Buch 1, Kapitel IV: Das Reich und seine Anfänge

 


Siegel Kaiser Ottos I.
Foto: Landeshauptarchiv Magdeburg

Der wiederholt benutzte Begriff vom Reich bedarf der Erörterung. Was hat es mit diesem Reich auf sich?
Das berüchtigte Dritte Reich ist hinlänglich bekannt und auch das von Bismarck geschaffene Kaiserreich unter  der Vorherrschaft Preußens, das als kleindeutscher Bundesstaat ohne Deutschösterreich erst sehr spät entstand. Beide Reiche, ob sie den Namen verdienen, sei dahingestellt, können zeitlich exakt eingegrenzt werden. Hinsichtlich des ersten, des gerne so genannten Alten Reichs, fällt die Bestimmung einer Geburtsstunde weniger leicht. Es entstand nicht durch staatsstreichartige Aushebelung aller demokratischen Gewalten, wie das Dritte Reich. Es wurde auch nicht proklamiert, wie das zweite Kaiserreich, das auf dem Höhepunkt einer Siegesserie gegen Frankreich eine Einheitseuphorie im deutschen Volk auslöste, die selbst die widerspenstigen Fürsten Deutschlands zur Geschlossenheit mahnte. Das erste, das Alte Reich war anderes, es entstand auf andere Weise und es hatte ein völlig anderes Wesen. Mit Bestimmtheit kennen wir den Tag seines Endes, den 6. August 1806. An diesem Tag legte der Habsburger Franz II. auf Druck Napoleons als letzter römisch-deutscher Kaiser die Reichskrone nieder. Je nach zeitlicher Einordnung, endeten damit mehr als tausend Jahre Reichsgeschichte. Aber wo, wie und wann nahm es seinen Anfang, woher seine Legitimation, was war Zweck seiner Existenz, wer waren seine Glieder und was blieb von ihm übrig?


Die Anfänge

Die Debatte um den Beginn des Alten Reichs ist selbst heute noch lebendig.  Lange hatte dieses Reich nicht einmal einen zuverlässigen Eigennamen,  verbreitete, heute verwendete Bezeichnungen, sind im Lauf der Geschichte nachträglich geschaffene Hilfsmittel, um einzelne Zeitabschnitte einzuordnen. Erst seit der zweiten Hälfte des zwölften Jahrhunderts etablierte sich so etwas wie ein erster Eigenname, das Sacrum Imperium. Zwei Generationen später gefolgt vom Sacrum Imperium Romanorum, dem Heiligen Römischen Reich. Zu diesem Zeitpunkt existierte jenes Reich oder man sollte es präzisieren, das Reichsgebilde, woraus es sich entwickelte, seit hunderten von Jahren und erlebte unter dem Staufer Friedrich II. einen seiner Höhepunkte. Nach Aussterben jener schwäbischen Herrscherdynastie, ereilte das Reich ein unruhiger Dornröschenschlaf, während überall an den Grenzen neue und mächtige Machtblöcke und sogar schon erste frühe Nationalstaaten entstanden. Die unmittelbare Phase nach dem Ende der Staufer wird das Interregnum genannt. Richtig ist die Bezeichnung nicht, denn königlos war die Zeit nicht, und doch war sie quasi führungslos, denn keiner der gewählten Könige konnte sich nachhaltig durchsetzten und Autorität entwickeln. Es war eine Zeit teilweiser Anarchie und weiter wachsender Autonomisierung der Territorialstaaten und Stadtrepubliken.

Wandern wir in der Zeit zurück. Das Ende der Salier haben wir in Kapitel I beleuchtet. Kaiser Heinrich V. war letzter Spross dieses rheinfränkischen Herrscherhauses, das mit Konrad II. 1024 begann. Wenn wir in Gedanken noch weiter in die Vergangenheit wandern, denn die Salier bildeten nicht den Anfang, stoßen wir unmittelbar auf die Ottonen, das große sächsische Geschlecht der Liudolfinger. Lassen wir die ottonische Seitenlinie Heinrichs II. dabei außer Acht, nicht weil er eine uninteressante Persönlichkeit wäre, das Gegenteil ist der Fall, es führte aber zu weit. Konzentrieren wir uns stattdessen auf die vier königlichen Hauptpersonen der Ottonen. Von hinten nach vorne aufgezählt, wären dies Otto III., Otto II., Otto I. und zuletzt, bzw. zuerst, Heinrich, genauer Heinrich I., um ihn von den vielen salischen Heinrichs späterer Zeit unterscheiden zu können. Heinrich und Otto sind zwei sehr prägnante Personen, denen man durchaus die Urheberschaft des Reichs nachsagen könnte. War es nun Otto, der nach seinem fulminanten Sieg über die Ungarn auf dem Lechfeld bei Augsburg im August 955, nach Jahren innerer Konflikte, die großen Stammesherzöge endgültig hinter sich brachte? Oder war es doch schon sein Vater Heinrich, im Volksmund der Vogler genannt, weil man ihm der Sage nach die Nachricht seiner Wahl überbrachte, als er beim Vogelfang war? Ohne den geringsten Zweifel hatte auch Heinrich viel geleistet und die Frage ob er der Reichsstifter war, ist  berechtigt. Wäre nur zu beantworten, ob nun Vater oder Sohn Reichsstifter war, könnte man sich nach Abwägung aller Für und Wider entscheiden, doch so einfach macht es uns die Reichsgeschichte nicht. Es bleibt nicht bei diesen beiden und auch nicht bei den Ottonen als Dynastie. Noch ein weiterer, früherer Kandidat kommt 911 ins Spiel. Mit Konrad I. wird zwar erneut ein Franke, aber zum ersten Mal ein Vertreter, der nicht aus dem Geschlecht der Karolinger stammt, zum König gewählt. Die national gestimmten Geschichtsschreiber des 19. Jahrhunderts tun sich schwer diesem wenig illustren, wenig spektakulären Fürsten die Ehre der Reichsgründung zu überlassen. Er machte sich keinen Namen durch große Siege und überhaupt regierte er nicht lange, bevor er die Augen schloss. Trotzdem war seine Wahl ein Paradigmenwechsel, und von dieser Warte betrachtet, kann man ihn nicht einfach unberücksichtigt lassen, nur weil ihm Glorie fehlte. Seine Wahl bildete einen wichtigen Meilenstein in der Gesamtgeschichte des Reichs. Wir kommen auf ihn zurück und gehen, wenn schon der Name gefallen ist, auf die Karolinger und auch auf deren Vorgänger, auf die Merowinger ein. Sind wir jetzt endlich bei den Urhebern des Reichs, bei den Anfängen angekommen? Wir werden sehen. Wir müssen zunächst in die Endphase der Spätantike. Die über sehr lange Zeit dominierende römische Weltmacht hatte sich in zahllosen inneren und äußeren Konflikten im fünften Jahrhundert endgültig erschöpft und krümmte sich ein letztes Mal im Todeskampf. Wilde und kriegerische Völker aus dem Osten und Norden brachen überall in die Provinzen des römischen Reichs ein, ohne dass sie wieder vertrieben werden konnten. Es war der Auftakt einer völligen Neuordnung Europas.


Merowinger, Karolinger & das Reich der Franken

Die Geschlechter der Merowinger und Karolinger spielten eine wesentliche Rolle, wenn es darum ging, weiten Teilen Mittel- und Westeuropas jenes Gesicht zu verleihen, das selbst heute noch unter den Schichten der Zeit zu erkennen ist. Während das Siechtums des spätantiken Roms im Verlauf des fünften Jahrhunderts in Agonie überging, drängten ansässige, oft genug von den Römern zuvor als Hilfsvölker gerufene germanische Stämme in das entstehende Machtvakuum und übernahmen die regionale Kontrolle ganzer Provinzen. Stämme wie die Ostgoten unter Theoderich dem Großen, die Westgoten unter Alarich, die Vandalen unter Ermanarich und Geiserich, und mehr, gaben dem sterbenden weströmischen Reich nicht nur den Todesstoß, sie traten gleichzeitig zeitweise oder dauerhaft die Nachfolge als Kleinkönige an. Es wäre spannend und buchfüllend die Geschichte der germanischen Stämme tiefer zu beleuchten, doch  muss davon Abstand genommen werden, um den Umfang nicht ins Uferlose zu treiben. Mit der Zeit wuchsen viele der zahlreichem Ursippen zu größeren Verbänden, schließlich zu Großstämmen zusammen, darunter die Franken, deren Siedlungsgebiete sich entlang des Niederrheins nach Westen über das heutige Belgien bis nach Frankreich, an die Seinelinie heran und darüber hinaus erstreckten. Im Osten expandierten sie auf dem Höhepunkt entlang des Mains bis ins heute noch nach ihnen benannte Franken, das die östlichste Siedlungsausdehnung darstellte. Die Germanen kannten kein ethnisch- schon gar kein nationales Zusammengehörigkeitsgefühl, sie waren sich untereinander die meiste Zeit selbst die größten Feinde. Im Kampf gegen oder mit Rom, mit dem man wahlweise verbündet oder verfeindet war, oder gegen die gefürchteten Hunnen, verbündete man sich, wie 451 auf den katalaunischen Feldern bei Troyes, in der heutigen Champagne. Vollständigerweise muss man erwähnen, dass auf der Seite der Hunnen, unter ihrem Führer Attila, ebenso germanische Stämme kämpften, darunter vor allem Ostgoten. Bleiben wir aber bei den Franken. Trotz des Siegs über die Hunnen, erholte sich das weströmische Reich nicht mehr. Zu Tode erschöpft, wurde es überall Beute regionaler Kriegerfürsten. Alle Strukturen an der Peripherie begann zu kollabieren. Die ehemaligen foederati, die germanischen Verbündeten, erstritten sich in ihren von Rom einst zugewiesenen Siedlungsräumen Autonomie, blieben dabei aber in der Mehrheit weiterhin unstet und gaben ihre Wanderungen lange nicht auf, bis auf die Franken und Friesen, die eine verhältnismäßige Stetigkeit und örtliche Beständigkeit bewiesen, was gerade bei den Franken eine mögliche Erklärung ihres baldigen Aufstiegs sein könnte.

Der salfränkische Kleinkönig Chlodwig I. einte im letzten Viertel des fünften Jahrhunderts die Franken und inkorporierte weitere germanische Stämme zum ersten fränkischen Großkönigtum. Eine freiwillige Einheit war es keinesfalls. Kriegerisch unterwarf Chlodwig die rheinfränkischen Stämme und beseitigte alle Kontrahenten, indem er sie kaltblütig und mit großer Heimtücke ermorden ließ. Er entstammte dem Geschlecht der Merowinger, sein Vater war Childerich I. († 481), der die Ausgangsbasis für den späteren Aufstieg des Sohnes schuf, indem er die erlahmende römische Macht dazu nutzte, sich ein selbstständiges Herrschaftsgebiet zu schaffen. Auf den Großvater Merowech (†458) berief sich das Geschlecht der Merowinger namentlich. Chlodwig konnte durch seinen Sieg über die Alamanen bei Zülpich, westlich von Köln, im Jahre 496, und ein weiteres Mal 506, seinen Machtbereich entlang des linken, mittleren Oberrheins bis ins heutige Elsass ausbauen. Um das Jahr 500 nahm er den christlichen Glauben an. Ein denkwürdiger Schritt, so die Analen. Um die Motivation seiner Christianisierung ranken sich einige Mythen. Die weniger sagenumwogene Realität dürfte wohl doch recht rationalen Beweggründen gefolgt sein. Die Franken machten im von ihnen unterworfenen galloromanischen Raum kaum 10 % der Gesamtbevölkerung aus. Sie bildeten dabei nicht nur zahlenmäßig die Minderheit, sie waren durch ihren heidnischen Glauben auch in religiösem Sinne ein Fremdkörper unter den christianisierten keltischen Galliern und den ebenfalls christlichen Nachfahren der Römer. Chlodwig, mit ihm die herrschende fränkische Oberschicht, benötigte die römische Staatskirche, die den Zusammenbruch Westroms überdauert hatte, um die Bevölkerung in diesen weiten Räumen langfristig beherrschen und steuern zu können, womit Chlodwigs Übertritt zum christlichen Glauben eine rein pragmatische Entscheidung war. Er schwankte dabei zwischen der Dogmenauslegung des Arius, wie sie von Goten, Langobarden und Vandalen ausgeübt wurde, und dem Dogma der römischen Kirche, wobei dies eine stark vereinfachte Sichtweise ist, an der Stelle aber genügen muss. Seine burgundische Frau Chrodechild war lange schon Christin und auch die beiden ersten Söhne waren getauft. Der Übertritt stellte damit für ihn keine wirklich große Hürde dar. Mit dem Tod Chlodwigs I. im Jahre 511, vermachte er das damalige Frankenreich an vier Söhne aus zwei Ehen. In den Folgegenerationen zerfiel es in Einzelreiche, fand wieder zusammen, nur um erneut in Teilreiche zu zerfallen. In dieser Zeit des schleichenden Niedergangs königlicher Autorität, gewann eine beaondere Klasse von Hofbeamten, sogenannte Hausmeier, zunehmend Einfluss und übernahmen – ursprünglich nur adlige Verwalter des königlichen Haushalts – mehr und mehr Verantwortung, bis sie schließlich die tonangebenden Funktionäre am Hof wurden und schlussendlich königsgleiche Macht ausübten. Sowohl bei den Franken, wie bei den Burgunden, waren Hausmeier für verschiedene Verwaltungsbereiche gängig, die Ämter bald hart umkämpft und schließlich erblich geworden. Ein gewisser Karl Martell (um 690 – 741), auch bekannt als Karl der Hammer, er wurde zum Namensgeber der Karolinger, erlangte von allen Hausmeiern die bislang größte Macht. Sie stellte ihn neben den König und de facto darüber. König Childerich II. versuchte wiederholt diese Machtstellung zu brechen, wurde aber bei Soissons im Herbst 718 oder 719, die Quellen sind hier nicht eindeutig, endgültig geschlagen. Karl hatte im Februar 718 mit Chlothar IV. einen ihm gefälligen Merowinger als Marioettenkönig installiert, was die Missachtung des amtierenden Königs ausdrückte. Nach Childerichs Tod 721 hob er mit Theuderich IV. eine weitere Marionette auf den Thron der Franken. Karls Sohn Pippin (714 – 768), genannt der Jüngere, machte der ganzen Farce 751 ein Ende und erhob sich selbst zum König aller Franken. Er machte sich nicht einmal mehr die Mühe den letzten merowingischen König Childerich III. beiseite zu schaffen, das heißt ermorden zu lassen, sondern verfrachtete ihn samt dessen Sohn ins Kloster Prüm. Pippin hegte enge Bindung zum römischen Bischof, dessen Stellung als Papst unter den Mitbischöfen noch nicht unumstritten war. Er wollte den Frankenkönig im Kampf gegen die Langobarden für sich gewinnen. Die Langobarden, ein weiterer germanischer Stamm, der sich nach langer Odyssee in Oberitalien festgesetzt hatte und der Lombardei ihren Namen gab, setzten dem Papst und dem entstehenden Kirchenstaat schwer zu. Als römischer Bischof zwar bereits mächtig aber noch nicht mit jener selbstverständlichen Universalmacht ausgestattet, wie in späteren Zeiten, glaubte er Pippin dadurch zu gewinnen, dass er ihm die Krone der Franken anbot, um damit dessen Usurpation zu legitimieren. Pippin war es offen gesagt reichlich egal, ob sein Staatsstreich irgendeine Legitimation hatte, er besaß die Mittel und die Macht dazu und des Papstes Motive durchschaute er ohnehin. Dass er gegen die Langobarden vorging, lief seinen eigenen Absichten im Grunde zuwider. Er glaubte sie noch zu benötigen, denn im Südwesten seines Reichs, kaum noch von den Pyrenäen ferngehalten, waren die Glaubensanhänger Mohammeds auf dem Vormarsch. Es war eine sich seit der ersten Hälfte des siebten Jahrhunderts rasch ausbreitende, neue monotheistische Glaubensrichtung, die in kürzester Zeit millionenfache Anhängerschaft fand. Fast das ganze ehemalige iberische Reich der Westgoten war unter ihren Einfluss geraten, Nordafrika und der Orient ohnehin. In Kleinasien konnte das  oströmische Kaiserreich und die Ostkirche dem Ansturm bislang standhalten, doch schon setzten die ersten Fremdgläubigen nach Sizilien über und machten sich auch dort heimisch.
Wir wollen die Erwägungen Pippins III. des Jüngeren nicht weiter darlegen und gehen weiter zu seinem ältesten Sohn Karl.

Die Eiserne Krone der Langobarten

Als Karl der Große wird er das Frankenreich zum europäischen Großreich ausbauen. Ostwärts des Rheins unterwarf er die Thüringer, Friesen, Bayern, Schwaben und nach langen, äußerst verlustreichen Kämpfen, selbst die Sachsen. Die Sachsen hingen wie die Friesen noch dem alten Glauben an die nordischen Götterwelt nach und wurden gegen Abschluss der Unterwerfungsphasen von den Franken mit brutaler Gewalt zum christlichen Glauben bekehrt. Auch in Oberitalien intervenierte Karl, besiegte die Langobarden und setzte sich als ihr König die Eiserne Krone auf. Am Weihnachtstage 800 salbte und krönte ihn schließlich Papst Leo III. (um 750 – 816) in Rom zum ersten westeuropäischen Kaiser seit der Antike.
Karls Krönung darf als der frühste aller in Frage kommenden Anfänge jenes Reichsbegriffs betrachtet werden, den wir zu erörtern suchen. Sein universeller Machtanspruch war ein prägnantestes Merkmal, das seinem wie den danach kommenden Reichen inhärent war. Der Kaiser war nicht Primus inter pares, nicht Erster unter Gleichen, er stand über allen anderen, war weltlicher Herr der Herren, oberster aller christlichen Könige und zugleich Schutzmacht der Christenheit.

Ist der Beweis erbracht, dass das Reich Karls des Großen der Anfang des Reichs war, das noch 1000 Jahre später existierte oder war es nur einer seiner Bausteine, dabei vielleicht der Grundstein oder Eckpfeiler?


