgeschüttetem Erdreich vermochte den Stürmen keinen dauerhaften Widerstand zu leisten, so dass die Besatzung der Burg sich den Belagerern nach kurzer Zeit ergab. Heinrich installierte einen Burggrafen, eine Art Militärverwalter und führte zur weiteren Absicherung Tugumir und dessen Schwester, die Kinder des namentlich nicht bekannten Hevellerfürsten, als Geiseln fort. Hier nahmen sie später den christlichen Glauben an und wurden in den sächsischen Sitten und der zeitgenössischen Form der deutschen Sprache erzogen. Gegen 940, nach dem Tod des Vaters, kehrte Tugumir an die Havel zurück. Er gab vor aus der Gefangenschaft geflohen zu sein um keinen Argwohn zu erwecken und übernahm das väterliche Erbe, das heißt die Macht auf der Brandenburg. Um sich seines Rivalen zu entledigen, ließ er den eigenen Neffen gefangen nehmen  und  ermorden. Wohl noch im gleichen Jahre unterwarf er sich Otto I. und wurde dessen tributpflichtiger Vasall. In die Regierungszeit Tugimirs fällt die Errichtung des Bistums Brandenburg im Jahr 948 und der Bau eines ersten bischöflichen Verwaltungssitz auf der Burginsel.

Während des Lutizenaufstands im Sommer 983, fiel Burg und Bistum Brandenburg wieder in die Hand der Heiden. Bischof Volkmar und Markgraf Dietrich von Haldensleben, der mit übertrieben harter Hand in den slawischen Tributgebieten herrschte und den Aufstand dadurch heraufbeschwor, wurden samt der sächsischen Burgmannschaft vertrieben. Das ganze Gebiete bis zur Elbe kam wieder unter die Kontrolle der Elbslawen, die sich sogar anschickten Magdeburg anzugreifen und nur mit Mühe von einem sächsischen Heeresaufgebot über die Elbe zurückgedrängt werden konnten. Für lange Zeit konnten die Slawen ihr kulturelles und religiöses Leben wieder selbstbestimmt zwischen Elbe und Oder leben.
Im ausgehenden elften und beginnenden zwölften Jahrhundert mehrten sich  Rivalitäten unter den slawischen Stämmen rechts der Elbe und es brachen offene Kämpfe aus. Der bisher unüberwindliche Lutizenbund bröckelte und verlor seinen Zusammenhalt. Ein Keile der sich zwischen die Stämme schob und den Zusammenhalt untergrub, war der sich unter den Slawen neu ausbreitende christliche Glaube. Vermehrt nahmen Angehörige des slawischen Adels das Christentum an und ließen sich taufen. Hinzu kamen erste Versippungen mit sächsisch-deutschen Adelsfamilien. Die Ländereien der christlichen Fürsten im Westen besser sichtlich besser entwickelt und erheblich ergiebiger, was geschickt von der Kirchenpropaganda als Lockmittel gegenüber den heidnischen Slawen verwendet wurde. Der linkselbische Adel war war wohlhabender, lebte in komfortableren Verhältnissen und überhaupt waren die Sachsen darüber hinaus zwischenzeitlich militärisch drückend überlegen geworden. Im Übrigen traf dies ebenso auf die ethnisch Verwandten im freiwillig zum Christentum konvertierten Polen und Böhmen zu. Die elbslawische Führungsschicht blieb davon nicht unbeeindruckt und suchte von sich aus vermehrt die Annäherung, was umso leichter fiel, wenn sie bereits Christen waren, und sollte es auch nur dem Schein nach sein .

Für Graf Albrecht von Ballenstedt erwies sich der Kontakt zu einem der großen christlichen Slawenfürsten als herausragenden Glücksfall, obwohl er es damals nicht ahnen und entsprechend wertschätzen konnte. Datum oder der Anlass des ersten Kontakts sind unbekannt, es muss aber vor dem Jahre 1125 gewesen sein.

Pribislaw-Heinrich, letzter
slawischer Fürst auf der Brandenburg

Auf der Brandenburg herrschte der  Hevellerfürsten Pribislaw-Heinrich (vor 1100 – 1150), zu dem Albrecht über die Jahre ein enges, geradezu familiäres Verhältnis aufbaute. Pribislaw war seit 1127 Herr auf der Brandenburg und Fürst im Havelland. Wie er die Herrschaft auf der strategisch wichtigen Havelfestung erlangte, ist unbekannt. Nur wenig vorher wurde der bisherige, ebenfalls christliche Burgherr Meinfried ermordet. Ein Zusammenhang zwischen der Machtübernahme und dem gewaltsamen Tod wird gelegentlich ins Felde geführt, konnte bislang aber nicht belegt werden. Wir wissen auch nicht, ob beide Personen in irgendeinem Verwandtschaftsverhältnis zueinander standen, woraus sich Pribislaws Nachfolge ergeben hätte. Die These wonach Meinfried Pribislaws Vater oder Bruder gewesen sein könnte, lassen sich weder belegen noch widerlegen.
1125 hob Pribislaw, dessen christlicher Taufname Heinrich war, den erstgeborenen Sohn Albrechts aus der Taufe. Als Taufgeschenk vermachte er den Askaniern die Landschaft der sogenannten Zauche, ein Hochplateau südwestlich von Potsdam. Die Zauche war selbst für slawische Verhältnisse besonders dünn besiedelt, wobei die wenig ergiebigen Böden und die verhältnismäßig wenigen Gewässer sicher eine entscheidende Rolle spielten. Pribislaw muss schon vor der Übernahme der Brandenburg ein Lokalfürst im Havelland gewesen sein, anders hätte er nicht Gebietsteile verschenken können. Für Albrecht war es die erste bekannte Landerwerbung jenseits der Elbe, deren Wert freilich gering war, weil es sich damals größtenteils noch um eine öde Wildnis handelte. Was Pribislaw bewog einen Teil seines Landes dem ostsächsischen Fürsten zu übereignen, bleibt offen. Gut denkbar ist die Hoffnung auf ein enges militärisches Bündnis mit Albrecht von Ballenstedt, das vielleicht im Zusammenhang stand mit dem späteren Erwerb der Brandenburg durch Pribislaw-Heinrich. Das Verhältnis zwischen den beiden Fürsten trübte sich auch in der Folgezeit nicht, im Gegenteil, zwischen ihm und dem Hevellerfürsten wurde 1130 ein folgenreiches Erbfolgeabkommen abgeschlossen. Für das askanische Haus ergab sich aus der Anwartschaft auf die wichtige Havelfestung die glänzendste Aussicht sich territorial ganz wesentlich nach Osten zu erweitern. Die Art des engen und familiären Verhältnis beider Fürsten lässt die Annahme zu, ja drängt sie förmlich auf, dass Pribislaw in Albrecht oder dessen Sohn Otto seinen tatsächlichen Erben und Nachfolger im Havelland sah und ihn als solchen möglicherweise schon zu Lebzeiten positionierte.
Im Jahr 1134, sehr wahrscheinlich auf dem gleichen Fürstentag in Halberstadt, anlässlich dessen Albrecht mit der Nordmark belehnt wurde, machte Lothar III. Pribislaw zum Unterkönig des Havellandes und damit zu einem Reichsvasallen. Die Beweggründe sind, wie so häufig, nicht klar ersichtlich. Belehnungsurkunden und ähnliche Schriftstücke reduzieren den Informationsgehalt meist auf den reinen Sachverhalt, und man ist im Hochmittelalter schon froh, wenn Zeugen, Ausstellungsort und Datum angegeben waren. Der Kontext einer Angelegenheit, die Verknüpfungen mit anderen Ereignissen sind naturgemäß selten darin zu finden. Gibt es keine zeitgenössischen Kommentare oder begleitende Schriften, bleibt dem Historiker oft nur noch das Mittel der Spekulation und Vermutung, unter Berücksichtigung der Wahrscheinlichkeit. Oft genug lautet das Ergebnis dennoch, man weiß es einfach nicht und kann allenfalls nur in Frage kommende Szenarien anbieten.
Wenigstens zwei Motive des Kaisers sind denkbar und sie gehen in verschiedene Richtungen. Möglicherweise versuchte er hierdurch die nach Osten gewinnende Expansion Albrechts zu zügeln, indem er den Hevellerfürsten zum Reichsfürsten machte. Theoretisch wäre nach dem Tod Pribislaws und dem Aussterben seiner Sippe, dessen Herrschaftsgebiet ans Reich gefallen und das geschlossene Erbschaftsabkommen zwischen Albrecht und Pribislaw-Heinrich hinfällig. Würde dies zutreffen, hätte Lothar gezielt gegen die Interessen Albrechts gehandelt. Einen dafür ausschlaggebenden Grund kennen wir nicht, ein etwaiger Einfluss von Seiten des welfischen Schwiegersohns des Kaisers, hätte ein denkbarer Faktor sein können.
Wir neigen dazu, dies nicht anzunehmen und glauben stattdessen eher an eine zweite These. Die Gelegenheit war einfach günstig. Das zwischen Albrecht und Pribislaw existierende Verhältnis war so eng und vertrauensvoll, dass sich dem Reich eine leichte Möglichkeit bot einen weiteren slawischen Vasallen in den Reichsverband aufzunehmen. Dass dies ein erfolgreiches Szenario sein könnte, bewies das sehr erfolgreiche Lehnsverhältnis mit Böhmen. Die böhmischen Herzöge und ihre Ländereien waren seit Kaiser Otto I. fester Bestandteil des Reichs. Darüber hinaus waren zahlreiche weitere slawische Gebiete längst ins Reich inkorporiert, wie beispielsweise die Mark Meißen oder die Mark Lausitz. Hier lebten Slawen und Deutsche, welche über die Zeit als Siedler in die oft spärlich bewohnten Regionen kamen und nebeneinander lebten, unter der feudalen Herrschaftspyramide des Reichs. Es ist nur konsequent, wenn das Reichsoberhaupt bei passender Gelegenheit den Einflussbereich des Reichs durch Aufnahme neuer Vasallen erweiterte. Darin allein kann noch kein grundsätzliches Wirken gegen die Interessen Albrechts verstanden werden, gleichwohl seine Anwartschaft auf das Erbe davon tangiert war. Ein formell ans Reich zurückgefallenes Lehen konnte vom König oder Kaiser nach eigenem Ermessen und Abwägung neu vergeben werden. Dass er Albrechts Ansprüche übergehen würde, war nach dem Stand der Dinge und Verhältnis zwischen beiden kaum vorstellbar.


Pribislaw Heinrich, Fürst auf der Brandenburg

Keine unserer beiden Thesen ist schlussendlich von Relevanz, denn Kaiser Lothar III. starb noch bevor es zum Erbfall kam und die neue Machtkonstellation im Reich, die Verlagerung des politischen Schwerpunkts in des süddeutschen Raum, nahm von den Dingen östlich der Elbe zunächst keine weitere Notiz.

Kehren wir noch einmal zu der Person des Pribislaw-Heinrich zurück. Man darf ihn und seine Frau Petrissa als ausgesprochen deutschfreundlich einordnen, vermutlich muss man eher christenfreundlich sagen, denn eine spezifisch deutsche Kultur hatte sich noch nicht ausgebildet. Den hauptsächlichen Kulturunterschied machte man damals noch hauptsächlich am Glauben fest und an der Sprache. Wahrscheinlich veranlassten Pribislaw schwelende oder bereits akute kriegerische Rivalitäten zu einer engen Bindung an benachbarte christliche Fürsten und hier kam Albrecht ob durch Zufall oder gezielt, zu richtigen Zeit. Lokale Auseinandersetzungen des Hevellerfürsten unterstützte Albrecht nach besten Kräften. Hierdurch konnte er sich kleinere territoriale Erwerbungen rechts der Elbe sichern.

