Buch 2, Kapitel I: „Ludwig I. der Brandenburger (Mai 1315 – 18. September 1361)“

Markgräfliches Wappen
der Wittelsbacher in Brandenburg

Auf dem königlichen Hoftag zu Nürnberg, April 1323, bestimmte der römisch-deutsche König Ludwig IV. seinen ältesten, gleichnamigen Sohn zum zukünftigen Markgrafen Brandenburgs. Damit fand nach rund dreijährigem Interregnum ein Ende, die Mark fiel an die Wittelsbacher Königsfamilie.

Ludwig wurde schon von den Zeitgenossen, zur Abgrenzung und besseren Unterscheidung zum Vater, der Beiname der Brandenburger gegeben. Er war zum Zeitpunkt seiner Belehnung noch im Knabenalter, womit er eines Vormunds bedurfte, der in seinem Namen die Administration ausübte. König Ludwig IV. bestellte hierzu den Grafen Berthold VII. von Henneberg-Schleusingen (1272 – 1340). Er wurde erster Statthalter der Mark unter den Machthabern und zugleich Vormund des erstgeborenen königlichen Sohns. Graf Berthold zählte zum engsten Beraterkreis des Reichsoberhaupts und es verwundert nicht, dass gerade ihm diese Aufgabe zuteil wurde.

Ludwig „der Brandenburger“

Ludwig I. von Brandenburg, gelegentlich auch Ludwig der Ältere genannt, wurde im Mai 1315 geboren. Seine Mutter war Beatrix von Schlesien-Schweidnitz (1290 – 1322), aus einer der schlesischen Nebenlinien der Piasten. Im Belehnungsjahr des Sohns, war sie bereits verstorben. Die näheren Umstände des Todes sind unbekannt.

Aus der Verbindung mit Beatrix entstammten weitere fünf Kinder, wovon nur eine ältere Schwester, Mathilde von Bayern (1313 – 1346) und ein jüngerer Bruder, Stephan von Bayern (1319 – 1375), das Erwachsenenalter erreichten.
Vater Ludwig heiratete im Jahre 1324 ein zweites Mal. Zur Festigung seiner königlichen Autorität im norddeutschen Raum, wählte er mit Margarethe von Holland (1310 – 1356), die älteste Tochter des Grafen Wilhelm III. von Holland-Hennegau (1286 – 1337). Ihr jüngerer Bruder Wilhelm IV. der Kühne, erbte 1337, als einziger männlicher Spross die Ländereien des Vaters, starb dann selbst bereits acht Jahre später, im Jahre 1345, ohne eigene Erben zu hinterlassen. Somit fiel der umfangreiche Besitz der Grafschaften in HollandFriesland, Seeland und dem Hennegau, an Margarethe. Ihr kaiserlicher Mann, zwischenzeitlich hatte er die Kaiserwürde erworben, verlieh die als erledigtes Lehen ans Reich zurückgefallen reichen Grafschaften, mit Ausnahme Hennegaus, aus hausmachtpolitischen Beweggründen die eigene Frau und Nachfahrin der vorangegangenen Lehnsinhaber. Die Grafschaft Hennegau war ein Lehen des Bischofs von Lüttich, der ebenfalls die Kaisergattin damit belehnte. Zusammen mit der Mark, Tirol, und den bayrischen Erblanden, verfügte die bayrische Linie der Wittelsbacher, zwischenzeitlich über eine bedeutende Landmasse, wenn auch auseinandergerissene wirtschaftlich potente Machtbasis.

Die Ehe mit Margarethe von Holland brachte weitere zehn Kinder hervor, wovon sieben die Volljährigkeit erlangten.

  • Margarethe (1325 – nach 1358)
  • Anna (1326 – 1361)
  • Ludwig VI. „der Römer“ (1328 – 1364/65)
  • Elisabeth (1329 – 1402)
  • Wilhelm I. (1330 – 1389)
  • Albrecht I. (1336 – 1404)
  • Beatrix (1344 – 1359)
  • Agnes (1345 – 1352)
  • Otto V. (1346 – 1379)
  • Ludwig (1347 – 1348)

Die maßgeblichen Dynastien im Reich

Mit der 1323 vollzogenen Belehnung des ältesten Sohns sowie der machtpolitisch motivierten Heirat Margarethes von Holland, verfolgte Ludwig IV. eine stabilisierende Politik, die darauf abzielte die schon seit Generationen zerfallende königliche Autorität in den nördlichen Reichskreisen wieder zu festigen und dabei gleichzeitig die Wittelsbacher Hausmacht zu stärken. Große Teile des nördlichen Reichsteils waren seit den Auseinandersetzungen zwischen Welfen und Staufern dem Königtum zunehmend entfremdet. Wohl waren die Fürstentümer Brandenburg und Sachsen-Wittenberg unter ihren beiden askanischen Linien, als Königswähler und im Rahmen ihrer zeremoniellen Hochämter, eng an das Königtum gebunden, doch blieben eigene Familieninteressen zumeist der bestimmende Faktor ihrer Reichspolitik. Die Königswahlen waren dabei oft genug geeignete Gelegenheiten dem zukünftigen Monarchen Privilegien und Zugeständnisse abzutrotzen. Dem jeweiligen Reichsoberhaupt fühlte man sich, jenseits zentraler Reichsbelange, selten in tieferer Form verpflichtet. Unterschiedlich stark ausgeprägte dynastische Familienpolitik war der hauptsächliche Antriebsmotor der reichsunmittelbaren Fürstenhäuser.

Die Erlangung der Mark Brandenburg verschaffte dem amtierenden Monarchen für den Moment die Stimme eines zweiten Fürstentums. Mit der Pfalzgrafschaft zu Rhein verfügte er als dortiger Vormund für einige Zeit über die Stimme dieses Fürstentums. Mit zwei, von insgesamt sieben Kurstimmen des Reichs, ergab sich für das Haus Wittelsbach eine starke Ausgangsposition hinsichtlich der Errichtung eines Erbkönigtums.

Drei Dynastien rangen zu dieser Zeit um die Dominanz im Reich.

Die bayrischen Wittelsbacher, mit ihren Herzogtümern in Nieder- und Oberbayern, der Markgrafschaft Brandenburg und den Grafschaften Holland, Seeland, Hennegau und Friesland.

Die Habsburger mit den Herzogtümern Österreich, Steiermark, später noch Kärnten und Krain sowie ihrem großen Allodialbesitz in der Schweiz, Schwaben, Baden und Elsass.

Die Luxemburger mit dem Königreich Böhmen, der Markgrafschaft Mähren, Teilen der Lausitz und den luxemburgischen Stammlanden im Westen des Reichs.


Die Mark unter den Wittelsbachern

Graf Berthold von Henneberg machte sich als sachverständiger Berater und Statthalter schon unter König Albrecht I. und Kaiser Heinrich VII. einen guten Namen. Nach König Ludwigs Sieg bei Mühldorf, stellte sich Berthold jetzt ganz in den Dienst des unangefochtenen Monarchen der ihn daraufhin zum Vormund seines ältesten Sohnes und Verweser der Mark machte.
Er trat im zerrütteten Brandenburg kein leichtes Amt an. Es galt primär die Integrität des sich in Auflösung befindlichen Landes wieder auf einen Stand zu heben, dass es dem zukünftigen Regenten und Erben wieder zu einem sich selbst tragenden Fürstentum wurde. Die verlorenen Gebiete der Prignitz, Uckermark, Altmark und Neumark wieder anzuschließen waren die priorisierten außenpolitischen Aufgaben. Noch im Jahr 1323 kam es gegen Mecklenburg zum Krieg um die Provinzen Prignitz und Uckermark. Mecklenburg leistete in diesen Gebieten keinen bedeutenden Widerstand so dass der Krieg noch im selben Jahr beendet wurde. Es musste damit gerechnet werden, dass bei der nächstbesten Gelegenheit ein Ausgleich seitens des Geschlagenen gesucht würde. Vorsicht, geschicktes Taktieren und reifliches Abwägen weiterer Schritte war ein wichtiges Gebot.

Die Aufgabe den aufsässigen und separatistischen märkischen Adel unter die landesherrliche Führung zu zwingen, sollte unter den Wittelbachern nie ganz zur Vollendung kommen. Es erwies sich als das zermürbenste innenpolitische Betätigungsfeld. Die vorangehenden wenigen Jahre des märkischen Interregnums, reichten völlig aus, um das Land nach außen und innen schwer zu erschüttern. Der Landadel des Havellandes und der Prignitz erwies sich als besonders aufsässig. Das zugrundeliegende Motiv war leicht zu erraten. Die allgemeine Unruhe und das Fehlen einer durchgängigen, starken Landesautorität, wurde benutzt, den eigenen Landbesitz sowie die persönlichen Rechte und Privilegien eigenmächtig zu erweitern. Kurzum, es bildeten sich zahlreiche kleine, autonome Zellen, die sich dem neuen Lehnsherren nach Kräften verweigerten, oder ihm zumindest passiv und reserviert gegenüberstanden.

Um der äußeren, im Moment akutesten Gefahr für die neue Landesführung zu begegnen, war es für König Ludwig IV. unabdingbar Verbündete im Norden des Reichs oder außerhalb davon zu gewinnen. Die Basis dazu wurde in Gestalt einer weiteren Eheverbindung geschaffen, dieses Mal für den Sohn. Eine arrangierte Heirat zwischen dem erst neunjährigen Ludwig, dem designierten Markgrafen und der bereits 19-jährigen Margarete von Dänemark (1305 – 1340), erstgeborene Tochter König Christophs II. von Dänemark, am 30. November 1324, schuf im Norden eine Ausgangslage, mit der das brandenburgische Erbe für den Augenblick ausreichend gegenüber Mecklenburg und Pommern abgesichert war.


Ausbrechende Innere Konflikte

War das neue brandenburgische Regiment nach außen fürs Erste gedeckt, so blieben die Schwierigkeiten innerhalb der Mark weiterhin unverändert. Der selbstherrliche Widerstand des Adels war nur eine Facette davon, andere sollten sich hinzugesellen.
Im Jahre 1325 kam es in der mittlerweile vereinten Doppelstadt Berlin-Cölln zu einem Vorfall, der sich zur handfesten Krise auswuchs, die rückblickend betrachtet, als böses Omen hinsichtlich den zukünftigen Verhältnissen zur Kirche gesehen werden konnte. Die Angelegenheit stand thematisch im direkten Zusammenhang mit den schweren politischen Kontroversen König Ludwigs IV. und Johannes XXII., dem in Avignon residierenden Pontifex. Ludwigs Reichspolitik in Oberitalien kollidierte mit den päpstlichen Ambitionen in der dortigen Region. Der alte Gegensatz zwischen Papsttum, das seinen Territorialeinfluss nach Norden auszudehnen suchte und den imperialen Ansprüchen des Reichs, wurde neu befeuert. In der weiteren Folge fiel der König und spätere Kaiser unter den päpstlichen Kirchenbann und mit ihm auch mancher seiner Parteigänger sowie die gesamte Familie. Zu Ludwigs erklärten Anhängern zählten nicht nur die meisten Reichsfürsten, sondern in ganz besonderem Maße auch die Reichsstädte, die in der überwiegenden Masse ausgesprochen loyal zu ihm standen. In der Mark gehörte die Doppelstadt Berlin-Cölln, sie war keine Reichsstadt, zu den erklärten Anhängern des Königs. Überhaupt hielten sich die brandenburgischen Städte dank zuvor umfassend bestätigter Rechte, eng an den römisch-deutschen König und dessen Sohn. Nicht ohne Eigennutz unterstützte die Doppelstadt Markgraf und königlichen Vater, hieraus erwuchsen der durch Handel wohlhabend gewordenen Hansestadt, einträgliche Privilegien.

Der papsttreue Bischof von Brandenburg entsandte seinen wortgewaltigen Propst Nikolaus von Bernau um den Städtern ihr unchristliches Verhalten vor Augen zu führen. Von der Kanzel der Marienkirche schalt er die versammelte Bürgerschaft in drastischen Worten und rügte sie dafür, dass sie dem von der Kirche gebannten König, einem verfehmden Widersacher des Heiligen Vaters, so offensichtlich, nur auf den eigenen materiellen Vorteil bedacht, zur Seite standen. Die Anwesenden fühlten sich nicht zur Reue bewogen, im Gegenteil, ihr Zorn wallte auf und kochte über. Sie zerrten den bischöflichen Beauftragten wütend und entrüstet von der Kanzel. Unter Schlägen und Tritten prügelten sie ihn hinaus auf den Marktplatz vor der Kirche, wo sie ihn erschlugen. Sein Leichnam wurde danach demonstrativ auf einem aufgetürmten Scheiterhaufen verbrannt. Diese Bluttat, geschehen am 16. August 1325. Sie zog die gefürchtetste aller kirchlichen Strafaktionen nach sich. Über die Stadt wurde das Kircheninterdikt verhängt. Jedwede Kirchenhandlung war jetzt untersagt. Weder Kindstaufen noch christliche Bestattungen, nicht das Sakrament der Ehe noch die heilige Kommunion konnte mehr empfangen werden. Selbst die letzte Ölung und eine christliche Bestattung auf geweihter Erde wurde verweigert. Am Schlimmsten traf die reiche und weiter aufstrebende Kaufmannsstadt der damit einhergehende, fortschreitende Einbruch des Handels. Jedem Christ war es verboten Geschäfte, egal welcher Art, mit den Bewohnern Berlin-Cöllns zu machen. Natürlich war die Durchsetzung nicht vollständig und selbstverständlich fanden sich sowohl auf religiöser wie wirtschaftlicher Ebene Auswege und Schlupflöcher, die Stadt litt dennoch merklich unter den verschlechterten Bedingungen. Mehr als zwei Jahrzehnte brauchte die Stadt um den Makel abzustreifen. In dieser Zeit ging viel des angesammelten Wohlstands verloren und es brauchte danach Jahre um an das schon einmal erreichte Niveau wieder anzuknüpfen.

Der brandenburgische Bischof fühlte sich dem Heiligen Stuhl und den Wünschen und Anweisungen des Papstes verpflichtet, somit verstand er sich darauf die Bevölkerung der Mark gegen die Wittelsbacher, deren Kopf der gebannte König Ludwig war, aufzubringen. Die Episode rund um den erschlagenen Propst von Bernau war hierbei nur eine der vielen diesbezüglichen Facetten. In anderen Landstrichen zeigten die Agitationen des Bischofs nicht diese dramatischen Gegenreaktionen unter dem Volk sondern fielen auf fruchtbaren Boden, besonders auf dem platten Land. Während die Städte von großzügigen Zugeständnissen seitens der Wittelsbacher profitieren konnten, war der einfache Bauernstand wie stets der Spielball zwischen Adel, der Geistlichkeit und dem landesherrlichen Regiment. Mit der Krönung Ludwigs zum Kaiser und der Wahl eines willfährigen Gegenpapstes, intensivierte sich der politische Streit zwischen Papst Johannes XXII. und dem Oberhaupt des Reichs noch einmal deutlich. In der Mark verstand sich der renitente, burggesessene Adel darauf, die von der Kirche angeheizte Lage weiter für die eigenen Interessen auszunutzen und sich zu noch mehr zu separieren.

Neben den inneren Problemen, kam ein altes, ungelöstes Thema wieder auf. Mit Brandenburg erbten die Wittelsbacher, ein altes Vorrecht und man möchte fast sagen, ein altes Leiden. Seit den Tagen der staufischen Kaiser Friedrich I. „Barbarossa“ und dessen Enkel Friedrich II., betrachteten sich die Markgrafen von Brandenburg als die Lehnsherren aller pommerschen Gebiete und beriefen sich hierbei auf kaiserliche Urkunden und damit auf verbrieftes Reichsrecht. Unter den Askaniern fanden dazu zahlreiche Kriege um diese Ansprüche statt. Auch die Wittelsbacher sahen nicht ohne weiteres von diesem Lehnsrecht ab und betrachteten Pommern gleichfalls als ein brandenburgisches Lehen. Die Rolle Kaiser Ludwigs IV. war in dieser Angelegenheit wechselhaft. Als Chef des Hauses Wittelsbach, gehörte es zu seinem dynastischen Interesse, die Zahl der wittelsbachischen Hausvasallen zu erhöhen. Als Kaiser und Reichsoberhaupt musste ihm allerdings der innere Reichsfriede am Herzen liegen und dass sich viele Reichsvasallen gegenseitig die Waage halten. Er schwankte in dieser Sache zwischen Hausmachtpolitik einerseits und Reichspolitik andererseits. Für Pommern galt es ein weiteres Mal seine Reichsunmittelbarkeit durchzusetzen und dazu waren die kirchlicherseits angefeuerten Unruhen in Brandenburg eine gute Vorbedingung. Die Regentschaft des heranwachsenden Markgrafen stand auf politisch schwachen Beinen. Der zwischenzeitlich mündig gewordene Markgraf Ludwig I., immer noch unterstützt von seinem bisherigen Vormund, der ihm jetzt als Rat zur Seite stand, forderte von den Herzögen Pommerns demonstrativ den Lehnseid ein. Es blieb ihm hierzu im Grunde nichts anderes übrig und so schritt er zu dieser konfliktschürenden Aufforderung. Hätte er nicht frühzeitig nach der Übernahme der Regierungsgeschäfte diesen Akt der Unterwerfung eingefordert, wäre es zu einem späteren Zeitpunkt nur noch schwerlich zu rechtfertigen gewesen. Das Ritual nach einer Machtübernahme eines Regenten sah vor, dass alle Vasallen dem Landesherren huldigten und von ihm ihre Rechte und Lehen erhielten. Pommern lehnte diesen Akt der Unterwerfung selbstbewusst ab, vielmehr reagierte man seitens der Herzöge von Pommern überhaupt nicht auf das Ansinnen des jungen Fürsten, was einer schallenden diplomatischen Ohrfeige gleichkam.

1326 kam es zum ersten Krieg zwischen Pommern und Brandenburg der 1327 im Frieden von Stargard ohne eine Veränderung der Situation für den Augenblick beigelegt wurde. Pommern konnte den Status Quo bewahren und setzte seine momentane Lehnsunabhängigkeit durch.

Aufgehetzt von Papst Johannes XXII. eröffnete Pommern 1329 aufs Neue die Feindseligkeiten. Markgraf Ludwig I. operierte mit seinen Truppen in der Uckermark, wo es bei Prenzlau im Dezember zur Schlacht kam. Gemeinsam mit dem Bischof von Cammin und dem Grafen Hermann von Eberstein-Naugard, schlugen die Herzöge von Pommern, Barnim III. und sein Vater Otto I., die Brandenburger. Am 29. Januar 1330 wurde zu Twenraden ein Waffenstillstand vereinbart. Für den brandenburgischen Markgrafen war auch diese zweite Kampagne ohne Erfolg geblieben. Sein ohnehin nicht hohes Prestige ist dadurch keinesfalls gestiegen.


Übernahme der Regentschaft & Neuaufnahme des Krieges“

Im gleichen Jahr, mittlerweile 15 geworden, übernahm Ludwig I. die volle und alleinige Regierung in Brandenburg. Die Städte hielten es mit dem jungen Herren, so konnte er sich, trotz der fast unverminderten Schwierigkeiten mit dem prignitzschen und havelländischen Adel, in der Mark behaupten und den Waffenstillstand nutzen um neue Rüstungen zu beginnen. Für beide Seiten war der Konflikt nicht beigelegt und ging in eine neue Phase.

Die Herzöge von Pommern verbündeten sich dieses Mal mit den Herren von Werle, den Herzögen von Mecklenburg und den Grafen von Schwerin. Im Sommer 1332 rückte das Koalitionsheer unter der Führung von Herzog Barnim III. von Pommern-Stettin, plündernd und sengend in die Mark ein. Markgraf Ludwig gelang es nicht den sehr geschickt vorgehenden Herzog zum Gefecht zu stellen. Nur kleinere Scharmützel ergaben sich, bis es am 1. August am Kremmer Damm doch zur Schlacht kam. Es ist sehr wahrscheinlich, dass Ludwig hier in erheblichem Geländenachteil war und Herzog Barnim bewusst und äußerst gewandt diese sumpfige Gegend als Defensivstellung wählte, die einem Angreifer nur wenig Bewegungsraum ließ. Ludwig wurde bei Kremmen geschlagen. Die Niederlage muss sehr schwer gewesen sein, denn die flüchtenden Truppen wurden von den nachrückenden Pommern und deren Verbündeten, bis ins 60 Kilometer entfernte Berlin verfolgt, wo die Brandenburger hinter den festen Stadtmauern Schutz fanden.

Der Krieg wurde ein Jahr später, am 28. Juni 1333 in der Neumark, im sogenannten „Lippehner Landfriede“ beigelegt. Ludwig I. verzichtete darin endgültig auf seine Ansprüche bezüglich Pommern.

Dem Kaiser lag viel daran den Landfrieden im Reich zu wahren, weswegen er den Frieden zwischen seinem Sohn und Herzog Barnim vermittelte. Im Jahr 1338 erkannte das Reichsoberhaupt schließlich die Reichsunmittelbarkeit Pommerns an. Brandenburg konnte sich dabei aber immerhin das Sukzessionsrecht sichern. Für den Fall dass die Greifenlinie in Pommern-Stettin im männlichen Stamme aussterben sollte, würde der jeweils regierende brandenburgische Markgraf nachfolgen.


„Neuartige Landesverwaltung“

Markgraf Ludwig war inzwischen 18 Jahre alt. Bislang erfolglos in seinen militärischen Feldzügen, konzentrierte er sich jetzt vermehrt auf die inneren Angelegenheiten Brandenburgs. Er führte 1333 eine Landesverwaltung analog zu jener des zwischenzeitlich wiedervereinten Herzogtums Bayern ein.

Johann von Buch

Die Etablierung eines Akten- und Urkundenregisters zur zentralen Erfassung der amtlichen Schreiben war nur ein Aspekt der Landesreform. Im Jahre 1335 folgte eine Neuordnung der gerichtlichen Prozessordnung. Überragenden Beitrag hierzu leistete der in der Altmark geborene Johann von Buch (1290 – 1356).

Von wirklich herausragender Bedeutung waren dessen Ausarbeitungen der Jahre 1325 – 1333 bezüglich des Sachsenspiegels. Mehrere tausend Verweise auf römisches – und kanonisches Recht untermauerten den Sachsenspiegel in seiner Autorität als das maßgebliche Rechtswerk im norddeutschen Kulturraum und auch darüber hinaus.

Johann von Buch stieg nicht überraschend am markgräflichen Hof schnell vom Hofrichter (1333 – 1339) zum geheimen Rat (ab 1334) und letztlich zum Landeshauptmann (1335 – 1340) auf. Er war nach dem Markgrafen zur wichtigsten Instanz landesherrlicher Regentschaft in Brandenburg geworden. Johann von Buch zählte zweifelsfrei zu den führenden Vertretern der Rechtswissenschaften im Reich. Sein diesbezügliches Studium hat er an der renomierten Rechtsfakultät in Bologna genossen. Die von ihm veröffentlichten, wissenschaftlichen Abhandlungen, sind in der gegeben Form möglicherweise die frühesten ihrer Art. Es verwundert, dass ein Mann mit diesen außergewöhnlichen Befähigungen, nicht im unmittelbaren Reichsdienst stand, zumal dem kaiserlichen Vater kaum entgangen sein konnte, wer am Hofe des Sohnes in Brandenburg tätig war. Denkbar war, dass er dem Sohn, nach drei kriegerischen Niederlagen gegen Pommern, diesen wichtigen Beistand ganz bewusst und ungeteilt beließ. Bemerkenswert ist ebenso, dass dieser hochtalentierte Rechtswissenschaftler nicht von sich aus eine Anstellung an einem einflussreichen Hof suchte und stattdessen im eher provizialen Brandenburg blieb. Vielleicht sehen wir in seinem Entschluss jenen ersten Funken der sehr eigentümlichen Verbundenheit der Märker mit ihrer Heimat aufblitzen.


„Rhenser Kurverein“

Der Streit zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Reichsoberhaupt überdauerte den Tod des Papstes. Auch der Nachfolger Johannes XXII., Papst Benedikt XII., hielt unumstösslich daran fest und so blieb der Kaiser unter dem Kirchenbann. Ein Beweis mehr, dass es um weit größere Dinge ging als um rein persönliche Befindlichkeiten zwischen zwei Häuptern.

Neben den Konflikten im Zusammenhang mit der Reichspolitik in Italien, war die päpstliche Auffassung, dass nur der Heilige Vater das Recht hatte den König und Kaiser ins Amt zu heben, einer der Kerninhalte der Auseinandersetzung zwischen dem apostolischen Stuhl und dem römisch-deutschen Haupt. Von Anbeginn, also noch vor der eigentlichen Erhebung zum Kaiser, stellte der verstorbene Papst Johannes XXII. die Regentschaft Ludwigs als König des Heiligen Römischen Reichs in Frage bzw. bestritt dieses Recht grundlegend. Mit dem Tod Kaiser Heinrichs VII., so die Argumentation des apostolischen Stuhls, war das Reich erledigt und nur der Papst war autorisiert einem zukünftigen Monarchen die Approbation zu erteilen.

Hier traf er das zwischenzeitlich fest verankerte Kernprivileg der Wahlfürsten, das mittlerweile im Reich unbestrittene Recht zur Königswahl. Die Kurfürsten, noch war diese Titulatur nicht völlig offiziell, nahmen die Situation 1338 zum Anlass, sich zu einem Kurfürstentag in Rhens bei Koblenz zu versammeln. Die Stimmung im nördlichen Reichsteil war gegenüber der Kurie schon seit langem am sinken. Die Wahlfürsten bestritten ihrerseits das päpstliche Approbationsrecht. Nur sie, die Kurfürsten, waren einzig legitimiert den römisch-deutschen König zu wählen. Hieraus leiten sie ebenfalls das Recht zur Kaiserwahl ab und überließen dem Papst nur noch den zeremoniellen Akt der Kaiserkrönung.

Am 16. Juli 1338 waren sechs der sieben Kurfürsten des Reichs zu Rhens versammelt, nur der Luxemburger Johann von Böhmen fehlte.

Die mittlerweile mündig gewordenen Pfalzgrafen zu Rhein, Rudolf und Ruprecht von Wittelsbach übten gemeinsam das Stimmrecht für ihr Fürstentum aus und waren beide anwesend.

Versammelt waren:

  • Heinrich III. von Virneburg (1295 – 1353), Erzbischof von Mainz
  • Walram von Jülich (1304 – 1349), Erzbischof von Köln
  • Balduin von Luxemburg (1285 – 1354), Erzbischof von Trier
  • Rudolf II. von Wittelsbach (1306-1353), Pfalzgraf zu Rhein
  • Ruprecht I. von Wittelsbach (1309-1390), Pfalzgraf zu Rhein
  • Rudolf I. von Askanien (1284 – 1356), Herzog von Sachsen-Wittenberg
  • Ludwig I. von Wittelsbach (1305 – 1361), Markgraf von Brandenburg

Es war der erste Kurtag, der nicht zum Ziel hatte einen König zu wählen, sondern in reichspolitischen Angelegenheiten zusammentrat. Der Kurverein etablierte sich fortan als ein reichsverfassungsmäßiges Instrument, das in unregelmäßigen Abständen tagte. Das eigene Selbstverständnis des Kurkollegiums war, dass sie das eigentliche Organ waren das die Reichsinteressen wahrte. Hierzu wollte man nicht in Gegensatz zu König oder Kaiser treten sich aber dem Reichsoberhaupt institutionell zur Seite stellen.

Erzbischof Balduin von Trier

Erzbischof Balduin von Trier war tragende Figur des ersten Kurtages und geistiger Vater des Kurvereins. Als Persönlichkeit war Balduin von brillanter Erscheinung. Da er Vorkämpfer eines vom Papst unabhängigen Wahlrechts der Kurfürsten wa

r, fiel er selbst gleich zweimal dem Kirchenbann zum Opfer, 1328 durch Papst Johannes XXII. und ein weiteres Mal 1336 durch Papst Benedikt XII. Er war ein Bruder des ehemaligen Kaisers, Heinrich VII. und damit Onkel König Johanns von Böhmen. In den 46 Jahren seiner Amtszeit war er die längste Zeit ein Parteigänger Kaiser Ludwigs IV., unterstützte aber zum Ende hin in starkem Umfang die Ambitionen seiner Luxemburger Familie im Zusammenhang mit der Erlangung der Reichskrone. Er fördert nach Kräften die Unabhängigkeit des Reichs vom Diktat der römischen Kirche und stärkte den Einfluss des Erzbistums Trier wie vor und nach ihm kein weiterer Trierer Erzbischof.


„Heiratspolitik“

Wie wir schon gelesen haben, wurde Markgraf Ludwig schon im Knabenalter mit der dänischen Prinzessin Margarete verheiratet. Diese für Fürstenkinder typische, politisch motivierte Hochzeit diente der äußeren Absicherung des seinerzeit neuen und noch unsicheren, brandenburgischen Erwerbs durch die Wittelsbacher. Aus der Ehe mit Margarete ging eine Tochter namens Elisabeth hervor. Es ist nichts weiteres bekannt, man muss annehmen, dass sie möglicherweise schon im Kindesalter verstarb. Auch wenn das Verhältnis zum dänischen Thron auf Basis der Heiratsverbindung sehr gut war, beispielsweise wuchs der jüngste Sohn König Christophs II., Prinz Waldemar, von 1326 – 1338 am kaiserlichen Hof Ludwigs IV. auf, waren die reellen Möglichkeiten die Dänemark letztendlich an Hilfe zu leisten vermochte, sehr gering. Die Autorität und Macht des dänischen Throns war unter Christoph II. stark herabgesunken und ein Schatten alter Tage. Das Land war tief durch Kriege und Revolten erschüttert und der weitaus größte Teil der Kronlande und Regalien war mittlerweile verpfändet.

Im Jahr 1332 starb der unglückliche dänische König, nachdem er zeitweise sogar im Exil lebte. Es folgte ein mehrjähriges Interregnum in Dänemark. Ludwig I. von Brandenburg half 1340 durch intensive diplomatische Vermittlung seinen Schwager Waldemar, den bereits erwähnten, jüngsten Sohn des verstorbenen Königs, auf den dänischen Thron zu bringen. Zwischen beiden blieb ein lebenslanges, enges Verhältnis. Dem jungen König Waldemar gelang es in den Folgejahren dem dänischen Thron wieder Autorität und Würde im Lande zu verschaffen und zahlreiche verpfändete Ländereien der Krone wieder einzulösen.

Im gleichen Jahr der Thronbesteigung ihres Bruders, starb Margarete, die Frau des Markgrafen Ludwig. Der im Jahre 1340 bereits 35 jährige Regent der Mark, war bislang ohne Nachkommenschaft, es war daher von elementarer Bedeutung rasch wieder zu heiraten, um doch noch den ersehnten Nachwuchs zeugen zu können.

Ludwig hielt sich zur Brautschau großteils außerhalb der Mark auf, die er hierzu verschiedenen Statthaltern zur Verwaltung überließ. Februar 1142 kam es in Meran zur Vermählung mit Margarete von Tirol. Die Heirat war in höchstem Maße strittig und verschärfte den Gegensatz zwischen den Wittelsbachern und den einstmals gegen die Habsburger verbündeten Luxemburgern dramatisch, denn Margarete war bereits verheiratet und zwar mit Johann Heinrich, dem jüngsten Sohne keines Geringeren als König Johanns von Böhmen.

Johann fädelte schon im Jahre 1325 eine höchst lukrative Verlobung mit der möglichen Alleinerbin des Herzogs Heinrich von Kärnten und Grafen von Tirol und Görz ein. Zu diesem Zeitpunkt waren Johann Heinrich fünf und Margarete neun Jahre alt. Der kleine Johann Heinrich wurde an den Hof nach Tirol geschickt wo die beiden Kinder gemeinsam aufwachsen sollten. Die Verbindung stand von Anfang an unter keinem guten Stern. Die Kinder vertrugen sich nicht. Überlieferungen zufolge, drangsalierte der heranwachsende Verlobte seine zukünftige Ehefrau schwer. Das Verhältnis beider war zuletzt völlig zerrüttet, dennoch kam es am 16. September 1330 in Innsbruck zur Vermählung.

Als 1335 Herzog Heinrich starb, trat der Erbfall ein. Hierzu hatte der Herzog zu Lebzeiten beim Kaiser das Recht zur Vererbung an seine Tochter erfolgreich eingeholt. Dies bedeutete, dass mit seinem Tod, die Ländereien nicht ans Reich fielen sondern die Tochter als zukünftige Besitzerin das Erbe an einen zukünftigen Sohn weitervererben würde. Ihr Ehemann ins spe, der verlobte Johann Heinrich, hätte kein Besitzrecht besessen, wohl aber das Verfügungsrecht. Kaiser Ludwig IV. hatte hierzu seine eigenen Gedanken, wenngleich noch keine Agenda. Er wollte wenigstens Teile der gewaltigen und reichen Gebiete sich und seiner Familie zukommen lassen. Immerhin grenzte Tirol unmittelbar an seine bayrischen Kernlande.

Dass eine bayrische Annektion Tirols zu einer kriegerischen Auseinandersetzung mit dem böhmischen König Johann von Luxemburg führen würde, dessen Sohn der vorgesehene Ehemann der Alleinerbin war, lag auf der Hand. Es galt daher die ebenso rivalisierenden Habsburger für sein Vorhaben zu gewinnen. Der Plan war, dass Kärnten und die Grafschaft Görz an Habsburg fielen, Tirol an Bayern und nur Südtirol dem zukünftigen Ehepaar bleiben sollten. Mit Eintreten des Erbfalls marschierten unverzüglich österreichische Truppen in Kärnten und bayrische Mannschaften in Tirol ein. Die Tiroler widerstanden gewaltsam dem Ansinnen geteilt zu werden und so schlug der Plan fehl und Margarete trat offiziell das Gesamterbe an, wenn sich auch ihr Wirkungsbereich mehrheitlich auf Tirol beschränkte.

Das Verhältnis der zwischenzeitlich vermählten Eheleute besserte sich nicht. Zu den grundsätzlichen und unüberbrückbaren Antipathien zwischenmenschlicher Natur, kamen Kontroversen bezüglich der Regentschaft in Tirol. Johann Heinrich trat selbstherrlich und autoritär in einer Art auf, als ob selbst Erbe und Landesherr wäre. Hierzu zog er böhmische Berater hinzu was den Zorn des Tiroler Adels hervorrief. Sein älterer Bruder Karl, der über großes diplomatisches Geschick verfügte und Umsicht bewies, war mehrmals für einige Zeit Landesverweser der Grafschaft.

1340 wollte Margarete die Abwesenheit ihres Ehemannes nutzen um das Diktat der Luxemburger in Tirol abzuschütteln. Es kam zum Aufstand, der aber rasch niedergeschlagen wurde. Die Saat war dennoch gesät und sie ging auf. Margarete wollte den Ehemann unter allen Umständen loswerden worauf es im November 1341 zur Vertreibung ihres Mannes. Der Vorgang hatte etwas tragisch-komisches und gleichzeitig ungemein demütigendes und darf als ein Beweis bzw. als eine Ausdrucksform der tiefen Abneigung Margaretes gegenüber ihrem Mann betrachtet werden.

Johann Heinrich kam spät in der Nacht von einer Jagdgesellschaft zurück und fand das Residenzschloss verschlossen. Kein noch so lautstarkes Gebaren öffnete die Türen und so blieb ihm, von der eigenen Frau ausgesperrt, nur der Weg auf andere Schlösser in Tirol, die ihm allerdings ebenfalls alle verschlossen blieben. Er wurde zu einem Verstoßenen im Land. Zuletzt fand er im Friaul, beim Patriarchen Bertram von Sankt Genesius Unterschlupf.

Es ist nicht völlig klar inwieweit Margarete bereits Kontakte zum Wittelsbacher Kaiserhaus unterhielt. Man kommt im Grunde nicht umhin anzunehmen, dass die Vertreibung nicht nur von langer Hand geplant sondern letztlich mit der Wittelsbacher Partei eng abgestimmt war. Wie anders sollte man sonst die bereits im Februar des Folgejahres vollzogene Heirat mit dem Markgrafen von Brandenburg erklären können.

Diese Verbindung barg nicht nur in sich Skandalpotenzial europäischen Ausmaßes, sie war darüber hinaus politisch hochexplosiv im Bezug auf das Verhältnis der Wittelsbacher und der Luxemburger. Hier kollidierten nicht nur die jeweiligen territorialen Hausmachtinteressen beider Dynastien unmittelbar, sondern es gipfelte in einer für alle Welt offenkundigen Demütigung des jüngsten Sohnes König Johanns von Böhmen.

Um überhaupt heiraten zu können, verbreitete Margarete die Botschaft, ihre erste Ehe sei nie vollzogen worden und Johann Heinrich wäre hierzu überhaupt nicht in der Lage. Eine bereits zu dieser Zeit fragwürdige Behauptung, war doch der geschasste Mann im Land als Frauenheld verrufen. Papst Clemens VI. war daher auch nicht gewillt die zuvor geschlossene Ehe zu annullieren. Weiter stellte auch das nahe verwandtschaftliche Verhältnis zwischen Ludwig und Margarete eine Hürde da, wofür der Papst seinen Dispens ebenfalls nicht bereit war zu erteilen.

Kirchenrechtlich war die erste Ehe damit nicht geschieden und somit die zweite Ehe ungültig. Dass der Kaiser seine Zustimmung zur Ehe gab, wir erinnern uns dass dieser schon seit langer Zeit unter dem Kirchenbann stand, förderte den jetzt auch über Ludwig und Margarete ausgesprochene Kirchenbann. Gleichzeitig wurde über das Land Tirol das Interdikt verhängt.

Im Auftrag des Kaisers fertigten William von Ockham und Marsilius von Pardua, zwei bedeutende Vertreter der mittelalterlichen Spätscholastik, verschiedene Traktate an, in denen sie den zweiten Eheschluss und den Charakter der Zivilehe verteidigten.

Die Ausgangslage für diese konnte kaum ungünstiger ausfallen und doch fand die Ehe in Tirol große Anerkennung, was wesentlich auf einen klugen Schachzug Ludwigs zurückzuführen war. Ende Januar 1342 bestätigte Ludwig in München den Tirolern und hier insbesondere dem Adel im „Tiroler Freiheitsbrief“ weitreichende Rechte und Privilegien. Tirol genoss bis weit in die Gegenwart viele dieser Freiheitsprivilegien und die Tiroler Landsmannschaft versteht sich bis heute als ungeteilte Einheit von Nord- Ost- und Südtirol. Aufgrund der historischen Bedeutung für das Land Tirol anbei in voller Länge:

Wir, Ludwig von Gottes Gnaden Markgraf von Brandenburg, Pfalzgraf bei Rhein, Herzog von Bayern und des heiligen Römischen Reiches oberster Kämmerer bekennen allen denen, die diesen Brief sehen, hören oder lesen, dass wir verheißen, dass alle Gotteshäuser, geistlich und weltlich, alle Städte, Dörfer und Märkte und auch alle Leute, edel und unedel, reich und arm, wie sie auch heißen und wo sie sich auch befinden in der Grafschaft Tirol alle ihre Rechte behalten sollen, die sie durch Urkunden bezeugen können und sie nach alter Gewohnheit hergekommen sind von früheren Herrschaften: Von den hochgeborenen Herren Herzog Meinhard und seinen Söhnen, von König Johann von Böhmen, aus der Zeit, in der er als Vormund seines Sohnes Graf Johann die Herrschaft in Tirol innehatte, und auch von demselben Grafen Johann, dem Sohn des vorgenannten Königs von Böhmen und auch von der edlen Fürstin Frau Margarete, Herzogin von Kärnten und Gräfin von Tirol und Görz, unserer lieben „Wirtin“. Dasselbe gilt für die Urkunden, die unser lieber Herr und Vater Kaiser Ludwig von Rom oder auch Wir über die vorher beschriebenen Angelegenheiten gegeben haben oder noch geben werden. Die Amtleute, die dazugehören und belehnt sind sollen bei ihren Rechten bleiben. Auch sollen Wir keine außergewöhnliche Steuer auferlegen ohne den Rat der Landleute. Wir versprechen auch, dass wir keine Feste, die zur Herrschaft Tirol gehört, mit Fremden oder Ausländern besetzen werden. Wir werden die Grafschaft Tirol nach dem Rat der Besten im Land regieren und das Recht des Lande nach ihrem Rat verbessern und nicht verschlechtern. Wir versprechen auch, dass wir die vorgenannte Frau Margarete, unsere liebe Gemahlin, nicht gegen ihren Willen außer Landes führen werden […] Der Brief ist gegeben zu München am Montag vor dem Maria Lichtmesstag, mit unserem Siegel besiegelt, das daran hängt. 1342 Jahre nach Christi Geburt.“

In den Folgejahren verstand sich Ludwig darauf die Führung in Tirol mit fester Hand aber im Einvernehmen mit seiner Gattin zu übernehmen. Verschiedentliche Angriffe und Belagerungen durch den Luxemburger Karl, konnten abgewiesen werden. Der grundsätzliche Konflikt zwischen den Wittelsbachern und Luxemburgern sollte jedoch nicht mehr zu Lebzeiten von König Johann von Böhmen und Kaiser Ludwig IV. beigelegt werden.


„Jahre der Abwesenheit und Statthalterschaft“

Nach 1340 war Ludwig überwiegend jenseits Brandenburgs tätig. Seine Bemühungen um Tirol wie auch Angelegenheiten in den Wittelsbacher Stammlanden, nahmen ihn vollauf in Anspruch.

Die Mark wurde in diesen Zeiten von Statthaltern oder Landeshauptmännern verwaltet. Über Johann von Buch, der von 1335 bis 1340 als Verweser der Mark tätig war, wurde schon geschrieben. Ein weiterer dieser Männer soll ebenfalls vorgestellt werden, da auch er eine erwähnenswerte Persönlichkeit war und sich dadurch von anderen Zeitgenossen abhob.

Johann II. von Hohenzollern (1309 – 1357), Burggraf zu Nürnberg. Johann war Sohn Burggraf Friedrichs IV. von Hohenzollern, dem das regierende Reichsoberhaupt seinerzeit den Sieg in der Schlacht bei Mühldorf, durch dessen beherzten Reiterangriff in die Flanke des habsburgischen Heeres verdankte.

Der Vater Johanns war ein früher Parteigänger des Wittelsbacher Monarchen und als solcher einer der engster Vertrauten. Friedrich IV. galt als ein erfolgreicher Ökonom. Als solcher verfügte er über Geldmittel die ihn immer wieder in die Lage versetzten durch Zukäufe den Besitz der Hohenzollern in Franken zu erweitern. Gleichzeitig streckte er dem Reichsoberhaupt verschiedentlich Geldsummen vor, damit dieser seine Heerzüge finanzieren konnte, an denen Friedrich IV. aktiv teilnahm. Zur Begleichung der Auslagen verschrieb der Kaiser dem Burggrafen die Reichssteuer verschiedener Reichsstädte, darunter Nürnberg, neben anderen Regalien, wozu vor allem das Bergwerksrecht gehört. Sein Sohn Johann, eiferte dem Vater nach trug den Beinamen „der Erwerber“, wenn ihm dieser Titel auch erst von späteren Generationen gegeben wurde. Er konnte den fränkischen Familienbesitz durch erfolgreiches haushalten und geschickte Zukäufe, wie schon die Vorfahren, vergrößern. Ein glückliches Erbe der Herrschaft Plassenberg, mit der Stadt Kulmbach und der wichtigen Feste Plassenburg, bildete den Höhepunkt der Erwerbungen. Die Hohenzollern gehörten mittlerweile in Franken zu den größten Grundbesitzern. Johann konzentrierte sich infolgedessen mehr auf seine fränkischen Besitzungen und trat in der Reichspolitik deutlich weniger auf als noch der Vater. Dennoch war auch ein loyaler Gefolgsmann des Kaisers und als solcher ein Unterstützer der Wittelsbacher Politik. Auch wenn er nicht an die ungewöhnlichen Dienste seines Vaters für Reich und Krone heranreichte, sah man ihn zeitweise aktiv, so in der Zeit der Tiroler Episode des kaiserlichen Sohnes, des Markgrafen Ludwig von Brandenburg. Damals trat er für einige Zeit in dessen aktiven Dienst. 1345 leitete er als Landeshauptmann die Regierungsgeschäfte in der Mark Brandenburg an Stelle des Landesfürsten. Er wurde damit der erste Hohenzoller in der Mark.

Überhaupt haben wir nun bereits zum vierten Mal von einem Vertreter dieses, ursprünglich aus Schwaben stammenden Adelshauses gelesen. Sie stammten alle in direkter Linie als Väter und Söhne voneinander ab. Die Hauptkonstante ihrer Politik war stets die enge Anlehnung an das jeweilige Königs- oder Kaiserhaus. Als Burggrafen zu Nürnberg machten sich als zuverlässige, quasi Reichsbeamte einen Namen. Hieraus, dies darf nicht vernachlässigt werden, verstanden sie es stets auch Nutzen für sich zu ziehen. Es war dabei gleichsam eine Kunst und ein Zeichen diplomatischen Geschicks, bei den ständig wechselnden Herrscherdynastien an der Spitze des Reichs, nicht bei einem neu eingesetzten Reichshaupts in Ungnade zu fallen.

Auch die direkten Nachfahren Johanns werden eng mit dem jeweiligen, römisch-deutschen Monarchen verknüpft bleiben und weiter an Einfluss gewinnen.

Januar 1347 zieht es Johann II. wieder zurück in seine fränkische Heimat wo er den Bedürfnissen rund um den eigenen Familienbesitz sein volles Augenmerk schenken musste. Ein sich kürzlich vollzogener Wechsel an der Spitze des Heiligen Römischen Reichs gefährdete den Bestand und es zeichnete sich eine Zäsur ab, die es unter allen Umständen zu vermeiden galt.

Sein Nachfolger als Landeshauptmann und Verweser der Mark, wurde Friedrich von Lochen. Er stammte aus einem schwäbischen Rittergeschlecht das in der Nähe von Bregenz am Bodensee ansässig war. Friedrich stand schon seit der zweiten Hälfte der 1330’er Jahre im Dienst des Markgrafen Ludwig und stieg durch seine Leistungen 1343 zum Ratgeber des Landesfürsten auf. Im Jahre 1346 wurde Friedrich von Lochen zuerst zum Hauptmann der Altmark bestimmt und schon im folgenden Jahr ernannte ihn der Markgraf zum Landeshauptmann der gesamen Mark.


„Preußenfahrten 1335/36 & 1346/47″

Unter „Preußenfahrten“ verstand man die bewaffneten Kreuzfahrten des mittel- und westeuropäischen Adels ins Ordensland des Deutschen Ritterordens mit dem Zwecke, diesen im Kampf gegen die pruzzischen oder litauischen Heiden zu unterstützen. Die christlichen Krieger hatten zu Beginn die selben Privilegien wie sie einst den Kreuzfahrern ins Heilige Land zuteil wurden, darunter umfassende Sündenvergebung.

Ende des 13. und im 14. Jahrhunderts erlebten die Preußenfahrten ihren Höhepunkt. In europäischen Adelskreisen war es zu einer regelrechten gesellschaftlichen Konvention geworden so dass wenigstens ein Vertreter der Familie, mindestens einmal zur Heerfahrt gegen die Heiden ins Baltikum reiste.

Sehr prominente Kreuzfahrer ins Baltikum waren unter anderem, Ottokar II. Přemysl, König von Böhmen, Johann von Luxemburg, König von Böhmen, sowie dessen ältester Sohn Karl und Heinrich IV., König von England. Unzählige Herzöge, Markgrafen, Pfalzgrafen, Landgrafen, Grafen und Vertreter des niederen Adels nahmen im Laufe der Zeit ebenfalls das Kreuz auf und begaben sich in den Nordosten. Speziell für den niederen, zumeist mittellosen Adel sowie jene Fürstensöhne denen voraussichtlich kein Erbe in Aussicht stand, da sie Spätgeborene waren, dienten die Preußenfahrten auch teilweise Litauenreisen genannt, dazu, an der Beute aus Raubzügen oder Lösegeldern, zu partizipieren.

Der allgemein ersehnte Ritterschlag war von besonders hohem Prestige, wenn er anlässlich einer Kreuzfahrt in den heidnischen Osten, von einem hohen Amtsträger des Deutschen Ordens vorgenommen wurde.

Hochmeister Winrich von Kniprode

Für das schnelle Erstarken des Ordensstaats in Preußen war der Beitrag der europäischen Kreuzfahrer von großer Bedeutung. Sie halfen nicht nur bei der allgemeinen Eroberung neuer Gebiete sondern auch bei der Verteidigung des erschlossenen Siedlungsraums.

Auch Markgraf Ludwig I. nahm an Heerfahrten ins Ordensland teil. Das erste Mal 1335/36 und ein zweites und letztes Mal 1346/47. Die letzte Reise stand sehr wahrscheinlich im Zusammenhang mit der schon erwähnten Hochzeit und den damit verbundenen Verwicklungen. Wir haben bereits gelesen, dass die Verbindung kirchlich gesehen, weit davon entfernt war als einwandfrei zu gelten und der Papst daraufhin den Kirchenbann über Ludwig und Margarete verhängte. Die Annahme liegt nah, dass die Reise nach Preußen und der Kampf gegen die heidnischen Litauer dem Zwecke der Buße und Sündentilgung diente. Zumindest sollte es nach außen das dazu geeignete Signal geben. Ludwig wollte sich vermutlich im gleichen Zug als angemessener Nachfolgekandidat seines kaiserlichen Vaters in Position bringen und hierzu konnte die erwähnte Litauenreise nur nützlich sein.

Im Anschluss folgte eine Pilgerreise ans Grab Christi, nach Jerusalem. All das lässt tatsächlich nur den Schluss zu, dass Ludwig sich bußfertig gab um moralisch für das höchste Reichsamt zu genügen. Der Kirchenbann wurde jedoch erst sehr viel später, im September 1359, im Auftrag von Papst Innozenz VI. von Bischof Paul von Freising gelöst.


„Karl IV. wird Gegenkönig“

Das Verhältnis der Wittelsbacher zu den Luxemburgern begann schon bald nach der Schlacht von Mühldorf abzukühlen. Damals kämpften beide Familien noch gemeinsam auf gleicher Seite gegen die Habsburger. Hinter der jetzt heraufziehenden reichsinternen Rivalität darf keine tiefsitzende Feindschaft gesehen werden. Dergleichen Machtkämpfe gehörten zu den dynastischen Schachzügen des deutschen Mittelalters. Dass das Reich unter den wiederkehrenden Kämpfen um die Krone immer wieder zu leiden hatte und zeitweise regelrecht erschüttert wurde, lag in seiner stark ausgeprägt föderalen Zersplitterung begründet die in den bisherigen Jahrhunderten nur einzelne Phasen des inneren Friedens hervorbrachte. Das nahezu gänzliche Fehlen einer imperialen Zentralgewalt welche über ausreichend Mittel verfügte einen reichsweiten Landfrieden zu diktieren und notfalls militärisch durchzusetzen, war zu erheblichen Teilen die Folge der von den Kurfürsten umgesetzten Wahlpraxis, indem sie wiederholt und mit Berechnung einen Kandidaten mit schwacher Hausmacht auf den Thron wählten. Spätestens seit dem „Kurtag von Rhense“ war offenkundig, dass der Kurverein sich selbst als das eigentliche Instrument der Reichsleitung sah und der König oder Kaiser die Rolle des Repräsentanten auszufüllen hätte. So lange aber das Reich über keine eigene Exekutive verfügte und noch weniger über eine Reichsarmee, war es dauerhaft unvermeidbar, dass doch gelegentlich Kandidaten mit starker eigener Hausmacht die Funktion des Reichsoberhaupts übernahmen, da nur dort ausreichend Macht existierte, die Reichsinteressen nach außen wie innen zu vertreten.

Zurück zur Rivalität zwischen Wittelsbachern und Luxemburgern. In den Jahren 1338 und 1339 kam es zu einer Annäherung beider Häuser. Die kaiserliche Autorität Ludwigs IV. war auf dem Höhepunkt. Auf dem Koblenzer Hoftag von 1338 waren nahezu alle Großen des Reichs versammelt, darunter auch König Johann von Böhmen. Sogar der englische König Edward III. war ein prominenter Teilnehmer.

Die Beziehungen verschlechterte sich im Rahmen der Verwicklungen rund um die Tiroler Hochzeitspolitik beider Häuser wieder dramatisch und der Gegensatz erreichte seinen bisherigen Höhepunkt. Es kam in Tirol zu mehrfachen militärischen Auseinandersetzungen beider Seiten.

Papst Clemens VI.

Kaiser Ludwig IV. Stand noch immer im Bann der Kirche stand. Die vornehmlichen Hintergründe dazu wareum auch nich nicht aus dem Weg geräumt. Damit war das Verhältnis zu Papst Clemens VI., dem neuen Pontifex, wie zu dessen Vorgängern, ausgesprochen feindselig. Clemens erneuerte den Kirchenbann jeden Sonntag aufs Neue. Alle Anstrengungen Ludwigs IV. den Zwist mit der Kurie beizulegen, blieben erfolglos. Das Reich zeigte sich hinsichtlich der zahlreichen Agitationen des Heiligen Stuhls wenig beeindruckt und so kam es kaum mehr zu den Auswirkungen, wie diese in alten Zeiten bekannt waren. Das Instrument des Kirchenbanns als politisches Werkezeug des Papstes, hatte sich starl abgenutzt. Das Kurfürstenkollegium wahrte die Unabhängigkeit gegenüber der Kurie, und der Papst begann notgedrungen einzulenken. Das Reich und hier der deutsche Reichsteil, erhielt einen wachsenden, säkularen Charakter.

Zum Haus Luxemburg unterhielt Clemens VI. lange schon glänzende Beziehungen. Er war am französischen Hof der frühere Erzieher des jungen Karl gewesen. Zusammen mit König Johann von Böhmen strebte der Papst ab Mitte der 1340’er Jahre einen Thronwechsel im Reich an. Die Widerspenstigkeit des Kaisers wider dem Amt des Papstes sollte im Thronwechsel ein Ende finden. Das Ziel war Karl auf den Thron zu heben, damit einen Luxemburger zu installieren und somit einen ausgesprochen papstfreundliches Reichsoberhaupt. Dem amtierenden Kaiser war es nicht möglich den eigenen Sohn, Ludwig den Brandenburger zum König und Mitregent wählen zu lassen. Ludwig, wie der Vater, unterlag dem Kirchenbann, was ihn zur Wahl ausschloss. Ganz emanzipiert von kirchlichem Diktat hatte sich das Reich freilich noch nicht, trotz erkennbarer Tendenzen.

Trotz der beiden sicheren Wittelsbacher Stimmen, jene von Brandenburg und die der Kurpfalz, die beide einem Luxemburger Kandidaten die Stimme verweigern würden, war doch zu befürchten, dass mit Hilfe des Papstes eine Opposition im Kurfürstenkollegium aufkäme. Zunächst stand der Luxemburger Partei die eigene böhmische Kurstimme zur Verfügung, weiter musste die des Herzogs Rudolf I. dazu gezählt werden. Der askanische Kurfürst von Sachsen-Wittenberg galt als pro luxemburgisch bzw., genauer ausgedürckt, als ein Gegner der Wittelsbacher. Er hat nie verwunden, dass er nach dem Aussterben der brandenburgischen Askanier. die Mark Brandenburg nicht zum Legühen erhielt. Aus seiner subjektiven Sicht kann man es ihm kaum verdenken und Kaiser Ludwig gab sich diesbezüglich auch keiner Illusion hin.

Als am 13. April 1346 der endgültige Kirchenbann über den Kaiser verhängt wurde, forderte Papst Clemens VI. die deutschen Kurfürsten auf einen neuen König zu wählen. Jetzt wechselte der einflussreiche und reichsweit hochgeschätzte Kurfürst, der Erzbischof von Trier, Balduin von Luxemburg die Seiten, womit das Mehrheitsverhältnis im Kurkollegium kippten. Bislang war er, obwohl ein Mitglied der Luxemburger Familie, beständigster Anhänger des Kaisers und ein glühender Vorkämpfer einer völligen Reichsunabhängigkeit vom Papsttum. Er war Onkel König Johanns von Böhmen und damit ein Großonkel Karls. Balduin arbeitete jetzt emsig daran ein weiteres Mal einen Vertreter der luxemburgischen Familie ins höchste Reichsamt zu heben. Mit Heinrich VII. War schon einmal ein Luxemburger römisch-deutscher König und Kaiser des Heiligen Römischen Reichs. Dieser Heinrich VII. war der ältere Bruder des vorgenannten Erzbischofs von Trier. Jetzt galt es die beiden verbleibenden rheinischen Kurfürsten, die Erzbischöfe von Mainz und Köln zu gewinnen. Dem Trierer Erzbischof gelang es beide Amtskollegen auf die Seite Karls zu ziehen, was beiläufig erwähnt, mit viel klingender Münze erleichtert wurde.

Am 11. Juli 1346 wählten die Kurfürsten von Mainz, Köln, Trier, Böhmen und Sachsen Karl von Luxemburg, in Rhens zum neuen römisch-deutschen König. In der Liste deutscher König nahm er als Karl IV. seinen Platz ein.

Karl konnte sich zu Beginn im Reich kaum wirklich durchsetzen. Hierzu spielten drei Faktoren eine große Rolle. Das stark in Traditionen und Symbolen denkende Reich und seine Glieder sahen eine Reihe von wichtigen Voraussetzung unerfüllt.

  • Karl wurde nicht in Frankfurt gewählt, was der traditionelle Wahlort war, sondern in Rhens, da die Reichsstadt Frankfurt fest zu Kaiser Ludwig stand. 
  • Weiter wurde Karl in Bonn gekrönt und nicht in Aachen, dem symbolträchtigen Krönungsort seit Karl dem Großen. Auch die Reichsstadt Aachen verweigerte sich und stand zum alten Kaiser.
  • Und zuletzt waren die Reichskleinodien, Die Krone, das Szepter, der Reichsapfel etc. in der Hand der Wittelsbacher geblieben.

Karl konnte sich zwar bei seiner Wahl auf fünf der sieben Kurstimmen berufen, vermochte jedoch keine der wichtigen, vorgenannten symbolischen Voraussetzungen vorzuweisen.

Zu einem regelrechten Thronstreit kam es nicht mehr. Kaiser Ludwig starb überraschend im Herbst des Folgejahres, am 11. Oktober 1347 bei einer Jagdveranstaltung in der Nähe von Fürstenfeldbruck. Dem Reich blieb dadurch ein Krieg um die Krone erspart.


 „Wittelsbacher Erbteilung“

Wenige Jahre vor dem Tod Kaiser Ludwigs, erbte er 1345 über seine Ehefrau, nachdem ihr Bruder kinderlos verstorben war, die umfangreichen Ländereien in den deutschen Niederlande. Das Wittelsbacher Gebiet umfasste jetzt das seit 1340 wiedervereinte Herzogtum Bayern, bestehend aus Nieder- und Oberbayern, die Grafschaft Tirol, die Grafschaften Holland, Seeland, Hennegau und Friesland sowie die Mark Brandenburg. Die bayrische Hausmacht erreichte 1345 ihren Höhepunkt, was wesentlich Ursache war, dass die Akzeptanz des Kaisers bei den Reichsfürsten einzubrechen begann und sich mit Erzbischof Balduin von Trier der einflussreichste damalige Kurfürst von ihm abwandte, um als Angehöriger des Luxemburger Hauses die Bestrebung seines Neffen Johann von Böhmen zu unterstützen dessen ältesten Sohn Karl als König im Reich zu etablieren.

Mit dem Tod des alten Kaisers, wurden die Ländereien der bayrischen Wittelsbacher unter seinen Söhnen aus erster und zweiter Ehe geteilt. Der Wunsch des Vaters war es, dass seine sechs Söhne gemeinschaftlich das Erbe verwalten sollten, um damit ein Auseinanderbrechen des Familienbesitzes zu vermieden. Jedoch ergab sich nur zwei Jahre eine kooperative Regentschaft. Im  „Landsberger Vertrag“ vom 12. September 1349, kam es zur ersten Erbteilung und die Landschaften wurden zweigeteilt. Ludwig „der Brandenburger“ und seine beiden Halbbrüder Ludwig „der Römer“ und Otto verwalteten Oberbayern, Tirol und die Mark Brandenburg. Ludwigs leiblicher Bruder Stephan und die beiden Halbbrüder Wilhelm und Albrecht, teilten sich Niederbayern sowie die niederländischen Grafschaften.


„Ludwigs Reichspolitik“

Wie wir laßen, konnte Ludwig sich aufgrund seines Kirchenbanns nicht selbst zur Königswahl stellen. Seine Bemühungen 1346/47 durch eine zweite Preußenfahrt den Bann abzustreifen, war ebenso erfolglos wie eine Pilgerfahrt ans Grab Christi gleich im Anschluss daran.

Der bayrische Familienzweig der Wittelsbacher gab den politischen Widerstand gegen den frisch gewählten König nicht auf. Hintergrund dazu war keine Feindseligkeit gegen Karl als solche, auch wenn es in Tirol zu mehreren militärischen Treffen kam, es war vielmehr die Sorge, dass der neue Monarch die verschiedenen Reichslehen nicht bestätigen könnte. Ein berechtigte Frage die man sich hier stellen könnte, wäre es nicht vernünftiger gewesen, statt einer Konfrontation, lieber den Weg der Unterstützung und Kooperation zu suchen? Aus einer heutigen Sicht mag die Antwort anders ausfallen als aus einer damaligen Betrachtungsweise. Das Mittelalter kannte in erster Linie das dynastische Prinzip als Antrieb politischer Entscheidungen. Hierin lag der stetige Wettstreit um die Vormacht im Reich begründet. Dies war es, das es quasi zu einem zwangsläufigen Automatismus machte wenn sich die großen Dynastien gegenseitig das Wasser abgruben, sofern man es so ausdrücken darf. Die Sorge, dass ein Haus dauerhaft zu einflussreich würde, erforderte eine zumeist oppositionelle Haltung einzunehmen. Bündnisse zwischen einzelnen dieser großen Familien waren kurzlebig und man fand sich mitunter schon wenig später in gegensinnigen Lagern wieder.

Für die Wittelsbacher war es notwendig schnell zu handeln. So lange der Einfluss Karls im Reich noch spärlich war, bestand eine gute Chance einen Gegenkönig postieren zu können. Sie fochten Karls Wahl von 1346 an. Ihre Argumentation fußte auf den vorgenannten Gründen, nämlich dem unzulässigen Wahl- sowie Krönungsort, weiter hielten sie die Reichsinsignien noch immer in ihrem Besitz.

Als ersten Wurf, strebte man an, mit dem englischen König Eduard III., einen befreundeten Herrscher als Kandidaten zu positionieren. Tatsächlich kam es am 10. Januar 1348 in Lahnstein, in Abwesenheit des Kandidaten, zur Wahl doch schon im Mai des gleichen Jahres trat der er vom Amt zurück ohne irgendwelche Spuren hinterlassen zu haben.

Weitere Versuche schlugen fehl. Ludwigs Schwager Friedrich II., Markgraf von Meißen und Landgraf von Thüringen sollte gewonnen werden, trat dann aber nicht zur Wahl an.

Mit Graf Günther von Schwarzburg-Blankenburg, einem langjährigen Vertrauten, Berater und versierten Diplomaten des verstorbenen Kaisers, wurde ein nächster gesinnungstreuer Vertreter der Wittelsbacher Sache gefunden. Am 30. Januar 1349 wurde er in Frankfurt gewählt. Teilnehmer der Wahl, die auch alle für den Kandidaten stimmten, waren:

  • Markgraf Ludwig von Wittelsbach, der die Stimme Brandenburgs vertrat
  • Die Brüder und Pfalzgrafen Rudolf II. und Ruprecht I. von Wittelsbach
  • Herzog Johann III. aus dem Haus der Askanier für Sachsen-Lauenburg
  • Erzbischof Heinrich III. von Virneburg, für Mainz.

Die Rechtmäßigkeit der Stimmen von Mainz und Sachsen-Lauenburg konnte zumindest angezweifelt werden. Die Kurstimme für Sachsen beanspruchte die ältere askanische Linie in Sachsen-Wittenberg für sich, in dieser Funktion hatte Herzog Rudolf I. auch im Jahre 1346 für den Luxemburger Karl gestimmt. Beide sächsisch-askanische Linien stritten seit Jahren um das Vorrecht zur Königswahl. Tatsächlich muss es aber rechtlich bei der älteren askanischen Linie gesehen werden, denn von dort wurde sie auch in den Wahlen zuvor ausgeübt und erst zu Zeiten Kaiser Ludwigs IV. in Frage gestellt, da sich Herzog Rudolf I. von Sachen-Wittenberg wegen seiner unbefriedigten brandenburgischen Ansprüche als ein Widersacher der Wittelsbacher erwies.