Zerfall des fränkischen Großreichs

Zersplitterung und Zerfall war den fränkischen Herrschern, Merowingern wie Karolingern, förmlich in die Wiege gelegt. Die salfränkische Praxis den Besitz an alle männlichen Nachkommen zu mehr oder weniger gleichen Teilen zu vermachen, führte nicht nur zu unvermeidlichen Aufspaltungen, es führte oft genug zu bitter ausgefochtene Erbfolgestreitigkeiten, bis hin zu langwierigen  Kriegen.
Mit dem Tod Karls des Großen am 28. Januar 814, blieb vorläufig eine Teilung des gewaltigen Reichs aus. Trotz seiner 806 vorgesehenen Devisio Regnorum, die eine Dreiteilung der Herrschaft nach seinem Ableben vorsah, kam es nicht dazu, denn zwei seiner drei Söhne starben noch vor ihm. Nur Ludwig, zu dem er am wenigsten Bezug und Zutrauen hatte, er trug den Beinamen der Fromme, überlebte als einziger Sohn. Seit dem 11. September 813, Karl fühlte dass seine Zeit bald kommen würde, war Ludwig Mitkaiser, wodurch die baldige Nachfolge ohne Schwierigkeiten verlief. Das Reich Karls blieb somit territorial und politisch ungeteilt, litt aber in weiten Teilen unter Korruption und schon unter Zerfallserscheinungen. Ludwig tat manches um gegenzusteuern. Er reformierte unter anderem das Prozessrecht, konnte jedoch keine dauerhafte Kehrtwende bewirken, zumal die eigenen Söhne die größten Probleme bereiteten . Schon 817 traf er in der Ordinatio imperii eine Regelung zur Reichsteilung unter den Söhnen. Neu an seiner Disposition war die Bildung eines Herrschaftsschwerpunkts zugunsten seines ältesten Sohns Lothar, der nicht nur die Kaiserkrone weiterführen, sondern auch nach außen das Primat über alle fränkischen Herrschaftsgebiete ausüben sollte, während die zwei jüngeren Brüder Pippin und Ludwig nur in ihren Teilkönigreichen innenpolitische Autonomie genossen. Sie durften weder eigene Kriege führen, noch Bündnisse schließen. Es folgten in den 830’er Jahren schwierige Zeiten für den gutmütigen Kaiser. Er wurde zweimal abgesetzt, 830 und 833, fand aber zweimal an die Spitze zurück. Stets waren wechselnde Koalitionen seiner Söhne daran beteiligt ihn entweder vom Thron zu stürzen oder wieder einzusetzen. Eine Ursache der familiären Konflikte war ein mittlerweile geborener vierter Sohn aus Ludwigs zweiter Ehe mit der Welfin Judith. Die ehrgeizige Mutter wollte für ihren Sohn auch ein Stück vom künftigen Erbe. Im Jahre 837 revidierte der Kaiser seine 817 getroffene Erbverordnung zugunsten jenes vierten Sohnes, der den Namen des berühmten Großvaters trug. Karl, man nannte ihn den Kahlen, war den Halbbrüdern ein Dorn im Auge aber auch untereinander legten sie ihren Argwohn und ihre Eifersucht nicht ab.

Kaiser Ludwig der Fromme verstarb 840 in Ingelheim, auf dem Rückweg von einem Straffeldzug gegen seinen gleichnamigen Sohn Ludwig den Deutschen, den er zuvor gegen sich aufgebracht hatte. Erwähnenswerte Randbemerkung, Ludwig der Deutsche war mit der Schwester seiner Stiefmutter verheiratet, die somit gleichzeitig seine Schwägerin wurde. Seine Frau Hemma war zugleich Schwiegertochter und Schwester von Kaiserin Judith.
Kaiser Ludwigs ursprünglicher Plan die politische Integrität des fränkischen Imperiums unter der Leitung seines ältesten Sohns Lothar zu erhalten, bei gleichzeitiger Wahrung gängiger Erbansprüche der nachgeborenen Söhne, scheiterte an mehreren Faktoren, wozu die 837 getroffene, übermäßige Bevorzugung seines jüngsten Sohns Karl gehörte, doch nicht nur daran. Der Einheitswille unter den nachgeborenen Söhnen war gering ausgeprägt, ihr Wunsch nach mehr Autonomie wurde nicht ausreichend berücksichtigt, was schon bei Lebzeiten des Vaters zu allerlei kriegerischen Auseinandersetzungen führte.

Reichsteilung gemäß dem
Vertrag von Verdun im Jahre 843

Die Konflikte reichten wie zu erwarten über den Tod Ludwigs hinaus und wurden erst mit dem Frieden von Verdun 843 für einige Zeit beigelegt. Es kam damals zur folgenreichen Dreiteilung des Frankenreichs. Es entstand ein westfränkisches Reich unter Karl dem Kahlen, ein ostfränkisches Reich unter Ludwig dem Deutschen und ein großes Mittelreich unter Kaiser Lothars Herrschaft.
Das Mittelreich zerfiel schon ein Jahrzehnt später durch neuerliche Erbteilungen. In der Prümer Reichsteilung vom 19. September 854 teilte der bereits todkranke Kaiser Lothar I. das Lotharii Regnum unter seinen drei Söhnen. Zehn Tage später verschied er im Kloster Prüm. Dem ältesten Sohn fiel als Ludwig II. (825 – 875) die Kaiserkrone und das Königreich Italien zu. Der zweitgeborene Lothar (835 – 869), fortan Lothar II., erhielt Lotharingien, aus dem später das Herzogtum Lothringen hervorging und die Gebiete bis an die Nordseeküste, des Weiteren die Region um Köln mit der wichtigen Kaiserpfalz Aachen, wo im Dom der Thron Karls des Großen stand und selbiger auch beigesetzt wurde. Der jüngste Sohn Karl (845 – 863) erhielt, damals noch unmündig und unter formeller Vormundschaft Ludwig II., die Provence und Burgund ohne die Bourgogne, die seit 843 zum westfränkischen Reich seines gleichnamigen Onkels Karl dem Kahlen gehörte. Karl von der Provence, wie er zur besseren Unterscheidung genannt wird, war wahrscheinlich zeitlebens kränklich. Gegen Ende seines kurzen Lebens litt er nachweislich an Epilepsie. 863, zwanzig Jahre nach dem Vertrag von Verdun, starb Karl ohne einen Erben zu hinterlassen und seine Brüder Ludwig II. und Lothar II. teilten sich seine Ländereien.


Expansion des West- & Ostfrankenreichs

Unter Ludwig II. zerfiel die kaiserliche Autorität weiter und verkam zur reinen Titulatur. Auf die fränkischen Teilkönigreiche seiner Onkel im Westen und Osten hatte er keinerlei Einfluss mehr.
Im Jahre 869 verstarb auch des Kaisers zweiter Bruder Lothar II. ohne eigenen Erben. Für Kaiser Ludwig II. wäre es die Gelegenheit gewesen das alte Mittelreich des Vaters wieder zu vereinen, doch er verzichtete auf Inanspruchnahme des brüderlichen Erbes. Stattdessen eigneten sich die Onkel, der westfränkische König Karl der Kahle und der ostfränkische König Ludwig der Deutsche die Ländereien nach einem bereits 867 vereinbarten Modus an.

Vertrag von Meerseen 870

Am 8. August 870 wurden die Annexionen im Vertrag zu Meerssen beurkundet. Burgund, sowie die westlichen Teile Lotharingiens fielen an das Westfrankenreich Karls des Kahlen. Friesland, Holland, der östliche Rest Lotharingiens, das Elsass und das Gebiet Köln-Aachen mit dem Thron Karls des Großen, fiel an Ludwig den Deutschen und damit an das ostfränkische Reich. Vom alten Mittelreich Kaiser Lothars I. blieb nur noch das Königreich Italien, die Provence und die südöstlichen Teile Burgunds, was heute in etwa der französischsprachigen Schweiz entspricht.
Am 12. August 875 starb Kaiser Ludwig II. bei Brescia. Er hinterließ nur zwei Töchter, die nach salischem Recht nicht titelberechtigt waren. Der Kaisertitel war vakant geworden. Sowohl Ludwig der Deutsche, wie sein deutlich jüngerer Halbbruder Karl der Kahle strebten die Krone an und buhlten darin um die Gunst des Papstes. Karl kam Ludwig mit einem Romzug zuvor und wurde am 25. Dezember in Rom zum Kaiser gekrönt, auf den Tag 75 Jahre nach der Krönung Karls des Großen, dem Großvater. Der ostfränkische König Ludwig gab seine Ansprüche nicht auf, doch verhinderte sein fortgeschrittenes Alter und eine nicht mit genug Nachdruck betriebene Politik den Erfolg. Die zahlreichen Konflikte in seiner 50 jährigen Regentschaft, darunter fast ununterbrochene Kriege mit den Slawen, die er wieder unter fränkische Lehnshoheit bringen wollte, aber auch Auseinandersetzungen mit den eigenen Söhnen seit den frühen 870‘er Jahren, hatten ihn erschöpft. Der neue Kaiser schätzte den vermuteten inneren Konflikt zwischen Vater und Söhnen und die von ihm erwarteten Rivalitäten unter den Söhnen, nach Ableben des greisen Ostfrankenkönigs jedoch falsch ein, was ihn dazu verleitete eine Reunion Lotharingiens bis zum Rhein und je nach Verlauf auch noch darüber hinaus, mit Waffengewalt vornehmen zu wollen.

Siegel Ludwigs des Deutschen
Auffallend die starke Ähnlichkeit
mit römischen Siegeln aus der Antike

Als Ende August 876 der ostfränkische König Ludwig II. der Deutsche nach ungewöhnlich langen 50 Jahren Regentschaft, davon 33 Jahre als ostfränkischer König, im damals hohen Alter von rund 70 Jahren in seiner Königspfalz zu Frankfurt starb, wurde sein Reich einvernehmlich unter den Söhnen Karlmann, Ludwig und Karl gemäß seiner Nachlassbestimmung geteilt. An den erstgeborenen Karlmann fiel das Königreich Bayern, zu dem das slawisch besiedelte Kärnten und das heutige Ober- und Niederösterreich gehörte. An den zweitgeborenen Ludwig, jetzt Ludwig III., fielen Sachsen, gemeint ist das heutige Niedersachsen mit Friesland und Holland, Thüringen zu dem große Teile des heutigen Hessens gehörten und Franken, womit die rheinfränkischen Gebiete und Ostlotharingien gemeint sind. An den jüngsten Sohn Karl fiel das Königreich Alemannien, wozu der südwestdeutsche Raum rechts und links des Rheins bis Oberschwaben im Osten, und der größte Teil der heute deutschsprachigen Schweiz gehörte.
Karl der Kahle, König im fränkischen Westreich, König in Italien und seit Weihnachten 875 römischer Kaiser, stellte an seinen Neffen Ludwig III. umgehend die Forderung die linksrheinischen Gebiete Lotharingiens, die 870 im Vertrag von Meerssen ans ostfränkische Reich gefallen waren, an ihn abzutreten. Ludwig lehnte wie zu erwarten ab, worauf der Kaiser mit dem vorbereiteten Einmarsch begann und weite Teile des von ihm geforderten Gebiets besetzen ließ. Am 8. Oktober 876, etwas mehr als einen Monat nach dem Tod des alten ostfränkischen Königs Ludwig dem Deutschen, Karls Halbbruder, kam es bei Andernach zur Schlacht zwischen den Heeren des westfränkischen Königs und seines Neffen Ludwig III., der überraschend schnell Kräfte zusammenziehen konnte. Im ostfränkischen Territorium waren die Absichten im Vorfeld nicht unbemerkt geblieben, so dass Ludwig Streitkräfte sammeln konnte. Zahlen über die eingesetzten Truppen beider Seiten sind nicht bekannt, doch darf man davon ausgehen, das Karl der Kahle nicht leichtfertig mit kleinem Kontingent eingerückt war, entsprechend wird das Heer Ludwigs gewesen sein. Es gelang ein überwältigender Abwehrsieg, wobei das Heer Karls vernichtend geschlagen wurde und nur Reste flüchten konnten. Ludwig III., unterstützt von seinen Brüdern, ging in die Gegenoffensive und marschierte nun seinerseits in die westlichen Regionen von Lotharingien ein. Der Kaiser befand sich seither regelrecht auf der Flucht und starb fast genau ein Jahr nach der Schlacht bei Adernach am 6. Oktober 877 unweit der Grenze zwischen Hochburgund und Italien.

Der ostfränkische König Ludwig III. verglich sich schon bald mit Karls Enkeln Ludwig III. und Karlmann, beiläufig erwähnt eine interessante und verwirrende Namensgleichheit hinsichtlich Ludwig III. und Karlmann im ostfränkischen Reich. Die beiden westfränkischen Karolinger hatten nach dem raschen Tod ihres Vaters Ludwig II. (845 – 879), der Stammler genannt, den Thron im zweigeteilten westfränkischen Reich bestiegen und gemeinschaftlich regiert. Im Vertrag von Ribemont kam es 880 zur Abtretung ganz Lotharingiens ans ostfränkische Reich Ludwigs III. und damit zum genauen Gegenteil von dem, was Kaiser Karl der Kahle 876 mit seinem Marsch zum Rhein bezweckt hatte.


Zerfall, Wiedervereinigung & Wikingerplage

Nach dem Tod Kaiser Karls des Kahlen im Jahr 877, ging das westfränkische Reich an seinen einzigen noch lebenden Sohn Ludwig II. den Stammler. Dessen Herrschaft war schwach. Dass er überhaupt zum König erhoben wurde, musste durch reiche Gebietsschenkungen an die Großen des westfränkischen Reichs erkauft werden. Ludwig II. ist schon 879 gestorben und das westfränkische Reich wurde unter seinen zwei Söhnen zweigeteilt, wir erwähnten es. Franzien im Norden ging an Ludwig III., Aquitanien an Karlmann II., Niederburgund und die Provence, das sogenannte Arelat, erlangten die Unabhängigkeit, die genauen Hintergründe lassen wir unerwähnt, es würde zu weit gehen. Ludwig III. starb kinderlos nach bereits drei Jahren im August 882 in Paris, wodurch Franzien und Aquitanien wiedervereint unter die Regentschaft Karlmanns II. kam, jedoch nicht für lange, denn auch er starb schon zwei Jahre später, im Dezember 884 bei einem Jagdunfall an der Grenze zur Normandie. Karlmann hinterließ eine hochschwangere Frau und damit zunächst keinen nachfolgefähigen Erben.

Wie verhielt es sich in dieser Zeit im ostfränkischen, damals dreigeteilten Reich? Nach den 880 im Vertrag von Ribemont beurkundeten Gebietserweiterungen, war das ostfränkische Reich dominant geworden, das mittlerweile aus fünf großen Stammesherzogtümern bestand, Lothringen, Sachsen, Franken, Schwaben und Bayern. Am 29. September 880 starb Karlmann in Altötting. Es muss noch einmal auf die  Namensgleichheit im ost- und westfränkischen Reich hingewiesen werden, um Verwechselungen vorzubeugen. Mit dem 880 gestorbenen Karlmann ist der älteste Sohn Ludwigs des Deutschen gemeint, nicht sein gleichnamiger Vetter, der Enkelsohn Karls des Kahlen. Seit der ostfränkischen Reichsteilung von August 876, war Karlmann König von Bayern. Mit dem Tod seines westfränkischen Halbonkels Karl dem Kahlen 877, fiel die Krone Italiens an ihn. Schon zwei Jahre später begann seine Gesundheit nachzulassen, 879 trat er deswegen die italienische Krone an seinen jüngsten Bruder Karl III. ab, der den Beinamen der Dicke trug. Als Karlmann starb, fiel Bayern an den nächstjüngeren Bruder Ludwig III., dem seinerzeitigen Sieger von Andernach. Ludwig III. vereinte nun Sachsen, Lothringen, Franken und Bayern auf sich. Karl III. regierte als Kaiser über Allemannien, mit dem Herzogtum Schwaben und über Italien. Am 20. Januar 882 starb Ludwig in Frankfurt, wie schon der Vater sechs Jahre zuvor. Er hinterließ keine Erben. Im Jahr 879 war sein einziger Sohn als Kleinkind durch einen Sturz aus dem Fenster ums Leben gekommen. Seine vier Herzogtümer fielen damit an den Bruder, an Karl III., der nun alleine die Krone des ostfränkischen Reichs und die Eiserne Krone Italiens auf sich vereinigte. Die größte fränkische Machtkonzentration, seit dem Tod Ludwigs des Frommen. Als im Dezember 1184 im Westfrankenreich die karolingische Königslinie endete, bot eine westfränkische Adelsdelegation Karl III. die Krone des Westfrankenreichs an. Karl III. vereinte nun das großfränkische Reich Karls des Großen unter sich. Nicht durch Kriege und Eroberungen, sondern durch das schicksalhafte Wegsterben seiner Brüder, sowie dem Aussterben der Westfranken.
Trotz der wiedererlangen Einheit, war das Kaiserreich Karls III. machtpolitisch ein Schatten jenes Karls des Großen. Lokale Kräfte fränkischer Adliger und mächtige Kirchenfürsten übten einen stetigen Druck aus und untergruben zusehends die Zentralgewalt des Kaisers. Als weitaus größte Gefahr für den Weiterbestand des fränkischen Reichs zeigte sich noch eine ganz andere Bedrohung und sie kam in flachen, seetüchtigen Langbooten aus dem Norden Europas. Wikinger, ein neuer Schreckensbegriff verbreitete sich entlang der Küsten und Flüsse. Schon unter den späten Merowingern kam es zu gelegentlichen Überfallen nordischer Heiden auf Küsten und ufernahe Flußabschnitte. Unter Karl dem Großen mehrten sich die Angriffe, denen wegen der hohen Mobilität kaum adäquat begegnet werden konnte aber unter seinen Nachfolgern wurde es zur wahren Plage. Scharen ergossen sich mal hier, mal dort, plünderten und zerstörten, was sie nicht mitnehmen konnten, bevor sie wieder verschwanden. Unter Karl dem Kahlen wurde den Nordmännern ein eigenes Fürstentum beiderseits der Seinemündung gegebene, das fortan Normandie genannt wurde. Bedingung war, die Franken bei der Bekämpfung  weiterer Wikingerattacken zu unterstützen. Die Nordmänner des späten 9. Jahrhunderts waren in ihrer inneren Zerstrittenheit ihren germanischen Vettern der Antike und Spätantike sehr ähnlich. Um des eigenen Vorteils Willen bekämpften sich die Sippen ebenso gegenseitig, wie sie gemeinsam gegen Dritte zu den Waffen griffen. Gegen die eigenen Leute zu kämpfen, war nicht anrüchig. Ähnlich den Römern, die sich seinerzeit germanische Söldnertruppen hielten, wurde es Mode sich kampferprobte Nordmänner zu halten. Dass das Verfahren unter dem christlichen fränkischen Adel nicht überall auf Akzeptanz stieß, war nachzuvollziehen, besonders nicht, nachdem den Heiden jene umfangreichen Gebiete an der Küste zugestanden wurden. Überraschenderweise blieben sie kein Fremdkörper. Sie begannen sich, analog den spätantiken Franken, in die galloromanische Mischgesellschaft zu integrieren, lernten die volkstümliche Sprache, eine Mischung aus Vulgärlatein, keltisch und germanischen Sprachresten, aus der sich das Altfranzösisch entwickelte. Es erscheint erstmals in schriftlicher Form in den Straßburger Eiden 842, und beweist, dass es als Umgangssprache längst Einzug gehalten hatte. Die Straßburger Eide waren zweisprachig gehalten, neben Altfranzösisch, war das Dokument auch in Altdeutsch gehalten, ein westgermanisch-fränkischer Dialekt. Die Straßburger Eide belegen eindrucksvoll wie weit die fränkischen Territorien am Vorabend des Vertrags von Verdun (843), der ersten Teilung des großfränkischen Reichs, sprachlich und kulturell bereits auseinander lagen. Im ostfränkischen Reich hatten sich die germanischen Ursprünge der Franken, überhaupt das Germanische in seiner Ursprünglichkeit länger erhalten als im westfränkischen Teil, wo die romanische und die romanisierte keltische Bevölkerung das germanisch-fränkische Erbe größtenteils verdrängt hatten. Die erste Territorialteilung folgte gewissermaßen auch schon vorhandenen Sprach- und Kulturzonen, von harten Grenzen wollen wir aber nicht sprechen. Wenn es noch vereinigende Merkmale gab, so hauptsächlich politisch getrieben von der aristokratischen Oberschicht der Franken und den karolingischen Königsgeschlechtern.