Slawische Siedlungsräume rechts der Elbe

Die Zeit von 1125 bis 1134 kann als erste Phase einer askanischen Ostexpansion betrachtet werden, und kam eher zufällig als geplant zustande.
Die Ernennung Albrechts zum Markgrafen der Nordmark im Jahre 1134, markiert den Schlusspunkt dieser ersten Phase. Noch im gleichen Jahr wurde er auch mit der Grafschaft Weimar-Orlamünde belehnt, welche die Großmutter nach dem Tote ihres Vaters seinerzeit ans askanische Haus brachte. Das Interesse hinsichtlich der Gebiete rechts der Elbe trat wieder völlig in den Hintergrund. Hinter der ersten Phase der Expansion erkennen wir wie schon erwähnt keinen Plan. Es waren zufällige Ereignisse, wie der Landerwerb der Zauche in Form eines Taufgeschenks und die Eroberung kleiner Teile des später so genannten Flämings infolge des Bündnisses mit Pribislaw-Heinrich. Nach dem Verlust der Mark Lausitz, die ihm wegen schweren Landfriedensbruchs entzogen wurde, war jedes Engagement rechts der Elbe außerhalb seiner momentanen Interessen. Erst die 1134 erfolgte Belehnung mit der Nordmark eröffnete Perspektiven und das Land rechts der Elbe begann wieder von größerem Interesse zu werden, auch wenn weiterhin jede zielgerichtete Expansion ausblieb. 1136 erfolgte ein verheerender Kriegszug als Vergeltung. Der Stamm der Wilsen war zuvor plündernd in den linkselbischen Streifen der Nordmark eingefallen waren, worauf Albrecht mit einem großen Aufgebot zurückschlug. In diesem Zug glauben wir, dass Albrecht die wichtige Region um Havelberg dauerhaft militärisch sicherte und einen ersten Brückenkopf jenseits der Elbe errichtete, der es wert war gehalten zu werden. Möglicherweise war jetzt erstmals der Gedanke einer weitreichenden Erweiterung nach Osten gekommen, schon um langfristig eine Pufferzone für seine Ländereien am linken Elbufer einzurichten.
Ein gezielter Zuzug von Kolonisten, die sich auf der jenseitigen Elbseite angesiedelt hätten, kann für die erste Phase der Ostexpansion ausgeschlossen werden. Wohl wird das dort garnisonierte Militärpersonal Familienmitglieder nachgeführt haben, doch können es nicht viele gewesen sein. Man darf sich nicht der Illusion hingeben, dass eine damalige Garnison über große Mannschaftsstärken verfügte. Mancher Militärposten hat aus kaum mehr als einer kleinen Schar Bewaffneter bestanden. Wenn im gesamten realen Zugriffsbereich jenseits der Elbe in der Summe auch nur hundert professionelle Krieger stationiert waren, würde es schon wundern. Die dauerhaften Unterhaltskosten für größere Streitkräfte hätten Albrecht finanziell ruiniert, entsprechend fällt ein Familiennachzug der Garnisonstruppen statistisch nicht ins Gewicht. Wie das Verhältnis zu den Slawen im Raum Havelberg oder der Zauche war, ist nur wenig belegt, man muss davon ausgehen, dass die sächsische Herrschaft als bedrückend wahrgenommen wurde und der christliche Glaube unter den mehrheitlich heidnisch gebliebenen Menschen als Bedrohung ihrer bisherigen Sitten. Gewaltorgien, wie der oben beschriebene Rachefeldzug Albrechts aus dem Jahre 1136, konnten kaum dazu geeignet sein die Elbslawen an das sächsisch-deutsche Herrschaftssystem heranzuführen und sie dem Christentum zugänglich zu machen. Albrecht dürfte sich damals kaum über die Folgen seiner Vorgehensweise größere Gedanken gemacht haben, denn  betrachtet man es bei Licht, war die Art des wendischen Feldzugs nicht viel anders, als ein Kriegszug aussah, den man gegen einen befehdeten Mitfürsten des Reichs führte. Der einzige Unterschied, der vielleicht ins Felde geführt werden kann: gefangengenommene Christen wurden nicht verschleppt und als Sklaven gehalten, wie man es mit den slawischen Heiden mitunter tat.


Zweiter Italienzug des Kaisers

Nach diesem Ausflug in die Wiege der späteren Mark Brandenburg, gehen wir zeitlich in den Hochsommer 1136. Albrecht eilte nach seinem abgebrochenen Wendenzug nach Würzburg, wo Kaiser Lothar das Reichsheer versammelte. Im Gegensatz zu seinem ersten Heerzug nach Italien, schlossen sich diesmal fast alle Großen des Reichs mit ihren Aufgeboten an. Die Erzbischöfe von Köln, Trier und Magdeburg, die Bischöfe von Merseburg, Havelberg, Utrecht, Lüttich, Toul, Konstanz, Basel und Regensburg. Die Herzöge von Schwaben, Bayern und Böhmen, verschiedene Pfalzgrafen und Markgrafen, darunter Albrecht sowie zahlreiche weitere reichsunmittelbare Grafen und Edelfreie. Die Macht und Autorität des Kaisers war auf dem Zenit. Ende August brach das zahlreiche Heer auf und nahm wieder die Route über Brixen, Bozen und Trient. In Oberitalien angekommen, fegte es jeden Widerstand mit Leichtigkeit hinweg. Verona, Reggio, Bologna, selbst das mächtige Mailand öffneten ihm die Tore und empfingen ihren Kaiser mit allen Ehren. Einzig Cremona ließ die Tore verschlossen und leistete einer Belagerung erfolgreich Widerstand, doch zu einem hohen Preis. Was die kaiserlichen Streiter nicht unmittelbar zur eigenen Versorgung im Umland fanden und benötigten, nahmen sie mit, den Rest brannten sie zur Strafe nieder. Die ganze Lombardei wurde noch im gleichen Jahre fast vollständig unterworfen. Mit Beginn des Frühlings 1137 zog das Heer weiter nach Unteritalien, wo Apulien den Händen der Normannen entrissen wurde. Der Kaiser wollte den Übergang nach Sizilien wagen und König Roger niederwerfen, doch in seinem Heer wurden die Stimmen lauter, die nach Heimkehr verlangten. Er musste umkehren, zumal es mit Innozenz II., der ihm bisher so gewogen war, zum Zerwürfnis im Rahmen seiner apulischen Eroberungen kam. Der Papst war besorgt von einer deutschen Dominanz im Norden und jetzt auch im Süden eingeschnürt zu werden. Der Streit zwischen Heiligem Stuhl und Kaisertum wird das Mittelalter bestimmen und wir kommen darauf wieder und wieder zurück.

Über die Taten von Albrecht ist während des ganzen Italienfeldzugs nur im Zusammenhang mit der Eroberung Salernos eine schriftliche Überlieferung bekannt. Wir können dieser Notiz zumindest entnehmen, dass er seit dem Abmarsch im Vorjahr beim kaiserlicher Heer verblieb und jetzt, zum Ende der Kampagne, an der Eroberung dieser wichtigen niederitalienischen Küstenstadt ganz aktiv beteiligt war.
Anfang des Herbstes begann der lange Rückweg des deutschen Heeres. Albrecht war unmittelbar nach der Eroberung Salernos bereits mit seinem Kontingent aufgebrochen. Wir glauben annehmen zu dürfen, dass es zu neuerlichen Aufständen in den wendischen Gebieten kam. Wir erinnern uns, dass er im Sommer des Vorjahres die Verfolgung der Anführer des ersten Aufstandes abbrechen musste. Es ist naheliegend, dass diese seine lange Abwesenheit ausnutzten, um neu zu rüsten und einen abermaligen Streifzug über die Elbe zu unternehmen. Tatsächlich kam es bislang noch zu keinen größeren Übergriffen, doch der Markgraf wollte es nicht darauf ankommen lassen. Mit einsetzendem Frost, setzte er über Havelberg den Fuß in das wendische Gebiet. Erneut hinterließ er eine Spur der Verwüstung, Alles wessen sie habhaft wurden, schleppten die Sachsen davon, was unverrückbar war, wurde niedergebrannt und zerstört. Selbst die Menschen wurden mitgenommen und ins sächsische Gebiet verschleppt, wo die Familien oft auseinandergerissen in alle Gegenden seines Herrschaftsgebiets verteilt wurden. Noch während seines Zerstörungswerks erreichte ihn Nachricht aus Tirol. Was dort geschehen war, ließ in der Folge das Gefüge der sächsischen Region kollabieren, woran Albrecht maßgeblich mitverantwortlich war.


Der Kaiser ist tot, Kampf um Sachsen

Lothar III. war am 3. Dezember 1137 auf dem Rückweg aus Italien in einem Tiroler Dorf, unweit der Grenze zu Bayern verstorben. Auf dem Sterbebett belehnte er seinen Schwiegersohn Heinrich den Stolzen mit dem Herzogtum Sachsen und ließ ihm die Reichsinsignien übergeben. Er machte ihn damit nicht nur wie zu erwarten zum Universalerben, mit der Weitergabe der wichtigsten Symbole des Reichs, setzte er gleichzeitig ein unmissverständliches Signal an die Fürsten des Reichs bezüglich der Thronfolge.

Albrecht, der über seine immer noch lebende Mutter glaubte ein gleiches Anrecht auf das sächsische Erbe zu haben wie Heinrich, begann augenblicklich gegen die lange befürchtete, dann doch schnell und überraschend gekommene welfische Machtentfaltung im sächsischen Raum vorzugehen. Dass des verstorbenen Kaiser Schwiegersohn Heinrich nun neben seinem bayrischen Herzogtum, auch noch Herzog in Sachsen wurde, war schlimm, dass er womöglich sogar zum Reichsoberhaupt gewählt würde, galt es mit allen Mitteln zu verhüten. Eine derartige Machtfülle war mehr als nur besorgniserregend und Albrecht war mit dieser Auffassung im Reich bei weitem. Viele fürchteten eine. welfischen Hegemonialanspruch und waren um die eigene fürstliche Souveränität besorgt. Die Erinnerung an die autoritäre Politik unter den letzten beiden salischen Herrschern war gerade in Sachsen noch frisch. Wie sollte es erst mit einem König werden, der über gleich zwei der vier ehemaligen germanischen Stammesherzogtümer verfügte? Zur besseren Einordnung darf nicht verschweigen werden, dass beide herzoglichen Territorien viel ihres ursprünglichen Gebietes in den zurückliegenden dreihundert Jahren an zahlreiche Regionalfürsten verloren hatten und lange nicht mehr die ursprüngliche Ausdehnung besaßen von ehedem, dennoch blieben sie gemessen an den Gebieten der übrigen Mitfürsten geradezu gewaltig.
Kurz nach Beisetzung des verstorbenen Kaisers im Dom von Königslutter, brach Albrecht mit großer Rücksichtslosigkeit über das Herzogtum Sachsen herein. Zuvorderst galt es die Wahl Heinrichs des Stolzen zu verhindern, man muss es sagen, zu hintertreiben. Kaiserinwitwe Richenza berief für den 2. Februar 1138 ein Wahlkonvent nach Quedlinburg ein. Die Stadt war von der hohen Fürstin höchst unglücklich gewählt, lag sie doch in direkter Nachbarschaft zu den askanischen Stammlanden. Was sich dann ereignete, konnte sie aber kaum erahnen. Albrecht nutzte seine guten Beziehungen in Quedlinburg, ritt mit einer Anzahl Getreuer ein, bemächtigte sich der für die Wahlberatung eingelagerten Vorräte und versperrte den ankommenden Fürsten den Zugang zur Stadt. Es war ein skrupelloser, ein beispielloser Vorgang. Es sollte dabei nicht bleiben, kaum waren die Fürsten abgezogen, fiel Albrecht über einzelne Gebiete der Kaiserinwitwe her. Er plünderte und brannte zahlreiche Dörfer und Weiler nieder. Ohne einen Alliierten zog er sengend durch das Herzogtum Sachsen. Es stellt sich die Frage nach dem Motiv einer so irrational anmutenden Tat, woher kam diese Mischung aus Skrupellosigkeit und tollkühnem Mut?
Schaut man sich seine bisherige Vita seit dem Tod des Vaters an, kommt man nicht umhin, in Albrecht einen unruhigen und kriegerischen Tunichtgut zu erkennen. Die Episode, als er sich der Rebellion Lothars von Süpplingenburg gegen Kaiser Heinrich V. anschloss, der Vorfall rund um die Ermordung Markgraf Udos von Stade, die Rücksichtslosigkeit bei seinen zwei Wendenzügen gegen die slawische Bevölkerung, um nur die wichtigsten zu nennen, skizzieren einen Charakter, der mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln seine Macht und seinen Einfluss zu mehren suchte.