Bezüglich Mainz war der Umstand komplizierter. Da sich der Mainzer Erzbischof Heinrich III. als ein Parteimann Kaiser Ludwigs IV. erwies, wurde er von Papst Clemens VI. im Jahr 1346 kurzerhand abgesetzt und mit Gerlach von Nassau ein Anhänger der Luxemburger Partei eingesetzt. Gerlach von Nassau stimmte in der Wahl von 1346 somit für Karl. Es ist schwierig zu sagen wer in diesem Mainzer Kirchenschisma im Recht war und wer letzten Endes das Recht zur Abgabe seiner Stimme anlässlich einer Königswahl hatte. Ob die Absetzung Erzbischofs Heinrichs rechtmäßig war, darf in Frage gestellt werden. Würde seine Parteinahme für den unter Kirchenbann stehenden Wittelsbacher Kaiser als Begründung ausreichen, so hätte man das gleiche Absetzungsverfahren schon anlässlich der Amtszeiten von Papst Johannes XXII. und Benedikt XII. gegen Erzbischof Balduin von Luxemburg anwenden müssen. Schließlich stand dieser ebenfalls zweimal unter päpstlichem Kirchenbann, wegen dessen damaliger  Parteiname für Kaiser Ludwig. Da er bis zu seinem Tod im Amt blieb, konnte man schlechterdings Erzbischof Heinrich darauf einen Strick drehen. Aber die Kurie war erfindungsreich, wenn es darum ging Gründe zu finden, notfalls zu schaffen, einen unliebsamen Kandidaten zu verjagen.

Es kam noch im gleichen Jahr bei Eltville am Rhein zu einer bewaffneten Begegnung zwischen den Truppen Karls IV. und des Gegenkönigs. Allerdings führte das Treffen zu keiner wirklichen Schlacht. Karls Heer schlug die feindlichen Truppen ohne große Kampfhandlungen in die Flucht und im „Vertrag von Eltville“, vom 26. Mai 1349, verzichtete Graf Günther gegen eine fürstliche Abfindung auf seine Ansprüche auf die Krone. Schon drei Wochen später, am 14. Juni 1349 starb Günther von Schwarzburg in Frankfurt an der Pest. Böse Zungen behaupteten, es wäre die Strafe gewesen, weil er das höchste Amt im Reich gegen Geld veräußert hatte.

Alle Bemühungen der Wittelsbacher blieben erfolglos und die Opposition ebbte ab. Karl konnte mit dem kampflosen aber nicht sieglosen Treffen bei Eltville einen wichtigen Erfolg verbuchen was seine königliche Autorität wesentlich hob.

Auffallend im Gesamtzusammenhang der Sache, ist die überraschende Passivität der Habsburger in dieser Zeit. Man sollte doch meinen, dass diese Familie im Streit zwischen den beiden Widersachern als dritte Partei hätte auftreten können. Tatsächlich bleiben sie aber verdeckt und zurückhaltend. Die wahrscheinlichste Erklärung dürfte in ihrem erst kürzlich erworbenen Zugewinn von Kärnten und der Krain zu suchen sein. Von Wittelsbacher Seite waren die Erwerbungen ohnehin abgestimmt, wir hatten davon berichtet. Von Luxemburger Seite konnte man hoffen, dass man, bei gebührender Neutralität, von Karl IV. die Belehnung bestätigt bekäme. So oder so, sahen sich die Habsburger für den Moment saturiert und zeigten keine eigenen Thronambitionen.


„Der falsche Waldemar“

Ludwig „der Brandenburger“ war schon seit gut zwei Jahren nicht mehr in der Mark. Eine wachsende Entfremdung der Stände gegenüber ihrem Landesherren zeichnete sich ab. Schon 1348 ereignete sich in Brandenburg eine merkwürdige Episode, die unter anderen politischen Rahmenbedingungen frühzeitig im Keim erstickt worden wäre, in Brandenburg aber, unter den gegebenen Umständen, jedoch groteske Züge annahm.

Im Sommer des Jahres 1348 trat im Erzbistum Magdeburg ein Mann auf, der sich gegenüber dem Erzbischof Otto von Hessen als der augenscheinlich noch lebende askanische Markgraf Waldemar ausgab. Jener Markgraf der nach der bisherigen Wahrnehmung vor 29 Jahren kinderlos verstorben war und mit dessen Nachfolger, Heinrich II., schon im darauffolgenden Jahr die brandenburgisch-askanische Linie im Mannesstamm erlosch. Der Aussage nach befand er sich seit dem Jahr 1319 auf Pilgerreise im Heiligen Land und sei nun nach Brandenburg zurückgekehrt um die Regierung wieder zu übernehmen.

Erstaunlicherweise fand er unter den askanischen Linien in Anhalt und Sachsen-Wittenberg bald Anerkennung. Karl dem amtierenden- wenn auch nicht unangefochtenen römisch-deutschen König kam der „falsche Waldemar“ zur richtigen Zeit. Die Rivalität zu den Wittelsbachern veranlasste ihn dazu den offensichtlichen Hochstapler am 2. Oktober 1348 mit der Mark Brandenburg zu belehnen. Auf einer Huldigungsreise durch die Mark fielen fast alle Landstriche und Städte von ihren bisherigen Landesfürsten ab und unterwarfen sich dem falschen Waldemar.

Ludwig war natürlich nicht bereit die Mark aufzugeben. Bündnisse mit Dänemark und Pommern sollten ihn bei seinem Bestrebungen die Mark Brandenburg wieder zu unterwerfen, unterstützen. Es gelang ihm in der Mark wieder Anhängerschaft zu gewinnen so dass Waldemar im Februar 1350 als Betrüger überführt werden konnte. Im Vertrag von Bautzen wurden zwischen Ludwig und König Karl IV. eine Einigung erzielt und Ludwig wurde erneut mit der Mark Brandenburg belehnt. Die Wittelsbacher händigten im Anschluss daran die Reichskleinodien an den König aus, womit sie endgültig ihre Ansprüche auf den Thron zurückzogen und das Königtum Karls IV. akzeptierten.

Dennoch ging das Geplänkel mit dem vermeintlich heimgekehrten Waldemar weiter, dazu etwas mehr im nächsten Kapitel.


„Der Luckauer Vertrag“

Im „Landsberger Vertrag“ wurde entgegen den Wünschen des verstorben Vaters, eine Aufteilung der Landschaften eingeleitet. Möglicherweise geschah dies schon damals auf Initiative Ludwigs. Der Inhalt eines schon zwei Jahre darauf folgenden, zweiten Teilungsvertrags, scheint diese Annahme zu stützen.

Anfang 1351 zeichnete es sich ab, dass Ludwig müde und überdrüssig bezüglich der zahlreichen Auseinandersetzungen in und um Brandenburg wurde. Der Streit mit dem märkischen Adel war seit Beginn der Regentschaft durch die Wittelsbacher, vor nunmehr 28 Jahren, nicht gütlich beigelegt worden. Die Ereignisse um den Betrüger welcher sich als der askanische Markgraf Waldemar ausgab und dem Abfall von nicht weniger als 36 brandenburgischen Städten, hinterließ ebenfalls Spuren. Bislang galten vor allem die brandenburgischen Städte als der große Rückhalt des älteren Ludwigs.

Ende des Jahres, im Dezember 1351, kam es im „Luckauer Vertrag“ zu einer völligen Neuregelung zwischen ihm und seinen zwei Halbbrüdern Ludwig und Otto. Ludwig „der Römer“, der jüngere Halbbruder Ludwigs, sowie Otto, der leibliche Bruder Ludwigs „des Römers“, erhielten die Mark Brandenburg. Der ältere Ludwig erhielt umgekehrt und wunschgemäß die alleinige Regentschaft über das Herzogtum Oberbayern. Zusammen mit den Tiroler Besitzungen seiner Ehefrau, konnte er dadurch über ein zusammenhängendes Gebiet im zentralen Süddeutschland verfügen.

Die letzten rund zehn Jahre seines Lebens fassen wir im Nachruf zusammen.


„Ehen & Nachfahren“

Ludwig war seit dem 30. November 1324 in erster Ehe mit Margarete von Dänemark verheiratet.

Aus der Ehe ging mit Elisabeth eine Tochter hervor. Da nichts näheres über sie bekannt ist, muss angenommen werden, dass sie schon im frühen Kindesalter verstarb.

Seit dem 10. Februar 1342 war Ludwig in zweiter Ehe mit Margarete von Tirol verheiratet.

Aus der Ehe gingen vier Kinder hervor:

  • Hermann (1343–1360)
  • Meinhard (1344–1363)
  • Tochter (*/† ?)
  • Tochter (*/† ?)

„Zusammenfassung & Nachruf“

Der älteste, gleichnamige Sohn des römisch-deutschen Königs und späteren Kaisers Ludwig IV., wurde 1323, noch im Knabenalter mit der Mark Brandenburg belehnt und bereits im Folgejahr mit der dänischen Prinzessin Margarete verheiratet. Die politische Vermählung sollte der Mark Brandenburg einen Verbündeten im Norden schaffen.

Ludwig regierte Brandenburg für 28 Jahre entweder selbstständig oder durch eine Anzahl von Räten bzw. Landeshauptmännern. Er führte in der Mark ein modernes Verwaltungssystem ein, das analog zu den bayrischen Landen seines Vaters strukturiert war.

Den brandenburgischen Städten gewährte er große Privilegien wodurch diese schnell als Unterstützer der neuen Landesherrschaft gewonnen wurden. Der märkische Adel stand teilweise in offener Opposition, hierbei besonders die alten Adelsgeschlechter der Prignitz und des Havellandes.

Zu Pommern und Mecklenburg bestanden die schon unter den Askaniern vorhandenen Interessenskonflikte. In verschiedentlichen kriegerischen Auseinandersetzungen konnte er sich nicht durchsetzen und musste am Ende die Reichsunmittelbarkeit Pommerns im „Lippehner Landfriede“ akzeptieren.

Nach dem Tod seiner ersten Frau, heiratete er 1342 mit Margarete von Tirol die Erbtochter des Herzogs von Kärnten und Grafen von Tirol und Görz. Die Hochzeit war belastet von Rivalitäten mit dem Haus Luxemburg und führte auch im Streit mit der Kirche zu einem langjährigen Kirchenbann, wodurch es nicht möglich war Ludwig als Mitkönig an die Seite des kaiserlichen Vaters zu wählen. Überhaupt war der tiefe Riss mit den in Avignon residierenden Päpsten das zentrale Thema während der gesamten Regenschaft des Reichsoberhaupts und beeinflusste dadurch auch die Politik des Sohnes, dem brandenburgischen Markgrafen.

Im Reich selbst führte der Konflikt zwischen Papst und Kaiser zu einer weiteren Entfremdung vom Papsttum und einer starken, säkularen Bewegung gegenüber dem Heiligen Stuhl. Der 1338 ins Leben gerufene Kurverein trat selbstbewusst an die Seite des Reichsoberhaupts und verbat sich jede Einmischung der Kurie in innere Reichsangelegenheiten.

Nach dem Tod des Vaters wurde das Erbe in verschiedenen Teilungsverträgen unter den sechs Söhnen Kaiser Ludwigs IV. verteilt. Dem ältesten Sohn Ludwig gelang es am Ende durch einen Tausch mit seinen Halbbrüdern, das Herzogtum Oberbayern und Tirol, die ererbte Grafschaft seiner Frau, territorial zu verbinden sowie verwaltungstechnisch anzugleichen.

Mit dem Haus Luxemburg und König Karl IV. wurde 1350 in den Verträgen von Bautzen eine Übereinkunft getroffen und die Wittelsbacher Ansprüche auf die Reichskrone niedergelegt sowie de jure der Anspruch Karls IV. akzeptiert, de facto war die Regenschaft Karls schon seit dem Vertrag von Eltville hingenommen. Dieser bestätigte im Umkehrschluss alle Reichslehen den Nachkommen des verstorbenen Kaisers.

In Brandenburg gelang es ihm nie völlig Fuß zu fassen und dies, obwohl er es nicht an notwendiger Aufmerksamkeit mangeln ließ und befähigte Verweser und Räte zur Seite hatte. Er konnte trotz aller Widrigkeiten die Mark mit der Masse ihrer alten Kerngebiete erhalten was sicherlich auch der Autorität des kaiserlichen Vater zu verdanken war.

Im Vertrag von Luckau verzichtete er im Dezember 1351 zugunsten seiner Halbbrüder Ludwig „dem Römer“ und Otto auf die Mark Brandenburg, erhielt dafür im Gegenzug die alleinige Herrschaft im Herzogtum Niederbayern was zu einer entscheidenden Bündelung und Abrundung seiner Landschaften in ser süddeutschen Region führte und eine kompakte und einheitliche Regentschaft förderte.

Im Jahre 1359 vermählte er seinen Sohn und späteren Erben Meinhard (1344 – 1363) mit Margarethe von Habsburg (1346 – 1366), Tochter Herzog Albrechts II. von Österreich, womit die enge Bindung und Allianz beider Häuser auch auf familiärer Ebene unterstrichen wurde.

Ähnlich wie sein Vater, war Ludwig auf diplomatischer Ebene und in der Administration erfolgreicher als auf dem Schlachtfeld. Seine verschiedenen Reformen führten zu einer Verbesserung der Verwaltungsstrukturen und zu einer allgemeinen Hebung in den von ihm regierten Gebieten. Er konnte dadurch die dramatischen Auswirkungen der großen Pestwelle, die weder an Tirol noch an Oberbayern spurlos vorüber gingen, kompensieren.

Am 18. September 1361 starb Ludwig auf der Rückreise von Tirol nach München, anlässlich der Jagd bei Zorneding, wahrscheinlich an einem Schlaganfall. Zu seine Ehren trägt der Ort bis zum heutigen Tag den roten, brandenburgischen Adler Ludwigs als Stadtwappen. Wir erleben hier eine zufällige Analogie zum Vater, der seinerseits in der Nähe von Fürstenfeldbruck auf dem Rücken eines Pferdes, während der Jagd, einen Infarkt erlitt und noch an Ort und Stelle verstarb.

Herzog Ludwig V. in Bayern und Kärnten, Markgraf von Brandenburg, Graf von Tirol und Görz, wurde in der Münchner Frauenkirche zur letzten Ruhe gebettet. Er war zu seiner Zeit eine der großen Persönlichkeiten des Reichs, zeichnete sich durch hohes diplomatisches Geschick und administratives Können aus. Auf dem Schlachtfeld blieb er zeitlebens größtenteils erfolglos. Im Thronstreit mit Karl IV. musste er nach drei Jahren des Widerstands im Frieden von Eltville und im Frieden von Bautzen den König anerkennen, sich unterwerfen und alle Wittelsbacher Ansprüche auf den Thron aufgeben.


 

Buch 2, Prolog: „Märkisches Interregnum“


Das Erlöschen des askanischen Hauses Brandenburg warf die Frage auf, was soll aus der Mark werden? Im Schlusskapitel des ersten Buchs wurde das düstere Bild Brandenburgs während des Vormundschaftsstreits um den unmündigen Markgrafen Heinrich geschildert. In kurzer Zeit bemächtigten sich nahezu alle benachbarten Fürsten kleiner und selbst großer märkischer Landstriche, bis hin zu ganzen Provinzen, so dass dem am 18. Juni 1320 von Ludwig IV. mündig erklärten Markgrafen Heinrich II. zuletzt überhaupt nichts mehr blieb, als die kurz zuvor erst von Herzog Wartislaw IV. von Pommern-Wolgast zurückeroberte Uckermark. Es wäre immerhin ein Anfang gewesen, doch starb der Heranwachsende im Alter von gerade mal zwölf Jahren, kaum dass er zu Prenzlau erste Regierungshandlungen vorgenommen hatte.  Mit diesem völlig überraschenden Tod wurde die Frage nach der Weiterexistenz Brandenburgs abermals akut.


Sukzessionsfrage

Wie wir wissen, übte Herzog Rudolf von Sachsen-Wittenberg seit dem Tod des vorletzten Markgrafen, der im Jahre 1319 verstorben war, als Vormund in einigen Gebieten Brandenburgs, so in der Mittelmark, die Regentschaft aus. Rudolf, ältester Vertreter der sächsischen Askanier, hoffte wegen seiner nahen Verwandtschaft mit der ausgestorbenen Herrscherdynastie Brandenburgs das dortige Erbe antreten zu können. Sein Anspruch mag nach sächsischer Rechtsauffassung begründet gewesen sein, doch schon das fränkische Recht ging bereits zu Zeiten der Karolinger aber auch unter den sehr viel später regierenden Saliern andere Wege, so dass stattdessen mit einem Heimfall Brandenburgs ans Reich zu rechnen war. Alles hing vom Ausgang des seit nunmehr sechs Jahren schwelenden Streits um die Krone des Reichs ab. 1314 war es zur Doppelwahl gekommen und sowohl der Wittelsbacher Ludwig wie der Habsburger Friedrich – beide eng miteinander verwandt – stritten seither um die Macht im Reich.
Dass es seit der unseligen Doppelwahl von 1314 außer Scharmützeln noch zu keiner Entscheidung zwischen den Kontrahenten gekommen war, lag an verschiedenen Faktoren, die der jeweiligen Seite gewisse Fesseln auferlegten. Die Habsburger waren in ihren Schweizer Stammlanden durch eine Reihe bewaffneter Aufstände mit eidgenössischen Separatisten zwischenzeitlich in ernste Probleme geraten. Zunächst nahm man die dortige Entwicklung nicht sonderlich ernst, bis die Lage größere Formen annahm. Umgekehrt war das Haus Wittelsbach untereinander durch erbitterte Erbstreitigkeiten zerrüttet. Ludwigs eigener Bruder, Pfalzgraf Rudolf I., genannt der Stammler, gab infolgedessen bei der Königswahl 1314 dem Habsburger Friedrich seine Stimme, womit sich der Riss durch die Wittelsbacher Familie nochmals erweiterte.
Im Reich hielten sich die Kurfürsten in den Folgejahren die Waage und nahmen kaum Einfluss auf den Thronkampf. Der Tod Markgraf Waldemars von Brandenburg 1319 – er hatte anlässlich der Wahl für Ludwig den Bayern gestimmt – veränderte vorerst nichts, da noch im gleichen Monat auch Pfalzgraf Rudolf in Heidelberg verschied, bis zuletzt mit seinem bayrischen Bruder heillos zerstritten. Ludwig übernahm darauf die Vormundschaft über die minderjährigen Neffen Rudolf und Ruprecht, womit ihm für den Moment sowohl die rheinpfälzischen Gebiete des verstorbenen Bruders, als auch die damit verbundene Kurstimme zur Verfügung standen. Die Parität blieb also erhalten. Mit dem Tod des Mainzer Erzbischofs Peter von Aspelt im Juni 1320 und mit der Ernennung des Matthias von Bucheck zum Nachfolger, verlagerte sich das Gewicht unter den Kurfürsten Richtung des Habsburgers Friedrich. Beide Seiten suchten in der Folgezeit endlich die Entscheidung, wozu beide Seiten 1322 mit starken Zurüstungen begannen. Die politisch festgefahrene Situation musste also auf kriegerischem Wege gelöst werden. Der Sieger wäre, dem Denken der Zeit folgend, der von Gott gewollte und mit Königsheil gesegnete Thronkandidat, dessen alleiniger Anspruch nicht mehr in Frage gestellt werden konnte. Wir sehen darin traurige Parallelen zu den Entscheidungsschlachten zwischen dem Habsburger Rudolf und dem Přemysliden Ottokar oder dem Nassauer Adolf und dem Habsburger Albrecht. Würde auch diesmal der Verlierer die Niederlage mit dem eigenen Tod bezahlen müssen?


Die Ausgangslage

Friedrich der Schöne von Habsburg

Friedrich konnte bei der anstehenden Auseinandersetzung auf die ansehnliche Habsburger Hausmacht vertrauen. Dem bevorstehenden Waffengang sah er mit  gebührender Vorsicht, gleichzeitig aber  zuversichtlich entgegen.
Zu seinen Verbündeten gehörte neben dem Bischof von Salzburg vor allem Bruder Leopold von Österreich. Für den Wittelsbacher Ludwig, dessen eigene Hausmacht geringer war, kam es darauf an, diesen Nachteil durch Verbündete zu kompensieren. Hierbei spielte die Rolle des Luxemburgers Johann von Böhmen die zentrale Schlüsselrolle.
Ursprünglich war Johann selbst an der römisch-deutschen Krone interessiert. Er zog jedoch nach mehrmonatigen Verhandlungen mit den Kurfürsten seine Kandidatur aus politischen Erwägungen zurück und unterstützte im weiteren Verlauf die Kandidatur des Wittelsbachers Ludwig. Um Johann und damit Böhmen für eine anstehende militärische Konfrontation gewinnen zu können, war die verwaiste Mark Brandenburg das geeignete Lockmittel. Noch war keine Entscheidung getroffen welchem Fürstengeschlecht die verwaiste Markgrafschaft zuteil werden wird. Für das im Süden angrenzende Böhmen wäre ein Zugewinn der zur Mark gehörenden Provinzen ein geeigneter Lohn, der ein Engagement auf der Seite des Wittelsbachers rechtfertigen würde.

Völlige Neuüberarbeitung, Stand 14. Juni 2020

Kehren wir in Gedanken einige wenige Jahre in der Erinnerung zurück. Mit dem Tod Waldemars im Jahre 1319, wurde der designierte Nachfolger, das noch unmündige Kind Heinrich, zum Spielball verschiedener Fürsten, die alle ein Interesse daran hatten, aus der brandenburgischen Not persönlichen, soll heißen, territorialen Vorteil zu ziehen. Der böhmische König Johann nutzte die Situation aus indem er die Oberlausitz besetzte und annektierte. Rechtlich stand dieses Unterfangen auf mehr als wackligen Beinen und keiner der beiden römisch-deutschen Könige bestätigte ihm den Erwerb. Da die Tat keine weiteren Folgen zeigte, beiden Seiten fehlte die notwendige Autorität, blieb die für den Moment nur von geringem Belang und gereichte ihm nicht zum Nachteil. Jetzt, im Jahr 1322, durch die vorgenannten Umstände genötigt, stellte Ludwig der Bayer dem böhmischen König die Belehnung der gesamten Mark Brandenburg in Aussicht. Zumindest konnte man die Formulierungen seitens Johanns so auffassen, wenngleich Ludwig wohl nie wirklich die Absicht hatte Böhmen bzw. das Haus Luxemburg durch eine Belehnung mit der Mark an Macht weiter wachsen lassen. Tatsächlich hatte Ludwig höchstwahrscheinlich schon jetzt ganz andere Pläne bezüglich Brandenburg. Für den Augenblick war die Aussicht auf dieses Fürstentum trotzdem verlockend genug und der böhmische König stellte bereitwillig Truppen in Aussicht, die er persönlich ins Feld führte.

Ein weiterer und wie sich zeigen sollte, wichtiger Verbündeter, war Burggraf Friedrich IV. von Nürnberg-Hohenzollern (1287 – 1332). Wir lesen seit Rudolf I. zum dritten Mal von einem Nürnberger Burggrafen aus diesem Hause. Gemessen an dem üblicherweise niedrigen Amt eines Burggrafen, war dies ungewöhnlich. Ein Burggraf verfügte für gewöhnlich kaum über die wirtschaftlichen Mittel um mit einer eigenen, ernstzunehmenden Streitmacht bei Kämpfen spürbare Akzente zu setzen. Wir gehen an späterer Stelle näher darauf ein.


„Entscheidung bei Mühldorf“

Am 28. September 1322 trafen sich beide Heere im oberbayrischen Mühldorf am Inn, damals zum Gebiet des Erzbischofs von Salzburg gehörend. Nachdem in den Jahren zuvor, bis auf die Schlacht bei Gammelsdorf, verschiedentlich bewaffnete Begegnungen entweder kampflos, in kleinen Scharmützeln, in allen Fällen aber ohne einen Einfluss auf den Thronstreit verliefe, war beide Seiten Ende September gewillt den alles entscheidenden Waffengang zu wagen.

Erste Abteilungen der habsburgischen Truppen trafen zwischen dem 17. und 20. September bei Mühldorf unter dem Kommando des Salzburger Erzbischofs Friedrich III. von Leibnitz (vor 1300 – 1338) ein. Am 21. September vereinten sich die Truppen des Passauer Bischofs mit jenen von Friedrich dem Schönen bei Passau. Gemeinsam erreichten sie am 24. September den wartenden Salzburger Erzbischof. Ein dritter großer Habsburger Verband, unter der Führung Herzog Leopolds von Österreich, war zu diesem Zeitpunkt noch gut eine Woche Fußmarsch entfernt.

Der Bayer Ludwig versammelte seine Verbände bei Regensburg und marschierte als weitgehend vereinte Streitmacht nach Mühldorf. Da Ludwig wie schon angedeutet nicht über die Mittel verfügte, wie sie die Habsburger ins Feld führen konnten, musste er mit den eigenen Truppen sorgsam umgehen. Die Gefahr dass kleinere Truppenteile den überlegenen Kräften von Friedrich oder dessen Bruder Leopold in die Hände fallen könnten, veranlasste ihn sich schon in seinen Kernlanden mit den böhmischen Hilfstruppen Johanns von Luxemburg und den fränkischen Truppen des Burggrafen Friedrich IV. von Hohenzollern zu vereinen.

Vernünftigerweise setzte Ludwig, trotz der Anspannung aller Kräfte, ein Kontingent schwäbischer Truppen zur Observierung des heranrückenden Leopolds an. Hauptsächlich sollten Kurierreiter zwischen den beiden Habsburger Heerhaufen so gut als möglich unterbunden werden um die weitere Koordination zu erschweren. Man kann anhand solcher Maßnahmen bereits erkennen, dass im spätmittelalterlichen Kriegswesen längst Methoden wie Beschattung und Aufklärung aber auch hinhaltender Widerstand sowie Störung des gegnerischen Anmarschs aufkamen. Der rein ritterlich geprägte Kampf auf dem Schlachtfeld, der am Ende schwerpunktmäßig in den Kampf Mann gegen Mann mündete, wuchs sich mehr und mehr aus. Wir erinnern uns, dass noch 50 Jahre zuvor, eine Finte oder Kriegslist, geplant und letztendlich angewandt von Rudolf I., anlässlich der „Schlacht auf dem Marchfeld„, im Vorfeld unter den beteiligten Rittern zu starken Kontroversen führte. Kriegslist entsprach damals noch in keiner Weise dem überlieferten Wesen eines offen und mannhaft geführten Kampfes, der geprägt war von ritterlichem Ehrenkodex. Mittlerweile waren die kriegerischen Maßnahmen facettenreicher geworden. Das Kriegshandwerk der Zeit bekam zur bislang dominierenden, rein taktischen Seite, eine zunehmend wachsende strategische Komponente beigefügt.

Ludwig konnte aus den Aufklärungsberichten ableiten, dass seine Streitmacht zeitlich deutlich vor jenen Leopolds von Österreich eintreffen würden und er dadurch eine leichte numerische Übermacht bei der schweren Reiterei in Feöd führen konnte. Allgemein galten die schwer gepanzerten Reiter als die schlachtentscheidende Waffe der Zeit. Hierin waren nicht nur die bestgerüsteten sondern gleichzeitg die quasi berufsmäßigen Krieger der Zeit, die Ritter, zusammengefasst.

Am 27. September trafen die bayrischen Truppen samt den Verbündeten aus Böhmen und Franken bei Mühlberg, am Nordufer des Inns, ein. Noch am Abend bot Ludwig, der Überlieferung nach, den Waffengang dem südlich des Flusses lagernden Feind demonstrativ für den kommenden Tag an. Im habsburgischen Lager waren die Anführer unschlüssig und eigentlich geneigt noch abzuwarten um auf die Verstärkung durch Friedrichs Bruder, den Herzog Leopold zu warten. Friedrich erschien dies Ansinnen als unehrenhaft, da beide Seiten in etwa gleich groß waren. Der Bayer verfügte zwar über mehr schwere Reiterei, dafür konnte Friedrich in der Gesamtsumme etwas mehr Truppen vorweisen. Friedrich akzeptierte das Angebot zum Waffengang. Da mit dem baldigen Eintreffen seines Bruders auch nicht zu rechnen war, konnte er der Ehre halber das Gefecht auch nicht lange ausschlagen und war ohnehin zur baldigen Annahme der Herausforderung gezwungen gewesen, wenn er nicht das Gesicht verlieren wollte.

Die bayrische Seite überschritt am Morgen des 28. September mit etwa 1.800 Mann schwerer Reiterei und 4.000 Mann Fußtruppen den Inn und nahmen Aufstellung. Sie wurden von Habsburger Seite von 1.400 Panzerreitern und 5.000 Mann gemischter Truppen, bestehend aus leichten ungarischen Bogenreitern und Fußsoldaten, erwartet.

Den Chroniken nach stellten sich die beiden Heere folgendermaßen auf:

Dem rechten Flügel des böhmischen Königs Johann von Luxemburg, unterstützt von rheinischen Truppen aus der Pfalzgrafschaft bei Rhein, stand Herzog Heinrich von Österreich, ein weiterer Bruder Friedrichs und der Erzbischof von Salzburg gegenüber. Beiden Kontingenten war jeweils die Masse der schweren Reiterei zugeteilt. Das bayrische Zentrum und Teile des linken Flügels unterstand König Ludwig von Wittelsbach, darunter der Großteil der Fußtruppen beider bayrischen Herzogtümer. Am linken bayrischen Flügel standen die gemischten schwäbischen Truppen des Graf Wilhelm von Montfort und Graf Berthold von Seefeld sowie fränkisches Fußvolk. Dem Zentrum und dem linken Flügel gegenüber, stand König Friedrich von Habsburg, mit ihm die leichte ungarische Reiterei. Am äußersten linken bayrischen Flügel führte Burggraf Friedrich IV. von Hohenzollern eine etwa 500 Mann starke Truppe schwerer Reiter aus Franken. Der spätere Verlauf der Schlacht veranlasst zur Annahme, dass dieser Verband nicht voll einsehbar war, möglicherweise sogar ganz verdeckt war oder sich zu Beginn der Schlacht der gegnerischen Sicht geschickt entzog.

~ Der Schlachtverlauf ~

Heroisierte Szene der Schlacht bei Mühldorf: Im rechten, mittleren Hintergrund, Friedrich der Schöne, mit auffallendem Helmschmuck und sein Bruder Heinrich von Österreich. Im zentralen Hintergrund, greift Burggraf Friedrich IV. von Hohenzollern mit seinen fränkischen Reitern in die Schlacht ein. Links, in der Mitte, König Ludwig mit dem bayrischen Löwen als Wappen auf dem Waffenrock.

Johann von Böhmen eröffnete, nach der Gepflogenheit der Zeit, mit einer massiven Reiterattacke die Schlacht, indem er gegen den rechten Habsburger Flügel vorging. Die Fußtruppen im Zentrum nutzen die Reiterattacke um sich an die gegnerischen Linien heranzuarbeiten. Sie lehnten sich dabei an eine Hügelkette im Rücken als Schutz gegen die gefürchtete ungarische Reiterei, die in der Folge, trotz zahlenmäßiger Überlegenheit und hoher Mobilität, nicht effektiv zum Einsatz kam. Die gemischten schwäbischen Truppen und die fränkischen Fußsoldaten schirmten das bayrische Zentrum an der eigenen rechten Flanke gegen Umgehungenversuche ab.
Die böhmisch-bayrische Reiterei war nach der Eröffnungsattacke abgesessen und führte zu Fuß den Kampf fort. Sie band dabei nicht nur den rechten Habsburger Flügel sondern zog die mobilen ungarischen Verbände aus dem Zentrum auf sich, wodurch Johann mit seinen Kämpfern unter zunehmenden Druck geriet. Das österreichische Zentrum begann sich mehr und mehr auf den rechten Flügel zu verlagern, um den Kampf gegen die Truppen Johanns zu unterstützen. Es schien sich eine frühe Vorentscheidung zu Gunsten des Habsburgers abzuzeichnen.

Zwischenzeitlich war das bayrische Zentrum mit der Masse der Fußtruppen vollentwickelt am Gegner und begann die noch zurückgehaltenen Teile der ungarischen Reiterei zu binden, deren größter Vorteil, ihre hohe Mobilität, dadurch stark eingeschränkt und zunehmend weiter gelähmt wurde.

In dieser Phase, in der sich alles auf das Zentrum und den aus österreichischer Sicht, rechten Flügel konzentrierte, brach Burggraf Friedrich von Hohenzollern mit seinen frischen, noch nicht abgekämpften Panzerreitern über den linken Flügel es Gegners herein und drückte diesen gegen das eigene Zentrum, womit die allgemeine Bewegungsfähigkeit der zum abgesessenen Kampf übergegangenen österreichischen Truppen zusammenzubrechen begann.

Burggraf Friedrich gelang es in der anwachsenden Verwirrung und der sich auf beiden Seiten abzeichnenden Erschöpfung, König Friedrich sowie dessen Bruder, Herzog Heinrich von Österreich, gefangen zu nehmen. Die Schlacht erhielt dadurch eine völlige Wendung und war entschieden.

Hinsichtlich der Rolle die König Ludwig während der Schlacht spielte, gibt es je nachdem welcher Seite man mehr Gehör schenken mag, stark unterschiedliche Aussagen. Während die österreichisch-habsburgischen Chronisten berichten, dass Ludwig an den Gefechten persönlich keinen Anteil nahm, sich sogar durch Rüstung und Banner nicht von anderen Rittern unterscheiden ließ , melden die bayrischen Chronisten er habe am Gefecht teilgenommen. Worin sich beide Seiten, wenn auch unterschiedlich ausgeprägt, einig sind, war die tapfere, ritterliche Rolle die der Habsburger Friedrich der Schöne spielte. Er war durch einen auffallenden Helmschmuck klar identifizierbar und beteiligte sich aktiv an den Kämpfen.

Der am Ende schlachtentscheidende Flankenangriff des Hohenzollers, der von den Angegriffenen zunächst für die Avantgarde des heranrückenden Leopolds von Österreich gehalten wurde, führte zur unverhofften Gefangennahme Friedrichs des Schönen und seines Heinrichs. Die beiden immens wertvollen Gefangenen, wurden nach Einstellung der Kämpfe eilig weggeführt.

Die Schlacht war mit über eintausend Gefallenen sehr blutig. Sie galt als die letzte Ritterschlacht des Mittelalters die ohne den Einsatz von frühen Feuerwaffen, nur mit der blanken Waffe geführt wurde.

Der siegreiche König Ludwig verließ entgegen der Sitte das Schlachtfeld vorzeitig. Brauch war es, drei Tage auf dem Schlachtfeld zu verweilen, um sich nochmals dem Feind zu stellen, sollte dieser ein weiteres Mal den Waffengang suchen.

Sein ehrenrühriger, voreiliger Abgang von der Walstatt, verbunden mit den habsburgischen Angaben, er hätte sich als einfacher Ritter gekleidet und nicht aktiv am Gefecht teilgenommen, erschütterte das Ansehen des Wittelsbacher im Reich. Umgekehrt war der anerkannt heldenhafte Kampf des geschlagenen und gefangen weggeführten Habsburgers Gegenstand manch zeitgenössischem Gedichts oder Liedes. Ludwig vermochte den Sieg daher als das erhoffte Gottesurteil nur unzureichend für sich geltend zu machen.


„Eskalation mit dem Papst“

Der Konflikt war nach der Schlacht von Mühldorf nicht beigelegt. Gegenkönig Friedrich befand sich zwar in der Hand König Ludwigs und war auf Burg Trausnitz gefangen, doch Herzog Leopold von Österreich, der Bruder Friedrichs, blieb als Gegner bestehen.

Gleichzeitig verschärfte sich das Verhältnis zu Papst Johannes XXII. im Rahmen des schwelenden Approbationsstreits zwischen der Kurie und dem römisch-deutschen Thron. Der Papst bestand auf dem Recht die formelle Bestallung des römisch-deutschen Königs vorzunehmen. Es handelte sich um den gleichen, über so viele Generationen andauernden auf- und abschwellenden Konflikt, wer durch wen seine Autorität erhält. War der Papst ohne Zweifel das geistige Oberhaupt der Christenheit, sah sich das römisch-deutsche Kaisertum als der oberste Schutzherr des Christentums. In der Vergangenheit entbrannten die Konflikte zwischen dem Papsttum und dem Kaisertum nur selten an der Auslegung dieser Frage als solches sondern zumeist an realen, territorialpolitischen Kontroversen in Italien.

Der Konflikt entzündete sich an Ludwigs reichspolitischen Ambitionen in Oberitalien. Hier kollidierten erneut die norditalienischen Interessen des Papstes mit den Reichsinteressen des römischen-deutschen Königs. Der vom Papst angedrohte Kirchenbann wurde nach Ablauf einer dreimonatigen Frist gegen den König am 23. März 1324 ausgesprochen und blieb bis zum Tod Ludwigs bestehen. Es war das alte und schärfste Mittel des Papstes im Kampf gegen das weltliche Oberhaupt auf dem Thron Karls des Großen. Ein unter Kirchenbann stehendes Reichsoberhaupt war der steten Gefahr ausgesetzt im Reich einen mächtigen Kontrahenten auf den Plan zu rufen, der den Bann zum Anlass nahm, sich selbst zum Nachfolger küren zu lassen. Über die partikularen Interessen der Wahlfürsten hatten wir schon gesprochen.

Der noch vor kurzem verbündete böhmische König, Johann von Luxemburg schickte sich an den Kirchenbann Ludwigs zum Anlass zu nehmen und ein weiteres Mal nach der Krone vorzufühlen. Wir erinnern uns, dass er schon 1313 Ambitionen zeigte und damals aus politischen Erwägungen, dem Wittelsbacher Kandidaten Ludwig den Weg frei machte. König Ludwig musste auf der Hut sein.

Die habsburgischen Brüder des gefangengesetzten Friedrichs des Schönen, versuchten die für Ludwig heikle Lage zu ihren Gunsten auszunutzen und daraus politisches Kapital zu ziehen. Dies alles nötigte Ludwig am Ende zum Vergleich mit seinem gefangenen Widersacher. In der sogenannten „Trausnitzer Sühne“ verzichte Friedrich am 13. März 1325 auf die Krone und akzeptierte die Wittelsbacher Ansprüche, worauf er ohne Lösegeld auf freien Fuß gesetzt wurde. Friedrichs Brüder erkannten den Vertrag nicht an, was zu neuerlichen Verhandlungen führte. Am 5. September 1325 trat Ludwig von seinem alleinigen Herrschaftsanspruch zurück und erstmalig in der gesamten Reichsgeschichte kam es zu einem offiziellen Doppelkönigtum. Ludwig und Friedrich regierten gleichberechtigt. Friedrichs ambitionierter Bruder Leopold wurde zum Reichsvikar Italiens ernannt.

Die allgemeine Lage in Reichsitalien war Gegenstand einiger Berichte in vorangegangenen Publikationen. Zwischen dem Zusammenbruch der staufischen Herrschaft und dem Auftreten Heinrichs VII. als neuer römisch-deutschen Kaiser, nach langer kaiserloser Zeit, haben sich die Gebiete Italiens, die formell zum Reich gehörten im Grunde jedem Zugriff des jeweiligen Reichsoberhaupts entzogen. Der Italienzug Heinrichs VII. scheiderte letztendlich an dessen frühem Tod. Die Päpste, die im politischen Ringen um die Territoriale Vormachtstellung in Mittel- und Norditalien in Kongurrenz zum Kaisertum standen, wussten diese Phasen des Machtvakuums immerwieder zu nutzen. Seit der Verlagerung des päpstlichen Sitzes von Rom nach Avignon, kamen die regierenden Päpste zunehmend unter den Einfluss der französischen Krone. Mit dem Fall Neapels und somit Süditaliens, an eine Nebenlinie der französischen Königsdynastie der Anjou, verstärkte sich der päpstliche Druck auf die Reichslehen in Italien. Ein völliger Abfall ereignete sich bislang vor allem deswegen noch nicht, weil sich die vielfältigen Lokalinteressen untereinander neutralisierten und dadurch eine eigenartig dynamische Form einer Pattsituation sich ergab. Vordergründig standen sich zwei Parteien gegenüber, die „Guelfen und die „Ghibellinen“. Möchte man es sich einfach machen, könnte man die Guelfen als Anhänger des Papstes und die Ghibellinen als solche des Kaisers einordnen. Der kritische Leser wird es schon erahnen, so einfach war es nicht. Kamen doch hierbei immer auch regionale und zeitliche Faktoren hinzu, die aus einem Guelfen einen Parteigänger von kaiserlichen Interessen macht und umgekehrt. Es ist ohnehin falsch anzunehmen, dass Guelfen oder Ghibellinen ein wahres Interesse daran hatten dass entweder Papst oder Kaiser das Dominat in den umstrittenen italienischen Gebieten ausübte. Der Widerstreit der großen Machtträger, hier der Papst, dort der Kaiser, war mitunter ein in sich selbst lange tragendes Prinzip, dass den Stadtstaaten oder Lokalfürsten eine hihes Maß an Autonomie brachte. Dass es zu keiner völligen Unabhängigkeit von Papst oder Reich kam, war vor allem der nicht endenden Rivalität untereinander geschuldet. So aber war die paradoxe „Dynamik des Status Quo„, der wechselseitige Streit um Dominat, Konkurrenz und Unabhängigkeit, gleichzeitg Motor wie Bremse hinsichtlich einer eigenständigen staatlichen Ausformung Mittel- und Norditaliens, im Gegensatz zum Beispiel der unabhängigen Republik Venedig. 


„Italienzug und Kaiserkrönung“

War die päpstliche Maßnahme des Kirchbanns bislang ein potenziell wirksames politisches Druckmittel gegen einen römisch-deutschen Monarchen, nutzte sich der Bann zwischenzeitlich zusehends ab. Im Reich hatte sich seit der Übersiedlung des Pontifex nach Avignon, eine kritischere Haltung gegenüber dem Papstum entwickelt. Der Einfluss der französischen Krone auf den Papst spielte bei diesem Abnablungsprozess eine zusätzliche Rolle.

Vor diesem Hintergrund trat König Ludwig IV. im Januar 1327 seinen Italienzug an. Die allgemeinen Umstände in Oberitalien waren hierfür günstig. Teilweise glich seine Heerfahrt einem Triumphzug. Dem König eilte der Ruf voraus, er wäre besonders gerecht und gütig. Sein würdevoller Widerstand gegen die päpstlichen Anmaßungen, bescherten ihm bei vielen Norditalienern und noch mehr bei den Römern, große Sympathien. Am 30. Mai 1327, zu Pfingsten, wurde ihm in der Mailänder Ambrosiuskirche die „Eiserne Krone“ der Langobarden aufs Haupt gesetzt. Die Krone Italiens war wichtiger symbolischer Akt auf dem Weg zur Kaiserkrone. Anfang 1328 erreichte Ludwig die „Ewige Stadt“, wo ihn die Römer stürmisch empfingen. Die Bürger sahen in der Tatsache, dass der Papst nicht mehr in Rom residierte, sondern in Avignon, eine Ungehörigkeit und schon aus purer, trotziger Opposition heraus, jubelten sie einem Deutschen zu. Ein Phänomen das sich bisher selten genug ergab und beim römisch-deutschen König ganz bestimmt tiefen Eindruck hinterließ.

Reiterstandbild Kaiser Ludwig IV.

Am 17. Januar 1328 wurde er von drei anwesenden Bischöfen in der Basilika St. Peter zum Kaiser gekrönt. Es war die erste Krönung ohne Beisein und Zutun eines Papstes.

Der Konflikt mit Papst Johannes XXII. erreichte im Frühjahr 1328 den Höhepunkt, als Kaiser Ludwig IV. ihn am 18. April für abgesetzt erklärte. Im Mai 1328 wurde Peter von Corvora als Papst Nikolaus V. in Rom zum neuen Pontifex gewählt. Als eine seiner ersten Handlungen nahm er am 22. Mai 1328 eine erneute Kaiserkrönung Ludwigs vor, dieses Mal kraft päpstlicher Autorität. Soweit war das Reich dann doch noch nicht vom Heiligen Stuhl losgelöst, als dass man eine Kaiserkrönung dauerhaft ganz ohne päpstliche Salbung vorzunehmen wagte.

Papst Nikolaus V. konnte sich in der Folgezeit nicht durchsetzen und trat nach Ludwigs Heimkehr in den Nordteil des Reiches, schon im Jahre 1330 von seinem Amt zurück.


„Ende des brandenburgischen Interregnums“

Bei unseren Betrachtungen des Thronstreits als auch der königlichen- und kaiserlichen Reichspolitik Ludwigs, haben wir die Mark bislang übergangen. Die Hoffnungen des Herzogs von Sachsen, aus einer Seitenlinie des askanischen Hauses, ruhten auf der Hoffnung mit der Mark Brandenburg belehnt zu werden. Da dieser aber als ein Anhänger des Habsburgers Friedrich dem Schönen auf das falsche Pferd setzte, bestand dafür nach der Schlacht von Mühlberg keine Hoffnung mehr.

Beflügelt von seinem Sieg, traf der König anlässlich des ersten königlichen Hoftags zu Nürnberg eine folgenreiche Entscheidung hinsichtlich Brandenburgs. 1323 belehnte er seinen ältesten, zum Zeitpunkt der Belehnung noch unmündigen Sohn Ludwig mit der Mark, zumindest was die noch vorhandenen Kerngebiete betraf. Um einen völligen Bruch mit dem böhmischen König Johann zu vermeiden, durfte Böhmen jene Teile des ehemaligen brandenburgischen Gebiets, die Johann sich 1319 unrechtmäßig aneignete, darunter die Oberlausitz, behalten und wurde offiziell damit belehnt. Diese Entscheidung, nämlich die Mark als Stärkung der eigenen Hausmacht in die eigenen Familie zu vergeben, kann nicht ganz überraschend gewesen sein. Auch wenn der Herzog von Sachsen-Wittenberg aus einer askanischen Nebenlinie kam und ältester männlicher Verwandter des letzten brandenburgischen Markgrafen war, hatte er nicht automatisch ein Anrecht auf die Sukzession eines erledigten Reichslehens. Mit der Erbteilung Albrechts I. „des Bären“ im Jahre 1170, gab es drei voneinander getrennte askanische Linien, mit jeweils eigenen Reichslehen. Das brandenburgische Erbe war an die männlichen Nachkommen Ottos I. gebunden und endete mit dem Tod Heinrichs II. „dem Kind„. Dass sich Herzog Rudolf I. von Sachsen-Wittenberg mit der Entscheidung weitestgehend abfand, mag als ein Zeichen gewertet werden, dass er selbst seinen Anspruch als nur schwach einschätzte und nach der Niederlage Friedrichs des Schönen keine realen Chancen sah, seine wackligen Ansprüche durchsetzen zu können.

Reichsadler mit den Wittelsbacher Rauten

Mit der Belehnung seines ältesten Sohnes, verfügten die Wittelsbacher unter Ludwig IV. für den Augenblick über zwei Kurstimmen, jener der noch unmündigen Pfalzgrafen bei Rhein, über die er die Vormundschaft ausübte und gleichzeitig über die Stimme Brandenburgs. Ludwig strebte vor diesem Hintergrund natürlich ein Erbkönigtum an. Es war seit den Ottonen stets das Ziel einer regierenden Dynastie die Krone an einen Nachfolger aus der eigenen Familie weiterzureichen, idealerweise schon zu Lebzeiten des amtierenden Oberhaupts. Das dynastische Prinzip war wichtigster Faktor aller Monarchen bis zum Ende des Heiligen Römischen Reichs. Ob es Ludwig IV. gelang das Königtum in seiner Familie zu halten, werden wir in den kommenden Kapiteln sehen.

Für Brandenburg ging die ungewisse Zeit des Interregnums zu Ende. Indem die Mark an die Wittelsbacher fiel, war sie automatisch eng mit dem Reichsoberhaupt verknüpft. Vor diesem Hintergrund war einem weiteren Zerfall ein Riegel vorgeschoben und die Integrität des Kerngebiets gesichert.

Der neue Landesherr hieß Ludwig I. genannt „der Brandenburger“, ihm ist Kapitel I gewidmet.


 

Buch 1, Epilog: „Die Askanier in der Mark“


Der rote Adler wurde unter Markgraf Otto I. zum Staatswappen Brandenburgs und ist es seit 1990 wieder

Die Geschichte der Mark Brandenburg ist unzertrennlich mit dem ostsächsischen  Geschlecht der Askanier verknüpft.
Laut Sachsenspiegel reichen die Wurzeln bis auf die altgermanischen Sueben zurück, nachprüfen lässt sich dies freilich nicht.
Ihren Stammbau kann man verbindlich bis ins frühe elfte Jahrhundert zurückverfolgen. Graf Esico ist der erste namentlich bekannte Vertreter dieses Geschlechts, was die Askanier zu einer der ältesten deutschen Hochadelshäuser macht. Albrecht, genannt der Bär, Ur-urenkel des Esico,  setzte der Dynastie und dem südöstlichen Harzgebiet seinen Stempel auf. Mit seinem Tod, teilten die Söhne gemäß dem väterlichen Vermächtnis den Familienbesitz, woraus zunächst drei askanische Hauptzweige entstanden:

  • Die Linie Brandenburg (ausgestorben 1320)
  • Die Linie Weimar-Orlamünde (ausgestorben 1486)
  • Die Linie Anhalt-Aschersleben-Sachsen

Letztere unterteilte sich im Verlauf in weitere Linien:

  • Sachsen-Wittenberg (ausgestorben 1422)
  • Sachsen-Lauenburg (ausgestorben 1689)
  • Anhalt, das sich wiederum unterteilte und wovon heute noch ein Zweig existiert.

Die Markgrafen Brandenburgs

Albrecht I.
(um 1100 bis 1170)

Durch die 1134 unter Kaiser Lothar III. erfolgte Erhebung zum Markgrafen der Nordmark, begann unter Albrecht I. die Frühgeschichte der späteren Mark Brandenburg. Als 1150 die Havelfestung Brandenburg und das umliegende Havelland als Erbe an die Askanier fiel, waren die territorialen Rahmenbedingungen für den Anfang der späteren Mark Brandenburg gegeben. Im Juni 1157 eroberte er die kurz zuvor verlorene Burg von Jaxa von Köpenick zurück, einem christianisierten Wendenfürsten. Es begann ein zaghafter Zuzug von Siedlern aus dem Westen des Reichs, wodurch der Landesausbau erste Impulse erhielt.
Im Oktober 1157 bezeichnete sich Albrecht I. erstmals in einer Urkunde: Ich Albrecht, von Gottes Gnaden Markgraf in Brandenburg“; „Ego Adelbertus Dei gratia marchio in Brandenborch“.

Albrecht legte den Grundstein zur Entstehung der Mark, ob er gleichzeitig der erste brandenburgische Markgraf war, ist eine Frage der Betrachtung und vielleicht auch der persönlichen Präferenz.


Otto I.
(1125 bis 1184)

Nach der askanischen Erbteilung im Jahre 1170, folgte Otto I. dem Vater als Markgraf. Seine Regierung war geprägt durch Landeskonsolidierung und von einer intensiven Besiedlungspolitik. Aus vielen Gebieten des deutschen Reichsteils wanderten hierzu Kolonisten in die Mark ein. Die meisten dieser Siedler stammten aus den Regionen Frieslands, Seelands, Hollands sowie aus Flandern, vom Niederrhein sowie Ost- und Westfalen. Sie gaben dem Land sein typisches Erscheinungsbild, das sich besonders in den roten Packsteinbauten der brandenburgischen Altstädte sichtbar manifestiert.
Mit dem Siedlerzuzug, ging die Christianisierung der slawischen Bestandsbevölkerung einher. Bedeutende Klosterstiftungen wie Lehnin in der Zauche, waren sowohl wichtige Eckpfeiler bei der Erschließung des Landes als auch Kristallisationspunkt einer rasch fortschreitenden Missionierung der Elbslawen.

Die Askanier waren in der Zeit der staufischen Kaiser zweckgebundene Anhänger des schwäbischen Geschlechts und profitierten wiederholt davon. Im Streit gegen die Welfen hielt sich Otto lange zurück, war aber in der Schlussphase aktiv beteiligt. Er erlebte 1180 die Demütigung und Entmachtung von Herzog Heinrich dem Löwen, konnte daraus aber keine territorialen Vorteile erringen, ganz im Gegensatz zu seinem jüngsten Bruder Bernhard, der zum Herzog von Sachsen aufstieg.

Otto kann als der erste tatsächliche Markgraf Brandenburgs gesehen werden, das die Mark als eigenständiges Fürstentum erst unter seiner Regentschaft Gestalt annahm. In seiner Regierungszeit ist der rote märkische Adler erstmals dokumentiert.


 

Otto II.
(1148 bis 1205)
Albrecht II.
(1177 bis 1220)

Otto II. ab 1184 und sein Halbbruder Albrecht II. ab 1205, konnten nacheinander regierend das Erbe des Großvaters und Vaters bewahren und sowohl Ausbau wie Expansion Brandenburgs weiter vorantreiben. In ihre Zeit fiel der große dritte Kreuzzug ins Heilige Land und der Tod Friedrichs I. Barbarossa sowie der sich daran anschließende Thronstreit des Welfen Otto IV. mit dem Staufer Philipp von Schwaben. War Otto II. noch ein Anhänger der Staufer, musste Albrecht II. lavieren und bezog aus pragamatischen Gründen zeitweise Position für den welfischen Kaiser Otto IV., um danach wieder ins staufische Lager des jungen Friedrich II. zu wechseln.


 

Johann I. & Otto III.
(um 1213 bis 1266) (1215 bis 1267)

Unter den bedeutenden markgräflichen Brüdern Johann I. und Otto III., Söhne Albrechts II., wuchs die Mark Brandenburg zu einem der größten Fürstentümer des Heiligen Römischen Reichs. Zunächst noch unmündig, sorgte die energische Mutter dafür, dass ihre Söhne zu ihrem Recht kamen. Als außerordentlich erfolgreiche Heerführer und Verwalter, schufen sie ein mächtiges Brandenburg, dass die gesamte Regiin rechts der Elbe dominierte. 1257 wurde erstmals das Kurrecht, das Privileg zur Königswahl ausgeübt, womit man in den höchsten Kreis der Reichsfürsten aufstieg. Bis zum Ende ihrer über 40 Jahre dauernden Regentschaft, hatten sie stufenweise eine Regelung erarbeitet und umgesetzt, die die territorialen Teilung Brandenburgs unter ihren insgesamt zwölf Söhnen regelte, bei gleichzeitig politischem Zusammenhalt. Sie gründeten während ihrer Rwgierung zahlreiche Städte, woraus sich ihr Beiname die Städtegründer ableitete. Vielleicht waren sie die größten askanischen Markgrafen überhaupt.


 

Otto IV.
(1238 bis 1308)

Markgraf Otto IV. tat sich unter seinen elf Brüdern, Halbbrüdern und Vettern als der hartnäckigste, langatmigste und mit einer Ausnahme, langlebigste Charakter hervor und gab der brandenburgischen Politik durch sein energisches Wesen nachhaltig die Richtung vor. Die von vielen Markgrafen zeitgleich verwalteten brandenburgischen Teile konnten gegen aller Erwartung größtenteils ohne schwere Auseinandersetzungen nebeneinander und miteinander koexistieren, obwohl es mit Otto V. dem ältesten Vetter der Ottonischen Linie, kurzzeitig doch zum ernsten Konflikt kam. Neben Otto IV., war es Bruder Konrad und Vetter Otto V., die die Akzente setzten. Brandenburg wuchs in dieser Zeit durch Eroberungen, Heirat besonders aber durch Kauf weiter und festigte seine Position im Konzert der einflußreichen Fürstentümer des Reichs. Otto IV. führte zahlreiche Kriege und war in der Verfolgung seiner Ziele ungewöhnlich ausdauernd. Rückschläge selbst größerer Natur entmutigten ihn nicht. Niederlagen konnten dadurch langfristig in Erfolge umgemünzt werden. Da er kinderlos blieb, regierte gegen Ende sein späterer Nachfolger Waldemar  als Mitregent an seiner Seite.


 

Waldemar I.
(um 1280 bis 1319)

Mit dem Tod Ottos IV. folgte Neffe Waldemar als regierender Markgraf. Zu Beginn seiner Regentschaft führte er die territoriale Expansion Brandenburgs fort und erweiterte im Vertrag von Soldin das Gebiet um die hinterpommerschen Burgbezirke Bütow, Rügenwalde, Stolpe und Schlawe. Später verkaufte er diese Landstriche an den Herzog von Pommern-Wolgast. Er liebte eine prächtige Hofhaltung und einen hochherrschaftlichen Habitus. Der Fürstentag zu Rostock, anlässlich dessen er von König Erik VI. von Dänemark, mit dem er verwandt war, zum Ritter geschlagen wurde, galt als die wahrscheinlich größte Veranstaltung der Zeit. Durch das Aussterben der Ottonischen Linie Brandenburgs vereinte Waldemar kurzzeitig alle brandenburgischen Gebiete unter seinem Regiment, was ihm den Beinamen der Große einbrachteEr starb frühzeitig im mittleren Alter ohne eigene Nachkommen zu hinterlassen. Sein unmündiger Neffe Heinrich II. wurde sein designierter Nachfolger und brandenburgischer Universalerbe.


 

Heinrich II.
(1308 bis 1320)

Heinrich II., genannt das Kind, war beim Ableben Waldemars erst elf Jahre und damit unmündig. Er und die Mark wurden augenblicklich zum Spielball nahezu aller angrenzenden Fürsten. Ein rascher Abfall ganzer märkischer Regionen war schon nach wenigen Wochen vollzogen. Neben dem Streit um etwaige Ansprüche an der Mark, markierte der Streit um die Vormundschaft über Heinrich eine Facette der Gesamttragödie. Mit 12 Jahren wurde Heinrich von König Ludwig IV., seinem Onkel, für mündig erklärt. Tragischerweise verstarb er schon wenige Tage nach seinen ersten Regierungshandlungen, vermutlich in Prenzlau, in der Uckermark.

 


Mit dem Tode Heinrichs II. gingen 166 Jahre askanische Geschichte in Brandenburg zu Ende. Das Geschlecht der Askanier gab der Mark ihre Anfangsprägung. Sie erschlossen die Landschaften östlich von Elbe und Oder dem deutschen Kulturkreis, ohne das dort koexistierend slawische Erbe auszumerzen, wenngleich es über die Zeit mehr und mehr verdrängt wurde. Mit dem Erlöschen des ältesten askanischen Zweigs brach über die Mark Brandenburg ein mehrjähriges Interregnum herein. Acht Generationen askanischer Markgrafen hinterließen ein neues, gleichzeitig prominentes Fürstentum das die Reichsgrenze im Osten bildete. Ihr Stamm erlosch, die Gräber in den von ihnen gestifteten Klöstern Lehnin und Chorin gingen in den Jahrhunderten verloren doch blieben ihre Namen und Taten durch die Zeit bis heute erhalten.

Vielleicht konnte dieses Buch dazu beitragen, die mitunter verwirrenden Zusammenhänge rund um die Entstehung und Ausbreitung der Mark Brandenburg zur Zeit der Askanier in gebührend ausführlicher Weise darzulegen.


Buch 1, Kapitel XVI: „Heinrich II. – das Kind“


Markgraf Heinrich II.

Waldemars Tod brach über das politische Gerüst der Mark, das völlig auf dem askanischen Markgrafengeschlecht fußte, wie eine plötzliche Urgewalt herein und brachte es augenblicklich zum Einsturz. Der ganze norddeutsche und nordostdeutsche Raum kam dadurch in Bewegung. Ein kränklicher Knabe, den offenbar keiner der märkischen Vasallen bislang kannte, war der beklagenswerte Überrest des askanischen Brandenburg.
Dieser Junge, wie der Vater Heinrich mit Namen, wurde im Jahr 1308 geboren, wahrscheinlich zwischen Mai und Mitte Juni. Wie bei allen brandenburgischen Askaniern, überhaupt wie bei den meisten Zeitgenossen der Epoche, kennen wir sein genaues Geburtsdatum nicht, können es anhand späterer Ereignisse jedoch mit großer Wahrscheinlichkeit herleiten. Der Vater war Markgraf Heinrich I., der unzutreffend noch heute Heinrich ohne Land genannt wird. Die Mutter, Agnes von Bayern, war eine Tochter des Wittelsbacher Herzogs Ludwigs II. des Strengen. Sie entstammte aus dessen dritter Ehe mit Mathilde von Habsburg. Als Pfalzgraf bei Rhein war er zugleich einer der Kurfürsten des Reichs. Ihr jüngster Bruder Ludwig, genannt der Bayer, seit Oktober 1314 als Ludwig IV. gewählter römisch-deutscher König, stritt mit seinem Habsburger Vetter Friedrich dem Schönen zeitgleich um die Krone des Reichs, da es wegen Uneinigkeit unter den Wahlfürsten zur Doppelwahl gekommen war.
Heinrich ohne Land war Markgraf von Brandenburg und zugleich Markgraf von Landsberg. Er war der älteste Sohn Markgraf Johanns I. und stammte aus dessen zweiter Ehe mit Jutta von Sachsen, einer Prinzessin aus dem verwandten sächsischen Zweig der Askanier. Heinrich I. führte zwar den jüngeren Zweig der Johanneischen Linie Brandenburgs an, doch galt es als unwahrscheinlich, dass  ein Vertreter dieses Zweigs je zu einer führenden Stellung in der Mark aufsteigen könnte, hierzu hinterließ Johann I. mit allein vier älteren Söhnen aus erster Ehe zu viele bevorrechtigte Söhne, auch wenn mit Erich einer der älteren Halbbrüder für den geistlichen Stand vorgesehen war und dadurch aus der Erbfolge ausschied. Im Übrigen traf dies ebenfalls auf Heinrichs jüngsten leiblichen Bruder Hermann zu. Neben diesen, gab es noch vier Vettern aus der Nachkommenschaft der Ottonischen Linie seines Onkels Otto III., der seit seiner Mündigkeit als brandenburgischer Regent dem älteren Bruder Johann gleichgestellt war und die Hälfte Brandenburgs bei seinem Tod an die Söhne vererbte.
Im späten 13. und frühen 14. Jahrhundert begann sich die bislang große Nachkommenschaft zusehends auszudünnen und die männlichen Askanier Brandenburgs starben nacheinander weg. Teilweise ganz kinderlos, teilweise indem bereits Glieder der Enkelgeneration vorzeitig verschieden. Der männliche Kreis schmolz weiter und weiter zusammen. Davon betroffen waren beide brandenburgischen Herrscherlinien. Mit dem unerwarteten Tod Markgraf Johanns V., einem Urenkel Ottos III., im jugendlichen Alter von nur 15 Jahren, erlosch 1317 die Ottonische Linie nach nur drei Generationen schließlich völlig und die 1258 von Johann I. und Otto III. eingeleitete brandenburgische Teilung war damit praktisch beendet. Fast der gesamte Länderkomplex stand jetzt unter der Regentschaft Markgraf Waldemars. Als auch dieser Spross 1319 vor der Zeit und kinderlos verschied, blieb nur noch ein einziger männlicher Nachkomme aus dem askanischen Gründergeschlecht, jener vorgenannte Heinrich, dem man wegen seiner Unmündigkeit den Beinnamen das Kind verlieh. Zum Todeszeitpunkt Waldemars war dieser erst 11 Jahre und nach Recht und Sitte zur selbstständigen Regierung nicht befähigt.