Karl III. konnte die Einheit nicht bewahren. Wie allen seinen Vorgängern, gelang es auch ihm nicht den Überfällen der Wikinger Herr zu werden, was sein Ansehen unter bei den Großen des Frankenreichs beschädigte. Noch vor seinem Tod am 13. Januar 888, zerfiel das fränkische Großreich erneut und dieses Mal endgültig. Der Wille das fränkische Reich in seiner territorialen Integrität zu erhalten, war selbst in der Königsdynastie kaum mehr vorhanden und die zahlreichen regionalen Mächte strebten ohnehin auseinander. Das Fehlen eines legitimen Erben tat ein Übriges. Der Versuch einen unehelichen Sohn namens Bernhard von Papst Hadrian III. legitimieren zu lassen, schlug fehl, denn der Papst starb noch vor Ausführung des Plans. Sein Nachfolger, Papst Stephan V. ließ sich nicht auf das Vorhaben ein. Ein unehelicher Sohn des 880 verstorbenen Karlmann, er war wie wir erwähnten der älteste Sohn Ludwigs des Deutschen, brachte schließlich den Stein ins rollen, der das morsche Herrschaftsgefüge zum Einsturz brachte.

Siegel König Arnolf
Rex Francorum Orientalium

Arnolf von Kärnten, besagter unehelicher Sohn Karlmanns, scharte durch Charisma und Führungsstärke die Großen Bayerns, Frankens und Thüringens hinter sich. Sachsen zeigte sich schon damals königsfern, wenn auch nicht separatistisch. Alemannien hielt es weiterhin mit Karl III. und seinem gleichfalls unehelichen Nachfolgekandidaten Bernhard. Lothringen  lieb indifferent, neigte später zum westfränkischen Reich, kehrte dann wieder ins ostfränkische Reich zurück. Kaiser Karl III. war seit der Reichsversammlung vom November 887 zu Trebur im ostfränkischen Raum faktisch entmachtet. Zu einer kriegerischen Auseinandersetzung mit seinem Neffen Arnolf kam es nicht. Als der Kaiser nicht lange nach Trebur im Januar 888 in Neudingen an der Donau starb, wurde Arnolf offiziell zum ostfränkischen König erhoben ohne Ansprüche auf Italien oder das Westfrankenreich zu erheben. Eine Adelsdelegation der Westfranken trug ihm die Regentschaft an, er lehnte jedoch ab und schlug stattdessen Graf Odo von Paris vor, der sich bei der Verteidigung von Paris gegen die Nordmänner einen Namen gemacht hatte. Odo wurde, nachdem er sich mit Arnolf im August 888 in Worms getroffen und von diesem eine eigene Krone erhalten hatte, am 13. November 888 in Reims zum westfränkischen König gekrönt. Er war damit der erste König in Westfranken, der nicht der Dynastie der Karolinger angehörte. Eine Zäsur zwischen dem West- und Ostreich der Franken war erfolgt. Die seit dem Tod Ludwigs des Frommen trotz Reichsteilung kontinuierlich fortbestandene enge verwandtschaftliche Bindung innerhalb der Karolinger, war durchschnitten. Odo erkannte zwar den Vorang Arnolfs vorbehaltlos an, konnte aber im Westen völlig uneingeschränkt herrschen.
Die zehn Jahre seiner Regierung waren geprägt von inneren Unruhen. Unmut unter den Großen führte 893 zur Wahl eines Gegenkönigs. Ausgewählt wurde ein Enkel Ludwig des Stammlers. Beim Tod des Vaters noch nicht geboren, war er als karolingischer Thronerbe übergangen worden, indem man in Ermangelung einer Alternative den Ostfranken Karl III. auserkor und dannach Arnolf zu inthronisieren suchte, um schließlich ganz mit der Karolinger Dynastie zu brechen und den Robertiner Odo auf den Thron zu heben. Odo konnte sich während des Bürgerkriegs durchsetzen, wurde vom Thronprätendenten anerkannt, gestand diesem aber umgekehrt die zukünftige Thronfolge zu, statt wie bisher dem eigenen Bruder. Der Name des designierten westfränkischen Thronerben, wen kann es noch wundern, war Karl. Dass im ostfränkischen Reich mit Arnolf endlich ein anderer Name als Karlmann, Ludwig oder eben Karl auf dem Thron erschien, war eine Neuerung.


Lage im italienischen Reichsteil

Wie sah es im italienischen Reichsteil derweil aus? Auch hier setzten sich nichtkarolingische Thronfolger durch, die jetzt den König von Italien stellten und ebenso den Kaiser. Zuerst erschien der Franke Berengar von Friaul (um 850 – 924) aus dem Geschlecht der Unrochinger, dann der Langobarde Guido von Spoledo (855 – 894), aus dem Haus der Guidonen, gefolgt von seinem Sohn Lambert (875 – 898).
Die Macht Herzog Guidos wurde Papst Stephan V. schnell zur Last. 891 erzwang vom Papst die Kaiserkrönung. Wahrscheinlich bereute er es längst, damals dem unehelichen Sohn des verstorbenen Kaisers Karl III. nicht zur Nachfolge verholfen zu haben.  Stattdessen saß ihm nun der Herzog von Spoledo als Kaiser und König von Italien direkt vor der Haustier und übte beständigen Druck auf das Patrimonium Petri aus. Doch musste sich Stephan V. nicht lange darüber grämen, er starb noch im gleichen Jahr, am 14. September 891. Nachfolger wurde Papst Formosus. Auch er geriet sofort unter der die Knute der Guidonen und wurde gezwungen des Kaisers Sohn Lambert im Februar 892 zum Mitkaiser zu krönen.
Der neue Papst, bei seiner Wahl mit rund 75 Jahren in sehr hohem Alter, sandte an den ostfränkischen König Arnolf von Kärnten und bat um Unterstützung gegen die Überhand nehmenden langobardischen Gewaltakte gegen Papst und Kurie. Schon Papst Stephan V. hatte ein geheimes Bittschreiben geschickt, das aber nicht erhört wurde, da sich Arnolf aus den Streitigkeiten außerhalb des ostfränkischen Herrschaftsgebiets heraushalten wollte, zumal ohnehin erst zu dieser Zeit der Konkurrenzkampf um die ostfränkische Krone im Wettstreit mit Bernhard, unehelicher Sohn Karls III., endgültig zu seinen Gunsten entschieden wurde. Des Weiteren waren Konflikte mit den Mähren und einfallenden Nordmännern bestimmend für seine auf innere Angelegenheiten gerichtete Politik der Anfangsjahre.
Wir kommen im nächsten Abschnitt auf die Reaktion Arnolfs zurück, und schließen die Betrachtung der italienischen Verhältnisse mit der Bemerkung: alles war in Bewegung. Stabilität innerhalb der fränkischen Teilreiche gab es am Ende des neunten Jahrhunderts nur noch im ostfränkischen Raum, dem wir uns jetzt näher widmen.


Das ostfränkische Reich unter den Karolingern

Wir fassen nochmal in aller Kürze die wichtigsten Etappen aus der Perspektive des ostfränkischen Reichs zusammen. Der Vertrag von Verdun, geschlossen am 10. August 843 zwischen den drei überlebenden Söhnen Kaiser Ludwigs I. des Frommen, war der Anfang des ostfränkischen Reichs, aus dem sich in sehr weiter Zukunft einmal Deutschland entwickelte. Er war in gleicher Weise für das westfränkische Reich von Bedeutung, denn aus ihm ging später die französische Nation hervor und dies schon relativ früh, wie wir noch feststellen werden. Im Hinblick auf unsere Anfangsfrage nach dem Beginn jenes Reichskonstrukts, das zur Zeit der Mark Brandenburg existierte, ist dieses Datum ein ganz wichtiger Meilenstein, den es zu merken gilt.
Ludwig der Deutsche – er regierte als Unterkönig seit 817 in Bayern und Karantanien, das später zum Herzogtum Kärnten wurde, und zunächst noch slawisch besiedelt war – wurde der erste ostfränkische König und erhielt erst von der Geschichtsschreibung den Beinamen „der Deutsche“, denn deutsch oder Deutschland war noch völlig unebkannt. Mit seinem Tod kam es zu einer einvernehmlichen, territorial ungleichen Dreiteilung des ostfränkischen Reichs, das aber nach außen als einheitliche Union auftrat. Es ist in dieser durchgängigen Ausprägung die frühste Form föderaler Herrschaftsstruktur auf dem Territorium des späteren Deutschlands. Ludwig III., er war der zweite Sohn des erst kürzlich verstorbenen Königs, siegte bei Andernach über seinen expansionistischen Onkel, den westfränkischen Kaiser Karl den Kahlen. Dies stärkte das ostfränkische Reich und brachte 880 Westlotharingien im Vertrag von Meerssen ein. Nachdem sowohl der erstgeborene Karlmann wie auch Ludwig III. nach nur jeweils kurzer Regentschaft starben, ohne dabei einen legitimen Erben zu hinterlassen, vereinte Karl III. der Dicke alle ostfränkischen Teilreiche plus das Königreich Italien unter seiner Hand. Zu diesem Zeitpunkt waren die wichtigsten Einzelterritorien, die sehr bald für Jahrhunderte integraler Bestandteil des Alten Reichs wurden, unter einem Herrscher vereint. Wenige Jahre später fielen sogar die beiden westfränkischen Teilkönigreiche, allerdings ohne Niederburgund, an Karl III., der damit das erste Mal seit Kaiser Ludwig I. dem Frommen, alle fränkischen Reichsteile Karls des Großen unter ein Regiment brachte. Sein persönlicher Anteil daran war gering, er hatte einfach alle anderen Kandidaten überlebt, so dass ihm die Teilreiche ohne eigenes Zutun zufielen.
Die Einheit des großfränkischen Reichs war nicht von langer Dauer. Selbst über keinen allgemein anerkannten Thronfolger verfügend, schwach und ohne Fortune bei der Regentschaft, regte sich Unmut unter den ostfränkischen Großen des Reichs, vor allem im bayrischen Raum. Karl III. rief 887 zu einer großen Reichsversammlung nach Trebur, die jedoch von den meisten lokalen Größen des Reichs boykottiert wurde, was einer symbolischen Absetzung gleichkam. Sie hatten sich einen anderen Kandidaten als Anführer, als König auserkoren. Einen unehelichen Sohn Karlmanns und somit ein Neffe Karls III. Sein Name lautete Arnolf, was soviel wie Adlerwolf bedeutet. Spätestens seit 888 regierte er unangefochten im ostfränkischen Reich. Anerbietungen hinsichtlich der Krone des Westfrankenreichs, nach dem Tod Karls III., lehnte er ab. Auch in die verworrene Italienpolitik mischte er sich zunächst nicht sein.
Soweit die Zusammenfassung.

Arnolf war ein erfolgreicher Heerführer, was ihm unter den Regionalfürsten zu hohem Ansehen verhalf. Im Sommer 891 schlug er bei Löwen östlich von Brüssel die Nordmänner, die fortan das ostfränkische Reich nicht mehr plünderten. Damit gelang ihm ein ganz wesentlicher Sieg, der im Norden des Reichs den Landesausbau erheblich beförderte. Die Plage der nordischen Räuberhorden war seit Jahrzehnten eine wahre Geisel und Heimsuchung. Das Prestige Arnolfs stieg mit dem Sieg in ungekannte Höhen. Beflügelt von den Erfolgen, widmete er sich in den beiden kommenden Jahren 892 und 893 in zwei Feldzügen den Mährern, die mit aller Gewalt ihre Unabhängigkeit anstrebten. 894 kam es zur einvernehmlichen Einigung.

Siegel Arnolfs als Kaiser

Jetzt war die Zeit gekommen, sich den verworrenen Verhältnissen in Italien anzunehmen, wo er jeweils von Papst Stephan V. und von Papst Formosus um Hilfe gegen den despotischen agierenden Kaiser aus dem langobardischen Geschlecht der Guidonen gerufen wurde. Zweimal zog er dafür nach Italien. Den ersten Romzug brach er April 894 nach der Eroberung von Pavia und Bergamo ab und kehrte erst wieder im Spätjahr 895 nach Italien zurück. Der italienische König unterwarf sich ihm kampflos. Rom verwehrte ihm aber den Zugang, so dass er sich den Weg in die Stadt erkämpfen musste. Ende Februar 895 wurde er vom Papst zum Kaiser gekrönt. Man möchte an dieser Stelle fast von der Geburt einer Tradition sprechen. Nach ihm werden noch viele Könige aus den Gebieten nördlich der Alpen aufbrechen und an der Spitze eines Heeres entweder die Römer oder den Papst von einer Kaiserkrönung überzeugen müssen. Manchmal wird die reine Drohkulisse genügen, manchmal musste gekämpft werden und manches Mal wurde sogar eigens ein Gegenpapst installiert, um die Kaiserkrönung gegen alle Widerstände zu ermöglichen.

Mit Arnolf von Kärnten war der Zenit karolingischer Macht, ausgehend vom ostfränkischen Reich, erreicht. Zwar konnte er nicht mehr wie sein Onkel Karl III. das ganze Reich einen, dafür war seine Machtstellung als Monarch unangefochten, sein Ruf als Feldherr makellos, was ihn fast auf die Höhe mit Karl dem Großen hob. Noch im Jahr seiner Kaiserkrönung erlitt Arnulf in Italien einen Schlaganfall, von dem er sich nur leidlich erholte. Er kehrte in den Reichsteil nördlich der Alpen zurück und hielt im August 896 in Forchheim eine Reichsversammlung ab. Zur Jahreswende verschlechterte sich der Gesundheitszustand des Kaisers. Die Nachfolgefrage wurde zur dringenden Angelegenheit. Schon kurz nach seinem Regierungsantritt versuchte er anlässlich einer Versammlung der Großen des Reichs im Jahre 889 zwei uneheliche Söhne von zwei verschiedenen Müttern für den Nachfolge zu positionieren. Etwa um die Zeit seiner Königserhebung hatte Arnulf geheiratet, die Fürsten erhofften sich aus dieser Verbindung einen legitimen männlichen Nachkommen, weswegen sie Vorbehalte gegen die beiden illegitimen Söhne   hatten. Im Herbst 893 stellt sich glücklich ein männlicher Nachkomme ein. Er erhielt ganz der Karolinger Tradition den Namen Ludwig und somit einen der üblichen gewordenen drei Königsnamen.
Frühling 899 ereilte den Kaiser ein zweiter Schlaganfall. Sein Gesundheitszustand ließ kaum mehr Regierungshandlungen zu. Unter der Führung Erzbischof Hattos von Mainz sollte der minderjährige Ludwig nun als Nachfolger anerkannt werden. Die Pläne des ehrgeizigen Erzbischofs führten zu einer regelrechten Schmierenkomödie gegen des Kaisers Frau Oda, gegen die ein öffentlicher Prozess wegen angeblichem Ehebruch eingeleitet wurde. Letztendlich wurde sie von Leumundszeugen entlastet und freigesprochen. Denkbar war dass die Mutter des designierten Thronfolgers gezielt unschädlich gemacht werden sollte, damit der fränkische Hochadel, darunter das dominierende Geschlecht der Konradiner, ebenso einzelne Kirchenfürsten, allen voran jener Mainzer Erzbischof Hatto, freien Zugang und Einfluss auf das Kind nehmen konnten. Vielleicht war aber auch ein Dynastiewechsel schon damals das Ziel aller Bemühungen.