Während Albrecht noch seinen einsamen Zug durch Sachsen unternahm, bildete sich im süddeutschen Raum die von ihm erwartete Fürstenopposition gegen Heinrich des Stolzen. Nicht nur in Schwaben, auch in Böhmen, in den fränkischen Gebieten am Rhein, sowie bei zahlreichen geistlichen Fürsten war die Sorge groß, dass der mächtige Doppelherzog von Bayern und Sachsen, gleichzeitiger Markgraf der Toskana, mit dem Erwerb der Reichskrone eine unüberwindliche Hausmacht und Dominanz entwickeln könnte, und wie sich alle sicher waren, auch zweifelsfrei würde. Neben dieser ganz nüchternen machtpolitischen Abwägung, spielte auch Heinrichs Verhalten anlässlich des kaiserlichen Italienzugs im Vorjahr eine Rolle. Der Schwiegersohn des verstorbenen Kaisers war dort durch ausgesprochen hochmütiges Verhalten, woraus sich sein Beinamen ableitete, bei den teilnehmenden Fürsten, und wir haben gesehen, dass fast alle großen Reichsfürsten teilnahmen, in Ungnade gefallen.
Eine kleine Elite der antiwelfischen Opposition traf sich Anfang März auf dem linken Ufer der Mosel, gegenüber dem heutigen Koblenz und wählten Konrad, den jüngeren Bruder Herzog Friedrich II. von Schwaben zum König. Friedrich selbst war seit dem Verlust eines Auges als Versehrter nicht mehr für das Amt des Königs geeignet, weswegen sich die staufischen Parteigänger auf Konrad konzentrierten. Konrads Wahl vom 7. März 1138 war in der vorgenommenen Weise ein klarer Bruch mit allem Recht und Herkommen. Neben den beiden staufischen Brüdern, waren nur noch der Erzbischof von Köln, der Bischof von Worms und als treibende Kraft, der Erzbischof von Trier zugegen. Der ursprüngliche Wahltermin vom 22. Mai wurde nicht berücksichtigt, das dann vorgenommene Votum der Fürsten des Reichs rundweg missachtet. Schon wenige Tage darauf, am 13. März 1138, erfolgte zu Aachen die Krönung. Sie wurde gegen jede Tradition nicht vom Kölner Erzbischof, sondern vom päpstlichen Legaten Dietwien durchgeführt, einem Schwaben. Verlief bei der Wahl Lothars III. 1123 auch nicht alles nach den Sitten, so war die Wahl Konrads III. nichts weniger als ein Skandal. Wäre Heinrich X., jener mit dem Beinamen der Stolze, wegen seiner Hausmacht nicht so außerordentlich gefürchtet, dazu außerhalb von Sachsen und Bayern so unbeliebt gewesen, hätten die Fürsten des Reichs diesem unrechtmäßigen Treiben sicherlich den härtesten Widerstand entgegengesetzt, so aber akzeptierte die Mehrheit im Reich das fragwürdige Minderheitsvotum.

Ostern 1138 fand in Köln ein Fürstentag statt, zu dem viele Vertreter des Hochadels kamen. Aus Sachsen erschienen jedoch nur einige der Bischöfe, darunter jene aus Münster, Osnabrück und Halberstadt. An Pfingsten wurde in Bamberg ein weiterer, dieses Mal großer Fürstentag abgehalten, zudem zuvor alle Fürsten angeschrieben wurden. Konrad ließ sich hier von den anwesenden Fürsten huldigen. Herzog Heinrich war aufgefordert die Reichskleinodien, die Insignien der königlichen Gewalt, in Bamberg auszuhändigen, blieb aber dem Treffen fern. Sonst aber folgten der Aufforderung selbst seine engen Anhänger aus Bayern und Sachsen, letztere Gruppe unter Führung der Kaiserinwitwe Richenza. Auch Albrecht war anwesend, vor allem um unter den Fürsten, vorzugsweise aus dem sächsischen Raum, etwaige Verbündete zu finden, denn auf Dauer konnte er den Kampf in Sachsen nicht durchstehen, der längst zum Kampf um Sachsen sich auswuchs.
Konrad, der noch immer nicht im Besitz der Reichsinsignien war, bestellte den säumigen Herzog Heinrich für den 24. Juni nach Regensburg, zu einem weiteren Fürstentag, welchen er dann tatsächlich besuchte. Beide sprachen sich nicht persönlich, sondern wurden von Unterhändlern vertretenen. Es schien dass Konrad den Eindruck erwecken ließ, er würde gegen die Herausgabe der Kleinodien des Reichs den Herzog mit beiden Herzogtümern belehnen. Nach Übergabe der wertvollen Symbole hielt der König den Welfenherzog hin und sagte ihm die Entscheidung für den nächsten Fürstentag in Augsburg zu. Heinrich witterte den sich abzeichnenden Betrug. Er erschien zu Augsburg, doch nicht in kleinem Gefolge, sondern an der Spitze eines wohlgerüsteten Heeres. Konrad spielte jetzt mit offenen Karten, ließ den Herzog verstehen, dass es gegen die Bräuche des Reichs wäre einen Fürsten mit gleichzeitig zwei der großen Stammesgebiete zu belehnen. Drei Tage wurde noch verhandelt aber es kam zu keinem anderen Ergebnis mehr, die Klüfte waren schon zu breit. Konrad floh nun regelrecht vor dem aufgezogenen Heer, weil er fürchten musste gefangengenommen zu werden. In Würzburg, wohin ihn sein Weg führte, verhängte er die Reichsacht über Herzog Heinrich und es war wohl auch hier, dass Markgraf Albrecht mit dem Herzogtum Sachsen belehnt wurde. Dies war nicht wie üblich, aus königlicher Würdigung für geleistete Dienste erfolgt, auch wenn Albrecht durch seine Quedlinburger Tat dem Staufer bei seiner Erlangung der Krone indirekt den größten Gefallen geleistet hatte. Albrechts Handlungen waren dabei rein partikular motiviert und im Alleingang vorgenommen, ohne jede Rückendeckung. Sehr wohl verhinderte Albrecht die Wahlvorbesprechung in Quedlinburg und verschaffte damit der antiwelfischen Opposition Zeit sich zu formieren, doch geschah dies ohne jede Absprache mit den Staufern. Die schon im März vorgenommene Wahl konnte Albrecht also nur mittelbar beeinflusst haben. Dass Konrad den Askanier mit Sachsen belehnte, kann schlicht nur dem Umstand zugeschrieben werden, dass Albrecht die einzige ernstzunehmende Gegenpartei zu Heinrich im gesamten sächsischen Teil des Reichs darstellte. Die Vorgehensweise des neugewählten Königs entsprach ganz den realpolitischen Gepflogenheiten und sah in der Vergangenheit, noch mehr in der Zukunft, zahlreiche ähnliche Beispiele. Wenn auch Albrecht mit der Wahl des Staufers durch einverstanden war, so darf man deswegen dennoch nicht annehmen, dass er bislang noch kein fester Parteigänger Konrads und damit der Staufer war. Erst durch die Belehnung mit Sachsen bekannte sich Albrecht unzweideutig zum neuen König, was sich als pragmatische Zwangsläufigkeit ergab, immerhin brauchte er die Hilfe des Reichsoberhaupts im Kampf gegen Heinrich den Stolzen, der zwar das nördliche Herzogtum verloren hatte aber dort immernoch über ansehnliches Allodialgut verfügte und sich nicht einfach verdrängen ließ. Von den königlichen Fürstentagen eilte Albrecht nach Norden zurück, um sich durch die Huldigung der sächsischen Stände des Herzogtums zu bemächtigen.

Die bisherige Auseinandersetzungen in Sachsen mit der Witwe des verstorbenen Kaisers schienen einen anderen Hintergrund zu haben. Nicht Albrechts Anspruch auch den herzoglichen Titel war Auslöser. Sehr wahrscheinlich ging es stattdessen um das billungische Erbe, dem Nachlass des herzoglichen Vorgängers ihres verschiedenen Mannes. Zu Bamberg konnte der König den von Albrecht begonnenen Konflikt mit Richenza beilegen, doch jetzt, nach der offiziellen Belehnung mit Sachsen, war der neue Herzog, war Albrecht nicht gewillt auf den Allodialbesitz über den er glaubt durch seine Mutter ein Anrecht zu haben, verzichten zu dürfen.
Zum besseren Verständnis ist eine kurze Erläuterung notwendig was mit dem Herzogtum Sachsen, mit dem sächsischen Raum oder mit dem sächsischen Recht gemeint ist. Beginnen wir zunächst mit dem historischen sächsischen Raum. Gemeint ist eine weite Region in Norddeutschland wo heute das Bundesland Niedersachsen inklusive West- und Ostfalen liegt. Es war das Siedlungsgebiet des Sachsenstamms zum Abschluss der Völkerwanderungszeit. Wir wollen nicht näher darauf eingehen, dass sie zeitweise während der Schlussphase der letzten Völkerwanderung jenes Gebiete wieder verließen, um später dort erneut zu erscheinen und sich mit den Sueben, einem weiteren germanischen Großstamm, schlagen zu müssen. Mit der Erweiterung nach Osten ab dem neunten Jahrhundert, kamen Zug um Zug die Gegenden der heutigen Bundesländer Sachsen-Anhalt, Nordthüringen und Teilen des heutigen Sachsen hinzu. Als letztes jene Regionen des heutigen Bundesland Brandenburg sowie der Rest des heutigen Sachsen. Über die Jahrhunderte etablierte sich ein de facto Rechtsverständnis, basierend auf den Gebräuchen der Sachsen oder was davon in seiner ursprünglichen Form nach Generationen der Versippung mit Sueben, Franken, Friesen usw. noch übrig war. Allgemein spricht man hier vom sächsischen Recht. Es unterschied sich nicht fundamental von den Rechtsgebräuchen weiter südlich im Reich, doch konnte man dort deutliche Einflüsse der aus romanischen Zeit erkennen. Über die Zeit nahm das sächsische Recht auch Einfluss auf angrenzende Staaten außerhalb des Reichs, wie in Dänemark, teilweise im westlichen Polen und auch in Böhmen und natürlich später im Baltikum, wobei hier beimengende Faktoren eine deutliche lokale Färbung ergaben, zumal sich das Sachsenrecht sich dynamisch über die Zeit wandelte, ohne aber seinen volkstümlichen Charakter abzulegen. Vergessen wir nicht, es waren Rechtsgebräuche, keine starren Gesetze. Die Menschen formten diese Gebräuche nach ihren lokalen Bedürfnissen und passten sie sich verändernden Bedingungen an.
Kommen wir zum sächsischen Herzogtum. Gemeint war im damaligen frühen- und mittleren Hochmittelalter kein Flächenstaat, am wenigsten jener, den man heute als Freistaat Sachsen kennt. Es war eine Herrschaftsgebiet als Teilmenge der oben skizzierten frühen- und mittleren sächsischen Landnahme, wo der Herzog von Sachsen als höchstrangiger Reichsfürst das Primat, die Vorherrschaft hatte. Neben ihm existierten zahlreiche, man ist mit der Zeit fast geneigt zu sagen, zahllose direkt dem Reichsoberhaupt unterstellte Fürsten, Markgrafen, Landgrafen, Pfalzgrafen, Grafen, Edelfreie und Prälaten, die in ihren eigenen kleinen und kleinsten Fürstentümern autonom oder halbautonom regierten.