Unmittelbare Auswirkungen auf die  Mark

Waldemars Tod verbreitete sich unter den angrenzenden Fürstenhäusern in Windeseile. Sie machten sich unmittelbar nach Erhalt der Nachricht auf, die Situation für sich auszunutzen. Für den unmündigen Heinrich war kein Vormund bestellt und Brandenburg steuerte führungslos durch die jetzt über das Land hereinbrechenden Wirren. Nach überlieferter Sitte des sächsischen Rechtsraums, war der Sachverhalt eigentlich klar, dazu später mehr.
Fürst Heinrich von Mecklenburg rückte schon fünf Tage nach Waldemars Tod, am 19. August 1319, ins brandenburgische Grenzgebiet ein und nahm es an sich. Er konnte sich hierbei auf eine Klausel im Vertrag von Templin vom 25. November 1317 berufen. Hierin beurkundete der verstorbene Markgraf im Falle seines Ablebens ohne eigenen Erben, dass eine Reihe Landschaften an der Grenze zu Mecklenburg dem dortigen Fürsten zufielen. Formal konnte gegen diesen Akt nichts unternommen werden, doch überrascht die Geschwindigkeit, mit der die Maßnahmen ergriffen wurden. Die brandenburgischen Burgbesatzungen übergaben überall ohne den geringsten Widerstand und ohne Rücksprachen mit der Markgräfinwitwe oder den vormaligen Räten des verstorbenen Landesherren, die festen Plätze. Die Verbreitungsgeschwindigkeit der Todesnachricht kann nur erstaunen. Markgraf Waldemar war in Bärwalde, in der Provinz Neumark, am nordöstlichen Ende Brandenburgs verstorben. Es bedarf von dort eines mehrtägigen, strammen Ritts, um die Todesnachricht in weit entlegene Landesteile, wie die Altmark im Westen zu bringen, wo sich die nunmehrige Witwe in Stendal bzw. Tangermünde in ihrem Wittum aufhielt. Ins nördlich benachbarte Mecklenburg konnte die Nachricht unmöglich früher gelangt sein. Dort wurden nach Erhalt der Nachricht umgehend Maßnahmen zur Besitzergreifung von Teilen der Erbmasse umgesetzt. Wie konnte man so schnell reagieren? War der Herr von Mecklenburg zu der in Frage kommenden Zeit durch Zufall nah an der brandenburgischen Grenze, weswegen er sofort Anweisungen geben konnte?
Der dahingeschiedene Markgraf hatte außer der Regelung des Wittums seiner noch jungen Witwe, die den allergrößten Teil der Altmark auf Lebenszeit zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts erhielt, keine nennenswerten weiteren Vorkehrungen getroffen, zumindest keine, die den Fortbestand Brandenburgs nach seinem Tod ausreichend geregelt hätten. Er hatte offenbar keinen Grund an einen bevorstehenden Tod zu denken. Es fällt schwer zu glauben, er hätte bekanntermaßen an einer ernsten Krankheit oder Leiden gelitten, weswegen mit einem baldigen Ableben zu rechnen gewesen wäre. Hätte er oder seine unmittelbare Umgebung diesbezügliche Ahnungen gehabt, wären zweifelsohne wenigstens rudimentäre Vorkehrungen und Anordnungen hinterlegt worden, so aber kam der Tod nach allem was man sagen kann überraschend und alles brach wie ein Kartenhaus in sich zusammen.
Die Rasanz, mit der die Mark zu kollabieren begann, war erschreckend. Eine Reihe brandenburgischer Vasallen aus der Prignitz waren nicht säumig und stellten fast unmittelbar nach dem Tod ihres alten Landesfürsten die eigenen Dienste Heinrich von Mecklenburg anheim. Zu diesen gehörten Heinrich und Werner von Stendal, Philipp und Otto Hunger sowie Hans und Koneke von Quitzow. Man traf sich hierzu am 20. August auf Schloß Quitzow und verabredete den gemeinsamen Übertritt. Schon sechs Tage nach Waldemars Ableben, fand sich jene Adelsgruppe zusammen, um sich als Dienstmannen einem neuen Herren zur Verfügung zu stellen und ihre Ländereien von diesem zum Lehen zu nehmen. Nach dieser ersten Welle, folgten weitere bekannte märkische Adelsfamilien, wie die Herren zu Putiltz oder die Alvensleben. Der baldige Verlust der gesamten Prignitz drohte. Ein Abfall so vieler märkischer Vasallen ermutigte den Mecklenburger Fürsten an sich zu reißen, was nur möglich war, bevor sich Widerstand formierte. Gemeinsam mit den verwandten Herrn von Werle bemächtigte er sich des Landes Grabow, das mit der Auflösung der Grafschaft Dannenberg Anfang des 14. Jahrhunderts an die Mark zurückgefallen war. Im Jahr 1303 zog sich dort der letzte Graf von Dannenberg von der Regentschaft gegen Zahlung einer jährlichen Leibrente zurück. Der Großteil seines Landes ging daraufhin an das Herzogtum Lüneburg über, während das östlich liegende Land Grabow, das die Grafen von Dannenberg bislang als brandenburgisches Lehen hielten, fiel daraufhin wieder zur Mark zurück.
Überall fiel es Heinrich von Mecklenburg leicht die Situation auszunutzen, denn Städte und Burgmannen wussten nicht, wen sie als ihren Herren betrachten sollten, weil niemand als Vormund und Verweser in der Kürze der Zeit aufgetreten war.

Historische Ansicht Kloster Chorins

Selbst das Kloster Chorin fiel ab und schloss sich Mecklenburg an, nachdem Fürst Heinrich nach Osten ausholend, auch nach der Uckermark griffen hatte. Gerade dieser Abfall muss besonders schmerzlich erscheinen, immerhin wurde das Kloster nicht nur von den Askaniern gegründet und seither besonders reich mit Ländereien und Einkünften bedacht, es diente auch seit seiner Entstehung der Johanneischen Linie als Grablege, jenes Zweigs, der der dahingeschiedene Waldemar ebenso angehörte, wie der letzte noch existierende Askanier, Heinrich, ein noch unmündiger Knabe. Das Verhalten der Vasallen offenbarte ein typisches Phänomen der Zeit. Zugehörigkeitsgefühl zu einer Landschaft oder Landsmannschaft gab es praktisch nicht, und wenn, dann war es auf besondere Faktoren zurückzuführen, die eine seltene Ausnahme darstellten. Loyalitäten außerhalb der eigenen Familiensippe waren gewöhnlich schwach ausgeprägt. Bündnisse schufen zeitweilige Allianzen, die oft von kurzer Dauer waren. Neben überregionalen Heiratsbündnissen, besaßen die Lehnseide der örtlichen Vasallen die stärkste Bindungskraft. Ein Vasall huldigte für gewöhnlich einer höherrangigen Person, schwor dieser Treue und Heerfolge, wofür er als Gegenleistung ein Stück Land, die darauf wohnenden Leute und die damit verbundenen Einkünfte verliehen bekam. Der hieraus entstehende Lehnsverband war die eigentliche Klammer, die einer Region einen gewissen Zusammenhalt verlieh. Ein nationales Gefühl oder auch nur ein Gefühl von Regionalität existierte im Mittelalter kaum und wenn überhaupt, war es in den städtischen Kommunen noch am ehesten feststellbar. Gleichwohl man man sich als Teil einer kulturellen Gemeinschaft verstand, getragen von einer gemeinsamen Sprache, woraus sich die vage Vorstellung eines Volkskollektiv ergab, blieben die jeweiligen Interessen doch lokalisiert auf den eigenen, räumlich begrenzten Aktionsradius. Wenn Herren, wie die oben genannte Gruppe, gleich nach Ableben des bisherigen Landesfürsten Kontakte zu benachbarten Herrschern aufnahmen, so steckte dahinter nichts weiter als die Wahrung, vorzugsweise Vermehrung persönlicher Interessen. Von einem neuen Landesherren einer anderen Dynastie durfte man sich im besten Fall vorteilhaftere Privilegien erwarten als bislang besaß. Ein etwaiger Nachfolger aus der alten Herrscherlinie hätte die Privilegien seiner Vasallen üblicherweise nur auf Basis althergebrachter Rechte bestätigt und nur in Notlagen unfreiwillig erweitert. Hier unterschied sich der Partikularismus des Lehnsadels im kleinen Maßstab, in keiner Weise von der Politik der Reichsfürsten gegenüber dem jeweiligen Reichsoberhaupt im größeren Maßstab. Die Motive der erwähnten Adelsgruppe verdienen noch etwas näher beleuchtet zu werden. Augenscheinlich glaubten sie die Mark als erledigt und erwarteten demgemäß langwierige Verwicklungen die die gesamte norddeutsche Region erfassen konnte. Allem Anschein nach war die Existenz Heinrichs und dessen Sukzessionsrechte auf die Markgrafschaft bei weiten Teilen des Lehnsadels, wahrscheinlich sogar bei allen, überhaupt nicht unbekannt, was durchaus denkbar war, denn der Knabe war mit dem verblichenen Landesherren nie gemeinsam gesehen worden, wie es normalerweise durchaus üblich war, um der Umgebung diesen als designierten Nachfolger zu kennzeichnen. Ausreichend alt, um mit Waldemar gelegentlich auf Reisen zu gehen und bei Hof gesehen zu werden, wäre er gewesen, doch lebte er weiterhin bei seiner Mutter in Sangerhausen in der Mark Landsberg. Vielleicht verhinderte die schwächliche Konstitution des Heranwachsenden häufiges Reisen. Man könnte durchaus auch den Eindruck gewinnen, als ob Waldemar ihn nur für den äußersten Notfall in Reserve hielt, selbst aber noch immer auf eigenen Nachwuchs hoffte.
Wenn der Prignitzer Adel überhaupt mit dem Knaben Heinrich als dereinstigen Landesfürsten rechnete, und einiges sprach dagegen, war ihnen bewusst, dass dieser wegen seines Alters vorerst nicht in Amt und Würden käme und eines Vormunds bedurfte. Schaut man sich den Wortlaut des mit Heinrich von Mecklenburg geschlossenen Vertrags an, fällt auf, dass es, wie kann es wundern, unter anderem um Geld ging. Der verblichene Markgraf Waldemar war bei den Herren verschuldet, wie hoch, geht daraus nicht hervor. Wollten sie Hoffnung haben ihr Geld je wiederzusehen, glaubten sie hierzu mit einem neuen, einem Herrn bessere Druckmittel zu besitzen, wofür sie sich im Umkehrschluss als dessen Lehnsleute anbieten mussten. Rechtens war dieser Akt derweil keineswegs. Sie hatten ihr Land und Gut bisher vom markgräflichen Hause zu Lehn erhalten. Selbst unter der Annahme, dass die Mark in Ermangelung eines legitimen askanischen Erben als erledigt zu betrachten wäre, hätte für den Lehnsadel kein Recht bestanden, aus dem Landesverband der Mark eigenmächtig auszuscheiden, um sich selbstständig einem neuen Herren anzuschließen. Das Fürstentum wäre als Ganzes ans Reich zurückgefallen und nur der römisch-deutsche König hätte darüber die ungeteilte Verfügungsgewalt besessen. Wie wir aber schon wiederholt erwähnten, war der norddeutsche Raum seit geraumer Zeit fern aller königlichen Verfügungsgewalt und die lokalen Mittelmächte machte in Wirklichkeit was sie wollten. Rechtens hin oder her, die Königsgewalt reichte nicht bis in den Norden, zumal König Ludwig IV. zeitgleich mit dem Habsburger Friedrich dem Schönen um die Krone kämpfte und andere Sorgen hatten, und so suchte jeder auf eigene Initiative das Beste aus allem zu machen.
Beim Verlust der Prignitz und der Uckermark blieb es derweil nicht. Der böhmische König Johann streckte seine Finger nach der Lausitz. Wir erinnern uns, diese Provinz kam als Mitgift anlässlich der Hochzeit Ottos III., dem Begründer der Ottonischen Linie, mit Beatrix von Böhmen, 1243 zur damaligen Mark. Unter der nächsten Generation, den markgräflichen Vettern Otto IV. mit dem Pfeil (ältere Johanneische Linie) und Otto V. der Lange (Ottonische Linie), konnte der brandenburgische Besitzstand aufrecht gehalten werden, welcher schließlich an Waldemar überging. Mit dessen Tod schritt Johann von Böhmen zur Tat, bevor noch ein Vormund die Regierungsgeschäfte für den unmündigen Heinrich übernehmen konnte und die allgemeine Apathie sich legen würde. Der aus dem Westen des Reichs stammende Luxemburger Johann, der nach dem Aussterben der böhmischen Přemysliden, nach einem Habsburger und Kärntner Zwischenintermezzo, vom Vater, dem vormaligen Kaiser Heinrich VII., mit dem Königreich Böhmen und der Markgrafschaft Mähren belehnt wurde, hatte weder auf verwandtschaftliche Beziehungen zu den märkischen Askaniern Rücksicht zu nehmen, noch sonst irgendwelche Befindlichkeiten zu beachten. Ähnlich dem Prignitzer Adel, konnte er sich hinsichtlich der Existenz eines legitimen brandenburgischen Erbe unwissend stellen. Gründe für sein Handeln fände er, würde jemand ernsthaft danach frage und machte er sich die Situation zunutze, indem er formell auf das erledigte Leibgedinge (Wittum) der verstorbenen Beatrix im Namen Böhmens Anspruch erhob und gleichzeitig besetzte. Im Gegensatz zum Geschehen in der Prignitz, die zu den ältesten brandenburgischen Gebieten gehörte und wo man von der dortigen Ritterschaft und den Städten die größte Loyalität zum alten Fürstenhaus hätte erwarten sollen, zeigte sich in der Lausitz mehr Widerstand. Die Stadt Gubennur um ein Beispiel zu nennen, widersetzte sich mit Waffengewalt und hielt einer wochenlangen Belagerung erfolgreich stand.
Zwischenzeitlich brachen die Dämme, von allen Seiten machten angrenzende Fürsten tatsächliche und angebliche Ansprüche geltend. Die schlesischen Herzöge machten sich über das Land Crossen und den Züllichauer Kreis her. Legitimiert gemäß einem vertraglichen Abkommen, das erst ganz kurz vor Waldemars Tod abgeschlossen wurde. Waldemar musste sich zum Zeitpunkt der Unterzeichnung zweifellos in allerbester gesundheitlicher Verfassung befunden haben. Wäre er von seinem baldigen Tod ausgegangen, entstünden gemäß Vertrag der Mark Gebietsverluste ohne irgendwelche vorherigen Vorteile.
Er hatte für den Fall seines Todes keine Vorkehrungen getroffen und die wenigen Dinge, die er schon auf dem Sterbebett liegend am 14. August 1319 festhielt, betrafen eben noch den Verbleib seines Leichnams. Als Waldemar für immer die Augen schloss, war seine Ehefrau währenddessen in der Altmark und damit an der entgegengesetzten Seite der Mark. Es ist kaum denkbar, selbst wenn eine Kluft zwischen beiden bestanden hätte, wofür es keine Indizien gibt, dass sie nicht bei ihrem Mann zugegen gewesen wäre, sollte dieser bekanntermaßen ernstlich erkrankt gewesen sein, so dass jederzeit mit dem Schlimmsten zu rechnen wäre. Auch der junge Markgraf Heinrich, sein Mündel und designierte Nachfolger war nicht zugegen. Er lebte wie schon erwähnt bei seiner Mutter in Sangerhausen. Der Tod kann Waldemar nur für alle völlig überraschend hinweggerafft haben, ob natürlicherweise oder durch äußere Umstände bleibt dabei ungeklärt. Wir wissen aus verschiedenen Quellen nur, dass er fiebrig bettlägerig wurde und verschied. Was das Fieber auslöste, bleibt wohl für immer ungewiss.

Der völlige Mangel irgendwelcher Vorkehrungen die Landesverwaltung betreffend, wirkte sich verheerend aus. Was noch von der Mark vorläufig unangetastet blieb, verharrte in kopfloser Paralyse. Der Ausverkauf ging derweil weiter, denn auch der Markgraf von Meißen witterte die Gunst der Stunde und wusste die Gelegenheit beim Schopfe zu packen. Er ergriff Besitz von den Gebieten, die Meißen anlässlich des Vertrags von Tangermünde 1312 an Brandenburg abtreten musste. Es war ein Bruch der vereinbarten Klauseln, wonach Friedrich sich verpflichtete im Falle des Todes des Markgrafen von Brandenburg, die Rechte seiner Nachfolger anzuerkennen. Auch er glaubt nichts von einem legitimen Erben wissen zu müssen und scherte sich, nachdem Heinrichs Existenz und Recht offenbar wurde, nicht darum. Um die Stadt Dresden kam es mit dem Bischof von Meißen, Withego II. von Colditz, zum Streit, der schließlich mit der Zahlung von 60.000 böhmischen Groschen endete, so dass Dresden schlussendlich wieder in die Hand des Wettiner Markgrafen von Meißen geriet.
Heinrich von Mecklenburg, der sich zwischenzeitlich des allergrößten Teils der Prignitz bemächtigt hatte, ebenso der Uckermark, wollte es nicht weiter auf die Spitze treiben. Seine Erwerbungen waren auch so schon umfangreich genug und durch nichts zu legitimieren. Auf seinen langjährigen Verbündeten, den dänischen König Erik VI., konnte er nicht mehr setzen, dieser war nicht nur spätestens seit dem letzten Krieg gegen die Seestädte so hoch verschuldet, dass er völlig handlungsunfähig war, er starb auch im November 1319 und damit wenige Monate nach Waldemar. Auf einen Krieg mit den Herzögen von Pommern, die wegen seiner Intervention in der Uckermark alarmiert waren und die eigenen Streitigkeiten beiseite legten, wollte er es vor dem Hintergrund seiner begrenzten eigenen Mittel nicht ankommen lassen.  Auch seinen Schwager, den Herzog Rudolf von Sachsen-Wittenberg, mochte er nicht mit weiteren Übergriffen kompromittieren, der seinerseits hochgesteckte Ziele Brandenburg betreffend hatte.


Die Neumark und das Lebuser Land

Herzog Wartislaw IV. von Pommern-Wollgast
(um 1290 – 1326)

Aus allem entnehmen wir, dass die Mark zum Spielball der angrenzenden Fürsten geworden war und der weitere, vielleicht völlige Zerfall drohte. Herzog Wartislaw IV. von Pommern-Wolgast, der offiziell keinerlei Anrechte geltend machen konnte, aber nicht völlig leer ausgehen wollte, setzte eine ganz eigene Strategie ein. Er strebte mittels des Umwegs der Vormundschaft über den unmündigen märkischen Landesherren in spe eine Einflussnahme auf das Land, womit er das Recht Rudolfs von Sachsen-Wittenberg streitig machte.
Zunächst konzentrierte der Herzog  sich auf die Neumark, gefolgt von den südlich daran angrenzenden Gebieten östlich und westlich der Oder, dem Lebuser Land, wo er unter dem Vorwand die Interessen des minderjährigen Knaben wahren zu wollen, den dortigen Ständen weitreichende Zugeständnisse machte, um im Gegenzug deren Huldigung zu empfangen. Städte und Adel verstanden ihre Forderungen in nie dagewesene Höhen zu treiben.  Der Herzog konnte diesen leichten Herzen einwilligen, schließlich  gewann er die Huldigung eines kapitalen brandenburgischen Landesteils, für das er nichts Reales opferte und nur zugewinnen konnte. Städte und Ritterschaft schrieben regelrecht vor, was künftig als Recht betrachtet werden durfte und erlangten bislang unerreichte Freiheiten. In Bezug auf das Land Lebus sowie die Städte Frankfurt an der Oder und Müncheberg ist der 37-teilige Forderungskatalog größtenteils erhalten geblieben. Wir dürfen annehmen, dass dieser inhaltlich ebenso auf die Neumark angewendet werden kann, denn dort wird man sich nicht unter Wert verkauft haben. Beim Studium der nachfolgenden Positionen bekommt man einen deutlichen Eindruck davon, wie weit die landesherrliche Gewalt bereits herabgesunken war.

1.) Von jedem Wispel (Raummaß zur Messung von Schüttgut, wobei ein Wispel 24 Scheffeln entsprach, in Brandenburg rund 1.200 Liter, oder stark verallgemeinert etwa eine Tonne im Gewicht) Hartkorn (Weizen, Roggen oder Gerste) und von zwei Wispel Hafer, soll man zu Martini (11. November) und zu Walpurgis (30. April) jedes Mal 3 Schillinge Abgabe zahlen. Alle sonstigen Abgaben fielen weg. Eine ganz erhebliche Verbesserung, verglichen mit der bisherigen Abgabensituation der Bauern. Ursprünglich war die Abgabenlast in Form des Hufzins zwei Schillinge pro Hufe (ca. 17 Hektar) gewesen. Mit der Zeit kamen zu dieser Frühform der heutigen Grundsteuer allerlei zusätzliche Belastungen hinzu, Kuhpfennige aber auch Frondienste verschiedenster Art. Jede Generation Landesherren oder deren Vasallen suchten die Abgaben der hörigen Bauern zu steigern. Obwohl mit der neuen Regelung die Abgaben im Vergleich zum ursprünglichen Grundzins um 50% stiegen, empfanden es die Landstände als eine ungeheure Entlastung.
2.) Jeder Ritter war fortan hinsichtlich des Grundzins für seinen gesamten Landbesitz befreit, nicht wie bisher nur für die sogenannten Ritterhufe. Die Belehnung sollte ferner nun unentgeltlich und zu gesamter Hand erteilt werden. Die Bestimmung, wonach sogenannte Gesamthänder beieinander wohnen und gemeinschaftlich wirtschaften mussten, wurde aufgehoben. Für den Landadel waren dies enorme Zugeständnisse und machten sie gegenüber ihrem Landesherren praktisch steuerfrei.
3.) Wenn ein Mann unmündige Erben hinterließ, sollen die nächsten Freunde Vormünder sein, bis jene mündig werden. Es scheint, als ob dieser Passus vom Herzog eingebracht wurde, wonach er als vormaliger Verbündeter und Kriegsgefährte des verstorbenen Markgrafen als Freund zu verstehen war. Offenbar sollte hiermit der im Sachsenspiegel festgehaltene Rechtsgebrauch ausgehebelt, die Ansprüche Herzog Rudolfs von Sachsen-Wittenberg umgangen, und die eigenen Vormundschaftsambitionen legitimiert werden.
4.) Wird der Lehnsadel zur Heerfahrt aufgeboten, soll jeweils am Vorabend die Reiseverpflegung für den ganzen kommenden Tag ausgehändigt werden.
5.) Wer nicht zur Heerschau erscheint, hat 10 Pfund Silberpfennige als Strafe zu leisten, die innerhalb 14 Tagen zu entrichten sind, andernfalls wird er gepfändet, es sei denn, es lägen berechtigte Gründe vor.
6.) Niemand, weder Adel noch Bürger oder Bauer soll bei einem anderen Gericht angeklagt werde , als bei dem, wo er wohnt oder sich schuldig machte.
7.) Abschaffung von Belehnungsgebühren für den Adel (Lehnbede).

Die Artikel acht und neun sind nur lückenhaft überliefert wodurch der Sinn sich nicht klar ergibt, weswegen sie hier übersprungen werden.

10.) Wer in des Landesherren Dienst seine Habe verlor, ist zu keinem weiteren Dienst verpflichtet, bis sie ersetzt ist.
11.) Niemand darf Pfändungen vornehmen, wenn hierzu nicht vor Gericht zunächst ein ordentliches Urteil gefällt wurde. Dieser Artikel zielte auf das ungebrochene Fehdewesen ab, wonach sich die Freien, besonders aber der Adel, ihr Recht erfochten, oft genug unter fadenscheinigen Vorwänden.
12.) Kein Untervogt oder Landreiter soll bei irgend einem Gerichte sitzen, es sei denn er habe dort besonders zu tun.
13.) Würde irgend eine Stadt um eine Sache gepfändet, soll man das Pfand 14 Tage lang borgen.
14.) Der Bau einer Burg oder befestigten Hauses benötigte fortan nicht mehr nur die Genehmigung des Landesherren, auch benachbarte Städte und Ritter mussten es genehmigen.
15.) Zum Vogt durfte nur noch jemand aus der Gegend bestimmt werden. (Die Städte hatten fortan das Recht, einen Vogt der nicht genehm war, abzusetzen, ein Vorrecht, das bislang nur dem Landesfürsten zustand).
16.) Die Münzmeister sollen für 16 alte brandenburgische Pfennige, 12 neue ausgeben. (Da in jedem Jahr das Silbergeld neu geschlagen wurde, war ein viertel Gebühr dafür fällig. Ein Teil behielt der Münzmeister als Lohn ein, der andere Teil ging an den Landesherren oder an wen er diese Einnahmen verpfändet hatte).
17.) Alle Vorrechte und Privilegien, die Adel und Städte besaßen, die sollen erhalten bleiben oder verbessert, nicht jedoch gemindert. Artikel 17 war keine Neuerung. Es war seit Generationen Grundvoraussetzung, dass alte Rechte erhalten, höchstens aber gemehrt wurden, nie umgekehrt. Hierdurch wurden die landesherrlichen Privilegien immer mehr gemindert und die der Vasallen und Städte gestärkt.
18.) Weder Juden noch Christen durften Pfennige einschmelzen.
19.) Der Adel wurde von jedem Brückenzoll über die Oder befreit.
20.) Zölle auf Nahrungsmittel für den Eigenbedarf dürfen nicht erhoben werden. Ein gängiges und altes Vorrecht, das vorsorglich in die Liste aufgenommen wurde.
21.) Am Oderübergang zu Küstrin soll an Zoll erhoben werden:  Von einem Brett 1 Pfennig, von einem Balken 1 Pfennig, von einem Sparren 1 Pfennig.
22.) Der Heidepfennig soll abgeschafft werden. Es handelte sich dabei um eine Abgabe an die Heidereiter, einer frühen Form der Förster
23.) Stirbt ein Bürger der ein Lehn besitzt, soll es fortan unentgeltlich zu gesamter Hand an die Erben gegeben werden. Darin zogen die bürgerlichen Stadtbewohner mit dem Vorrecht der Adels gleich.
24.) Ritter, adelige Knechte, Bürger und Bauern sollen von den Landschöppen fortan nicht mehr angeklagt werden dürfen. Es scheint als ob die Schöppen der Landgerichte hier in der Vergangenheit eigenmächtig Klage erhoben. Durch die hieraus fälligen Gerichtsgebühren hätten sie dadurch finanziell erheblich profitiert, wodurch Missbrauch Tür und Tor geöffnet war.
25.) Niemand soll außerhalb der Gegend seiner Herkunft ohne richterliches Urteil gepfändet werden.
26.) Die Landreiter sollen nur 2 Schillinge (24 Pfennige) als Pfandpfennige, und einen Schilling als Botenpfennige nehmen. Die Landreiter oder Flurreiter waren eine frühe Form der Landesexekutive, eine sehr einfache Art von Landpolizei.
27.) Die Ritter, Mannen, Bürger und Bauern des Landes Lebus sowie die Städte sollen nicht mehr an Zöllen oder andere Abgaben leisten, als des Herzogs eigene Mannen, Bürger und Bauern.
28.) Die vorgenannten Lande und Städte sollen bei dem neuen Rechte bleiben, das ihnen die bisherigen Fürsten und Herrn gegeben haben. Gemeint ist das sogenannte Neue Recht, das Markgraf Otto IV. eingeführt hatte und das zunächst wenig Akzeptanz besaß, sich am Ende wohl doch bewährt haben musste, sonst hätten die Stände sich gewiss die Beibehaltung nicht ausbedungen.
29.) Wäre irgend ein Missetäter im Lande, sollen sie darüber richten, wie zuvor. Der Herzog bestätigte damit dem Land und den Ständen das bereits gehaltene Gerichtsrecht.
30.) Kein auf dem Lande angesessener Mann soll mehr Malz machen, als er selbst verbraucht. Nur den Bürgern der Städte war es erlaubt einer regional abgestimmten Reihe nach Bier zu brauen und zu verkaufen. Der Adel durfte nur für den eigenen Bedarf brauen, viele aber verkauften unter der Hand, sowohl Bier als auch Malz, trotz der vielfachen Verbote.
31.) Die Stadt Müncheberg soll 16 Mark zu Martini und zu Walpurgis (an Urbede) geben, wenn sie nicht untermauert. Während eine Stadt die Stadtmauer errichtete, war sie von der Zahlung der Urbede, der zweimal jährlichen Steuer an den Landesherren, befreit. Viele der Städte begannen erst Ende des 13. Jahrhunderts sich zu ummauern. Den unbestreitbaren Vorteilen einer Mauer während Kriegszeiten, stand die hieraus zwangsläufig entstehende Einengung des Wachstums entgegen. Wären die Zeiten nicht so allgemein kriegerisch gewesen, hätte jede Stadt gerne auf die Errichtung einer Mauer verzichtet.
32.) Der Herzog und „das Kind Markgraf Heinrich“ versprechen dem Lande, Mannen und Städten, sie von aller Ansprache und daraus entstehenden Schaden frei zu halten. Gemeint waren mögliche negative Effekte, die aufgrund dieses Vertrages entstehen könnten.
33.) Bewiese irgend ein Herr, dass er mehr Recht auf das Land habe, als das Kind (Markgraf Heinrich), so soll das Kind und wir mit dem Lande widerstehen. Täten das Kind und der Herzog das nicht, so sollen Land und Städte tun, was sie für Recht halten, und das soll ihnen nicht als ihre Ehre gefährdend angerechnet werden.
34.) Wenn das Kind zu seinen Jahren kommt (mündig wird), so soll es alle Gerechtigkeiten besiegeln mit seinen Briefen und halten, die hier im Lande, Mannen und Städten gegeben sind. Täte es das nicht, so will der Herzog bei dem Lande bleiben, und mit ihm zusammen halten, bis es geschieht. Es beweist, dass Land und Leute die Forderungen nicht nur an den landesfremden Herzog von Pommern stellten, sondern sie ganz grundsätzlich erhoben, auch gegenüber dem legitimen Erben des bisherigen Landesherren.
35.) Die Stadt Müncheberg soll in der Heide zu Liebenberg so viel Holz unentgeltlich haben, als sie zu ihrem Baue bedarf. Auch ihr erforderliches Brennholz kann sie dort holen, zahlt aber von dem Viertel einen Pfennig.
36.) Von jeder Hufe im Lande, welche nicht Ritter oder Knechte unter eigenem Pflug haben, soll man vier Fuhren Steine zur Mauer nach Müncheberg fahren, zwei Fuhren zu Ostern und zwei zu Pfingsten. Für die Bauern des Landes Lebus gewiss keine Kleinigkeit. Vermutlich werden ähnliche Bestimmungen auch in anderen Teilen der Mark und des Reichs existiert haben.
37.) Die 10 Mark, welche die Stadt Müncheberg dem Herzog gegeben hat, sollen von ihrer nächsten zu entrichtenden Abgabe (Urbede) abgeschlagen werden.

Als Zeugen des Vertragswerks dienten eine Anzahl Ritter sowie Bürger der Städte Frankfurt an der Oder und Müncheberg. Obwohl wiederholt im Vertrag im Namen des unmündigen Markgrafen Heinrich gesprochen wurde, war er selbst nicht als Zeuge anwesend noch taucht er als nachträglicher Unterzeichner auf.
Die große Menge der Artikel zeigt, wie viel Herzog Wartislaw dem Lande Lebus bewilligen musste, ehe Mannen und Städte ihn als Vormund anerkannten und huldigten. In der Neumark dürfte es dem Herzog nicht leichter gefallen sein, weswegen davon ausgegangen werden kann, dass die Zugeständnisse Wartislaws dort in gleicher oder ganz ähnlicher Weise erfolgten.


Die markgräflichen Witwen Brandenburgs

Markgräfin Agnes, die Witwe Markgraf Heinrichs ohne Land, Mutter des jungen Heinrich, wie zu Beginn des Kapitel bemerkt eine Prinzessin aus dem Hause Wittelsbach und Schwester des mit dem Habsburger Friedrich um die Reichskrone ringenden Ludwig IV., trat jetzt auf den Plan. Sie wollte dem Ausbluten der Mark und dem Ausverkauf des Erbes ihres Sohnes nicht weiter  tatenlos zusehen. Nach nur sechs Wochen war praktisch nur noch die Mittelmark übrig, fast alle sonstigen Gebiete standen mittlerweile unter der Kontrolle benachbarter Fürsten. Auch die Altmark war dem zukünftigen Zugriff für lange Zeit entzogen, weil sie wie schon erwähnt in wesentlichen Teilen der  hinterbliebenen Gattin Waldemars als Witwensitz diente. Besagte Witwe  Markgraf Waldemars und die Mutter des nach Brauch und Sitte rechtmäßigen, noch unmündigen Markgrafen Heinrich, hießen beide Agnes, weshalb wir auf Verwechslungen achten müssen. Zu ihnen gesellte sich noch Herzogin Anna von Breslau. Zur Erinnerung, sie war als Mutter der mit Waldemar bislang verheirateten Agnes vor ihrer zweiten Ehe mit dem schlesischen Herzog Heinrich VI. von Schlesien-Breslau, mit dem 1308 verschiedenen Hermann III. verheiratet und somit ebenfalls eine brandenburgische Markgräfin der Ottonischen Linie gewesen. Mit der Grafschaft Arneburg an der Elbe gelegen, nordöstlich Stendals, hatte auch sie in der Altmark einen Witwensitz, der jedoch gemessen an dem ihrer Tochter verhältnismäßig klein war. So lange die Damen lebten, waren ihre Ländereien, war die Altmark der Verfügung des einstigen Regenten entzogen.
Erwähnte Herzogin Anna war eine gebürtige Habsburgerin. Ältestes Kind des 1308 ermordeten römisch-deutschen Königs Albrecht I. Sie war Schwester Friedrichs des Schönen, der wie wir sahen 1314 gleichzeitig neben seinem Vetter Ludwig dem Bayern zum römisch-deutschen König gewählt wurde.
Die ohnehin schon prekäre Lage Brandenburgs wurde durch familiäre Konstellationen zusätzlich verkompliziert. Die Mutter Heinrichs kam väterlicherseits aus Wittelsbacher Hause. Ihre Mutter war zwar eine Tochter Rudolfs I. und Agnes damit zur Hälfte ebenfalls habsburgisch, doch fiel dies anlässlich der umstrittenen Vormundschaftsfrage und vor dem Hintergrund des sich an der Spitze des Reichs immer mehr zuspitzenden Machtkampfs nicht mildernd ins Gewicht. Seit der zweifachen Königswahl standen die Häuser Wittelsbach und Habsburg, obwohl eng miteinander verwandt, auf buchstäblichem Kriegsfuß, was sich ebenso auch auf die brandenburgischen Markgrafenwitwen auswirkte, die dadurch gewissermaßen in verfeindeten Lagern saßen. Für Brandenburg hatte der familiäre Hintergrund der Markgräfinnen bis zum Tod Waldemars keine Bewandtnis. Erst mit seinem unerwarteten Dahinscheiden änderte sich die Sachlage und förderte im Rahmen der  brandenburgischen Nachfolgefrage den familiären Gegensatz in voller Härte zutage. Die beiden gleichnamigen Damen standen sich wegen ihrer rivalisierenden Familien wenn nicht offen feindlich, so doch unbestreitbar  oppositionell gegenüber, was für das sich in Auflösung befindliche brandenburgische Fürstentum einen zusätzlich verheerenden Umstand darstellte, denn sie verfolgten bei der Wahl des Verwesers der Mark gänzlich gegensinnige Wege, getrieben von der Situation an der Reichsspitze. Die unter Markgraf Waldemar kurzzeitig wiedervereinte Mark brach hierdurch abermals in zwei Hauptteile auseinander, zuzüglich mehrer weiterer, zum Teil umfangreicher Gebietsverluste an der Peripherie.
Bevor wir zum zweiten Akteur unter den rivalisierenden Vormündern und Landesverwesern kommen, werfen wir noch einen Blick auf die askanischen Verwandten Heinrichs, von denen es außerhalb Brandenburgs immerhin noch einige gab.


Askanische Linien außerhalb Brandenburgs

Als im Herbst 1170 Albrecht der Bär starb, kam es zur askanischen Landesteilung. Die Gebiete links der Elbe, die erst später mit Altmark bezeichnet wurden, und das neue Siedlungsgebiet rechts davon – es reichte damals im Osten bis zur Höhe Spandau, beinhaltete im Südwesten die Zauche, im Zentrum das flächenmäßig dominierende Havelland mit Brandenburg an der Havel als politischem und namensgebendem Mittelpunkt, sowie im Nordwesten die Prignitz – gingen an den erstgeborenen Sohn Otto über, gemeinsam mit dem väterlichen Titel eines Markgrafen. Die jüngeren Brüder Ottos, jene die nicht dem geistlichen Stand angehörten, teilten sich als Grafen die sonstigen askanischen Ländereien, wozu neben den Stammlanden, noch allerlei Streubesitz im Harzvorland gehörten. Seither gab es mehrere askanische Hauptlinien, von denen die brandenburgische die älteste und vorläufig prominenteste war.
1180 zerschlug Kaiser Friedrich I. Barbarossa anlässlich eines Fürstengerichts während des Hoftags zu Würzburg die Vormachtstellung Heinrichs des Löwen. Der Welfe hatte sowohl im sächsischen, wie im bayrisch-oberschwäbischen Raum die regionalen Fürsten weit überflügelt und zahlreiche Mitfürsten, weltliche wie kirchliche, durch sein herrisches und rücksichtsloses Auftreten – hierin war er der Sohn seines Vaters – gegen sich aufgebracht. Unabhängig davon belastete seine mittlerweile erdrückende Überlegenheit das Gefüge und die Balance im Reich. Es entbrannten wiederholt blutige Fehden, besonders im sächsischen Gebiet, wo lange zuerst Albrecht der Bär, nach seinem Tod die Söhne zu den Hauptrivalen Heinrichs des Löwen zählten.
Erstaunlicherweise spielte Albrechts ältester Sohn Otto, der brandenburgische Markgraf, hierbei nur eine vernachlässigbare Rolle, anders als des Bären jüngster Sohn Bernhard. Dieser tat sich im Widerstand gegen Heinrich spätestens seit dem Jahr 1173 hervor, seit dem Sukzessionsstreit um die verwaiste Herrschaft Plötzkau. Bernhard hatte 1170 vom verstorbene Vater ein eigenes territoriales Erbe erhalten, wie alle seine nicht dem geistlichen Stand angehörenden Brüder. In dieser ersten Generation nach Albrecht war der Zusammenhalt unter den jetzt selbstständig herrschenden Söhnen intakt geblieben, trotz oder gerade wegen der Landesteilung und unterstützte sich bei der Wahrung gegenseitiger Interessen. Bernhard engagierte sich schon in jungen Jahren im Reichsdienst und war auch schon lange vor dem Tod des Vaters dahingehend aktiv gewesen. Dieses Engagement sollte sich später auszahlen.
Im Rahmen des erwähnten Fürstengerichts wurde Heinrich der Löwe mit dem Reichsbann belegt und musste auf kaiserliche Anordnung das Territorium des Heiligen Römischen Reichs für einige Jahre verlassen, worauf er sich zu seinem Schwiegervater, dem König von England, ins Exil begab. Barbarossa, seinem kaiserlichen Vetter, war dieser Schritt nicht leicht gefallen, doch unter dem Druck der Reichsfürsten und wegen ihrer nicht unbegründeten Klagen gegen Heinrich, wenn auch Missgunst darin mitschwang, fiel der welfische Löwe in Ungnade und stürzte aus seiner Überhöhung ins politische Nichts. Seine Reichslehen, die Herzogtümer Bayern und Sachsen, wurden eingezogen, zerschlagen und unter treuen Gefolgsleuten des Kaisers verteilt. Die umfangreichen Allodialgüter bei Braunschweig und Lüneburg blieben Heinrich indes erhalten, worauf sich später der welfische Neuanfang der nachfolgenden Generationen stützte.
Der Titel eines Herzogs sowie wesentliche Teile des vormaligen Stammesherzogtums Bayern, das vom Kaiser deutlich verkleinert wurde, fielen an Otto von Wittelsbach, während die Markgrafschaft Österreich als ausgegliedertes, jetzt eigenständiges Herzogtum an die Babenberger ging, denen noch vor nicht allzu langer Zeit die Herzogswürde in Bayern zugunsten des mittlerweile in Ungnade gefallenen Welfen entzogen wurde. Das alte Herzogtum Sachsen war analog Bayern ebenfalls in kleinere Teile zerschlagen worden, chronologisch sogar noch vor Bayern. Der größere Teil, Engern und Westfalen, wurde als neu geschaffenes Herzogtum dem Erzbischof von Köln verliehen. Das ostfälische Restherzogtum, bestehend aus den einstmals östlichsten Siedlungsgebieten der Sachsen an der mittleren Unterelbe sowie bei Wittenberg, ging samt Titel an Bernhard. Gemeinsam mit seinem bisherigen Besitz bei Aschersleben, zu dem sich 1171, nach dem Tod eines Bruders, die Grafschaft Ballenstedt hinzukam und 1173, nach Erlöschen des dortigen Fürstenhaus, auch die Herrschaft Plötzkau, war er nun nicht nur an Rang sondern ebenso nach Wert seiner Besitzungen über den älteren Bruder, über Otto hinausgewachsen, dessen brandenburgisches Fürstentum zwar eine ansehnliche Fläche besaß, tatsächlich aber in den Siedlungsräumen trans Albis, rechts der Elbe, abgesehen von Brandenburg an der Havel und Havelberg, nur auf die Mittel der linkselbischen Altmark substanziell zurückgreifen konnte.
Herzog Bernhard von Sachsen hatte vier Söhne, davon drei aus erster Ehe. Sohn Johann aus zweiter Ehe war für den geistlichen Stand vorgesehen und später Domprobst zu Halberstadt geworden, weswegen er von der Erbfolge ausschied. Der erstgeborene Magnus starb noch lange vor dem Vater im Jahre 1195, so dass die verbliebenen Brüder Heinrich und Albrecht 1212, nach dem Tod des Vaters, gemäß dessen Disposition den sächsischen Landbesitz einvernehmlich aufteilten. Während der ältere Heinrich das Fürstentum Anhalt begründete, mit den askanischen Stammlanden um Aschersleben als Refugium, fiel Herzogtitel und das sächsische Herzogtum an Albrecht.
In den folgenden Generationen teilte sich sowohl die anhaltinische wie die sächsische Linie weiter auf. Rivalitäten unter den immer kleiner werdenden askanischen Fürstentümern blieben ähnlich wie bei den Brandenburger Vettern nicht mehr aus. Erinnern wir uns diesbezüglich an das märkische Beispiel der Markgrafen Otto IV. aus der Johanneischen Linie und Otto V. aus der Ottonischen Linie, die sich schließlich sogar auf dem Schlachtfeld als Gegner trafen. Auf die askanisch-anhaltinischen Zweige, wovon bis heute ein letzter existiert, wollen wir hier nicht weiter eingehen. Im Falle der sächsischen Askanier, die sich zwischenzeitlich je in einen Lauenburger und einen Wittenberger Zweig geteilt hatten, bildete der Kurstreit anlässlich der Königswahl 1314 den vorläufigen Höhepunkt. Die Auseinandersetzung um die Kurwürde zog sich im Anschluss zwischen beiden Häusern noch mehrere Jahrzehnte hin und wurde erst am 6. Oktober 1355 mit der Bulla aurea Saxonica endgültig zugunsten Herzog Rudolfs I. von Sachsen-Wittenberg entschieden, dem der nächste Anschnitt gilt.


Herzog Rudolf von Sachsen

Jener Rudolf ist für die weitere Betrachtung von besonderem Interesse, denn er war nach dem Tod Markgraf Waldemars der nächste männliche Verwandte des jungen Heinrich und damit nach Recht und Sitte, wie seit Jahrhunderten im sächsischen Rechtsraum praktiziert, der legitime Vormund Heinrichs und demnach gleichzeitig designierter Kurator seines zukünftigen Erbes, sofern ihn der römisch-deutsche König offiziell dazu berief und keine anderweitigen, unanfechtbaren Dispositionen existierten. Der sich aus dem Tod Waldemars ableitende Rechtsanspruch Heinrichs auf das märkische Universalerbe war nicht zu bestreiten und so bedeutete die Vormundschaft über ihn, gleichsam die Kontrolle über Brandenburg, bis zu Heinrichs Mündigkeit. Obwohl Rudolf von Sachsen auf die Vormundschaft die vornehmsten und ersten Rechte hatte, vereitelten die Umstände an der Spitze des Reichs alle seine berechtigten Ansprüche und so wurde die Vormundschaftsfrage zum Politikum.
Herzog Rudolfs Mutter Agnes Gertrud war eine Tochter des vormaligen römisch-deutschen Königs Rudolf, jenem in relativ hohem Alter gewählten Habsburger Grafen aus dem Aargau, den die Wahlfürsten 1273 als vermeintlich schwachen Herrscher auf den Thron des Reichs hievten, der sich dann aber energisch und erfolgreich durchsetzte und hierdurch die Zeit des großen Interregnums beendete. Rudolf von Sachsen, den die Mutter nach ihrem königlichen Vater benannt hatte, wuchs zeitweise am Habsburger Königshof seines Onkels Albrecht I. auf und war seither enger Parteigänger der Habsburger. Friedrich der Schöne, der zweite Sohn Albrechts I., war demnach ein Vetter Herzog Rudolfs und erhielt von diesem 1314 die sächsisch-wittenbergische Kurstimme.
Während nun Rudolf von Sachsen fest zu den Habsburgern stand, war Heinrichs Wittelsbacher Mutter auf der Seite ihres Bruders Ludwig IV. Die Voraussetzungen zur einvernehmlichen Vormundschaft den Knaben und das märkische Fürstentum betreffend, waren vor diesem familiären Hintergrund denkbar schlecht, wenn nicht komplett unmöglich. So lange im Thronstreit keine Entscheidung gefallen war, so lange würde auch keine Entscheidung Brandenburg betreffend fallen können, zumindest keine, die allgemeine Anekennung fand. Indem Rudolf von Sachsen von seinem Vetter Friedrich dem Schönen zum Landesverweser der Mark und Vormund Heinrichs bestellt wurde, gleichzeitig Ludwig der Bayer aus politischen Gegenerwägungen stattdessen Herzog Wartislaw von Pommern-Wolgast benannte, spiegelte sich die politische Teilung des Reichs auf eigentümliche Weise auch in der Teilung der Mark Brandenburg wider.


Brandenburgische Pattsituation

Keiner der in der Vormundschaftsfrage rivalisierenden Herzöge hatte die Mittel der Gegenseite die legitimen oder angemaßten Ansprüche erfolgreich streitig zu machen und so begnügten sich beide vorerst mit dem erreichten Status, ohne dem Kontrahenten gefährlich zu werden. Rudolf richtete seine Brandenburger Residenz in der Spandauer Festung ein, von wo er die Mittelmark regierte, vorgeblich für den jungen Heinrich, der tatsächlich aber mit seinem Verwandten keinen Kontakt pflegte, da die Mutter sich aus den genannten Gründen an Herzog Wartislaw hielt. Zur Festigung seines unberücksichtigten Anspruchs knüpfte Rudolf schon gleich zu Beginn Kontakt zu Agnes, der Witwe des dahingeschiedenen alten Markgrafen und zu ihrer Mutter Anna von Breslau. Die beiderseitige habsburgische Verwandtschaft, jeweils über die Mutterlinie, war hierzu die geeignete Basis. Er hoffte auf diese Weise Einfluss und gegebenenfalls Zugriff auf die Altmark zu bekommen, die den beiden Damen als Witwenbesitz diente. Agnes stand gemessen an ihrer Mutter, der nur die Grafschaft Arneburg zur Verfügung stand, dabei erheblich besser da, zumal sie auch in der Mittelmark als Witwe des alten Markgrafen über einigen Einfluss verfügte und Anerkennung fand.
Besagte Agnes war zum Todeszeitpunkt ihres Gatten vom Alter her noch jung genug und durchaus gebärfähig. Ihr einträglicher altmärkischer Witwensitz, der ihr nach geltendem Recht bis zum Tod verblieb, machte sie schnell zum Ziel allerlei herrschaftlicher Verehrer, die schon bald nach Beisetzung Waldemars unverhohlen um ihre Hand buhlten. Unter den Bewerbern befand sich Herzog Otto von Braunschweig-Göttingen, dessen erste Gemahlin Jutta von Hessen 1317 verstorben war. Aus dieser Verbindung existierte eine Tochter, auch sie hieß Agnes, ein im 13. und 14. Jahrhundert ungemein beliebter Frauenname. Sie spielt für unsere weitere Betrachtung keine Rolle, so dass nicht noch mehr Namensverwirrung rund um eine dritte Agnes entstehen kann. Um es abzukürzen, Herzog Otto setzte sich erstaunlich rasant unter den Bewerbern durch und ehelichte die vormalige brandenburgische Markgräfin. Die Vermählung fand am 14. Dezember 1319 statt, also noch im Todesjahr Waldemars, der bekanntlich erst wenige Monate zuvor im August verstorben war. Geprägt vom vorherrschenden Sittenbild ihrer Zeit, ließen sich die Chronisten des 19. Jahrhunderts über die Schnelligkeit aus, mit der Agnes eine neue Eheverbindung eingegangen war. Sie machten daraus eine geradezu skandalöse und charakterlose Handlung einer Frau, die sich, kaum dass ihr Gatte unter der Erde war, in die Arme eines neuen Mannes warf. Schaut man sich die Angelegenheit im Kontext der Situationen an, vor der ledige Frauen im Mittelalter standen, stellt man schnell fest das Agnes schnell Wiederverheiratung keine Ausnahme war. Die rechtliche Stellung der mittelalterlichen Frau machte es ihr schwer, wenn nicht unmöglich, Verträge oder rechtsverbindliche Vereinbarungen problemlos einzugehen. Zur Durchsetzung eigener Interessen, benötigte sie für die meisten Belange einen männlichen Vormund, selbst wenn es sich um eine namhafte Frau mit anerkannt großem Besitz handelte. Bei einer Witwe übernahm diese Rolle nach hergebrachter Sitte der nächste männliche Verwandte des verblichenen Ehemanns. Im vorliegenden Falle waren davon bekanntlich keine mehr am Leben, weswegen sich Herzog Rudolf von Sachsen-Wittenberg konsequenterweise anschickte, neben der Vormundschaft hinsichtlich des Knaben Heinrich, die zu realisieren sich höchst schwierig gestalte, auch in Bezug auf die junge Witwe Waldemars diese ihm rechtmäßig zustehende Rolle zu übernehmen. Bei einer mittellosen Witwe wäre dieses Anrecht zweifelsfrei als Bürde betrachtet worden, im Falle der Agnes konnte es allerdings nur als Glücksfall gesehen werden. Er durfte damit hoffen, neben der von ihm verwalteten Mittelmark, auch die Altmark kontrollieren zu können und damit im Streit um die Mark Brandenburg als Ganzes ein entscheidendes Übergewicht zu erhalten. Mit seinen politischen Ambitionen mag er der jungen Witwe bald lästig geworden zu sein, zumindest deuteten eine Reihe älterer Chronisten ihre zeitige Neuvermählung so. Hinweise auf ein Zerwürfnis mit Rudolf finden sich indes nicht. Agnes, die jetzige Herzogin von Braunschweig-Göttingen, hatte auch in der Mittelmark als Witwe Waldemars und Markgräfin Brandenburgs gewissen Einfluss gehabt, weswegen wir sie vor ihrer Hochzeit wiederholt an der Seite Rudolfs, der dabei eindeutig als ihr Vormund auftrat, Urkunden ausstellen sahen. Auch nach Eheschließung mit Herzog Otto blieben ihr eine Reihe Verpflichtungen und Rechte in der Mittelmark, denen sie vorerst noch nachkam.
Auch ihre zweite Ehe blieb übrigens kinderlos, womit die im vorherigen Kapitel angestellten Mutmaßungen in neuem Licht zu betrachten sind. Das Ausbleiben des von Waldemar heiß ersehnten Erben war augenscheinlich nicht Ergebnis einer zu nahen biologischen Verwandtschaft der Eheleute, viel mehr muss stattdessen eher von einer Unfruchtbarkeit der Agnes ausgegangen werden.

Die Braunschweiger Hochzeit warf Rudolfs Pläne hinsichtlich der Altmark gänzlich über den Haufen. Künftig verfügte Herzog Otto von Braunschweig-Göttingen darüber und das würde sich bis zum Tod seiner Frau nicht ändern. Ob die Altmark darüberhinaus Brandenburg dauerhaft entfremdet wurde, lassen wir an dieser Stelle offen. Das von Herzog Rudolf erhoffte Übergewicht kam also nicht zustande und so musste er sich weiter mit der Mittelmark ohne Prignitz begnügen, während die Neumark und das Lebuser Land in den Händen Herzog Wartislaws von Pommern-Wolgast lag und die Uckermark durch Heinrich von Mecklenburg kontrolliert wurde. So lange der Thronstreit auf Reichsebene unentschieden war, konnte wegen der gegensätzlichen Stellung beider brandenburgischer Parteien auch keine Entscheidung die Mark betreffend fallen.
Dass es den beiden konkurrierenden Vormündern um das Wohl des zukünftigen Erben der Mark ging oder um den Erhalt eines kraftvollen, souveränen Brandenburgs, kann guten Gewissens bezweifelt werden. Herzog Rudolf ging es um nichts weniger als die totale Nachfolge in Brandenburg. Er schien nicht an ein langes Leben des jungen, als kränklich bekannten Markgrafen Heinrich zu glauben und machte sich Hoffnungen auf die Belehnung mit der Mark.
Die Motive des Pommernherzogs Wartislaw waren indes nicht edlerer Natur, auch er suchte nur seinen persönlichen Nutzen aus der Situation zu ziehen. Indem er sich ohne legitimen Rechtstitel dem unmündigen Markgrafen als Vormund gab, was die Mutter wegen der politischen Zwangslage ihres Bruders akzeptieren musste, erhoffte er sich zwei Dinge. Zunächst verband er sein Engagement für den Neffen Ludwigs des Bayern mit der Hoffnung, dieser würde sich im Thronstreit gegen den Habsburger Kontrahenten durchsetzen. Als gewissermaßen Dank für seine Parteinahme, versprach er sich in die Reichsunmittelbarkeit entlassen zu werden, wodurch die 1231 von Kaiser Friedrich II. verbürgte, durch Adolf von Nassau bestätigte pommersche Lehnsabhängigkeit gegenüber Brandenburg abstreifen könnte. Daneben machte er sich territoriale Hoffnung auf die Neumark oder andere märkische Landesteile, die unter seiner Verwaltung standen, schließlich hätte er dem jungen Heinrich zu seinem Recht verholfen. Wartislaw hoffte dementsprechend nicht wie Rudolf auf ein baldiges Ableben Heinrichs, sondern auf dessen Regierungsantritt, woraus sich für ihn am ehesten Kapital schlagen ließe. Sollte der heranwachsende Knabe vorher sterben, bevor für Pommern irgendwelcher realer Nutzen realisiert wäre, musste entweder mit dem Heimfall Brandenburgs ans Reich gerechnet werden oder sogar mit dem Übergang an den sächsischen Zweig der Askanier, besonders dann, wenn an der Reichsspitze statt dem Wittelsbacher Ludwig, der Habsburger Friedrich das Rennen um die Krone für sich entschied. Es stand somit einiges für beide Herzöge auf dem Spiel und viel hing vom Weiterleben Heinrichs ab sowie dem Ausgang des Thronstreits.


Lage im Reich

Zum wiederholten Mal in seiner nun über 300 jährigen Geschichte hatte das Reich zwei Könige zu gleicher Zeit und war wegen des schwelenden Machtkampfs nach Innen wie Außen gelähmt. Die häufige Führungslosigkeit   gefährdete den Fortbestand des Reichs. Im Inneren gewöhnten sich viele der größeren Fürstenhäuser bald an die wiederkehrenden, beklagenswerten Zustände und nutzten die fehlende Zentralgewalt zur Durchsetzung eigener Interessen. Hinsichtlich der Lage an den Außengrenzen war das Reich in diesen Phasen nahezu völlig handlungsunfähig. Für gewöhnlich verstanden es die französischen Könige ihre Interessensphäre in solchen Zeiten nach Osten zu erweitern, diesmal blieb die weitere Erosion der westlichen Provinzen allerdings aus. König Philipp IV. von Frankreich war in Flandern, das er sich in seinem Expansionsdrang einverleibt hatte, auf einen unerwartet heftigen Unabhängigkeitswillen gestoßen und in schwere Kämpfe verwickelt. Teile des flämischen Adels, genannt die Löwen, lieferten sich einen zähen Befreiungskrieg gegen die französischen Lilien und ihre flämischen Unterstützer. Ein unverhoffter Glücksfall für das Reich.
Der Thronstreit zwischen dem Wittelsbacher Ludwig dem Habsburger Friedrich hatte viel Tragik. Als Heranwachsende verbrachten sie Teile ihrer späten Kindheitstage gemeinsam am Wiener Hof, wo sie nicht nur Spielkameraden waren sondern auch auf ihre zukünftigen Rollen als Reichsfürsten vorbereitet wurden. Der jetzige Gegensatz rührte aus dem Wettstreit um die Reichskrone, den jedes der beiden Häuser unbedingt für sich entscheiden wollte, aber schon unmittelbar davor kam es zu handfesten Auseinandersetzungen. In Bayern, das seit der Landesteilung vom 28. März 1255 in Oberbayern und Niederbayern geteilt war, waren die niederbayrischen Herzöge Stephan I. († 1310) und Otto III. († 1312) verstorben. Ludwig IV. von Oberbayern übernahm die Vormundschaft über die hinterbliebenen, unmündigen Söhne und besetzte zur Bekräftigung seines Anspruchs die niederbayrischen Residenzen Landshut und Straubing, wodurch die Witwen der verstorbenen Herzöge und Teile des niederbayrischen Adels auf den Plan gerufen wurden, die sich in ihren Rechten beschnitten sahen und an die benachbarten Habsburger appellierten, die sich nicht lange bitten ließen. Am 9. November 1313 kam es bei Gammelsdorf, 15 Kilometer westlich von Landshut, zur Schlacht, die Ludwig deutlich für sich entscheiden konnte, womit sein Prestige im Reich erheblich stieg und wesentlich zu seiner Wahl zum römisch-deutschen König im Folgejahr beitrug, die aber wegen der gleichzeitigen Wahl Friedrichs des Schönen nicht überall Anerkennung fand.
Es war höchste Zeit das Reich einer längst überfälligen Wahlreform zu unterziehen, besonders im Hinblick auf die Wahlhandlungen. Den unheilvollen Doppelwahlen musste dauerhaft Einhalt geboten werden, sollte das Reich nicht über kurz oder lang ganz daran zugrunde gehen. Den Kurfürsten mussten Regeln auferlegt werden, damit sie einen einvernehmlich Wahlentschluss fassten. Die materiellen Schäden und Menschenverluste anlässlich der oft Jahre andauernden Thronrivalitäten waren nicht das Schlimmste, denn die Kampfhandlungen wurden nie reichsweit geführt, sondern gewöhnlich im Einzugsbereich der jeweils eigenen Hausmacht. Der wirkliche Schaden entstand durch die politische Lähmung des Reichs. Im Inneren öffnete es allen denkbaren selbstherrlichen und separatistischen Handlungen Tür und Tor und nach Außen verlor das Reich nicht nur an territorialer Substanz, schlimmer noch war der Autoritätsverlust der Krone bei den angrenzenden Reichen und sich erkennbar herausbildenden frühen Nationen.


Heinrichs Mutter ergreift die Initiative

Heinrichs Mutter war entschlossen ihrem Sohn soviel vom Erbe zu bewahren, wie es in ihren Kräften stand. Das väterliche Erbe bezüglich der Mark Landsberg sowie die Pfalz Sachsen waren umstritten und schon zu Lebzeiten Markgraf Heinrichs I. schwer umkämpft. Das prestigeträchtige brandenburgische Erbe sollte keinesfalls aufgeben werden, ohne zuvor alle Mittel auszuschöpfen. Dass sie sich dabei an Herzog Wartislaw hielt, war aus der Not heraus geboren. Natürlich musste ihr völlig klar sein, dass dessen bisheriges Engagement auf keiner legitimen Grundlage beruhte. Trotzdem die Mark zerrissen war und sich Pommern-Wolgast, Sachsen-Wittenberg, Mecklenburg und Braunschweig-Göttingen, bedingt sogar Böhmen und Schlesien und in Bezug auf die Mark Landsberg Meißen und vormals meißnische Gebiete in rivalisierender Weise die Waage hielten, half dies der ambitionierten Mutter auf gewisse Weise. Niemand bekam hierdurch ein deutliches Übergewicht in Brandenburg, und die märkischen Stände keinen Anlass in großem Stil einem der Herren dauerhaft zu unterwarfen, was bezogen auf den wahren Erben einer Pflichtvergessenheit gleichkäme. Natürlich leisteten die Städte den jeweils neuen Herren den formellen Huldigungseid, wir haben es anhand des Neumarker und Lebuser Beispiels gesehen, doch war in den dortigen Formulierungen immer auch der junge Markgraf explizit erwähnt. Auch in der Mittelmark verhielt es sich nicht anders, auch hier gab Herzog Rudolf vor, im Namen und zum Wohle des zukünftigen Landesherren zu agieren. Trotzdem lesen wir in von ihm ausgestellten Urkunden erheblich seltener den Namen seines Mündels. Was blieb den Städten anderes übrig als sich zunächst der gegebenen Situation zu fügen, zumal das Beispiel der Neumark oder des Lebuser Lands bestens dokumentiert, dass Städte und Ritter, wo es immer möglich war, eine ganz erhebliche Erweiterung ihrer bisherigen Privilegien erpressten. Eigenmächtig Widerstand zu leisten machte dauerhaft wenig Sinn, das Lausitzer Beispiel Gubens, das sich erfolgreich der Einnahme und Unterwerfung durch Johann von Böhmen widersetzte, blieb eine seltene Ausnahme. Dauerhaft musste auch Guben und andere Städte der Lausitz der Situation Rechnung tragen und sich fügen.
Noch einmal anders verhielt es sich in der Prignitz und der Uckermark. Hier kam es zu einer Kombination aus eigenmächtigen Überläufen prominenter Teile des Prignitzer Lehnsadels und gleichzeitig zu gewalttätigen Annexionen durch Heinrich von Mecklenburg.
Die bisherige Mark Brandenburg war zu Beginn des Jahres 1320 in wenigstens sieben Teile zerstückelt. Die brandenburgischen Besitzungen in Nordschlesien, in Gestalt des Landes Crossen und dem Schwiebuser Kreis, fielen an Schlesien. Da es hierzu vertragliche Vereinbarungen Waldemars noch aus dem Jahre 1319 gab, konnte daran nicht gerüttelt werden. Ferner ging die Lausitz verloren. Gemeint ist die Oberlausitz mit den wichtigen städtischen Zentren Bautzen und Görlitz. Johann von Böhmen annektierte die Region unter dem Vorwand rechtmäßiger Einziehung böhmischen Territoriums. Markgraf Friedrich von Meißen hatte sich gegen alle anderslautenden Vereinbarungen des Tangermünder Vertrags von 1312 die damals verlorenen Meißner Gebiete zurückgeholt und die Existenz eines legitimen brandenburgischen Erben damit ignoriert. Die Altmark war seit der Neuvermählung von Waldemars Witwe in den Einflussbereich Braunschweig-Göttingens geraten und über die Verhältnisse in der Neumark und Mittelmark haben wir an anderen Stellen bereits gelesen.
Vor dieser Ausgangslage stehend, ergriff Heinrichs Mutter die Initiative. Sie wandte sich Frühling 1320 an ihren Bruder Ludwig IV. und bat darum ihren Sohn kraft seiner königlichen Autorität für mündig zu erklären und in den Stand zu versetzen, in Brandenburg die Regenschaft zu übernehmen. Als Mutter wird sie ohne Zweifel am besten gewusst haben, ob ihr Sohn das hierzu gesetzlich notwendige Mindestalter von 12 Jahren erreicht hatte oder demnächst erreichen würde, weswegen wir glauben Heinrichs Geburtstag in die Zeit des Spätfrühlings legen zu dürfen. Ludwig, dem nur daran gelegen sein konnte einen hochrangigen Parteigänger im Norden des Reichs zu gewinnen, folgte dieser Bitte selbstverständlich gerne, gleichwohl das trotz allem fehlende Alter des Markgrafen die Beistellung eines Vormunds oder Kurators, wie er sich ausdrückt, grundsätzlich vorsieht. Mit Vollendung des zwölften Lebensjahrs konnte man für mündig erklärt werden, eine Verpflichtung war es nicht. Aus politischen Erwägungen heraus, erklärte Ludwig IV. am 19. Juni mit nachfolgendem, aus dem lateinischen Original übersetzten Text, seinen Neffen zu Frankfurt am Main für mündig.

Ludwig von Gottes Gnaden, Römischer König.