Am 8. Dezember 899 starb der Kaiser nach einer Serie von weiteren Schlaganfällen mit rund 50 Jahren in Regensburg und wurde in der nahe gelegenen Benediktinerabtei Sankt Emmeram beigesetzt. Acht Wochen später krönte man seinen sechsjährigeren Sohn Ludwig am 4. Februar 900 in Forchheim zum neuen König der Ostfranken. Die Kaiserkrone erhielt mit Ludwig dem Blinden wieder ein Langobarde, während die Eiserne Krone der Langobarden, die Krone des italienischen Königs, erneut an den Franken Berengar I. von Friaul ging. In Lothringen konnte sich Zwentibold, der ältere der beiden erwähnten, vorehelichen Söhne Arnolfs kurze Zeit noch halten, bevor ihn der lothringische Adel, der ihn schon immer ablehnte, entmachtete, dem neuen König im März 900 huldigte und diesen in ihr Herzogtum führte. Zwentibold ist am 13. August 900 während eines Gefechts an der Maas ums Leben gekommen, er hinterließ zwei Töchter. Seine Witwe heiratete noch im gleichen Jahr den Grafen Gerard, der am Gefecht gegen Zwentibold beteiligt war.

Im Sommer des Jahres 900 fielen in Niederösterreich, dass damals zu Bayern gehörte, erstmals in großem Stil halbnomadisierende Reiterheere ins ostfränkische Reich ein. Sie kamen aus dem Karpartenbecken der pannonischen Tiefebene, das größtenteils dem heutigen Ungarn entspricht. In den kommenden fünf Jahrzehnten werden sie zur Heimsuchung für ganz Mittel-, selbst West- und Südeuropa bis zur iberischen Halbinsel werden. Am schlimmsten traf es immer wieder das ostfränkische Reich, das sich in den ersten Jahren noch erfolgreich wehren konnte, dauerhaft aber auszubluten begann und schließlich kaum mehr Mittel zur Abwehr fand.
Wer waren diese Reiter? Wir kommen im nächsten Abschnitt auf sie zurück, beenden zuvor die karolingische Episode, überspringen dabei die wenigen nennenswerten Ereignisse aus der kurzen Lebenszeit Ludwigs IV., auf die wir teilweise im nächsten Abschnitt noch eingehen werden. September 911 starb der junge König nach zahlreichen Krankheiten in der Königspfalz zu Frankfurt mit nur 18 Jahren. Er hatte Februar 900 als Kind den Thron des Vaters bestiegen. Zu einem Zeitpunkt, wo der Machtzenit des ostfränkischen Reichs überschritten war und unter den Großen des Reichs ein Drang nach mehr Autonomie einzusetzen begann. Wegen seines Alters und seiner kränklichen Konstitution, vermochte er es unter der Kontrolle des Mainzer Erzbischofs nie, eigene Autorität zu entwickeln. Sein Amtsantritt fiel zeitlich mit den einsetzenden Plünderüberfällen der Magyaren zusammen, die die Schwäche an der Spitze des Reichs auszunutzen wussten.


Die Magyaren, Instrument des Niedergangs und Neuanfangs

Die Magyaren waren ursprünglich einer von sieben halbnomadisierenden Stämmen, die sich von den Weiten des Ostens kommend, man vermutet aus dem Uralgebiet, im Schlussjahrzehnt des neunten Jahrhunderts im Karpartenbecken niederließen, was augenblicklich zu Auseinandersetzungen mit benachbarten  Anrainern und ansässigen Westslawen führte.

Árpád, erster ungarischer Großfürst

Fürst Árpád (um 845 – 907) einte 906 die sieben Stämme und wurde erster Großfürst der Magyaren. Ursprünglich waren sie von einer zweigeteilten Spitze regiert, dem sogenannten Kenden, ein weltlicher Herrscher und gleichzeitiger Hoher Priester und dem Gyula einem Kriegerhäuptling, dem bei den Auseinandersetzungen während der Zeit der Wanderschaft und der späteren Landnahme besonderer Stellenwert zukam, weswegen sich dessen Ansehen  zunehmend über das des Kenden erhob.

Zu Beginn der pannonischen Landnahme dienten die Magyaren unterschiedlichen Herrschern als Kriegssöldner. Unter anderem auch dem ostfränkischen König Arnolf, der sie für seine Feldzüge gegen die Mährer anheuerte und noch ein Jahr vor seinem Tod zu einem Überfall auf Italien animierte, was ihm bei italienischen Chronisten der Zeit ein vernichtendes Zeugnis einbrachte. Er wurde als Tyrann dargestellt, dessen bald eingetretener Tod die gerechte Strafe Gottes war. So lange Arnolf lebte, hielten sich die Magyaren an die vertraglichen Vereinbarungen. Mit seinem Tod waren diese hinfällig geworden, weswegen es zu dem vorgenannten Plünderzug gegen Bayern kam. Eilig sammelten die bayrischen Adelsführer eine Streitmacht und zogen den Plünderern entgegen, die wegen des herannahenden Winters größtenteils mit ihrer Beute bereits den Rückmarsch in die ungarische Tiefebene angetreten hatten. Ein großer Trupp befand sich noch auf der nördlichen Donauseite und wurde am 20. November 900 von einem bayrischen Heerhaufen unter dem Kommando Markgraf Luitpolds und des Passauer Bischofs Richard gestellt. Die Plündergruppe wurde vollends aufgerieben, Gefangene keine gemacht. Am Ende des Gefechts zählte man 1.200 getötete ungarische Reiter. Schon im Folgejahr erschienen die Ungarn erneut. An der Fischa, einem rechten Nebenfluss der Donau, konnte man dieses Mal die Hauptkräfte stellen, schlagen und vertreiben. Wie im Vorjahr befanden sie sich auf dem Heimweg in ihre Winterquartiere, weswegen der Zugriff gelang. So lange die Ungarn nicht durch erbeutetes Plündergut in ihrer Bewegungsfreiheit beeinträchtigt waren, konnte man sie nur mit Glück oder durch einen Hinterhalt fassen. Waren sie durch erbeutete Viehherden und Wagen voller Beute beschwert, dazu zahlreiche Geiseln im Schlepptau, bestand Hoffnung sie erfolgreich abzufangen und in einen Kampf zu verwickeln, bei dem sie ihre hohe Mobilität nicht in der gefürchteten Weise zur Geltung bringen konnten.
904 gelang der bisher schwerste Schlag gegen die Ungarn. Unter dem Vorwand einer Verhandlung mit abschließendem Festmahl, lud der bayrische Markgraf Luitpold den amtierenden Kenden Kursan, den ungarischen Sakralkönig, auf die Preßburg (Bratislava) ein, wo dieser und eine große Zahl weiterer Fürsten sowie das mitgeführte, zahlreiche Gefolge ermordet wurden. Die bayrischen Edelleute  gingen davon aus den größten Teil der ungarischen Führungsschicht ausgeschaltet zu haben und deswegen fortan vor weiteren Überfällen sicher zu sein. Tatsächlich war aber nur ein überschaubarer Kreis von Hauptleuten dem heimtückischen Attentat zum Opfer gefallen, während die Führung der meisten Stämme ausreichend erhalten blieb. Der militärische Anführer, Guyala Árpád, schwang sich in einer blutigen Säuberungsaktion, bei der die verbliebenen Anhänger Kursans beseitigt wurden, zum Alleinherrscher und Großfürst aller Magyaren auf. Im Jahre 906 fiel er an der Spitze der geeinten Stämme in Mähren ein, das seit dem Abfall der Böhmer und Sorben in inneren Auseinandersetzungen, Reunionskriegen sowie den dauerhaften Konflikten mit den ostfränkischen Bayern, den Höhepunkt seiner frühstaatlichen Existenz überschritten hatte. Das mährische Heer erlitt an der Nitra eine totale Niederlage. Es folgte ein erster ungarischer Plündereinfall in sächsisches Gebiet.
Markgraf Luitpold von Bayern, bestärkt durch die Waffenerfolge der Vorjahre, wollte das Ungarnproblem nun in offensiver Weise lösen und nicht erst wieder auf einen neuerlichen Einfall warten. Ein bayrisches Aufgebot der waffenfähigen freien Männer, ein sogenannter Heerbann, sammelte sich bei der Ennsburg, damals noch Anesaburch genannt. Die in der Nähe des heutigen Linz, am Zufluss der Enns zur Donau gelegene Festungsanlage, wurde nach dem ersten Einfall der Ungarn errichtet und bildete seither eine wichtige Bastion zur Sicherung des  südlichen Zugangs nach Niederösterreich. Am 4. Juli 907 fand eine für Bayern und das ganze ostfränkische Reich verheerende Schlacht statt, die mit einer totalen Niederlage des bayrischen Heerbanns endete. Neben Markgraf Luitpold, fiel Erzbischof Theotmar von Salzburg, sowie die Bischöfe Uto von Freising und Zacharias von Säben, darüber hinaus zahlreiche sonstige Edelleute. Über den Verlauf der Schlacht und was zur völligen Niederlage führte, ist nichts Näheres bekannt. Der Kampfweise der Ungarn, die mit ihren schnell vorgetragenen Angriffen, tödliche Pfeilsalven aus der Distanz auf ihre Gegner abfeuerten und sich dann in Scheinrückzügen wieder vom Feind lösten, waren die schwerfälligen ostfränkischen Krieger nicht gewachsen. Und obwohl man die ungarische Kampfweise aus den zurückliegenden Jahren gut kannte, fand das bayrische Heer Luitpolds offenbar kein Mittel zu adäquater Gegenwehr. Der exakte Ort des Gefechts ist unter Forschern umstritten, wenn auch Pressburg, das heutige Bratislava, für gewöhnlich als Austragungsort der Schlacht allgemein genannt wird, gibt es auch Theorien, die ein bayrisches Vordringen tief in ungarisches Gebiet anführen. Fest steht nur, die Niederlage war überwältigend. Das bislang gut verteidigte südöstliche Bollwerk und Tor ins ostfränkische Reich stand nun sperrangelweit offen. Die Schlacht war wahrscheinlich auch für die Ungarn blutig und sehr verlustreich. Es wird spekuliert, ob Großfürst Árpád bei dieser Schlacht oder kurz darauf verstarb. Sein überliefertes Todesjahr ist zumindest identisch mit dem Jahr der Schlacht.

Vom ostfränkischen Kindkönig Ludwig IV. kam in der Zeit weder Hilfe noch Weisungen auch nicht vom Mainzer Erzbischof, welcher damals der eigentliche Regent war. Das bayrische Herzogtum und ehemalige Teilkönigreich Karlmanns war praktisch autonom geworden, überhaupt begann sich eine Separierung in vormaligen Siedlungsräumen der ehemaligen germanischen Großstämme abzuzeichnen. Der Einfluss der bislang dominierenden Franken als homogene Führungsschicht war durch Versippung immer mehr verwässert. Regionale Grenzen, so unscharf sie waren, ergaben sich aus natürlichen Begrenzungen wie Wasserläufe oder Bergketten aber auch anhand von Mundarten. Im Norden trifteten die Sachsen ebenso aus der losen, unter Karl dem Großen mit Waffengewalt geschaffenen Union, wie im Südosten die Bayern. In einer auf Kriegserfolge fixierten Herrschaftsgesellschaft, führte das Fehlen einer starken Führungspersönlichkeit zum drastischen Autoritätsverlust des Merowinger Königtums. Das ostfränkische Reich stand vor dem Zerfall in Einzelterritorien.
Nach dem Tod Markgraf Luitpolds von Bayern übernahm Sohn Arnulf die Regentschaft in der Region und regierte fast königsgleich den südöstlichen Teil des auseinanderstrebenden ostfränkischen Reichs. Zum Schutz seines Herrschaftsgebiets begann er unmittelbar mit der Aufstellung einer professionellen Reitertruppe. Mit Fußsoldaten, bedarfsweise aus den Freibauern rekrutiert, war den mobilen Ungarn nicht beizukommen. Die zur Aufrüstung notwendigen Geldmittel beschaffte er durch Konfiszierung von Kirchengütern, was ihm den Beinamen der Böse einbrachte.

Juli 908 wurde abermals sächsisches Gebiet heimgesucht. Auf dem Weitermarsch nach Süden kam es in Unterfranken zur Schlacht, die die Ungarn für sich entscheiden konnten. Bei diesen Kämpfen kamen am 3. August neben dem Bischof Rudolf von Würzburg, der thüringische Markgraf Burchard und der Badanachgauer Graf Egino ums Leben.
Im Sommer 909 drangen die Ungarn in Alemannien ein, richten auch dort verheerende Schäden an und traten mit unermesslicher Beute und Geiseln den Rückmarsch an. Unterwegs plünderten und brandschatzten sie weiter. Freising wurde am 30. Juli angegriffen, die dortige Stiftskirche Sankt Veit am 4. August angezündet, bevor sie nach Süden weiterzogen. Bei Rott am Inn konnte Herzog Arnulf von Bayern mit seinem mobilisierten Heer die Nachhut einholen und schlagen. Ein dringender Teilerfolg wurde dadurch erfochten.
König Ludwig, mittlerweile bald siebzehn Jahre alt, sammelte nun endlich ein großes fränkisches Heer. Unter Androhung des Galgens wurde jeder waffenfähige freie Mann zur Heerfolge aufgerufen. Ein gewaltiges Heer trat den Weg nach Augsburg an, um sich dort mit Herzog Arnulfs bayrischen Truppen zu vereinen. Aus Alemannien rückte zusätzlich ein schwäbischer Heerbann heran. Die Ungarn, die ausschließlich zu Pferd unterwegs waren, fassten die heranrückenden schwäbisch-alemannischen Kräfte auf dem Anmarsch und schlugen sie am 10. Juni 910. Am 22. Juni kam es auf dem Lechfeld bei Augsburg zum Hauptgefecht mit den Streitkräften König Ludwigs. Auf offenem Feld schien sich das Schlachtenglück den Franken zuzuneigen. Die Ungarn wendeten sich zum Rückzug, worauf sich die Reihen der fränkischen Truppen öffneten, die Reiterei die Verfolgung aufnahmen und sich dabei immer weiter von den eigenen Fußtruppen entfernten. Die Ungarn wendeten sich jetzt wieder zum Kampf. Ihr Rückzug war eine Finte, auf die die Franken, in zuversichtlicher Annahme den Sieg nur noch einfahren zu müssen, hereinfielen. Ausgestattet mit weitreichenden, durchschlagsstarken Kompositbögen, die jeder Reiterkrieger meisterhaft beherrschte, konnten die Ungarn im vollen Galopp ihre Gegner beschießen, auf diese Weise dezimieren und nach und nach ausschalten. Nachdem die fränkische Reiterei größtenteils vernichtet war, wurde das zahlreiche Fußvolk, dessen Reihen völlig aufgelöst waren, umringt und nieder gemacht. Die Niederlage König Ludwigs war schrecklich, die fränkischen Verluste furchtbar. Unter den gefallen Großen war Herzog Gebhard von Lothringen, aus dem im ostfränkischen Reich mittlerweile tonangebenden Geschlecht der Konradiner.
Die Ungarn setzten sich samt ihrer unermesslichen Beute südostwärts ab, wo sie bei Neuching, nordöstlich des heutigen Münchens, auf die Reiterei Herzog Arnulfs von Bayern stießen. Schwer dezimiert von den bisherigen Schlachten gegen die Schwaben und Franken, erschöpft und beschwert durch die mitgeführte Beute, wurden sie abermals von den Bayern geschlagen und vertrieben.
Trotz stetiger Verluste, die heimgebrachte Beute überwog den geleisteten Blutzoll und so sammelten sich in jedem Frühjahr frische Reiterscharen, um auf neue Beutezüge zu gehen. Die Stämme gingen nicht als geschlossener, einziger Heerhaufen vor. Mögen sie auch Anfangs gesammelt aufgebrochen sein, teilten sie sich unterwegs in Gruppen, die divergierende Richtungen einschlugen, phasenweise wieder größere Einheiten bildeten, um sich aufs Neue zu teilen.

Mitte September 911 starb der letzte ostfränkische Merowinger, vermutlich in Frankfurt, mit kaum 18 Jahren unter ungeklärten Umständen. In die Geschichte ist er als Ludwig das Kind eingegangen. Nicht nur sein Leben war kurz, auch die Liste seiner selbstständigen Handlungen. Wenn die von ihm gezeichneten Urkunden auch den Endruck eines agierenden Monarchen zu bezeugen scheinen, blieb er zeitlebens unter der Obhut Erzbischof Hattos von Mainz und der mächtig gewordenen Konradiner, aus deren Reihen am Sonntag dem 10. November 911 Konrad I. zum neuen König gewählt wurde.

Siegel König Konrads I.