Aus all diesen kleinen Regionalfürsten hatten sich die Grafen von Ballenstedt in den zurückliegenden Generationen mehr und mehr herausgearbeitet. Vor allem durch Glück bei der Heirat, wir wollen es an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich unterstreichen.
Schon Albrechts Vater Otto konnte für kurze Zeit den Titel eines Herzogs von Sachsen an sich bringen, nachzulesen in den Eingangsabschnitten dieses Kapitels. Albrecht schlug nun, gemessen an seinen Vorfahren, ganz aus der Art. Er war radikal expansiv und dies mit allen Mitteln und unter Ausnutzung jeder sich bietenden Gelegenheit. Wir glauben ihm dabei aber keine Illoyalität unterstellen zu können. Er blieb Lothar III. selbst dann gewogen, als dieser ihm seinerzeit die Markgrafschaft Lausitz entzog und folgte ihm auf seinen Italienzügen ohne Verzug, war hierzu sogar bereit eigene Interessen zurückzustellen, wie die Ereignisse anlässlich seines ersten Wendenzugs 1336 bewiesen. Er war ein Draufgänger, das Risiko nicht scheuend. Als solcher stürzte er sich jetzt auf die sächsischen Lande, wie eine Naturgewalt, tatkräftig unterstützt von seiner gealterten Mutter, jener Eilika, über deren Linie Albrecht sein Anrecht auf das Erbe des großen billungischen Herzogs Magnus, seines Großvaters, geltend machte. Zunächst gelangen Albrecht eine Serie ungewöhnlicher Erfolge, die ihm neben reicher Beute, auch viele Gefangene einbrachten, die er gegen Lösegeld eintauschte um damit seinen Krieg zu finanzieren. Kriegsführung war im gesamten Mittelalter eine primäre Frage des Geldes, nicht der Ländermasse und auch nicht der Bevölkerungsgröße, auf die man unmittelbaren Einfluss hatte. Der Sieg auf dem Schlachtfeld spielte natürlich oft die entscheidende Rolle, doch fanden in den oft jahrelang anhaltenden Auseinandersetzungen, außer wiederholten Scharmützeln, selten entscheidende Schlachten statt. Die Regel waren Verheerungen des generischen Gebiets, zur Schwächung seiner wirtschaftlichen Basis unter gleichzeitigem Wegführen aller nutzbringenden, beweglichen Habe, worunter selbst ganz profane Dinge fielen, wie Hosen, Hemden oder Werkzeuge aller Art. Die Wegnahme von befestigten Orten, wie Burgen, Schlössern oder Städten setzte schon eine signifikante Steigerung der Kriegsbemühungen voraus. Demgemäß war Albrechts Vorgehen. Er zog durch Sachsen, verheerte die Ländereien jener Fürsten die es mit Heinrich hielten und nahm, wo es ihm möglich war, feste Plätze weg. Bis zum Winter 1138 hatte es den Eindruck, als ob er Herr in Sachsen wäre, alle seine Gegner schienen in die Knie gezwungen oder unwillig gegen ihn die Waffen zu erheben. Sehr zu seinem Vorteil kämpfte sein Rivale, der gebannte welfische vormalige Herzog Heinrich derweil in Bayern, in den eigentlichen Stammlanden des Welfengeschlechts. Bislang musste nur Albrechts Mutter ihren Übermut büßen musste. Albrechts Gegner waren, statt sich ihm zu stellen, die resolute Mutter angegangen und hatten ihren hauptsächlichen Witwensitz, das befestigte Schloss Bernburg eingenommen und niedergerissen.

Weihnachten kam der König erstmals nach Sachsen und versammelte die Fürsten der Gegend in Goslar. Albrecht wird hier erstmals urkundlich als Herzog von Sachsen bezeichnet. Konrad versuchte Frieden im norddeutschen Raum herzustellen, indem er Albrecht vor den versammelten sächsischen Fürsten, es waren wenig genug überhaupt erschienen, abermals mit dem Herzogtum belehnte. Er hoffte, da er es unter Beisein der Sachsen tat, deren Zustimmung, wenigstens Akzeptanz zu gewinnen. Sein Vorhaben zeigte die genau gegenteilige Wirkung von dem, was er beabsichtigt hatte. Die sächsischen Fürsten verließen aufgebracht das königliche Lager. Für Februar wollte er in Quedlinburg vor den bislang nicht erschienenen Fürsten aus Sachsen einen abermaligen Versuch starten. In etwa zeitgleich tauchte in Sachsen ein als Händler getarnter Mann auf, der sich als der gebannte Heinrich entpuppte. In Begleitung von nur vier Getreuen war er aus Bayern nach dem Norden des Reichs gezogen. In Bayern war er, seit der Reichsbann über ihn verhängt wurde, in unablässige Kriegshandlungen mit zahlreichen lokalen Kräften geraten und konnte seine Position nicht mehr halten. In Sachsen standen die Dinge deutlich besser, woran das rigorose Vorgehen Albrechtes einen ausschlaggebenden Anteil hatte. Heinrich konnte darauf bauen, dass sich nicht wenige der von Albrecht verprellten Fürsten auf seine Seite stellen würden und auch die kaiserliche Witwe unterstützte ihren Schwiegersohn nach besten Kräften. In wenigen Wochen war alles verloren, was Albrecht in seinem Sommerfeldzug im Vorjahr erobert hatte. Bis zum Frühsommer 1139 war seine Position in Sachsen völlig verloren und er musste befürchten, dass man ihn auch aus der Nordmark und seinen anhaltinischen Stammlanden vertreiben könnte. Als nun Burg um Burg seiner gräflichen- und markgräflichen Besitzungen fielen, flüchtete er an den Hof des Königs. Aller Mittel beraubt, setzte er seine ganze Hoffnung in Konrad, der seinerseits schwerlich die Augen vor den Zuständen in Sachsen verschließen konnte. Zur Wahrung seiner eigenen Autorität musste er das Recht seines von ihm selbst eingesetzten Herzogs durchsetzen. Schon im Mai, anlässlich eines Fürstentags der südwestdeutschen Adelshäuser in Straßburg, kündigte er einen Feldzug gegen Heinrich an. Damals war die Lage noch weniger kritisch als jetzt, wo im gesamten sächsischen Raum kein einziger Parteigänger des Königs mehr zu regieren schien und man dort ganz offen die Rechtmäßigkeit von Konrads Königswürde in Frage stellte. Es musste schnell gehandelt werden, bevor eine Fürstenopposition zur Wahl eines Gegenkönigs schritt. Neben dem Bruder, Herzog Friedrich von Schwaben, sagte der Herzog von Böhmen, Herzog Konrad von Zähringen, der Markgraf von Schwaben und Graf Friedrich von Hohenzollern per Eid der Heerfahrt zu. Von Würzburg aus, wo der König den Markgrafen von Österreich, seinen Halbbruder Leopold, zum Herzog von Bayern machte, marschierte das Heer Richtung Sachsen. Es schlossen sich neben dem frisch ernannten bayrischen Herzog, die Erzbischöfe von Mainz und Trier, die Bischöfe von Speyer, Worms, Zeitz, Würzburg, sowie Markgrafen und Grafen an und natürlich auch Albrecht, der aus seinen Besitzungen vertriebene, heimatlose Herzog von Sachsen, Markgraf der Nordmark und Graf von Ballenstedt. Unterwegs zogen immer neue Kriegsvölker hinzu, der Landgraf von Thüringen sowie weitere thüringische Grafen und selbst einige sächsische Adlige, die zwar nicht für Albrecht aber gegen Heinrich waren. Bei Hersfeld stieß der Herzog von Böhmen mit zahlreichem Gefolge hinzu. Von Norden zog ein gewaltiges Heer, zumeist aus Sachsen heran. Beim thüringischen Creuzburg an der Werra stießen beide Heere aufeinander, es drohte eine alles entscheidende Schlacht. Die zahlreich versammelten hohen Kirchfürsten suchten nach einer friedlichen Lösung und tatsächlich wurde bis Pfingsten nächsten Jahres ein Waffenstillstand ausgehandelt, gleichzeitig für Februar 1140 zu Worms eine große Versammlung einberufen. Auch wenn dem Reich für den Augenblick eine blutige Schlacht erspart blieb, für Albrecht war dieser Ausgang alles andere als befriedigend. Nicht nur blieb das Herzogtum in der Hand des Welfen, auch die askanischen Stammgebiete und die Nordmark blieben besetzt und Albrecht hatte keine Chance mit den geringen Mitteln die ihm verblieben waren, daran etwas zu ändern. Er reiste zwischen den wenigen Fetzen Landes die unbesetzt waren hin und her, sammelte Geld und war sonst auf die weitere Gnade des Königs angewiesen. Die Lage konnte kaum schlimmer sein und es deutete alles darauf hin, als ob Albrecht seine hitzigen Taten schließlich noch bitter bereuen musste und aus dem Konflikt gerupft und gedemütigt herauskam. Wie würde der Friedenskongress in Worms ausgehen, was wenn der König, um die Anerkennung und Huldigung von Heinrich dem Stolzen zu erhalten, großzügige Zugeständnisse machte? Es war doch immerhin recht wahrscheinlich, dass er seinem Halbbruder Leopold in Bayern geneigter war als ihm, dem nichtverwandten Markgrafen aus dem fernen Sachsen. Sollte es notwendig sein, zum Frieden des Reichs und zur Anerkennung der staufischen Ansprüche auf die Krone, Zugeständnisse zu machen, dann sicherlich in Sachsen und keinesfalls in Bayern, womit seine Chancen das sächsische Herzogtum doch wieder zu erlangen, dahinschmolzen.

Im Herbst, am 20. Oktober, ereignete sich eines jener unerwarteten Ereignisse, die den Verlauf einer Sache in eine völlig neue Richtung bringen können. Der große Rivale Albrechts, Heinrich der Stolze, starb völlig überraschend und hinterließ einen erst zehnjährigen Sohn, ebenfalls mit Namen Heinrich. Albrecht suchte die unverhoffte Wendung sofort auszunutzen und eilte, kaum dass ihn die Nachricht erreichte, in seine Ländereien, wo zwischenzeitlich immerhin einige Burgen wieder in seine Hand gefallen waren und von dort weiter nach Bremen. Am 1. November, zu Allerheiligen, fand dort ein großer Markt statt. Die vom weiten Umkreis erschienenen Volksmassen glaubte er durch eine selbstbewusste Ansprache beeindrucken zu können. Er wies sich als der rechtmäßige, vom König eingesetzte Herzog Sachsens aus. Sein Plan ging nicht auf, einige von Heinrichs Anhängern wiegelten das Volk auf, es wurde der Verdacht immer lauter Heinrich wäre vergiftet worden. Schnell eskalierte die Situation und nur unter größter Mühe konnten ihn sein Gefolge vor einer bewaffneten Meute in Sicherheit bringen. Der Aufruhr, befeuert von der Kaiserinwitwe, der Großmutter des unmündigen Heinrich, dem erwähnten Sohn des Verstorbenen, schwappte bald über ganz Sachsen und ein heller Aufruhr gegen den Markgrafen, den unerwünschten, verhassten Usurpator, erfasste Volk und Adel. Doch auch der König kam wieder in die Kritik und er musste fürchten, dass der für Februar angesetzte Friedenskongress in Worms scheitern könnte. Der Aufruhr schwappte erneute in die askanischen Lande und die Nordmark. Am Ende fiel sogar der Stammsitz, die starke Burg Anhalt und wurde dem Erdboden gleichgemacht. Albrecht musste ein zweites Mal völlig geschlagen und mittellos fliehen und begab sich zum königlichen Hof nach Worms, in der Hoffnung Konrad III. würde an seiner Seite eingreifen. Konrad aber hoffte auf den Tag zu Worms, doch die sächsischen Fürsten erschienen nicht wie im August des Vorjahres bei Creuzburg zugesichert. Der König berief einen Ersatztermin für den 24. April nach Frankfurt, wartete aber auch dort vergebens, woran er selbst nicht völlig unschuldig war, denn er lehnte das freie Geleitrecht ab und so mussten die Sachsen befürchten im ungünstigsten Fall gefangengenommen zu werden. Albrecht war völlig handlungsunfähig und verbrachte seine Zeit komplett am Hof des Königs, reiste mit ihm umher, und nahm am großen Reichstag in Straßburg Anfang April teil. In Würzburg feierte er Pfingsten, dann ging es mit dem reisenden Königshof weiter nach Regensburg. Mittlerweile wurden die ersten Verhandlungen begonnen, sowohl in Würzburg wie in Regensburg, doch verliefen sie ohne Ergebnis. Albrecht verzichtete nicht auf seine Titel über Sachsen und wurde darin vom König weiterhin unterstützt. Dies befeuerte den Hass der sächsischen Fürsten abermals aufs Neue und sie reisten ab.