Dem erlauchten Fürsten Heinrich, Markgrafen von Brandenburg, seinem geliebten Neffen, seine Gnade und alles Gute. Ob schon die vorsichtige Autorität der Gesetze und der erhabenen Römischen Kaiser und Könige, unsere erlauchten Vorgänger, bestimmt hat, dass diejenigen, die noch nicht zu ihren Jahren gekommen, in ihrem Rechte mangelhaft sind, und der Hilfe der Vormünder oder Kuratoren bedürfen, so haben wir doch angesehen das Verdienst deiner Rechtschaffenheit, und sie mit vorzüglicher Gunst und Liebe umfasst. Wir erteilen dir aus königlicher Machtvollkommenheit und Güte gnädigst die Macht, Verbindlichkeiten aller Art abzuschließen, Benefizien und Lehen zu vergeben, Einweisungen, Käufe und Verkäufe sowie Geschäfte zu verrichten, welche du nach dem Gebrauche vollziehen lassen wirst, und gestatten dir freigiebig, daß Alles, was du hierin ausführen, handeln und tun wirst, so angesehen werden solle, als habe es unser zweites Ich und ein volljähriger Fürst des Reichs mit vollem Rechte getan. Nicht soll daran hindern der Mangel der Jahre und des Alters, der vorhanden ist. Wir ergänzen diesen Mangel aus der Fülle und Größe der königlichen Macht. Zum Zeugnis dessen haben wir diesen Brief schreiben lassen, und befehlen, ihn mit unserm Geschäftssiegel zu versehen.

Gegeben in unserer königlichen Stadt Frankfurt“


Markgraf Heinrich II. von Brandenburg

Wahrscheinlich benötigte die Nachricht von Ludwigs Entscheidung seinen brandenburgischen Neffen betreffend, mindestens eine Woche, eher länger, um den weiten Weg von Frankfurt am Main, bis zu Herzog Wladislaw zu finden und wohl nur wenig länger dürfte es bis zu Herzog Rudolf von Sachsen gedauert haben. Bei Rudolf hinterließ Ludwigs Verfügung erwartungsgemäß keinen Eindruck. Wir sehen ihn auch in der Folgezeit landesherrliche Handlungen in der Mittelmark vornehmen als ob Heinrich weiterhin unmündig wäre. Dass er als Parteigänger Friedrichs des Schönen Ludwigs Thronanspruch und somit dessen Recht zur Mündigkeitserklärung abstritt, verstand sich von selbst. Der Pommernherzog konnte im Gegensatz zu seinem sächsischen Konkurrenten die Entscheidung Ludwigs nicht in Frage stellen, schließlich baute er als Unterstützer voll auf dessen Erfolg im Ringen um die Reichskrone. Wie würde er jetzt vorgehen? Zunächst überhaupt nicht, er benahm sich wie sein sächsisches Pendant in der Mittelmark. Zu dieser Zeit war ohnehin stark mit einem anderen Thema beschäftigt. Im März hatte er sich nach Jahren wiederholter Auseinandersetzungen mit Herzog Otto I. von Pommern-Stettin ausgesöhnt, seinem Halbonkel. Die gemeinsamen Interessen gegen Heinrich von Mecklenburg, besonders die Uckermark betreffend, ließen die jahrelangen Erbstreitigkeiten beider Greifenzweige für den Augenblick zur Ruhe kommen. Wladislaw rüstete wahrscheinlich schon seit den frühen Aprilwochen, doch musste er dabei augenscheinlich auf allerlei Schwierigkeiten gestoßen sein, denn Mitte Juni waren diese noch immer nicht abgeschlossen. Die ganze Region, sogar bis über die Oder hinaus ins Neumärkische, machte sich auf einen Krieg gefasst. Gerade für Städte und Dörfer waren die militärischen Auseinandersetzungen der Zeit mit großen Gefahren und Einbußen verbunden.  Je länger ein Konflikt ging, je wahrscheinlicher ereigneten sich Heimsuchungen in Gestalt von Plünderungen, Brandschatzungen, Entführungen oder Zerstörungen durch umherziehende gegnerische Trupps. Allein schon der in Mitleidenschaft gezogene Handel wirkte sich belastend aus, selbst wenn ein Ort von direkten Kriegsereignissen verschont blieb.
Vornehmste Pflicht des Landesherren war von jeher der Schutz seiner Untertanen, hierauf beruhte dessen hauptsächliche Anerkennung und Autorität. Dass Anspruch und Realität oft klaffend auseinander ragten, darf man nicht automatisch auf fehlenden Willen oder Befähigung schieben. Kein Fürst verfügte über eine stehende Militärmacht. Exekutivorgane wie unsere heutige Polizei kannte man nicht. Die Institution der Flurreiter oder Landreiter reichte allenfalls ein Stimmungsbild aus dem Land einzufangen und hier und da einem Kleingauner nachzustellen, keinesfalls jedoch zur flächenmäßigen Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung oder gar dem Schutz der Bevölkerung vor äußeren Aggressionen. Die Einzelverantwortung jedes Individuums in dem kleinen Bereich, in dem sich für die überwiegende Mehrheit das tägliche Leben abspielte, war deutlich größer als heute. Viele Dinge wurden örtlich entschieden und so kann es nicht wundern, dass auch für ausgesprochene Krisenzeiten regionaler Selbstschutz eine nicht unerhebliche Rolle spielte. Benachbarte Städte suchten einander durch Bündnisverträge in solchen Zeiten Garantien zu geben und Beistand zu leisten. Den Landesherren gefielen solche Selbsthilfemaßnahmen, die ganz schnell auch gegen sie gerichtet werden konnten, üblicherweise nicht, doch war ihr Nutzen im Verteidigungsfall nicht von der Hand zu weisen.
Gegen Juli 1320 waren die Rüstungen soweit fortgeschritten, dass es wiederholt zu einzelnen Scharmützeln kam, doch es scheint, als ob die Mecklenburger nicht leicht zu fassen und bezwingen waren, so dass Wartislaw IV. sich mit seinem schlesischen Schwager, dem Herzog Heinrich von Jauer verbündete. Das Bündnis kam am 27. Juli 1320 zu Frankfurt an der Oder zustande und zielte unter anderem auf eine gemeinsame Eroberung und Aufteilung der Uckermark ab. Es scheint gleichzeitig auch gegen den sächsischen Herzog Rudolf gerichtet gewesen, für den Fall, dass es mit diesem zu Feindseligkeiten kommen sollte. Wahrscheinlich bei Prenzlau trafen schließlich Anfang August die verfeindeten Hauptkräften Mecklenburgs und Pommerns aufeinander. Inwiefern der schlesische Herzog Heinrich hierbei Waffenhilfe leistete, ist ungeklärt, überhaupt ist von der Schlacht nichts dokumentiert. Die Kämpfe mussten für Heinrich von Mecklenburg jedoch mit einer Niederlage geendet haben, denn die Städte Prenzlau, Pasewalk und Templin huldigten bald drauf Wartislaw als ihrem neuen Herren, der ganz offenbar die militärische Oberhand gewonnen haben musste, andernfalls die Huldigungen nicht zustande gekommen wären. Auch in der restlichen Uckermark war der Mecklenburger Einfluss dahin.

Was dann geschah, ist bis heute im Nebel der Geschichte verloren oder nur vage zu deuten und praktisch alle Chronisten bemühten sich auffallend gleichgültig den Sachverhalt in aller Kürze zu thematisieren um das Drama schnellstmöglich abzuschließen, als ob sich nicht wichtige Fragen geradezu aufdrängten. Zugegeben, die überlieferten Zeugnisse vom Sommer 1320 die Mark betreffend sind so gering, dass man kaum eine Rekonstruktion der Geschehnisse glaubt wagen zu dürfen und doch gebietet die unerhörte Tragik und die sich hieraus ergebenden umwälzenden Folgen einen Versuch. Der erst wenige Wochen zuvor von seinem Onkel Ludwig dem Bayern mündig erklärte Heinrich II. starb auf völlig ungeklärte Weise, kaum dass er das zwölfte Lebensjahr vollendet hatte. Dass nichts über seinen Tod aufgezeichnet ist, selbst keine Mutmaßungen, wundert alleine schon, dass dabei bis heute nicht einmal das genaue Todesdatum bekannt ist, selbst nicht mit letzter Sicherheit der Monat, bleibt schließlich völlig unerklärlich, bedenkt man, dass mit ihm der letzte lebende Askanier in Brandenburg verstorben war. Die Tragödie rund um den Tod Markgraf Waldemars ein Jahr davor, ließ das Gefüge Brandenburgs und weiter Teile des Nordostens des Reichs bereits erbeben. Wie sollte es jetzt erst werden? Noch heute ist man sich uneins, starb er im Juli oder im August? Trat er nach der königlichen Verfügung vom 18. Juni 1320 überhaupt je die Regentschaft an oder blieb ihm nach der hoffnungsspendenden Tat des Onkels nur der baldige eigene Tod, ohne je aus dem Schatten der rivalisierenden Vormünder getreten zu sein?
Eine Urkunde, die einzig existierende die überhaupt in der Lage ist etwas Licht in das Drama um Heinrichs Wirken oder Nichtwirken zu bringen, wollen wir uns näher betrachten. Gerken, auch nicht Riedel, und selbst nicht Krabbo, die großen märkischen Urkundenkatalogisierer und Kommentatoren des 18., 19. und frühen 20. Jahrhunderts, übersahen in ihren Arbeiten dieses Dokument, das von Johann Samuel Seckt in seinem ersten Teil „Versuch einer Geschichte der uckermärkischen Hauptstadt Prenzlau“ 1785 vom Original übernommen abgedruckt wurde.

 

Der eigentliche Inhalt ist wenig spektakulär aber hervorragend geeignet wichtige Rückschlüsse zu ziehen. Agnes und ihr Sohn Heinrich bestätigten darin den Nonnen des Prenzlauer Maria Magdalenen Klosters ihr altes, zwischenzeitlich von anderer Stelle streitig gemachtes Patronatsrecht über einige umliegende Dörfer und Kirchen. Wir sehen Agnes und mehr noch ihren mündig gesprochenen Sohn Heinrich erstmalig eine selbstständige Regierungshandlung tätigen. Dem Voraus ging die Anreise aus der heute im Landkreis Mansfeld-Südharz liegenden Stadt Sangerhausen. Erstmals wird Heinrich auf dem Kerngebiet der Mark Brandenburg erwähnt. Zuvor scheint er nie außerhalb der alten Residenzstadt seines Vaters gewesen zu sein, zumindest existieren keine Hinweise. Berücksichtigt man die Situation, wie sie Ende Juli 1320 in der Uckermark vorherrschte, als sie noch durch Heinrich von Mecklenburg besetzt war und dieser allem Anschein nach erst Anfang August vertrieben werden konnte, kann die Urkunde nur aus dem August sein. Warum nicht sogar später? Wir kommen noch darauf zurück.
Wenngleich der junge Markgraf den Bitten der erwähnten Nonnen mit Sicherheit gerne nachkam, darf man ebenso sicher annehmen, dass er vor diesen weitaus wichtigeren Vasallen und Städte den Vorzug gegeben hat und erst deren Rechte und Privilegien bestätigte. Allein die in der Urkunde zahlreich erwähnten uckermärkischen Adelsleute sowie städtischen Ratsleute aus Prenzlau und Pasewalk, sind untrüglicher Beweis, dass ein großer Anlass sie nach Prenzlau geführt hatte. Was anderes als ein festlicher Belehnungsakt, gefolgt von der Huldigung einem neuen Landesherren könnte hierfür Ursache gewesen sein? Auch wenn hierzu keine Dokumente vorhanden sind, liegt die Vermutung sehr nahe, dass Heinrich in Prenzlau vom anwesenden Landadel und den Abgeordneten der Städte gehuldigt wurde. Die damit verbundenen Urkunden sollten, das war keineswegs unüblich, später erst ausgestellt werden, zumal Heinrich zu diesem Zeitpunkt noch kein eigenes Siegel führte, wie die Urkunde zugunsten des Prenzlauer Nonnenklosters bewies. Ein Problem stellte dies keineswegs dar. Meistens wurden Urkunden erst nachträglich von Kanzleien angefertigt und im Nachgang besiegelt. Die am Tag der Vertragsschließung unter Zeugen vorgenommenen Vereinbarungen waren auch so rechtskräftig. Wahrscheinlich waren davon schlichte Mitschriften vorhanden, doch wurden die eigentlichen, meist aufwendig angefertigten, manchmal auch in materieller Hinsicht wertvollen Dokumente erst im Anschluss von sachkundigen Skriptoren hergestellt und bei Bedarf vervielfältigt. Das Fehlen irgendwelcher Urkunden die beispielsweise die durch Heinrich bestätigten Privilegien der Stadt Prenzlau nachzuweisen in der Lage sind, stellt keinen Widerspruch dar. Heinrichs schnell darauffolgender Tod verhinderte die anschließende Ausfertigung dieser Urkunden. Da die Mark nun einem wirklich völlig offenen Schicksal entgegen taumelte, schlimmer als noch nach dem Tod Waldemars, und es völlig offen war, ob Brandenburg als Fürstentum überhaupt weiterbestehen und wer dann der neue Herr sein würde, waren alle kürzlich erteilten Privilegien einerseits, alle geleisteten Huldigungen andererseits, gegenstandslos geworden. Jeder aufgewandte Pfennig, um wertlos gewordene Urkunden anzufertigen, nur um Vorgänge zu dokumentieren, die keine Rechtsgültigkeit mehr hatten, wäre reinste Verschwendung gewesen.
Die Frage ob Heinrich seine Regierung antrat und ob er eigene Regierungshandlungen vornahm, ist durch die Existenz vorerwähnter Urkunde beantwortet. Bleibt die Frage nach der Todesursache. Es war kein Geheimnis, dass er als kränklicher Knabe unter der ständigen, sorgenvollen Hege seiner Mutter stand und bis vor Kurzem nicht einmal in der Mark gesehen wurde, was übrigens nochmal erklärt, weshalb ihn beim Tod Waldemars keiner der märkischen Vasallen persönlich kannte und selbst von seiner Existenz mit großer Sicherheit nichts wussten. Wenn wir wiederholt lasen, dass Heinrich kränklich war, so beruht die Annahme auf den ganz wenigen Schriftstücken, die überhaupt ihn betreffend existieren und wo dies fast beiläufig, ohne es zu konkretisieren, erwähnt wird. Man gewinnt fast den Eindruck, dass es ihm nachträglich angedichtet wurde, um damit sein frühes Ableben erklären zu können. Im Fall Heinrichs bleibt alles Spekulation, es ist gibt bislang keine bekannten Hinweise die sich dazu äußern wie er starb. Dass es auch keine Spekulationen gab, zumindest keine, die die Zeit überdauert hätten, verwundert. Mutmaßungen der noch heranwachsende Markgraf könnte Opfer eines Giftattentats geworden sein, vermisst man erstaunlicherweise, wo doch sonst dieser Verdacht fast immer bemüht wurde, wenn ein Mensch ohne näher bekannte Gründe dahinschied. Wer aber hatte vom Tod Heinrichs II. den größten Nutzen? Kurzfristig zunächst alle die sich an den Landschaften der Mark in den zurückliegenden 12 Monaten gütlich taten. Mittel- oder langfristig jedoch hauptsächlich Herzog Rudolf von Sachsen-Wittenberg, der sich jetzt mehr den je als Vorsteher des ältesten noch existierenden askanischen Zweigs auf die Belehnung mit der Mark Brandenburg Hoffnung machen konnte. Würde sich sein von ihm gewählter und unterstützter Wunschkandidat, der Habsburger Friedrich der Schöne, im Ringen um die Königskrone durchsetzen, wäre es praktisch spruchreif. Der größte Nutznießer der Situation zu sein, reicht dennoch nicht aus, dem Herzog eine heimtückische Gewalttat zu unterstellen und so bleibt der Tod des letzten Askaniers in Brandenburg ein ungelöstes Rätsel.

Was wird von der Mark Brandenburg übrig bleiben? Teilt sie das Schicksal der Mark Lausitz und wird zerstückelt unter den angrenzenden Fürsten oder geht sie, das was noch vorhanden war, als Erbe an die askanische Nebenlinie Sachsen? Sollte ein askanische Wiederbelehnung erfolgen, wie werden sich die jüngeren Zweige verhalten, kommt es zum Erbfolgestreit?
Fällt sie stattdessen als erledigtes Lehen ans Reich zurück und wird vom römisch-deutschen König neu verliehen? Wenn ja, wer wird sich an der Spitze des Heiligen Römischen Reichs durchsetzen?


Buch 1, Kapitel XV: „Der Höhepunkt ist überschritten“


Politischer Kurswechsel

Während Ende 1313 am Rhein die luxemburgische, in Wien die habsburgische Partei um den verwaisten römisch-deutschen Thron rangen, zerschlugen sich Waldemars Absichten bezüglich der Kandidatur seines Halbonkels Heinrich. Es zogen dunkle Wolken auf, die nun seine ganze Aufmerksamkeit fesselten und gleichzeitig die eingeleiteten Wahlaktivitäten völlig zunichte machten. Zum Jahresende wurden im Norden des Reichs die Weichen zu einem neuerlichen Krieg gestellt. Wie im zurückliegenden Kapitel gelesen, waren die Seestädte Rostock und Wismar in langwierigen und verlustreichen Kämpfen von einer dänisch-norddeutschen Fürstenkoalition unterworfen worden. Stralsund und Greifswald leisteten unterdessen weiter gegen ihren Landesherren energischen Widerstand. Fürst Wizlaw von Rügen klagte fortgesetzt gegen die Anmaßungen seiner abtrünnigen Stadt Stralsund, und bezeichnet diese als Pestbeule in seinen Landen. Am 2. Januar 1314 schloss er zu Grevismühlen mit Herzog Erich von Sachsen-Lauenburg, Herrn Heinrich von Mecklenburg, den Grafen Nikolaus und Heinrich von Schwerin, den Grafen Gerhard und Henning von Holstein, und den Herren Nikolaus und Johann von Werle ein Abkommen zur gegenseitigen Hilfe. Auch König Erik von Dänemark trat dem Bündnis bei. Im Wesentlichen handelte es sich also wieder um die gleiche Konstellation, die in den Vorjahren erst gegen Wismar, dann gegen Rostock erfolgreich vorgegangen war.
Mit Verwunderung vermisst man in der Liste den Namen des brandenburgischen Markgrafen. Da der sich deutlich abzeichnende Krieg eine Fortsetzung des vorherigen war, Sinn und Zweck derselbe blieben, nämlich die noch ausstehenden beiden rebellischen Städte zum Gehorsam zu zwingen, war nichts natürlicher, als Waldemar wieder an der Seite der alten Bundesgenossen zu finden. Vor dem Hintergrund, dass Herzog Wartislav IV. von Pommern-Wolgast der einzige Verbündete der Stadt Stralsund war, mit dem Waldemar seit einiger Zeit verbissen um Hinterpommern Krieg führte, wäre es eine geradezu ideale Konstellation und Chance gewesen, den dortigen Konflikt für sich zu entscheiden. Ganz leicht hätte Waldemar die eigenen Territorialinteressen mit jenen der Verbündeten kombinieren können. Stattdessen geschah das Unbegreifliche. Waldemar verband sich noch vor dem Frühjahr 1314 mit Stralsund, schloss unmittelbar mit Pommern-Wolgast Frieden und trat die zuvor hart umkämpften hinterpommerschen Gebiete an Herzog Wartislav IV. ab, der dafür dem Bündnis Waldemars gegen die Gegner Stralsunds beitrat. Mit diesem unerklärlichen Schritt sabotierte Waldemar nicht nur brandenburgische Interessen bezüglich der Oberlehnsherrschaft hinsichtlich Pommerns, er beschädigte auch die bisherige Freundschaft zu König Erik von Dänemark, gleichzeitig stellte er sich gegen den verwandten Herzog Erich von Sachsen-Lauenburg, mit dem erst am 31. Oktober 1313 jener Vertrag zu Königsberg in der Neumark geschlossen wurde, wonach beide askanischen Fürstenhäuser in Eintracht anlässlich der Königswahl vorgehen wollten. Sein Entschluss muss allgemein große Bestürzung ausgelöst haben, sicher aber nirgendwo mehr, als in der heimischen Mark selbst. Man tat was möglich war, um ihn umzustimmen, ohne Erfolg. Viele der bislang engsten Räte erschienen nun nicht mehr bei Hofe, wandten sich ganz von ihm ab und mancher darunter verband sich mit der Gegenseite und trat in direkte Opposition zu ihm. Neue Namen traten jetzt bei Hofe auf. Die Zeiten mochten noch so stürmisch sein,  zu allen Zeiten fanden sich Leute, die in entstandene Lücken nachzurücken gewillt waren, um damit am fürstlichen Hofe zu Geltung und Ansehen zu kommen.
Waldemar ergriff die Initiative, während seine Gegner noch ganz befangen und irritiert waren. Sie konnten seinen Abfall und völlige Kehrtwende nicht deuten. Er zog mit einem Heer nach Vorpommern, wo sich Wartislav IV., sowie Stralsunder Truppen dem brandenburgischen Heer anschlossen. Vereint gingen sie gegen Wizlaws festländisches Territorium vor und belagerten die Stadt Loitz, die schon nach zwei Tagen fiel. Dänemark reagierte als erstes und sandte dem schwer bedrängten Rügener Fürsten eine Kriegsflotte zur Unterstützung. Es zeigte Wirkung, das rebellische Greifswald ließ sich davon beeindrucken und unterwarf sich kampflos dem König, öffnete den Dänen Tore und Hafen, so dass Hilfstruppen unbehelligt angelandet werden konnten. Stralsund war indes gut gerüstet. Es hatte neben einer festen Stadtmauer, erst kürzlich mehrere starke Außenwerke zusätzlich errichtet. Zahlreiches Kriegsvolk, darunter viele abtrünnige Rügener Ritter, wurden unter Sold genommen. Gegen die Stadt konnte man nicht mit Aussicht auf Erfolg vorgehen, es sei denn man war gewillt entweder schwere Verluste in Kauf zu nehmen oder über Wochen, eher noch Monate, die Stadt auszuhungern.
Um die gleiche Zeit des Frühjahrs 1314, wir hatten es im letzten Abschnitt des vorigen Kapitel unerwähnt gelassen, leistete Waldemar gegenüber dem Mainzer Erzbischof einen Eid, demgemäß er bei der Königswahl seine Stimme nicht dem Habsburger Friedrich gäbe. Im Grunde wäre die Angelegenheit wegen der vielen, wechselhaften Absprachen, die seit dem Tod des Kaisers erfolgten, kaum weiter erwähnenswert aber der Fall ist geeignet, die vielen Winkelzüge und Verworrenheit im Zusammenhang einer Königswahl auseinanderzulegen.  Die österreichische Partei musste eigentlich schon seit Herbst 1313 damit rechnen, Waldemar nicht mehr auf ihrer Seite zu haben, dass sie jedoch weiterhin arglos war, beweist die bisherige Geheimhaltung der im Oktober 1313 entstandenen brandenburgischen Partei, mit der niemand rechnete. Plötzlich rückte sein Onkel Heinrich als Kurteilnehmer nach, indem man das Wahlrecht Waldemars je nach Lage der Dinge in Frage stellen würde, vergleichbar der Situation zwischen Sachsen-Wittenberg und Sachsen-Lauenburg. Als ältestem der brandenburgischen Askanier gebührte Heinrich nach überlieferter Sitte streng genommen das Recht zur Königswahl, bislang schien er aber freiwillig zugunsten seines Neffen Waldemar verzichtet zu haben. Heinrichs eigene Hoffnungen auf den Thron, gleich wie groß sie je waren, hatte sich wie erwähnt im Frühjahr 1314 zerschlagen, seit Waldemars Intervention auf der Seite Stralsunds. Seither stand Herzog Erich von Sachsen-Lauenburg auf der gegnerischen Seite und alle die Wahl betreffenden Vereinbarungen vom Oktober 1313 waren mit einem Schlag dahin. Heinrich, möglicherweise in völliger Unkenntnis der Haltung des Neffen, versprach am 1. Mai 1314 zu Speyer seine Stimme dem Habsburger Friedrich zu geben. Er stand damit diametral den Absichten Waldemars entgegen. Heinrich gab in dem Zusammenhang auch Friedrichs Bruder, Herzog Leopold von Österreich die Zusage, ihm stattdessen die Stimme zu geben, für den Fall dass Friedrich noch vor erfolgter Wahl stürbe. Wir können nicht ausschließen, dass zwischen Waldemar und Heinrich im Frühling 1314 eine Verstimmung zu diesem gegensinnigen Vorgehen animierte. Vielleicht bot Waldemars irrationales Engagement für Stralsund, wider die alten Bündnispartner Brandenburgs, ausreichenden Anlass dazu, es bleibt ungewiss. Selbst eine Finte, eine beabsichtige Täuschung aller Parteien war denkbar. Immerhin waren die Wahlabsprachen üblicherweise streng vertraulich und deren Inhalte wurde oft erst in späteren Zeiten, nach erfolgter Wahl bekannt. So war nicht auszuschließen, dass die brandenburgischen Kurkandidaten mit allen Seiten in Verhandlungen standen und sich alle Optionen offen hielten. Während Waldemar ohne Nennung eines Favoriten nur die Wahl Friedrichs gegenübet dem Mainzer Erzbischof in aller Heimlichkeit ausschloss, gelobte Heinrich verbindlich genau diesen Friedrich zu wählen. Die brandenburgische Partei, so sie denn überhaupt noch existierte, hatte damit, trotz scheinbar völlig gegensätzlicher Haltung seiner Markgrafen, in Wirklichkeit alle Hände frei, sofern sie nicht wirklich untereinander zerstritten waren. Sie konnten je nach Lage der Dinge entweder Waldemar oder Heinrich wählen lassen und so im Gesamtsinne der Dynastie entscheiden. Dass vielleicht wirklich geschicktes Kalkül dahinter steckte, mag eine Urkunde vom 9. Mai 1314 zeigen, woraus ersichtlich wird, dass die österreichische Partei ganz offenbar weiterhin der festen Überzeugung war, dass Waldemar seine Stimme Friedrich gäbe, woraus  zu erkennen ist, dass man seitens der Habsburger Partei nichts von dessen gegenteiliger Vereinbarung mit dem Mainzer Erzbischof wusste. Erzbischof Heinrich von Köln, sowie Bischof Johann von Straßburg wurden in genannter Urkunde von Herzog Leopold von Österreich, dem Bruder des Habsburger Thronkandidaten bemächtigt, mit Waldemar von Brandenburg über alles zu verhandeln, was vom zu erwählten König dem Markgrafen an Kosten, Freiheiten und Rechten zu leisten sei. Er verspricht im Namen seines Bruders Friedrich, sollte er gewählt und gekrönt werden, alles zu erwirken, was immer besagter Erzbischof und Bischof feststellen und anordnen mögen. Das Geschacher hinter den Kulissen ging noch ein halbes Jahr. Wie im letzten Kapitel gesehen, unterließ Heinrich schlussendlich seine Stimmabgabe und Waldemar stimmte gemäß seinem Versprechen nicht für Friedrich, sondern für Ludwig von Bayern, mit dem Waldemars Onkel Heinrich verschwägert war, den dieser war mit Agnes von Wittelsbach, der ältesten Schwester Ludwigs verheiratet.
Wenn im Zusammenhang mit der Königswahl von Kostenerstattung gesprochen wird, ist es die reinste Schönfärberei. Die ursprünglich als Aufwandsentschädigung gedachte Ausgleichszahlung war mittlerweile zum regelrechten Stimmenkauf verkommen. Echte Ausgaben, in Form von Verpflegungsaufwänden etc. waren unzweifelhaft darin enthalten, doch schaut man sich beispielhaft die Zusagen an, wie sie einem Kölner Erzbischof von den Habsburgern unterbreitet wurden, kann der wahre Charakter dahinter nicht verborgen bleiben. Als Unkostenersatz soll Erzbischof Heinrich von Köln 40.000 rheinische Mark Silber erhalten, seine Räte nochmals jeweils 2.000 Mark. Dass dem Erzbischof, trotz seiner unbestritten großen Anstrengungen und Verdienste um Friedrich den Schönen, unter überhaupt keinen Umständen reale Kosten in einer derart hohen Summe angefallen sein konnten, erklärt sich von selbst, auch unter Berücksichtigung der extremen Teuerung zu jener Zeit, die eine Folge wiederholter, witterungsbedingter Ernteausfälle war. Der Stimmenkauf war zu einer beklagenswerten Unsitte geworden. Dabei galt es nicht nur die Kurfürsten zu befriedigen, auch andere einflussreiche Fürsten, weltliche wie geistliche, mussten bei Laune gehalten werden. Der Ausverkauf königlicher Vorrechte und Einkünfte ging rasch und rascher voran. Es war zu befürchten, dass das Reichsoberhaupt demnächst kaum mehr als Primus inter pares war, dessen machtpolitische Entfaltungsmöglichkeiten sich faktisch nur noch auf die eigene Hausmacht stützten, und der kaum mehr über Reichsgut und immer weniger über Reservatrechte verfügte.

Kehren wir wieder an den Kriegsschauplatz des Rügener Vorlands zurück. Die Verbündeten erkannten, dass sie bei dem übermächtigen Beistand, den Waldemar Stralsund leistete, wenig gegen die Stadt ausrichten konnten, und hielten es für ratsamer einen Vergleich anzubieten. Am 11. Juni 1314 wurde zu Brodersdorf bei Gnoien, in der Herrschaft Rostock, zwischen König Erik und Waldemar, dem der Antrag sehr gelegen kam, weil das Auf und Ab anlässlich der Königswahl ihn nicht kalt lassen konnte, unter folgenden Bedingungen Frieden geschlossen: Das Bündnis zwischen Stralsund und dem Markgrafen soll aufgehoben, die Schutzbriefe dem Fürsten Wizlaw von Rügen ausgehändigt werden. Der Markgraf trat die nächsten drei Jahre als Schutzmacht der Stadt auf. Die Stadt soll innerhalb acht Tagen ihrem Fürsten huldigen und alle neuen Burgen und Außenwerke, außer drei nahe vor den Mauern stehenden, innerhalb von acht Tagen niederlegen. Dagegen wird Wizlaw der Stadt alle Freiheiten und Privilegien bestätigen und unverletzt aufrecht erhalten. Alle Streitigkeiten, welche zwischen Markgraf Waldemar und dem König von Dänemark, sowie dessen Verbündeten, besonders den von Alvensleben und von Kröchern, Waldemars ehemaligen Räten, die von ihm abgefallen und ins gegnerische Lager übergegangen waren, existierten, sollen durch Schiedsrichter in Güte beigelegt, oder wenn dies fehlschlüge, durch Rechtsspruch entschieden werden. Markgraf Waldemar wählte dazu den Bischof von Cammin und die Herzöge von Pommern-Stettin und Pommern-Wolgast; König Erich den Grafen Nikolaus von Schwerin, Herrn Heinrich von Mecklenburg und den Grafen Otto von Hoya. Sie sollen in Neubrandenburg zusammentreten und sich beraten. Fürst Wizlaw verspricht sich nicht an Stralsund zu vergreifen; ebenso verspricht Waldemar, während dieser Zeit keine Rache an den von Alvensleben und von Kröchern zu nehmen.


Markgraf Johann wird volljährig

Nach Waldemars erstaunlich kurzem, unverhofft erfolgreichem Feldzug im Norden, kehrte er als Sieger in die Mark zurück, wo wir ihn unter anderem in Prenzlau und Spandau urkunden sehen. Im August 1314 wurde sein bisheriges Mündel, der junge Markgraf Johann, endlich mündig. Mit nunmehr 12 Jahren trat er selbstständig die Regierung in den Ottonischen Landesteilen an. Die Mark war wieder in die 1258 begründeten beiden Hauptlinien geteilt, die damals von den Markgrafenbrüdern Johann I. und Otto III., den sogenannten Städtegründern, geschaffen wurden.
Am 16. August 1314 urkundete Johann, er wird in der Geschichtsschreibung als Johann V. von Brandenburg geführt, im Jagdschloss Werbellin erstmals in seiner neuen Rolle als selbstständiger Regent. Als Zeugen zugegen waren seine Räte Heinrich von Alvensleben, Ludwig Schenk von Schenkendorf, Ludwig von Wanzleben und Droisecke von Kröchern. Alle Genannten waren vormals Räte an Waldemars Hof und waren im Frühjahr anlässlich des Stralsunder Konflikts auf die Seite der Gegner Waldemars gewechselt. Ihr damaliger Schritt war sicherlich begünstigt von der bald erwarteten Mündigkeit Johanns, ihres Herren. Auch Johanns Mutter Anna, die Herzogin von Breslau, war bei dieser ersten dokumentierten Regierungshandlung anwesend. Wir dürfen jenen 16. August, oder zumindest ein Datum kurz davor, als den Geburtstag Johanns vermuten.
An der im Herbst am Rhein vollzogenen Königswahl nahm er keinen Anteil, so dass es unter den brandenburgischen Askaniern nicht zum gleichen Streit um das Kurrecht kam, wie es bei den sächsischen Vettern aus Wittenberg und Lauenburg der Fall war.
In den kommenden Monaten reiste der junge Regent durch sein Land, bestätigte Städten und anwesendem Vasallenadel die Rechte und ließ sich im Gegenzug als Landesherr huldigen, ganz wie es Brauch und Sitte vorsah. Wir sehen ihn unter anderem zu Spandau aber auch in den Städten Waldemars, wo er die Eventual Huldigung Prenzlaus und Stendals einholte, für den Fall, dass Waldemar kinderlos stürbe. Der bislang ohne Nachkommen gebliebene Markgraf, sah Johann für alle Fälle als seinen vorläufigen Erben vor. Johanns Mutter, so scheint es, war in all der Zeit an der Seite ihres Sohnes. Auch im Jahre 1315, so am 1. März in Tangermünde, am 22. Juni und ebenso am 13. Juli in Salzwedel, am 22. Juli und 25. Juli in Eberswalde etc., erscheint sie in seinem Gefolge. Dass sie in den Zwischenzeiten seit August 1314 nach Breslau zurückgereist wäre, evtl. sogar mehrfach, ist zwar denkbar, doch eher unwahrscheinlich.
Johanns Verhältnis zu Waldemar war auch nach dessen Regierungsantritt sehr eng und vertrauensvoll geblieben, kein Anzeichen einer Waldemar gegenläufigen Politik, obwohl Johanns Räte eine ausgesprochen oppositionelle Haltung gegenüber dem vormaligen Vormund vertraten und Waldemar diesen grollte, wie wir noch lesen werden. Beide Markgrafen verkehrten zahlreiche Male miteinander. Die erwähnte Eventual Huldigung war nur ein Ausdruck des guten gegenseitigen Einvernehmens. Im Zusammenhang einer anderen, für ganz Brandenburg besonders kritischen Angelegenheit, kommen wir nochmal auf das enge Verhältnis zu sprechen.


Nach der Königswahl

Markgraf Waldemar

Waldemar zog Ende Oktober 1314 von Frankfurt am Main, wo er Ludwig dem Bayern bei der Königswahl sein Stimme gegeben hatte, weiter nach Aachen, wohnte am 25. November der dortigen Krönung durch den Mainzer Erzbischof bei und reiste anschließend in die Mark zurück. Am 9. Dezember sehen wir ihn bereits zu Templin. In Brandenburg hoffte man allerorten, er möge das Land aus dem zu erwartenden Thronstreit an der Spitze des Reichs heraushalten. Es war zu einer unheilvollen Doppelwahl gekommen und nun stritten der Wittelsbacher Ludwig und der in Bonn vom Kölner Erzbischof gekrönte Habsburger Friedrich um den Thron. Bislang verstanden sich die brandenburgischen Askanier durch alle Generationen darauf, wie im Übrigen auch die sächsischen Vettern, dem Händel auf Reichsebene bestmöglich fern zu bleiben, doch gerade nach den Erfahrungen rund um Stralsund, musste man bei einem so unberechenbaren Wesen, wie es Waldemar wiederholt an den Tag legte, auf alles gefasst sein. Man konnte nur hoffen, dass ihm der Waffenerfolg im Frühjahr nicht zu sehr zu Kopf gestiegen war. Die Sorge seiner Ratgeber, Städte und Vasallen blieb unbegründet, er folgte der Tradition der Vorgänger und überließ die Entscheidung um die Spitze des Reichs den beiden rivalisierenden Kontrahenten und deren Verbündeten. Seine kurfürstlichen Gegenstücke im Reich, die rheinischen Erzbischöfe, der sächsische Verwandte in Wittenberg, taten es ihm gleich. Nur der neue böhmische Kurfürst, König Johann von Luxemburg, Sohn Heinrichs VI., des verstorbenen Kaisers, bezog aus berechtigter Sorge um sein böhmisches Reichslehen Partei auf der Seite des Wittelsbachers Ludwig, der ihm umgekehrt alle Garantien hinsichtlich Böhmen und Mähren gab.
Die Kurfürsten legten eine besorgniserregende Teilnahmslosigkeit an den Tag, was umso mehr irritierte, da sie durch ihre fehlende Einigkeit anlässlich der zurückliegenden Wahl, für den jetzigen Missstand im Reich überhaupt erst verantwortlich waren. Dass darüber der gesamte Reichsverband zu zerbrechen drohte, nahmen sie, wenn auch nicht völlig gleichgültig, so doch in Ausnutzung ihrer erstrittenen Privilegien in Kauf.
Markgraf Waldemar, in der Blüte seiner Mannesjahre, quälten indes andere Sorgen. Das anhaltende Ausbleiben eines eigenen Nachkommen bereitete ihm zunehmendes Leid. Er hatte zwar für den Fall eines vorzeitigen Tods den jungen Johann als Erben eingesetzt, doch gab ihm dieser Gedanke, bei aller ehrlich empfundenen Sympathie und verwandtschaftlichen Nähe, keine Ruhe und Genugtuung. In Urkunden finden wir jetzt immer wieder Redewendungen als Schlussformel wie, „… er und alle seine Erben, wenn Gott ihm welche geben wollte …“ oder ähnliche Formulierungen. Ein unfruchtbare Ehe wurde als Gottesstrafe empfunden. Das von jeher geltende Verbot der Verwandtenheirat, mit all den daran geknüpften kirchlichen Satzungen, fußte auf der Beobachtung, dass solche Ehen oft unfruchtbar waren und schwächlichen, wenn nicht sogar merklich geistig oder körperlich behinderten Nachwuchs hervorbrachten. Waldemar mochte das wohl ahnen, allein es war nun nichts mehr zu ändern. Es ist nicht überliefert, ob die anhaltende Kinderlosigkeit für die Ehe zur emotionalen Belastungsprobe wurde, wir müssen zumindest rechnen, dass es das gegenseitige Verhältnis nicht eben förderte. Woher die Kinderlosigkeit letztendlich herrührte, ob wegen der nahen Blutsverwandtschaft, oder aus  anderen Gründen, wird nirgendwo zeitgenössisch thematisiert und so muss die Frage, will man nicht in wilde Spekulationen verfallen, schließlich unbeantwortet bleiben, so brennend sie auch ist.


Große Allianz wider Brandenburg

Trotz des am 11. Juni 1314 zu Brodersdorf geschlossenen Friedensvertrags zwischen Waldemar und Stralsund auf der einen, Fürst Wizlaw von Rügen und seinen Verbündeten auf der anderen Seite, kam es zwischen Stralsund und Wizlaw weiterhin zu Auseinandersetzungen und gegenseitigen Kränkungen ihrer jeweiligen Rechte. Die Stadt nahm sich laut Wizlaw mehr heraus als vereinbart war, während Stralsund dagegen hielt, und dem Fürsten von Rügen unlautere Druckmittel nachsagte. Waldemar, der seit August 1314, seit der Mündigwerdung Johanns, nur noch über den Johanneischen Teil Brandenburgs gebot, und gemäß Friedensvertrag auf drei Jahre zum Schutzherren der Stadt erklärt wurde, versäumte nicht, anlässlich der Streitigkeiten Stralsunds mit ihrem rechtmäßigen Landesherren, einseitig Partei zugunsten der Stadt und gegen den Fürsten von Rügen zu beziehen. Die reiche Seestadt sagte dem notorisch klammen Markgrafen großzügige finanzielle Zuwendungen zu, würde er ihr die als rechtens erachteten Privilegien bewahren. Das Jahr 1314 ging unter diesen Vorzeichen mit erhitzten Gemütern zu Ende, doch immerhin hielt der Friede, was auch auf die kalte Jahreszeit zurückzuführen war. Fürst Wizlaw wollte nach Möglichkeit einem neuerlichen Krieg mit dem heißblütigen Markgrafen aus dem Weg gehen, die Erfahrungen vom Vorjahr waren noch wach in ihm, weshalb er im März 1315 beim dänischen König Erik um Vermittlung in der Sache ersuchte. Wizlaw ging wohl mit großer Wahrscheinlichkeit von den alten freundschaftlichen Beziehungen zwischen dem König und Waldemar aus. Erinnern wir uns, das große Turnier zu Rostock lag noch keine fünf Jahre zurück. Damals waren Erik von Dänemark und Waldemar in engstem und lebhaftestem Einvernehmen. Eine lang anhaltende Allianz beider Fürsten schwebte jedermann vor Augen, doch die Ereignisse im Zusammenhang Stralsund vor einem Jahr, trieb einen Keil zwischen beide Männer und vielleicht war schon davor ein Schatten über dem Verhältnis. Waldemar kehrte wie wir wissen 1314 allen seinen bisherigen Verbündeten und Freunden den Rücken zu und trat als Anführer des gegnerischen Lagers auf. König Erik war es im Frühjahr 1315 ganz und gar nicht nach Vermittlerrolle, aus seiner Missstimmung war Groll geworden. Wenn er auch nach außen den Anschein erweckte den gefährdeten Frieden schützen und erhalten zu wollen, plante er im Hintergrund die Niederwerfung und Demütigung des unberechenbaren und anmaßenden märkischen Markgrafen, dessen Einflussausweitung auf den für Dänemark so wichtigen westlichen Ostseeraum zu einem echten Problem zu werden drohte. Während König Erik noch ganz am Anfang der Bildung einer großen Koalition gegen Brandenburg war, sandte er derweil seinen Unterhändler Johann Oloff zu Waldemar, und ließ ihn an die geschlossenen Verträge mit dem Fürsten Wizlaw und ihm erinnern. Waldemar bestand darauf, alle Rechte des Fürsten von Rügen gewahrt und diese nirgendwo geschmälert zu haben, er verteidige als Schutzherr Stralsunds nur die Freiheit der Stadt, wozu er vertraglich aufgefordert ist. Der dänische Unterhändler musste ohne Ergebnis abziehen. Für den 2. Juni 1315 war zu Brodersdorf, dem Ort, wo schon vor einem Jahr der bisherige Friedensvertrag geschlossen wurde, eine Zusammenkunft beschlossen. Eingeladen waren Waldemar, Wartislav von Pommern, Heinrich von Mecklenburg, Wizlaw von Rügen, die Grafen von Holstein und König Erik von Dänemark. Ziel war es den schwelenden Streit in Güte beizulegen, bevor er eskaliert. Das Treffen kam nicht zustande, Waldemar, der von der im Aufbau befindenden Koalition gegen ihn erfahren hatte, blieb der Versammlung fern. Schon am 23. Mai hatte der dänische König zu Sternberg im Mecklenburgischen mit dem Grafen Otto II. von Anhalt-Aschersleben, einem weitläufigen askanischen Verwandten des Hauses Brandenburg, einen Lehnsvertrag geschlossen, worin sich der Graf verpflichtete, gegen Zahlung von jährlich 500 Mark seeländischem Silbers, den König im Kriegsfalle mit 100 Panzerreitern zu unterstützen. Wenn Markgraf Waldemar auch nicht extra als Gegner genannt wurde, war nicht nur die Art des Abschlusses sondern auch die weiteren Vertragsteilnehmer eindeutig genug, um daraus unzweifelhaft abzuleiten, gegen wenn dies Bündnis gerichtet war. Es ist wahrscheinlich, dass Waldemar wegen der verwandtschaftlichen Nähe zum anhaltinischen Hof von diesem Abschluss erfuhr, nicht notwendigerweise vom Grafen selbst, und deswegen das Treffen in Brodersdorf als hinfällig betrachtete. Ein weniger hitziger Fürst hätte sich wahrscheinlich unwissend gestellt, wäre zum verabredeten Ort gekommen, um auf diese Art Zeit zu gewinnen und keinen Anlass des Ärgers zu geben. So aber konnte Waldemar den eigenen eitlen Stolz nicht überwinden und öffnete mit seinem Ausbleiben beim nicht minder stolzen dänischen König alle Schranken, dessen Zorn nun überkochte. Er war spätestens jetzt entschlossen den Brandenburger zu züchtigen und sollte er sich nicht demütig unterwerfen,  bis zu dessen totalem Untergang.
Dem Bündnis wider Waldemar schlossen sich allerlei märkische Adelshäuser an, die meisten aus den Ottonischen Landen stammend, darunter die von Alvensleben mit ihren Schlössern Alvensleben, Weferlingen und Jerrheim, die von Kröchern mit den Schlössern Calbe und Betzendorf sowie Ludwig, Günzel, Busse und Bode von Wanzleben, Hermann von Wederde, Rudolf und Heinrich von Neugatersleben, Erich von Gatersleben, Bertram von Veltheim zu Harbke, Johann von Ampeleben, Balduin von Dalum, Jordan von Neindorf und Heinrich Schenk von Flechtingen mit den Schlössern Ampfurt, Altenhausen, Wanzleben, Gommern, Jüterbog, Zörbig, Neu Gatersleben, Haus-Neindorf, Alt Gatersleben und Dalum. Erik versprach sie zu schützen, zu ihrem Recht bei ihrem Lehnsherren, dem Markgrafen Johann zu verhelfen, der fest zu seinem vormaligen Vormund stand, und mit dem sie deswegen im Streit lagen. Der König wollte nicht eher mit Waldemar und Johann Frieden schließen, bis sie wieder zu Gnaden angenommen und ihre Beschwerden abgestellt wären.
Worin lagen die Beschwerden des märkischen Landadels? In der Beantwortung dieser Frage liegt womöglich auch der Schlüssel zu der noch bedeutsameren Frage, worin der Auslöser von Waldemars totaler politischer Kehrtwende, seiner Abkehr von der bisherigen Fürstenkoalition und Hinwendung zu den Seestädten, bzw. zu den Städten ganz allgemein lag. Letztendlich ist es eng verknüpft mit den seit gut einer Generation wandelnden ökonomischen Verhältnissen. Wir wissen zwischenzeitlich, Waldemar brauchte immer Geld. Geld für seine Hofhaltung, Geld für seine kriegerischen Aktivitäten und ebenso um sich seinen Anhang gewogen zu halten, den er fürstlich zu belohnen gewohnt war. Schauen wir uns die fürstlichen Geldquellen an. Die brandenburgischen Markgrafen waren seit Erschließung der Regionen jenseits der Elbe faktisch die alleinigen Grundbesitzer in der Mark. Anlässlich des jahrzehntelangen Zehntstreits, offiziell von 1210 bis 1238 mit den Bistümern Brandenburg und Havelberg geführt, erst unter den markgräflichen Brüdern Johann I. und Otto III. mit einem Vergleich beigelegt, erkennen wir, dass die märkischen Askanier sogar das sonst übliche Kirchenprivileg auf den Zehnten in ihren Landen über der Elbe in Frage stellten und die sonst von der Kirche eingezogenen Abgaben stattdessen selbst einbehielten, was einen nicht unerheblichen Finanzvorteil gegenüber den sonstigen Fürsten bedeutete. Die landesherrlichen Einnahmen flossen daher seit Grundlegung der Mark zunächst üppig, bedingt durch die Besitzverhältnisse, wonach alles dem Markgrafen gehörte und praktisch jeder für das ihm zur Bebauung überlassene Land Abgaben in Form einer Grundsteuer leisten hatte. Ausgenommen war der Lehnsadel, der dem Landesherr dafür kostenfrei Heerfolge leisten musste. Über die Zeit nahm das Einnahmeniveau kontinuierlich ab. Verantwortlich dafür waren neben ungemein umfangreichen Schenkungen zugunsten der Kirche, um damit das eigene Seelenheil und das der Vorfahren zu fördern, besonders auch die Verpfändung oder der Verkauf fürstlicher Privilegien, sei es die niedere Gerichtsbarkeit, Zölle oder allerlei sonstige Vorrechte. Wie überall im Reich, wo akute Geldnot die Landesherren zum schrittweisen Ausverkauf ihrer Einnahmequellen zwang, hatte der kurzfristige Geldsegen schon mittelfristig die ärgsten Auswirkungen auf ihre Finanzen. Der Grundzins hatte sich trotz mittlerweile galoppierender Teuerung nicht verändert. Der bäuerliche Beitrag zu den landesherrlichen Einnahmen trat quantitativ immer mehr in den Hintergrund. Ein gehöriger Teil des Grundzins musste ohnehin der lokalen Administration, den Vögten etc. überlassen werden, die im Namen des Landesherren die Abgaben einholten, an den Hof abführten und dafür ganz legal mehr als nur einen kleinen Obolus einbehielten. Die  Einnahmen aus dem Kirchenzehnt waren seit der erwähnten Einigung eingebrochen. Wachsenden Anteil am Steueraufkommen hatten im Spätmittelalter die Städte, die als Wirtschaftsmotoren längst die Klöster abgelöst hatten. Abgaben aus dem Warenverkehr und allerlei andere wirtschafts- oder konsumgebundene Steuern füllten nicht nur die Säckel der Patrizier, sondern warfen auch so manch klingende Münze in die Kasse des Fürstenhaus. Die Mark Brandenburg hatte gemessen an der Größe seiner Bevölkerung, zur Regierungszeit Markgraf Waldemars waren es rund 200.000 Menschen, eine erstaunlich hohe Zahl Städte. Viele waren recht klein, die meisten mit weniger  als 1.000 Einwohnern bevölkert, und doch leisteten sie einen mittlerweile beachtlichen Beitrag zum Landeseinkommen. Waldemar war daher nicht nur aus wohlwollender Nachgiebigkeit geneigt den vielen Vorstellungen der städtischen Abgesandten ein Gehör zu schenken, sondern vor allem weil es ihm selbst nützte. Ging es den Städten wirtschaftlich gut, wirkte es sich auch auf seiner Einnahmenseite günstig aus. Die Zugeständnisse für die Städte kollidierten dabei vielfach mit den Vorrechten des Landadels, die in ihren ohnehin nur begrenzten Erwerbsmöglichkeiten weiter beschnitten wurden, woraus sich gerade mit den oben genannten Vertretern ein tiefgreifendes Zerwürfnis entwickelte, dass diese zu den schärfsten Gegenmaßnahmen animierte, nämlich ins Lager der Gegner Waldemars zu wechseln und dies jetzt schon das zweite Mal. Aus der verbindlichen Schutzzusage König Eriks hinsichtlich Sicherheit und Rechtewahrung zugunsten der märkischen Rebellen, entnehmen wir nicht nur die allgemeine Ernsthaftigkeit der Adelsleute, wir erkennen auch wie unerhört ihr Eidbruch gegenüber ihrem natürlichen Lehnsherren gewesen sein muss, andernfalls sie sich nun unter den Schutz einer fremden Macht hätten stellen müssen. Wenngleich der junge Markgraf Johann ihr wirklich Landesfürst gewesen ist und nicht Waldemar, zogen beiden märkischen Linien auch nach Beginn der selbständigen Regentschaft Johanns politisch an einem Strang und die märkischen Rebellen waren nicht nur bei Waldemar sondern ebenso bei Johann in völlige Ungnade gefallen. Der vertragliche Garantiepassus des dänischen Königs wurde für sie zu einer Frage von Leben und Tod.

Es blieb nicht bei der bisher überschaubar großen Allianz. Im Juni 1315 schloss König Erik ein Bündnis mit König Birger Magnusson von Schweden und Håkon V. von Norwegen, dessen Spitze gegen die Markgrafen von Brandenburg gerichtet war. Es folgte im gleichen Monat zu Krakau ein Vertrag mit König Władysław I. Ellenlang von Polen, der mit Waldemar noch eine Rechnung offen hatte und die Teilung Pommerellens mit dem Deutschen Orden anlässlich des Vertrags von Soldin September 1309 nie verschmerzt hatte. Władysław versprach vollmundig den König von Ungarn sowie die polnischen und russischen Fürsten  in die schon jetzt eindrucksvolle Koalition einzuladen. Das alles genügte dem Könige noch nicht. In Livland, wo sich Teile in dänischer Hand befanden und wo er war mit Reval wegen ihrer Befestigung seit geraumer Zeit im Streit lag, wurde er aktiv. Damit die Stadt nicht in dem von ihm geplanten Rachefeldzug gegen Waldemar auf dessen Seite intervenieren würde, söhnte er sich zunächst mit dem Bischof von Dorpat aus und sandte Unterhändler nach Reval, um sich mit den dortigen Bürgern zu verständigen. Auch mit den angrenzenden russischen Fürsten verglich er sich über strittige Grenzfragen, damit auch von dieser Seite Ruhe herrschte. Noch immer glaubte er sich verstärken zu müssen, um desto gewisser die Vernichtung seines neuen Intimfeindes garantieren zu können. Er schloß ein Bündnis mit Herzog Albrecht II. von Braunschweig-Wolfenbüttel, ebenso mit dem Erzbischof von Magdeburg, und außerdem mit den Grafen Gerhard und Johann von Holstein und den Grafen von Schwerin. Schließlich wußte er sogar noch Herzog Erich von Sachsen-Lauenburg zu bewegen, sich mit ihm gegen Waldemar zu verbünden.
Eine vergleichbar große Koalition gab es seit langer Zeit nicht mehr. Von allen Seiten bedrohten Gewitterwolken die Mark, wie man sie dort seit Bestehen nicht erlebt hatte. Waldemar war sich der Bedrohungslage wohl bewusst, sie schien ihn gleichzeitig aber nicht übermäßig zu ängstigen. Ganz seinem Naturell entsprechend wollte er in die Offensive gehen und nicht warten, bis seine Gegner sich sammeln konnten. Er glaubte dabei getrost darauf vertrauen zu können, dass die Allianz den Zahlen nach zwar furchteinflößend war, dass aber eine derartig vielfältige Zusammensetzung weder einheitlich koordiniert, noch effizient eingesetzt werden konnte. Jeder würde, wenn nicht vor Ort ein energischer, allgemein anerkannter Anführer die Leitung übernahm, seine Heerhaufen dort einsetzen, wo es am sinnvollsten erschien, ohne Rücksicht auf die Gesamtlage. Plündern und brandschatzen lag den unterstellten Heerleuten stets mehr am Herzen als lange, verlustreiche Belagerungen, bei deren Scheitern jede Beute durch die Lappen ging. Auch die Allianzmitglieder selbst waren alles andere als einander in unverbrüchlicher Treue verbunden. Neben Einzelfaktoren, einte sie allenfalls entweder der Hass auf die rebellischen  Seestädte oder auch Waldemar. Die skandinavischen Könige waren schon traditionell untereinander uneins und meist verfeindet. Der polnische König hatte zeitgleich alle Hände voll mit den Deutschrittern, besonders aber mit Böhmen zu tun, dem sich zwischenzeitlich die meisten schlesischen Herzogtümer angeschlossen hatten. Gleichzeitig waren Auseinandersetzungen mit unterschiedlichen einheimischen Magnaten in Polen fast schon obligatorisch. Man vergleiche hierzu die ähnlich komplexen Adelsverhältnisse im deutschen oder italienischen Reichsteil. Heinrich von Mecklenburg war über die dänischen Aktivitäten vor seiner Haustür, in der Herrschaft Rostock, nicht eben glücklich und trat dem Bündnis eher widerwillig bei, da zwischen ihm und Markgraf Waldemar wegen dem Land Stargard ein Streit entstanden war, auf den wir noch detaillierter zu sprechen kommen. Einige weitere Alliierte, Graf Otto von Anhalt wurde schon erwähnt, traten aus finanziellen Gründen in den Dienst König Eriks von Dänemark, so auch der Herzog von Lüneburg und Teile der Holsteiner Grafen. Letztere mussten wegen der Machtfülle des dänischen Nachbarn aufpassen nicht unter die Räder zu  kommen und seinen Unmut zu schüren, weswegen sie sich schon aus Gründen der Staatsräson, wie man heute sagen würde, in den großen Reigen einordneten. So lange Stralsund hielt, drohte den brandenburgischen Landen von Norden nur aus dem Mecklenburgischen Gefahr und hier wollte Waldemar zusammen mit seinen Alliierten mit einem eigenen Heer zur Stelle sein. Gefährlich konnte ihm aber auch Markgraf Friedrich von Meißen werden, mit dem der Friede in diesem Jahr abgelaufen war und der sich ebenfalls der nordischen Allianz anschloss. Es blieb aber südlich der Mark ruhig. Auch der Magdeburger Erzbischof bellte mehr, als er denn biss. Er war mit den Bürgern Magdeburgs seit einiger Zeit derart heftig zerworfen, dass ihm die Unterstützung der reichen Stadt gänzlich fehlte und er froh sein musste, wenn sie nicht noch den verhassten Brandenburger Markgrafen zu ihrem Schutzherren  beriefen, dessen plötzliche Sympathien für die Städte offenkundig war. Mit dem verwandten Herzog von Sachsen-Wittenberg hoffte Waldemar vergebens ein Bündnis knüpfen zu können. Wie wir sahen, stritten die askanischen Linien Wittenberg und Lauenburg seit langem um das Kurrecht. Den vorläufigen Höhepunkt erlebte die Auseinandersetzung bei der Königswahl im Vorjahr. Wie wir lasen, bandelte Waldemar zunächst mit Sachsen-Lauenburg an, um mit deren Stimme und der eigenen, eine brandenburgische Partei zu bilden. Das im Oktober 1313 geschlossene Abkommen zerbrach wie beschrieben schon im Frühjahr 1314, nach dem erstmaligen Eingriff Waldemars auf der Steite Stralsunds. Da also beide sächsischen Häuser wegen ihres Streits um das Kurrecht zerstritten waren, hoffte Waldemar nach dem Bruch mit Lauenburg, stattdessen mit Wittenberg anknüpfen zu können. Die Hoffnungen zerschlugen sich aber bereite im Laufes des späten Frühjahrs 1315, denn Heinrich von Mecklenburg, dessen brandenburgische Gemahlin Beatrix, eine Tochter des verblichenen brandenburgischen Markgrafen Albrecht III. (Ottonische Linie), am 22. September 1314 verschieden war ohne einen Sohn hinterlassen zu haben, gedachte nun Anna von Sachsen-Wittenberg zu ehelichen, eine jüngere Schwester von Herzog Albrecht. Da Waldemar mit dem Mecklenburger Fürsten wegen der Rückgabe des Landes Stargard, das Beatrix seinerzeit als Wittum in die Ehe mitbrachte, im Streit lag, bestand kaum mehr Hoffnung mit dem Herzog abzuschließen. Waldemar konnte schon froh sein, käme es zum Krieg mit Heinrich von Mecklenburg, entweder wegen dem Land Stargard, oder wegen der großen Koalition gegen ihn, wenn Sachsen-Wittenberg neutral bliebe. Da Herzog Albrecht dank der anhaltenden Kinderlosigkeit Waldemars auf ein brandenburgisches Erbe spekulierte, lag ihm grundsätzlich nichts an einer militärischen Intervention.
Der Sommer 1315 ging zu Ende, noch schwiegen die Waffen, beide Seiten suchten sich weiter zu präparieren. Je länger es sich zog, je mehr spielte es Waldemar in die Karten, denn die große nordische Koalition erwies sich in der Realität lange nicht so gefährlich, vor allem nicht so rührig, wie es der dänische König gerne hätte. Die Zeit wurde von Waldemar wie auch seinen hauptsächlichen Verbündeten, dem Herzog von Pommern und der Stadt Stralsund genutzt, um Anhänger zu finden. Noch war nicht die ganze Ostseeregion in eines der beiden Lager übergegangen, noch konnte entweder die nordische Allianz ihre vermeintliche Übermacht ausbauen, oder die Gegenseite das Kräftegleichgewicht für sich verbessern. Im Herbst gelang Herzog Wartislaw IV. von Pommern-Wolgast ein regelrechter Coup. Es war ihm möglich Herzog Christoph von Halland und Samsoe, den Bruder des dänischen Königs, nach Wolgast einzuladen, wo er ihn überredete seinem Bündnis beizutreten. Am 25. Oktober wurde der Vertrag besiegelt. Herzog Christoph versprach Herzog Wartislav mit allen Kräften beizustehen, gegen alle, ausgenommen seinen Bruder, König Erik von Dänemark. Ferner versprach er, sollte er nach seines Bruder Tod die Krone von Dänemark erhalten sollte, dafür zu sorgen, daß der Pommernherzog die Länder Wizlaws von Rügen zu bekomme, sofern dieser, wonach alles aussah,  ohne Erben stürbe. Das alles als ewiges Lehn von Dänemarks, weshalb Wartislav und alle seine Nachkommen der Krone Dänemarks zu huldigen hatten. Den mächtigen dänischen Herzog aus dem Verband der Koalition zu brechen, rechtfertigte diese Maßnahme, zumal sich für Pommern die aussichtsreichsten Chancen auf Rügen und das festländische Vorland daraus ergaben. Selbst wenn aus allem nichts würde, der dänische Herzog stand in schlechtem Ruf, sorgte der Vertrag von Wolgast für gehörige Aufmerksamkeit und Vorsicht im gegnerischen Lager.
Es blieben derweil noch genug Fürsten, die sich keiner Partei anschlossen und das Bestreben Brandenburgs war es, diese immerhin neutral zu halten. Es gelang hierzu Herzog Otto von Braunschweig-Lüneburg und dessen gleichnamigen Sohn zu gewinnen. Sie schickten den Ritter Eggert von Estorp an Markgraf Johann, der am 4. November im Namen seiner Herren das Versprechen ablegte, dass sie, so lange sie lebten, der Markgrafen Feinde nie werden wollten. Es gelang aber auch weitere Verbündete zu gewinnen, so den verwandten Grafen Albrecht I. von Anhalt-Köthen, der in zweiter Ehe mit Agnes von Brandenburg, einer Tochter des verblichenen Markgrafen Konrad I., Waldemars Vater, verheiratet war. Hinzu kamen die Grafen Hermann von Barbi, Burchard von Mansfeld, Heinrich von Regenstein, Konrad von Wernigerode und Günther von Kevernberg. Auch Stralsund bereitete sich nun ernsthaft auf den Krieg vor und nahm 130 Ritter aus den Landen Wizlaws von Rügen in Sold, die mit ihrem Fürsten uneins waren, und diese Gelegenheit ergriffen, ihn ungestraft befehden zu können. Den Herrn von Rügen ereilte also ein ähnliches Schicksal, übrigens bereits das zweite Mal, wie die Markgrafen Waldemar und Johann, deren weiter oben aufgezählten Vasallen, vormals zu den engsten überhaupt gehörend, nun im Lager der Gegner standen, gewillt gegen ihre vormaligen Lehnsherren mit Gewalt vorzugehen. Der Landadel war nicht mehr die wichtigste Stütze der Landesherren und gerade in der Mark hat sich seit dem frühen 14. Jahrhundert ein gefährlicher Separatismus unter den adligen Lehnshäuser entwickelt. Aber auch die Kirche war eher selten im Sinne der Fürsten tätig, weshalb die großen Dynastien des Reichs immer bestrebt waren hohe und höchste Kirchenämter aus den Reihen der eigenen Söhne zu besetzen. Die Fürsten wurden bald ebenso häufig vom Kirchenbann belegt, wie von den Waffen der eigenen, unzufriedenen Lehnsleute bedroht. Auf die Städte war nur dann zu rechnen, wenn der Fürst freigiebig auf etwaige Forderungen einging. Landesherrliche Innenpolitik war ein permanentes ausloten des Gleichgewichts innerhalb der Stände des eigenen Territorium. Jeder konnte sich gegen ihn kehren, wenn das Gleichgewicht aus dem Ruder geraten war, und allzu oft wurde es getan. Von einem Volk, einem gemeinsamen Bekenntnis oder Identität war keine Rede. Die Masse, besonders auf dem Land, war zwischen den lokalen Gewalten verteilt und wurde von diesen beeinflusst und gesteuert. Ein allgemeiner Wille existierte nicht, überall waren partikulare Interessen Triebfeder der eigenen Handlungen. Wir haben es schon verschiedentlich an anderer Stelle geschrieben, dieses Gebahren zog sich hinauf bis an die Spitze des Reichs. So wie dem römisch-deutschen König spätestens seit dem Ende der Staufer weitestgehend die Gewalt im Reich verloren gegangen war, durch immer unabhängiger agierende Territorialfürsten, erging es diesen in ihren Landen mit dem eigenen Lehnsadel nicht besser, zum Teil eher noch schlimmer.
Aber zurück zu den Kriegsbemühungen beider Seiten. Wizlaw von Rügen musste zur Kompensation der verlorenen, ehemals eigenen Lehnsleute, auf deren Hilfe er nicht mehr rechnen konnte, und schlimmer, die er jetzt sogar bekämpfen musste, auswärtige Ritter anstellen. Aus einer Urkunde vom 5. Dezember, ausgestellt zu Triebsee, können wir dies entnehmen. Im Vorland von Rügen, im Mecklenburgischen, hatte sich nun allerlei fremdes Kriegsvolk versammelt und es kam, fast unvermeidlich möchte man sagen, zwischen beiden Seiten zu Reibereien, woraus die Feindseligkeiten, von den Fürsten ungewollt, einsetzten.
Der herannahende Winter war nicht die Jahreszeit der Wahl, um einen Feldzug durchzuführen, aber es scheint, dass Waldemar, der sich bislang gescheut hatte den Kampf zu eröffnen, darin seine beste Chance sah, denn die Gegner waren noch unvorbereitet und verstreut. Heinrich von Mecklenburg, der Löwe genannt, war vom dänischen König Erik zum Oberbefehlshaber der Koalitionstruppen zu Land bestimmt worden, die zu diesem Zeitpunkt freilich nur aus Heinrichs eigenen Kräften bestanden, vereinzelt unterstützt von Hilfstruppen Wizlaws von Rügen, darunter die oben erwähnten Söldner. Waldemar war mit rund 7.000 Mann aufgebrochen, womit seine Rechnung erst einmal aufging, denn er war Heinrichs schnell zusammengerafften Truppen zahlenmäßig weit überlegen. Konnte er schnelle damit Erfolge erzielen und die Mecklenburger entscheidend schlagen, ihnen feste Plätze und Städte abringen, dazu im gleichen Zuge den Rügener Festlandsteil ganz oder zu großen Teilen in die Hand bekommen und Wizlaw gänzlich auf die Insel zurückwerfen, bevor die Fürsten der Koalition mit dem kommenden Frühjahr sich aufmachten, war mit einem günstigen Sonderfrieden der Krieg vielleicht genauso schnell beigelegt wie schon einmal im Frühjahr 1314. Wie leicht hätte Waldemar das Amt des Schirmvogts Stralsunds hierdurch dem Rügener Fürsten für weitere Jahre, möglicherweise dauerhaft abzwingen können, denn nur darin konnte man das einzig sinnvolle Motiv für Waldemars völlige Abkehr von allen bisherigen Bündnispartnern erkennen. Mit der Schirmvogtei über die reiche Seestadt waren lukrative Einkünfte verbunden.  Wir erinnern uns an die brandenburgischen Bemühungen noch unter den Markgrafen Johann I. und Otto III. in Bezug auf Lübeck. So wie sich noch vor 150 Jahren der Adel, hoher wie niedriger, um die Schirmherrschaft der Klöster  stritten, weil es ihnen Geld in die Kassen spülte, traten jetzt jene Städte an diese Stelle, die sich aus dem Griff ihrer vormaligen Landesherren entwinden konnten, aber alleine nicht die Kraft besaßen, sich im Krisenfall zu behaupten. Die Rolle des Schutzherren der Reichsstädte kam dem römisch-deutschen König zu, der hinsichtlich verschiedener Städte sein einträgliches Privileg, oder Teile davon, immer wieder verpfändete, um damit entweder akute Geldnot zu bereinigen oder mit Gefälligkeiten diesen oder jenen Reichsfürst zu gewinnen. Im königsfernen Norden gab es bei weitem nicht die Dichte an Reichsstädten oder Freien Städten, wie im Süden. Das Reichsoberhaupt spielte dort als Schutzherr der Städte, mit sehr wenigen Ausnahmen, keine echte Rolle. Für all jene Städte, die zwar nicht den Status einer Reichsstadt besaßen, deren eigene Autonomiebestrebungen aber schon soweit gediehen waren, dass sie mit ihrem vormaligen Herren gebrochen hatten, war ein potenter Schutzherr zumindest für einige Zeit unabdingbar. Wo es möglich war, gingen sie untereinander regionale Städtebünde ein, zum gegenseitigen Schutz. Im Falle Stralsunds war ein solcher Bund mit Rostock, Wismar und Greifswald schrittweise gesprengt worden, wie wir sahen, weswegen es überhaupt erst zum Notbündnis mit Waldemar kam, denn im Grunde tauschte die Stadt damit einen Herren gegen einen anderen aus.
Der Krieg war also vom Geplänkel der angeheuerten Söldner ausgelöst, Anfang Dezember 1315 ausgebrochen und Waldemar war mit einer imposanten Streitmacht ins Land Stargard einmarschiert, um es Heinrich von Mecklenburg, der die Rückgabe beharrlich verweigerte, gewaltsam zu entreißen. Aus der Uckermark antretend, zog er mit seiner Streitmacht zunächst vor das befestigte Schloss Fürstenhagen, rund 30 Kilometer westlich von Prenzlau, an der Feldberger Seenlandschaft gelegen, das noch vor dem Weihnachtsfest überwältigt und in die Hand der Brandenburger gefallen sein muss, denn am 21. Dezember urkundet Waldemar vom Schloss aus zugunsten seiner Ritter Dietrich, Bernd und Werner von der Schulenburg. Wahrscheinlich verbrachte Waldemar das Weihnachtsfest entweder auf dem eben eroberten Schloss oder im nahen Prenzlau, das damals zu den bedeutendsten brandenburgischen Städten gehörte. An die glückliche Feldzugeröffnung vor Fürstenhagen schloss sich ein Zug nach Woldegk an, das etwa 20 Kilometer nordöstlich lag. Die Stadt war gut befestigt und die Ratgeber Waldemars hielten es zu dieser Jahreszeit für nicht ratsam eine beschwerlichen Stadtbelagerung zu beginnen. Der eigensinnige Markgraf setzte jedoch seinen Kopf durch und schloss die Stadt ein. Er hoffte auf die abschreckende Wirkung seiner Truppenmacht und auf eine schnelle Einnahme. Volle sieben Wochen wurde die Stadt mehrmals berannt, ohne dass der Widerstand erlahmte. Die Verteidiger waren unter der tatkräftigen Führung des Heinrich von der Huda und Hermann Glöde wild entschlossen zu halten und je mehr Angriffe sie zurückschlugen, je mehr wuchs ihr Widerstandswille. Nachdem die Bestürmungen der Mauern mit Leitern, Seilen und auch mit eigens errichteten Kriegsgeräten, die ein versierter Handwerksmeister, ein ehemaliger Mönch Namens Gerardus anfertigte, keinen Erfolg brachten, begannen die Belagerer mit der Anlage eines Tunnels, der sie unter die Mauer führen sollte. In der Stadt blieben die Arbeiten nicht verborgen, weshalb ein etwas höher gelegener Gegentunnel gegraben wurde, der schließlich mit Wasser aufgefüllt, den Tunnel der Brandenburger zum Einsturz brachte, wobei es zu zahlreichen Verlusten gekommen sein soll. Die überlieferten Berichte zu all den Ereignissen rund um den im Dezember 1315 begonnenen Krieg sind spärlich und größtenteils beruft man sich bis heute, in Ermangelung paralleler Quellen, auf die Ausführungen des Ernst von Kirchberg, der gegen 1378 im Rahmen der Mecklenburger Reimchronik in den Kapiteln 156 bis 160 die Geschehnisse aus einer dem Mecklenburger Fürstenhaus schmeichelnden Perspektive wiedergab.