Die in Forchheim durchgeführte Wahl wurde hauptsächlich aus Franken, Lothringen und Schwaben  beschickt. Bayern und Sachsen blieben fern. Karl III., genannt der Einfältige, König  des westfränkischen Reichs und letzter lebender Karolinger, lehnten sie als Nachfolger für den ostfränkischen Thron ab, weswegen 911 mit Konrad ein Kandidat aus den eigenen Reihen gekürt wurde. Auch wenn der frühe Tod des eben erst herangewachsenen Königs nicht unbedingt vorauszusehen war, gab sein bisheriger Gesundheitszustand nie viel Anlass an eine lange Lebenszeit zu glauben. Nach der furchtbaren Niederlage gegen die Ungarn im Vorjahr, kündigte sich ein Dynastiewechsel vielleicht ohnehin schon an.
Konrad I. verfügte über eine starke Hausmacht im fränkischen Herzogtum. Zur Erlangung der Vormachtstellung, fochten die Konradiner und Babenberger über Jahre einen zähen Kampf, der schließlich mit Hilfe des kindlichen Königs für die Konradiner Familie entschieden wurde. Auch mit den sächsischen Liudolfingern kam es zu Verwicklungen, die am Ende ihren bisherigen engen Kontakt zur Königsfamilie einbüßten und im Reich in die zweite Reihe zurückgedränkt wurden.
Der neue 911 gewählte neue König stand bei seinem Amtsantritt vor großen Herausforderungen. Regionale Mittelmächte im sächsischen Norden und im bayrischen Südosten machten ihre eigene Territorialpolitik, gegen die Konrad trotz aller Bemühungen den Zerfall des ostfränkischen Reich zu verhindern, kaum etwas ausrichten konnte. Ob sein Königtum im auseinanderbrechenden Reich doch noch Anerkennung in den königsfernen Räumen finden würde, stand und fiel mit der Frage, ob er der Ungarnplage Herr werden konnte. Diese brachen im Sommer 912 plündernd und sengend in Thüringen und Franken ein. Konrad stand zeitgleich mit einem fränkischen Heer in Lothringen, um das abspenstige Herzogtum, das sich dem westfränkischen Reich zugewandt hatte, wieder zu unterwerfen. Für die Ungarn war der Raubzug 912 ganz außerordentlich erfolgreich. Sie stießen auf wenig Widerstand und konnten ihre reiche Beute nahezu unbehelligt in die Heimat führen. Bestärkt von diesem Erfolg, zog 913 ein großes Heer direkt durch Bayern, dieses Mal nach Schwaben. Nachdem sie auch dort schwere Verwüstungen hinterlassen hatten und an Plündergut alles  mitnahmen, was irgend beweglich war, traten sie im aufziehenden Spätjahr den Rückmarsch in ihre pannonische Heimat an. Schwerfällig durch all die mitgeführte Last, wurden sie von einem vereinten alemannisch-bayrischen Heer unter dem Befehl Herzog Arnulfs und diverser schwäbischer Großen am Inn in einen Hinterhalt gelockt und nahezu restlos vernichtet. Den Analen zufolge entkamen nur 30 Mann dem Gemetzel. Ob es Übertreibung war, Kriegspropaganda um den eigenen Widerstandsgeist zu heben, wissen wir nicht. Tatsächlich muss die Ungarn aber eine schwere Niederlage ereilt haben, denn es wurde für die Folgejahre ein Separatfrieden mit Bayern vereinbart, das in den kommenden Jahren verschont blieb.
Der Frieden in Bayern gab dem Herzog die Möglichkeit seine Kräfte neu zu bündeln. 916 erhob er sich gegen den König, wurde dann, nachdem seine Residenz Regensburg in die Hände Konrads fiel, aus dem eigenen Land vertrieben und nahm für einige Zeit, man höre und staune, Zuflucht bei den Ungarn. Konrad I. zog sich bei den Kämpfen eine Verwundung zu, an der er fortan litt. Der König suchte während seiner Regierungszeit mit allen Mitteln den weiteren Zerfall des Reichs zu verhindern und führte hierzu fast fortlaufend Kämpfe an den Rändern seiner Kerngebiete. Neben Bayern und Lothringen, besonders auch mit Sachsen, wo die Liudolfinger unter Heinrich I. die Herzogswürde erlangten. Die inneren Konflikte schwächten die Widerstandskraft gegen die Ungarn, die jetzt in immer weiter ausholenden Überfällen nahezu ganz Europa heimsuchten. In den kommenden Jahren und Jahrzehnten stießen an die Nordsee, den Atlantik, selbst bis über die Pyrenäen ins heutige Spanien vor. Das Ausmaß der Schäden und die Verluste an Mensch und Vieh überstieg im ostfränkischen Reich alles was die Nordmänner in der Vergangenheit je anrichteten. In Italien drangen sie 922 bis Kalabrien vor. Der Balkan wurde wieder und wieder geplündert und selbst dicht an die Tore Konstantinopels kamen sie heran.
Die ungarischen Reiterscharen beschleunigten durch ihre spektakulären Beutezüge den seit dem Tod König Arnulfs im Jahre 899 einsetzenden Niedergang des ostfränkischen Reichs. Blieb das Gefüge unter dem letzten Merowinger Ludwig IV. noch trügerisch bestehen, separierten sich weite Reichsteile unter Konrad I., der trotz aller Anstrengungen den begonnenen Zerfall nicht mehr rückgängig machen konnte. Der Verlust Lothringens, das sich von ihm lossagte und dem westfränkischen Reich Karls des Einfältigen anhing, kostete Prestige. Gegen die mindestens vier großen ungarischen Einfälle ins ostfränkische Reich tat Konrad nichts. Da es hauptsächlich Regionen traf, die nach Autonomie strebten, mag dies mit voller Berechnung gewesen sein, glaubte er vielleicht damit seine dortigen Widersacher zu schwächen. Das Schrifttum ging seit Ludwig II. dem Deutschen merklich zurück und erreichte unter Konrad den Tiefpunkt. Seine Regierungszeit gilt als die schriftenärmste des gesamten Mittelalters.
Am 23. Dezember 918 starb Konrad, lange schon leidend, an den Folgen jener Verwundung, die er sich während der Kämpfe gegen Herzog Arnulf von Bayern zuzog.


Neuanfang unter den Liudolfingern

Nach sieben Jahren unter den Konradinern, kam es mit der Wahl Heinrichs I., des Voglers, wie er im Volksmund genannt wurde, zu zweite Dynastiewechsel in kurzer Zeit. Die zeitgenössischen Chronisten maßen diesem Wechsel fast einstimmig große Bedeutung bei. Den Überlieferungen nach ermahnte Konrad auf dem Sterbebett liegend die führenden fränkischen Adelsvertreter in väterlicher Weise, nach seinem Ableben keinen Zwist aufkommen zu lassen und einmütig den Liudolfinger Heinrich, einen Sachsen, zum König zu wählen. Angeblich soll er seinen Bruder Eberhard mit den Reichsinsignien, der Krone und dem Szepter, zum Sachsenherzog gesandt haben. Ganz so einvernehmlich ging es nicht vonstatten, denn die Wahl Heinrichs fand erst fünf Monate später, im Mai 919 in Fritzlar statt, was den Rückschluss zulässt, dass zwischen Eberhard und Heinrich zuvor noch einige Verhandlungen notwendig waren, bevor der Bruder des verstorbenen Königs auf die Krone verzichtete. Viel wurde über Heinrichs Ablehnung der Königssalbung durch den Mainzer Erzbischof geschrieben und seine vermeintlichen Gründe. Die Salbung war noch kein fester, unverzichtbarer Akt. Neben dem im Jahre 800 gekrönten und gesalbten Karl dem Großen, war erst wieder Ludwig IV. hundert Jahre später und Konrad I., weitere 11 Jahre danach, ebenfalls gesalbt worden. Der Verzicht Heinrichs war kein Bruch einer langen Tradition, er war wohl abgewogen, er wollte sich freie Hand gegenüber der Kirche bewahren.

Siegel Heinrichs I.

Heinrich, der bislang nur im fränkischen und sächsischen Gebiet Königsgewalt ausüben konnte, machte sich noch im Wahljahr mit einem Heer nach Schwaben auf, um dort Herzog Burchard II. (883 – 926) zu unterwerfen. Ein geschickt gewählter Zeitpunkt, denn Burchard stand im Krieg mit dem hochburgundischen König Rudolf II., der zu dieser Zeit seinen Herrschaftsbereich gewaltsam nach Osten und Nordosten erweiterte. In der Schlacht bei Winterthur konnte sich Burchard gegen Rudolf durchsetzen und den Zürichgau und Thurgau zurückerobern. Um einen Konflikt mit Heinrich zu vermeiden, unterwarf er sich widerstandslos und huldigte ihm, wofür er weitreichende Rechte in seinem Herrschaftsbereich zugestanden bekam. Heinrich verzichtete dadurch zwar auf Königsmacht in Schwaben, gewann aber umgekehrt einen wichtigen Parteigänger im Südwesten.
Das Herzogtum Bayern vermochte Heinrich zunächst nicht unter Kontrolle zu bringen. Zur Erinnerung, das Territorium von dem hier gesprochen  wird, ragte weit über das heutige Bayern hinaus und beinhaltete Kärnten, Nieder- sowie Oberösterreich, die Steiermark das Friaul und Teile Istriens. Auch auf Schwaben, besser ausgedrückt wäre Alemannien, traf dies in gleicher Weise zu. Es bestand aus dem, was wir heute zu großen Teilen als das Land Baden-Württemberg kennen, ohne die nördlichen Teile Badens, aus dem Elsass und weiten Bereichen der deutschsprachigen Schweiz, sofern nicht zeitgleich mit Oberburgund darum gestritten wurde. Der bayrische Herzog Arnulf, er war zwischenzeitlich aus dem ungarischen Exil zurückgekehrt, entzog sich dem Zugriff durch den ostfränkischen König und strebte ein eigenes ostfränkisches Teilkönigtum an, wie schon zu Zeiten Karlmanns, dem ältesten Sohn Ludwigs des Deutschen. Es drohte eine Situation, wie sie im westfränkischen Reich bestand, wo eine schwach ausgeprägte Königsherrschaft die Abspaltung Hoch- und Niederburgunds ermöglichte. Heinrich führte zwei Heerzüge nach Bayern, wodurch Arnulf zur Unterwerfung gezwungen wurde. Dem bayischen Herzog wurden anschließend ähnlich vorteilhafte Herrschaftsbedingungen zugestanden, wie zuvor Herzog Burchard von Schwaben. Selbst Lothringen konnte wieder ins ostfränkische Reich rückintegriert werden, obwohl Heinrich dies ursprünglich nicht beabsichtigte und hierzu mit Karl III. dem Einfältigen November 921 einen Freundschaftsvertrag schloss. Karl stand im eigenen Königreich unter Druck, die Königsschwäche im westfränkischen Reich wurde akut. 922 wählten Teile des dortigen Adels ein Gegenkönig, es kam zum Bürgerkrieg und zur Schlacht.  Zwar fiel der Gegenkönig im Kampf, doch geriet Karl gleichzeitig in Gefangenschaft so dass die Schlacht verloren ging. In Lothringen formierte sich daraufhin eine Fürstenkoalition die sich vom glücklosen Karl III. löste und stattdessen Heinrich I. unterwarfen.
Heinrich vereinte mit verhältnismäßig wenigen Aufwand alle fünf Herzogtümer unter seiner Krone. Der zu leistende Preis war die Aufgabe wesentlicher Herrschaftsrechte in diesen Gebieten. Heinrichs bisherige Herrschaft verlief in diesem Sinne bislang erfolgreich, er konnte den Zerfall des ostfränkischen Reichs verhüten. Politisch setzte er nach der förmlichen Unterwerfung und Huldigung, auf Ausgleich mit den Territorialfürsten und zelebrierte öffentliche Freundschaftsbündnisse. Hauptherausforderung blieben die Ungarn, die 919, 924 und 926 in großen Gruppen ins vage sich wieder formierte Reich einfielen und schwere Schäden anrichteten. Heinrich blieb tatenlos und überließ, ähnlich wie seine Vorgänger, die Verteidigung den lokalen Mittelmächten. 926 kam ihm schließlich das Glück zur Hilfe, es gelang die Gefangennahme eines hohen ungarischen Fürsten. Der Name ist nicht überliefert. Bei Werla im heutigen Niedersachsen flüchtete sich der König vor einem großen Trupp Ungarn mit einer Schar Krieger in die dortige, stark befestigte Königspfalz. Die imposante Ringwallanlage umschloss ein Areal von rund 20 Hektar. Eine günstige Gelegenheit zum Ausfall nutzend, gelang ihm die Gefangennahme des Anführers. Statt dem üblichen Lösegeld, was wegen der ständigen Plünderungen nur rechte Tasche, linke Tasche bedeutet hätte, handelte er einen neunjährigen Frieden mit den Ungarn aus und war bereit jährliche, im Herbst fällige Tribute zu leisten. Eine weitblickende Entscheidung mit Tragweite. In den kommenden Jahren erfolgte eine grundlegende Reformierung des Heerwesens. Dem erfolgreichen Beispiel Arnulfs von Bayern folgend, lag der Schwerpunkt auf Bildung gut ausgerüsteter und ausgebildeter Reiter. Hierzu wurden aus den waffenfähigen Freibauern je ein Mann von neun genommen, der fortan berufsmäßig als Kriegsmann diente. Zusammen mit anderen Reiterkriegern bewohnte er die jetzt überall entstehenden Ringwallburgen. Es waren üblicherweise mit dicken Palisaden bewährte, an strategischen Plätzen errichtete Schutzburgen, die der ländlichen Bevölkerung im Falle von Überfällen als Rückzugsort dienten. Die Errichtung bzw. der Ausbau vorhandener Burgen wurde in Heinrichs Burgenordnung, ein Begriff der so erst durch die Geschichtsschreibung in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts geprägt wurde, im November 926 auf dem Wormser Hoftag beraten und beschlossen. Die zu einem Burgbezirk gehörenden Bauern mussten ein Drittel ihrer Ernte in der Burg einlagern, um bei Überfällen Schutzsuchende und stationierte Truppen längere Zeit versorgen zu können. Zusammenkünfte, Festlichkeiten usw. mussten auf Anordnung in diesen Burgen abgehalten werden, um den lokalen Zusammenhalt zu fördern, der als wichtige Voraussetzung eines erfolgreichen Widerstands gesehen wurde. Die Maßnahmen beweisen, der Erhalt der Bevölkerung war von größter Dringlichkeit. Schlimmer als Raub und Zerstörung, waren die von Ungarn herbeigeführten Menschenverluste, egal ob sie nun erschlagen oder verschleppt wurden.
Im Herbst 928 war Formierung, Ausrüstung und Ausbildung des neuen Heeres soweit fortgeschritten, dass es erstmals in größerem Rahmen eingesetzt wurde. Wohlweislich nicht gegen die Ungarn selbst, mit denen noch Waffenruhe herrschte. Ziel waren stattdessen die Slaven dieseits und jenseits der Elbe. In den zurückliegenden drei Königsgenerationen war das Tributverhältnis mit den Slawen verlorengegangen. Die Macht des ostfränkischen Reich war so dramatisch zerfallen, dass man vom Tributempfänger, zum Tributleistenden geworden war.
Erstmals in der Geschichte kommt Brandenburg ins Spiel. Winter 829/29, bei klirrender Kälte, nahm Heinrich die beherrschende Havelfestung Brennaburg, eingedeutscht Brandenburg, ein und führte Tugomir, den Sohn des namentlich unbekannten Hevellerfürsten sowie dessen Tochter als Geiseln weg. Bis zum Frühling unterwarf er das ganze Havelland und zwang die Heveller zur Tributpflicht. Das neue Heer Heinrichs verschlang enorme Summen, die durch die jahrelangen Plünderung und entstandenen Schäden nur unter Streckung aller Kräfte aufgebracht werden konnten. Die Verluste an Mensch, Vieh und beweglicher Habe aller Art sowie die hohen Tributzahlungen an die Ungarn, blieben nicht ohne ökonomische Folgen für das ostfränkische Reich. Trotz oder gerade wegen dieser hochangespannten Lage, wurden alle Ressourcen gebündelt um das Reiterheer auf einem hohen Ausrüstungs- und Ausbildungsstand zu halten. Gleichzeitig musste die fortwährende Anlage neuer Burgen, sowie die Verstärkung vorhandener finanziert werden. Die Siege seiner aufgebotenen sächsischen Truppen in den Slawengebieten waren umfassend. Heinrich unterwarf langfristig nicht nur die Heveller, auch die Abodriten, Daleminzier, Böhmen, Redarier, Lausitzer, Milzen und Ukranen, worauf sie alle wieder zu tributpflichtigen Vasallen wurden, wie zu den großen Tagen der Karolinger. Zur Kontrolle der Slawen richtete er in der sogenannten sächsischen Ostmark starke Militärstützpunkte ein, so auf der Brandenburg oder auf der neu errichteten Burg Meißen. Die militärischen Erfolge hoben nicht nur die Kampfmoral und Zuversicht der neuen Truppen, die slawischen Tributzahlungen entlasteten gleichzeitig die königlichen Finanzen und erhöhten das Prestige des Königs.