Über die Monate legte sich der Aufruhr. Wesentlich trugen hierzu eine Reihe von Todesfällen bei. Am 10. Juni 1141 starb die Kaiserinwitwe Richenza und wurde neben ihrem Mann Lothar III. im Dom zu Königslutter beigesetzt, wo beiläufig erwähnt auch ihr Schwiegersohn Heinrich der Stolze lag. Rund ein halbes Jahr später verschied Albrechts Mutter am 16. Januar 1142. Mit dem Hinscheiden beider zänkischen und willensstarken Frauen, verschwanden zwei Unruheherde und die Lage begann sich weiter zu entspannen. Längst hatte sich Albrecht mit dem Gedanken auseinandergesetzt freiwillig auf den Herzogtitel zu verzichten. Eingesetzt hat die Überlegung vermutlich bereits früher. Am 13. Februar 1140 verstarb in Worms sein Vetter, der rheinische Pfalzgraf Wilhelm ohne einen Erben zu hinterlassen. Das wichtige Reichslehen und die reichen Allodialgüter standen zur Disposition. Die Pfalzgrafschaft selbst ging an Konrads Halbbruder, den Babenberger Heinrich II. (1107 – 1177), der den eigentümlichen Beinamen Jasomirgott trug, da er bald nach jedem Satz auszurufen pflegte, „Ja so mir Gott helfe“. Albrecht fielen aber immerhin die thüringischen und fränkischen Besitzungen des Vetters zu. Zwischenzeitlich dürfte König Konrad begonnen haben bei Albrecht bezüglich der Bereitschaft zu Resignation hinsichtlich Sachsens vorzufühlen. Unterstützung fand der König beim frisch ins Amt gewählten Erzbischof Markolf von Mainz, der eingehend auf Albrecht einwirkte und ihn sehr wahrscheinlich in den ersten Monaten des Jahres 1142 überzeugen konnte. Es zeichnete sich eine politische Lösung ab.

Der Sohn des verstorbenen Heinrich dem Stolzen war mittlerweile 12 Jahre alt und nach damals gültigem Recht mündig ein Lehen zu empfangen. Für Mai wurde nach Frankfurt zu einem großem Treffen der Fürsten des Reichs geladen. Es sollte jetzt endlich Friede geschlossen und die Angelegenheit mit dem Herzogtum Sachsen war der Schlüssel. Anfang Mai fanden sich fast alle weltlichen und geistlichen Fürsten in Frankfurt ein und auch aus Sachsen wurde reichlich beschickt, darunter Gertrud, Tochter des verstorbenen Kaisers Lothar, Witwe des verstorbenen Heinrich dem Stolzen und Mutter Heinrichs, des designierten sächsischen Herzogs. Markgraf Albrecht verzichtete jetzt offiziell auf den Titel eines Herzogs von Sachsen, so dass Heinrich (1130 – 1195), er wird bald den Beinamen der Löwe erhalten, mit dem Herzogtum belehnt wurde. Seine Mutter empfahl formell auf seine Ansprüche auf Bayern zu verzichten, wozu er einwillgte. Der seit fünf Jahren währende Krieg um Bayern und Sachsen war beigelegt, Konrad III. als römisch-deutscher König von niemandem im Reich mehr in Frage gestellt. Für Markgraf Albrecht stellte es eine schmerzliche Niederlage dar, wurde aber durch den Erwerb des Orlamünder Erbes immerhin erträglich.
Der Friede in Sachsen und den angrenzenden Gebieten im Osten blieb brüchig, die Rivalitäten gingen nach wenigen Jahren in einer neue Phase. Heinrich der Löwe war ein unruhiger, ein machthungriger Zeitgenosse und in dieser Beziehung ähnelten sich der Löwe und der Bär, wie Albrecht mittlerweile genannt wurde, ungemein.


Buch 1, Prolog: „Region zwischen den Strömen

 


Der kurmärkische Adler

Der schwebende, nach rechts blickende rote Adler mit goldenen Fängen und geöffneten Schwingen ist seit den frühen askanischen Tagen das Staatswappen Brandenburgs.  Im Laufe der Zeit kamen jene Insignien hinzu, die die lange und hervorragende Stellung der Mark als Kurfürstentum symbolisierten. Der Kurhut, das Schild eines Erzkämmerers des Heiligen Römischen Reichs mit dem Abbild des Reichszepters auf der Brust und schließlich das Markgrafenschwert und das Reichszepter in je einer Klaue. Während der Umwälzungen die das napoleonische Regime zu Beginn des 19. Jahrhunderts über den Festlandteil Europas brachten, ging das Alte Reich nach tausend Jahren ermattet, innerlich zerrissen und ausgehöhlt zu Ende. Unter dem überwältigenden militärischen Druck Napoleons dankte der Habsburger Franz II. als letzter gewählter römisch-deutsche Kaiser am 6. August 1806 ab. Die kurmärkischen Reichsinsignien hatten damit ihre Sinnhaftigkeit und Symbolkraft verloren und doch verschwanden sie nicht aus dem Wappen. Der rote brandenburgische Adler hatte zu diesem Zeitpunkt längst als zentrales Symbol des Gesamtstaates an Bedeutung verloren, ein anderes Wappen war seit hundert Jahren in Gebrauch gekommen und  seither in den Vordergrund gerückt. Im frühen 17. Jahrhundert, am Vorabend des Dreißigjährigen Krieges, waren durch die Verbindung Johann Sigismunds mit Anna von Preußen umfangreiche Gebiete im Westen des Reichs und im Baltikum in den Lehnsbesitz der brandenburgischen Hohenzollern gekommen. Neben ihren brandenburgischen Kernlanden, herrschten die Hohenzollern nun auch am Niederrhein und im außerhalb des Reichs liegenden Ostpreußen, dem territorialen Überbleibsel des vormaligen Ordensstaat. Mit dem Ende des Dreißigjährigen Krieges, der in der Kurmark verheerende Spuren hinterlassen und gut die Hälfte der Bevölkerung dahingerafft hatte, kamen gemäß den Vereinbarungen des Westfälischen Friedens weitere Gebiete unter ihre Herrschaft. Wenn die ursprünglichen Kurlande zwar auch jetzt noch der politische Mittelpunkt eines dynastisch zusammengehaltenen, weit ausgedehnten und nicht durchgängig miteinander verbundenen  Ländergeflechts waren, so zeigten die Gegensätze der Regionen und der darin lebenden Landsmannschaften, dass von einem gemeinsamen Staat und von einem Gemeinschaftssinn nicht die Rede sein konnte. Nur der jeweilige Landesherr bildete die Klammer, dem alle gleichermaßen den Treueid schworen. Kurfürst Friedrich Wilhelm, seit der Schlacht von Fehrbellin (1675) der Große Kurfürst genannt, erkannte früh die Schwierigkeiten die sich aus den zerstreuten Landschaften, mit ihren unterschiedlichen Entwicklungsständen zwangsläufig ergaben. Wenngleich er außenpolitisch und auf dem Gebiet der Verwaltung bemerkenswerte Erfolge erzielte, vermochte er in Bezug auf die staatliche Einheit wegen der unterschiedlich gewachsenen Strukturen, die rechts der Elbe teils noch mittelalterlich ständisch waren, in Ostpreußen sogar noch einmal mehr und am Niederrhein fast schon republikanisch, keinen homogenen Staat zu formen. Einer Einigung unter brandenburgischer Vorherrschaft widerstrebten die Regionalautonomie gewohnten Gebiete. In Kleve, Minden, Magdeburg, Stolp oder Königsberg betrachte man sich nicht als Brandenburger sondern nur als Untertan eines Lehnsherren, der zugleich brandenburgischer Markgraf und Kurfürst des Reichs war. Es brauchte eine gemeinsame Grundlage. Diese zu entweder zu schaffen oder an den Gegensätzen der Regionen zu scheitern, oblag den Nachfolgern. Markgraf Friedrich III., Sohn des Großen Kurfürsten, erbte 1688 einen Flickenteppich von Gebieten, die sich vom Niederrhein bis an die Memel zogen und aus kleineren und größeren, nicht miteinander verbundenen Territorien bestand. Nach Überwinden innerfamiliärer Auseinandersetzungen im Rahmen der Erbfolge, widmete sich der jetzt unangefochtene Landesherr im Schlussjahrzehnt des 17. Jahrhunderts einer Idee, die damals bei fast allen Ratgebern auf Skepsis stieß und selbst bei seiner geistreichen Gattin förmlichen Hohn auslöste. Die Schaffung eines Königtums sollte die Initialzündung zur Einheit aller Landesteile sein. Der Vater hatte in einer Serie von Feldzügen zunächst mit, dann gegen Schweden, die volle staatliche Souveränität Ostpreußens erstritten und damit die Basis zu einem Schritt geschaffen, der die deutsche und europäische Geschichte wesentlich prägte. In diesem jetzt souveränen baltischen Territorium war Friedrich III. niemandes Vasall. 1701 begann mit einer prunkvollen Selbstkrönung in Königsberg die staatsschaffende Reise. Das Königreich war geboren, der schwarze preußische Adler fortan gemeinsames Staatswappen, unter dem sich die Territorien tatsächlich zu scharen begannen. Es bedurfte dennoch weiterer Jahrzehnte, bis die staatliche Einheit, trotz landsmannschaftlicher Gegensätze, so stabile Formen annahm, dass von einem gemeinsamen Staat vollen Ernstes gesprochen werden konnte. Brandenburg war fortan, mehr oder minder, zu einer preußischen Provinz degradiert, im Schatten eines ab 1740 durch militärische Expansion mächtig anwachsenden Gesamtstaats. Die schon erwähnte napoleonische Phase brachte 1806 eine schmerzliche Zäsur, sowohl für Preußen als Ganzes, wie Brandenburg im Einzelnen. Reformen in allen Bereichen erhielten den preußischen Rumpfstaat, der alle seine rheinischen und westelbischen Gebiete verloren hatte und schufen die Grundlage zu den 1813 einsetzenden Befreiungskriegen, die Preußen wieder ins Konzert der europäischen Großmächte hob. Brandenburg war jetzt nur noch Heimatprovinz der ständig an Größe und Bedeutung gewinnenden Residenz Berlin, während das Umland im ländlichen Idyll oder Tristes, ganz wie man es betrachten möchte, verharrte und kaum mehr Akzente setzte. Auch das dem Königreich den Namen gebende Ostpreußen provinzialisierte zu einer agrarisch und in vielerlei Hinsicht den Anschluss verlierenden Region, am äußersten nordöstlichen Rande des Gesamtstaats, während an Rhein und Ruhr eine rasante Industrialisierung  eine Zeitenwende mitbestimmte. Die Einigungskriege in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts machten Preußen zur alleinigen Großmacht im 1871 geformten Deutschen Reich bismarckscher Architektur. Der vormalige Deutsche Bund war 1866 bei Königgrätz in Böhmen unter den Salven des preußischen Zündnadelgewehrs zugrunde gegangen, Österreich mit seinem außerdeutschen Staatenverband aus dem sich schon vage abzeichnenden Deutschen Reich blutig ausgeschlossen. Wie Brandenburg in Preußen aufging, ging nun Preußen im Deutschen Reich auf. Es verschwand nicht, es hatte nun aber im Konzert zu funktionieren, wobei es die Rolle des Konzertmeisters einnahm und dabei in mancherlei Hinsicht die anderen Instrumente mitunter unschön übertönte.