Auszug aus Kapitel 157 der Mecklenburger Reimchronik des Ernst von Kirchberg. „Von dem kryge des markgreuen von Brandenborg vnd hern Hinrich von Mekilnborg“

Die seit Wochen vergeblichen Eroberungsversuche, nun das Debakel des gefluteten Tunnels, dürfte die Moral im Lager der Brandenburger extrem auf die Probe gestellt haben. Neben den Verlusten der bisherigen Kampfhandlungen, forderten besonders die nasskalten Witterungsverhältnisse des Januar und Februar ärgste Einbußen. Gut 2.000 Pferde sollen in Ermangelung ausreichenden Raufutters verendet sein. Man geht wohl nicht mit der Annahme zu weit, auch wenn keine Angaben existieren, dass von den vormals 7.000 Mann des brandenburgischen Heeres, zwischenzeitlich viele Totalausfälle durch Kämpfe, Krankheiten oder Fahnenflucht auftraten und die allgemeine Verfassung der Truppen eher schlecht war. Als sich schließlich noch das Gerücht verbreitete, ein Entsatzheer des Grafen Heinrich von Schwerin wäre im Anmarsch, brach Waldemar, wohl auch unter dem Druck der Stimmung seiner Leute, nach acht Wochen, im Februar 1315 die Belagerung ab und zog nach Neubrandenburg weiter, wo Heinrich von Mecklenburg, zahlenmäßig immer noch deutlich unterlegen, mit seinen Truppen in der Stadt lag. Bei ihm befand sich sein Schwager, Herzog Rudolf von Sachsen-Wittenberg, jedoch nicht als Verbündeter, sondern als Besucher. Das vermeintliche Entsatzheer des Grafen Heinrich von Schwerin ereilte unterdessen auf dem Anmarsch eine schwere Niederlage, wobei der Graf in Gefangenschaft geriet. Auf halbem Wegen zwischen Stavenhagen und Neubrandenburg, beim Dorfe Mölln, lief er in einen Hinterhalt, den ihm Johann von Werle legte. Johann, Herr von Werle, war dem Bündnis Waldemars im vergangenen Jahr beigetreten und leistete mit diesem unverhofften Erfolg einen wertvollen Beitrag, der die brandenburgische Schlappe vor Woldegk zumindest etwas korrigierte. Johann konnte seinen Erfolg indes nicht lange auskosten, bei der Verfolgung der in die Flucht geschlagenen Schweriner, geriet er in die nachfolgenden mecklenburgischen Verstärkungstruppen des Ritters Bertold Preen, des Hauptmanns Heinrichs von Mecklenburg. In dessen Begleitung waren die Grafen von Holstein mit ihren Truppen. Sie befanden sich auf dem Weg nach Neubrandenburg, um dort das Heer Heinrichs zu verstärken. Bei Luplow, 10 Kilometer westlich von Mölln, entfachte sich ein Begegnungsgefecht, das schlecht für Johann von Werle endete. Er geriet gemeinsam mit 300 seiner Streiter in die Hände der Mecklenburger, die ihn noch Abends in Neubrandenburg einbrachten, wo er vom Mecklenburger Fürsten fröhlich empfangen und bewirtet wurde. Am nächsten Tag schaffte man ihn weiter auf die Burg Stargard. In den dortigen Turm geworfen, kam er beinahe bei einem ausgebrochenen Feuer ums Leben. Mit knapper Not entrann er dem Erstickungstod. Er wurde weiter nach Sternberg gebracht, das um diese Zeit die mecklenburgische Hauptresidenz war. Dem problemlosen Zuzug der Verstärkung nach Neubrandenburg und der Weitersendung des wertvollen Gefangenen dürfen wir entnehmen, dass Waldemar mit seinem Heer keinen Belagerungsring um die Stadt gelegt hatte. Er wollte es wohl, doch das ganze Vorhaben stand gleich zu Beginn unter einem schlechten Stern, denn während noch das Gros, gingen 30 brandenburgische Ritter bei einem Ausfall der Stadtbesatzung in Gefangenschaft. Ein schmerzlicher Verlust, der sich zwar bei einer Belagerung weniger bemerkbar machte, jedoch in einer offenen Feldschlacht umso mehr, denn die gepanzerte Reiterei war noch immer das wichtigste Kampfmittel und jeder verlorene Mann war ein Verlust. Nachdem die Besatzung Neubrandenburgs durch den Zuzug weiterer Truppen verstärkt war, konnte von einer erfolgreichen Belagerung und Erstürmung keine Rede mehr sein. Waldemar zog ab und es musste ihn besonders betroffen gemacht haben, gerade jene Stadt nicht einnehmen zu können, die sein Großvater Markgraf Johann I. vor knapp 60 Jahren, am 4. Januar 1248 begründete. Wenigstens lag ihm daran, den gefangen auf die Burg Stargard gebrachten Johann von Werle zu befreien, weswegen er vor Stargard zog, doch war Johann schon weiter nach Sternberg gebracht. Waldemars Truppen streiften jetzt durch das Land südlich von Stargard, wo sie plünderten um sich zu versorgen und an den Bauern und unbefestigten Dörfern für ihre bisherigen Verluste gütlich zu tun. Bei Riepke, westlich zwischen Teschendorfer und Gramelower See gelegen, das damals ein befestigtes Landgut war und wo auch heute nur ein 30 Seelendorf liegt, lagerte das Heer. Ein Versuch das Gut zu nehmen, vielleicht um den hohen Herren eine feste Unterkunft für die Nacht zu ermöglichen, scheiterte beim ersten Angriff. Am nächsten Tag ging es in allgemein südwestlicher Richtung weiter, man wollte Fürstensee erreichen, 10 Kilometer südöstlich von Neustrelitz gelegen, wo sich die dortige Burg zu diesem Zeitpunkt in märkischer Hand befand. Die Marschdisziplin muss stark herabgesunken gewesen zu sein und möglicherweise wurden notwendige Sicherheitsmaßnahmen völlig vernachlässigt, wahrscheinlich aber nutzten Teile der Truppe die Gelegenheit das Land weiter auszuplündern und zu brandschatzen. Sie waren entweder abgelenkt oder von ihrer Beute unnötig beschwert. Was auch immer Ursache war, die Burgbesatzung Stargards saß der märkischen Nachhut auf die Fersen und machten alleine 60 Gefangene unter den Rittern, ohne die nicht näher bekannte Zahl Erschlagener zu zählen und ohne Knappen und Kriegsknechte. Ein abermaliger schleichender Verlust des brandenburgischen Heers, dessen einstige Größe von 7.000 im Dezember, jetzt Ende Februar wohl kaum mehr als noch 5.000 zählten, möglicherweise sogar noch deutlich weniger. Nichts war erreicht, außer dass man Teile des Stargardschen durchzogen, geplündert und verheert hatte, was aber mit kleinen Trupps und an vielen Stellen zugleich sinnvoller gewesen wäre, statt mit einem schwerfälligen, dazu kostspieligen Heer und dessen Tross durch die Lande zu ziehen. Waldemar wollte aber ein unmissverständliches Zeichen der Stärke setzen und eine schnelle, gleichzeitig abschreckende Entscheidung erzwingen. Er strebte nicht nur die Rückeroberung Stargards an, gleichzeitig sollte Heinrich von Mecklenburg entscheidend geschlagen und zum Frieden gezwungen werden, um damit diesen wichtigen Gegenspieler aus dem Verbund der großen Koalition zu brechen. So aber war der gesamte Winterfeldzug 1315/16 ein völliger Misserfolg. Zu allem Elend schied Johann von Werle nicht nur aus dem brandenburgischen Bündnis aus, er wurde nach Zahlung von 10.000 Mark Silber gezwungen, der großen Allianz beizutreten. Am 2. März 1316 war Waldemar wieder zurück in der Uckermark und hielt Rechnung mit den Bürgern von Prenzlau, denen er einiges Geld schuldete. Sie hatten ihm nicht nur Geld geliehen um Pferde für den Feldzug zu beschaffen, er war ihnen mittlerweile auch schon seit fast zwei Jahren 200 Pfund brandenburgische Pfennige schuldig, die sie ihm damals für seinen Zug zur Königswahl geliehen hatten. Es wirft doch ein gewisses Bild auf die markgräfliche Finanzlage. Sicherlich war es andernorts im Reich ähnlich, doch bleibt es wegen der zahlreichen Verkäufe und Verpfändungen, die Waldemar im Laufe der zurückliegenden Jahre tätigte, fraglich, wo als das Geld geblieben war. Wir kommen nochmal auf diesen Themenkomplex an anderer Stelle zurück.
Der Kampf um das Land Stargard war nur einer der Kriegsschauplätze. Dass Waldemar ihn mit soviel Aufwand begonnen hatte, lag an seiner Zuversicht Heinrich von Mecklenburg schnell niederringen zu können, um dann mit seinem siegreichen Heer weiter nach Stralsund zu ziehen. Für einige der Herren aus Eriks Allianz war die Unterwerfung Stralsunds das wichtigste Ziel, nicht die Demütigung  Waldemars, wonach der Sinn des dänischen Königs stand. Er wusste aber, dass zunächst Stralsund fallen musste und erst wenn dieses Bollwerk gegenüber der Insel Rügen fest in ihren Händen war, sollte die Züchtigung Waldemars folgen. Zu Beginn des Sommers 1316 wurde die Stadt von allen Seiten belagert. Von der Seeseite übernahmen es die vereinigten Flotten König Eriks und König Birgers von Schweden, dem Schwager des Dänenkönigs. Erik entsandte den dänischen Reichsmarschall Graf Hermann von Gleichen als Oberbefehlshaber eines Landheers auf 80 Schiffen mit etwa 7.000 Mann. Bevor die Flotte zur Seeblockade ansetzte, landeten die Truppen an und begannen mit der Rückeroberung des Rügener Festlands. Von der Landseite aus sollte ein großes und buntes Gemisch allerlei Fürsten aus dem norddeutschen Raum die Erstürmung der starken Mauern erzwingen. Wir wollen nicht zu sehr ins Detail gehen und uns nur auf die wichtigsten Ereignisse beschränken. Unter den auf dem Festland operierenden Fürsten herrschte keine einheitliche Koordination, es fehlte an einem allgemein anerkannten Befehlshaber. Heinrich von Mecklenburg war zu dieser Zeit hart an der Grenze zur Mark aktiv, sein einnehmender Charakter fehlte vor Stralsund. Die Rolle des Anführers schien Herzog Erich von Sachsen-Lauenburg in die Hand nehmen zu wollen. Er zog ohne weiter auf die anderen Fürsten zu warten, gemeinsamen mit Herzog Albrecht von Braunschweig-Wolfenbüttel an der Spitze von 5.000 Mann vor die stark bewährte Stadt und begann in Sichtweite der Mauern zu lagern, ohne schon einen Ring um sie zu legen.
In den frühen Morgenstunden des 21. Juni, der Tag begann eben zu grauen, machten die Stralsunder und ihre in der Stadt liegenden Verbündeten, darunter auch Brandenburger, einen beherzten Ausfall. In aller Stille marschierten sie aus den beiden südlichen Toren, vereinten sich, überwanden im kühnen Vorgehen die Wagenburg der Belagerer, überwältigten die Wachen und richteten im Lager der völlig Überrumpelten großen Schaden an, erschlugen viele und nahmen zahlreiche Gefangene, darunter als prominentesten Namen, Herzog Erich von Sachsen-Lauenburg. Herzog Albrecht konnte gerade noch entrinnen. Das Lager wurde von den Angreifern daraufhin geplündert und reiche Beute gemacht. Will man den Chroniken Glauben schenken, zogen schließlich sogar unbewaffnete Bürger am helllichten Tage in großer Unbekümmertheit aus und suchten im bereits gefledderten Lager nach noch übriggebliebener Beute. Hierbei wurden schließlich auch die Leichen der Gefallenen geborgen und beigesetzt. Es ist unklar, ob die noch ausstehenden Fürsten der großen Allianz einen weiteren Belagerungsversuch starteten, die Stralsunder rechneten zumindest fest damit, weswegen sie ihre zahlreichen Gefangenen, darunter die wertvolle Geisel des Lauenburger Herzogs, loswerden wollten, schon um bei einer Belagerung nicht unnötige Esser versorgen zu müssen. Man schaffte alle unter starker Bewachung zu Herzog Wartislaw von Pommern-Wolgast, der sich seinerseits nicht damit belasten wollte. Der allergrößte Teil wurde unter Ehrenwort in die bedingte Freiheit entlassen. Sie schworen, sobald eine jeweilige Lösegeldsumme festgesetzt war, diese zu leisten oder sich andernfalls wieder in Gefangenschaft zu begeben. Herzog Erich von Sachsen-Lauenburg wurde derweil an Markgraf Waldemar weitergereicht.
Noch war der halsstarrigen Stadt nicht beizukommen und diese erste Runde ging eindeutig an Stralsund. Mittlerweile waren Heinrich von Mecklenburg soweit verstärkt, dass er seinerseits gegen brandenburgisches Gebiet vorgehen konnte. In der Johannisnacht vom 23. auf den 24. Juni eroberten mecklenburgische Truppen die Festung Wredenhagen, 15 Kilometer nördlich von Wittstock an der Dosse, am Mönchsee gelegen. Die nördliche Prignitz lag jetzt offen.
Brandenburg war nach dem misslungenen Winterfeldzug in die Defensive geraten und musste die bevorstehenden gegnerischen Schläge nun abwarten. Die beste Feldzugsjahreszeit war seit einigen Wochen angebrochen, man durfte sich seitens der Koalition nicht mehr zu viel Zeit lassen, wollte man noch im selben Jahr einen durchschlagenden Erfolg erzielen. Streifzüge in die Prignitz, in die Altmark, Uckermark und Mittelmark kennzeichneten den Juli und waren Vorbote größerer Ereignisse. Für Waldemar war die Beschaffung frischen Gelds existenziell geworden, um den zu erwartenden Dinge militärisch antworten zu können. Überall streckte er seine Fühler aus, machte wo das Blatt noch nicht überreizt war, Anleihen oder verpfändete Rechte und Grund.
Bevor der weitere Verlauf des Krieges dargelegt wird, ist es Zeit die finanzielle Lage Waldemars etwas zu beleuchten.


Finanzielle Situation Waldemars

Seit Waldemar die Regentschaft in Brandenburg übernommen hatte, verbuchte er immer wieder eine ganze Reihe außerordentlicher Einnahmen, entweder durch Veräußerung von Landesteilen, Ansprüchen oder Privilegien. Im Rahmen seiner zahlreichen militärischen Aktivitäten kam die eine oder andere Zahlung der unterlegenen Seite zusätzlich hinzu. Anbei eine unvollständige Liste der größten und bekanntesten Einnahmen, die in der Mehrheit durch Landesveräußerumgen erzielt wurden.

  • 1309: Verkauf der brandenburgischen Anrechte auf Danzig und Umgebung an den Deutschen Orden.
  • 1310/13: Verkauf der fränkisch-thüringischen Gebiete, darunter die Pflege Coburg, aus dem Nachlass Markgraf Hermanns an den Grafen von Henneberg. Die nach dem August 1314 noch ausstehenden Raten, flossen an die Ottonische Linie, an den jungen Markgrafen Johann, der mündig geworden war.
  • 1311: Vergleichszahlungen des unterworfenen Rostocks
  • 1312: Lösegeldzahlung Markgraf Friedrichs I. von Meißen
  • 1316: Verpfändung der Grafschaft Billingshöhe an Magdeburg, mit einem Rückkaufsrecht innerhalb von zwei Jahren
  • 1316: Verpfändung von Schloss Wolmirstedt an Magdeburg.
  • 1317: Verkauf der Burgbezirke Stolp, Schlawe und Rügenwalde an Herzog Wartislaw IV. von Pommern-Wolgast.
  • 1319: Verkauf von Burg und Land Schievelbein in der nördlichen Neumark

Beim vorletzten Verkauf handelte es sich um die brandenburgischen Besitzreste aus dem mehr als ein Jahrzehnt umkämpften Nachlass Mestwins II., des im Dezember 1294 kinderlos verstorbenen Herzogs von Pommerellen. Auch schon vor 1317 verkaufte Waldemar Teile brandenburgisch Pommerellens an Pommern und leitete den Rückzug aus dieser Region ein. Obwohl bereits die frühen Markgrafen viel daran setzten einen Zugang zur Ostsee zu erwerben, hatte der nach so vielen Anläufen glücklich erlangte Küstenstreifen ostwärts von Stettin für Waldemar keinen realen Wert. Nicht das er die Ostsee als wichtigsten Fernhandelsweg Nordeuropas verkannt hätte, selbstverständlich wusste er darum, allerdings bot die karge Küste, die ihm zugefallen war, weder einen leistungsfähigen Hafen, noch Flüsse in dieser Region, die nach Süden reichten, um dort aus der Tiefe des Binnenlands den Warenverkehr an die Küste zu schaffen. Die großen Ströme Oder und Weichsel waren hinsichtlich ihrer Mündungsbereiche in den Händen anderer und für ihn unerreichbar. Er setzte auf ein deutlich westlicherer Hafenlösung. Sein Engagement rund um Stralsund beweist, dass er dem Vorbild des Großvaters und Onkels folgend, versuchte eine der aufstrebenden Seestädte unter Kontrolle zu bekommen. An Lübeck, dem Zentrum der sich um diese Zeit mächtig emporhebenden Hanse, hatten sich seine Ahnen die Zähne ausgebissen. Wenn er nun den laufenden Krieg an der Seite Stralsunds erfolgreich zu einem Ende bringen könnte, glaubte er wahrscheinlich gute Chance zu haben, den brandenburgischen Einfluss auf die günstig gelegene Seestadt soweit auszuweiten, dass er sie über kurz oder lang unter Kontrolle bekäme. Der Weg dahin ging nur über Krieg, und der kostete Geld, viel Geld.
Waldemar hatte derweil allerlei Verbindlichkeiten, zumeist gegenüber seinen Städten wie wir am erwähnten Beispiel Prenzlaus gesehen haben. Für gewöhnlich waren es überschaubare Summen, die sich jedoch in der Menge aufaddierten. Bisweilen gab es auch große Einzelbeträge wie wir an nachfolgendem Beispiel sehen. Die geschuldeten Gelder resultierten oftmals entweder aus geleisteten Gefälligkeiten, erhaltenen Krediten oder waren Wiedergutmachungen, so z.B. gegenüber Bischof Heinrich von Kammin. Zu Soldin traf er sich am 9. Oktober 1317 mit dem Domkapitel, um sich zu vergleichen. Zunächst bekannte er sich dazu, demselben 10.000 Mark Silber schuldig zu sein, teils für nachgewiesene Kriegsschäden im Bistum, teils für geliehenes Geld, sowie für geleistete Heerfolge. Waldemar war nicht imstande die Schuldsumme bar zu begleichen, weswegen er für 6.000 Mark Land, Stadt und Schloß Schievelbein, und für die übrigen 4.000 Mark Land, Schloß und Stadt Falkenburg mit den zugehörigen Dörfern verkaufte. Er behielt sich ein Wiederkaufsrecht für die kommenden 14 vor, was eine durchaus lange Zeit war. Er fühlte sich augenscheinlich in bester gesundheitlicher Verfassung und ging davon aus, noch eine unbestimmte Zahl Lebensjahre erwarten zu dürfen.
Berücksichtigt man die landesfürstlichen Sondereinnahmen der obigen, lückenhaften Liste, muss die Frage gestellt werden, was machte Waldemar mit diesem Vermögen? Im Gegensatz zu seinem verstorbenen Vater, besonders aner im Gegensatz zum großen Onkel, Markgraf Otto IV., der durch Zukauf die Mark ganz erheblich territorial vergrößerte, die dazu notwendige Gelder irgendwie beschaffte, trotz all seiner geführten Kriege, veräußerte Waldemar ganze Regionen. Da wir wissen, dass die Hofhaltung Ottos IV. nicht gerade durch besondere Bescheidenheit, sondern eher durch ausnehmende Pracht bekannt war, ist die Frage nach dem Verbleib von Waldemars Geld umso bedeutsamer, denn zunächst wird immer sein prunkvolles höfisches Leben als erstes Argument herangenommen.
Wirklich befriedigend kann die Frage nach dem Verbleib nicht beantwortet werden, es spielen mehrere Faktoren eine Rolle. Zu Beginn des 14. Jahrhunderts änderte sich das bislang milde mittelalterliche Klima ganz deutlich. Seit 1310 kam es wiederholt zu den schon mehrfach erwähnten schweren Ernteausfällen in großen Teilen Europas. Besonders schwer traf es Nord- und Mitteldeutschland. In Folge teilweise Wochen anhaltender Niederschläge und verhältnismäßig kühlen Temperaturen im Frühjahr und Sommer, fielen mehrere Jahre hintereinander die Erntemengen weit hinter dem üblichen Jahresmittel zurück. In einzelnen Regionen traten Totalausfälle auf, weil das Korn entweder  gar nicht erst keimte oder nicht zur Reife kam. Die Preise schossen in die Höhe, was auch auf viele heimische Gemüsesorten und Obst zutraf. Fleisch war das einzige Lebensmittel, das in größeren Mengen verfügbar blieb, wenn auch dort die Preise als Reaktion auf die Lebensmittelteuerung und wegen der gestiegenen Nachfrage anstiegen. Sicherlich belastete dieser dramatische Sondereffekt auch die Finanzen des markgräflichen Hofes, doch muss man ehrlich sein, davon waren ebenso alle anderen Fürstenhäuser mehr oder weniger betroffen. Ziehen wir im direkten Vergleich die Herzöge von Pommern heran, deren Ernteerträge hinter der Mark lagen, sie aber dennoch die Gelder für den Erwerb der stückweise verkauften Landschaften Pommerellens aufbringen konnten, kann die allgemeine Teuerung der Zeit nur bedingt herangezogen werden.
Schauen wir auf die Militärausgaben. Kriege führten auch die Vorfahren Waldemars und doch war keiner in vergleichbaren Geldverlegenheiten, wenn man die Begebenheit Markgraf Ottos IV. anlässlich seiner Gefangennahme durch den Erzbischof von Magdeburg einmal ausklammert. Vielleicht muss man sich aber doch etwas näher mit den veränderten Bedingungen beschäftigen und diesen Bereich nicht sofort ganz zur Seite schieben. Die Zusammensetzung des Heerwesens war im Wandel. Seit Jahrhunderten war die schwere, von Rittern getragene Reiterei das zentrale, schlachtentscheidende Kampfmittel. Das Fußvolk bestand oftmals aus schlecht ausgerüsteten Bauern. Was noch blieb waren die ausgebildeten und leidlich ausgerüsteten Bogen- oder Armbrustschützen. Die Ritter rekrutierten sich aus dem landeseigenen Lehnsadel. Ihre Heerfolge war zu gewissen Bedingungen vorgeschrieben und üblicherweise unentgeltlich für den Landesherren. Der Lohn war ihr Grundbesitz, der ihnen von ihrem Herren verliehen war. Im vierzehnten Jahrhundert beobachten wir einen schleichenden Umbruch in der Zusammensetzung der Heere. Das Fußvolk erhält wachsendes Gewicht und daraus ableitend, eine zunehmende Professionalisierung. Die Ausrüstung wird besser und die Abwehrmöglichkeiten der Reiterei optimiert. Zu den professionelle Reiterkriegern, den Rittern, gesellte sich jetzt der ausgebildete, kriegserfahrene Fußsoldat. Er ist nicht zu verwechseln mit den ein, zwei, drei oder vier Knappen und Kriegsknechten, die im Gefolge eines Ritters oftmals ebenfalls zu Fuß ihrem Herren aufs Schlachtfeld folgten. Der jetzt in Erscheinung tretende Kämpfer bot seine Haut auf eigene Rechnung an. Er brachte wie ein Ritter seine Waffen und Ausrüstung selbst mit und vermietete sich und seine Kampfkraft an jeden, der Bedarf hatte. Ein Frühform des Söldners kann man sagen. Wobei sie ihre Dienste nicht nur Kriegsherren anboten sondern oftmals als Wächter für Kaufleute auftraten, denn die Handelswege waren unsicher und bewaffneter Schutz fast unerlässlich. Wollte man Krieg führen, kam man immer weniger an diesen professionellen Soldaten aus dem unadligen Stand vorbei. Um sie unter Vertrag zu bekommen, musste man Geld in die Hand nehmen. Zog sich ein Krieg hin, mussten die Kontrakte gegebenenfalls erneuert werden, gegebenenfalls unter veränderten Konditionen. Krieg wurden mehr denn je eine Frage der finanziellen Ausdauer. Der Ausgang eines Konflikts war nicht mehr nur von den Erfolgen auf dem Schlachtfeld abhängig, sondern zunehmend von der Größe des Portmonees. Zweifelsfrei hatte Markgraf Waldemar, der sich der Entwicklung nicht verschließen konnte, an dieser stille höhere finanzielle Aufwendungen als seine Vorgänger. Im direkten Vergleich mit seinen Zeitgenossen bleibt allerdings zu sagen, dass es diesen nicht anders ging als ihm und auch sie musste die Mehraufwand irgendwie stemmen. Es scheint, dass manche Fürsten die Veränderungen besser bewältigen als andere. Waldemars Gegenspieler, der dänische König Erik, hatte mit den gleichen Problemen zu kämpfen, wie der brandenburgische Markgraf. Am Ende seiner Regierung war der Besitz der Krone größtenteils verpfändet und die Finanzen völlig zerrüttet.

Schauen wir nochmal auf den markgräflichen  Ausgabenposten in Kontext der Hofhaltung. Wie schon erwähnt, war Onkel Otto IV., an dessen Hof Waldemar groß wurde, weithin bekannt und von zahlreichen großen Minnesängern wiederholt besucht und besungen. Waldemar führte die Pracht ganz offensichtlich nicht nur fort, nach allem was wir über ihn wissen, übertraf er es noch. Ein ausgeprägter Hang zum Prunk und Protz, was grundsätzlich ganz der Zeit entsprach, war ihm eigen. Sein Erscheinen auf dem großen Fürstentag zu Rostock, als ihm und 99 seiner Mannen die Ritterwürde zuteil wurde, sah ihn noch prachtvoller, als selbst den Gastgeber König Erik VI. von Dänemark, der seinerseits in Sachen Prunkentfaltung kein Kind von Traurigkeit war.
Waldemars Beiname der Große war wohl auch, vielleicht sogar am meisten, auf seinen fürstlichen Habitus gemünzt. Zeitgenössische Quellen beschreiben ihn als kleingewachsenen, kräftig gebauten, energischen Mann, der schnell hitzig werden konnte. Ein ausprägtes Geltungsbedürfnis scheint Triebfeder vieler seiner Aktivitäten gewesen zu sein.
Da am brandenburgischen Hof noch keine Rechnungsbücher geführt wurden,  auch kein einheitliches Archiv, und die erhaltenen Urkunden zu dünn für eine fundierte Urteilsbildung, bleibt nur die Vermutung und ein Bauchgefühl, wonach man wahrscheinlich akzeptieren muss, dass Waldemar, charakterlich dazu disponiert, weit über seinen Verhältnissen lebte und seine Mittel zweitweise regelrecht verjubelte.


Schlacht bei Gransee & Kriegsfortgang vor Stralsund

Wir lasen, dass nach Waldemars Misserfolg im Winterfeldzug 1315/16 die Initiative auf seine Gegner überging, die nun hauptsächlich in der Person Heinrichs von Mecklenburg im Sommer 1316 zur Gegenoffensive antraten. Henrich wollte den Streit um das Land Stargard für sich entscheiden.
Seit dem 20. Juni 1236 gehörte die Herrschaft Stargard zu Brandenburg. Seinerzeit musste Herzog Wartislaw III. von Pommern-Demmin im Vertrag von Kremmen das Gebiet an die beiden brandenburgischen Brüder Johann I. und Otto III. abtreten. Im Zug der 1258 eingeleiteten stufenweisen Aufteilung der Mark unter den genannten Brüdern, kam das Land an Otto III., dem Begründer der Ottonischen Linie. Von seinen Söhnen erhielt Albrecht III. unter anderem das Land Stargard als väterliches Erbe. Dieser gab es seiner Tochter Beatrix 1292 als Brautgabe in die Ehe mit Heinrich von Mecklenburg.
Am 22. September 1314 verstarb Beatrix in Wismar, ohne dass aus ihrer Verbindung mit Heinrich ein männlicher Erbe hervorging. Waldemar erhob unmittelbar nach ihrem Tod Anspruch auf das Land, mit der Begründung, dass die Brautgabe als erledigtes Wittum nach recht und Sitte an Brandenburg zurückfallen müsse. Da einen Monat zuvor, im August 1314 Markgraf Johann, beiläufige erwähnt, ein Vetter der verstorbenen Beatrix, mündig wurde und den Ottonischen Teil Brandenburgs seither selbstständig regierte, hätte eigentlich er, wenn überhaupt jemand, Ansprüche geltend machen müssen, schließlich kam das Land Stargard ursprünglich aus dem Ottonischen Teil der Mark. Vormund Waldemar und sein ehemaliges Mündel Johann standen jedoch auch nach der wieder vollzogenen Landesleitung Brandenburgs in so engem Einverständnis, dass man außenpolitisch von einer einzigen Mark sprechen konnte. Sehr wahrscheinlich war Waldemars Vorstoß entweder völlig abgestimmt oder nachträglich legitimiert. Heinrich von Mecklenburg bestritt den Anspruch und so zog sich der Fall mit dem Austausch von schriftlichen Vorstellungen und Gegenvorstellungen in die Länge. Zunächst waren wegen des offenen Rechtsstreits von keiner Seite  Feindseligkeiten geplant, doch die veränderte Gemengelage im Zusammenhang mit Stralsund und Waldemars Seitenwechsel machte Stargard zum Kriegsmotiv und Kriegsschauplatz.
Heinrichs Heer fiel im Spätsommer 1316, nach Waldemars gescheiterten Winterfeldzug 1315/16, wie befürchtet in die Prignitz ein. Der brandenburgische Markgraf sammelte in der Uckermark, rund um Prenzlau, sein Truppen und marschierte über Mittenwalde und Templin Richtung Gransee, um dort Heinrich den weiteren Vormarsch in die Mark zu verlegen.
Über Zusammensetzung und Kräfteverhältnisse beider Heere sind von den Chronisten teils völlig widersprüchliche Angaben überliefert. Während einige der Schreiber den Vorteil bei den brandenburgischen Truppen sahen, besonders in Bezug auf die schwere Reiterei, geben andere Chronisten eine diesbezügliche Übermacht beim mecklenburgischen Heer an. Auch herrscht Unklarheit, wer die numerische Überlegenheit hatte. Kirchbergs Mecklenburgische Reimchronik, die er 1378/79 Albrecht II. von Mecklenburg (1318 – 1379) widmete, dem Sohn Heinrichs von Mecklenburg, ist erwartungsgemäß sehr vorteilhaft aus Sicht Mecklenburgs geschrieben. Der Autor, der in den Kapiteln 156 bis 160 seiner Chronik über die damaligen Kriegsereignisse berichtete, die bei Beginn seiner Arbeit mehr als sechs Jahrzehnte zurücklagen, konnte selbst bei größter Sorgfalt nicht wirklich objektiv von den Geschehnissen berichten. Selbst kein Zeitzeuge des Konflikts, musste er niederschreiben, was durch Erzählungen davon noch bekannt war. Was er schrieb, musste darüber hinaus ein heroisches Bild des mecklenburgischen Fürsten wiedergeben, immerhin handelte es sich schließlich um den Vater des Auftraggebers. Bei Pulkava (tschechisch Přibík Pulkava z Radenína), seit 1375 Hofchronist des böhmischen und römisch-deutschen König Karl IV., können wir für die Zeit Markgraf Waldemars im Kapitel 30 der Märkischen Fürstenchronik (Chronica Marchionum Brandenburgensium) nur bruchstückhafte Informationen nachlesen, weswegen Kirchbergs Version bis heute die verbreitetste Version bleibt.
Schauen wir uns zusammenfassend den Verlauf der Schlacht gemäß Kirchbergs  Bericht näher an. Mit großer Verbitterung wurde auf beiden Seiten gekämpft. In der sommerlichen Hitze erschöpften sich die schwer gerüsteten Ritter in Einzelkämpfen. Sobald sie von ihren Pferden absaßen, waren sie den agileren, nicht durch Rüstungen beschwerten,  zugegebenermaßen aber auch schlecht gewappneten Fußtruppen ausgesetzt. In eine solche Situation geriet der brandenburgische Markgraf persönlich. Sein Pferd wurde durch Lanzenstiche zu Fall gebracht, so dass es ihn halb unter sich begrub und er besinnungslos eingeklemmt war. Zwei heraneilende mecklenburgische Fußsoldaten, dem Bericht nach mit Namen Michael Kratze und Niklas Scharpentrog, zerrten den benommenen Waldemar unter seinem Pferd hervor, rissen ihm den Helm vom Kopf und führten ihn als Gefangenen ab. Mit Verlust des Anführers, brach für gewöhnlich die Moral der Mannschaft, und der Wille zur Fortführung des Kampfes zusammen. Die Schlacht stand auf Messers Schneide. Die verbündeten Grafen von Regenstein, Wernigerode und Mansfeld erkannten die kritische Lage. Sie schlugen zu Pferde eine blutige Bahn zum Markgrafen. Graf Burchard von Mansfeld befreite Waldemar, half ihm auf ein herrenloses Pferd, so dass er, flankiert vom Grafen von Wernigerode, die brandenburgische Hauptlinie erreichen konnte. Die zwei brandenburgischen Verbündeten, Graf von Regenstein und Graf von Mansfeld, blieben abgekämpft zwischen den Feinden zurück und gerieten an des Markgrafen statt in Gefangenschaft.
Auf der Gegenseite ereignete sich eine ähnliche Situation. Ein einfacher brandenburgischer Kriegsknecht, hünenhaft von Wuchs, schlug Heinrich von Mecklenburg mit einer Streitaxt vom Pferd, so dass er kurzzeitig bewusstlos am Boden liegen blieb. Graf Johann von Holstein, ganz in der Nähe der Szene, eilte ihm zu Hilfe. Heinrich kam wieder zu Besinnung und wurde von einer Gruppe Mecklenburger Ritter in Sicherheit gebracht. Bei dieser Gelegenheit wurde Graf Johann von den Brandenburgern gefangen genommen. Die Schlacht dauert noch einige Stunden, bis allgemeine Erschöpfung und der sich neigende Tag ihr ein Ende setzte. Die Brandenburger zogen sich kontrolliert zurück, so dass die Mecklenburger das Schlachtfeld behaupteten und die auf der Kampfstädte zurückgelassenen Waffen und Rüstungen der Toten und Verwundeten erbeuten kinnten, was einem Sieg gleichkam, einem schwer erkämpften und bitter bezahlten Sieg. Die Verluste auf beiden Seiten müssen sehr hoch gewesen sein und augenscheinlich fehlte es Heinrichs Heer an der notwendigen Kraft, um den sich absetzenden Feind verfolgen zu können, wie es üblich und ratsam gewesen wäre. Waldemar und seine ruhebedürftigen Truppen fanden hinter den festen Mauern Gransees Schutz. Auch die Mecklenburger zogen sich nach einigen Tagen aus der Prignitz zurück, nicht ohne die umliegenden Landstriche plündern und brandschatzen zu lassen. Das Land war nach mehreren Jahren klimabedingter Missernten, in einem sehr beklagenswerten Zustand. Wahrscheinlich gab es nicht besonders viel, was die Plündertrupps vorfanden und möglicherweise erklärt dies auch den Rückzug Heinrichs aus der Mark, denn bereits im September war er zurück in seiner Residenz zu Sternberg. Der Krieg gegen Waldemar nahm ganz offenbar nicht den erhofften Verlauf, was unsere These stützt, dass die Schlacht bei Gransee sehr schwer war, eine der blutigsten Ritterschlachten auf brandenburgischer Erde überhaupt war, dass Waldemar dabei aber keineswegs vernichtend geschlagen wurde. Beide Seiten hatten sich augenscheinlich so stark verausgabt, dass an eine offensive Fortführung des Kampfes von keiner Seite zu denken war. Rufen wir uns dabei nochmal die finanziellen Schwierigkeiten Waldemars ins Gedächtnis und berücksichtigen gleichzeitig die signifikant geringeren Mittel die Heinrich von Mecklenburg in seinem erheblich kleineren Machtbereich zur Verfügung standen. Beide Seiten konnten es sich nach Gransee allem Anschein noch nicht mehr finanziell erlauben, ein weiteres Heer in kurzer Zeit aufzustellen, weswegen versöhnlichere Stimmen zu vernehmen waren, gerade auch was Waldemar betraf. Vergessen wir nicht seine eigentlichen Absichten, nämlich die Ausweitung seines Einflusses auf Stralsund. Denkbar, dass sein ganzes Engagement in Bezug auf das Land Stargard nur deshalb zustande kam, weil er seinem vormaligen Mündel zu dessen Recht verhelfen wollte, um als Gegenleistung die Unterstützung Johanns V. in der Angelegenheit um Stralsund zu erhalten.
Wie stand es eigentlich um Stralsund zu dieser Zeit. Mitte Juni gelang es der Stadt durch einen ebenso beherzten, wie außerordentlich erfolgreichen Ausfall die Außenverteidigung der vor den Stadtmauern lagernden Feinde zu durchbrechen, in das Lager einzudringen und es zu zerstören. Wer nicht erschlagen oder gefangen genommen wurde, suchte sein Heil in der Flucht. Herzog Erich von Sachsen-Lauenburg geriet dabei in Gefangenschaft. Von Landseite war die Gefahr vorerst gebannt, doch das von See her angelandete, 7.000 Mann starke dänische Heer hatte zwischenzeitlich die Rückeroberung der Festlandsgebiete des Herrn von Rügen abgeschlossen und war zwischen Juli und August vor die Stadt gezogen. Verstärkt von holsteinischen und allerlei anderen Truppen, wurde nun ein fester Belagerungsring um Stralsund gelegt. Noch hielt sich die Stadt wacker und schlug alle bisherigen Angriffe zurück, doch ging den Städtern langsam der Mut aus, denn die ausgebliebene brandenburgische Verstärkung schürte das Gefühl von allen verlassen, gegen eine ganze Welt bestehen müssen. Es spitze sich soweit zu, dass Stralsund offiziell um Frieden bat, doch wurde dieser abgelehnt. Wir wissen nicht was die Bedingungen der Stadt waren und weshalb sie ausgeschlagen wurden. Unter den Belagerern machte sich die Zuversicht breit, dass die Verteidiger am Ende wären und so verstärkte man die eigenen Anstrengungen. In der Stadt musste etwas getan werden, denn die Moral der Bürger sank auf eine gefährlich niedrige Marke. Eine entscheidende Wendung musste her. Einen Trumpf hatte man noch in der Hand, die vereinigten Flotten aus Stralsund, der Herzöge von Pommern und des Herzogs Christoph von Halland und Samsoe, dem Bruder des dänischen Königs. Es war ein gefährliches Unterfangen, von See her war Stralsund durch die Flotten Dänemarks und Schweden, sowie Hilfsschiffen aus Greifswald und Rostock völlig abgeriegelt. Es galt einen geeigneten Moment zu erwischen, wenn die getrennt operierenden feindlichen Verbände nicht schnell genug einander beistehen konnte. Der heraufziehenden Herbst mit den kürzer werden Tagen und ersten Nebelbänken in den frühen Morgenstunden schien geeignet zu sein. Tatsächlich gelang das Auslaufen und Formieren. Die dänische Flotte wurde überrumpelt und schwer geschlagen, die Seeblockade war durchbrochen und das Blatt wendete sich. Als die Nachricht die Stadt erreichte, schöpfte man augenblicklich wieder Hoffnung, denn nun war man nicht mehr völlig abgeschnitten und die Versorgung über See wieder hergestellt. Herzog Christoph segelte derweil mit seinen Schiffen weiter Richtung Dänemark, fiel auf Fünen ein, der zweitgrößten dänischen Insel, eroberte zunächst Svendborg an der Südspitze und unterwarf schließlich die ganze Insel. Bei Falsterbo, südlich des Øresund kam es zu einer weiteren Seeschlacht mit der dänischen Flotte. Es ist kam etwas überliefert zu den Vorgängen am nördlichen Kriegsschauplatz und so bleiben Details Mangelware. Für den dänischen König müssen die Vorkommnisse einschneidend gewesen sein. Seine Flotten waren stark dezimiert worden, die Seewege rund um Dänemark unsicher geworden, wodurch der Seehandel schwer beeinträchtigt wurde. Es machte sich jetzt unter den Belagerern fehlende Hoffnung breit. Der Herbst war heraufgezogen und die ohnehin feuchte Witterung wurde durch die sinkenden Temperaturen beschwerlich. Krankheiten begannen im Lager zu grassieren, so dass schon die ersten in der Gewissheit heimzogen, dass die Stadt im Sturm nicht genommen werden kann und ein ein Aushungern ebenso unmöglich wurde, seit der Seeweg frei war. Die weite Umgegend war durch die wochenlange Belagerung regelrecht leergefressen und es musste aus immer größeren Entfernungen Nachschub herangeschafft werden. Gegen Ende stand König Erik und Wizlaw von Rügen mit ihren demoralisierten Truppen alleine vor der Stadt. Der Moment war gekommen, wo auch sie abbrechen und abziehen mussten, denn es war keine Hoffnung mehr und so stand das Lager eines Morgens verlassen dar. Der Abzug erfolgt in solcher Eile, dass die städtische Besatzung bei einem Ausfall noch allerlei Verwertbares vorfanden. Eine überaus kostspielige Schlappe der großen nordischen Allianz und nichts war erreicht. Ein eindrucksvoller Beweis, wie schwer die Einnahme einer stark befestigten Stadt zu dieser Zeit gewesen ist.


Markgraf Johann V. stirbt in jungen Jahren

Aus zahlreichen Urkunden wissen wir, dass Johann in seinen Jahren als Mündel mit Waldemar gemeinsam auf zahlreichen Reisen durch die Mark unterwegs war. Waldemar schätzte ihn überaus und nach allem was man sagen kann, beruhte es auf Gegenseitigkeit. Für Johann dürfte Waldemar sowohl eine Art großer Bruder, Freund, Berater und auch Ersatzvater gewesen sein. Im Krieg gegen Mecklenburg unterstützte er Waldemar mit Truppen und geriet dabei in Konflikt zu seinen Räten, die daraufhin seinen Hof verlassen mussten.
Wahrscheinlich Ende, allenfalls am 1. April 1317 starb Johann V. völlig überraschend im Alter von nur 14 Jahren in seiner Residenz zu Spandau. Am 28. März er noch zu Magdeburg tätig und besiegelte dort eine Urkunde.
Er hatte die Ottonischen Lande kaum mehr als zweieinhalb Jahre selbstständig regiert. Wir können nichts über die Ursachen seines plötzlichen Todes sagen. Schnell kam der Verdacht auf, er wäre vergiftet worden. Die Leute waren damals schnell dabei, einen unerwarteten, vorzeitigen und unerklärlichen Tod mit verabreichtem Gift in Verbindung zu bringen, doch bleibt es im Falle Johanns unerwiesen.
Waldemar ließ den Leichnam des jungen Mannes, der seit dem Tod des Vaters für mehr als sechs Jahre unter seiner Obhut stand, am 4. oder 5. April in Spandau aufbahren, wo man mit aller Pracht Abschied nahm. Die Feierlichkeiten fielen mit den Osterfeiertagen zusammen, das in diesem Jahr auf den 3. April fiel. Zu   den Feierlichkeiten war auch Herzog Rudolf von Sachsen als naher Verwandter, neben einer großen Zahl Ritter und Geistlicher nach Spandau gekommen. Johanns Leichnam wurde danach ins Kloster Lehnin überführt und dort in der Grablege der Vorväter zur letzten Ruhe gebettet.
Er war mit Katarina von Glogau verheiratet, die etwa sechs Jahre älter war. Sie war eine Tochter Herzog Heinrichs III. von Glogau. Die Ehe blieb kinderlos, möglicherweise war sie wegen des noch jungen Alters des Markgrafen überhaupt bislang nur symbolisch vollzogen gewesen.
Nutznieser des frühen Todes Johanns war zweifelsfrei sein vormaliger Vormund, Markgraf Waldemar. Da mit dem Tod des jungen Markgrafen die Ottonische Linie endgültig ausstarb, war Waldemar Universalerbe aller brandenburgischen Gebiete, bis auf die Landschaften Markgraf Heinrichs I., dessen gleichnamiger, 1308 geborener, jetzt neunjähriger Sohn nun auf die Bühne trat, denn er war aller Wahrscheinlichkeit dazu außersehen, dereinst das ganze ungeteilte Brandenburg zu erben, sollte Waldemar nicht doch noch ein Erbe geboren werden. Mit dem Tod Johanns lebten von den brandenburgischen Askaniern nur noch der greise Heinrich I., dessen Sohn Heinrich und Waldemar.

Ein Zeitgenosse beschrieb mit nachfolgenden Zeilen den Charakter des Verschiedenen: „Dieser Johann, obschon er noch ein Jüngling war, denn sein Alter betrug nur 14 Jahre, zeigte doch einen männlichen Geist, war ernst in Worten, klug in Taten, den Freunden freundlich, den Feinden schrecklich; zu Handlungen der Tugend und Rechtschaffenheit hatte er gute, natürliche Anlagen, seine Hand streckte er aber als Herr aus, seiner Urteilssprüche waren viele.“

Nach fast sechs Jahrzehnten Teilung in eine Johanneische – und eine Ottonische Linie, war die letztere endgültig ausgestorben und die Kinderlosigkeit Waldemars ließ befürchten, dass von der zweigeteilten Johanneischen Linie die ältere mit ihm verging und von dem heranwachsenden Heinrich aus der jüngeren Linie beerbt würde, sollte er zu seinen Jahren kommen, das heißt mit 12 Jahren bedingt volljährig werden.


Friede von Magdeburg & Templin

Der Krieg im norddeutschen Raum zog sich nach der Schlacht von Gransee und dem Seegefecht gegen die vereinigten Flotten der großen Allianz nur noch auf dem Papier dahin. Seit der Auflösung des Belagerungsrings um Stralsund und dem Abzug Erik von Dänemarks, wollte alle Seiten nur noch einen einvernehmlichen Frieden, selbst der Heißsporn Waldemar und sein rachsüchtiger Gegenspieler, König Erik. Durch gegenseitiges Entgegenkommen wurde eine Zusammenkunft zu Meienburg in der Prignitz verabredet, die am 23. Dezember 1316 stattfand. In einem vorläufigen Vertrag, den Heinrich von Mecklenburg in seinem und Eriks von Dänemark Namen mit den Markgrafen Waldemar und Johann, der zu dieser Zeit noch lebte, abschloß, wurden die Vorraussetzungen zur einvernehmlichen Friedensfindung vereinbart. Von jeder Seite wurden hierzu zwei Ritter bestimmt, welche die Friedensbedingungen aushandeln sollten. Mecklenburg bestimmte die Ritter Busso von der Döllen und George Hasenkopp, zwei im Lande Stargard ansässige Edelleute. Auf der Seite Brandenburgs übernahm Droisecke von Kröchern, der wieder in Gnaden von den Markgrafen aufgenommen wurde, und Henning von Blankenburg die Aufgabe.
Während die Verhandlungen zum Friedensschluss eben erst begonnen hatten, flammten im Vorland des Rügener Festlandteils die Kämpfe wieder auf. Die bei Meienburg anwesenden oder vertretenen Parteien waren daran zwar nicht beteiligt, doch konnte es nur zu leicht den noch jungen Waffenstillstand abwürgen. Wizlaw von Rügen stand momentan alleine auf weiter Flur und Stralsund, unterstützt von den Herzögen aus Pommern, rächte sich an ihm für die zurückliegenden Monate, indem alle Ortschaften, Burgen und festen Plätze im weiten Umkreis um die Stadt erobert wurden. Schließlich wurde Wizlaw sogar auf seine Insel verflogt, wo er sich bis auf sein stark befestigtes Schloss Rugard zurückziehen musste. In dieser prekären Lage, kamen ihm seine Verbündeten zu Hilfe und jetzt waren die Stralsunder die Gejagten. Zu Land und zu Wasser erlitten sie mehrere Niederlagen, bis das ausgerückte, jetzt stark dezimierte Heer wieder sicher hinter den starken Mauern der Stadt lag. Wizlaw eroberte mit den ihm beistehenden Verbündeten die verlorenen Gebiete auf dem Festland zurück, vermied aber vor Stralsund zu ziehen, da selbst jetzt eine Eroberung mit den wenigen ihm zur Verfügung stehenden Truppen ausgeschlossen war.
Während der Friede mit Mecklenburg und Dänemark von den Unterhändlern beider Seiten weiter verhandelt wurde und noch keine Aussicht auf formellen Frieden bestand, war gleichzeitig ein Friede mit dem Markgrafen Friedrich von Meißen in Arbeit. Am 1. Januar 1317 trafen sich die Vertreter Meißens und Brandenburgs in Weißenfels an der Saale um durch einen Vergleich die endgültige Aussöhnung und ein Freundschaftsvertrag geschlossen werden sollte. Verhandlungsführer waren der oberste Schreiber des Meißner Markgrafen, Meister Walther sowie Meister Konrad von Templin für Meißen. Für Brandenburg Christian von Gerhardsdorf aus Görlitz und Pfarrer Johann von Görlitz. Man einigte sich auf acht Artikel die am 1. März 1317 zu Magdeburg ratifiziert werden sollten. Tatsächlich lag einer endgültigen Aussöhnung zwischen den Askaniern in Brandenburg und den Wettiner nichts mehr im Wege. Der Termin am 1. März wurde nicht wahrgenommen, doch schienen sich die Vertragsparteien dennoch an die vertraglichen Inhalte zu halten. Es muss wohl noch im März zu einem Ersatztermin gekommen sein, denn am 11. März befreiten die brandenburgischen Markgrafen Waldemar und Johann in einer Urkunde zu Tangermünde ausgestellt, alle Edlen, Ritter, Knappen, Burgleute, Bürger und Leute aller Art der Schlösser und Städte von Meißen und Freiberg von ihrem Eid und wießen sie an, ihrem geliebten Freund, dem Markgrafen Friedrich von Meißen, den gleichen Gehorsam zu leisten, wie sie bislang ihnen geleistet hatten.
Tags drauf sehen wir Waldemar und Johann zu Magdeburg, wo sie ein Erbschaftsabkommen mit dem Grafen von Lüchow, ihrem Lehnsmann abschlossen, der bislang ohne männliche Nachkommenschaft war. Es liegt nahe, dass es auch dieser 12. März 1317, wo der Friedensvertrag mit Meißen besiegelt wurde. Am 28. März urkundete Markgraf Johann, abermals oder noch immer in Magdeburg, zugunsten des Deutschen Ordens. Es war das letzte Mal, dass wir den jungen Markgrafen auf eine Urkunde lesen. Er verstarb nur wenige Tage später, vermutlich noch im März zu Spandau auf ungeklärte Weise. Es muss wohl noch März gewesen sein, denn schon am 1. April, es war der Karfreitag, bestätigte Waldemar der Stadt Strausberg das Privileg ihr Stadtrecht an andere Städte weiterzugeben, wodurch zugleich das Stadtgericht von Strausberg zum Appellationsgericht für alle Städte wurde, welche dessen Recht erhalten hatten.
Es war üblich, daß der Regent umherreisete, und die Huldigung der Städte und Vasallen persönlich entgegenzunehmen. Waldemar zog es vor, zunächst in Spandau zu bleiben, und dort die Huldigung durch Abgeordnete zu empfangen. Jede Stadt rechnete auf Gunstbezeigungen und Erweiterung ihrer bisherigen Vorrechte. Als erstes an die Reihe kam Berlin und Cölln. Beide Kommunen hatten sich zwischenzeitlich den ersten Rang unter den märkischen Städten erarbeitet. Waldemar schien bis zum 10. April in Spandau geblieben zu sein und nahm die Huldigung weiterer Städte entgegen. Am 12. war nach Eberswalde weitergereist, wo die Ratmänner der Stadt ihm huldigten. Noch den gesamten April reiste der Markgraf umher und ließ sich huldigen, bestätigte davor die jeweiligen Privilegien oder erweiterte diese.
Im Mai 1317 kam Bewegung in die seit Dezember des Vorjahres laufenden Friedensverhandlungen mit der großen Allianz, an deren Spitze König Erik von Dänemark stand. Wenngleich der Waffenstillstand seither hielt, war man nur wenig bei den bisherigen Verhandlungen vorangekommen und stritt leidenschaftlich über die Schuldfrage. Beide Seiten machten der Gegenseite Vorhaltungen, den 1314 geschlossenen Frieden von Brodersdorf einseitig gebrochen zu haben. Am 21. Mai 1317, es war der Abend vor Pfingsten, kam es in dieser Angelegenheit, abermals im mecklenburgischen Brodersdorf, zum Kompromiss. Keine Seite wollte die Kampfhandlungen wieder aufleben lassen, da sich niemand hiervon einen Erfolg versprach und so stellte man sich bis zum endgültigen Friedensschluss gegenseitig Bürgen um den Waffenstillstand zu bewahren. Zu den Bürgen auf brandenburgischer Seite gehörten Herzog Otto von Pommern-Stettin, Graf Günther von Kevernberg, Graf Günther von Lindow, Droisecke von Kröchern, Heinrich von Blankenburg, Heinrich von Stegelitz, Redecke von Redern, Heinrich von Alvensleben, Hans von Wedel, Dubizlav von Eickstedt, Heinrich von Benz, Heinrich von Köckeritz, Albrecht von Klepzigk, Heinrich von Wulkow, Tidecke von Wolmerstorf, Heinrich von Schenkendorf, Betecke von Holzendorf, Wedeke von Wedel. Es wurde beschlossen, dass die streitigen Punkte durch vier Schiedsrichter entschieden werden sollte. Ab dem 1. Juli sollten sie in Templin tagen und innerhalb von vier Monaten ihre Vorschläge Herzog Rudolf von Sachsen zusenden, dessen Entscheidung, die in Magdeburg verkündet werden sollte, sich beide Seiten unterwerfen wollten. Inzwischen verwandte sich Waldemar bei König Erik für dessen Bruder Christian von Halland, der gegen ihn gefochten hatte, damit er ihn wieder zu Gnaden annähme. Dagegen nahm sich König Erich der Vasallen Waldemars an, die sich 1315/16 gegen den Markgrafen verbunden, und deren Besitzungen er eingezogen hatte. Auf Fürsprache Eriks erhielten sie ihre Güter zurück und wurden wieder in Gnaden aufgenommen. In gleicher Weise räumte Waldemar jene Gebiete des Fürsten Wizlaw von Rügen, die er noch in Besitz hielt. Abschließend wurde zwischen Waldemar, König Erik und Herrn Heinrich von Mecklenburg am 24. Mai ein Schutz- und Trutzbündnis vereinbart. Trotz dieser zuversichtlich stimmenden Entwicklung, zogen sich die weiteren Verhandlungen noch Monate in die Länge. Endlich, im Spätherbst trafen Nachrichten ein, dass die seit Juli mit Unterbrechungen tagende Kommission eine Einigung erzielt hatte und der Friedensvertrag bereit zur Ratifizierung sei.
Am 25. November kam es zu Templin zum vollständigen Friedensschluss zwischen König Erik von Dänemark, Fürst Heinrich von Meklenburg, deren Bundsgenossen, den Herzogen Otto von Lüneburg, Erich von Sachsen-Lauenburg, den Bischöfen von Havelberg, Schwerin und Ratzeburg, Johann dem Jüngern von Werle, den Grafen Heinrich von Schwerin, Gerhard von Holstein, Otto von der Hoye, Nikolaus und Bernhard von Gützkow auf der einen, dem Markgrafen Waldemar, den beiden Herzögen von Pommern auf der andern Seite. Das umkämpfte Land Stargard blieb als brandenburgisches Lehen bei Mecklenburg. Die Schlösser Eldenburg und Wredenhagen hingegen lieferte Heinrich dem Markgrafen mit den dazu gehörigen Landschaften und Leuten an Brandenburg aus. Für den Fall eines unbeerbten Todes Waldemars, fielen beide Lande auf ewig an Mecklenburg zurück. Es waren noch allerlei sonstige Klauseln zu erfüllen, wie Kostenübernahmen für Kriegsschulden etc. und der Austausch der gegenseitigen Kriegsgefangenen. Herzog Erich von Sachsen-Lauenburg schien zum Zeitpunkt des Friedensschlusses bereits auf freiem Fuß gewesen zu sein.
Interessant ist noch die Angelegenheit rund um den gefangenem Grafen Johann III. von Holstein-Kiel, für den Waldemar das stolze Lösegeld von 16.000 Mark haben wollte. Der Graf war keinesfalls in der Lage diese hohe Summe zu leisten. Und von seinen vormaligen Verbündeten machte auch niemand die Anstalten ihn auszulösen, fast überall in norddeutschen Raum war das Geld an den Höfen knapp geworden. Waldemar kam währenddessen auf eine andere Lösung. Die kürzlich verwitwete Markgräfin Katharina, Tochter des Glogauer Herzogs Heinrich III., Gattin des Ende März jung verstorbenen Markgrafen Johann V., lebte noch an seinem Hof und offenbar suchte er nach einem billig Weg, sie loszuwerden. Was immer ausschlaggebend war, Waldemar zwang den gefangenen Grafen seine vormalige Schwägerin zu heiraten, und statt des von ihm zu zahlenden Lösegeldes, auf jede Art von Mitgift zu verzichten. Alles war dem Grafen lieber, als weiter fern des eigenen Fürstentums, in märkischer Gefangenschaft zu sitzen und so ging er auf das Angebot ein. Aus der Ehe gingen später vier Kinder hervor.
Am 13. Dezember kam im dänischen Vordingborg, wohin Waldemar gereist war,  der Hauptfriedensschluß zustande. König Erik, Fürst Witzlaw und Waldemar garantierten einander alle ihre Besitzungen, zugleich wurde Stralsund in allen Rechten bestätigt.
Der große Krieg im Norden des Reichs ging auf dem Status Quo von vor Kriegsausbruch zu Ende, niemand hatte einen Zugewinn und alle hatten verloren.