Noch vor Ablauf des Waffenstillstands setzte Heinrich alles auf eine Karte. Seine Anerkennung im ostfränkischen Reich hatte einen Höhepunkt erreicht. Heinrichs Innenpolitik, die auf Ausgleich mit den Großen setzte, hatte alle Stammesherzöge hinter sich gebracht, dies wollte er nutzen. Nach gemeinsamer Beratung wurde darin übereingestimmt, die Zahlungen nicht mehr weiter zu leisten, der königliche Schatz war ohnehin fast erschöpft. Im Herbst 932 kamen die Abgesandten aus Ungarn, um wie gewöhnlich den Tribut einzufordern. Dieses Mal erhielten sie statt des üblichen Tributs, der Legende des Widukind von Corvey folgend stattdessen den Kadaver eines Hundes vor die Füße geworfen. Ein bewusst einkalkulierter Akt der Provokation, den die Ungarn keinesfalls unbeantwortet lassen konnten. Sie waren den Hund gekommen und ließen diese Beleidigung erwartungsgemäß nicht lange unbeantwortet. Der Winter noch nicht recht abgeklungen, machten sich die Ungarn 933 mit großem Heer in zwei Gruppen geteilt, diesmal besonders früh im Jahr, auf den Weg. Eine Heeressäule nahm den Weg über Italien, fiel in Ober- und Niederburgund ein und plünderte, ohne auf großartigen Widerstand zu stoßen. Die zweite Gruppe drang ins ostfränkische Reich vor, wo sie sich nochmals teilten. Eine der Teilgruppen wurde im sächsisch-thüringischen Grenzgebiet gestellt, geschlagen und zerstreut. Die zweite, größere Gruppe, belagerte indes die Burg eines gewissen Wigo. Es ist bis heute ungewiss,  wo sie Lage dieser Burganlage war. Heinrich und mit ihm Vertreter aller Gaue des Reichs, sammelten sich zum Entsatz. Heinrich hatte eine sprichwörtliche Wunderwaffe zur Hand, die lancea sacra, die sogenannte Heilige Lanze. Ihr Vorbesitzer, König Rudolf II. von Oberburgund, tauschte sie seinerzeit anlässlich des Wormser Hoftags von November 926 gegen den ursprünglich zum Herzogtum Schwaben gehörenden Aargau samt der Stadt Basel ein. Der Überlieferung nach, trägt die Lanze im Inneren einen der Nägel, mit denen Christus ans Holz geschlagen wurde. Dem Träger dieses Relikts soll in der Schlacht der Sieg vorbestimmt sein und entsprechend wurde unter den Kriegern der versammelten ostfränkischen Territorien viel Aufsehen um diesen sakralen Gegenstand gemacht, der beiläufig erwähnt, das älteste Kleinod der Reichsinsignien darstellt.
Den Ungarn, die die erwähnte, nicht näher bekannte Burg belagerten, war zwischenzeitlich von Versprengten die Nachricht überbracht worden, dass ihr weiter westlich operierender Heerhaufen geschlagen wurde und sich aufgelöst hatte. Aufgeschreckt, lösten sie die Belagerung auf und sammelten ihre Kräfte. Bei einem in den Analen als Riade bezeichneten Ort, der bis heute nicht eindeutig lokalisiert werden konnte, kam es am 15. März zur Schlacht. Heinrich, im festen Vertrauen auf die Stärke seiner schweren Reiterei, musste zu einer List greifen, um die Ungarn überhaupt zum Gefecht zu stellen. Seine Hauptkräfte hielt er im Verborgenen und lockte stattdessen mit leichter Reiterei der thüringischen Legion den Feind an. In bewährter Strategie gingen die Ungarn vor. Reitergruppen stießen vor, feuerten eine Salve Pfeile ab und zogen sich daraufhin wieder zurück, um nun Welle auf Welle das gleiche Manöver durchzuführen. Sobald der fortlaufend beschossene Gegner in Folge erlittener Verluste oder weil die Nerven durchgingen, die eigene Formation auflöste, fielen die Ungarn mit voller Stärke und danke ihren schnellen und ausdauernden Pferde über den sich absetzenden, bald in heilloser Flucht auflösenden Feind her und rieben ihn auf. Genau dieses so oft erlebte Szenario schien sich aus der Sicht der Ungarn wieder abzuzeichnen. Die Thüringer hielten der ersten Pfeilattacke stand, doch noch bevor die Ungarn zur zweiten geschlossenen Salve ansetzen konnten, gingen die bislang verborgenen Hauptkräfte mit angelegter Lanze zum Gegenangriff über. Die Ungarn mussten von diesen unerwarteten Kräften tatsächlich überrascht worden sein. Ob sich eine blutige Schlacht entwickeltet, ist bis zum heutigen Tag unklar. Die von zeitgenössischen Chronisten erwähnten 36.000 erschlagenen Ungarn erscheinen in jedem Fall sehr übertrieben. Wahrscheinlich konnten die zur überstürzten Flucht wendenden ungarischen Hauptkräfte von Heinrichs Reitern mehrheitlich nicht eingeholt werden, wenn auch mancher den Lanzen der Panzerreiter zum Opfer gefallen sein wird. Verheerend genug war die Einnahme des ungarischen Lagers. Es konnten die zahlreich versammelten Geiseln befreit und reiche Beute gemacht werden. Obwohl die Ungarn nicht entscheidend geschlagen wurden, war es ein großer Sieg. Sie kamen während Heinrichs Regierungszeit kein weiteres Mal. Er war nun unangefochten im Reich. Seine Entschlüsse sowohl hinsichtlich der Anlage von Schutzburgen, wie auch die neue Reiterei waren von Erfolg gekrönt, wodurch er aller Welt bewies, besonders jedoch den großen im Reich, dass er über das notwendige Königsheil eines erfolgreichen Herrschers verfügte, und somit augenscheinlich den Segen Gottes besaß. In einer vom Kriegeradel geführten Gesellschaft war nichts bedeutsamer, als der Erfolg der Waffen. Ein König der auf dem Schlachtfeld Sieger blieb, hatte die Achtung und den Gehorsam seiner Zeitgenossen. Sein Sieg fand überall großen Anklang und man darf davon ausgehen, dass er zur Stärkung seines Herrschaftsanspruchs auch überall von den Ereignissen berichten ließ.
Im Jahre 934, nachdem ungarische Überfälle ins Reich ausblieben, unterwarf Heinrich I. in einem schnellen Feldzug die heidnischen Dänen. Gründe hierzu waren fortgesetzte dänische Seeräubereien gegen friesische Händler. Ihr geschlagener König Knut wurde tributpflichtig und nahm in der Folge sogar den christlichen Glauben an, wenn auch halbherzig.
Zu den Königen von Burgund und dem westfränkischen Reich pflegte Heinrich I. ein freundschaftliches Verhältnis, womit seine Herrschaft ringsum unangefochten blieb. 935, die Aufzeichnungen geben keine genaueren Zeitangaben, erlitt Heinrich auf der Jagd bei Elbingerode, südwestlich von Quedlingburg, einen Schlaganfall. Die Frage nach einer Nachfolge wurde jetzt dringend. Heinrich hatte insgesamt vier Söhne aus zwei Ehen, Thankmar, Otto, Heinrich und Brun. Bereits 929, anlässlich des  Quedlinburger Hoftags, zeichnete sich Heinrichs präferierte Nachfolgeordnung ab. Um es abzukürzen Heinrich I. wollte Otto, den ältesten Sohn aus zweiter Ehe mit Mathilde, seinem erstgeborenen Thankmar vorziehen. Den jüngsten Sohn Brun sah er für ein geistliches Leben vor und übergab ihn der Obhut des Bischofs von Utrecht. Mit Sohn Heinrich, er wurde den Berichten zufolge von seiner Mutter Mathilde bevorzugt, entstand ein Interessenkonflikt. Auf einem Reichstag zu Erfurt beschloss Heinrich testamentarisch dass die jüngeren Brüder Ottos sich ihm unterordnen sollen, nur er die Krone erben werde. Heinrich I. wandte sich hiermit in wegweisender Weise von der fränkischen Tradition ab, die eine Herrschaftsteilung unter den legitimen, teilweise auch illegitimen männlichen Nachfahren vorsah.

Am 2. Juli 936 starb der König nach einer Serie weiterer Schlaganfälle in der Pfalz Memleben, im Beisein seiner Söhne und Ehefrau. Heinrich führte in seinen 17 Jahren Regentschaft das auseinandertreibende ostfränkische Reich wieder zusammen. Er förderte durch eine Politik des Ausgleichs und Duldung großer territorialer Selbstständigkeit in den traditionellem Stammesgebieten, ein Zusammenwachsen in Form eines Bundes. Wenn er dadurch auch direkte Verfügungsgewalt in diesen Regionen verlor, gewann das Königtum an Identifikation und Bedeutung unter seinen Untertanen und im umliegenden Ausland. Die ständige Gefahr der Ungarn förderte das Einheits- und Zusammengehörigkeitsgefühl, was den schon länger schwelenden Autonomisierungsbestrebungen entgegenwirkte. Die von ihm beschlossene Heeresreform war Keimzelle des späteren Ritterwesens und leistet zur Entstehung eines feudalen Landadelsstands entscheidenden Beitrag. Es gelang ihm die Slawen östlich der Elbe erneut tributpflichtig zu machen, nachdem diese unter den frühen ostfränkischen Karolingern die Abhängigkeit vom Reich abstreiften. Der heidnische dänische König Knut wurde durch einen Heerzug gezähmt, christianisiert und ebenfalls zu Tributzahlungen verpflichtet. Die wichtigste Leistung mit der größten Innen- und Außenwirkung blieb aber sein erfolgreicher Widerstand gegen die einfallenden Ungarn, wodurch der völlig Ruin des Reichs abgewendet und umegekehrt wurde.
Heinrich, der sich rex francorum orientalium nannte, sah sich, obwohl Sachse, noch in der Tradition der ostfränkischen Könige. Mit seiner Politik, eine Mischung aus Machtdemonstration und konsensualer Verständigung, die zur Föderalisierung des Reichs führte, beschritt er neue Wege. Ein  Übergang vom alten ostfränkischen Reich in ein noch wesensähnliches,  aber weiterentwickeltes Reich, zeichnete sich ab. Wenn bereits die Wahl Konrads I. einen Bruch mit der Königsdynastie der Karolinger bedeutete, so stellte die Wahl des Sachsen Heinrich eine völlige Abkehr von der fränkischen Vorherrschaft im germanischen Raum dar. Ob die Verweigerung der Königssalbung ein von Heinrich selbst gewählter, öffentlicher Ausdruck willentlicher Distanz gegenüber dieser fränkischen Praxis war, bleibt offen. Mit seiner Verfügung, dass die Krone des Reichs und das Reichsgut auf Sohn Otto übergehen soll, schuf er einen Präzedenzfall. Ein Novum, das für die weitere Entwicklung des Reichs wegweisend war. Das ostfränkische Reich bekam unter Heinrich eine andere Prägung und Richtung. Sächsische und thüringische Adelshäuser traten vermehrt unter den Großen des Reichs auf, überhaupt verschob sich das Schwergewicht erstmals in den norddeutschen Raum, mit Quedlinburg als eines der neuen Zentren, weg von Frankfurt, Köln, Worms und Aachen.


Das ostfränkische Reich unter Otto I.

Otto I.
Kopf des Magdeburger Reiters

Otto, noch vom Vater zu Lebzeiten designiert, trat die Nachfolge als König der Ostfranken – es sei an der Stelle bereits gewagt, wenn auch zu früh – als König der Deutschen an. Über die Vorgänge der Krönung liegt uns der ausführliche Bericht des Mönchs Widukind von Corvey vor. Er wurde erst drei Jahrzehnte später geschrieben und ist seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts Gegenstand kritischer Debatten unter Mediävistikern. Da kein alternativer Bericht vorliegt, bedienen aber auch wir uns daraus. Ein Wahlkonvent unter den Großen des Reichs fand nicht statt. Die Bestimmung des Vaters wurde vom maßgeblichen Hochadel akzeptiert, demgemäß traf man die notwendigen Vorbereitungen zur Krönung. Nach Widukind soll das Volk die Basilika Karls des Großen zu Aachen zum Krönungsort bestimmt haben. Nun dürfte der Entschluss vom gemeinen Volk ausgegangen sein, eher vom versammelten Adel. Am Krönungstag, dem 7. August 936 waren alle Herzöge der zum Reich gehörenden Stammesgebiete anwesend. Es waren dies Giselbert von Lothringen, Eberhard von Franken, Arnulf von Bayern und Hermann von Schwaben. Sachsen, das fünfte Herzogtum, repräsentierte der angehende König selbst. Die anwesenden Großen des Reichs, neben den genannten Herzögen zahlreiche Gaugrafen etc., huldigten dem erwählten König in der Vorhalle der Basilika, welcher auf dem Thron Karls des Großen sitzend die Unterwerfung und Huldigung empfing. Es folgte die königliche Investitur. Otto wurde von Erzbischof Hildebert von Mainz († 937) mit dem Reichsschwert gegürtet, anschließend der Königsmantel angelegt und das Szepter überreicht. Salbung und Krönung nahmen Hildebert von Mainz und der Kölner Erzbischof Wichfried († 953) gemeinsam vor.
Otto beging seine Thronbesteigung, ganz im Gegensatz zum Vater, mit großem Zeremoniell. Die Anwesenheit aller bedeutsamen Persönlichkeiten des Reichs war zunächst Ausdruck einer vorläufig uneingeschränkt anerkannten Regentschaft. Die Voraussetzungen zu Beginn seiner Regierung schienen optimal, doch schwelte Hader in der Familie. Heinrich, der nächstjüngere Bruder Ottos, hatte noch zu Lebzeiten gegen die Pläne des Vaters aufbegehrt, mit tatkräftiger Unterstützung von Mutter Mathilde. Er war unzufrieden nicht als Mitkönig regieren zu dürfen. Thankmar, Heinrichs I. ältester Sohn aus erster Ehe, wurde völlig von der Thronfolge ausgeschlossen und mit dem Nachlass der Mutter abgefunden, welchen er auf Entscheidung Ottos, der ihn anderweitig verlieh, nie erhielt, womit ein weiterer Bruder oppositionell wurde. Es folgten durch den Tod Herzog Arnulfs von Bayern ernste kriegerische Auseinandersetzungen, die Otto erst nach zwei Heerzügen für sich entscheiden konnte. Auch in Sachsen selbst, am meisten aber in Schwaben und Franken, war man mit Ottos Lehnspolitik sehr unzufrieden. Er überging mächtige Familien und deren vermeintliche Rechte, womit es zur Abkehr von der väterlichen Politik des Konsens kam. Dabei machte Otto selbst vor der eigenen Familie keinen Halt, wie das Beispiel Thankmars beweist.
Für Oktober 941 plante Heinrich einen Mordanschlag auf seinen königlichen Bruder. Eine Reihe sächsischer Adliger war in das Komplott verwickelt, doch Otto erfuhr von den Plänen, traf Vorkehrungen und holte zum Gegenschlag aus. Heinrich wurde gefangengenommen, übrigens zum zweiten Mal, seine Mitverschwörer größtenteils hingerichtet. Heinrich gelang zunächst die Flucht, Weihnachten 941 unterwarf er sich aber in bußfertiger Weise zu Frankfurt dem königlichen Bruder, der ihm ein weiteres Mal verzieh. Fortan blieb Heinrich treu und verzichtete auf alle Thronansprüche. Nach Niederschlagung der sächsischen Adelsrebellion, folgten Jahre relativen Friedens und der Machtkonsolidierung.
Um im Detail auf das Leben Ottos I. einzugehen, wäre Stoff für mehr als ein Buch, weswegen wir uns nur auf die allerwichtigsten Episoden in Kurzform konzentrieren. Zweifelsfrei gehört die Erwerbung der italienischen Krone dazu, die wenn auch nicht durch bloßen Zufall, so doch immerhin unerwartet in die Hände Ottos fiel.
Zur Erläuterung des Kontext, muss ein wenig ausgeholt werden: In Italien saß seit dem Tod Kaiser Arnulfs von Kärnten mit dem Franken Berengar I. wieder einer der sogenannten Nationalkönige auf dem Thron der Langobarden. Wir gehen die Reihe zügig durch. Ihm folgte Rudolf II., der fränkische König von Hochburgund. Jener Rudolf II., übrigens aus einer burgundischen Nebenlinie der Welfen stammend, der König Heinrich I. auf dem Hoftag zu Worms 926 die Heilige Lanze im Tausch gegen den Aargau aushändigte. Nach Rudolf kam Hugo I., ein Bosonide aus Niederburgund. Hugo wurde von seinem Sohn Lothar II. beerbt und hier setzen wir ein. Jener Lothar II. war mit einer gewissen Adelheid, Tochter des schon erwähnten Rudolfs II. von Hochburgund verheiratet. Lothar starb mit nur 22 Jahren im November 950 in Turin, vermutlich wurde er vergiftet. Die Regentschaft, die er 946 von seinem zurückgetretenen und bald danach gestorbenen Vater übernahm, übte er faktisch nicht aus, denn Berengar II., der mächtige Markgraf von Ivrea, war eigentlicher Herr in Ober- und Mittelitalien und dies schon, während König Hugo I. noch amtierte. Nach dem vorzeitigen Tod Lothars II. wählten Teile des lombardischen Adels Berengar  zum König. Adelheid, die junge Witwe Lothars wurde zwischenzeitlich von Berengar auf seiner Burg in Garda festgehalten. Sie sollte seinen Sohn und Mitkönig Adalbert II. heiraten, weigerte sich aber. Die Herrschaft Berengars II. und seines Sohns Adalbert II. stieß bald auf Missfallen in weiten Kreisen des oberitalienischen Adels. Adelheid gelang mit ihrer kleinen Tochter Emma die Flucht auf die Burg Canossa, wo sie, dieser Teil ist umstritten, ein Hilfegesuch an Otto I. ins ostfränkische Reich sandte. Otto hatte, Hilfegesuch hin oder her, ein Eigeninteresse zu intervenieren. Seit 946 verwitwet, sah er in der Rettung, verbunden mit einer möglichen Heirat der noch jungen Burgunderin, Witwe des gerade verstorbenen Königs von Italien, Tochter eines ehemaligen Königs von Italien, die begründete Chance die Krone der Langobarden an sich zu bringen, gefolgt von der Kaiserkrone. Nachdem ein unzureichend vorbereiteter, überstürzter und hoffnungslos unterbemannter Zug Liudolfs, Ottos Sohn, in einem schmählichen Fehlschlag endete – die Aktion wurde vom eigenen Onkel, von Ottos Bruder Heinrich aus Eifersucht hintertrieben und verraten – machte  sich der König an der Spitze eines großen Heers im Spätsommer 951 selbst auf den Weg über die Alpen. Heinrich, der zuvor den eigenen Neffen verriet, fungierte als Heer- und Verhandlungsführer Ottos. Berengar II. flüchtete vor dem herannahenden Heer aus Pavia, das kampflos in die Hand der Deutschen fiel. Wir haben es ein weiteres Mal gewagt und von deutsch gesprochen, immer noch zu früh und doch notwendig, um den fließenden Übergang vom fränkisch dominierten Reich zu einem Reich deutscher Stämme zu kennzeichnen. Otto nahm jetzt, wir greifen vorweg, noch vor der Hochzeit mit Adelheit, den Titel eines Königs von Italien an. Er wurde weder erwählt, noch gesalbt oder gekrönt, dennoch machte ihm niemand den Titel streitig. Oberitalien, nur hierauf konzentrierte sich sein Einflussgebiet, fiel an das ostfränkische Reich und war fortan Bestandteil deutscher Herrschaftspolitik für ein gutes halbes Jahrtausend. Im Oktober erfolgte die Hochzeit mit Adelheid von Burgund. Seine militärische Thronusurpation in Italien bekam dadurch gewissermaßen eine nachträgliche Legalisierung.
Otto I. saß weiterhin nicht fest im Sattel. Die Entscheidung des Vaters das Königtum, besonders aber den allergrößten Teil des territorialen Erbes an nur noch eine Person, an Otto weiterzugeben, brachte die schon am Rande erwähnten Auseinandersetzungen mit den Brüden Thankmar und Heinrich zu Beginn seiner Herrschaft ein, welche Otto letztlich militärisch für sich entscheiden konnte. Thankmar fand dabei auf der Eresburg einen unrühmlichen Tod. Jetzt, mehr als ein Jahrzehnt später, erschütterte eine erneute Krise den Frieden und wieder kamen die Unruhen aus den Reihen der Familie. Nicht mehr Bruder Heinrich, der endgültig befriedet war, sondern diesmal Ottos Sohn Liudolf. Als designierter Nachfolger des Vaters, fürchtete Liudolf um seine zukünftige Stellung als Thronfolger. Was wenn aus der Heiratsverbindung mit der stolzen Adelheid weitere Söhne erwuchsen, eine ernste Gefahr für seine einstige Nachfolge im Reich. Was wenn der Vater vom eingeschlagenen Weg des Großvaters. abging und dereinst unter allen geborenen Söhnen die Regentschaft verteilte, ganz der alten fränkischen Tradition folgend? Was wenn Otto, wie Heinrich I. im Jahr 929 einst Thankmar, ihn Liudolf, den Erstgeborenen Ottos überging und stattdessen einem zukünftigen Nachkommen aus der Ehe mit Adelheid Krone und Szepter vermachte? Getrieben von dieser Sorge, verfinsterte sich das Verhältnis. Liudolf rebellierte gegen den Vater, was ursprünglich unbeabsichtigt war, dann aber rasch eine Eigendynamik erhielt, an deren Ende sich der Sohn, aller Verbündeter beraubt, rituell dem Vater unterwerfen musste.