 

IN ARBEIT

Mit dem Ende der Monarchie im November 1918 einher. Deutschland wurde Republik und Großberlin am 27. April 1920 aus der Provinz Brandenburg ausgegliedert. 1933 erhielten die Nationalsozialisten bei der Wahl zum Provinziallandtag die absolute Mehrheit und Brandenburg, wie ganze Deutschland, sank in einen zwölfjährigen Alptraum unter dem Hakenkreuz. Mit der militärischen Niederlage des Deutschen Reichs im Mai 1945 ging zuerst Preußen, wenige Jahre danach Brandenburg dem Ende entgegen. Am 25. Februar 1947 wurde zunächst der Freistaat Preußen mit dem Kontrollratsgesetz Nr. 46  durch die vier Siegermächte offiziell aufgelöst, sein Staatsgebiet verteilt. Brandenburg trat für kurze Zeit aus der preußischen Konkursmasse heraus, hatte dabei aber bereits seine Gebiete jenseits der Oder verloren. Obwohl mit Gründung der Deutschen Demokratischen Republik im Jahre 1949 das Land wiedererschienen war, verlor Brandenburg schnell an Bedeutung und wurde schließlich mit dem Gesetz über die weitere Demokratisierung des Aufbaus und der Arbeitsweise der staatlichen Organe in den Ländern in der Deutschen Demokratischen Republik am 23. Juli 1952 zur Selbstauflösung aufgefordert, was bereits zwei Tage später erfolge. Als Provinz mit eigener Provinzialregierung hörte Brandenburg auf zu existieren. Seine 22 vormaligen Kreise gingen in den drei Bezirken Cottbus, Frankfurt (Oder) und Potsdam auf. Vier Jahrzehnte später, mit der unverhofften Wiedervereinigung beider deutschen Staaten, erlebte Brandenburg am 3. Oktober 1990 eine Wiedergeburt. Die alte Kreisstruktur und die Wiedererschaffung des Landes Brandenburg als eigenständiger Föderalstaat     im Bund deutscher Staaten wurde wieder hergestellt. Seit Neugründung ziert auch der rote Adler wieder das Wappen des Landes zwischen den Strömen.

Die Erinnerung an die ebenso lange, wie ereignisreiche, wechselvolle und besondere Geschichte Brandenburgs gab Anreiz zu vorliegendem Buch. Das historische Brandenburg war über Jahrhunderte eines der größten Flächenterritorien im Alten Reich. Als Grenzfürstentum, Grenzmark, wurde es oft verkürzt einfach nur die Mark genannt. Entstanden ist Brandenburg in der zweiten Hälfte des Hochmittelalters aus dem territorialen Erbe der vormaligen Nordmark, einem Relikt aus Ottonischer Zeit, das im zwölften Jahrhundert hauptsächlich nur noch dem Namen nach existiert hatte. Brandenburg war eines von zahlreichen reichsunmittelbaren Gebieten des Heiligen Römischen Reichs. Seinen Namen erhielt die Mark von einer an der Havel gelegenen slawischen Wehranlage, die als Brandenburg oder niederdeutsch Brannenborg, in der Frühgeschichte des Landes eine bedeutende Rolle spielte. Brandenburgs eigentümliche Entstehungsgeschichte und die schon bald herausgehobene Stellung im Konzert weniger weiterer Fürstentümer, rechtfertigt neben anderen Gründen eine ausführliche Darlegung der märkischen Geschichte.

Als Quellen dieses Buches dienten primär die überlieferten Regesten des akanischen Hauses und des Alten Reichs. Für die Zeit vor der überelbischen Landnahme bis 1142, wurden wesentlich die Reichschronik des Analista Saxo und die Magdeburger Bischofschronik als Informationsgrundlage herangezogen. Als unbezahlbare Hilfsmittel erwiesen sich die Arbeiten Adolph Riedels, Otto von Heinemanns oder Georg Sellos, nebst anderen. Einen Anspruch revolutionäre Neuerkenntnisse zutage zu fördern, erhebt dieses Buch nicht, wohl aber den Wunsch eine große, ganzheitliche Chronik Brandenburgs und seiner Herrscher zu versuchen, eingebettet in den jeweiligen zeitlichen Kontext der politischen Ereignisse des Alten Reichs und der angrenzenden Staaten. Als solches ist dieses Buch das erste einer Reihe und widmet sich dem Geschlecht der Askanier, die als brandenburgische Gründerdynastie am Anfang der Mark Brandenburg stehen. Zeitlich beschreibt es hauptsächlich einen Abschnitt von 1100 bis 1320, geht stellenweise aber auch wiederholt weiter zurück.


Landschaftliche Charakteristiken

Die Landschaften der Mark sind für den nordostdeutschen Raum typischerweise flach und waren lange Zeit dicht bewaldet urtümlich. Die Niederungen sind bis heute durchzogen von zahlreichen Wasserläufen, Seen und bisweilen auch noch Sümpfen, wenngleich im Rahmen gezielter Landgewinnung die meisten Sumpfgebiete längst verschwanden. Die Oberflächenstruktur wurde von wiederholten Vorstößen des skandinavischen Inlandeises während der Eiszeit geprägt, woraus sich ein breites Bodenspektrum ergab. Die Zusammensetzung reicht von außerordentlich nährstoffarm und unfruchtbar, bis hin zu sehr fruchtbar. Es überwiegen, vor allem im mittleren und südlichen Brandenburg, nährstoffarme Sandböden, die dem Land seine sprichwörtliche Charakteristik gaben. Der Märkische Sand wurde für lange Zeit geradezu zum Synonym des alten Brandenburgs, der Streusandbüchse des Reichs.
Politisch ist Brandenburg das Ergebnis gezielter Kolonisation unter Assimilation vorhandener Bevölkerungsgruppen. Leicht hatten es die ankommenden Siedler, wie die Bestandsbevölkerung nicht. Zu Beginn der sächsisch-deutschen Besiedlung im zwölften Jahrhundert, waren die sumpfigen Niederungen der Urstromtäler für Ackerbau vielerorts vorerst ungeeignet, während gleichzeitig die eiszeitlichen Ablagerungsfelder an den Rändern wegen ihrer Nährstoffarmut nur mäßigen Ertrag brachten. Fisch- und Wildbestand war dagegen reichlich. Rinder und Schafe gediehen gut und bildeten einen anfänglichen Schwerpunkt, bis durch Urbarmachung des Landes schließlich auch die Getreidewirtschaft nachziehen konnte. Bodenschätzen in Form von ergiebigen Gold- oder Silbervorkommen fehlten dem Lande gänzlich. Auch andere Erzvorkommen gab es wenig und wurden, soweit vorhanden, erst spät erschlossen. Die Ökonomie Brandenburgs blieb über Jahrhunderte hauptsächlich von Erzeugnissen der Landwirtschaft bestimmt. Agrar- und Forstwirtschaft, sowie Viehzucht bildeten das wirtschaftliche Rückgrat des Landes. Die unerhörte Größe des bis ins frühe 14. Jahrhundert immer weiter nach Osten expandierenden Landes gab einer durch Zuzug und Geburtenüberschuss wachsenden Bevölkerung großzügig Siedlungsraum. Metropolen nicht einmal besonders dicht besiedelte Ballungszentren bildeten sich nicht, denn die größtenteils bäuerliche Bevölkerung verteilte sich überwiegend auf der Landesfläche. Erst im späten 19. Jahrhundert wurde Berlin im Zuge von Industrialisierung und einsetzender Landflucht, sowie der gewachsenen politischen Bedeutung im Rahmen der 1871 vollzogenen Reichsgründung, zu einer echten Metropole und Millionenstadt von europäischer Dimension.
In den Anfängen des zielgerichteten Besiedlungswerks entstanden vielerorts entlang der größeren und kleineren Wasserläufe Siedlungen, aus denen zunächst Marktflecken, schließlich um die Wende zum Spätmittelalter Städte wurden. Wenn sich wie erwähnt auch keine Ballungszentren entwickelten, hatte Brandenburg ab dem frühen Spätmittelalter ein dichtes Netz an Städten. Flüsse wie die Elbe im Westen, die Havel, Nuthe und Spree im Zentrum und die Oder im Osten, dazu die riesige Zahl Seen, wurden zur Lebensader für den sich zum Ende des Hochmittelalters großräumig ausbreitenden Handel, wovon die Mark ökonomisch erheblich profitierte und den bald entstehenden Städten einen ersten bescheidenen Aufschwung und Wohlstand brachte. Gleich mehrere brandenburgische Städte gehörten dem weitverzweigten Geflecht der Hanse an und wurden zu wohlhabenden Kaufmannsstädten, darunter die Doppelstadt Berlin-Cölln, Frankfurt an der Oder, Stendal, Tangermünde, Brandenburg an der Havel oder Havelberg.


Das Hochmittelalter zwischen Elbe und Oder

Im 12. Jahrhundert, in jener Zeit, in der das schwäbische Geschlecht der Staufer mit Konrad III. (1093 – 1152) erstmals die römisch-deutsche Krone an sich brachte und unter seinem Neffen und Nachfolger Friedrich I. (1122 – 1190) schließlich auch die Kaiserkrone, machte sich im prosperierenden Reich eine spürbare Aufbruchstimmung bemerkbar. Die Zeit war unter anderem geprägt von Ortsgründungen, wie sie seit der fränkischen Landnahme an Zahl und Umfang nicht gesehen wurde. Viele Städte erlebten einen bislang unerreichten wirtschaftlichen und kulturellen Aufschwung. Während sich in Reichsitalien zeitgleich regelrechte Stadtrepubliken bildeten, die sich als kaiserliche Ghibellinen oder oppositionelle Guelfen gegenseitig die Waage hielten, emanzipierten sich auch im deutschen Reichsteil nördlich der Alpen zahlreiche Städte auf ihre Weise, sagten sich von den bisherigen Herren, meist Bischöfen, sukzessive los und traten unmittelbar als Freie- und Reichsstädte unter die Herrschaft des römisch-deutschen Königs. Handwerk und Handel weiteten sich stark aus und besonders der lukrative, wenn auch riskante Fernhandel machte viele Städte rund um Rhein und Elbe, später entlang der Seeküsten, zu wohlhabenden und politisch einflussreichen Zentren. Im 13. Jahrhundert bildeten sich daraus frühe Formen der Hanse, die in der Folgezeit lange den nordeuropäischen Handel zur See und stellenweise auch zu Lande dominierte. Zeitlich fällt die Stauferzeit mit der Entstehung der Mark Brandenburg zusammen ohne in unmittelbarem Zusammenhang zu stehen. Bevor unser Blick sich hierauf konzentriert, schauen wir uns zuerst noch die Verhältnisse in jener Region davor an.


Die Zeit vor Entstehung der Mark Brandenburg.