Vergleich mit dem Johanniterorden

Das Ende des Templerordens im Jahre 1312 zog weite Kreise. Überall in Europa machten sich kirchlische und weltlichen Fürsten Hoffnung auf Teile des  umfangreichen Ordensbesitzes. Papst Clemens V. erklärte in seiner Bulle ad providam vom 2. Mai 1312 den Johanniterorden zum Universalerben der vormaligen Besitzungen der Templer. Tatsächlich erwies es sich für die Johanniter in der Folge als schwierig, den realen Besitz auch geltend zu machen, so auch in der Mark Brandenburg, wo der Templerorden seit langer Zeit allerlei Besitz östlich der Havellinie besaß. Der Johanniterritter, Bruder Paulus von Mutina, war in  die Mark gereist, um dort mit Waldemar wegen Herausgabe der noch von ihm inne behaltenen Tempelherrngüter zu unterhandeln. Am 29. Januar 1319 kam zu Kremmen zwischen beiden folgender Vertrag zu Stande.

1.) Waldemar nimmt den Johanniterorden mit allen Leuten in seinen besondern Schutz, und die Ritter sollen wie seine eigenen betrachtet Leute betrachtet werden, innerhalb als auch außerhalb der Mark.
2.) Der Orden und die Brüder sollen mit Gut und Recht, wie sie dem Hospitale des heiligen Johannes zustehen, und ehemals dem Tempelorden zustanden, bei aller Freiheit bleiben, so wie sie vom Heiligen Stuhl damit begünstigt waren.
3.) In allen Streitsachen, die Personen und Güter des Ordens, auch solche der ehemaligen Tempelherrn betreffend, ist der Markgraf Richter, sowohl für frühere als künftige Vergehen. Wo der Markgraf nicht selber tätig werden konnte, soll er Richter einsetzen, die in seinem Namen richten.
4.) Dafür verspricht Bruder Paulus von Mutina im Namen des Ordens, kraft der ihm zustehenden Gewalt und mit Rat und Genehmigung seiner Brüder, der Komture Ulrich Schwaves zu Gardelegen und Nemerow, Gewert von Bortfeld zu Braunschweig und Goslar, sowie Georg von Kerkow zu Zachan, dem Markgrafen 1.250 Mark brandenburgisches Silber, wofür er Zielenzig mit den Dörfern Langenfeld, Bresen, Reichen, Buchholz, Laubow als Pfandbesitz erhielt. Begleicht der Orden nicht innerhalb von zwei Jahren die ausstehende Summe, fallen genannte Ortschaften an die Mark. Zeugen waren Graf Günther von Kevernberg, Droisecke von Kröchern, Redeke von Reder und Johann von Greifenberg. Der Markgraf stellte zugleich diese Zeugen als Bürgen für seine Versprechungen.
Waldemar ließ sich die Herausgabe der von ihm bis dahin verwalteten Güter der Templer, wovon er schon ohnehin Nutzen gezogen hatte, zusätzlich teuer bezahlen.
Außer dem ansehnlichen Geldgewinn, den Waldemar von dem Johanniterorden einstrich, war sein erworbenes Schutzrecht über den Orden in der Mark, in Pommern und Mecklenburg von größter Wichtigkeit, da er dadurch in diesen Ländern als Oberrichter in allen Streitigkeiten des Ordens großen Einfluss auf die dortigen Geschehnisse bekam. Mit der Urkunde von Kremmen beginnt das Schutzrecht Brandenburgs über den Orden in der Mark und den angrenzenden Ländern entlang der südlichen Ostseeküste.


Markgraf Waldemar stirbt ohne Nachkommen

Mit dem Tod Heinrichs I., dem Markgrafen von Landsberg, Waldemars Halbonkel, am 14. Februar 1318, gab es in der gesamten Mark Brandenburg nur noch zwei männliche Askanier. Waldemar und den zehnjährigen Heinrich, Sohn des verstorbenen Henrich I., über den Waldemar nun gemäß Recht und Sitte die Vormundschaft übernahm. Waldemars Kinderlosigkeit hatte angehalten und er schien zwischenzeitlich wohl auch alle Hoffnung aufgegeben zu haben. Schon zwangsläufig machte er seinen heranwachsenden Halbvetter Heinrich zum zukünftigen Erben, es gab sonst niemanden mehr. Aus den seither überlieferten Urkunden können wir nicht entnehmen, ob der junge Heinrich seinen Vormund fortan auf dessen Reisen begleitet hätte. Dem Jungen wurde nachgesagt, er wäre von schwächlicher Statur und kränklich gewesen, vielleicht verhinderte diese eine Begleitung.

Waldemar war in dieser Zeit augenscheinlich bei bester Gesundheit und im Vollbesitz seiner Kräfte denn sein Itinerar weißt eine sehr rege Reisetätigkeit auf. Umso mehr schockiert sein plötzlicher Tod. Am 14. August 1319 starb Markgraf Waldemar in Bärenwalde in der Neumark.  Brandenburg stürzte in seine bislang größte Krise. Heinrich war mit seinen elf Jahren noch unmündig und konnte die Regentschaft in der Mark nicht selbstständig antreten.

Über die Ursache, die zum Plötzlichen Tod Waldemars führte, ist nicht das Geringste bekannt. Überhaupt kann es nur wundern, dass keiner der zeitgenössischen Chronisten dem Ereignis, das in seiner Tragweite für die norddeutsche Region nicht unerheblich war, größere Aufmerksamkeit schenkte. Verschiedene Chronisten der Zeit gaben zum Teil sich widersprechende Todestage an und so war es lange unklar, wann Waldemar tatsächlich starb. Riedel hat schließlich in seinem II. Band Codex diplomaticus Brandenburgensis auf Seite 441 bis 443 stichhaltig den 14. August 1319 als den wahrscheinlichen Todestag herausgearbeitet. Der 14. August war zugleich der letzte Tag, an dem Waldemar eine Urkunde ausstellte, in der er unter anderem verfügte, dass sein Leichnam im Kloster Chorin, in der Gedächtnisstätte seiner Vorväter zur letzten Ruhe gebettet werden soll. Er muss seinen nahen Tod ohne Zweifel erahnt haben.

Einem Zeitzeugen wollen wir abschliessend eine Stellungnahme gestatten: „Dieser Waldemar war an Gestalt klein, aber von großen Kräften, von der Herrschaft der andern Mächtigen mehr Gebrauch machend, als von der eigenen. Ferner begünstigte er sehr die Würdenträger, Edlen und Mächtigen, welche aus den verschiedenen Teilen der Welt an seinen Hof zusammenströmten. Er war überdies der Begierigste nach eitler Ehre und sehr prachtliebend. Denn als er vom Könige von Dänemark vor der Stadt Rostock mit der Ritterwürde bekleidet wurde, wandte er unermeßliche Kosten auf, und machte den Rittern und Possenreißern so viele und verschwenderische Geschenke, daß ihm daraus große Schulden erwuchsen.“

Vielleicht sind diese wenigen Zeilen am Ende vielsagend genug hinsichtlich dieses eigentümlichen Fürsten, dem der Prunk viel, zu viel bedeutete. Möglicherweise beantwortet der letzte Satz unsere Frage nach den Ursachen seiner ständigen Geldnot. Ganz augenscheinlich verbrauchte sein exzentrischer Lebenstil das Vermögen des Landes und wer weiß, hätte er länger gelebt, was  noch alles verpfändet oder verkauft worden wäre.

Durch den kinderlosen Tod einer ganzen Reihe älterer Verwandter, und dem Aussterben der Ottonischen Linie mit dem frühzeitigen Tod Johanns V., wurde Waldemar ohne eigenes Zutun zum mächtigsten Markgrafen Brandenburgs. Er vermochte dennoch nie an die Größe seines Onkels Otto IV. und schon gar nicht an den des Großvaters Johann I. anknüpfen. Zur Deckung seines unstillbaren Geldbedarfs, begann er früh mot Veräußerungen brandenburgischer Ansprüche und auch realem Besitz, darunter sogar die seit Generationen begehrten Zugänge zur Küste der Ostsee. Mit seinem Tod in relativ jungen Jahren, blieb nur noch ein einziges Mitglied der brandenburgischen Askanier im Mannesstamme übrig, das Kind Heinrich.


 

Buch 1, Kapitel XIV: „Waldemar regiert in der Mark“


Verlobung und Huldigung der Stände

Waldemar hatte als neuer Alleinregent, denn quasi war er das, trotz seines noch lebenden Halbonkels Heinrich, zwei geerbte Hausforderungen zu lösen. Die eine umfasste den noch immer nicht entschiedenen, mittlerweile seit über einem Jahrzehnt laufenden Erbfolgekrieg um das Herzogtum Pommerellen, die andere betraf die Vormundschaft des unmündigen Markgrafen Johann, dem Universalerben in spe der Ottonischen Linie Brandenburgs. In Bezug auf das verwaiste Herzogtum, ergaben sich im Herbst 1308 entscheidende Ereignisse, auf die wir noch eingehen. Jetzt gilt unsere weitere Aufmerksamkeit zunächst den Bemühungen Waldemars um Anerkennung und Huldigung der Städte und des Adels in den Ottonischen Gebieten seines Mündels. Johanns Mutter, die nach dem Tod Markgraf Hermanns vorerst noch in der Mark blieb, war zwischenzeitlich in ihren fränkischen Witwensitz gezogen, wo sie wiederholt urkundete. Die Tochter des im Vorjahr ermordeten römisch-deutschen Königs Albrecht hatte nicht die Nerven und Durchhaltewillen, im ausgebrochenen Streit um das Vormundschaftsrecht über ihren Sohn, eine bestimmende, wenigstens teilhabende Rolle zu spielen. Wenngleich die gängige Sitte der Mutter eines vaterlosen Knaben scheinbar wenig bis keine Verfügungsrechte über dessen zukünftiges väterliches Erbe einräumte, blieb sie doch Mutter und ihre Einwände in Bezug auf dessen Wohl konnten nicht in den Wind geschlagen werden, wollte ein Vormund vermeiden die allgemeine Meinung gegen sich aufzubringen. Die Geschichte kennt zahlreiche Beispiele verwitweter Fürstinnen, die das weitere Schicksal des oder der Söhne aktiv mitgestalteten. Bei den Kaiserwitwen Adelheid und Theophanu angefangen, bis zur Wettinerin Mathilde von Groitzsch, der Urgroßmutter Waldemars, die nach dem Tod Albrechts II., trotz der von Kaiser Friedrich II. getroffenen Regelung, die weiteren Angelegenheiten ihre Söhne betreffend, tatkräftig in die Hand nahm. Judith von Henneberg, die hinterlassene Gattin Markgraf Hermanns, war augenscheinlich nicht aus gleichem Holz geschnitzt und so stritten sich die Parteien um den Sohn und das ihn betreffende Erbe ungehemmt. Ein früher Höhepunkt bildete die Entführung Johanns nach Spandau. Der Knabe war gerade erst von der Mutter an Waldemar übergeben worden und schon war er ihm wieder aus den Händen gerissen. Aufgebracht und den eigenen Onkel im Nacken, zog Waldemar vor die Festung und bemächtigte sich abermals des Jungen. Dieses Mal unter Anwendung von Waffengewalt. Eine Auseinandersetzung dieser Art entspannte sich nach derart heftigen Aktionen und Gegenaktionen naturgemäß nicht einfach wieder. Ein innenbrandenburgischer Militärkonflikt drohte. Städte und Adel waren von der Dramatik um ihren unmündigen Landesfürsten, alles spielte sich in den wenigen Wochen nach dem Tod ihres vormaligen Herrn ab, zutiefst erschüttert und verweigerten den Markgrafen der Johanneischen Linie jeden Akt der Unterwerfung und Huldigung. Die Geschehnisse, die sich im Spätsommer und Herbst 1308 im Herzogtum Pommerellen ereigneten, fesselten die Aufmerksamkeit Markgraf Ottos IV. und Waldemars ebenso, wie die Ermordung des Königs und die sich hierauf entspannenden Verhandlungen um ein neues Reichsoberhaupt. Vielleicht war es diesen Umständen zu verdanken, dass ein striktes Vorgehen ihrerseits verhütete und sich so die Gelegenheit ergab, die Gemüter etwas abzukühlen. Jetzt mit dem Tod Markgraf Ottos IV. war eine günstige Gelegenheit zum Neuanfang gekommen. Der alte Rivale der Ottonischen Linie hatte nach einem langen und ereignisreichen Leben die Augen für immer geschlossen und Neffe Waldemar war sein alleiniger Erbe. Die Zeit spielte ihm in die Karten, denn seine ihm versprochene Braut, die junge Markgräfin Agnes, die ältere Schwester seines Mündels Johann, war zwischenzeitlich ins heiratsfähige Alter gekommen. Markgräfinwitwe Anna, sie nannte sich nun eine Gräfin Henneberg, kehrte wieder in die Mark zurück, wo sie in der Grafschaft Arneburg, neben Schmalkalden in Thüringen und Coburg in Oberfranken, einen brandenburgischen Witwensitz in der Altmark besaß. In dieser Zeit, es war wohl schon Frühling 1309, wurden zwischen Waldemar und Markgräfin Anna wahrscheinlich die letzten Formalitäten zur öffentlichen Verlobung besprochen. Am 8. Mai, zu Christi Himmelfahrt, sehen wir Waldemar und Anna in Tangermünde eine Schenkung des ehemaligen Mundschenken Markgraf Hermanns zugunsten des Heilig-Geist-Hospital in Stendal bestätigen. Gleichzeitig befreien sie das Spital von allen landesherrlichen Abgaben zum Seelenheil des verstorbenen Markgrafen Hermann, seines Mündels verstorbenem Vater. Zwei wichtige Bemerkungen an dieser Stelle. Waldemar befreite das Hospital nicht in den ihm zugehörigen Besitzungen, sondern in jenen, die seit vorherigem Verkauf, in den Ottonischen Herrschaftsbereich fielen. Er nahm damit eine Regierungshandlung als Vormund an Johanns statt vor. Nun hatte er schon zu Anfang seiner Vormundschaft in dessen Namen Veräußerungen vorgenommen, die ihm seinerzeit Vorhaltungen der von Markgraf Hermann bestellten altmärkischen Vormünder einbrachte. Einer dieser, Ritter Droisecke von Kröcher, war jetzt im Mai in Tangermünde mit anwesend und erscheint unter den Zeugen, wodurch dessen Zustimmung ersichtlich wird. Es musste sich zwischenzeitlich etwas Entscheidendes am Verhältnis verändert haben. Eine Urkunde vom 14. Mai 1309 gibt den entscheidenden Hinweis. Darin bezeichnet Waldemar den jungen Markgrafen Johann als seinen Schwager, was er in keiner vorherigen Urkunde bislang tat. Die letzte Urkunde vor jener von Tangermünde vom 8. Mai, wurde am 4. Mai ausgestellt, worin im Zusammenhang mit Johann noch nicht von einem Schwagerverhältnis die Rede war. Die offizielle Verlobung muss daher ohne Zweifel in der Zeit zwischen dem 4. Mai und dem 14. Mai stattgefunden haben. Das Treffen mit Markgräfin Anna, seiner zukünftigen Schwiegermutter, sowie die an Christi Himmelfahrt gemeinsam vorgenommene Abgabenbefreiung zum Wohle des Stendaler Hospitals und zum Seelenheil des verstorbenen Markgrafen Hermann, entsprachen ganz den damaligen Gepflogenheiten,  anlässlich freudiger Anlässe großzügig gegenüber Armen und Bedürftigen zu sein. Tatsächlich erfolgten nun in rascher Folge die Huldigungen der Ottonischen Städte, denn wir sehen Waldemar in jener schon erwähnten Urkunde vom 14. Mai der Doppelstadt Berlin-Cölln die Privilegien bestätigen. Ein Akt, der stets in direktem Zusammenhang mit der Leistung des Huldigungseids stand. Eine gleichlautende Urkunde wurde am selben Tag für Salzwedel ausgestellt und wahrscheinlich für weitere Städte der Ottonischen Städte. Mit den Kommunen im Rücken, war die Unterwerfung und Huldigung des Adels eine reine Formsache geworden. Den Mai 1309 dürfen wie mit Recht als Beginn der tatsächlichen Regentschaft Waldemars über beiden brandenburgischen Linien betrachten.

Der Eheschließung stand derweil die nahe gegenseitige Verwandtschaft im Wege. Waldemars Großvater und Agnes Urgroßvater waren Brüder, nämlich die als Städtegründer bekannt gewordenen Markgrafen Johann I. und Otto III. Um die Ehe zu legitimieren, erbat Waldemar bei Papst Clemens V. Dispens, die dieser am 9. November 1309 erteilte. Es ist jene päpstliche Dispensurkunde, aus der wir wichtige Hintergründe im Zusammenhang dieser Verbindung an früherer Stelle vorweggenommen haben, so den geheimen Charakter des Eheplans, initiiert von den Markgrafen Konrad und Hermann aber auch die unbedingte Ernsthaftigkeit des Vorhabens, durch Stellung von Bürgen etc.


Danzig fällt

Jener wechselvolle Erbfolgekrieg um das verwaiste Herzogtum Pommerellen, das seit dem Tod Herzog Mestwins II. Dezember 1294 die Begehrlichkeiten vieler Fürsten weckte, dauerte mittlerweile schon 14 Jahre. In dieser Zeit stritten Brandenburg, Polen, Pommern-Wolgast, Rügen und Böhmen in unterschiedlichen Konstellationen und Geschick um Teile der Landmasse oder sogar um die volle Sukzession. Weiter glaubte auch das schlesische Herzogtum Glogau, nachdem in Böhmen die Přemysliden im Mannesstamme ausgestorben waren, Ansprüche zu besitzen. Am Ende, von Polen hinzugerufen, mischte auch der Deutsche Orden mit, wodurch in Verkettung einiger Ereignisse, letztendlich die Vorentscheidung fiel. Brandenburg gelang es während der ersten kriegerischen Hochphase 1295/96, einige Gebietsgewinne entlang der Warthe und Netze gegen Großpolen durchzusetzen, ohne eine eigentliche Entscheidung Pommerellen betreffend erstreiten zu können. Der Tod Przemysł II., das hieraus entstehende Vakuum und die ausbrechenden Wirren, spielten bei den damaligen brandenburgischen Eroberungen eine entscheidende Rolle. Zu weiteren Erfolgen kam es derweil nicht. Im weiteren Verlauf übten abwechselnd entweder  Böhmen oder Polen die Herrschaft in Pommerellen aus. Wer, das hing vom jeweiligen Stand des parallel laufenden böhmisch-polnischen Konflikts um die polnische Krone und das Herzogtum Kleinpolen ab, so dass entweder der kujawische Herzog Władysław I. Ellenlang, erwählter Nachfolger Przemysłs im Herzogtum Großpolen, oder Wenzel II. von Böhmen mehr oder minder die Herzog in Pommerellem war. Umstrittene Situationen, in denen die Besitzverhältnisse unklar, das führungsloses Land durch allerlei Kriegshandlungen ausgelaugt, waren bestens geeignet, lokale Kräfte und Machtstrukturen erstarken zu lassen. Die üblicherweise nur aus der Ferne und von fremden Verwaltern vertretenen Landesherren taten gut daran, auf derartige Strukturen und Personenkreise zurückzugreifen, liefen jedoch gleichzeitig Gefahr, das Szepter aus der Hand zu geben. Es war ein Balanceakt, der Fingerspitzengefühl und Einsicht in die regionalen Verhältnisse voraussetzte, woran es oftmals naturgemäß mangelte. Eine wichtige Rolle spielten im Großraum Danzig das Geschlecht der Schwenzonen, besonders Peter von Neuenburg, auch Peter Swenza genannt, ältester Sohn Graf Swenzas. Diese pommerellsche Ministerialenfamile war durch ihre Dienste für die Herzöge zu Titel und Besitz gekommen und hauptsächlich in den Distrikten Schlawe und Stolp begütert. Peter von Neuenburg verstand es in den Wirren, die dem Aussterben der Samboriden mit dem Tod Herzog Mestwin II. folgten, als regionale Größe den eigenen Einfluss weiter zu vergrößern. Neben ihm agierte Vater Swenza als Woiwode (Statthalter) von Danzig sowie Peters jüngere Brüder Lorenz und Johann. Ihre Rolle war zweifelsohne in der Region eine wichtige und als solche schienen sie sich durch persönlichen Einsatz für den Landfrieden im Sinne Herzog Władysławs eingesetzt zu haben, wozu es nach eigenen Angaben wiederholt notwendig wurde Güter zu versetzen, in aller Regel an den Deutschen Orden. Im Frühjahr 1308 wurde Peter bei Władysław Ellenlang wegen der von ihm und der Familie im Dienste des Landfriedens ausgelegten Summen vorstellig, konnte aber keinen befriedigenden Nachweis erbringen. Dass Władysławs notorisch leere Kassen, er musste fortlaufende Kriege gegen Böhmen, Glogau, Brandenburg und Litauen etc. finanzieren, bei der Ablehnung der eigentlich ausschlaggebende Punkt war, sollte erwähnt werden. Der verprellte Peter von Neuenburg sann auf Rache und nahm Kontakt zu den brandenburgischen Markgrafen Otto IV. und Waldemar auf. Er sagte ihnen Beistand bei der Eroberung einer Anzahl wichtiger Burgen als Ausgangsbasis eines großangelegten Eroberungsfeldzugs Pommerellens zu. Dieser Plan kam Władysław zu Ohren, der nicht zögerte und Vater Swenza sowie Sohn Peter sofort gefangen nehmen und in Krakau inhaftieren ließ. Die Internierung vor allem des Seniors, machte den nachhaltigsten Eindruck unter den Verwandten und Freunden der Familie, selbst unter einzelnen polnischen Magnaten, die sich alle für eine Freilassung stark machten. Unter dem Druck dieser Bewegung wurde zunächst der alte Graf am 22. Juni 1308 freigelassen, gefolgt von Peter im Hochsommer, allerdings unter Stellung von Geiseln in Person von Lorenz und Johann, den jüngeren Brüdern Peters. Diese bestachen ihre Wächter, flohen zum Bruder und dann gemeinsam zu den brandenburgischen Markgrafen. Noch im Sommer rüsteten Otto IV. und Waldemar ein großes Heer und fielen Mitte August in Pommerellen ein, wo sie plündernd und brandschatzend vordrangen. Mehrere Städte und Burgen öffneten ihre Tore, da die Gebrüder Swenza und ihr Vater im Gefolge der Brandenburger kämpften. Ende August wurde Danzig erreicht, auf deren Besitz die Markgrafen den größten Wert legten. Erinnern wir uns einige Jahrzehnte zurück, an die Lebzeiten Herzog Mestwins II., als dieser im Erbstreit mit dem eigenen Bruder den Besitz der Stadt Waldemars Vater Konrad I. zusagte. Im Gegenzug sollte dieser ihn im Kampf gegen den eigenen Bruder und Onkel beistehen. Markgraf Konrad eroberte Danzig seinerzeit mit großer Leichtigkeit, die starke deutsche Bevölkerung hatte daran tatkräftigen Anteil. Mit der angrenzenden, gut befestigten Burg sah es anders aus. Sie musste belagert und im Kampf genommen werden. Später wollte Mestwin von der getroffenen Vereinbarung nichts mehr wissen, forderte Danzig für sich, was Konrad verweigerte, worauf der treulose Herzog seinen geleisteten Lehnseid gegenüber Brandenburg brach und sich dem großpolnischen Herzog in die Arme warf, der hieraus seither seinen Anspruch auf Pommerellen ableitete.
Brandenburgs rascher Vormarsch in Pommerellen im Spätsommer 1308, rief den westlich angrenzenden Herzog Bogislaw IV. von Pommern-Stettin auf den Plan. Dieser schaute im Hinblick auf die seit Generationen schwelende Frage nach der allgemeinen Oberlehnshoheit Brandenburgs über ganz Pommern, mit größter Sorge auf den Entwicklung, und intervenierte militärisch gegen Brandenburg, alles in bestem Einvernehmen mit Władysław Ellenlang. Otto IV. und Waldemar warfen ein weiteres Heer dem Herzog entgegen. Ob es sich dabei um eine zusätzlich ausgehobene Armee handelte oder eine Abteilung des ersten, ob einer oder beiden den Befehl führte oder ein Hauptmann beauftragt wurde, ist nicht überliefert. Wie es auch war, diese Gruppe brach furchtbar verheerend ins Bistum Kammin, des Bischof sich erst wenige Jahre davor eng mit Brandenburg verbünden wollte, dann aber von Pommern kriegerisch unterworfen wurde. Bogislaws Intervention lief ins Leere, die Brandenburger blieben Herr der Lage und setzten ihren Vormarsch Richtung Danzig ungehindert fort. Anfang September 1308 standen sie vor der Stadt und abermals öffneten ihnen die überwiegend deutsche Bevölkerung die Tore, so dass Danzig kampflos eingenommen wurde. Wieder zogen sich die Verteidiger auf die Burg zurück, wie seinerzeit beim Angriff Markgraf Konrads. Das Kommando hatte Landrichter Bogussa und der Burghauptmann Woyciech (deutsch Albrecht). Täglich bestürmten die Brandenburger die Mauern, konnte aber von der starken polnischen Besatzung beherzt zurückgeschlagen werden. Die brandenburgischen Markgrafen waren derweil Mitte September zurück aufs Jagdschloss Werbellin gegangen. An diesem Ort in der Neumark konnten sie schneller auf die eingehenden Nachrichten von den Verhandlungen im Zusammenhang mit der im Reich anstehenden Königswahl regieren, zugleich waren sie nicht zu weit von den Kriegsschauplätzen in Pommerellen entfernt. Otto IV. machte sich zu dieser Zeit noch gewisse Hoffnungen auf die Wahl zum römisch-deutschen König, tatsächlich waren aber im frühen Herbst am Rhein die Würfel zugunsten des Grafen Heinrich von Luxemburg gefallen.
In der arg bedrängten Burg zu Danzig wurde die Lage für die Belagerten immer schwieriger. Während die Brandenburger von den deutschen Stadtbewohnern versorgt wurden, machte sich unter den Burginsassen erster Mangel bemerkbar. Mit polnischem Entsatz war nicht mehr zu rechnen, das hatten die wenigen aber deutlichen Nachrichten eingesickerter Kuriere unmissverständlich vermittelt. In dieser äußerst ernsten Lage übergab Landrichter Bogussa den Oberbefehl an Burggraf Woyciech. Er selbst musste persönlich bei Władysław Ellenlang vorstellig werden, um ihm die Dringlichkeit der Situation Auge in Auge mitzuteilenVielleicht war auch ein ganzes Stück Eigennutz dabei, denn es war nur zu wahrscheinlich, dass die Burg demnächst fiele, wodurch er den Brandenburgern in die Hände geriete. Unentdeckt gelang ihm in kleiner Begleitung die gefährliche Flucht aus der belagerten Festung. Anfang Oktober traf er seinen Landesherren zu Sandomierz und empfahl zum Deutschen Orden Kontakt aufzunehmen. Das gegenseitige Verhältnis zwischen den Deutschrittern und den südlich angrenzenden polnischen Teilherzogtümern, hatte seit der fulminanten Expansion des Ordens gelitten, besonders hinsichtlich Masowien, trotzdem war es  keineswegs feindlich. In dem stets vorzüglich gewappneten Ritterorden hätte man, sollte es zur Einigung kommen, einen mehr als potenten Zweckverbündeten gegen Brandenburg gefunden. Bislang musste ihm das volle Ausmaß des brandenburgischen Vorstoßes in Pommerellen nicht klar gewesen sein. Möglicherweise hielt er den Einfall für nicht mehr, als einen neuerlichen Plünderzug, wie es zu vielen seit Beginn der Auseinandersetzung um das Herzogtum in abwechselnder Weise gekommen war. Unter dieser Art Kriegsführung litten hauptsächlich die Bauern und ungeschützten Dörfer auf dem Land, sonst hatte es aber bislang kaum konfliktentscheidenden Einfluss gehabt. Überzeugt von der Notwendigkeit nun schnell handeln zu müssen, stimmte er dem Plan des Landrichters zu, der sich unmittelbar auf den Weg nach Elbing machte, wo er den preußischen Landmeister Heinrich von Plötzke traf und mit ihm unterhandelte. Dem Orden kam die Anfrage nicht unbedingt gelegen, immerhin war sie gegen einen Vasallen des Reichs gerichtet, dem man sich aufs Engste verbunden fühlte und dessen Reichsadler das eigene Wappen zierte. Heinrich von Plötzke, auch von Plötzkau genannt, entstammte aus einer Familie anhaltinischer Ministeriale im Dienste der askanischen Grafen von Anhalt, Verwandte unserer brandenburgischen Markgrafen, was die Umstände  für den Landmeister nicht einfacher machten. Hinsichtlich der akuten Querelen mit dem Erzbischof von Riga, konnte man sich jedoch Polen, oder auch nur Teile davon, nicht als verprellten Nachbaren leisten und so kam es zu einer Einigung.  Für ein Jahr traten Verbände des Ordens gegen Bezahlung in den Dienst Władysław Ellenlangs. Mit einem stattlichen Heer rückten die Ordensritter heran. Die Burg wurde je zur Hälfte mit polnischen und pommerellschen Truppen unter Führung des Landrichters  Bogussa und einer Mannschaft der Ordensritter unter dem Kommando Günthers von Schwarzburg, dem Landkomtur von Kulm, belegt. Schon bald ließen es die kriegserfahrenen Ordensritter nicht mehr nur mit bloßer Abwehr der brandenburgischen Angriffe auf sich beruhen, sie unternahmen ihrerseits beherzte  Ausbrüche, und fügten dabei den Belagerern empfindliche Verluste zu. Die Eroberung der Burg war durch die verstärkte Besatzung in weite Ferne gerückt und das herbstliche Wetter kündete bereits den nahenden Winter an und so zogen sixh die Brandenburg unter Zurücklassung einer Stadtgarnison zurück. Mit Hilfe einer Anzahl deutscher Bürger, gelang es zunächst die Stadt zu halten. Aus den Belagerern wurden jetzt Belagerte und bald schon drangen die Polen in die Stadt ein, wobei die brandenburgische Besatzung in wilden Straßenkämpfen niedergemacht wurde. Hierbei kam wohl auch eine unbestimmte Zahl Zivilisten ums Leben. Nach geglückter Eroberung glaubten die Polen den Orden nicht mehr zu benötigen, der davon irritiert, auf Einhaltung ihres Vertrags pochte und sein Geld verlangte. Es kam zu ernsten Szenen untereinander und beide Seiten, eben noch Verbündete, verschanzten sich in ihrer jeweiligen Hälfte der Burg. Danzig selbst, blieb in den Händen der Polen, die unter der deutschen Bevölkerung nach den Unterstützern der Brandenburger fahndeten und eine Reihe Todesurteile vollstreckten.
Die auf dem Siedepunkt angekommene Stimmung in der Burg, eskalierte eines Nachts, indem die Deutschritter über die Besatzung der polnischen Burghälfte herfielen und wen sie nicht erschlugen, gefangen nahmen, darunter Bogussa samt einer Anzahl seiner Ritter und Mannen. Der Rest floh zu den eigenen Leuten in der Stadt, wo man eilig die Verteidigung vorbereitete. Schon wieder drehte sich das Kriegsglück für Polen und ihrer pommerellschen Anhänger. Die Brandenburger war aus dem Land, zumindest aus den östlichen Teilen des Herzogtums, doch dafür hatte man jetzt die Ritter des Deutschen Ordens am Hals. Der Kulmer Landkomtur Günther von Schwarzburg war sich seiner Sache nicht sicher, sandte Eilboten mit Bericht über die Weichsel zum Landmeister, bat darin um Verstärkung, und harrte derweil in der Burg mit seinen Gefangenen aus. Landmeister Heinrich von Plötzke säumte nicht, rüstete ein Heer aus und führte es persönlich gegen Danzig. Die von zeitgenössischen polnischen Chronisten berichtete Zahl von 10.000 Mann, dürfte es keinesfalls erreicht haben, doch war es den Verteidigern in der Stadt dennoch zahlenmäßig weit überlegen. Am 13. November 1308 kam es zu den entscheidenden Kampfhandlungen. Der endgültigen Eroberung gingen sehr heftige Kämpfe in den Straßen voraus. Berichten zufolge kamen an die 50 polnische Ritter dabei ums Leben, sowie eine wahrscheinlich hohe Zahl Bürger, die sich den Verteidigern angeschlossen hatten. Auch wenn es keinesfalls zu jenen Massentötungen kam, die in polnischen Chroniken mit 10.000 Erschlagenen beziffert werden, ganz Danzig hatte damals wohl gerade so viele Einwohner in der Summe, darunter viele Deutsche, scheinen die Ordensritter nichtsdestotrotz mit großer Schonungslosigkeit bei der Eroberung vorgegangen zu sein, weswegen nicht zu bezweifeln ist, dass es zu ungezählten blutigen Szenen kam. Gräuelpropaganda einerseits, verharmlosende Gegendarstellungen andererseits, war bereits damals gängiges Mittel waffenloser Kriegsführung.
Landrichter Bogussa, wohl um seine Freiheit zu erlangen, bot den Ordensrittern das Nießbrauch die Burg an, bis es zur Einigung wegen der ausstehenden Kriegskosten mit Władysław Ellenlang käme. Landmeister von Plötzke hatte inzwischen andere Pläne. Er glaubte wohl schon zu diesem Zeitpunkt nicht mehr an eine Begleichung der Kosten, die sich mit der zweiten Belagerung Danzigs noch erhöht hatten, und schritt zur Unterwerfung ganz Ostpommerellens. Diesem Plan folgend, zog er zum wichtigen Weichselübergang bei Dirschau, wo seit dem frühen 13. Jahrhundert eine starke Burganlage die angrenzende Stadt schützte, ganz ähnlich dem Beispiel Danzigs. In Dirschau hatte einer der Neffen Władysławs seine Residenz, Herzog Kasimir von Kujawien. Angeblich soll dieser dem heranziehenden Landmeister entgegen gezogen sein und sich eingedenk der langen und guten Beziehungen, auf die Knie geworfen haben und um Verschonung Dirschaus gebeten haben. Der Landmeister soll das Anerbieten kühl abgeschlagen und freien Abzug des Herzogs angeboten haben. Es kam zur Belagerung Dirschaus. Der Orden beschoss mit mehreren Wurfmaschinen die festen Mauern und berannte wieder und wieder die Wehranlage, deren Besatzung sich mit Geschick und Tapferkeit zur Wehr setzte und den Angreifern manchen Verlust zufügte. Den Fall ihrer Burg konnten sie nicht verhindern. Ob durch Beschuss oder Brandstiftung der Besatzung ist ungeklärt, doch geriet die Burg in Flammen und wurde aufgegeben. Im allgemeinen Chaos konnten erhebliche Teile der Verteidiger fliehen. Dem Deutschen Orden fiel, sehr zum Missvergnügen des Landmeisters, eine schwelende Ruine in die Hände. Aufgeschreckt von den desaströsen Nachrichten aus Pommerellen, fühlte sich Władysławs veranlasst auf dem Verhandlungsweg zu einer Einigung mit dem Heinrich von Plötzke und dem Orden zu kommen. Zu bieten hatte er nichts, seine Kassen waren weiterhin leer und seit dem Fall Danzigs war klar, dass die Deutschritter mehr als die ursprünglich geforderten 10.000 Mark Silber zur Begleichung ihrer Kriegskosten wollten. Mit leeren Taschen aber den langatmigsten Worten das traditionell freundschaftliche und ehrenvolle gegenseitige Verhältnis betreffend, traf er den Landmeister im Grenzgebiet Kujawiens, in der wohl zuversichtlichen Hoffnung eine einvernehmliche Einigung erzielen können und mit dem Orden Ratenzahlung zu vereinbaren. Heinrich von Plötzke eröffnete ihm nun seine Rechnung und Władysław war tief erschüttert. Der Orden forderte 100.000 Schock (60) böhmische Silbergroschen. Aus den ursprünglich 10.000 Mark Silber, das einem Gewicht von rund 2.300 Kilogramm entsprach, waren jetzt mehr als 6.000.000 böhmische Groschen, mit einem Silbergewicht von mehr als 21 Tonnen geworden, eine ungeheuerliche Summe. Tief bestürzt wollte Władysław die Entscheidung einem Schiedsgericht überlassen, doch Landmeister Heinrich von Plötzke, sicher das Geld, gleich welche Summe auch immer, niemals zu sehen, blieb unerbittlich. Władysław brach das Treffen ab und verließ im Groll den Versammlungsort. Ein tiefes Zerwürfnis war eingetreten, der Gegensatz zwischen Polen und dem Deutschen Orden nahm hier seinen Anfang. Allerspätestens jetzt waren die Würfel gefallen, das Weichselgebiet Pommerellens sollte fest in die Hand der Ordensritter geraten. Mit dem Fall Danzigs und Dirschaus waren die Vorraussetzungen geschaffen, es fehlte noch Schwetz (polnisch Świecie) an der Weichsel. War die Einnahme Dirschaus schon kein einfaches Unterfangen, stellte Schwetz noch eine weit größere Herausforderung dar.
Am Zufluss der Wda (deutsch Schwarzwasser) in die Weichsel gelegen, erlaubte die nah an der Stadt liegende Burg, nur im Süden, dort zusätzlich geschützt von einer Vorburg, die Möglichkeit zum Angriff. Neben der ohnehin starken Besatzung, wurde die Verteidigung zusätzlich von den aus Dirschau entkommenen Streitkräften verstärkt.  Gegen Ende 1308 begann die Belagerung. Zur Einnahme wurden vier große Belagerungstürme errichtet, die über Wochen in ständiger Bewegung Angriff auf Angriff gegen die massiven Festungsmauern durchführten. Die Verteidigung, die auf auf ein stattliches Arsenal von Verteidigungsmaschinen zurückgreifen konnten, hielt allen Angriffen stand. Die Einnahme auf herkömmlichem Weg war unabsehbar und so griffen die Ordensritter zu allerlei Mitteln der psychologischen Kriegsführung. In guter Sichtweite zur Burg, wurden zwölf Galgen errichtet, zum abschreckenden Beispiel, was den Verteidigern blühte, sollten sie ihren Widerstand fortführen. Allein, es half nichts. Die Burgbesatzung war sich seiner vorteilhaften Stellung sehr sicher und unternahm keinerlei Anstalten zur Übergabe. Wie oft gab Verrat am Ende den Ausschlag. Neben polnischen Truppen, waren ebenso zahlreiche pommerellsche Ritter und Mannschaften unter den Verteidigern. Nicht alle von diesen waren in ihrer Anhänglichkeit gegenüber Władysław Ellenlang unkompromittierbar und so fand sich unter der Mannschaft ein gewisser Edelmann Namens Czedrowicz, der sich bestechen ließ. Eines Nachts durchschnitt er die Seile und Sehnen der Verteidigungsmaschinen und flüchtete aus der Burg zu den Ordensrittern, um davon zu berichten. Schon am frühen nächsten Morgen begann ein neuerlicher Ansturm auf die Mauern. Die Insassen der Burg, beraubt ihrer effizientesten Verteidigungsgeräte, mussten unter Einsatz aller Hilfsmittel den Angriff abschlagen und konnten so noch einmal einige Tage gewinnen, doch war der Durchhaltewille ernsthaft untergraben. Sie ersuchten um eine einmonatige Waffenruhe. Nach Ablauf der Frist, käme von außen keine Hilfe, würde man die Burg übergeben. Landmeister Heinrich von Plötzke bewilligte die Waffenruhe. Seine Truppen benötigten der Erholung, zumal der Winter zwischenzeitlich mit ganzer Härte hereingebrochen war. Aus der Burg wurden Boten in aller Heimlichkeit an den Hof Władysławs gesandt, um dringend Unterstützung anzufordern. Er vermochte nur wenig zu leisten und sandte mit Kastellan Andreas von Rosberg und Landrichter Michael von Sandomierz, was er an Truppen entbehren konnte, und es war wenig genug. Kaum wurden sie der Ordensritter ansichtig, zogen sie kampflos ab. Die Burg musste vereinbarungsgemäß aufgeben. Den Insassen wurde freier Abzug gewährt, darunter befanden sich die Herzöge Przemysław und Kasimir, beides Söhne Herzog Siemomysławs von Kujawien, einem Halbbruder Władysław Ellenlangs. Neben den starken Festungsalagen von Danzig, Dirschau und Schwetz, waren währenddessen von anderen Heerhaufen des Ordens weniger befestigte Orte genommen worden, so etwa Könitz, Tuchel oder Schlochau. Für die heimgesuchte Bevölkerung der erwähnten Städte kehrte jetzt nicht wie erhofft Friede unter neuen Herren ein. Schwere Steuern, Enteignung allen Besitzes, Vertreibung des polenfreundlichen Adels bis hin zur Vertreibung einer ganzen Stadtbevölkerung, wie im besonders tragischen Fall von Dirschau. Die Habe der Bewohnerschaft genügte nicht, die Schadensersatzforderungen des Ordens zu befriedigen und der Magistrat musste sich im Februar 1309 dazu verpflichten nach Pfingsten mit der gesamten Bevölkerung die Stadt zu verlassen und nie wieder zu kommen. Die ungewöhnliche Härte, mit der die Ordensherren in Pommerellen gegen Städte und Adel vorgingen, kann nicht auf Geldnot zurückgeführt werden, es scheint vielmehr, dass man grundsätzlich wenig Vertrauen in die Bewohnerschaft hatte und ganz der bisherigen Besiedlungsstrategie in Preußen, deutsche Siedler und Edelleute heranführen wollte. Das eingetriebene Geld, es können etwa 30.000 Mark Silber veranschlagt werden, sollte zur Entschädigung Władysławs aufgewendet werden. Der Orden war fest entschlossen der Besetzung Ostpommerellens, die endgültige Annexion folgen zu lassen und hierzu sollte Władysławs ausbezahlt werden, damit er auf seine Ansprüche verzichte. Ob er tatsächlich den Betrag oder Teile davon je erhielt, wissen wir nicht. Dem Orden, der bei Anwendung von Waffengewalt wenig Hemmungen bewies, war andererseits auf der staatsrechtlichen Seite desto bemühter seine Erwerbungen zu legalisieren und abzusichern. So kaufte er für tausend Mark Thorner Denare von Herzogin Salome, Mutter der oben erwähnten Kujawischen Herzöge, den sogenannten Fischwerder zwischen Nogat und Weichsel ab. Der mit viel Rücksicht ausgehandelte Vertrag, wurde im Oktober 1309 ratifiziert.
Einen Monat vorher kam es zum vielleicht wichtigsten Vergleich, nach jener mit Władysław Ellenlang. Brandenburgs Ansprüche auf Pommerellen, auch auf jene östliche Hälfte rechts und links der Weichsel, die nun fest in der Hand des Deutschen Ordens waren, blieben bislang unbefriedigt. Die Eroberung Danzigs im Vorjahr, damals noch durch die kombinierte Waffengewalt der mit Polen verbündeten Deutschritter, sowie polnischen Parteigängern aus dem Herzogtum Pommerellen, lastete auf schwer auf dem Verhältnis Brandenburgs und des Ordens. Die damals laufenden Verhandlungen zur Wahl des römisch-deutschen Königs verhinderten etwaige brandenburgische Gegenmaßnahmen. Man würde sich schon arg im seinerzeit noch lebenden, wenn auch hochbetagten Markgraf Otto IV. getäuscht haben, hätte er nicht ganz seiner Natur folgend, zu kriegerischen Maßregeln gegriffen. Die Zeit dazu war jedoch eine höchst ungünstige gewesen und die Reichsangelegenheiten fesselten in den entscheidenden Wochen des Herbst 1308 seine Aufmerksamkeit. Nun war er tot, gestorben Anfang des Jahres 1309. Aus dem Holze seines Onkels war Waldemar nicht geschnitzt, zwar ähnlich reizbar, mitunter ungestüm, doch kein Feldherrentypus, den der Ruhm des Schlachtfeldes lockte. Der kinderlose Tod seiner Halbbrüder, die ebensolche Kinderlosigkeit des verstorbenen Onkels und das vorzeitige Dahinscheiden Markgraf Hermanns, dem letzten lebenden Regenten der Ottonischen Linie, machte ihn in kurzer Zeit zum Herrn fast des gesamten brandenburgischen Territorialbesitz. Der noch lebende Halbonkel Heinrich mischte sich fast nicht ein und die Halbwaise Johann, Hermanns Sohn, war sein unmündiger Schutzbefohlener. Waldmar war als Erbe der umfangreichen Johanneischen Besitzungen und als vorläufiger Verweser der Ottonischen Ländereien seines Mündels, ohne Übertreibung der mächtigste brandenburgische Landesfürst, seit bestehen der Mark.

Der Orden ging zur Regelung dieser Frage auf den Markgrafen zu, um mit ihm über die Abtretung seiner Ansprüche und Rechte hinsichtlich des östlichen Pommerellens zu verhandeln. Bis zum 13. September 1309 zogen sich die Verhandlungen hin. An diesem Tage trat Waldemar im Beisein des Landmeisters von Preußen zu Soldin für die Kaufsumme von 10.000 Mark Silber nach brandenburgischen Gewicht, die drei Gebiete von Danzig, Dirschau und Schwetz ab. Er verpflichtete sich dem Orden die Zustimmung über diesen Verkauf von dem Fürsten von Rügen und dem Herzoge von Glogau einzuholen. Beide glaubten gleichfalls Anrechte auf diese Region zu haben. Ebenso verpflichtete sich der Markgraf dem Orden beim römisch-deutschen König Heinrich VII. die Bestätigung einzuholen. Dem Deutschen Orden blieb es überlassen die päpstliche Anerkennung zu erwirken. Der 2. Februar des Folgejahres wurde festgelegt, bis die Zustimmungen und Bestätigungen eingeholt sein sollten. Würde dies bis zum festgelegten Termin nicht erfolgen, so galt der Kaufvertrag als aufgehoben und neue Verhandlungen sollten eingeleitet werden. Tatsächlich leisteten die Herzöge Heinrich, Konrad und Boleslaus von Schlesien, Herren zu Glogau, am 8. Januar 1310 eine Verzichtserklärung auf ihre Ansprüche in besagten Gebieten zugunsten der Markgrafen Brandenburgs, ihrer Schwäger, wie es in der Urkunde hieß. Gemeint war zuvorderst Waldemars Mündel Johann, dessen älteste Schwester Mechthild mit Herzog Heinrich verheiratet war, aber wohl auch schon Waldemar, wenngleich seine Verlobung mit Agnes, die jüngere Schwester der Mechthild, noch nicht ehelich vollzogen war. Wizlaw von Rügen fehlte noch und der 2. Februar verstrich, ohne dass zu einer gleichlautenden Erklärung gekommen war. Unter Mithilfe Herzog Wartislaws von Pommern-Stettin gelang es Waldemar schließlich eine entsprechende Verzichtleistung am 12. April 1310 zu erwirken, so dass die größten Schwierigkeiten aus dem Weg geräumt waren.  Etwas später kommen wir darauf nochmal kurz zu sprechen.
Wenn auch der Besitz Danzigs für die weitere Entfaltung der Mark von herausragender Bedeutung gewesen wäre, so war die Rückgewinnung des Gebiets aus den Händen der kriegserprobten, gut gerüsteten und wirtschaftlich vortrefflich aufgestellten Deutschritter kaum zu erwarten. Mit dem Verkauf seiner Anrechte machte Waldemar das Beste aus einer schon verlorenen Sache. Für den Deutschen Orden kamen die Ereignisse seit Spätsommer 1308 zu einer besonders günstigen Zeit, denn an den unruhigen Ostengrenzen seines Herrschaftsgebiets, herrschte relative Ruhe. Die verfeindeten heidnischen Litauer verzichteten, bis auf einen Vorfall, auf größere Plünderzüge in die östlichen Siedlungsräume des Ordens und so konnten namhafte Teile der Ordensstreitkräfte und Mittel in Pommerellen zum Einsatz gebracht werden.

Bronzestatue des Hochmeisters Siegfried von Feuchtwangen auf der Marienburg.

Die starke militärische Konzentration erzielte trotz verbissener Abwehr der Verteidiger, einen verhältnismäßig schnellen Erfolg, was ganz im Sinne des Hochmeisters war, der sorgenvoll den Entwicklungen im schwelenden Konflikt mit dem Rigaer Erzbistum entgegen sah, über den im vorigen Kapitel berichtet wurde. Sicherlich war es jene Auseinandersetzung mit dem dortigen Erzbischof, die im Anschluss an den Eroberungsfeldzug, den Landmeister von Preußen einen versöhnlichen Kurs einschlagen ließ, möglicherweise unter Weisung des Hochmeisters. Wer immer als treibende Kraft dahinter stand, ein einvernehmlicher Vergleich mit den gegnerischen Parteien sollte erzielt werden, ganz besonders mit dem Markgrafen Waldemar. Brandenburg konnte sich neben der Aussicht auf jene erwähnten 10.000 Mark Silber, die Burgbezirke Schlawe, Rügenwalde und Stolp sichern, womit zwar der lang ersehnte Zugang zur Ostseeküste verbunden war, jedoch ohne einen leistungsfähigen Seehafen, was den Gesamtwert der Erwerbungen erheblich schmälerte.


Gegen die Seestädte

Dem neugewählten König Heinrich VII. gelang es auffallend schnell im deutschen Reichsteil stabile Zustände herzustellen. Sein Bruder, Erzbischof Balduin von Trier, hatte im Konzert der anderen rheinischen Kurfürsten hieran den größten Anteil. Vor diesem günstigen Hintergrund schickte Heinrich sich an, auch die Situation im oberitalienischen Reichsteil zu regeln. Über die Unabhängigkeitsbestrebungen der dortigen Stadtrepubliken wurde schon in vorangehenden Kapiteln mehrmals gesprochen. Dort herrschten zu den Zeiten der späten Staufer vordergründig zwei Parteiungen. Die Ghibellinen, im Ursprung die Bezeichnung der staufischen Anhänger in Italien, in der nachstaufischen Zeit dann allgemein eine pro kaiserliche Gruppe, und die Guelfen, oder in staufischer Zeit, die Anhänger der Welfen, in der Zeit nach den Staufern allgemein hin die Parteianhänger des Papstes. Die Grenzen waren nicht scharf und es gab Dynamiken unter den jeweiligen Parteien. So musste ein guelfischer Anhänger nicht notwendigerweise ein Gegner des Kaisers sein, gleichzeitig konnte ein Ghibelline im Einklang päpstlicher Politik agieren. Die spezifischen Motivationen ergaben sich in den meisten Fällen aus den regionalen Rivalitäten der Städte untereinander. Die Macht der Städte war in den zurückliegenden 50 Jahren auch nördlich der Alpen außerordentlich gewachsen und sie strebten aus dem Griff ihrer Herren hinauszuwachsen. Es entstanden nördlich der Alpen die Freien Städte. Solche, die sich in oft langwierig und blutigen Kämpfen der Verwaltung eines Bischofs entwanden. Es folgten die Reichsstädte, die sich in gleicher Weise dem Griff eines weltlichen Landesherren entzogen. Die letzteren bildeten die große Mehrheit und waren dem Reichsoberhaupt abgabenpflichtig, der umgekehrt ihre Autonomie garantierte, so zumindest die reine Lehre. Oft war der König oder Kaiser genötigt seine Rechte in diesen Städten, oder immerhin Teile davon, aus Geldmangel oder anderen Gründen zu verpfänden. Meist an jene Gruppe, aus deren Griff die Städte sich einst befreit hatten und so gerieten sie wieder unter mittelbare oder sogar unmittelbare Kontrolle weltlicher oder geistlicher Fürsten.
Daneben gab es das Heer der abhängigen Städte, die weiterhin unter landesherrlicher Kontrolle standen und deren Magistrat abgängig von den Vorgaben eines fürstlichen Vertreters war, sei es ein Burggraf, ein Vogt oder anderer Formen hoheitlicher Verwaltung. Selbst zu klein, um aus eigenen Kräften die Autonomie zu erlangen, wurde es Mode, dass sich Städtebünde bildeten. Mitunter waren Freie Städte und Reichsstädte daran beteiligt.  In den meisten Fällen waren es aber Städte eines Fürstentums oder benachbarter Regionen. Autonomiebestrebungen und Gegensatz zum Landesherren waren dabei nicht die ausschließlichen Gründe derartiger Vereinigungen. Die Landesherren hätten solche separatistischen Bewegungen sonst mit aller Entschlossenheit bekämpft und schon im Keime erstickt. Aufhänger der meisten Verbindungen waren die desolaten Zustände auf den Binnenhandelsstraßen. Wegelagerei war in manchen Regionen zu einer solchen Plage geworden, dass sich regelrechte Karawanen in den Städten sammelten und unter starker Bewachung zum Zielort reisten. Neben den räuberischen Überfällen Gesetzloser, war das ausufernde Fehdewesen mindestens ebenso abträglich für den Handel. In allen Fällen litten neben den Kaufleuten, nicht zuletzt die fürstlichen Kassen unter einem eingeschränkten Handel. Zu den ureigensten Aufgaben eines Landesherren gehörte die Wahrung der Sicherheit seiner Bewohner. Auf Raub etc., standen die schlimmsten denkbaren Strafen, doch in Ermangelung einer Exekutive, war den Zuständen auf den Straßen nicht Herr zu werden. Gelang es den oder die Übeltäter zu erwischen und durch Zeugenaussagen zu überführen, was schwer genug war, flocht man ihn auf das Rad und ließ den jämmerlich zerschmetterten Sterbenden zur Abschreckung Tage, gelegentlich Wochen hängen. Doch es half alles nichts. Die Chance gefasst zu werden, war nicht eben hoch. Die Städte schlossen sich also gegen diese Verhältnisse zusammen, bündelten damit ihre Kräfte, pflegten untereinander Beziehungen und schufen damit, wenn auch auf Umwegen, so doch als beabsichtigten oder unbeabsichtigten Nebeneffekt, ein wirksames Mittel gegen allzu herrische Landesfürsten. Die überwiegend noch jungen Städte der Mark waren, verglichen mit solchen in Schwaben, Franken, entlang des Rheins, in der Schweiz oder im Elsaß, alle mehr oder minder mit dem markgräflichen Geschlecht im Einvernehmen. Entlang der Küste sah es schon anders aus. Lübeck hatte sich längst aus dem Verband der Holsteiner Grafen entfernt, Hamburg hatte seine Emanzipation so gut wie abgeschlossen. Dem Beispiel folgend, wurden die mecklenburgischen Seestädte zunehmend renitenter und entglitten ihren Herren. Rostock war seit den Ereignissen um Nikolaus, den man das Kind nannte, formal an Dänemark gefallen, tatsächlich aber praktisch autonom, sehr zum Verdruss König Erik VI. Menveds, der nur nach einer Ursachse suchte, die rebellische Stadt zu züchtigen und zu unterwerfen. Doch nicht genug, Stralsund und Greifswald verbanden sich mit Rostock in einem Städtebund zum gegenseitigen Schutz gegen jedermann, was auch die eigenen Herren beinhaltete. Wismar, die wichtigste Stadt Heinrichs II. von Mecklenburg, verhielt sich mittlerweile offen oppositionell gegen den Landesherren. Dieser hatte seine einzige Tochter, Margarethe, mit Herzog Otto von Lüneburg, Sohn Ottos des Strengen, verlobt und wollte im März 1310 die großangelegte Hochzeit standesgemäß in seiner alten Residenzstadt abhalten. Das dortige Schloss hatte die reiche Stadt dem stets in Geldverlegenheiten befindlichen Fürsten abgekauft und zwischenzeitlich niederreißen lassen, er war als Bittsteller in seiner eigenen Stadt auf deren guten Willen und Gastfreundschaft angewiesen. Wismar verweigerte ihm tollkühn das Vorhaben und begründete es mit befürchteten Ausschreitungen, die bei einer so großen Veranstaltung kaum ausblieben und von den zahlreich anwesenden Dienstmannen der hohen Gäste heraufbeschworen würden. Wenn die Begründung grundsätzlich nicht von der Hand zu weisen war, wie es zahlreiche Beispiele andernorts bewiesen, war die Verweigerungshaltung dennoch nichts weniger, als ein Affront und ein offener Bruch mit dem Landesherren. Heinrich von Mecklenburg war brüskiert worden und sann auf Vergeltung für diese Schmach, doch für den Augenblick galt es einen Ausweichort zu finden, wozu Sternberg gewählt wurde, wo Heinrich fortan auch seine Residenz hielt. Noch auf dem mehrtägigen Fest eröffnete er den anwesenden Fürsten und Rittern seinen Plan. Die rebellischen Seestädte sollten an die Kandare genommen und für ihre Aufsässigkeit gezüchtigt werden. Als wichtigsten Verbündeten gewann er den dänischen König, der schriftlich dazu eingeladen wurde. Dieser stimmte erwartungsgemäß zu, schließlich hatte er seine Rechnung mit Rostock noch nicht gemacht. Er gab dabei eine überraschende Empfehlung ab, über deren Motivation nur spekuliert werden kann. Die Unternehmung habe dann besondere Chance auf Erfolg, wenn es gelänge den brandenburgischen Markgrafen Waldemar dafür zu gewinnen. Das Verhältnis zu Dänemark war seit der brandenburgischen Strafaktion gegen Fürst Nikolaus von Rostock und der damaligen Intervention Dänemarks, stark unterkühlt. Der König wollte vermeiden, dass Brandenburg sich auf die Seite der Seestädte schlug, was keinesfalls auszuschließen war. Den Konflikt in Pommerellen hatte Waldemar mit dem Vertrag von Soldin für Brandenburg günstig zum Abschluss gebracht und mit dem Deutschen Orden einen gewogenen und militärisch potenten Nachbarn an seiner nordöstlichen Grenze gewonnen. Er hatte somit die Hände frei, Vorsicht war also geboten. Noch konnte niemand den jungen Markgrafen Waldemar einschätzen und es war vernünftig ihn einzubinden. Zu welchen Bedingungen dies möglich würde, sollte sich zeigen.

Auf April 1310 lud Heinrich von Mecklenburg, gemeinschaftlich mit dem König von Dänemark den Markgrafen zur Unterredung  nach Ribnitz ein. Ob Waldemar davon überrascht war, ob er zögerte, lässt sich nicht mit Bestimmtheit sagen, doch schien der Ton der Einladung eine prägnante Charakterfacette des jungen Fürsten getroffen zu haben. Wir werden noch sehen was damit gemeint ist. Er ging darauf ein und war in der ersten Hälfte des April in Ribnitz zugegen, wo neben den Gastgebern Heinrich von Mecklenburg und Erik von Dänemark, Herzog Wartislaw von Pommern-Stettin, Fürst Wizlaw von Rügen, Waldemars askanischer Verwandter, Graf Albrecht von Anhalt, Graf Heinrich von Regenstein und weitere sich versammelten. Die Absicht war klar, doch nicht das eigentliche Vorgehen. Ohne triftigen Grund konnte man nicht gegen die Städte vorgehen, ohne einen Aufschrei im ganzen norddeutschen Raum, besonders unter den Städten der sich in Entfaltung befindenden Hanse. Wismar hatte seinem Landesherren bereits den notwendigen Anlass geboten, doch konnte König Erik gegen Rostock nicht vorgehen, ohne das Rostock eine ausreichenden Grund dazu bot. Bevor darauf näher eingehen, zunächst die Bedingungen Waldemars, zu denen er bereit war der Unternehmung sich anzuschließen. Sie wirft ein bezeichnendes Bild auf jene schon angedeutete charakterliche Eigenart, die mehr als alle seine anderen Wesenszüge, das Bild und die Erinnerung von ihm prägten.

Er wünschte von Erik zum Ritter geschlagen zu werden. Ein Wunsch, der so ganz der Mode der Zeit entsprach und für sich alleine noch keine besondere Aussage hinsichtlich Waldemars Charakter zuließe. Das Rittertum als halbsakraler Orden, war während der Kreuzzüge entstanden. Mit Beginn des 13. Jahrhunderts kam es auch im deutschen Reichsteil auf, anfangs allerdings noch selten. Ein Orden mit mit einem Ehrenkodex und äußeren Auszeichnungen, zu dem man nicht geboren wurde, obgleich eine adlige Geburt fast in allen Fällen Bedingung zum Erwerb war. Bei allen Gelegenheiten, in der Schlacht wie bei Festivitäten, erhielten die Ritter Plätze unter den Vornehmsten. Es knüpften sich hohe Vorstellungen an diese Würde. Der Ritter symbolisierte den Inbegriff aller männlichen Tugenden. Die Ritterwürde war eine höchst erstrebenswerte. Ein Heer, wie ein Hof, erhielt erst durch Ritter Glanz und Bedeutung. Selbst Fürsten drängten sich um diese Ehre, so waren die Markgrafen Johann und Otto von Brandenburg, die Ahnen Waldemars, im Jahre 1231 zu Rittern geschlagen worden, und auch Graf Wilhelm von Holland ließ sich noch vor seiner Krönung zum römisch-deutschen König, in den Ritterstand erhöhen.
Doch Waldemar begehrte nicht nur für sich, sondern für weitere 99 aus seinem Gefolge, diese Würde. Ein erstes Indiz, dass Waldemar den großen Auftritt liebte und wir werden es noch in größter Deutlichkeit erfahren. Doch greifen wir den Ereignissen nicht voraus. Der dänische König war von der Bereitwilligkeit des brandenburgischen Markgrafen überrascht. Sein Wunsch schien billig, gemessen an den Diensten, die er im gemeinsamen Kampf gegen die Seestädte in Aussicht stellte. Erik wollte die Zeremonie mit allem Pomp den die Zeit ermöglichte, in angemessener Weise begehen, und hier setzte sein Plan gegen Rostock an. Als feierliche Untermalung war ein Turnier vorgesehen und dieses  Ritterspiel sollte in Rostock abgehalten werden.
Turniere waren das gesellschaftliche Großereignis des Mittelalters. Die Besucher erschienen, so sie es nur irgend einrichten konnten, in ihren prachtvollsten Gewändern. Speisen und Getränke wurden im Überfluss gereicht und der im sonstigen Leben alles bestimmende religiöse Aspekt, trat anlässlich solcher oft wochenlanger Festlichkeiten, in den Hintergrund und durch den Genuss sinnlicher Reize überdeckt. Trunk, Völlerei, ausschweifende Sittenlosigkeit, waren typische Begleiterscheinungen, die sonst von der Kirche scharf sanktioniert wurden. Der anlässlich solcher Veranstaltungen betriebene Aufwand war immens, so dass es seltene Spektakel blieben, dann aber über Staatsgrenzen hinweg bekannt und zahlreich besucht wurden.
Wie erwartet, verweigerte sich Rostock dem Vorhaben des Königs. Der örtliche Rat machte die gleichen Bedenken geltend, wie zuvor Wismar anlässlich des Hochzeitsgesuchs Heinrichs von Mecklenburg. Die Ruhe und der städtische Friede würde durch die große Anzahl Ortsfremder gestört, die Natur der Veranstaltung, der exzessive Alkoholausschank, die daraus sich üblicherweise ableitenden  Ausschweifungen, führten ohne Zweifel zu Reibereien, schlimmstenfalls zu Ausschreitungen und Schäden an der Stadt. Der Argumentation konnte man objektiv gesehen nicht widersprechen, allein sie war wider den Wunsch ihres Herren, und damit war die Falle zugeschnappt, ein Vorwand zur Züchtigung gefunden. Vom Turniervorhaben wollte sich der König deswegen nicht abbringen lassen, der Gedanke daran beflügelte ihn augenscheinlich, zumal es das geeignete Mittel zum Zweck war . Vor der Stadt sollte das Turnier abgehalten werden, die zahlreichen gerüsteten Besucher gleich einem Heerlager um die Stadt lagern. In dieser Zeit könnte sich leicht eine günstige Gelegenheit gefunden werden, sich der Stadt zu bemächtigen. Auf vier Wochen war es angesetzt, wozu die Sommerzeit wegen der geeigneten Temperaturen am geeignetsten erschien, da die teilnehmenden Herren vom Adel ihre Frauen mitführten und man diesen glaubte keine witterungsbedingten Strapazen zumuten zu dürfen. Zur Vorbereitung einer Veranstaltung dieser Größenordnung, war die Zeit bis zum Sommer schon zu knapp, weswegen es auf Sommer 1311 verschoben wurde. Alle Eingeweihten sollten derweil die Zeit nutzen und sich für das eigentliche Vorhaben präparieren.
Für den Moment war alles besprochen und die Versammlung der verschworenen Fürsten ging wieder auseinander. Waldemar nutzte die Gelegenheit und traf sich in Triebsees mit Wizlaw von Rügen, um von ihm die noch ausstehende Zustimmung zum Vertrag von Soldin zu erhalten. Wir erinnern uns, die Vertragsklausel sah vor, dass Waldemar bis zum Februar 1310 die Zustimmung der Herzöge von Glogau und des Fürsten von Rügen, sowie die des römisch-deutschen Reichsoberhaupts erlangen sollte. Hinsichtlich Glogaus gelang es ihm fristgerecht, doch Wizlaw von Rügen war bislang nicht zur Aufgabe seiner Ansprüche zu bewegen. Die nun gerade getroffenen Vereinbarungen wider die Seestädte schuf eine neue Verhandlungsbasis und mit Beihilfe des Herzogs von Pommern-Stettin konnte Wizlaw umgestimmt werden, trat die eigenen Ansprüche ab und gab seinen Konsens. Die Zustimmung König Heinrichs VII. erfolgte, wie wir bereits sahen, anlässlich des Hoftags zu Frankfurt im Sommer 1310.