Was war mit den Ungarn seit der Thronbesteigung Ottos? Mit dem Wechsel an der Spitze des Reichs probten die Ungarn 938 die Widerstandskraft der neuen Regierung indem sie in Sachsen einfielen. Das Burgensystem Heinrichs I. bewährte sich abermals vortrefflich, die Ungarn wurden abgeschlagen und blieben die kommenden Jahre fern. Sie durchstreiften stattdessen andere europäische Regionen. Nach den diversen Machtkämpfen im Reich, Otto konnte sie alle für sich entscheiden, wenngleich teilweise mit Mühe, kam es in Bayern zum Machtwechsel. Der königstreue Berthold, Onkel des bisherigen Herzogs Eberhard, wurde mit Bayern belehnt. Er führte am 12. August 943 auf der Welser Heide, im oberösterreichischen Alpenvorland, einen schweren Schlag gegen ein gerade einrückendes ungarisches Heer. Fünf Jahre später fielen die Ungarn unter einem neuen Anführer abermals in Bayern ein und wurden ein weiteres Mal geschlagen. Es folgte 949 ein erfolgreicher offensiver Vorstoß ins Gebiet der Ungarn. Es war seit der verheerenden bayrischen Niederlage vom 4. Juli 907 bei Pressburg, das erste offensive Vorgehen, das direkt gegen ungarische Siedlungsgebiete gerichtet war.
Die wiederholten Rückschläge der Ungarn in den zurückliegenden Jahrzehnten, welche sich insbesondere in Bayern, meist während des Rückzugs ereigneten, blieben nicht ohne Auswirkungen auf die immer sesshafter werdenden Stämme im Karpartenbecken. Man darf nicht davon ausgehen, dass das ganze ungarische Volk, vielmehr seine wehrfähigen Männer, zu Reiterkriegern wurden und  einziges Ziel ihres Lebes darin bestand, in räuberischen Kriegszügen Jahr für Jahr in die Ferne zu ziehen. Schon zu Beginn der Pannonischen Landnahme begannen große Gruppen sesshaft zu werden und das Land zu bebauen, statt weiter zu nomadisieren. Es entwickelte sich auf Dauer eine bodenständige Bevölkerung, die sich mit den schon ansässigen Slawen versippte. Noch war aber die Kaste der Reiterkrieger die treibende Kraft und gab die politische Richtung vor. Die ungarischen Rückschläge führten zu Anpassungen in den Strategien der Magyaren. Natürlich blieben ihnen die überall entstandenen Burgen nicht verborgen, auch nicht die Professionalisierung des ostfränkischen Heers und noch weniger dass die Gegenden die sie durchstreiften, in kürzester Zeit menschenleer waren, weil überall die Bevölkerung mit ihrem Vieh und ihrer mobilisierbaren Habe in die Fluchtburgen entwisch, wo sie zur Not wochenlang ausharren konnten. Sie wurden selbst vorsichtiger, kundschafteten ausgiebig und waren informiert hinsichtlich der politischen Lage in den jeweiligen Zielgebieten. Es blieb ihnen nicht verborgen, das Otto I. im Kampf gegen seinen Sohn Liudolf unter Druck stand und dass parallel dazu die Slawen im ostfränkischen Grenzgebiet für Unruhen sorgten. Bayern und Franken standen zeitweise und wechselseitig auf der Seite des aufständigen Sohns. Die Fesselung und Blockierung der militärischen Kräfte im innerdeutschen Vater-Sohn-Konflikt nutzten die Ungarn 954 zu einem spektakulären Zug entlang der Donau, über den Rhein ins westfränkische Reich bis an die Atlantikküste und zurück, ohne dass sie großartigen Widerstand erfuhren. Bestärkt vom Erfolg sollte 955 ein konzentrierter Schlag auf das ostfränkische Reich erfolgen, dort hatte sich aber im Sommer die Lage grundlegend zugunsten König Ottos geändert. Im Herbst  unterwarf sich Liudolf. Auf einem Hoftag in Arnstadt, südwestlich von Erfurt, wurde formell der Friede zwischen Vater und Sohn wieder hergestellt. Die Kräfte im Reich standen dem König aber weiterhin nicht voll zur Abwehr der ungarischen Bedrohung zur Verfügung. Zunächst waren die Slawen entlang der Elbe und in den Marken zu unruhiger Aktivität übergegangen und bedrohten unmittelbar Ottos sächsisches Herzogtum links der Elbe. Mit Unterstützung zweier sächsischer Großen, fielen die Elbslawen nach Ostern 955 in Sachsen ein, während der König zeitgleich Regensburg belagerte, dass sich, wie weitere Teile Bayerns, gegen ihn und den neuen Herzog Heinrich, Ottos jüngerer Bruder, auflehnte. Die slawische Bedrohung in Sachsen zwang den König seine ohnehin angespannten Kräfte zu teilen. 2.000 der wertvollen Panzerreiter, die schlagkräftigste Waffe des Heers, musste er in Sachsen zum Schutz vor den Slawen zurücklassen.

Niemand wusste welchen Weg die Ungarn ins Reich nehmen würden. Es war nicht ausgeschlossen, dass sie in diesem Jahr überhaupt nicht kamen. Im Mai kamen Nachrichten, dass die Ungarn in großen Gruppen die Grenze zum Herzogtum Bayern überschritten. Zunächst marschierten sie entlang der Donau nach Westen, schwenkten dann nach Süden ein, Richtung Augsburg, überschritten den Lech und begannen die gesamte Gegend um Augsburg bis zur Iller einzuäschern. Einzelne Gruppen streiften sie bis in den Schwarzwald und plünderten nach alter Manier. Die Hauptkräfte blieben vor Augsburg liegen und begannen ganz untypisch für die Ungarn, mit der Belagerung der Stadt, die von Bischof Ulrich verteidigt wurde. Erst kürzlich hatte Stadt eine niedrige, turmlose Steinmauer erhalten, die jetzt heftig von den Ungarn berannt und mit größter Zähigkeit von den Augsburgern und den Truppen des Bischofs verteidigt wurde. Otto rief zur allgemeinen Heerschau auf und machte sich mit seinen sächsischen Teilkräften auf den Weg. Auch aus den anderen Herzogtümern, außer aus Lothringen, strömten ihm Truppen zu, sogar ein starkes Kontingent von 1.000 Mann aus Böhmen, dass hier erstmals in großem Stil an der Seite deutscher Fürsten kämpfte. Alles in allem standen dem König rund 10.000 bei Ulm sich sammelnde, stark bewaffnete Reiter zu Verfügung, davon 3.000 Mann aus Sachsen, ebenso viele aus Bayern, 2.000 aus dem Herzogtum Schwaben und je 1.000 aus Franken und Böhmen. Die Zahl der ungarischen Kräfte ist unbekannt, Widukind von Corvey spricht von der unglaublichen Zahl von 100.000 Mann, was kaum realistisch ist. Wahrscheinlicher dürften es um die 40.000  oder 50.000 Mann gewesen sein. Wie auch immer, die Aussichten für das Heeresaufgebot fast aller deutschen Stämme waren auch dann nicht rosig.
Zu allem Überfluss wurde das Herannahen den Ungarn von einem oppositionellen Bayern verraten. Die Ungarn verstärkten jetzt ihre Bemühungen Augsburg zu Fall zu bringen. Beim bislang schwersten Angriff auf das zum Lech hin gerichtete Stadttor, fiel der ungarische Angriffsführer womit die weiteren Bemühungen eingestellt wurden. Die Ungarn rüsteten sich zur Schlacht gegen den herannahenden Otto. Nach den Erfahrungen der zurückliegenden Gefechte, wussten sie, dass die deutschen Reiter schwer gepanzert und diszipliniert waren, sich bei guter Führung nicht aus der Formation locken ließen und im Nahkampf durch ihre schwere Bewaffnung und größere Statur weit überlegen waren. Dass die Ungarn die Schlacht dennoch suchten, kann auf ihre zahlenmäßige Überlegenheit zurückgeführt werden, die ihnen Selbstsicherheit und Siegeszuversicht verlieh.

Am 10. August kam es zur Schlacht auf dem Lechfeld. In den  Morgenstunden begann der Anmarsch zum erwarteten Schlachtort. Die Ungarn nutzten ihre hohe Mobilität aus, um den Aufmarsch zu stören. Wissend um die erwarteten Störangriffe der Ungarn, wählte man für den Anmarsch ein baumreiches, schwieriges Gelände zum Schutz gegen die gefürchteten Pfeilhagel der Magyaren. Vorweg waren die drei bayrischen Legionen, gefolgt von den Franken unter dem Kommando Konrads des Roten, dann kam der König mit den auserlesensten Rittern, die Heilige Lanze und das Banner des Heiligen Michaels mitführend. Es folgten zwei Legionen Schwaben und den Schluss bildeten 1.000 böhmische Reiter die den Wagentross deckten. Die Ungarn, leicht bewaffnet und zu Pferde unerreicht geschickt, gelangten mit einem Teil ihrer Kräfte in den Rücken des Reichsheers, zerstreuten die böhmischen Reiter und trieben die Schwaben in die Flucht. Ein Fiasko drohte. In dieser kritischen Phase, noch vor der eigentlichen Schlacht, ließ Otto die vor ihm marschierenden fränkischen Kontingente wenden, um die Situation in seinem Rücken zu bereinigen. Konrad der Rote zerschlug die ungarischen Truppen, die sich plündernd über den Troß hergemacht hatten, und zerstreute sie. Die böhmische und schwäbische Reiterei organisierte sich wieder und fand den Anschluss an die Hauptstreitmacht des Königs.

Über den eigentlichen Schlachtverlauf berichtet erstaunlicherweise niemand der zeitgenössischen Chronisten, überliefert ist nur der Ausgang. Die Ungarn erlitten eine vernichtende Niederlage. Die höchsten Führer, sofern sie nicht gefallen waren, gerieten in Gefangenschaft und wurden später hingerichtet, es gab keine Gnade für den Verlierer. Wer sich noch vom Schlachtfeld retten konnte, teilweise waren es große und intakte Verbände, geriet in den Strudel kopfloser Flucht. Es konnte keinerlei Struktur und Formation mehr gebildet werden. Alles zerfiel in Gruppen und Grüppchen. Überall in Bayern wurden in den kommenden Tagen versprengte Ungarn aufgeschnappt und gelyncht. Der aufgestaute Hass von Jahren und Jahrzehnten entlud sich zügellos. Auf dem Lechfeld lagen nicht nur die gefallenen Leiber der Ungarn, auch unter dem Reichsheer hatte der Tod reiche Ernte gehalten. Herzog Konrad der Rote war der prominenteste Gefallene. In der glühenden Hitze löste er seinen Helm, worauf er von einem ungarischen Pfeil tödlich verletzt wurde. Ebenso fiel der Bruder des Augsburger Bischofs. Nachdem die Ungarn die Belagerung Augsburgs auflösten, war dieser mit einem Teil der berittenen Truppen in der Nacht ausgebrochen und hatte sich dem Heer Ottos angeschlossen. Auch sonst muss man schon wegen der zahlenmäßigen Überlegenheit der Ungarn annehmen, dass das Reichsheer viele weitere, schmerzliche Verluste hatte.
Die Auswirkungen der ungarischen Niederlage waren signifikant. Mittel-, West- und Südeuropa wurde nie mehr von ungarischen Reiterheeren heimgesucht. Nur das oströmische Reich erlebte noch für einige Zeit Übergriffe, doch auch diese hörten nach 970 auf. Sie zogen sich aus den südöstlichen Teilen des heutigen Österreichs zurück, worauf dort eine deutsche, eine frühdeutsche Besiedlung einsetzte. Die Macht der Reiterkrieger war gebrochen, es setzten sich andere politische Strömungen bei den Magyaren durch. Das ungarische Volk wurde in der ersten Hälfte des elften Jahrhunderts endgültig sesshaft und nahm den christlichen Glauben an. Es wurde ein Teil der europäischen Völkerfamilie. In Bezug auf Otto war der Sieg auf dem Lechfeld der außen- wie innenpolitische Befreiungsschlag. Kein Fürst im ostfränkischen Raum konnte jetzt noch wagen in unmittelbare Opposition zu treten, nicht gegen einen König, der ganz offensichtlich den Segen des allmächtigen Gottes, der Königsheil hatte. Konflikte gab es derweil in den Stammesherzogtümern weiterhin, es wäre falsch von einer jetzt angebrochenen Zeit des Friedens zu sprechen, und dennoch, das Zusammengehörigkeitsgefühl war groß. Noch auf dem Schlachtfeld riefen ihn die siegreichen Truppen zum Pater Patriae, zum Vater des Vaterlands aus und zum Imperator. Eine Reminiszenz an die Zeit des antiken Roms. Ottos Ruf in Europa konnte nicht schillernder sein, selbst im fernen und stolzen Konstantinopel, im oströmischen Reich, kam man nicht umhin, den ostfränkischen König wahrzunehmen. Doch blieben unmittelbar nach der Schlacht noch die Unruhen in den Slawengebieten. Diesen nahm er sich noch im gleichen Jahr an. Die Slawen, wir meinen hier jene aus den Gebieten der späteren Mark Brandenburg, aus Mecklenburg, Holstein und Pommern, sandten in Erwartung einer sehr wahrscheinlichen Niederlage Unterhändler und boten Tributzahlungen an. Einen kriegerischen Konflikt wider den Sieger über die furchtbaren Ungarn, wollten sie wenn möglich vermeiden. Otto, miltärisch nun im Vorteil, war nicht gewillt die seinem Herzogtum Sachsen zugefügten Schäden ungesühnt zu lassen. Er forderte neben Schadenersatz für die zugefügten Verheerungen, die bedingungslose Unterwerfung, was die Slawen ablehnten und sich in ihre unwegsamen Gebiete zurückzogen.
Furchtbar plündernd und sengend zog Otto mit seinen Truppen, den Markgrafen Gero als einen wichtigen Heerführer bei sich, durch das Slawengebiet östlich der Elbe. An der Raxa, ein in den Analen so erwähnter Fluss, der möglicherweise der Regnitz entspricht, geriet er und seine Sachsen in einen Hinterhalt. Vor sich, auf der jenseitigen Flussseite ein großes Slawenheer, das den Übergang geschickt verhinderte, hinter sich ein mit Hindernissen verbarrikadiertes, feindbesetztes undurchdringliches Widerstandsnest, waren die Sachsen mehr oder weniger bewegungsunsfähig eingeschlossen. Verhandlungen führten zu keinem Ergebnis. Nach einigen Tagen stellte sich Hunger und die ersten Krankheiten ein, es musste schnell gehandelt werden. Otto führte einen nächtlichen Scheinangriff über den Fluss, um den gegenüberliegenden Gegner zu binden und abzulenken, während Markgraf Gero an anderer Stelle drei Behelfsbrücken schlagen ließ. Hierbei erhielten die Sachsen von verbündeten Ranen tatkräftige Unterstützung. Die Ablenkung der gegnerischen Hauptstreitkräfte gelang, der heimliche Brückenschlag glückte. Die sächsischen Truppen setzen am 16. Oktober 955 vom Gegner ungehindert über den Fluss. Zu spät bemerkten die Slawen unter dem Oberkommando des Abodritenfürsten Stoignew die Gefahr. Eilig warf er seine Fußtruppen dem Feind entgegen. Das slawische Heer bestand im Gegensatz zum sächsischen Verband größtenteils aus unberittenen, nur leicht bewaffneten Truppen, was sich in den sumpfigen und waldreichen Gegenden üblicherweise bewährte.
Ottos schwere Reiter warfen den Gegner im ersten Angriff über den Haufen, erschlugen alles was im Weg war und trieb den Rest in die dichten Wälder. Fürst Stoigenew hatte mit seiner kleinen Reiterei auf einem Hügel die Niederlage beobachtet und leitete den beschleunigten Rückzug ein, wurde aber dem Bericht nach von einem sächsischen Ritter nemens Hosed in einem Dickicht gestellt und getötet. Besagter Ritter wurde mit einer Landschenkung für die Tat entlohnt. Es folgte die Einnahme des feindlichen Lagers. Bis in die Nacht ging das abschlachten der Slawen weiter. Am kommenden Tag wurden abermals 700 Gefangene vor dem abgeschlagenen und auf eine Lanze aufgesteckten Haupt ihres Anführers hingerichtet und Stoigenews Ratgeber durch Blendung verstümmelt.