Die Reichsgrenze im Osten bildete zu Beginn des 12. Jahrhunderts die mittlere Elbe. Der Einfluss und die Oberherrschaft über die östlich davon lebenden westslawischen Stämme, die sich vor einigen Jahrhunderten in Etappen  beiderseits von Elbe und Oder sowie dazwischen angesiedelt hatten und unter Heinrich I. (876 – 936) sowie später unter dessen Sohn Otto I. dem Großen (912 – 973) tributpflichtige Vasallen wurden, nahm schon unter Enkel Otto II. (955 – 983) dramatisch ab. Die Unterwerfung des rechtselbischen Raums unter den Ottonen, ähnlich wie schon einmal in der Ära Karls des Großen (747 – 814), ging während des großen Slawenaufstandes Sommer 983 nahezu restlos verloren. Mit dem Tod Kaiser Ottos II. im Dezember des selben Jahres, folgte sein erst dreijähriger Sohn als Otto III. auf den Thron. Die Regentschaft wurde in den Jahren seiner Unmündigkeit de facto von zwei mächtigen, sich teilweise rivalisierend gegenüberstehenden Frauen ausgeübt. Zum einen war dies seine Großmutter, die Kaiserinwitwe Adelheid von Burgund, zweite Gemahlin Ottos I., zum anderem seine Mutter, die aus Byzanz stammende Kaiserinwitwe Theophanu (um 957 – 991), Gattin des erst kürzlich verstorbenen Kaisers Otto II., Schwiegertochter erwähnter Adelheid. Das Verhältnis beider willensstarker Frauen war angespannt und immer wieder von grundlegenden politischen Meinungsverschiedenheiten beeinträchtigt. Formell war Theophanu als Witwe des verstorbenen Kaisers und Mutter des zukünftigen Regenten am längeren Hebel, wenn man es so ausdrücken darf. Sie stand dem Thron näher als ihre Schwiegermutter. Eine wirksame Einmischung Adelheids in die unmittelbare Regierung konnte nur indirekt erfolgen, doch die kluge und befehlsgewohnte Frau wusste sich einzubringen. Adelheid verfügte über umfangreiche Güter im Rahmen ihres Wittums, ihres Witwenbesitzes, über die sie frei verfügte und die erst mit ihrem Tod an Otto III. zurückfielen. Sie nutzte maßgebliche Teile ihres Vermögens, um im Reich die Partei ihres minderjährigen Enkels zu stärken. Dass ein Knabe den Thron Karls des Großen innehatte, wurde von den Mächtigen des Reichs dauerhaft nicht anstandslos hingenommen. Es war notwendig einer wachsenden Opposition politisch entgegenzuwirken. Theophanu sah in den scheinbar verschwenderischen Zuwendungen ihrer Schwiegermutter eine Minderung des zukünftigen Erbes ihres Sohnes, und kritisierte Adelheids Vorgehensweise wiederholt scharf. Wenn man ihre Sorge hinsichtlich der Minderung des zukünftigen Besitzes ihres Sohnes auch verstehen kann, bewies das Vorgehen Adelheids doch die entschieden größere politische Weitsicht.
Wie auch immer, die Bemühungen den Thronanspruch Ottos III. zu stärken, in wesentlichen Dingen der Politik aber weitestgehend machtlos auf dessen Mündigkeit zu warten, führte innen- besonders aber außenpolitisch zu einer spürbaren Lähmung, wovon unter anderem die unruhigen elbslawischen Gebiete rechts der Elbe profitierten, die ihre erkämpfte Autonomie in dieser Zeit weiter festigten. Versuche des heranwachsenden Ottos die elbslawischen Stämme wieder dauerhaft zu unterwerfen, waren nur kurzfristig von Erfolg gekrönt und scheiterten dauerhaft ganz. Die Gebiete ostwärts der Elbe blieben dem Reich entfremdet. Die unter der Regentschaft Ottos I. gegründeten Bistümer Havelberg und Brandenburg existierten für Generationen im Grunde nur noch dem Titel nach. Mit dem frühen Tod Ottos III. und dem kinderlosen Zwischenintermezzo einer bayrischen Nebenlinie in Person Heinrichs II. (973 –1024), folgte dem sächsischen Geschlecht der Ottonen (Liudolfinger) jenes der rheinfränkischen Salier. Zu Beginn konzentrierten sich die ersten Vertreter dieses Hauses auf die Festigung ihres Herrschaftsanspruchs und die Konsolidierung des machtpolitisch erodierten Reichs. Wenn auch Konrad II. und seine unmittelbaren Nachfolger die unerloschenen Ansprüche auf die rechtselbischen Gebiete wiederholt geltend zu machen suchten, traten dann unter den späten Saliern existenzielle innere und äußere Spannungen zu Tage, die eine neuerliche Ausweitung des Reichseinflusses auf die Slawengebiete unmöglich machte. Der große Gegensatz zum Papsttum, der unter Heinrich IV. als der sogenannte Investiturstreit in die Geschichte einging, erlebte einen Höhepunkt. Bis weit hinein ins folgende Spätmittelalter, bestimmte der Gegensatz zwischen Kaiser und Papst die Reichspolitik und drückte ihr den Stempel auf. Der Streit des weltlichen Kaisers, als Schutzherr der Christen, mit dem geistlichen Oberhaupt der Christenheit, dem Papst, wird Generationen von römisch-deutschen Königen und Kaisern belasten. Es sollte hierbei in den seltensten Fällen um echte Themen von religiöser Tragweite gehen, wenn dies  kirchlicherseits auch immer ins Feld geworfen wurde. Machtpolitisch gegensätzliche Positionen waren eigentliche Triebfeder und Brennstoff des Dauerkonflikts. Zu den ernsten Verwicklungen mit dem Stuhle Petri traten im Reich vor allem im sächsischen Raum Auseinandersetzungen mit rebellierenden Territorialfürsten hinzu, die zunehmend selbstbewusst die Zentralgewalt des römisch-deutschen Königs oder Kaisers herausforderten. An die Stelle der wenigen aber mächtigen ehemaligen Stammesherzöge, hatten sich aufstrebende Grafendynastien gestellt, die auf verschiedentliche Weise ihren Einfluss und ihren Machtbereich erweitern konnten. Die salischen Kaiser waren unter den Eindrücken dieser außenpolitischen, wie innenpolitischen Herausforderungen fast vollauf beschäftigt, vor allem die kaiserliche Autorität zu wahren. In der logischen Folge blieben Unternehmungen gegen die Slawengebiete vereinzelt und ohne dauerhafte Wirkung. Der Raum zwischen Elbe und Oder blieb selbstständig und ließ sich nicht unterwerfen.


Weiter zurück in die Vergangenheit

Der fränkisch-karolingische Großkönig Karl, genannt der der Große, war am Weihnachtstag des Jahres 800 von Papst Leo III. in Rom zum Kaiser gekrönt worden. Karl war nach einer Vakanz von 300 Jahren, seit dem Zusammenbruch des weströmischen Reichs, wieder der erste Kaiser nach römischer Tradition. Viel hatte sein Kaisertum mit dem antiken Rom der Cäsaren nicht zu tun, doch berief er sich darauf und wurde darin von der römischen Kirche unterstützt, dem letzten Überbleibsel des vergangenen Reichs der Römer. Die Reichskirche  war schon vor den Karolingern Steigbügelhalter der Macht für die vorangegangenen Merowinger und wusste in deren Fahrwasser die eigene Machtposition kontinuierlich auszubauen. Unter Karls Regentschaft, der lange vor seiner Kaiserkrönung rechts des Rheins aggressive Unterwerfungspolitik betrieb, wurde das Land östlich der Elbe mit seiner slawischen Bevölkerung erstmals unterworfen und in ein loses Vasallenverhältnis gezwungen. Westlich, entlang der unteren Elbe, lebten sächsische Stämme. Deren östliches Siedlungsgebiet reichte bis ins Harzvorland, wo sich südlich anschließend restsuebische Gruppen und Thüringer anschlossen. Die Sachsen waren unter der Leitung ihres Herzogs Widukind lange erfolgreiche Widersacher der Franken gewesen und boten Karls Hegemonialpolitik fast ein Jahrzehnt energisch die Stirn. 785 wurden sie schließlich in einer abschließenden Kraftanstrengung brutal unterworfen. Karl ließ tausende sächsische Familien in fränkisches Gebiet umsiedeln und stattdessen Slawen von östlich der Elbe im angestammtem sächsischen Raum ansiedeln. Die Sachsen waren im Rahmen der fränkischen Unterwerfung brutal zum christlichen Glauben gezwungen worden. Im Gegensatz zu den Franken, die seit mittlerweile über 300 Jahren der römischen Kirche anhingen, waren sie selbst Heiden geblieben und verharrten gemeinsam mit Teilen der Friesen, als letzter großgermanischer Stamm in ihrem Glauben an eine alte mystische Götterwelt. Mit den fränkischen Siegern kamen drakonische Bestimmungen für den Fall, dass sich die Sachsen der Christianisierung widersetzten.

In die Zeit der Sachsenkriege fiel in etwa auch die Unterwerfung des rechtselbischen Raums. Die nur spärlich bewohnten Gebiete zwischen Elbe und Oder boten zwar weitreichenden Raum, doch ergaben sich keine erwähnenswerten Kolonisationsversuche. Die Politik Karls, überhaupt die Politik der karolingischen Frankenherrscher, beruhte nicht auf nationalen oder ethnischen Prinzipien. Dergleichen kannte das gesamte europäische Mittelalter im Ganzen kaum. Die großen Dynasten der Zeit strebten zwar eine mehr oder minder strenge Unterwerfung der in den eroberten Gebieten lebenden Völker an, doch nur um sie dem eigenen Lehnsverband anzugliedern. Tributzahlungen und Heerfolge waren Ziel der Unterwerfungspolitik. Karl folgte darin dem römischen Vorbild der Antike. Auch dort ging es nicht um ethnische Verdrängung, sondern um Konsens auf Basis römischer Herrschaftsregeln.

Für Karl blieben die Slawengebiete Nebenschauplatz. Die Herrschaft über den rechtselbischen Raum verkümmerte nach dem Zusammenbruch des fränkischen Großreichs und der Dreiteilung unter Karls Enkeln. Das daraufhin rechts des Rheins entstandene ostfränkische Reich Ludwigs des Deutschen war mit der Wahrung des eigenen Machtanspruchs ausreichend beschäftigt. Dem fränkischen Erbfolgerecht war das Teilungsprinzip inhärent, und so zerbrach die fränkische Machtsphäre mit jeder Generation in immer kleinere Einheiten. Gewisse gegenläufige Umstände verhinderten ein gänzliches zersplittern.
Rechts der Elbe erlebten die dort siedelnden Slawen in der spätkarolingischen Zeit wachsende Autonomie. Mit dem Aussterben der ostfränkischen Karolinger zu Beginn des zehnten Jahrhunderts, kam nach dem Intermezzo Konrads I., er war noch einmal ein Franke, aber schon kein Karolinger mehr, der Sachse Heinrich I. auf den Thron. Mit ihm erhielt das erlahmte ostfränkische Reich, das schwer unter wiederholten ungarischen Reiterüberfällen litt, neuen Auftrieb und eine Form von Zentralgewalt. Möchte man die Herrschaftspraxis Heinrichs bewerten, muss man vom Begriff Zentralgewalt im Grunde Abstand nehmen und stattdessen von einer Art frühföderalem System sprechen. Intensiv ausgehandelte Freundschaftsbündnisse mit den Stammesherzögen des lose verbundenen Reichs waren Kern von Heinrichs Innenpolitik. Aus den auseinandertriftenden Teilen des ostfränkischen Reichs begann sich die vage Gestalt eines neuen Reichs zu formen, das unter Otto I., nach einer Phase großer Unruhen, konkrete Formen annahm. Dieser schuf, im Inneren gesichert und fest auf dem Thron Karls des Großen sitzend, in den vom Vater heimgesuchten Slawengebieten ostwärts der Elbe das System der Marken und gründete die bereits erwähnten Bistümer Havelberg und Brandenburg. Hierin folgte der Sachse Otto, dessen eigene Vorfahren noch vor zweihundert Jahren selbst Heiden waren, dem Beispiel Karls des Großen. Auch dieser setzte auf die Kirche als regulierenden und administrativen Faktor in den unterworfenen Gebieten.
Mit den Missionaren Ottos, setzte ein bescheidener Zuzug Siedler ein, der aber abseits der Bistumsmittelpunkte nie eine Rolle spielte. Mit dem Slawenaufstand von 983 und dem Tod Kaiser Ottos II., brach dieses zaghafte Siedlungswerk völlig zusammen und die elbslawischen Gebiete konnten sich, nur jeweils kurz von mehreren sächsischen Heerzügen unterbrochen, für gut 150 Jahre jedem Einfluss des Reichs entziehen.