Heinrich VII. erwirbt die Kaiserkrone

Heinrichs Wahl zum römisch-deutschen König fand im Reich großen Anklang. Doch galt es auch einige Unruheherde zu befrieden. Akut waren hier die Habsburger, die Söhne des ermordeten Königs Albrecht, welche bei der Königswahl leer ausgingen. Er suchte einem Konflikt aus dem Weg zu gehen, bewies gleichzeitig aber königliche Autorität und Selbstbewusstsein. Zur Beilegung diverser Streitpunkte, besonders in Bezug einiger eidgenössischer Gebiete in der heutigen Schweiz, die sich aus dem habsburgischen Länderverband hinaus revoltiert hatten, und deren Reichsunmittelbarkeit der neue König anerkannte, bot er zum Ausgleich die verwaiste Markgrafschaft Mähren als Pfandbesitz an. Aus den innerfamiliären Streitigkeiten der Wettiner, hielt er sich heraus und macht keine Ansprüche auf die Landgrafschaft Thüringen und Markgrafschaft Meißen geltend, wie es die Vorgänger erfolglos versuchten. Adolf von Nassau wurde seine damalige Intervention zum Verhängnis, er wurde abgesetzt, ein Novum in der bisherigen Reichsgeschichte. Heinrichs unmittelbarer Vorgänger, Albrecht von Habsburg, erlitt in der Schlacht bei Lucka am 31. Mai 1307 eine verheerende Niederlage und zog sich danach überwiegend in die habsburgischen Stammgebiete nach Südwestdeutschland zurück, wo er 1308 ermordet wurde. Wenn auch der Norden, Nordosten und Osten des deutschen Reichsteils, wie schon seit Generationen königsfern blieb, so kamen von dort dennoch keine Stimmen. Das seit 1306 existierende Machtvakuum in Böhmen hatte daran einigen Anteil. Nach dem Tod Wenzels III., dem letzten männlichen Přemysliden, vermochten weder die Habsburger, noch die Meinhardinger aus Kärnten in Böhmen Fuß zu fassen, die dortigen Stände für sich zu gewinnen, das Land zu befrieden und zu unterwerfen. Vertreter der böhmischen Stände traten an Heinrich heran, um sich er beklagenswerten Zustände in Böhmen anzunehmen. Im Sommer 1310 wurden die böhmischen Hilferufe und gleichzeitigen Offerten so konkret, dass Heinrich die Krone des Landes ans Haus Luxemburg zu bringen gedachte. Im Juli wurde Herzog Heinrich von Kärnten offiziell des Anrechts auf Böhmen für verlustig erklärt. Heinrich schlug zunächst seinen jüngeren Bruder Walram vor, der aber unter den böhmischen Gesandten auf Ablehnung stieß. Schließlich fiel die Entscheidung auf Johann, Heinrichs 1296 geborenen Sohn.

Vermählung Johanns mit Elisabeth von Böhmen: Codex Balduini Trevirensis

Am 30. August fand in Speyer die feierliche Belehnung Johanns mit Böhmen statt. Zur dynastischen Festigung der Belehnungsaktes, wurde ihm noch am gleichen Tag Prinzessin Elisabeth von Böhmen angetraut, die Schwester des verstorbenen Wenzels III., der letzten Přemyslidin. Aus dem Stand schlossen die Luxemburger mit dem Erwerb Böhmens zu den mächtigsten Dynastien im Reich auf. Am 7. Februar 1311 erfolgte durch den Erzbischof von Mainz die Krönung Johanns in Prag. Ganz so leicht wie es hier Eindruck vermittelte, verlief es für den jungen König derweil nicht. In Böhmen gab es weiterhin eine starke Partei des Herzog Heinrich von Kärnten. Johann musste mit einem Heer nach Böhmen ziehen und vermochte vorerst die Hochburgen seines Gegners nicht einzunehmen, doch wollen wir es hier auf sich beruhen lassen und kehren zu Johanns Vater zurück, dem römisch-deutschen König.

Heerzug über die Alpen im Herbst 1310: Codex Balduini Trevirensis:

Dieser war zeitgleich an der Spitze eines 5.000 Mann starken Heers, nach Italien aufgebrochen, um dort die Verhältnisse zu regeln und die Kaiserkrone zu erwerben. Die größtenteils ruhigen Verhältnisse im deutschen Reichsteil ermöglichten diesen erstaunlich frühen Italienzug, was fünf seiner direkten Vorgänger nicht  vermochten. Dem Unterfangen gingen mehrere sorgsam vorbereitete diplomatische Gesandtschaften zu Papst Clemens V. nach Avignon, wie auch nach Reichsitalien voraus, um sein Vorhaben anzuzeigen und die Parteiungen auszuloten.
Heinrich VII. hatte seit seinem Regierungsantritt nicht nur alte Rechte an der erodierenden Westgrenze des Reichs geltend gemacht und löste dadurch am französischen Hof Missfallen aus, er wollte ebenso wieder das dem Reich stark entfremdete Oberitalien fester einbinden, worunter sein bisheriges gutes Einvernehmen zum Papst litt. Aus dem sächsischen Raum schloss sich keiner der bedeutenden Territorialfürsten dem Italienzug an, wenngleich einige bei den vorbereitenden Hoftagen zugegen waren, so Markgraf Waldemar im Juli 1310 zu Frankfurt. Wie berichtet, holte er damals die königliche Zustimmung zur Abtretung seiner Rechte an Danzig, Dirschau und Schwedt ein, trat aber sonst nicht weiter in Erscheinung.

Heinrich war nach mehr als einem halben Jahrhundert, der erste römisch-deutsche Herrscher, der italienischen Boden betrat. Seine Ankunft war selbst von ansonsten oppositionellen guelfischen Gruppen mit Hoffnungen verknüpft, während die prokaiserlichen Ghibellinen ohnehin die größten Erwartungen hatten und fest mit einer klaren Parteinahme zu ihren Gunsten rechneten. Die Guelfen hatten sich in der langen königsfernen Zeit in weiße -, sogenannte Bianchi und schwarze Guelfen, Negri, geteilt. Besonders im traditionell antikaiserlichen, guelfischen Florenz, war die Aufspaltung besonders ausgeprägt. Der wohl berühmteste Bianchi, Dante Alighieri, eigentlich vom familiären Hintergrund eher ein Negri, drückte in einigen seiner Briefe Hoffnung und unverhohlene Sympathie für das Kaisertum und Heinrich VII. aus, wofür er in Florenz zum Staatsfeind erklärt und verbannt wurde. Auf diesem immerhin günstigen Nährboden, kam der römisch-deutsche König in Oberitalien an. Er nahm untypischerweise den Weg über den Mont Cenis, statt wie die meisten seiner Vorgänger, den Weg über Innsbruck, Bozen, Trient. Hauptgrund war die Zusammensetzung seines Gefolges, dass sich zum größeren Teil aus dem romanischen und somit westlichen Reichsteil rekrutierte. Heinrich hatte die ernsthafte Absicht, in den Streitigkeiten der Ghibellinen und Guelfen, sowie der guelfischen Parteiungen der Bianchi und Negri, als neutraler Vermittler aufzutreten. Seinem ehrenwerten Anliegen, stand die höchst verworrene politische Lage in Oberitalien entgegen, wo sich neben dem Papst, auch der französische König und der französisch verwandte unteritalienische Hof der Anjou in Neapel, mit aller Macht einmischten. Eine Zerreissprobe zwischen lange brach gelegener imperialer Wunschpolitik und machbarer Realpolitik. In Italien hielt Heinrich sich zunächst in Savoyen, vor allem in Turin auf, dem Herrschaftsbereich seines Schwagers Amadeus V., der als lavierender Vasall,  seit Heinrichs Wahl wieder auf die Reichslinie eingeschwenkt war. Er setzte zur Ausübung einer reichsnahen Zentralpolitik Vikare ein, die sich in die Belange der Kommunen einmischten und deren gewohnte Unabhängigkeit und Rechte beschnitten, was schnell Unruhen führte, geschürt von verschiedenen oppositionellen Adelsfamilien, wie den della Torre in Mailand. Die alten guelfischen Bündnisse nahmen wieder Gestalt an, Mailand, Florenz und Bologna an der Spitze, gefolgt von Parma, Reggio, selbst Pavia und anderen. Kaiserliches Zentrum in Oberitalien war das ghibellinische Pisa. Nach offen ausgebrochenen Feindseligkeiten, die Heinrich mit seinem zu geringen militärischen Gefolge nicht für sich entscheiden konnte, fällte er den Entschluss vorerst die Kaiserwürde in Rom zu erlangen. Zu groß war die Gefahr, dass der Papst, der mehr und mehr unter die Kontrolle Philipps VI. von Frankreich geriet, seine Zustimmung zurückzog. Papst Clemens V., der wie wir wissen in Avignon und nicht in Rom residierte, beauftrage drei Kardinäle an seiner statt die Krönung vorzunehmen. Mai 1312 stand Heinrich vor den Toren Roms. Dort hatte sich der Widerstand gegen ihn aufgebaut. Unterstützt wurden die guelfischen Rebellen von neapolitanischen Truppen des Roberts von Anjou. Selbst nach wochenlangen Versuchen und blutigen Straßenkämpfen, vermochten Heinrichs Anhänger nicht den Zugang zu Sankt Peter zu erzwingen, weswegen der Lateran als Ausweichort gewählt wurde.

Hier fand am 29. Juni 1312 in der Lateranbasilika Heinrichs Krönung zum Kaiser statt. Fast hundert Jahre, seit 1220, war es niemandem mehr gelungen, die höchste weltliche Würde zu erlangen. Im Anbetracht der geringen Truppenstärke,  mit der Heinrich vor fast zwei Jahren nach Italien gezogen war, und vor dem Hintergrund der sich seither zuspitzenden Verhältnisse in Oberitalien, war dies eine beachtenswerte Leistung. Der frischgekrönte Kaiser knüpfte, trotz der sehr langen kaiserlosen Zeit, fast nahtlos an die universalen Machtansprüche der Staufer an. Spätestens jetzt rückte der Papst von ihm ab und unterstützte offen den Anjou in Neapel, den er als letzte Widerstandspartei in Italien sah, vor allem seit Heinrich VII. sich im Kampf gegen Robert von Anjou eng mit dem aragonesischen König von Sizilien, Friedrich II., verband. Clemens V. drohte von Avignon aus mit der Kirchenacht, sollte gegen Robert militärisch vorgegangen werden. Heinrich ließ sich davon nicht schrecken und vereinbarte mit Sizilien und seinen oberitalienischen Parteigängern, darunter wieder besonders Pisa, ein kombiniertes Vorgehen zu Wasser und zu Land. Aus dem Reich sollte Heinrichs Bruder Balduin von Trier Verstärkung heranführen. Anfang August begab sich der Kaiser an der Spitze von 4.000 gepanzerten Reitern nach Süden, während die Flotten von Pisa und Sizilien sich auf eine Seeblockade Neapels vorbereiteten.

Grablege Kaiser Heinrichs VII. in Pisa

Heinrich hatte sich während seines Aufenthalts in Italien mit der Malaria infiziert. Wiederholte schwere Fieberschübe plagten ihn im Sommer 1313, die ihn erheblich schwächten. Am 24. August 1313 stirbt der Kaiser im Feldlager bei Buonconvento an den Folgen eines erneuten Malariaschubs. Seine Leiche wurde ins reichstreue Pisa überführt, wo er im dortigen Dom prächtig beigesetzt wurde. Das Reich hatte für nur 5 Jahre einen fast durchweg anerkannten König und nur ein Jahr einen Kaiser. In diesem einen Jahr gelang es Heinrich nicht, seinen Sohn Johann als König und Mitregent bei den Kurfürsten durchzusetzen. Das Reich drohte wieder in einen unruhigen Dornröschenschlaf zu fallen. Die großen Erwartungen, die seit den vielversprechenden Aktivitäten Heinrichs in deutschen Reichsteil und unter den kaiserlichen Anhängern in Reichsitalien existierten, brachen in sich zusammen.


Turnier zu Rostock und Ritterschlag

Kehren wir in den norddeutschen Raum und das Jahr 1311 zurück. Der römisch-deutsche König befand sich seit dem Herbst des Vorjahres in Oberitalien, wo er zwischen den Parteien der Ghibellinen und Guelfen zu vermitteln versuchte. Gleichzeitig wollte er seinen Herrschaftsanspruch auf Reichsitalien geltend machen. Im Reich war, abgesehen vom niederschwäbischen Raum, wo Graf Eberhard von Württemberg seit langem eine aggressive Expansionspolitik betrieb, und er im Krieg mit einem schwäbischen Städtebund lag, die Lage größtenteils stabil. Gegen besagten Graf wurde im Frühjahr 1311 der Reichskrieg ausgesprochen. Mit der Exekution wurde Konrad IV. von Weinsberg beauftragt, der als königlicher Landvogt für Niederschwaben von Heinrich VII. eingesetzt war.
In der Mark hatte sich seit dem Vertrag von Soldin September 1309 mit dem Deutschen Orden, und den Vereinbarungen im April 1310 zu Ribnitz, im Zusammenhang mit der geplanten Züchtigung der Seestädte Mecklenburgs, nicht viel bedeutsames getan. Es liegen eine Reihe von Urkunden vor, die von üblichen Tätigkeiten im Rahmen landesherrlicher Administration zeugen. So werden neben Schenkungen an geistliche Institutionen, wirtschaftliche Aspekte in den Städten geregelt. Beispielsweise ordnete er am 15. März 1311 für die Stadt Löbau an, dass die dortigen Wirte nicht mehr als vier Wagen pro Nacht einquartieren durften, um damit den anderen Gastwirten der Stadt keinen wirtschaftlichen Abbruch zu tun. Ähnliche Regelungen sahen wir schon bei Großvater Johann I. Die Markgrafen, überhaupt die Landesherren im Mittelalter, griffen durch Maßregeln aktiv in die Wirtschaftskreisläufe ein. Es folgte dem landesväterlichen Wunsch, wonach möglichst breite Schichten einer jeweiligen Zunft, einträgliche Einkünfte erhielten und so ein Auskommen hatten, von dem sie und die Familie leben konnten. Fatalerweise gingen dergleichen, grundlegend gutgemeinten Anordnungen, fast immer mit Preisabsprachen einher, so dass alles wieder seine Kehrseite hatte.
Im Zusammenhang mit Markgraf Heinrich, dem Halbonkel Waldemars, den wir nicht vergessen wollen, ergaben sich in seiner Mark Landsberg, die er regierte, einige erwähnenswerte Ereignisse, über die jedoch erst in einem späteren Kapitel gesprochen werden soll.

Pfingsten 1311, es war der 30. Mai., verbrachte Markgraf Waldemar in Tangermünde. Wir glauben aus dem überlieferten Urkundenbericht die offizielle Vermählung Waldemars mit seiner Verlobten Agnes herleiten zu können. Der Kontext lässt auf kein anderes Ereignisse schließen. Herzogin Anna von Breslau, die Mutter der Braut, war eigens aus Schlesien angereist. Für den Tag sind außergewöhnlich große Schenkungen zu Gunsten des Klosters Campen urkundlich belegt. Sowohl Markgraf Waldemar, als auch die Brautmutter, waren die Schenkenden. Akte solcher Generösität die, nur am Rande erwähnt, nicht dem Naturell Waldemars entsprachen, lassen auf ein besonders freudiges Ereignis schließen. Berücksichtigt man ferner, dass schon die Verlobung in Tangermünde gefeiert wurde, dass die junge Braut im unweit gelegenen Arneburg, einem der ehemaligen Witwensitze der vormaligen Markgräfin Anna, Jahre ihrer Jugend verbrachte, womöglich auch seit der Verlobung weiterhin verweilte, es sonst keinerlei sinnvolle Erklärung gibt, weswegen die Herzogin die beschwerliche Reise an die Elbe angetreten haben könnte, noch dazu bei den schon erwähnten schlechten Wetterverhältnissen, bleibt nur der Schluss, dass ein wichtiges Familienereignis stattgefunden haben musste. Waldemar war jetzt etwa 20 Jahre alt, seine Gattin 14.

Das einprägsamste Ereignis des Jahres 1311, zumindest für den norddeutschen Raum, blieb das von König Erik VI. von Dänemark geplante Turnier vor den Toren Rostocks. Jener Erik Menved war über seiner Mutter Agnes von Brandenburg, eine Tochter Markgraf Johanns I. und dessen zweiter Frau Jutta von Sachsen, mit den brandenburgischen Askaniern verwandt. So war Markgraf Heinrich ein Onkel des Königs.
Um ein Gefühl des gesellschaftlichen Stellenwerts dieses Turnier zu bekommen, anbei ein Blick auf den Teilnehmerkreis: Neben dem königlichen Gastgeber und Waldemar von Brandenburg, nahmen Herzog Otto von Lüneburg, Herzog Waldemar von Schleswig, Heinrich von Mecklenburg, die Herren Günther und Henning von Werle, Pribislaw von Wollin, ferner weitere Herzöge, Fürsten, zahlreiche Grafen und Herren aus Polen, Braunschweig, Thüringen, Meißen, Sachsen-Lauenburg, Hessen, Brandenburg, Mecklenburg, Wenden, Engern, Kleve, Friesland, Holstein, Schwerin und Sachsen-Wittenberg teil. Selbst aus Franken, Schwaben und Bayern kamen Teilnehmer und Gäste. Zum Kreise der weltlichen Fürsten gesellte sich eine große Zahl geistiger Würdenträger, darunter die Erzbischöfe von Magdeburg, Bremen und Lund, die Bischöfe von Hildesheim, Halberstadt, Cammin, Schleswig, Lübeck, Brandenburg, Havelberg, Schwerin, Ratzeburg, Roskilde, Odense und Abo, dazu eine Anzahl Domherren, Mönche sowie ungezählte Hofkaplane anwesender Fürsten. Einzelne hohe Heeren kamen teilweise mit bis zu 300 gerüsteten Begleitern. Alles in allem waren rund 6.400 registrierte Besucher und Teilnehmer zugegen, dazu eine unbekannte Zahl Schaulustiger aus der näheren und ferneren Umgebung, die tageweise anreisten. Menschen und ihre Tiere waren Gast des dänischen Königs und mussten verköstigt werden. Der König musst sich das alles einiges Kosten lassen. Das Jahr 1311 sah einen ungewöhnlich regenreichen, dazu kühlen Frühling, was sich auch durch den Sommer zog, wodurch unter anderem die Getreideernte einbrach. Es war ein Vorbote auf ein sich damals drastisch veränderndes Klima, das gut drei Jahrzehnte in wechselvoller Weise anhielt. In Erwartung eines erheblichen Ernteausfalls, zogen noch im gleichen Jahr die Getreidepreise an, eine allgemeine Teuerung setzte ein.

Eine Veranstaltung dieser Größenordnung, besonders wenn der Gastgeber und Schirmherr von hohem, sogar königlichem Rang war, gab Gelegenheit zu einem weiteren Schauspiel, das bis in höchste Fürstenkreise gesellschaftliches Gewicht hatte. Wir erwähnten es schon, die Erlangung der Ritterwürde. Die einstmalige Schwertleite, sowohl im deutschen Reichsteil, als in anderen germanisch geprägten Landschaften Europas seit Alters her bekannt, war sukzessiv durch dieses erhabenere, sakralere Ritual ersetzt worden. Die Ritterwürde wurde für jeden jungen Herren aus adligem Hause in hohem Maße zur standesgemäßen Konvention. Waldemar lag nicht nur viel an der Sache als solches, ein großartiger, besonders prunkvoller Rahmen spielte für ihn eine nicht minder wichtige Rolle.
Man mag sich vielleicht fragen, warum Waldemar hierzu den dänischen König auswählte, statt des römisch-deutschen Königs? Wäre es einem hohen Reichsfürsten nicht gut zu Gesichte gestanden, diese Ehre von seinem Lehnsherren zu empfangen, denn von einem reichsfremden König? Eine Reihe Gründe können angeführt werden. Zunächst ergriff Waldemar zu Ribnitz April 1310 einfach die Gunst der Stunde, unterbreitete dem dänischen König seine Bedingungen für eine Teilnahme an der Strafaktion gegen die Seestädte und erhielt ohne Weiteres dessen freudige Zusage. Der ursprünglich niedrige Rang Heinrichs VII. spielte eine wichtige Rolle. Wenn er auch aus reichsunmittelbarem Adel stammte, war er vor der Erhebung zum König, doch nur ein einfacher Graf an der westlichen Peripherie des Reichs, schon mehr französisch als deutsch. Erinnern wir uns in diesem Zusammenhang an König Ottokar II. von Böhmen, der nach der Wahl des habsburgischen Grafen Rudolf zum Reichsoberhaupt, diesen als nicht  gleichwertig betrachtete. Heinrich VII. war durch seine Wahl zum König zwar Waldemars Haupt geworden, doch von Geburt niedrigeren Ranges, als der Markgraf. Erik VI. von Dänemark dagegen, als Sohn eines Königs, war hohen Ranges von Geburt. Ausschlaggebend dürfte letztlich Waldemars geäußerter Wunsch gewesen sein, wonach  99 seiner Vasallen mit ihm in den Ritterstand erhoben werden sollten. Schwerlich wäre vom römisch-deutschen König eine solche Gefälligkeit zu erlangen gewesen, keinesfalls ohne dass er Bedingungen gestellt hätte, die zu dieser Zeit wohl kaum anders lauten konnten, als sich mit einem starken brandenburgischen Kontingent seinem Italienzug anzuschließen. Ein Unterfangen, an dem sich seit vielen Generationen kein Askanier mehr beteiligte. Die großen sächsischen Territorialfürsten begnügten sich in Reichsangelegenheiten seit langem darauf, von der Außenpolitik des Königs oder Kaisers möglichst fern zu bleiben. Waldemar verfolgte mit seiner Forderung 99 Mannen aus seinem Gefolge zu erhöhen, eine Doppelstrategie. Erstens suchte er damit jene ritterlichen Vasallen, größtenteils aus dem märkischen Adel stammend, ans brandenburgische Haus zu binden. Das mittelalterliche Feudalsystems als Herrschaftsinstrument, beruhte vor allem auf einem funktionalen Personenverband, daran hatte sich auch im Spätmittelalter wenig verändert. Die möglichst enge Bindung der Vasallen ans Herrscherhaus war eine Grundbedingung. Als zweiten Motivationsgrund kann Waldemars  Hang nach glamourösen Auftritten und pompösen Zeremonien erwähnt werden. Am Hofe seines Onkels Otto IV. aufgewachsen, wo Minnesänger verkehrten und von den großen Taten und dem Glanz der europäischen Höfe in ihren Erzählungen und Lichtern berichteten, war er von Kindesbeinen an, vorbelastet, weswegen zur effektiven Machtentfaltung eines Landesherren, ein prächtiger Habitus gehörte. Er wollte, dass man von ihm ihm sprach und wo hatte man je davon gehört, dass einem Landesfürsten in seinem Beisein und zu seinen Ehren, derart viele seiner Edlen zu Rittern gemacht wurden? Es war im Reich einmalig und trieb Waldemars Prestige in die Höhe, was ganz nach seinem Geschmack war. In Sachen Prunk und Pracht standen sich Erik und Waldemar übrigens in nichts nach.

Heinrich von Meißen
„Frauenlob“

Gehen wir nun näher auf den festlichen Akt ein, dem Waldemar so ungeduldig entgegenfieberte, der sehnlichst herbeigewünschte Ritterschlag. Heinrich von Meißen, ein schon zu Lebzeiten im gesamten Reich und über dessen Grenzen hinaus populärer Minnesänger, besser bekannt unter seinem Beinamen Frauenlob, war Zeuge des Turniers und widmete Waldemar eine poetische Schilderung der Zeremonie. Von ihm haben wir auch das Zeugnis, dass der Rostocker Fürstentag und das Turnier, alles an Pracht und Größe übertraf, was bislang aus den süddeutschen Landen bekannt war. Wenn man berücksichtigt, dass Heinrich von Meißen ebenso am Königshofe Rudolfs I. von Habsburg verkehrte, wie am Hofe des böhmischen Königs Wenzel II., darf man zurecht sagen, dass sein Urteil ein sachverständiges Gewicht hat.

Am Vorabend der Zeremonie sandte König Erik an die vornehmsten der Kandidaten als Geschenke einen scharlachroten Mantel, einen Überrock und Rock, alles reich gefüttert mit Grauwerk (Pelzen), einen aufgezäumten dänischen Zelter (ruhiges, leichtes Reitpferd) sowie ein Schild und ein Schwert. Am folgenden Morgen, nach einer gemeinsamen Messe, empfing der König in einem großen Zelt, auf einem prachtvoll geschmückten Throne sitzend, die Ehrengäste denen dieser Akt galt. Im davorliegenden Lager waren alle Gruppierungen der verschiedenen Kandidaten versammelt. Waldemar ritt, begleitet mit Bannern und Fahnen, gefolgt von 19 hohen Herren und 80 Mannen, ohne die Bediensteten, in die reiche Gewänder vom Vorabend gekleidet, aus seinem Teil des Lagers vor den königlichen Thron. Laut schmetternde Musik begleitete seinen Weg. Alle folgten mit großem Jubel dem Spektakel und ein ständiges Jauchzen und Frohlocken ging durch die Reihen. Es gehörte zur guten Sitte, anlässlich eines solchen Rahmens, die innere Lust laut auszudrücken. Ein Gastgeber wäre gekränkt gewesen, hätten seine Gäste ihrer Freude nicht sichtbar und hörbar Ausdruck verliehen. Als der Zug sich dem Zelt genähert hatte, saß der Markgraf von seinem Pferd ab und alle Herren und Mannen seines brandenburgischen Anhangs beugten mit großer Ehrfurcht ihr Knie vor dem König. Sodann schritt Waldemar vor den König und empfing nach der überlieferten Weise durch den König den Ritterschlag mit dem Schwert. Als sichtbares Zeichen und Beweis dieses vollzogenen Aktes, wurde ihm der ritterliche Gürtel und die goldenen Sporen angelegt. Ihm folgten seine 99 Begleiter ihrem Rang nach.
Nach dieser lang andauernden Zeremonie, ging es an die überreich gedeckte Tafel. Aufgrund der Größe und der Entfernungen, wurden die Speisen mit Pferden gebracht, die hierzu eigens in Decken gehüllt wurden. Der Nachmittag wurde mit Tanz und dem Spiel der zahlreich anwesenden Gaukler verbracht. An den folgenden beiden Tagen folgten die Turnierkämpfe. Lanzenreiten, Schwertkampf, Kampf mit dem Streitkolben. Besonders die neuen Ritter wollten ihre Waffengeschicklichkeit unter Beweis stellen. Reine Schaukämpfe waren Turniere nie, es kam immer wieder zu allerlei Verletzungen, darunter sehr schwere, und kaum ein Turnier, wo es nicht auch zu manchen Todesfällen kam. Auch nach den Turniertagen wurden weitere Mannen zu Rittern geschlagen. Insgesamt sollen in den vier Wochen unaufhörlicher Festlichkeiten, 859 edle Herren in den begehrten Stand gehoben worden sein, eine enorme Zahl. Noch am Abschlusstag erhielt Günther von Werle, einer der Verschworenen von Ribnitz, als letzter die Ritterwürde verliehen.

Das Turnier hatte, wie wir wissen, seinen besonderen Grund. Die versammelten Fürsten, jene die sich zur Züchtigung der  Seestädte verschworen, nutzten die Zeit um ein koordiniertes Vorgehen abzustimmen. Den miteinander verbündeten Seestädten blieben die April 1310 getroffenen Absichten ihrer Widersacher nicht verborgen. Die Vorbereitungen der Fürsten waren nicht zu verheimlichen, umherziehende Kaufleute trugen Nachrichten darüber an die Magistrate heran, die über eigene Maßnahmen berieten und sich noch fester miteinander vereinten. Nach Abschluss der Festivitäten, zog Heinrich von Mecklenburg, der Löwe genannt, mit einem starken Aufgebot eigener und verbündeter Truppen vor Wismar, um die Stadt zu unterwerfen. Waldemar schien bald danach, unter Zurücklassung von Hilfstruppen, in die Mark abgezogen zu sein, denn wir sehen ihn am 16. Juli zu Werbellin urkunden.
Am 7. Juli begann die Belagerung Wismars von der Landseite. Hierzu ließ Heinrich zwei Belagerungstürme errichten. Der dänische König blockierte gleichzeitig mit seinen Schiffen von der Seeseite den Zugang zur Stadt. Ringsherum wurden die Felder verwüstet und das umliegende Land geplündert. Wismars Bürger wehrten sich mit Geschick und schlugen einen Großangriff blutig zurück. Währenddessen hatten sich die vereinten Flotten Wismars, Greifswalds, Stralsunds und Rostocks gegen die dänische Blockadeflotte gestemmt, die der gegnerischen Übermacht weichen mussten und die Flucht auf die offene See antrat. Das nun über den Seeweg offene Wismar, wurde von den Verbündeten verstärkt und trat zum Gegenangriff an, indem es einen Ausfall wagte, der allerdings zu einer schweren Niederlage, mit vielen Verlusten führte. Die Angreifer gerieten von zwei Seiten in die Zange einer Übermacht der Belagerer. Der Mut der Bürger begann zu sinken. Sie befürchteten aus Rostock, das bislang noch nicht belagert wurde, keine Hilfe mehr erwarten zu können, seit König Erik von Warnemünde aus heftige Drohungen gegen Rostock aussprach, sollte von dort weiter Beistand erfolgen. Rostock weigerte sich auf die Drohungen einzugehen und setzte seine Unterstützung gemäß den Bündnisverpflichtungen fort, worauf nun auch gegen diese Stadt militärisch vorgegangen wurde. Derweil war der Herbst hereingebrochen. In Wismar machte sich die Versorgungslage negativ bemerkbar, doch auch die Belagerer litten Mangel. Die Ernte war in fast ganz Deutschland und weiten Teilen Europas katastrophal ausgefallen, so dass sich die Preise für Getreide von einem Hoch, zum nächsten schwangen. Mit herannahendem Winter waren Belagerer wie Belagerte bereit Verhandlungen zu beginnen, die am 15. Dezember zum Abschluss kamen. Heinrich von Mecklenburg schien erleichtert überhaupt zum Abschluss gekommen zu sein und stellte keine unannehmbaren Forderungen und Wismar, von der Belagerung ausgezehrt, nahm an.
Nun wandte sich Heinrich, als Teil seiner Zusagen gegenüber dem dänischen König, gegen Rostock, und ließ bei Warnemünde, beiderseits der Warnowmündung, zwei große Holztürme errichten, wodurch der landeinwärts gelegenen Stadt der freie Zugang zur Ostsee blockiert wurde. Große Bestürzung und Wut machte sich unter den Bürgern breit, die vor das Haus des Herren Nikolaus von Rostock zogen, ihrem vormaligen Herren. Dieser wohnte als eine Art Privatier unter ihnen, seit er sich im Kampf gegen die brandenburgischen Markgrafen und Heinrich von Mecklenburg genötigt sah, um die eigene Haut zu retten, seine Herrschaftsrechte an König Erik VI. abzutreten und dessen Lehnsmann wurde. Aus dieser Zeit stammt des dänischen Königs Anspruch auf Rostock und Umland. Die aufgebrachten Bürger führten den Verschreckten ins Rathaus, wo die Ratsleute gezwungen seinen dort gelagerten Treuebrief an Erik von Dänemark exemplarisch zu zerreißen. Der unmissverständliche Bruch mit Erik VI. war vollzogen, offener Krieg erklärt. Als erstes zog eine stark bewaffnete Bürgerwehr beiderseits der Warnow nach Norden zur Küste, um die zwei dort errichteten Türme niederzubrennen. Den einen mitsamt der Besatzung, den anderen, nachdem die Insassen die Flucht ergriffen hatten. Der hereingebrochene Winter verhinderte eine Gegenreaktion Heinrichs und Eriks und so nutzten die Rostocker die Gelegenheit, um bei Warnemünde eine Festung zu errichten. Um den Mangel an Steinen zu kompensieren, rissen sie sogar den Turm ihrer Petrikirche nieder und schafften das hieraus gewonnene Baumaterial an die Mündung der Warnow. Wiederholte Überfälle ins Land Heinrichs, sowie zur See, gegen Dänemark, beispiesweise gegen die Insel Falster, bestimmten den Winter 1311/12.
Die Situation entwickelte sich ganz anders, als König Erik und Herr Heinrich von Mecklenburg dies erwartet, geschweige denn geplant hatten. Am 18. Februar 1312 kam es zu Zehdenick in der Mark zu einem Anschlussvertrag zwischen Markgraf Waldemar, der immer auch im Namen seines Mündels Johann entschied, und Heinrich von Mecklenburg, sowie in gleicher Weise mit Erik VI., wonach Waldemar 400 Mann Kriegsvolk auf eigene Kosten ausrüsten sollte. Für die Zeit nach Pfingsten, sobald üblicherweise die Schönwetterphase begann, war ein gemeinsamer Generalangriff auf Rostock geplant. Bis dahin waren es noch einige Monate und die Schiffe der vereinten Seestädte suchten die Küsten Dänemarks wiederholt und in verheerender Weise heim. Bis nach Helsingør (deutsch Helsingör) wagten sie sich vor, plünderten und brannten dabei sogar Burgen und Schlösser nieder. Auf dänische Schiffe wurde Jagd gemacht wo man sie fand und der dänische Handel erlitt in dieser Zeit schwere Einbußen. König Erik musste fast tatenlos dem Treiben seiner Feinde zusehen, denn er war auf das gemeinsame Vorgehen seiner Verbündeten von Süden her angewiesen.
Am 23. Juni landete er schließlich mit großer Heeresmacht unweit Warnemünde, wo er das dortige, im Winter von den Rostockern errichtete Bollwerk belagern ließ. Die Insassen verteidigten sich verbissen. Waldemar sandte das brandenburgische Kontingent Anfang Juli los, unter welcher Führung ist ungewiss, er jedenfalls befand sich zu dieser Zeit weiterhin in der Mark, kam dann jedoch in Begleitung des heranwachsenden Johann nach und war während der heftigen Angriffe auf die Festungsanlage vor Ort. Volle elf Wochen hielten die Belagerer unter dem Kommando des Rostocker Ratsherren Bernhard von Baggeln stand, bevor der Hunger sie zur Aufgabe zwang. Es wurden ihnen freier Abzug gewährt. Zuvor unternahmen die Rostocker mehrere, teils spektakuläre Versuche, die Eingeschlossenen mit Nahrung zu versorgen, doch fielen die Versorgungsschiffe den Belagerern in die Hände. Statt die eingenommene Festung niederzureißen, wurde sie als eigene Basis erheblich ausgebaut und verstärkt. Die Besatzung der Burg wurde nach einem festgesetzten Reglement von je einer Gruppe aus den Reihen der Verbündeten übernommen. So zur See hin abgesichert, zogen die Verbündeten vor Rostock und begannen die Belagerung. Der Sommer war inzwischen vorbei, alle Angriffsstöße gegen die Stadt bislang abgeschlagen und mit wütenden Ausfällen der Besatzung beantwortet worden. Die Einnahme der Stadt schien unabsehbar, doch rumorte es hinter den Mauern, wo der Rat gewillt war Verhandlungen aufzunehmen, während ein großer Teil der Bürgerschaft dies mit Vehemenz ablehnte. Die  städtischen Kaufleute, aus ihren Reihen rekrutierte sich der Magistrat, litten unter der Blockade. Ihr Reichtum schmolz mit jeder weiteren Woche dahin.  Gerade sie waren gewillt zu unterhandeln. Anders die einfachen Bürger und Handwerker, die die Hauptlast landesherrlicher Abgaben trugen. Unter ihnen tat sich ein gewisser Heinrich Runge hervor, der zum Wortführer wurde und die Menge weiter aufstachelte. Man bemächtigte sich der Ratsmitglieder, bezichtigte diese des Verrats und steckte sie in den städtischen Kerker, wo einige am 17. September brutal ermordet, andere in aller Öffentlichkeit enthauptet wurden, darunter Runges eigener Bruder. Die um ihren Wohlstand besorgten Kaufleute taten sich zusammen, stimmten gemäßigtere Töne an und traten mit dem von Nikolaus von Rostock neu eingesetzten Rat in Verbindung. Man entledigte sich der radikalen Elemente, indem Runge und seine Anhänger aus der Stadt verbannt wurden. So im Inneren befriedigt, bat der Rat um Frieden. Das Jahr war bereits weit fortgeschritten, von den Belagerern harrte noch Heinrich von Mecklenburg aus, Waldemar und sein Mündel Johann waren nach dem Fall von Warnemünde in die Mark zurückgekehrt, ebenso wie nacheinander die anderen Fürsten. Waldemar kehrte aber bereits im Oktober wieder an den Kriegsschauplatz zurück und traf sich in Mestlin mit dem dänischen König, wo die weiteren Bedingungen ihres gemeinsamen Krieges abgestimmt wurden.
Die Unterhandlungen mit der Stadt waren im Laufe des November soweit fortgeschritten, dass sich am 6. Dezember die jeweiligen Bevollmächtigten bei Polchow trafen, um die vereinbarten Friedensbedingungen zu besiegeln. Am 15. Dezember 1312 leistete der Rostocker Rat in die Hand Heinrich von Mecklenburg die Huldigung für Erik von Dänemark. Zu den Friedensauflagen gehörte die Zahlung von 14.000 Mark Silber in drei Raten, zu leisten innerhalb eines Zeitraums von sieben Monaten. Die Summe konnte ebenso in grobem Tuch und in Pelzen geleistet werden, was augenscheinlich wichtige Handelswaren der Stadt gewesen sein müssen.


Die fränkischen Besitzungen werden veräußert

Wie wir gelesen haben, war der 1298 verstorbene Markgraf Otto V. der Lange, in zweiter Ehe mit Judith (Jutta) von Henneberg-Coburg verheiratet. Sie wurde die Mutter Markgraf Hermanns, folglich Großmutter des unmündigen Johanns, dem Universalerben in spe der Ottonischen Landschaften, das aktuelle Mündel Waldemars. Judith war die Tochter des Grafen Hermann I. von Henneberg. Das Grafengeschlecht derer von Henneberg unterteilte sich in mehrere Zweige, so in die Linie Henneberg-Coburg, mit Territorialbesitz in Südthüringen und Nordfranken um Coburg aber auch Schweinfurt. Judith brachte umfangreiche Teile davon in die Ehe mit und damit an die brandenburgisch-ottonische Linie. Die fern den märkischen Kerngebieten gelegenen Gebiete wurden größtenteils von Bevollmächtigten verwaltet, sogenannten Landpflegern, woraus sich der Begriff der Coburger Landpflege entwickelte, auch Coburger Land. Als 1308 Markgraf Hermann auf einem Feldzug gegen Nikolaus von Rostock erkrankte und bald darauf starb, kamen nach Wirrungen diese Gebiete über Hermanns Sohn und Erben Johann, zur Verwaltung an dessen Vormund Waldemar, der selbst keine herrschaftlichen Aktivitäten darüber ausübte und an die stückweise oder komplette Verpfändung oder Verkauf dachte. Was sich zu Geld machen ließ, wurde unter Waldemar auch zu Geld gemacht, der Geldbedarf des Markgrafen war notorisch, worauf wir noch gesondert eingehen.
Für die Grafen von Henneberg hatte sich bislang keine Gelegenheit ergeben, die 1291 an Brandenburg gelangten Coburg- und Schmalkaldischen Lande mit ihrer Grafschaft wieder zu vereinigen. Graf Berthold VII. zu Henneberg-Schleusingen, ein Manne von ganz ausgezeichneten Charaktereigenschaften, der schon als Waldemars Gesandter anlässlich der Königswahl auftrat, stand mit dem Markgrafen im besten Einvernehmen. Graf Berthold hatte  seinen ältesten Sohn Heinrich Anfang 1312 mit Jutta, einer Tochter des verstorbenen Markgrafen Hermann vermählt, Schwester Johanns und der Agnes, Waldemars Gattin. Der dahingeschiedene Markgraf hatte die fränkisch-thüringischen Lande, die Eigenbesitz waren und kein Reichslehen, auf seine vier Kinder vererbt, und so brachte Jutta ihren Anteil als Mitgift in die Ehe. Wegen weiterer, vielleicht aller sonstigen Landesteile in brandenburgischem Besitz, trat Graf Berthold mit Waldemar in  Verhandlungen. Die Entlegenheit der Region, machte eine effiziente Verwaltung schwer. Schon Markgraf Hermann war gezwungen einen Regenten einzusetzen, wozu er einen fernen Verwandten, den Grafen Walther von Barby bestimmte. Dieser war ein unruhiger und streitlustiger Zeitgenosse und fing allerlei Fehden und handfeste Kriege mit angrenzenden Nachbarn an, die nur mühsam beigelegt werden konnten. All das begünstigte die Unterhandlungen Graf Bertholds mit dem notorisch in Geldverlegenheiten steckenden Waldemar sehr, der bei alledem, bis auf die Mitgift seiner Braut Agnes, dabei kein Eigengut, sondern das seines Mündels und dessen Schwestern veräußerte, im übrigen auch jenes seiner Schwiegermutter. Hieraus ergab sich noch manche Diskussion, doch war der Verkauf nicht mehr zu stoppen. Gegen Leistung mehrerer Abschlagszahlungen von 3.000, 4.000 und 6.000 Mark Silber,  begleichbar ihn Raten, unter Stellung von Pfandbesitz, gingen die Landschaften um Coburg und Schmalkalden wieder in den Besitz derer von Henneberg über, das brandenburgische Intermezzo in Nordfranken und Südthüringen hatte ein Ende.


Krieg gegen Meißen – Vertrag zu Tangermünde

Das Jahr 1312 sah Brandenburg nicht nur im Krieg in Mecklenburg, Waldemar war zusätzlich in eine weitere kriegerische Auseinandersetzung verwickelt, diesmal in eigener Sache. Wir erinnern uns an die Erwerbungen der Mark Landsberg, der Pfalz Sachsen und dem Gebiet um Torgau. Diese Landschaften, die außerhalb des brandenburgischen Kernlandes lagen, wurden 1290/91 durch Otto IV. dem Markgrafen von Meißen, Albrecht II. dem Entarteten abgekauft worden. Albrecht, ein Spross aus dem Wettiner Geschlecht, führte damals Krieg gegen die eigenen Söhne aus erster Ehe und veräußerte das Gebiet lieber an die Askanier, als dass diese in die Hände seiner Söhne fallen könnten. Hintergrund des Streits waren weitere Nachkommen aus Albrechts späterer Ehe. Sicher hatte die Art wie sich Albrecht von seiner ersten Frau trennte, eine staufische Tochter des 1250 verstorbenen Kaisers Friedrich II., Mutter der genannten Söhne, eine Rolle bei den blutigen Zerwürfnissen gespielt. Jahre vor seinem Tod versöhnte sich Albrecht mit den Söhnen Friedrich und Dietrich. Jener Dietrich, auch Diezmann genannt, verkaufte 1303 den westlichen Teil der Lausitz an Markgraf Otto IV. mit dem Pfeil. Die Besitzverhältnisse um die Markgrafschaft Meißen und Landgrafschaft Thüringen, die Albrecht dem Entarteten als Erbe zugefallen waren, blieben währenddessen kompliziert. Wir haben gelegentlich schon davon gesprochen. Der römisch-deutsche König Adolf von Nassau betrachtete beide Lehen als erledigt und ans Reich zurückgefallen, worauf er, zur Vergrößerung seiner eigenen Hausmacht, militärisch intervenierte, besonders in Thüringen, um sich in den Besitz zu bringen. Bezüglich Meißen erhob ebenso der König von Böhmen Ansprüche, ob gerechtfertigt oder nicht, seine Macht war groß genug, dass die Könige Adolf und sein Nachfolger Albrecht, dies nicht grundlegend bestritten. Die politischen Umstände veranlassten Böhmen, das zu dieser Zeit Ansprüche sowohl auf die Krone Polens, wie Ungarns durchzusetzen versuchte, die Mark Meißen an Brandenburg zu verpfänden, für die enorme Summe von 50.000 Mark Silber. Wie die brandenburgischen Markgrafen, wir reden von der Zeit Markgraf Ottos IV., Haupt der Johanneischen Linie, und Markgraf Hermann, seit dem Tod des Vaters Otto V., Kopf der Ottonischen Linie, diese Summe aufbrachten, entzieht sich komplett unserer Kenntnis. Es scheint auch, dass wesentlich Markgraf Hermann, kraft seiner verwandtschaftlichen Nähe zum böhmischen König, der eigentliche Pfandnehmer war. Dass Brandenburg tatsächlich das Regiment in Meißen ausübte, erkennen wir am Itinerar Markgraf Hermanns, der wiederholt in Oschatz urkundete. Mit dem Tod Hermanns, gingen dessen Rechte an seinen minderjährigen Sohn Johann über und damit, bis zu dessen Mündigkeit, an seinen Vormund Waldemar.
Gehen wir nochmal wenig Jahre wieder zurück. Albrecht der Entartete, mittlerweile der Regierung überdrüssig geworden, trat gegen eine jährliche Pension die Regierung an die Söhne ab. Als Dezember 1307 Dietrich ermordet wurde, übernahm Friedrich die Regentschaft über beide Landstriche, 1309 erbte er zusätzlich von seinem Onkel weitere Gebiete. Margarete von Staufen (1237 – 1270), die oben erwähnte Tochter Kaiser Friedrich II., war seine Mutter. Die ghibellinischen Anhänger der Staufer in Oberitalien sahen in ihm, einem Enkel des großen Kaisers, wenn auch aus weiblicher Linie, einen möglichen zukünftigen Friedrich III. Imperator Romanorum des Reichs. Selbstbewusst nannte er sich demnach, Friedrich III., König von Jerusalem und Sizilien, Herzog von Schwaben, Landgraf zu Thüringen und Pfalzgraf zu Sachsen. Da außer der Landgrafschaft Thüringen sowie Wettiner Streubesitz, alles andere nur Titulatur war, lag Friedrich einiges daran, alten wettinischen Besitz wieder an sich zu bringen. Dementsprechend erkannte er die Verpfändung der Mark Meißen nicht an und lag auch hinsichtlich der Pfalz Sachsen mit Markgraf Heinrich wiederholt im Streit. Die Stimmung zwischen den brandenburgischen Askaniern und dem Wettiner verfinsterte sich zusehends, Verhandlungen, so am 12. Juli 1309 zu Mühlberg, führten nur zu zeitweiligem Aufschub eines Konflikts, nicht zu einer nachhaltigen Lösung. Damals wurde ein Schiedsverfahren bestimmt mit Graf Albrecht von Anhalt als Obmann. Über das Ergebnis eines gegebenenfalls   existierenden Schiedsspruchs, ist leider nichts bekannt. Der Forderung nach Rückerstattung der Pfandsumme, wollte und konnte Friedrich nicht nachkommen, Waldemar war  umgekehrt nicht gewillt seine, vielmehr die Anrechte seines Mündels, zu verschenken, wenngleich bis auf wenige Städte und Schlösser, zwischenzeitlich nur noch wenig im wirklichen Besitz Brandenburgs war, viel war weiterverpfändet worden. Die Situation spitze sich weiter zu und neben den Streitpunkten um Meißen, mengten sich jetzt sogar Fragen bezüglich der Lausitz und der Mark Landsberg bei. Friedrich der Freidige stellte jetzt alle Erwerbungen der Brandenburger in Frage.
Markgraf Waldemar griff nun zu dem Waffen, er zog zunächst in die Lausitz, wo er sich am 24. März 1312 aufhielt, vergewisserte sich der dortigen Verhältnisse, bevor er mit einem Schlag gegen die  befestigte Stadt Hayn, heute Großenhain, seinen Feldzug gegen den Wettiner eröffnete. Die Stadt sollte in der Nacht durch Handstreich genommen werden. 30 Brandenburgern eines Voraustrupps gelang es zunächst unbemerkt die Mauer zu erklettern und sich Zugang in die Stadt zu verschaffen. Die Eindringlinge wurden dann aber von aufmerksamen Bürgern entdeckt und gefangen gesetzt. Es drohte ein kläglicher Misserfolg. Von den Aussagen der Gefangenen erfuhren die Bürger, dass sich Waldemar mit einer größeren Streitmacht im Anmarsch befand. In Furcht, schickten sie Boten zu ihrem eigenen Markgrafen und ersuchten um Hilfe. Friedrich machte sich, begleitet von seinem gleichnamigen Sohn und einer schnell zusammengerafften, nicht besonders großen Schar, sogleich auf den Weg. Unweit der Stadt fiel den Truppen Waldemars in die Hände und wurde gefangen genommen. Aus der sich abzeichnenden Niederlage, wurde völlig unverhofft ein ungeahnter, großartiger Erfolg. Ohne dass es zu größeren Kampfhandlungen gekommen wäre, war der Krieg damit schon entschieden, indem beide hohen Fürsten, Vater und Sohn in die Hände ihrer Feinde gerieten. Sie wurden unter strenger Bewachung nach Nordwesten gebracht, in die altmärkische Elbfestung von Tangermünde, wo man sie und ihre Begleiter festsetzte.
Waldemar stellte zur Freilassung schwere Forderungen. Es kam zuerst zu keiner Einigung, doch die Lage ließ dem gefangenen Friedrich dauerhaft kein Optionen. Am 14. April 1312 kam es zum Vertrag von Tangermünde. Die Meißner Markgrafen mußten 32.000 Mark Silber entrichten, zu zahlen in drei Raten, davon die erste fällig am 11.11.1312 zu Martini, die beiden restlichen Drittel jeweils 12 Monate später. Mit jeder beglichenen Teilsumme wurden die damit verbundenen Pfandstädte zurückgegeben. Markgraf Friedrich musste ferne alle erhobenen Ansprüche auf die Marken Landsberg und Lausitz, sowie dem Elbe-Elster-Land aufgeben. Weiter die Städte und Gebiete Torgau und Hayn abtreten. Zu den als Pfand, bis zur Begleichung der Schuldsumme einbehaltenen Städten gehörte neben Oschatz, Grimma, Geithan, nebst weiteren, als Kernstück das reiche Leipzig. Alle geleisteten Garantien und Zahlungen Waldemar und seinen Nachfolgern, sollte er denn vor Vertragserfüllung sterben. Der brandenburgische Markgraf ging bei allem mit großer Vorsicht vor, ließ vorerst nur des alten Markgrafen Sohn frei, der unter den Meißner Ständen die Bedingungen verkündete. Der Krieg flackerte währenddessen immer wieder regional auf. Örtliche Adelige leisteten Widerstand, sie glaubten damit ihrem gefangenen Herren mehr zu dienen. Dauerhaft ebbten die Aufstände schließlich ab, besonders nachdem auch Friedrich der Freidige auf freien Fuß kam. Der Konflikt war offiziell beigelegt, noch bevor Waldemar wieder nach Mecklenburg zog, um vor Warnemünde die Verbündeten bei der Belagerung der dort von Rostock errichteten Festung zu unterstützen.


Königswahl

Auf den bedauernswerten Tod Kaiser Heinrichs VII. im italienischen Heerlager, folgte eine 14-monatige Thronvakanz. Im Reich tat man sich noch schwerer als sonst, einen allgemein anerkannten Nachfolger zu finden. Die Lage nutzend, warf Frankreich abermals einen Bewerber ins Rennen, doch von Beginn an  ohne Chance. Größte Aussichten hatte der Habsburger Friedrich, den man seiner anmutigen und ritterlichen Erscheinung wegen den Schönen nannte. Frühzeitig konnte er die Stimmen des Wittelsbacher Pfalzgrafen Rudolf, sowie Brandenburgs für sich gewinnen. Die Brandenburger Stimme wurde sowohl von Waldemar, wie von seinem Halbonkel Heinrich beansprucht, ohne dass beide darüber in Streit zerfielen. Wir kommen darauf zurück. Herzog Rudolf, der askanische Verwandte aus Sachsen-Wittenberg, gehörte ebenso zur Habsburger Partei wie der Kölner Erzbischof Heinrich von Virneburg, dessen Stimme besonderes Gewicht hatte.
Allein der verstorbene Kaiser war ein Luxemburger, sein Sohn Johann war als König von Böhmen stimmberechtigt, und Erzbischof Balduin von Trier gehörte, wir wir wissen, ebenfalls dem Luxemburger Hause an. Kam der Habsburger Friedrich auf den Thron, würde er zweifelsohne Böhmen als ein ihm entzogenes Erbstück einfordern. Dies mußte aus Sicht der Luxemburger Partei verhindert. Johann von Böhmen konnte sich selbst nur wenig Hoffnung auf eine Wahl machen, er galt als zu jung und war mit Böhmen und der vortrefflich verwalteten Grafschaft Luxemburg aus Sicht der Wahlfürsten wohl auch zu mächtig. Die Kurfürsten blieben ihrem alten, seit dem Ende der Staufer praktizierten System treu, und präferierten ein Oberhaupt mit möglichst bescheidener Hausmacht, es sei denn, es entstünde ihnen persönlicher Nutzen. Ihr selbstverständlicher Anspruch an den Reichsgeschäften einen Anteil zu haben, hatte sich zwischenzeitlich verfestigt. Ein starker Monarch widerstünde derartigen Bestrebungen allzu leicht und könnte die seit Friedrich II. erlangten Privilegien möglicherweise unterlaufen, schlimmstenfalls revidieren.
Kopf der Luxemburger Partei war Balduin von Trier, ihm gelang es den  Erzbischof von Mainz zu gewinnen, wodurch sich mit drei gewichtigen Stimmen eine starke Opposition formiert hatte. Die Hauptsache war, Friedrichs Wahl unter allen Umständen zu verhindern, und wenn möglich einen länderarmen Fürsten stattdessen zu wählen. Es wurden alle Mittel in Bewegung gesetzt noch mehr Stimmen zu verschaffen.
Zunächst wanden sie sich an Herzog Johann von Sachsen-Lauenburg. Zwar war es streitig ob er, statt Herzog Rudolf von Sachsen-Wittenberg, die sächsische Kurstimme inne hatte, doch war er gerade deswegen umso leichter für die proluxemburgische Seite zu gewinnen und gleichzeitig der Habsburger Gegenseite eine Stimme zu entziehen, wodurch die Waage zugunsten der antihabsburgischen Opposition ausschlüge. Die Frage wer nun die sächsische Stimme rechtmäßig hielt, gilt es zu erörtern. Der im Jahre 1260 verstorbene Herzog Albert I. von Sachsen führte als solcher eine Kurstimme. Seine zwei Söhne teilten die sächsischen Lande. Herzog Johann I. erhielt die niedersächsischen Gebiete, nämlich Sachsen-Lauenburg, während Herzog Albert II. die obersächsischen Länder bekam, und die Linie Sachsen-Wittenberg gründete. Albert II. hatte sich die Kurstimme mehr angeeignet, als dass sie ihm übertragen worden wäre.  Die ältere Linie Sachsen-Lauenburg hatte nicht darauf verzichtet und seither schwelte der Streit. Mit dem Tod Alberts II. 1308, führte der oben erwähnte Rudolf als Erbe die Kurstimme fort, was Johann von Sachsen-Lauenburg beharrlich nicht anerkannte. Herzog Johann wurde eingeladen, sich  zur Wahl an den Rhein zu begeben, doch schrieb er am 16. Oktober 1313, dass sein Gesundheitszustand es ihm nicht ermögliche zur Königswahl persönlich zunerscheinen und daher sein Bruder Herzog Erich von ihm bevollmächtigt sei. Wenn auch Erichs Haltung ungewiss war, stritt man durch seine Anerkennung die Stimme Rudolfs von Sachsen-Wittenberg an, der als fester Parteimann Friedrichs des Schönen bekannt war. Man konnte erwarten, dass keine Partei die sächsische Stimme der jeweils anderen Seite anerkennen würde, und so hatte die Luxemburger Partei drei unangefochtene Stimmen, ebenso wie der Habsburger Friedrich. Pfalzgraf Rudolf war habsburgisch, ebenso der Kölner Erzbischof, die beide weitläufig mit Friedrich dem Schönen verwandt waren. Es war nicht daran zu denken, sie ohne weiteres abspenstig zu machen, zumal die Luxemburger Opposition bislang selbst noch keinen Königskandidaten hatte, und nur bestrebt war, die Wahl Friedrichs aus den genannten Gründen zu verhüten. Alles hing jetzt an Brandenburg, deren Markgrafen Waldemar und Heinrich jeder für sich vorläufig das Recht zur Wahl beanspruchten. Um erstens Brandenburg für die Luxemburger Interessen zu gewinnen, zweitens den bisherigen Mangel eines eigenen Kandidaten zu beseitigen und drittens einen möglichen brandenburgischen Stimmstreit elegant zu umgehen, einigte man sich auf Waldemars Halbonkel Heinrich, dessen fortgeschrittenes Alter Anlass zu Hoffnung gab, kein übermäßig rühriges Haupt zu erhalten. Doch glaubt man dies bei der Wahl Rudolfs von Habsburg einst auch und war von dessen Energie dann doch überrascht worden. Unter veränderten Rahmenbedingungen wechselte Markgraf Waldemar in aller Heimlichkeit die Partei, ohne dass die Habsburger Seite darüber Kenntnis erhielt. Der Oktober war noch nicht vorüber und es kam Bewegung ins Spiel. Scheinbar beflügelt von der Aussicht den bald 60-jährigen Halbonkel an der Spitze des  Reiches zu sehen, begann Waldemar in Wahlangelegenheiten eine Eigendynamik. Er bemühte sich um die Sachsen-Lauenburger Verwandten und deren Stimme. Am 31. Oktober kam es im neumärkischen Königsberg zum Treffen zwischen den Herzögen Johann und Erich, sowie dem Markgrafen Waldemar. Dem Treffen gingen Vorverhandlungen voraus, so dass man sich an besagtem Tag auf eine Reihe von Punkten verständigte. Brandenburg erkannte die Kurstimme Sachsen-Lauenburgs an und war bereit dieses Vorrecht gegen jedermann zu verteidigen. Herzog Erich, sollte er an der Wahl teilnehmen, wird die Stimme Brandenburgs vertreten aber nur so abstimmen, wie es von den Markgrafen vorgegeben wurde. Sollten die brandenburgischen Markgrafen selbst zur Wahl erscheinen, künden sie dies mit vierwöchigem Vorlauf an, holen Herzog Erich ab, geleiten ihn sicher vor Ort und sorgen sich auf eigene Kasse um Verköstigung und Gewandung für ihn und seine Begleiter. Für den Fall, Herzog Erich erschiene selbst nicht zur Wahl, würden statt seiner zwei bevollmächtigte Gesandte zur Wahl reisen, die im Sinne Brandenburgs an der Wahl teilnähmen. Über einen zu wählenden Kandidaten verliert der Vertrag kein Wort. Dergleichen Dinge wurden gewöhnlich in aller Stille untereinander mündlich vereinbart und unter Zeugen beeidigt, jedoch nicht schriftlich überliefert. Spätestens jetzt war der Parteiwechsel Waldemars offenbar geworden. Hätte er weiterhin dem Habsburger Friedrich angehangen, wäre eine Übereinkunft mit Sachsen-Lauenburg unnötig gewesen, denn Sachsen-Wittenberg verharrte unbeirrt bei der österreichischen Partei. Es scheint, dass er auch nicht mehr der Luxemburger Opposition unverbrüchlich verbunden war, und nun selbst eine Partei mit seinem Halbonkel als vorgesehenen Kandidaten geplant zu haben. Würde er den Luxemburgern oder den Habsburgern eine Stimme abspenstig machen können, käme er mit drei der Sieben Stimmen in den Bereich der Mehrheit. Er setzte, so schien es, den Hebel bei Friedrichs Stimmanhängern an und schloss mit dem Erzbischof von Köln am 18. November 1313 eine Vertrag, wonach beide einmütig den gleichen Kandidaten wählen würden. Es war die Wiederholung eines 1308 bereits einmal geschlossenen, gleichlautenden Vertrags anlässlich der damals stattfindenden Wahl zum römisch-deutschen König, die seinerzeit bekanntermaßen der Mitte des Jahres verstorbene Heinrich VII. gewann. Der Erzbischof war augenscheinlich nicht unter allen Umständen unverbrüchlich an der Seite Friedrichs des Schönen, denn noch Ende September hatte er sich mit seinen beiden rheinischen Bischofskollegen zu Rhense getroffen, um über einen gemeinsamen Kandidaten zu verhandeln. Es kam zu keiner Übereinkunft und man trennte sich ergebnislos.  Es war eine verfahrene Situation. Die Habsburger Partei beanspruchte dreimder sieben Kurstimmen, von denen aber nur jene des Pfalzgrafen Rudolf von Wittelsbach sicher war, während die Rudolfs von Sachsen-Wittenberg von den Vettern aus Sachsen-Lauenburg mit Hilfe Brandenburgs und der Luxemburger Partei angefochten wurde. Die Luxemburger Opposition glaubte bislang vier Stimmen sicher zu vereinen, und mit Sachsen-Lauenburg wenn nicht ein fünfte Stimme zu besitzen, so doch immerhin eine, welche die sachsen-wittenbergische neutralisierte. Trotz Stimmenmehrheit, war der bisherige Mangel eines tragbaren Kandidaten fatal, denn neben der schon erwähnten Jugend Johanns von Böhmen, dem Sohn des verstorbenen Kaisers, wäre bei seiner Wahl die offene Ablehnung der habsburgisch regierten Territorien vorprogrammiert. Ein blutiger Thronstreit unvermeidlich.
Von Waldemars neuerlichem Systemwechsel und dessen eigener Parteienbildung erhielt man wohl erst im Laufe der zweiten Hälfte des Novembers ausreichend Kenntnis ohne jedoch völlige Gewissheit zu erlangen. Der Luxemburger Vorsprung schmolz unter der Annahme des brandenburgischen Stimmenverlusts zwar zusammen, aber durch die auch in der neuen Konstellation vorhandenen sächsischen Rivalität um das Kurprivileg, ging in der Summe die Mehrheit nicht verloren. Ein Kandidat musste her, der das Reich nicht der Gefahr eines Thronkriegs aussetzte. Mit dem Wittelsbacher Herzog Ludwig von Oberbayern brachte sich im November 1313 ein Fürst ins Spiel, der die Voraussetzungen erfüllte. Dieser stand seit Ende 1310 mit seinem Bruder Rudolf im Streit um die Vormundschaft im Herzogtum Niederbayern, wo Ludwig zunächst mit Vetter Otto III. über die unmündigen Knaben Otto und Heinrich, Söhne des im Dezember 1310 verstorbenen Herzog Stephan I., verfügte. Als auch Otto III. am 9. September 1312 in Landshut starb, übernahm Ludwig alleine die Regenschaft in Niederbayern. Die Witwen Stephans I. und Ottos III. fürchteten um ihre Vorrechte, scharten den niederbayrischen Lehnsadel um sich und riefen die benachbarten Habsburger um Hilfe. Herzog Rudolf, der sich in der niederbayrischen Angelegenheit unberücksichtigt übergangen sah, ließ zwar das Schwert gegen den jüngeren Ludwig ruhen, stand aber seit dem Tod des Kaisers mit seiner pfalzgräfischen Kurstimme, die ihm als dem älteren zustand, fest im habsburgischen Lager. Am 21. Juni 1313 verglichen sich beide Brüder im Münchner Frieden. Der Friede indes hielt nicht lange, doch lange genug, damit Ludwig den Rücken frei hatte, um gegen die niederbayrische Adelsopposition und ihre Habsburger Unterstützer offen zu Felde zu ziehen. Unterstützung fand er bei den wichtigen niederbayrischen Städten Landshut und Straubing. Am 9. November 1313 kam es beim oberbayrischen Gammelsdorf zur Schlacht, die Ludwig überraschend deutlich für sich entscheiden konnte. Der Herzog zog mit seinem Sieg die Aufmerksamkeit der antihabsburgischen Partei der Luxemburger auf sich. Eigentlich waren Ludwig und Friedrich enge Jugendfreunde. Beide wuchsen gemeinsam auf, doch gegensätzliche Interessen machten sie zu Gegnern. Trotzdem kam es nicht zum völligen Bruch. Unter Vermittlung des Salzburger Erzbischofs Weichart von Pohlheim wurde im Dezember ein Treffen Friedrichs mit Ludwig erwirkt, dem am 17. April 1314 zu Salzburg eine endgültige Aussöhnung folgte. Die unbedingte Ernsthaftigkeit des Friedens wurde durch allerlei symbolische Handlungen ausdrücklich betont.