Überraschend stand die Machtposition des Königs dauerhaft auf weniger festen Füßen, als es zunächst den Anschein hatte. Im Gegensatz zur Politik des Vaters, beruhte Ottos Herrschaft hauptsächlich auf einer Serie bemerkenswerter militärischer Erfolge und nicht auf Konsensualpolitik. Bei der Vergabe von Lehen machte er sich von Beginn an Gegner, was zu den schon beschriebenen inneren Verwerfungen sowohl in der Familie, wie im Verhältnis zu zahlreichen Fürsten des Reichs führte. Als Ende 955 die Auseinandersetzungen im Reich beigelegt waren, lebten wichtige Säulen seiner Königsherrschaft nicht mehr. Im August war auf dem Lechfeld Konrad der Rote gefallen, er war übrigens, es wurde noch nicht erwähnt, der Schwiegersohn Ottos. Obwohl er zeitweise am Aufstand Liudolfs beteiligt war, wurde er bald wieder eine große königliche Stütze. Im Spätherbst 955 starb als nächstes, nach langer Krankheit, Bruder Heinrich in Regensburg. Auch er war, gerade im Anfangsjahrzehnt, ein energischer Widersacher Ottos, später dann ein enger Vertrauter und Heerführer. Blieb Ottos ältester Sohn Liudolf, dessen Aufstand gegen den Vater angerissen wurde. Nach seiner demonstrativen Unterwerfung und Versöhnung, half er die Slawen im ostsächsischen Raum zu bekämpfen, während zeitgleich Otto I. Regensburg belagerte und im August die Ungarn bei Augsburg besiegte. Im Herbst 955 war er mit dem königlichen Vater auf dessen Feldzug im Slawenland. Als wichtigste Stütze erwieß sich Ottos jüngster Bruder Brun. Zunächst Kanzler, war er seit 953 Erzbischof von Köln, kurz darauf Herzog von Lothringen und von 954 an Vormund seiner rivalisierenden, westfränkischen Neffen Lothar und Hugo, Söhne seiner Schwestern Gerberga und Hadwig. In dieser Rolle war er zeitweise Regent des westfränkischen Reichs. Brun war ein gebildeter Mann. In jungen Jahren von Vater Heinrich I. zum geistlichen Stand bestimmt, genoss er eine vorzügliche Ausbildung. Für König Otto I. war er als treuer Bruder, hoher Kirchenfürst, Herzog von Lothringen, Vormund der gemeinsamen Neffen und Regent des Westfrankenreichs, man kann noch nicht Frankreich sagen, von unschätzbarem Wert. Vermutlich war es Brun, der einen wichtigen Beitrag zur Errichtung des ottonischen Reichskirchensystems leistete. Wobei neuere Forschungen den Einfluss des Königs auf die hohe Geistlichkeit im ostfränkischen Reich mittlerweile stark relativieren. Otto verfolgte möglicherweise einen viel geringeren, vielleicht sogar überhaupt keinen  programmatischen Ansatz, sondern war möglicherweise mehr glücklicher Nutznießer und in diesem Sinne beiläufiger Förderer des Systems, denn Initiator und Architekt. Das Reichskirchensystem ist ein wichtiger Themenkomplex, soll aber an dieser Stelle nicht weiter vertieft werden, zumal wir es in Kapitel I. bereits anrissen. Wir kommen nochmal andernorts darauf zu sprechen und richten stattdessen den Blick nach Italien.

Ottos erster Italienzug vor vier Jahren brachte ihm seinerzeit die Eiserne Krone der Lombarden kampflos ein, sowie die Hand Adelheids von Burgund. Hierzu  vertrieb er zuvor Markgraf Berengar II. von Ivrea, der seit einigen Jahren, ohne erblichen Rechtsanspruch, de facto König von Italien war. Ottos eigene Thronusurpation bekam mit der Heirat Adelheids, der Witwe des letzten Königs von Italien, einen legalen Anstrich. Otto, der damals im ostfränkische Reich durch die Rebellion Liudolfs, dem sich Schwaben, Franken und Bayern zuerst anschlossen, bedrängt war, hatte weder Zeit noch Mittel, um sich der  Regentschaft in Italien anzunehmen, weswegen er den eben erst vertriebenen Berengar von Ivrea mit dem Königreich Italien belehnte. Während nun Berengars Lehnsherr Otto im Norden den Aufstand des Sohnes niederschulg, mit ihm wieder versöhnte, dann die Ungarn für alle Zeiten vertrieb, abschließend die Slawen nördlich und östlich der Elbe bis zur Oder unterwarf, machte Berengar immer mehr Anstalten Italien selbstherrlich zu regieren. Er legte sich mit dem Papst an, der, wie im Übrigen auch zahlreiche fränkische und lombardische Adlige, Otto um Unterstützung gegen den tyrannischen Berengar bat. Auf Rat Bruns, Ottos erzbischöflichem Bruder, sandte dieser seinen Sohn Liudolf, der wieder das volle Vertrauen des Vaters genoss, mit einem Heer nach Italien, um die Sache zu bereinigen und den untreuen Vasallen zur Räson zu bringen, was ihm gelang. Berengar wurde auf seine Burg vertrieben, wo ihn die eigenen Leute auslieferten. Liudolf ließ ihn wieder laufen, blieb zum Erhalt des Status Quo allerdings in Italien, wo er im Folgejahr, schon auf dem Rückweg in die Heimat, plötzlich erkrankte und am 6. September 957 im oberitalienischen Pompia starb. Für die Thronfolge war der unerwartete Tod Liudolfs ein schwerer Schlag. Zwei Tage später starb König Ottos ältester noch lebender Sohn Brun, aus der zweiten Ehe mit Adelheid von Burgund stammend, in jungen Jahren. Nun gab es nur noch den kleinen Otto. Er war erst 955 geboren worden und es war ungewiss, ob dieser das Erwachsenenalter überhaupt erreichen würde, immerhin war neben Brun, noch ein weiterer Sohn Ottos aus der Ehe mit Adelheit bald nach der Geburt verstorben. In Italien ging Markgraf Berengar von Ivrea fast augenblicklich zu seiner alten Gewaltherrschaft über. Das Machtvakuum ausnutzend, immer noch über große Teile Oberitaliens gebietend, eignete er sich das Königreich Italien abermals an und saß erneut dem Patrimonium Petri auf dem Nacken. Papst Johannes XII. und weitere hohe Kleriker Oberitaliens ersuchten wieder die Hilfe König Ottos, der seit 958 an einer längeren Krankheit litt, den Analen nach einem epidemisch auftretenden Ausschlag, den man zeitweise für Aussatz hielt, wovon er sich nur langsam erholte. Trotz der hinderlichen Erkrankung war ein neuer Feldzug gegen die Slawen notwendig geworden, die auch dieses Mal wieder mit aller Brutalität geschlagen wurden.

Das Königtum beruhte zur damaligen Zeit auf persönlicher Repräsentation. Herrschaft hieß Reisekönigtum und nur zeitweilige Residenz in den lokalen Zentren des Reichs. Ein nahes Verhältnis zu den regionalen Mittelmächten des Reichs war unerlässlich. Durch längere Abwesenheiten lief der Monarch Gefahr, die Kontrolle über die stark autonom geführten Stammesherzogtümer zu verlieren. Otto war dementsprechend nicht in der Lage die Verhältnisse in Italien ohne weiteres gleich in die Hand zu nehmen. Das Fehlen zuverlässiger, an ihn und sein Haus gebundener Vertrauter war eine Hypothek, die sich nach dem Tod der schon erwähnten Verrauenspersonen akut bemerkbar machte. Zur Jahreswende 960/61 war die Lage im ostfränkischen Reich soweit stabilisiert, die Machtverhältnisse in den Stammesherzogtümern soweit geregelt, dass Otto mit konkreten Vorbereitungen zu einem zweiten Italienzug begann. Neben finanziellen und militärischen Aspekten, war die Nachfolge im Reich seit dem Tod Liudolfs zur dringendsten Frage geworden. Söhnchen Otto war jetzt sechs Jahre alt, dennoch erreichte Otto I. auf dem Wormser Hoftag Mai 961 seine Wahl zum Mitkönig. Am 26. Mai, zu Pfingsten, gaben auch die Lothringer in Aachen ihre Stimme für den kleinen Otto ab. Die Krönung nahmen der Onkel, Erzbischof Brun von Köln, sowie die Erzbischöfe Wilhelm von Mainz und Heinrich von Trier im Aachener Dom vor, wo schon der Vater gekrönt wurde und der fortan zum sakralen Krönungsort des Reichs wurde.

Das Heer Ottos I. sammelt sich in Sommer 961 um Augsburg, wo im August der Zug über die Alpen nach Italien begann. Der königliche Sohn wurde derweil der Obhut des Onkels und des Erzbischofs von Mainz übergeben, die als Verweser des Reichs fungierten. Über den Brenner ziehend, verbrachte der König Weihnachten in Pavia. Berengar von Ivrea und seine Anhänger entzogen sich durch Rückzug jedem Kampf und verschanzten sich in festen Plätzen und Burgen. Im Januar begann der Weitermarsch nach Rom, das Otto an der Spitze des Heeres und in Begleitung seiner Gattin am 31. des Monats erreichte. Papst Johannes XII., bisher unter der an Willkür grenzenden Herrschaft Berengars und seines Sohnes stehend, erwartete die Ankunft Ottos seit langem sehnlichst. Er salbte und krönte Otto I. am 2. Februar 962 in der Petersbasilika zum Kaiser. Mit ihm wurde auch seine Frau Adelheit gekrönt, eine bisher noch nicht dagewesener Einzelfall in der Geschichte der postantiken Kaiser. Mit der Erhebung zum Kaiser wurde Italien, Oberitalien, ein Bestandteil der Reichsterritorien.

Berengar unterwirft sich Otto I.

Berengar wurde ein zweites Mal und diesmal endgültig unterworfen. Er wurde ins Exil nach Bamberg geschickt, wo er einige Jahre später verstarb. Der Sohn sollte sich zwar bald mit ausgerechnet jenem Papst gegen den Kaiser verbünden, der zuvor Otto dringend nach Italien rief, doch darüber hier jetzt keine weiteren Details, außer dass er sehr bald vor Otto, welcher als Reaktion gegen Rom zog, zusammen mit seinem Mitverschwörer fliehen musste. Der Kaiser ließ daraufhin auf einer einberufenen Synode Leo VIII. zum neuen Papst wählen.
Die weitere Regentschaft Ottos soll in aller Kürze zusammengefasst werden. Ein langgehegter Plan war die Errichtung eines Magdeburger Erzbistums, das schließlich, trotz größter Widerstände durch das Mainzer Erzstift und das Halberstädter Stift, geformt wurde. Magdeburg wurde von Otto I., seit seinem Sieg gegen die Ungarn Otto der Große genannt, konsequent zu seiner Hauptresidenz ausgebaut. Außenpolitisch stellte die letzte Phase seiner Regierung einen Höhepunkt der bisherigen Reichsgeschichte seit Karl dem Großen dar.


Wann war nun der Anfang?

Von Karl dem Großen bis Otto dem Großen wurden auf den zurückliegenden Seiten alle fränkischen, nach der Reichsteilung von 843, alle ostfränkischen Könige oder Kaiser in einem manchmal mehr, manchmal weniger detailierten Überblick erwähnt. Genügen diese Informationen, um damit die Eingangsfrage nach dem Anfang des Reichs beantworten zu können?

Karl der Große schuf zu seiner Zeit ein fränkisch dominiertes Großreich, doch schon damals barg sowohl die fränkische Erbpraxis, wie die heterogene Zusammensetzung seines Vielvölkerreichs den Samen des Zerfalls in Teilreiche. Im 843 geschlossenen Vertrag von Verdun kam es zur ersten Teilung, ihm folgten weitere. Immer neue Fragmentierungen waren in jeder Nachfolgegeneration zu erwarten. Erstaunlicherweise zersplitterten die Teilreiche nicht in einen wahren  Flickenteppich unabhängiger, möglicherweise verfeindeter Territorien. Unter Karl III. dem Dicken kam es unverhofft wieder zur Wiedervereinigung aller fränkischen Teilgebiete. Mit seinem kinderlosen Tod brach es dann ein allerletztes Mal auseinander. Sprachlich und kulturell bildeten die unterschiedlichen Reichsteile nie eine Einheit. Das Reich Karls des Großen war von seinem Heer mit Waffengewalt geschaffen und zusammengehalten worden. Mit seinem Tod begann ein fast schon natürlicher Prozess der Territorialisierung des fränkischen Großreichs. Es bildeten sich bald zwei prägnante Gebiete heraus, das sogenannte Westfränkische- und das Ostfränkische Reich. Ein fränkisch- lombardisch geführtes Italien, ohne Unteritalien, wurde wechselweise vom einen, dann wieder vom anderen, einige Male auch selbstständig regiert. Mit dem Aussterben der ostfränkischen Karolinger durch den frühen Tod Ludwigs IV., dem man bezeichnenderweise den Beinamen das Kind gab, verloren sich endgültig alle dynastischen Ansprüche auf ein Gesamtreich. Das ostfränkische Reich entwickelte sich fortan als eigenständiger Machtblock und übernahm unter Otto I. die Führungsrolle als dominierende Kraft am Übergang zum hochmittelalterlichen Europa, das sich, nach Eindämmung der maurischen Expansionen, und dem Ende der Wikinger- und Ungarnüberfälle, zu formen begann. Unter Otto I., dem Bezwinger der Ungarn, kam die Kaiserkrone in das vormalige Ostfränkische Reich. War es überhaupt noch fränkisch zu diesem Zeitpunkt? Otto und sein Vater, beides Sachsen, referenzierten auf ihren Siegeln noch auf das fränkische Erbe, indem sich Heinrich I. Rex Francorum Orientalium nannte und Sohn Otto zusätzlich auf den italienischen Anspruch verweisend, Otto Dei gratia Rex Francorum et Langobadorum. Gerade bei Otto dem Großen wird man den Verweis auf das fränkische Erbe kaum als mehr, denn Reminiszenz verstehen dürfen. Legitimität zur Herrschaft, die sich aus scheinbarer Kontinuität ergab. Otto strebte, wie seit Karl dem Großen niemand vor ihm, eine selbstbewusste Neuordnung des Herrschaftsgefüges an. Seine Autorität nahm er direkt aus dem Willen des Allmächtigen, was er mit der Formulierung Dei gratia, von Gottes Gnaden, deutlich zu Ausdruck bringt. Das gestiegene Selbstbewusstsein seines Amtsanspruchs kommt letztendlich auch in einem völlig neuen Siegel zum Ausdruck. Waren bisher alle Herrscher immer in der Profilansicht zu sehen, im Übrigen auch das königliche Siegel Ottos I., so wechselt er seit der Kaiserkrönung auf eine Frontalansicht. Siehe hierzu das Siegel zu Beginn dieses Kapitels.

Das Reich, um es jetzt zum Abschluss zu bringen, nahm unter Karl dem Großen einen frühen Anfang, seine Krönung am Weihnachtstage des Jahres 800 darf als eine Geburtsstunde gesehen werden, doch wusste niemand wohin die Reise gehen würde. Statt eines fortdauernden, großeuropäischen Reiches unter fränkischer Vorherrschaft, entstand eine Reichsteilung wobei sich der westliche Teil nach ereignisreichen Jahrhunderten zu einem frühen europäischen Nationalstaat entwickelte, Frankreich, während der östliche Teil das Erbe und die Reichsidee gewissermaßen fortführte, allerdings unter veränderten Rahmenbedingungen. Das Reich Karls des Großen muss von der Herrschaftsstruktur zentralistisch gesehen werden. Wenngleich ein Reich dieser Größe in der damaligen Zeit nicht wirklich zentral regiert werden konnte, war sein Wesen von oben, vom Kaiser nach unten herab. Das Reich, das sich im Osten unter Otto I., ja schon unter Heinrich I. zu entwickeln begann, war von Beginn an föderal strukturiert. Nicht dass dies von den Oberhäuptern des Reichs gewollt war, es war jedoch unvermeidlich. Der Herrscher musste im Einklang mit den starken Mittelmächten, den Fürsten der Stammesherzogtümer, und mit den Kirchenfürsten der Reichskirche regieren. In späteren Jahrhunderten kamen weitere, mitunter wechselnde Territorialfürsten hinzu, an deren Stelle noch später die Kurfürsten traten.
Zwar versuchten zukünftige Könige und Kaiser mit unterschiedlichem Erfolg eine Bündelung und Zentralisierung der Herrschaftsautorität, doch waren bald schon wichtige Königsregalien an Reichsfürsten vergeben, so dass das Reich eine in der europäischen Geschichte bis heute eine einzigartige Struktur erhielt, nicht nur auf seine territoriale Struktur bezogen, eher noch auf die Gliederung seines Machtapparats.
Wenn man die Kaiserkrönung Karls des Großen als Geburt betrachtet, drohte in den Teilungswirren danach schon der Untergang. Demgemäß könnte man die Kaiserkrönung Ottos I. des Großen als eine Neugeburt, vielleicht auch im christlichen Sinne, als die Taufe des Reiches sehen. Entwickelt hat es sich seither immer weiter und existierte bis 1806 fort, womit es auf eine mehr als tausendjährige, wechselvolle Geschichte zurückschauen kann.
Es blieb, nehmen wir die frühen Karolinger aus, in all den Zeiten eine Wahlmonarchie. Alle seine Häupter wurden gekürt, die allermeisten auf Lebenszeit. Auch wenn es immer große Herrscherdynastien gab, die aus ihren Reihen mehrere Herrscher hintereinander stellten, dabei gleichzeitig immer ein Erbkönigtum für ihre Nachfahren anstrebten, gewählt mussten sie alle werden. Am Übergang zum Spätmittelalter bekam das Reich seinen letztendlichen Namen, Heiliges Römisches Reich, Ende des fünfzehnten Jahrhunderts mit dem Zusatz versehen Deutscher Nation, nachdem sich Oberitalien und Burgund größtenteils dem Reich entfremdet hatten.

Seit 150 Jahren debattieren Historiker, die größten ihres Fachs, soviel darf gesagt sein, über das Wesen des Reichs. Viele Erklärungen sind trotz allem in ihrer Art dem jeweiligen Zeitgeist geschuldet. Bis heute hallt der Sybel-Ficker-Streit nach: Ist das Reich an seiner Italienpolitik gescheitert, wäre es nicht Aufgabe seiner Regenten gewesen, die Kräfte ganz auf die Ostkolonisation zu konzentrieren? Wir wagen es nicht Stellung zu beziehen, das tun heutige Historiker zu Genüge. Das Reich ist auch nicht Hauptthema des Buches, es bietet aber das notwendige Fundament auf dem die Mark Brandenburg entstand und sich entfaltete, entsprechend ist es ratsamen gewesen diesem Themenkomplex ein eigenes Kapitel zu  widmen.
Die zeitversetzte Entwicklung Brandenburgs zeigt gewisse Parallelen. Wie die Mark nicht in einem singulären Akt entstand, so ist das Reich, das Alte Reich, das Ergebnis einer Evolution über Jahrhunderte. Sein Wohl und Wehe hing von den Dynamiken der Zeit ab und von dem Fortune seiner Herrscher und Glieder.


 

2 Gedanken zu „Buch 1, Kapitel IV: Das Reich und seine Anfänge“

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