Es entstanden spätestens jetzt zwischen Elbe und Oder kleinere und größere Zentren slawischer Stammesfürstentümer, die sich in der Herrschaftsstruktur nicht so sehr von jenen der umliegenden Fürstentümer unterschieden, mit einem herausragenden Unterschied, dem fehlenden Einfluss der Kirche. In heutiger Zeit spielt die Kirche im Leben der Menschen eine immer geringer werdende Rolle und es fällt zunehmend schwer, ihren damaligen Einfluss zu verstehen. Zur Zeit der Wende ins neue Jahrtausend bestimmte sie jedoch in den christlichen Teilen Europas praktisch alle Aspekte des täglichen Lebens und dahingehend ebenso die Politik. Wir werden in den kommenden Kapiteln manches darüber lesen.
Analog den Germanen, spalteten sich die Slawen, in unserm konkreten Betrachtungsfalls die Elbslawen, in zahlreiche Sippen und Stämme auf.   Sprevanen, Heveller, Riacianen, Uckerer, Linonen, Abodriten, Wilzen, Sorben und andere mehr. Im großen Lutizenbund schlossen sich einzelne, überwiegend in Gebieten des heutigen Mecklenburg-Vorpommern sowie Nordbrandenburg siedelnde Stämme zusammen, und boten eine ernstzunehmende Macht in diesem Raum auf. Es war dieser Bund, der als führende Kraft während des erfolgreichen Slawenaufstands, auch Wendenaufstand genannt, die sächsische Oberhoheit brach, und das noch aus der Zeit Ottos I. stammende System der Grenzmarken zum Einsturz brachte. Vereint waren die Elbslawen in ihrem nichtchristlichen Glauben an eine Art dreigestaltige Naturgottheit mit Namen Radegast oder Svarožić. Ihr Hauptheiligtum war der große Tempel von Rethra, der später zerstört wurde. Die genaue Lage des einstmaligen Tempels ist bis heute nicht lokalisierbar.
Im ausgehenden elften Jahrhundert begannen innere Auseinandersetzungen die Integrität  des Lutizenbunds auszuhöhlen. Es kam immer häufiger zu Konflikten zwischen den vier Hauptstämmen und letztlich zu offenen Kämpfen. Die Konfliktparteien suchten zur Durchsetzung ihrer Interessen nach Alliierten und knüpften Kontakte zu benachbarten Fürstentümern. Sowohl Dänen, wie sächsisch-deutsche und polnische Parteigänger mischten nun aktiv mit. Die autonome Zeit der heidnischen Elbslawen, überhaupt der Westslawen, ging zu Ende und eine sukzessive, diesmal endgültige Unterwerfung der Region östlich der Elbe setzte ein.


Der Weg nach Osten

Das im zwölften Jahrhundert in seiner Bevölkerung stark gewachsene Sacrum Imperium, wie es von Friedrich I. Barbarossa (1122 – 1190) selbstbewusst und in Opposition zum Papst genannt wurde, strebte zum zweiten Mal den Weg über die Elbe nach Osten an. Ambitionierte Fürsten stellten sich diesem Werk voran. Es wurde deutlich, dass das eigentliche Ziel dieser Fürsten die Erweiterung des eigenen Einflussbereichs war. Primär für sich und weniger dem Reich, sollten die heidnischen Landschaften jenseits der Elbe erschlossen werden, was nichts weniger bedeutete, als dass mit dem Schwert, gab es keinen anderen Weg, die eigenen Territorialinteressen durchgesetzt wurden.
Ein auf Reichsebene bislang relativ unbedeutende Grafenlinie aus der Familie der Askanier trat mit Albrecht I. (1100 – 1170) später der Bär genannt, deutlich hervor. Dieser Albrecht erlangte das Vertrauen und die Freundschaft eines der slawischen Herrscher. Mit dem früh zum Christentum kvertierten Pribislaw-Heinrich (1075 – 1150), dem Herrn auf der Brennaburg, der Brandenburg, entwickelte sich aus dieser Freundschaft ein intensives Bündnis und Erbschaftsverbrüderung, die ihm später das ganze Havelland einbrachte. Die Uneinigkeit der Slawen hatte längst den Punkt überschritten, wo eine Gegenreaktion auf die von allen Seiten auftretenden Übergriffe noch Aussicht auf Erfolg gehabt hätte. Die Zeit der Stärke, getragen vom vereinten Kampf gegen die christlichen Invasoren aus dem Westen, aber auch aus dem christlich gewordenen polnischen Osten, war den inneren Machtkämpfen um die Vorherrschaft im elbslawischen Raum gewichen. Bündnisse mit den vormaligen Feinden wurden Bündnisse mit den eigenen Kulturverwandten vorgezogen. Der sich unter den Slawen verbreitende christliche Glaube stand vielerorts trennend zwischen den Anhängern des alten Naturglaubens und jenen des neuen Glaubens. Vermutlich war es gerade dieser Glaubensgegensatz, der am nachhaltigsten spaltend den bisherigen Zusammenhalt untergrub.


Die Zeit vor den Slawen

Den Slawen kann nicht das Prädikat einer Ureinwohnerschaft in den Landschaften der späteren Mark zugesprochen werden, womit wir zu noch älteren, archäologisch eindeutig nachweisbaren Siedlungsspuren kommen. Ähnlich den sächsischen Kolonisten, waren auch die Slawen eingewandert, wenn auch nicht als Eroberer. Sie drangen in ein Gebiet vor, das von den vorherigen Bewohnern geraume Zeit zuvor größtenteils verlassen wurden. Zwischen dem ersten vorchristlichen Jahrhundert, bis etwa gegen das Ende des dritten Jahrhunderts, lebten zwischen Elbe und Oder, sowie stellenweise darüber hinaus, verschiedene westgermanische Stämme, darunter hauptsächlich die Semnonen. Zahlreiche archäologische Funde im heutigen Brandenburg und Polen weisen ihre Existenz nach. Zu Beginn des vierten Jahrhunderts, wahrscheinlich mittelbar durch die Westexpansion der Hunnen und der hierdurch losgetretenen großen Völkerwanderung ausgelöst, zogen wesentliche Teile des Stammes gemeinsam mit anderen größtenteils an den Oberrhein, wo sie sich mit anderen germanischen Volksgruppen vermischten und in letztlich den Alemannen aufgingen. Es blieben Reste in den bisherigen Siedlungsgebieten zurück, denn auch für die Zeit nach der Massenabwanderung sind noch ihre Spuren eine Weile nachweisbar, bis sie zwischen dem siebten und achten Jahrhundert schließlich verschwanden. Von Südosten kommend wanderten um das sechste Jahrhundert slawische Gruppen ein. Es lässt sich noch nicht ergründen, ob es zu einer Vermischung der eingesessenen Bewohner mit den Neuankömmlingen kam oder zu einer allmählichen Verdrängung. Einiges spricht für die erste Annahme. Im Land zwischen den Flüssen begann die slawische Ära.

Die Siedlungsorte  der Elbslawen unterschieden sich nicht wesentlich von den vormals germanischen.  Die Siedlungen lagen entweder auf natürlichen, stellenweise auch gezielt gerodeten Lichtungen der dichten, für die Gegend markanten Wälder, oder an günstigen Stellen der wasserreichen Landschaften. Fischerei war eine der wesentlichen Nahrungsquellen, gefolgt von der Viehzucht. Landwirtschaft war weniger ausgeprägt als im Westen oder Osten, was mitunter auf die teilweise schwierigen Bodenverhältnisse zurückzuführen war. Dorfgemeinschaften lebten größtenteils als selbstversorgender Kleinverband. Vereinzelt gab es größere Ansiedlungen, die für gewöhnlich Sitz eines regionalen Stammesführers war. Diese größeren Orte, ob man von Zentren sprechen darf, sei dahingestellt, lagen zum Schutz oft an strategisch günstigen Flussstellen oder in den wenigen fruchtbaren Regionen. Rundburgen, in den allermeisten Fällen durch Wassergräben oder natürliche Wasserläufe geschützt, übernahmen die Sicherung der Region und waren Sitz der Lokalfürsten.
Trotz fehlender Urbanisierung darf man nicht von einer primitiven Lebensweise ausgehen. Die Unzugänglichkeit der urtümlichen Landschaften bestimmte im Wesentlichen die Ortsbildungen und entsprechend die Verbindung untereinander. Die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Deutschland teilweise nationalistisch gefärbt wiedergegebene und stark verallgemeinernde Sicht der Slawen, die ein Bild unterentwickelter Halbnomaden zeichnete, entsprach nicht der Realität oder spiegelte pauschalisierend den wachsenden technologischen Niveauunterschied seit dem frühen Hochmittelalter wider. Slawische Sprache, Musik und Kleidung hatten ihre eigene spezifische Prägung. Sie waren geschickte Handwerker, Fischer und Viehbauern. Landwirtschaft und der großflächige Anbau von Getreide sowie anderer Feldfrüchte, war deutlich weniger entwickelt und erhielt erst mit den ankommenden deutschen Siedlern neue Impulse. Die im Westen weiter fortgeschrittenen Agrartechniken fanden erst jetzt Einzug. Eisenverarbeitung kam ebenfalls erst spät zur Anwendung. Bis dahin wurden Eisenwerkzeuge und Waffen für gewöhnlich durch Handel erworben. Die regional sumpfigen Gebiete der späteren Mark wurden erwähnt. Um effizienten Ackerbau zu betreiben, musste das unzureichende Land mit seinen sauren, zumeist bewaldeten Gebieten, erst urbar gemacht werden. Besonders die großen Sumpfgebiete in den Niederungen blieben oft noch viele Generationen unerschlossen, womit die Landschaften lange Zeit ihren natürlichen und urtümlichen Charakter behielten.

Mit der sächsisch-deutschen Besiedlung ging eine Christianisierungswelle einher. Schon die frühen Ottonen erkannten, dass eine dauerhafte Bindung der Elbslawen ans Reich am ehesten durch Bruch mit ihrem heidnischen Erbe glücken konnte. Das eingeleitete Missionswerk ging verhältnismäßig maßvoll vonstatten, nicht in jener brutalen Weise, wie noch die Sachsen selbst von den militärisch siegreichen Franken vor mehr dreihundert Jahren bekehrt wurden. Anklang fand das Christentum unter den Elbslawen deswegen aber noch lange nicht überall, auch wenn bereits manch höhergestellte Familie von sich aus Christen geworden waren. Viele hielten an ihren heidnischen, an die Natur angelehnten Traditionen und Riten fest, besonders diejenigen abseits der wenigen Siedlungschwerpunkte. In den ersten Jahrzehnten des Predigtwerks ließ noch mancher Missionar sein Leben. Hierin unterschieden sich Slawen wenig bis überhaupt nicht von Germanen, die vor einem halben Jahrtausend beginnend stammweise ihren bisherigen Glauben abzulegen begannen, nicht ohne regional drastischen Widerstand zu leisten. Mit der Zeit erlosch auch bei den Elbslawen deren alter Glaube. Die restituierten Bistümer Brandenburg und Havelberg spielten beim Missionarswerk eine zentrale Rolle, ebenso wie die Stiftung diverser Klöster, auf die im Folgenden eingegangen wird.