Am 21. Dezember trafen sich die Räte des Erzbischofs von Mainz mit jenen Herzog Rudolfs, des Bruders Ludwigs zu Vorverhandlungen. Noch hielt der Frieden von München zwischen den Brüdern und es hatte den Eindruck, als ob Rudolf zu dieser Zeit die Partei Friedrich von Habsburgs verlassen habe. Sowohl er wie der jüngere Ludwig wurden als mögliche Königskandidaten diskutiert. Schon sicherte sich der Erzbischof für seine Stimme umfangreiche Wahlzugeständnisse, so Burg und Stadt Weinsheim, die Burg Reichenstein und zusätzlich stolze 10.000 Mark in Silber. Bei Summen dieser Größenordnungen, wird man leicht erahnen können, das der meistens klamme Waldemar und nicht besser sein Halbonkel Heinrich, der brandenburgische Kandidat, kaum in der Lage waren Zugeständnisse zu machen. Zum Jahreswechsel schwanden die Chancen für Brandenburg. Auch im dritten Anlauf der Askanier, nach Otto III. 1257, Otto IV. 1308, zeichnete sich 1314 ab, dass auch Markgraf Heinrich nicht die Krone erlangen würde. Es wurden noch mancherlei Verhandlungen und Gegenverhandlungen vollführt, auf die hier nicht eingegangen wird. Es sollte  noch einmal 10 Monate dauern, bis  es im Oktober 1314 endlich zur Königswahl kam. In der Zwischenzeit hatten sich die Wittelsbacher Brüder wieder miteinander überworfen und Herzog Rudolf war mit seiner pfalzgräfischen Kurstimme ins habsburgische Lager Friedrichs des Schönen zurückgekehrt. Am 19. Oktober 1314 wählten der Erzbischof von Köln, Rudolf von Wittelsbach, der oberbayrische Herzog und gleichzeitige Pfalzgraf bei Rhein, sowie Herzog Rudolf von Sachsen-Wittenberg in Sachsenhausen den Habsburger Friedrich zum König.

Nur einen Tag später gaben die vier restlichen Kurfürsten, die Erzbischöfe Peter von Mainz und Balduin von Trier, König Johann von Böhmen und Markgraf Waldemar von Brandenburg in Frankfurt ihre Stimme dem bayrischen Kandidaten Ludwig von Wittelsbach und kürten ihn zu ihrem König. Das Reich war also in die Lager zweier Könige gespalten. Der schleichende Niedergang des Reiches, seit dem Tod Friedrichs II. im Jahre 1250, der unter Rudolf I. und Heinrich VII. kurzzeitig gestoppt aber nur begrenzt revidiert werden konnte, drohte sich nun wieder fortzusetzen. Die Haltung und die partikularen Interessen der Kurfürsten schadeten zunehmend dem gesamten Reichskörper. Der beklagenswerte Umstand dass zwei Kandidaten in den Königsstand erhoben wurden, bewies eine beklagenswerte Missachtung der Stellung des Königs als Oberhaupt des Reiches und war bezeichnend für die selbstherrliche Art einzelner Kurfürsten, allen voran und wiederholt der Erzbischöfe von Mainz und Köln.


 

Buch 1, Kapitel XIII: „Die Zeit des Übergangs“


Die Mark zu Beginn des 14. Jahrhunderts

Als Markgraf Otto IV. im Januar 1309 starb, der genaue Todestag ist selbst bei einem so bedeutenden Fürsten nicht überliefert, hatte er vier Jahrzehnte, davon den größeren Teil in kooperativer Weise mit seinen Brüdern, den Johanneischen Nachlass des Vaters regiert. Mitnichten war er darin tonangebend, weder unter seinen Brüdern, und noch weniger im anderen Landesteil in der zweigeteilten Mark, wie es bis heute in den meisten aktuellen Darstellungen über ihn heißt. Eine quellenkritische Studie der brandenburgischen Regesten zeigt ihn mitwirkend an der Seite seiner Brüder Johann und Konrad, ohne dass bei ihm dominante Regierungshandlungen deutlich zu erkennen wären. Zweifelsfrei war er durch sein vielfältiges Wirken im Mittelpunkt der Wahrnehmung der Zeit, doch bedeutet dies nichts in Bezug auf die Regierungsgeschäfte. Erst nach dem Tod Johanns II., seinem älteren Bruder, übernahm er eine führendere Rolle ein, allerdings nur innerhalb jener märkischen Teile, die zum Johanneischen Erbe gehörten. In den Landschaften des Ottonischen Zweigs hatte weder er, noch einer seiner Brüder, oder deren Nachkommen, auch nur das Geringste zu sagen, so lange dort ein mündiger Nachfahre des Zweiggründers lebte. Zum Ende des ersten Jahrzehnts des neuen Jahrhunderts änderten sich in rascher Folge die Verhältnisse an der Spitze der Markgrafschaft grundlegend. Auch das Reich, ja selbst ganz Europa erlebte in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts weitreichende Veränderungen, darunter einschneidende klimatische Umwälzungen, die große Auswirkungen auf die damalige Gesellschaft hatten, worauf wir im nächsten Kapitel aber auch in Buch 2 näher eingehen werden.

Im Schlussteil des letzten Kapitels lasen wir von vormals 19 brandenburgischen Markgrafen, die noch im Jahre 1290 lebten. Sie stammten aus den zwei märkischen Linien, worin auch schon eine Kindergeneration eingerechnet war. Diese komfortable Zahl war am Ende der Regentschaft Ottos IV. auf nur noch eine Handvoll zusammengeschmolzen. An männlichen Gliedern lebte aus der Ottonischen Linie nur noch Johann V., der Sohn Hermanns II. des Langen, Enkel Ottos V. des Langen. Im jüngeren Zweig der Johanneischen Linie gab es Heinrich II., den man das Kind nannte, sowie dessen Vater Heinrich I., der den Beinamen ohne Land trug. Er war der Halbbruder des gerade verstorbenen Markgrafen Otto IV mit dem Pfeil. Schließlich noch Waldemar I., aus dem ältesten Zweig der Johanneischen Linie. 1309 übernahm er federführend in der gesamten Mark die Regierungsgeschäfte, an denen er noch zu Lebzeiten des alten Markgrafen Otto für den Johanneischen Teil, seit spätestens April 1303 beteiligt war. Für den minderjährigen Johann, dessen Vater Hermann II. Februar 1308 auf einem Feldzug in Mecklenburg erkrankte und noch relativ jung verstarb, wurde er zum Vormund, wir kommen darauf zurück.

Der erwähnte Waldemar wurde als jüngster Sohn Konrads I. wahrscheinlich im Frühjahr 1291 geboren. Weiter unten werden wir näher auf diese Annahme eingehen, sie ist von Bedeutung, denn bisher galt Konstanze von Polen als seine Mutter, was wir glauben mit gutem Grund bezweifeln zu dürfen. In erster Ehe war Konrad tatsächlich mit jener Konstanze verheiratet. Sie war erstgeborenes Kind Herzog Przemysłs I., aus der großpolnischen Linie der Piasten. Von dieser Ehe stammen verbindlich die Söhne Johann und Otto ab. Die 1260 vollzogene Heirat war dem Wesen der Zeit folgend, von den Eltern vereinbart und sollte den brandenburgischen Besitz der weit nach Nordosten reichenden, noch immer expandierenden Neumark gegen das mächtige polnische Herzogtum dynastisch absichern. Das Land jenseits der Oder war nach väterlicher Disposition als zukünftiges Refugium Konrads vorgesehen. Es ging 1266 auch tatsächlich auf ihn über. Weitere Gebiete der Neumark waren im Teilungsvertrag von 1266 der Ottonischen Linie zugefallen, so an Albrecht III. Trotz Verschwägerung mit dem großpolnischen Hof, blieben in der Folgezeit blutige Zusammenstöße mit dem einzigen Sohn und späteren Nachfolger des alten Herzogs nicht aus. Przemysł II., der neue Herzog, war als Bruder von Konstanze, der Schwager Markgrad Konrads. Der gleiche Herzog war später ebenso mit der Ottonischen Linie verschwägert, indem er 1291 in dritter Ehe Margarete, eine Tochter Markgraf Albrechts III. heiratete, welcher wie schon erwähnt, ebenfalls in der Neumark Ländereien hielt. Przemysł II. wurde im Herbst 1257 geboren und war rund 12 Jahre jünger, als seine Schwester Konstanze. Er kam erst 1279 in Großpolen an die Regierung, wo zuvor, seit dem 1257 erfolgten Tod des Vaters, Bolesław VI. der Fromme, ein jünger Bruder des verstorbenen Przemysł I., die Regentschaft derweil ausübte.

Wir kehren zunächst wieder ins Schlussjahrzehnt des 13. Jahrhunderts zurück, beleuchten die Herrschaftsverhältnisse an der Spitze des Reichs nochmals näher, sowie die letzten rund 10 Regierungsjahre Markgraf Ottos IV., die im letzten Kapitel nur stark verkürzt wurden. Die Übergänge bei der brandenburgischen Regierung, besonders was die Johanneische Linie betraf, waren fließend und nicht relativ hart, wie beim Tod Johanns I. und Ottos III. oder deren Vorgängern.


Situation im Reich – Thronwechsel

Albrecht von Habsburg war 1298 zum neuen römisch-deutschen König gewählt worden. Adolf von Nassau wurde zuvor in einer bisher einmaligen Weise von den Kurfürsten seines Königtums enthoben. Wie wir sahen, hatte ihn seine Politik im thüringischen Raum in Widerstreit zu gleich drei weltlichen Kurfürsten gebracht, die sich in ihren eigenen Territorialinteressen übergangen fühlten. Zu ihnen gesellte sich mit dem Mainzer Erzbischof noch der vielleicht mächtigste unter den geistlichen Wahlfürsten hinzu, auch wenn zu dieser Zeit die Rivalität zwischen den Metropoliten aus Mainz und Köln noch nicht endgültig entschieden war.

Albrecht von Habsburg

Am 23. Juni 1298 proklamierten die Kurfürsten Albrecht zu ihrem neuen König. Jenen Sohn Rudolfs I., den sie sechs Jahre zuvor die Wahl verweigerten und sich stattdessen für Adolf von Nassau entschieden. Seiner Erhebung ging zunächst kein förmlicher Wahlvorgang voraus. Man einigte sich auf Albrecht und ernannte ihn in aller Schlichtheit, ohne die üblichen Formalitäten. Ein Bruch aller überlieferten Traditionen. Die  Absetzung eines an Geist und Körper gesunden Reichsoberhaupt, war ein weiteres Novum in der Reichsgeschichte. Auch wenn unter den beteiligten Fürsten bei der Abwahl Adolfs mehrheitlicher Konsens herrschte, nur der Wittelsbacher Pfalzgraf bei Rhein war dagegen, hatte der abgesetzte König noch immer Anhänger und Mittel im Reich. Adolf von Nassau sammelte seine ihm loyal gebliebenen Anhänger und rüstete sich zum Kampf gegen den habsburgischen Usurpator. Er stand bereits mit einem Heer im Feld gegen Albrecht, der kurz vor den umstürzlerischen Ereignissen die Waffen gegen den schwankenden König erhoben hatte. Aus einem geplanten Prozess gegen den Habsburger Aufrührer und Friedensstörer, wurde letztlich Absetzungskonvent. Die Kurfürsten, obwohl Auslöser des aufziehenden Konflikts, blieben neutral und ließen der Sache ihren Lauf. Es mag ein bezeichnendes Licht auf die zunehmend autonom agierenden Wahlfürsten und ihren wachsenden Anspruch auf Teilhabe an der Regentschaft des Reichs werfen. Während sie im Zuge anstehender Wahlen ihre Stimmen gegen allerlei Zugeständnisse hergaben, und damit die eigene Machtstellung fortlaufend ausbauten, insbesondere was die vier weltlichen Fürsten betraf, verhielten sie sich bei inneren Auseinandersetzungen zurückhaltend, zumal bei Thronstreitigkeiten. Ausnahmen gab es immer dann, wenn persönliche Interessen eine Intervention rechtfertigten. Durch die Neutralität der Kurfürsten war die Gefahr eines lang anhaltenden, innerdeutschen Krieges, der zu reichsweiten Flächenbrandes ausarten konnte, zumindest gemindert. Die Konflikte blieben in der Mehrzahl lokal und meistens zeitlich begrenzt. Der Autonomieanspruch der Kurfürsten bildete ein Gegengewicht zum regierenden Herrscherhaus an der Spitze des Reichs, wodurch sich ein Instrument der Machtbalance herausbildete, das einer wirksamen königlichen Zentralgewalt entgegenwirkte. Wir werden auf die besonderen Privilegien der Kurfürsten, zu denen als wichtigstes Recht, jenes zur Königswahl gehörte, im nächsten Buch ausführlicher eingehen. An dieser Stelle würde es zu weit in die Zukunft vorgreifen.

Adolf von Nassau

Adolf suchte zum Erhalt seiner Krone die Entscheidung auf dem Schlachtfeld. Auf einen langen Krieg konnte er sich nicht einlassen.  Im direkten Vergleich war der Nassauer dem Habsburger auf Dauer weit unterlegen. Albrecht verfügte über die weit größeren Machtmittel. Noch konnte Adolf als gerade erst entmachteter Monarch auf eine Reihe  Verbündeter zurückgreifen und das mobilisierte Heer in einem schnellen Feldzug gegen den rebellischen Thronräuber führen. Schnelles und erfolgreiches Handeln war in seiner Situation unerlässlich. Je länger wirksame Gegenmaßnahmen aufgeschoben wurden, umso deutlicher hätten sich die  Kräfteverschiebungen zu seinen Ungunsten bemerkbar gemacht. Ein schneller und erfolgreicher Schlag gegen die süddeutschen Besitzungen Albrechts war dazu geeignet, das Übergewicht der habsburgischen Hausmacht zu relativieren. Sollte er in der Schlacht erfolgreich gegen den Usurpator bleiben, köme es in der Wahrnehmung der Zeit einem Gottesurteil gleich. Unter diesen veränderten Voraussetzungen hätte sich unter den Kurfürsten das Kräfteverhältnis gegebenenfalls wieder zu seinen Gunsten umverteilt. Der Kurfürst und Pfalzgraf zu Rhein stand ohnehin an seiner Seite. Ein erstaunlicher Umstand,  immerhin war es jener Pfalzgraf, der vor der Wahl Adolfs zum König, im Mai 1292, als Schwager Albrechts zu dessen engsten Anhängern gehörte, und der Wahl Adolfs nur unter dem Druck der anderen Fürsten nachgab.

Wie sah es am Vorabend des Thronkriegs mit den anderen Kurfürsten aus, behielten sie tatsächlich eine neutrale Haltung bei? Ja, nur der Pfalzgraf stand wie mit seinen Kontingenten im Heer Adolfs, sonst überließen die anderen den Ausgang des Waffengangs ganz den streitenden Kontrahenten. Der brandenburgische Kurfürst Otto IV. war ohnehin viel zu sehr in den Erbfolgekrieg um das Herzogtum Pommerellen verwickelt, als dass er eine aktive Rolle spielen wollte oder konnte und es tat sich ein weiterer Kriegsschauplatz auf, doch dazu später mehr. Seit Generationen war er wieder der erste brandenburgische Regent, der den Reichsangelegenheiten vermehrt seine Aufmerksamkeit schenkte. Der Herzog von Sachsen-Wittenberg, askanischer Verwandter Ottos, verhielt sich ganz so, wie es der böhmische König Wenzel II. vorgab, dem er sich vertraglich verpflichtet hatte. Wenzel konzentrierte sich zu der Zeit weiestgehend auf den Osten, auf Polen, wo er um das Herzogtum Kleinpolen stritt. Die Vorgänge im Reich beachtete er nicht unbedingt aus der Distanz, so doch aber nicht mit voller Aufmerksamkeit. Wenn sich der Habsburger Rivale mit dem alten König schlug, konnte ihm das im Grunde nur recht sein. Für Adolf hing also alles von einem durchschlagenden Erfolg seiner Waffen ab. Als Sieger über Albrecht konnte er wenigstens hoffen den böhmischen König wieder für sich gewinnen. Bei einer erfolgreichen Restauration seines Throns, war es immerhin denkbar, sogar wahrscheinlich, dass er dem habsburgischen Rebellen die Reichslehen in Österreich und der Steiermark entzog, zumindest formell und sie stattdessen Wenzel in Aussicht stellte, der sich diese dann freilich erst gegen Albrecht militärisch erstreiten müsste, wodurch Adolf zwei Fliegen mit einer Klappe schlüge. Ob der böhmische König sich abermals ködern lies, war höchst unsicher, immerhin waren die erwähnten Lehen bereits einmal Teil seines Wahlversprechens anlässlich der eigenen Königswahl vor sechs Jahren. Würde er anderseits den mächtigsten der Kurfürsten und Kopf der Kurfürstenopposition für sich gewinnen können, wäre schnell mit einem Stimmungsumschwung zu rechnen. Die österreichischen Lehen wären unter diesen Bedingungen ein akzeptabler Preis. Die Chancen dass Wenzel einwilligte, standen offen gesagt  schlecht, denn Wenzel hatte nicht vergessen, wie wenig das Wort des abgesetzten Königs in der Vergangenheit wert war. Adolf hatte aber keine Optionen, alles hing von einer frühen und entscheidenden Begegnung auf dem Schlachtfeld ab.

Herzog Albrecht war militärisch keineswegs unvorbereitet, wir deuteten es an. Schon vor seiner Proklamation zum König drängte ihn der Erzbischof von Mainz Adolf entgegen zu treten, worauf Albrecht die Waffen gegen den zu dieser Zeit noch amtierenden König erhob. Als Adolf von den Vorgängen rund um seine Absetzung erfuhr, stand er mit seinen Truppen am Oberrhein, wo es zu einzelnen Scharmützeln mit Albrechts Truppen gekommen war, ohne dass diese die Waage auf die eine oder andere Seite zum Ausschlag brachten. Nach einigen Tagen des Taktierens, Albrecht operierte sehr vorsichtig und ging zunächst einer Schlacht aus dem Weg, trafen sich beide Heere bei Göllheim, rund 20 Kilometer südlich von Alzey, das er zuvor erfolglos belagerte.

In den Morgenstunden des 2. Juli 1298 begann die unvermeidliche Schlacht, die sich über Stunden, bis in den frühen Nachmittag äußerst blutig hinzog. In drei Wellen, sogenannten Treffen, prallten die Schlachtreihen nacheinander zusammen, ohne eine absehbare Entscheidung herbeizuführen. Albrecht hatte auf einem Hügel, dem Hasenbühl, eine vorteilhafte Stellung eingenommen, den die Adolfs Kräfte, verstärkt mit Kontingenten aus Franken, der Rheinpfalz, Bayern und dem Elsass mit größter Erbitterung berannten. In der dritten Welle griff Adolf persönlich in das Geschehen ein. Ungestüm in die dichten Reihen preschend, wurde er im Nahkampf vom Pferd gestoßen und von einer Gruppe Angreifer getötet. Sein Tod leitete die Niederlage ein. Teile seines Heeres begannen sich abzusetzen und aufzulösen, während andere Teile, in Unkenntnis der Lage, zunächst mit aller Zähigkeit weiterkämpften. Der Ausgang der Schlacht, allem voran der Tod Adolfs, wurde allgemeinhin als das erwähnte Gottesurteil betrachtet. In dieser Hinsicht behielt der gefallene König recht. Die Partei des alten Königs brach im Reich unmittelbar zusammen, Albrecht war jetzt unangefochten.

Am 27. Juli 1298 fand seine offizielle Wahl in Frankfurt statt, gefolgt von der feierlichen Krönung in Aachen am 24. August 1298. Erst die Beachtung der überlieferten Formalismen, der heiligen Riten, machten Albrecht zum König. Davor war er trotz aller politischen Rückendeckung der Kurfürsten, nur ein Thronusurpator. Trotz einvernehmlicher Wahl, blieben die rheinischen Kurfürsten dem Habsburger gegenüber reserviert, telweise gegnerisch eingestellt und das Verhältnis zum böhmischen König verfinsterte sich ebenfalls bald wieder. Der Gegensatz von Přemysliden und Habsburgern blieb dauerhaft gesehen unüberwindlich. Auslöser war Albrechts erster Reichstag am 11. November 1298, der traditionell in Nürnberg abgehalten wurde. Seit Kaiser Friedrich II. sah das Reich keinen prächtigeren, keinen besser besuchten Hoftag. Alle sieben Kurfürsten waren versammelt, darunter Markgraf Otto IV. von Brandenburg, und auch Hermann, der Sohn seines Vetters Ottos V., dem langjährigen Rivalen aus der Ottonischen Linie. Daneben waren mehr als 70 weitere hohe weltliche wie geistliche Reichsfürsten zugegen, 300 Grafen und Herren sowie rund 5.000 Vertreter des niederen Adels. Ein allgemeiner Landfriede wurde beschworen. Daneben war die Krönung seiner Frau Elisabeth am 16. November einer der festlichen Höhepunkte. Am Folgetag fand ein großes Königsmahl nach alter Sitte statt, anlässlich dessen die Kurfürsten ihre Hochämter auszuüben hatten. Nacheinander ritten mit großem Zeremoniell der Markgraf von Brandenburg, der Pfalzgraf bei Rhein und der Herzog von Sachsen ein, um ihre Erzämter zu verrichten. Allein, es blieb der böhmische König als der vornehmste unter den weltlichen Amtsinhabern aus. Er schickte stattdessen vier Abgeordnete den Dienst zu verrichten. Eine Missachtung der Majestät des neuen Königs, der gekrönt an der Tafel saß. Albrecht ließ ungehalten nach ihm schicken, worauf ein Bote die Nachricht überbrachte, der König sei in der Nacht erkrankt und unpässlich, er wolle ihm stattdessen seinen Sohn schicken. Albrecht drohte mit Entzug seiner Reichslehen, sollte er nicht unverzüglich persönlich erscheinen und ihm, dem Haupt des Reichs, den symbolischen Dienst an der Tafel leisten. Nun kam der König Böhmes in all seiner Pracht, die Krone Böhmens auf dem Haupt und in Begleitung einer großen Zahl seiner Vasallen. Der ganze bisherige Akt des Ausbleibens einerseits, und der Härte Albrechts, in dem er auf Erscheinen Wenzels bestand, war eine Machtprobe. Erschreckende Parallelen zu den Vorkommnissen der Väter, als Ottokar II. von Böhmen schon einmal die Macht eines römisch-deutschen Königs auf die Probe stellte. Rudolf von Habsburg demütigte ihn damals vor den Großen des Reichs. Sollte es auch in dieser Generation ein weiteres Mal zu einem Dürnkrut kommen?

Wenzel II. fügte sich und verrichtete nach der überlieferten Weise den Dienst des Erzschenks. Markgraf Otto reichte ihm dazu als Erzkämmerer einen goldenen Pokal, den der König von Böhmen mit Wein gefüllt dem römisch-deutschen König in zeremonieller Weise reichte. Das Verhältnis beider Fürsten war seit Nürnberg, wenn nicht zerrüttet, so doch erheblich gereizt und der Gegensatz beider Häuser ging in eine neue Runde.


Krieg in Mecklenburg, Pommern und Pommerellen

Der Kampf um das verwaiste Herzogtum Pommerellen mit dem Herzogtum Großpolen lief schon seit dem Jahr 1295. Der gewaltsame Tod Przemysłs II. Februar  1296 und das entstandene Machtvakuum, stiftn in Großpolen einige Zeit Chaos, den die Markgrafen Otto IV., Konrad I. und Albrecht III. zu ihren Gunsten ausnutzen konnten um verheerend in Posen und Pommerellen einzufallen und wichtige Grenzburgen einzunehmen. Przemysłs Nachfolger Bolesław II., genannt der Kühne, gleichzeitiger Herzog von Kujawien, führte den Konflikt fort, war aber gleichzeitig im Krieg mit König Wenzel II. von Böhmen um das Herzogtum Kleinpolen. Es ging um die Krone Polens. Um gegenüber den Brandenburgern eine Entlastung zu erreichen, gewann er durch geschickte Diplomatie Herzog Bogislaw IV. von Pommern-Wolgast, Halbbruder des jungen Herzog Otto I. von Pommern-Stettin, mit dem Brandenburg immer wieder in Grenzkonflikten verwickelt war. Bogislaw war ebenfalls am Erbfolgekrieg um Pommerellen beteiligt und wollte ein Stück des Kuchens für sich erhaschen. Er schwenkte jetzt ganz auf die Linie Polens ein, von wo er Zusagen bezüglich etwaiger Eroberungen in Hinterpommern erhielt. Er fiel 1298 sengend und raubend in die angrenzende Neumark und die Uckermark ein. Es war sie Zeit wo Otto IV. stark in die Reichsangelegenheiten verwickelt war. Wir erinnern uns, im Juni wurde König Adolf von Nassau in Mainz abgesetzt und stattdessen Albrecht von Habsburg zum Nachfolger ernannt. Fast das ganze Jahr war Markgraf Otto IV. eingebunden. Polen sowie Pommern-Wolgast wüteten derweil fast ungebremst. Vor allem die neumärkischen Landschaften Arnswalde und Bernstein waren davon betroffen, sie kurz davor durch Kauf von der Ottonischen Line zum Johanneischen Zweig übergegangen waren. Viele Bewohner des Landes wurden weggeführt und teilweise bis nach Zentralpolen verschleppt, wo sie als  Leibeigene auf den Landgütern des Adels gehalten wurden. Zum Winter hin ebbten die Übergriffe ab und es kehrte eine trügerische Ruhe in diesen Kriegsschauplatz ein. Doch schon tat sich in Mecklenburg ein neuer Konflikt auf.

Das alte Mecklenburg war wie die Gegenden der späteren Mark Brandenburg,  seit dem Frühmittelalter slawisch besiedelt. Rund vier Jahrzehnte nachdem in Brandenburg die Kolonisierung einsetzte, begannen auch in diesen Gegenden mit dem Beginn des 13. Jahrhunderts deutsche Siedler einzuwandern. Sie kamen aus den gleichen Gegenden, aus denen auch die Markgrafen von Brandenburg ihre Siedler rekrutierten, aus Holland, Friesland, West- und Ostfalen, dem heutigen Niedersachsen, aus Flandern und teilweise auch aus dem benachbarten Holstein, das seinerseits noch Kolonialland war. Mecklenburg war seit dem Tod Heinrich Borwins II. im Jahre 1226 in vier unabhängige Herrschaften geteilt.  Heinrich Borwin II. war ein Urenkel des berühmten heidnischen Abodritenfürsten Niklot, über den wir in Kapitel II. berichteten. In der sogenannten Mecklenburgischen Hauptlandesteilung entstanden neben der Teilherrschaft Mecklenburg, die Herrschaften Werle, Parchim und Rostock, die  von je einem der Söhne Borwins regiert wurden. In Rostock herrschte seit 1284 Nikolaus, der den Beinamen das Kind trug, da er in unmündigem Alter das Fürstentum erbte. Auf Betreiben seines Vaters Waldemar, wanderten aus der Herrschaft Mecklenburg mehrere Adelsfamilien ein, die seither zunehmenden Einfluss am Hof bekamen, darunter zuvorderst die Familie Moltke. Nikolaus stand stark unter dem Einfluss dieser Familie, die nach und nach verschiedene strategische Hofämter besetzte und wo Johann Moltke die Regierung während seiner Unmündigkeit führte und selbst darüber hinaus. Unter dem alteingesessenen Adel regte sich wegen der Dominanz fremder Adelshäuser der Unwille, so dass sich eine starke Opposition bildete. Zwei Parteien entstanden, jene um Johann Moltke, die andere um das Geschlecht derer von Schnakenburg. Nikolaus nicht Herr im eigenen Haus, lavierend und getrieben, stand zwischen den Stühlen, versuchte zu vermitteln und war doch Spielball der konkurrierenden Fraktionen. Beide Seiten suchten Verbündete außerhalb des Landes, die Schnakenburgs bei den Brandenburgen der Ottonischen Linie, die Moltkes in Dänemark, bei König Erich VI. Menved. Die Schnakenburgs machten einen Vorstoß, indem sie den noch unvermählten, jetzt schon Ende 30-Jährigen, mit dem Brandenburger Haus verbinden wollten. Dort tat sich eine Gelegenheit auf,  indem sie ihm Margarete vorstellten, die kinderlose askanische Witwe des im Februar 1296 verstorbenen, kurzzeitigen polnischen Königs Przemysł II., die tatsächlich sein Interesse weckte, denn 1298 erfolgte wohl die Verlobung. Ein schriftliches Zeugnis liegt nicht vor, doch nennt ihn Markgraf Albrecht III. in einer noch erhaltenen Urkunde vom 15. Mai 1298, ausgestellt in zu Soldin in der Neumark, seinen Schwiegersohn. Zur Auffrischung der Erinnerung, Margarete war eine Tochter Markgraf Albrechts III. aus der Ottonischen Linie Brandenburgs. Bereits Albrechts erste Tochter Beatrix war seit 1292 mit Heinrich II. verheiratet, dem Herrn zu Mecklenburg. Die sich jetzt anbahnende Doppelverbindung ins Mecklenburgische passte in das seit Generationen existierenden brandenburgische Bestreben nach einem Zugang zur Ostsee. Ein Wermutstropfen blieb, der augenscheinlich charakterlich unfeste Nikolaus war bereits mit der Tochter des Grafen Günther von Lindow-Ruppin verlobt, die er nun ohne Nennung von Gründen sitzen ließ. Die Herrschaft Ruppin hatte der zu einer Nebenlinie der Arnsteiner Grafen gehörende Günther von Markgraf Johann II. als brandenburgisches Lehen erhalten. Weil es mit Verlobungen noch nicht genug war, verband er sich bald auf Vermittlung Wizlaws III., des Fürsten von Rügen, mit der Tochter Herzog Bogislaws IV. von Pommern-Wolgast, dem Verbündeten Polens und Feind Brandenburgs. Bogislaw selbst war mit einer Schwester des Herren von Rügen verheiratet. Diese dritte Verlobte ehelichte Nikolaus dann tatsächlich. Brandenburg, hier beide Linien gleichermaßen, nahmen die erlittene Kränkung zum willkommenen Anlass, dem wortbrüchigen Nikolaus zu Leibe zu rücken. Behalten wir im Sinn, die Markgrafen suchten mit allen Mitteln den Zugang zur Ostsee, ein Feldzug gegen den ehrlosen Herren von Rostock schien ein probates Mittel diesem Ziel näher zu kommen, zumal sich mit Heinrich II. von Mecklenburg, der Schwiegersohn Markgraf Albrechts III., ebenso anschloss, wie das Haus Werle. Nikolaus von Rostock war gegen die noch im Herbst 1299 einfallenden Scharen seiner Gegner völlig unvorbereitet. Vom Schwiegervater aus Pommern kam keine wirksame Unterstützung. Man staunt über sein mangelndes Feingefühl und fehlende politische Weitsicht. Kurz vor Einbruch der Frostperiode, der Winter kam in jenem Jahr früh über das Land, ersuchte die Stadt Rostock ohne Abstimmung mit ihrem Landesherren um Frieden. Unter Verhandlungsleitung Alverichs von Schnakenburg und Cord Rensow, wurde ein Separatfrieden vereinbart, wofür die Stadt 5.000 Mark Silber Entschädigung leisten musste. Und auch das umliegende Land konnte sich mit fünf Mark pro bebauter Hufe freikaufen. Lange nicht befriedigt, gingen die Angreifer weiter nach Silz, hart an der Grenze zur brandenburgischen Prignitz, wo das ganze Land bis zur Höhe Gnoien verwüstet wurde. Der Winter brach nun mit starker Kälte herein, ganz im Sinne der Markgrafen, denn sie hatten auch mit dem Herrn zu Rügen, mit Wizlaw III., der das brandenburgische Eheprojekt erfolgreich hintertrieb, eine Rechnung zu begleichen. Über die sonst unwegsamen, mittlerweile gefrorenen Sumpflandschaften im nördlichen Mecklenburg, kamen die Reitertrupps mit Leichtigkeit voran. Die gesicherten, wenigen guten Wege im Rügener Vorland, das keineswegs nur auf die Insel Rügen selbst beschränkt war, wurden umgangen und der Rügener Festlandsteil nach Belieben heimgesucht. Die Zeche zahlten wieder die kleinen Leute. Es wurde mitgenommen, was wegzuschaffen war, alles andere niedergebrannt. Wer dem entgehen wollte, musste Brandschatzung zahlen. Wer bezahlte, wurde verschont. Den Plündertrupps war das lieb, es sparte Zeit, umso schneller konnten sie weiterziehen und andernorts ihr Werk fortsetzen, auch liefen sie weniger Gefahr von gegnerischen Einheiten gestellt und beim plündern niedergemacht zu werden. Im Gegensatz zu Nikolaus von Rostock, stellte Wizlaw von Rügen eine Truppe unter dem Kommando Bogislaws von Dewitz auf. Sie konnte den zahlenmäßig weit überlegenen Brandenburgern zwar nicht gefährlich werden, waren den einzel operierenden Trupps doch aber immerhin so lästig, das man genötigt war Bogislaw zu stellen. Die hoffnungslos unterlegenen Rügener verkauften ihre Haut teuer, doch es nützte am Ende nichts, sie wurden alle niedergemacht. Auf die Insel Rügen selber wagten sich die Brandenburger nicht, sie hätten hierzu auch nicht die Mittel, das heißt den notwendigen Schiffsraum besessen und sowieso keinen Hafen. Im Konzert der zu Bestrafenden fehlte der Herzog aus Pommern-Wolgast. Nicht genug, dass dieser sich im Erbstreit um Pommerellen auf die Seite Polens geschlagen hatte, seine Tochter war wie wir sahen, nach der Einmischung Wizlaws III. von Rügen nun mit Fürst Nikolaus von Rostock verheiratet. Das ereignisreiche Jahr 1298 war noch während des Feldzugs gegen Rügen zu Ende gegangen. Für den Moment befriedigt, ging man zur Waffenruhe über, die Vasallen wurden nach Hause entlassen, das Kriegsvolk aufgelöst. 1299 wurde gegen das noch ausstehende Pommern-Wolgast gerüstet. Was bei Licht betrachtet den größten Ausschlag zum Feldzug gab, ob es die gekränkten brandenburgischen Heiratsabsichten waren, die Fortführung der seit Generationen andauernden Frage nach der Brandenburger Lehnsoberhoheit, oder doch die Parteinahme Herzog Bogislaws IV. für den polnischen König Władysław I. Ellenlang, dem vormaligen Herzog von Kujawien und Nachfolger des getöteten Przemysl II. in Großpolen, um das Herzogtum Pommerellen, sei dahingestellt. Gründe gab es aus Sicht Brandenburgs genug. Bogislaw stellte sich den Angreifern mit seinen Truppen entgegen, es kam zur offenen Feldschlacht, bei der der Herzog verwundet in brandenburgische Hände fiel und erst gegen Zahlung eines hohen Lösegelds wieder auf freien Fuß kam. Die Niederlage warf Pommern-Wolgast im Erbstreit um das östlich angrenzende Herzogtum für den Moment aus dem Rennen. Brandenburg konnte aus der Konfliktserie, an deren Anfang ein nichterfülltes Rostocker Eheversprechen stand, glänzend Profit schlagen und seine Kassen füllen. Wahrscheinlich wurde der sukzessive Ankauf der Niederlausitz aus den  Erlösen des bisherigen Krieges bestritten worden.

Am 24. November 1299 wurde mit der Herrschaft Rostock Frieden geschlossen. Die Bürger der Stadt Rostock lehnten sich jedoch gegen die harten Bedingungen, zu denen jene oben genannten Zahlungen gehörten, die nun fällig wurden, gegen den Rat der Stadt auf und nahmen die Bürgermeister fest. Fürst Nikolaus, er wird in älteren Chroniken auch Niclot genannt, gab dem Drängen des aufgebrachten Pöbels nach und Widerrief die beurkundeten Zusagen gegenüber Brandenburg. Da er den Zorn der Markgrafen fürchten musste, warf er sich Dänemark in die Arme, gab sein Land König Erik VI. und nahm es von ihm als Lehen wieder entgegen. Der wort- und vertragsbrüchige Herr von Rostock bewies abermals einen beklagenswerten Mangel an Weitsicht, denn Erik von Dänemark verfolgte  eigenen Ziele. Er landete an der Spitze eines Heeres in Warnemünde, das er umgehend befestigen ließ. Östlich von Rostock, das dem König den Zugang erfolgreich verweigerte und seine Tore verschlossen hielt, gründete er einen neuen Ort. Erik begann sofort, zum Verdruss der Bewohner des Landes, die den Unterhalt seiner Truppen zu bestreiten hatten, hoheitliche Rechte auszuüben. Nikolaus war durch eigene Schuld zur Marionette heruntergekommen. Die Anwesenheit der Dänen auf dem Festland, war ein Alarmsignal für die gesamte mecklenburgische Region. Es formte sich eine antidänische Koalition aus dem Herzog von Pommern-Stettin, den brandenburgischen Markgrafen, des Weiteren aus Heinrich II. von Mecklenburg, den Herren zu Werle, dem Bischof und den Grafen von Schwerin, sowie dem Herzog von Sachsen-Lauenburg. Aus der Gegend von Gnoien wurden die Feindseligkeiten der Allianz begonnen. Ziel war die dänische Besatzungsmacht an einer weiteren Entfaltung und Annexion des Landes zu hindern. Den halbherzigen Versuchen war kein Erfolg beschieden, die Übermacht der erlesen ausgesuchten dänischen Kriegsleute war zu groß. Dänen und Koalitionstruppen plünderten in der Folgezeit das Land gleichermaßen aus, unwillig die jeweilige Gegenseite ernsthaft militärisch anzugehen. Der Krieg, der keiner war, dümpelte auf diese Weise dahin. Ende des Jahres 1300 kehrte König Erik VI. unter Zurücklassung starker Garnisonen nach Dänemark zurück, um von dort eine passende Gelegenheit abzuwarten, die Stadt Rostock doch noch zu unterwerfen. Die gegen Erik VI. von Dänemark gerichtete Allianz löste sich nach seiner Abreise auf, doch war der Konflikt deswegen nicht beigelegt.

Verlassen wir vorerst diese Episode aus der langen Reihe brandenburgischer Fehden und Kriege während der Regentschaft Markgraf Ottos IV. und seiner Brüder und Neffen. Dabei wurden im zurückliegenden Abschnitt nicht einmal alle erwähnt.


Otto IV., Konrad I. & Heinrich I.

Kehren wir in die Mark zurück. Schon nach dem Tod des ältesten Bruders Johann II., war Konrads Status als mitregierender Landesfürst weiter gestiegen. Auch davor fristete er kein Schattendasein, wie wir in den zurückliegenden beiden Kapiteln gelesen haben. Bruder Otto IV. war als ältester noch lebender Erbe ihres Vaters in Brandenburg mittlerweile als eine Art Seniorregent tätig. Die dominante Rolle nahm noch zu, seit in der Ottonischen Linie Vetter Otto V., sein langjähriger Rivale, ebenfalls dahingeschieden war. Sein verändertes Rollenverständnis tat dem Verhältnis zu Konrad keinen Abbruch, beide standen sich politisch und, so schien es, auch sonst sehr nahe. Sie unterhielten eine gemeinsame Hofhaltung, so dass Konrads Kinder zum Onkel, dem geübten Turnierkämpfer, Haudegen zahlreicher Schlachten und bekannten Minnesänger, von kleinauf engen Kontakt hatten. Gemeinsame Hofhaltung bedeutete freilich nicht, dass die Markgrafen samt ihren Familien fest und dauerhaft an einem Ort verbrachten. Noch war es üblich und notwendig, innerhalb des eigenen Herrschaftsgebiets von Burg zu Burg und Stadt zu Stadt zu reisen, dort eine Weile zu verbringen um die Angelegenheiten der Region zu regeln, um dann weiterzuziehen. Die Frauen und Kinder waren dabei nicht ständig mit den Männern unterwegs, selbst nicht in Friedenszeiten. Sofern sich der Hof länger an einem Ort aufhielt, kamen sie von ihrem bisherigen Aufenthaltsort nach, besonders zu den großen Feiertagen. Die Frauen hielten sich gewöhnlich in den größeren Burgen des Landes auf, welche über mehr Komfort verfügten, wenn man in diesem Zusammenhang überhaupt davon sprechen darf, denn das Leben auf einer derartigen Anlage war selten genug besonders angenehm. Für den Burghauptmann oder Vogt und seine Familie, sofern diese mit auf der Burg wohnte, bedeutete der Besuch des markgräflichen Hofs, dass er seine Gemächer, die besten auf der Burg, zu räumen hatte, um sie den erlauchten Herrschaften für die Zeit ihrer Anwesenheit zu überlassen. Ein rollender Umzug der ganzen Burgbesatzung war die Folge. Ließen es die Witterungsbedingungen zu, lebte der Hof unter dem Schutz einer Wehranlage lieber in Zelten, als in den beengten Räumlichkeiten einer Festungsanlage. Zur mitunter zahlreichen Begleitung des fürstlichen Hofs gehörten neben einer unterschiedlich großen militärischen Begleitung, vor allem die engsten Hofbeamten, Truchsess, Schenk, Kämmerer, Kanzler, der Hofnotar sowie mehrere Schreiber, sofern sie nicht aus der näheren Umgebung herangezogen wurden, der Koch und seine Gehilfen und sonstige Funktionäre und Bedienstete. Man wird es sich vorstellen können, schnell wurde es eng und unglücklich war man selten, wenn der Landesherr weiterzog. Für die Versorgung hatte der Vogt zu sorgen, dem ansonsten die Einkünfte des ihm anvertrauten Gebiets anteilig zukam. In einzelnen Städten hatten die brandenburgischen Markgrafen eigene Besitzungen, oft schlicht Markgrafenhöfe genannt. Sie dienten auf den Reisen als Domizil in den Städten und waren beliebter als Burgaufenthalte. Existierte kein eigener Besitz in einer Stadt, wurde der Landesherr in den besten Bürgerhäusern einquartiert und sein Gefolge auf die Stadt verteilt. Die Versorgung des Hofs mit allem Notwendigen übernahm zunächst die Stadt, doch bezahlte der Landesherr die Ausgaben bevor er abreiste, was oft genug, wegen klammer Kassen, die Weiterreise mitunter erheblich verzögerte. In dieser und anderer Hinsicht war das Reiseleben eines Landesfürsten nicht anders, als das des königlichen oder kaiserlichen Hofs. Wenngleich bestimmte Städte und Burgen in der Mark bevorzugt und immer wieder von den jeweiligen Landesfürsten beider Hauptzweige besucht wurden, und sich hier eine gewisse Gewohnheit einstellte, bildete sich trotzdem kein ausgesprochener Verwaltungsschwerpunkt heraus. Stendal, Tangermünde, Salzwedel, Spandau, Frankfurt an der Oder, Prenzlau, natürlich Brandenburg an der Havel oder Berlin und andere Städte, waren zu dieser Zeit gleichauf. Gemessen an den Residenzen anderer Reichsfürsten, nahmen sie sich für gewöhnlich klein aus, von vielen Reichsstädten, darunter Nürnberg oder Lübeck, ganz zu schweigen. Die schiere Ausdehnung der Mark, die relativ kurze Existenz vieler Landesteile, je weiter nach Osten, je jünger, förderte keine Entstehung einer zentralen Metropole und die Markgrafen legten, genötigt von der Natur der Landesteilung, und den notwendigen Reiseaufwendungen drauf kein Augenmerk. Am Hof lebte auch noch Halbbruder Heinrich, aus der jüngeren Johanneischen Linie stammend. Sein Vater Johann I. war in zweiter Ehe mit Jutta von Sachsen verheiratet, der Mutter Heinrichs. Wir hörten bislang wenig über ihn, sein Refugium lag ursprünglich im Havelland. Er heiratete 1303 erst sehr spät und wollte jetzt, nachdem sich der erste Nachwuchs ankündigte, eine eigene Hofhaltung. Seine Gattin Agnes kam aus Wittelsbacher Hause und war eine Tochter Ludwig II. des Strengen, dem Herzog von Bayern und Pfalzgrafen bei Rhein. Möglicherweise kamen Impulse zur Separierung des bisherigen Hofs von Agnes, wahrscheinlich waren aber fünf regierende Markgrafen, die Brüder Otto IV. und Konrad I., sowie dessen Söhne Johann V. und Waldemar I., dem Frieden einfach abträglich, zumal ganz profane Platznöte eine wichtige Rolle gespielt haben dürften. Es kam zur Neuverteilung der Johanneischen Besitzungen. Per Los fiel Heinrich die Mark Landsberg samt der Pfalzgrafschaft Sachsen zu. Heinrichs Beiname „ohne Land“ war spätestens jetzt unangemessen, und selbst davor unerklärlich, denn seine Halbbrüder hielten ihm keinen Anteil am väterlichen Erbe vor. Seither sehen wir ihn in Urkunden als einen Markgrafen von Landsberg siegeln und auch die Schriftstücke der königlichen Kanzlei bezeichnete ihn fortan als solchen.


Konrads Söhne

Sobald Konrads Söhne ins mündige Alter kamen, was nach sächsischem Recht mit 12 Jahren erfolgte, sahen wir auch sie auf Urkunden unterzeichnen und damit als Regenten mitwirken, wenn auch unter strenger Regie des Vaters und mehr noch, des Onkels. Wir konzentrieren uns im Anschluss auf Waldemar, den jüngsten der drei Söhne Konrads. Waldemars erste nachweisliche Handlung als mitregierender Markgraf fand am 23. April 1303 zu Liebenwalde statt. Gemeinsam mit seinem Onkel Otto IV., sowie Konrad seinem Vater und Johann, seinem älteren Bruder, war er bei der feierlichen Stadtgründung von Arnskrone beteiligt. Später war die Stadt als Deutsch Krone (polnisch: Wałcz) bekannt. Die Landschaft im nordöstlichen Grenzgebiet der Neumark war Ende des 13. Jahrhunderts im Rahmen des noch nicht entschiedenen Erbfolgestreits vom Herzogtum Großpolen an die Johanneische Linie gefallen. Teile der Landschaft gehörten seit 1249 dem Templerorden. Die Stadtgründung mit der die Ritter Ulrich von Schöning und Rudolf von Liebenthal beauftragt wurden, diente der Erschließung und Hebung der Gegend und der militärischen Absicherung gegen Polen, wozu das nahegelegene Schloss Doberiz den Kern bildete. Die zukünftige Stadt wurde großzügig mit 208 Hufen Land, rund 3.500 Hektar, zwei Mühlenstellen, sowie zwei Seen bedacht und auf 16 Jahre von allen Abgaben an die landesherrliche Regierung befreit.

Die Urkunde ist für uns von großem Interesse, denn wir glauben daraus das voraussichtliche Geburtsjahr des jungen Markgrafen herleiten zu können. Die vorgenannte Urkunde wurde unter großer Anteilnahme des neumärkischen Lehnsadel ausgestellt. Zahlreiche Ritter werden darin namentlich als Zeugen aufgeführt, weitere Anwesende nicht näher namentlich erwähnt. Der erstaunliche Umfang der Urkunde und Zahl der Zeugen und Teilnehmer gibt Anlass zur Annahme, dass der Akt gleichsam als offizielle Festivität anlässlich der Mündigwerdung des jungen Markgrafen Waldemar diente. Trifft dies zu, ist Waldemar mit einigermaßen großer Wahrscheinlichkeit in den ersten Monaten des Jahres 1291 geboren worden. Wäre dem so, kann Markgräfin Konstanze nicht die Mutter Waldemars gewesen sein, denn Sie starb im Oktober 1281 und ist im Kloster Chorin beigesetzt worden. Folglich müsste Waldemars Vater ein weiteres Mal geheiratet haben, andernfalls es Waldemar und eine jüngere Schwester Namens Agnes, nicht gegeben hätte. Wer war aber diese Ehefrau und Mutter? Es liegen keine Zeugnisse vor, die uns darüber Aufschluss geben könnten. Vielleicht gibt die Wahl von Waldemars Namen einen wichtigen Hinweis. Waldemar war keiner der traditionellen Namen die bei den brandenburgischen Askaniern Verwendung fanden, wo ein halbes Dutzend Johanns, noch mehr Ottos, drei Albrechts etc., die Spitzenreiter waren. Mit Erich, der jüngere Bruder von Waldemars Vater, kam erstmals ein Name aus der mütterlichen dänischen Linie in die Namensreihe der märkischen Markgrafensöhne. Neben Erich (dänisch Erik), war Waldemar ein traditioneller Name der dänischen Könige. Führt man sich darüber Hinaus Waldemars enges späteres Verhältnis zum dänischen König Erik VI. vor Augen, über das wir noch berichten werden, drängt es sich geradezu auf, dass Konrad in zweiter Ehe mit einer dänischen Prinzessin verheiratet war. Der Historiker Karl Friedrich von Klöden (1786 – 1856) führt in seinem ersten Band über Markgraf Waldemar Hinweise älterer Chronisten an, die eine väterliche Verbindung mit Dänemark erwähnten, geht aber nicht näher darauf ein. In dem von ihm im Jahre 1846 herausgegebenen Werk fehlt nach eigener Aussage die genaue Kenntnis des Sterbedatum Konstanzes. Er datierte es grob vor das Jahr 1298, um seiner eigenen Schlussfolgerung Rechnung zu tragen, die sich in dieser Hinsicht mit unserer deckt, dass Waldemar im Jahre seiner ersten urkundlichen Tätigkeit 12 Jahre war. Klöden bleibt bei der Annahme, dass Konstanze die Mutter Waldemars wäre, folglich auch der Agnes, berücksichtigt aber nicht, dass die um 1245 geborene Konstanze fast unmöglich im Jahre 1291 ein weiteres Kind gebären konnte. Auch wenn die heutige Medizin Geburten bei Müttern in fortgeschrittenem Alter ermöglichen, konnte man es im Mittelalter so gut wie ausschließen. Dass sie bei der Geburt von Agnes sogar noch älter gewesen wäre, nur noch am Rande erwähnt. Wer Waldemars tatsächliche Mutter war, wissen wir nicht, glauben aber wie schon geäußert, dass sie eine dänische Prinzessin war. Schon Waldemars Großmutter, die Mutter seines Vaters, war Sophie von Dänemark, die erste Frau Markgraf Johanns I. Der dänische König Erik V. war umgekehrt mit der Tante Waldemars verheiratet, seines Vaters Halbschwester Agnes. Heiratsverbindungen mit dem mächtigen Dänemark hatten bei den brandenburgischen Askaniern seit Johann I. eine gewisse Tradition. Eine weitaus längere Heiratstradition bestand daneben mit Polen.

Markgraf Waldemar I. der Große

Waldemars Halbbruder Johann, in der Reihe der brandenburgischen Johanns der vierte mit diesem Namen, war nach seinem Großvater Markgraf Johann I. benannt. Bleiben wir bei unserer Annahme und Waldemar wurde im Frühjahr 1291 geboren, dann war der um das Jahr 1261 geborene Johann IV. gut 30 Jahre älter und zum Zeitpunkt der beschriebenen Städtegründung Arnskrones somit etwa 42 Jahre alt. Wir wissen nicht ob er im Ehestand war, und selbst wenn, blieb er kinderlos. Er überlebte den 1304 verstorbenen Vater nur um ein Jahr. Ob Johann bislang als zukünftiger Erbe Ottos IV., des Onkels, gehandelt wurde, geht nicht aus den überlieferten Zeugnissen hervor. Bruder Otto, von den späteren Chronisten als der sechste diesen Namens geführt, erschien bis 1297 auf Urkunden, trat dann aber wie schon erwähnt in den Orden der Templer ein und verfolgte fortan ein Leben als Kleriker. Dass er diesen Weg des geistlichen Lebens wählte, statt Prälat in einem Kirchenstift zu werden, schien rationalen Gründen zu folgen. Die Templer waren in Ostbrandenburg, besonders in der Neumark mit einer Reihe von Besitzungen vertreten. Der Eintritt in den Orden konnte für das beiderseitige Verhältnis nur förderlich sein. Wir wissen nicht welchen Rang er dort einnahm. Der Berliner Stadtteil Tempelhof und geht auf eine frühe Komturei der Templer zurück, die dort schon um das Jahr 1200 eine Wehranlage inmitten der Spreeslawen errichteten, lange bevor das Gebiet von den Askaniern unterworfen wurde. Otto war wahrscheinlich hauptsächlich über der Oder in Zielenzig (polnisch Sulęcin) untergebracht. 1308 trat er nach einem Jahrzehnt aus dem Orden aus, um sich wieder einem weltlichen Leben zu widmen. Er heiratete noch im gleichen Jahr, starb aber bald darauf, so dass er in der kurzen Zeit die ihm blieb, als Mitregent keine erwähnenswerte Rolle spielte.


Brandenburgisches Interdikt

Im zurückliegenden Kapitel wurden in aller Kürze die Auseinandersetzungen der Markgrafen Otto IV. und Konrad I. mit den Bistümern Havelberg und Brandenburg angesprochen. Wesentlich ging es neben der wichtigen Frage hinsichtlich der Reichsunmittelbarkeit genannter Kirchensprengel, um Fragen finanzieller Natur, so um prinzipielle Vogteirechte der Markgrafen in den Bistümern. Während sich der König und das Reich in dieser Angelegenheit neutral verhielt, standen das Erzbistum Magdeburg, die Kurie und später das Erzbistum Bremen auf der Seite der Bischöfe. Im Bistum Brandenburg ging der Streit über zwei Bischofsgenerationen, von den sich vor allem der erste, Bischof Volrad von Krempa, als der energischste Widersacher erwies und kirchenseitig die Eskalationsspirale vorantrieb. Der aus Ostholstein stammende Volrad begleitet vor seiner Wahl und Approbation zum Brandenburger Bischof im August 1296, verschiedene Stellungen als Domherr und schließlich Probst in Lübeck und Schwerin. Er kam somit nicht aus der Mark und damit keinesfalls aus dem Dunstkreis der brandenburgischen Markgrafen, die immer bestrebt waren in den jeweiligen Domkapiteln ihre Parteigänger zu platzieren, vorzugsweise aus dem Umfeld der eigenen Familie oder treuer Vasallen. Im günstigsten Fall gelang es sogar das Amt des jeweiligen Bischofs zu stellen. Bischof Volrad von Brandenburg stand also nicht in Beziehung zu den märkischen Landesherren und betrieb von Anfang an eine Politik die auf mehr, auf totale Autonomie abzielte, wodurch er mit den Interessen der Markgrafen, hier besonders den johannischen Zweig betreffend, zwangsläufig kollidierte. Otto IV. und Bruder Konrad gingen jede Konfrontation mit, und griffen schnell zu Gewaltmaßnahmen, indem sie in die Besitzungen Havelbergs und Brandenburgs einfielen und wüteten. Die Ottonische Linie, übrig war nur noch Markgraf Herrmann, Sohn Ottos V., beteiligte sich nicht an den Gewaltakten und stand mit den Kirchenfürsten in gutem Einvernehmen. Bischof Vollrad konnte wegen des Konflikts praktisch nicht auf sein Kirchengut zurückgreifen und lebte überwiegend in Magdeburg, beim Erzbischof. Mit weltlichen, das heißt militärischen Mitteln war den Markgrafen nicht beizukommen, es blieb aber die schärfste kirchliche Waffe, die Exkommunikation. Der Ausschluss aus der römischen Kirche und der Gemeinschaft der Christenheit. Dass die beiden Markgrafen ein derartiger Schritt keine Seelennot bereiten würde, ahnte man wohl. Das Kirchendruckmittel gegen unliebsame Fürsten und Rivalen, hatte viel an Schärfe verloren, es war in den zurückliegenden 200 Jahren einfach zu häufig angewandt worden, als das es noch vermochte jene Schrecken zu erzeugen, als ehedem. Das Interdikt gegen die Landschaften Ottos und Konrads sollte die einfache und abergläubige Bevölkerung zermürben. Das nahmen die Markgrafen nicht auf die leichte Schulter. Sie übten Druck auf die Klöster und Mönchsorden in ihrem Machtbereich aus, scheuten nicht offen zu drohen, erwiesen sich gleichzeitig durch Zuwendungen aber auch großzügig. Das Interdikt zeigte nicht die schnelle und gewünschte Wirkung, worauf sich die Kurie in Rom einmischte, ebenso der Erzbistum Magdeburg und für die Gebiete in der Altmark, die in den Bereich des Erzbistums Bremen fielen, auch der dortige Metropolit. Den Geistlichen der gebannten brandenburgischen Landesteilen wurde ihrerseits mit Kirchenausschluss gedroht, würden sie fortfahren, trotz Interdikt, Messen zu lesen und die Sakramente zu spenden. Langsam zeigte der aufgebaute Druck jetzt Wirkung, tatsächlich nahmen die Kirchenhandlungen ab, trotz einer neuerlichen Drohwelle der Markgrafen. Der Tod Markgraf Konrads, des jüngeren Bruders Ottos und Vater Johanns IV. und Waldemars, im Jahre 1304, brachte wieder Bewegung in die verfahrene Situation, denn wir sehen Otto IV. und seine Neffen Johann und Waldemar am 15. September 1304 zu Brandenburg an der Havel zum Zusammentreffen mit den Bischöfen. Es kam in den strittigsten Punkten zu einer Einigung, während die  Lösung noch offener Punkte vertagt wurde. Durch Vermittlung Markgraf Hermanns aus der Ottonischen Linie, der ebenfalls zugegen war, kam das Treffen überhaupt erst zustande, dessen gute Kontakte zum Bistum Brandenburg hierbei wertvolle Dienste leisteten. Eine endgültige vertragliche Lösung fand am 3. Januar 1305 bei Löwenberg statt. Es kam zum Vergleich, zuerst mit dem Bischof von Havelberg, wo fünfzehn Einzelpositionen beschlossen wurden, dann mit dem von Brandenburg, wo es derer zehn waren. Brandenburg, das heißt der Johanneische Teil, leistete für die vorgenommenen Verwüstungen einen Schadenersatz von insgesamt 1.600 Mark Silber, zu zahlen in zwei Raten. Davon erhielt Brandenburg 1.000 Mark und Havelberg 600 Mark.

Da uns keine genaueren Daten vorliegen, können wir nur annehmen, dass um diese Zeit der Kirchenbann von den Markgrafen genommen wurde. Erstaunlicherweise hielten sie es nicht für notwendig, dies im Vertrag festzulegen. Andererseits hätten es sich die beiden Kirchenfürsten wohl kaum  erlaubt dahingehend säumig zu sein, wollten sie den gerade erreichten Frieden nicht aufs Spiel setzen, zumal eine neuerliche Kirchenacht schnell ausgesprochen war. Damit verbundenen war selbstverständlich auch die Aufhebung des Interdikts. Markgraf Waldemar, der jetzt im Teenageralter war, hatte sich den weitaus größten Teil seines bisherigen Lebens in der Kirchenacht befunden, man darf annehmen, dass er der römischen Kirche und ihren hohen Vertretern ebenso kritisch gegenüberstand, wie Onkel und auch Vater, der in der Acht gestorben war. Die Markgrafen machten daraus kaum ein Aufheben, woraus man die schon weit fortgeschrittene Abnutzung der Exkommunikation als kirchliches Druckmittel gegen die Fürsten ersehen kann.

Als die erste Rate, die erste Hälfte der Schadenersatzsumme zu Walburgis, das heißt zum 30. April fällig wurde, konnte man eben noch das Geld zusammenkratzen. Wie immer waren den landesherrlichen Kassen klamm. Zu Michaelis, dem 29. September, stand die zweite Hälfte an und man suchte schon jetzt nach Wegen das Geld beizubringen, wozu wie immer in solchen Fällen, die Städte ihren Beitrag leisten sollten. Die Bede war in der Vergangenheit das gängige Mittel in Fällen besonderer Verlegenheit, Geld von den Städten und Ständen zu erbitten. Wir hatten über die sich dahingehend veränderten Praktiken geschrieben. Die Städte wollten sich vor den unvorhersehbaren, aus ihrer Sicht natürlich zu häufigen Beden befreien, weswegen viele der größeren Städte mit den Landesherren eine feste, jährlich zu leistende Abgabe vereinbarten, die sogenannte Or- oder Urbede. Im Falle Stendals, der damals wirtschaftlich stärksten Stadt in der Altmark, waren es beispielsweise 100 Mark Silber im Jahr. Die Markgrafen traten auch jetzt wieder an die Ratsherren von Stendal mit der Bitte um finanzielle Unterstützung heran, woraus wir erkennen, dass trotz Urbede, in einzelnen Fällen die Landesfürsten eine Bede auf klassische Weise erbaten. Den Stadtherren schien die aktuelle Notlage der geeignete Zeitpunkt, ein für alle Mal eine vertragliche Regelung zu treffen, wonach sie neben der festen Summe im Jahr, zu leisten in zwei Raten, verbindlich keine weiteren Beden aufbringen mussten. Hierfür waren sie bereit als eine Art Handel in der Höhe von 700 Mark dieses Recht von den Markgrafen zu kaufen. Am 24. Juni 1305 kam man im altmärkischen Ort Uchtdorf, heute ein Stadtteil von Tangerhütte südlich von Stendal, zur Ratifizierung des Vertrags zusammen. Neben der Befreiung von weiteren Zahlungen auf alle Zeit, außer der erwähnten Urbede, mussten die Bürger der Stadt fortan keinen Heerdienst mehr außerhalb der Mark leisten. Aus dem letzten Punkt dürfen wir mit gewisser Wahrscheinlichkeit ableiten, dass die Städte durch die vielen Kriegszüge Ottos IV. arg belastet waren. Die Art und Weise wie sich Neffe Johann, der älteste Sohn des im Vorjahr verstorbenen Konrads, und neuerdings auch Waldemar, an der Regierung beteiligten, gab berechtigten Grund zur Annahme, dass die aggressive Politik von bisher, auch in Zukunft unverändert bliebe, wogen man sich so gut es eben ging absichern wollte.

Eine gleiche Regelung fand Ende August 1305 in Werbellin zugunsten der Stadt Prenzlau statt, die sich ebenfalls mit 700 Mark von allen weiteren Beden, außer der Urbede, loskauften. Die Jahreszahlungen erfolgten auch hier in zwei Raten zu Walburgis und Michaelis. Das Abkommen der Urbede wurde mit den Markgrafen Otto IV. und Konrad bereits 1282 mit der Stadt Prenzlau geschlossen. Es bestand damit auch mit dieser Stadt schon davor einen Vereinbarung hinsichtlich des Verzichts der Markgraden auf weitere Abgaben in Form von Kriegssteuern, Schatzungen etc., und doch hielt es auch Prenzlau für notwendig, in einem feierlich und vor vielen Zeugen geschlossenen Kaufvertrag den Sachverhalt eindeutig und verbindlich, auf alle Zeiten zu regeln. Die große Zahl der anwesenden Zeugen und Bürgen des Abkommens, lassen die Mutmaßung aufkommen, dass die gelebte Praxis seitens der Markgrafen, nämlich auf weitere Abgaben neben der Urbede zu verzichten, bisher eine andere war. Das Verfahren eine feste, für beide Seiten kalkulierbare Jahresabgabe, zu zahlen auf einmal oder in zwei Raten, war indes keine Sache, die nur in den Städten der Johanneischen Lande umgesetzt wurde. Beispielsweise stellte Markgraf Hermann, Alleinherrscher der Ottonischen Linie, schon am 19. Juni 1305 zu Arneburg, die Stadt Perleberg in der Prignitz betreffend, eine Urkunde mit gleichlautendem Inhalt aus, wie sie unter anderem Stendal und Prenzlau erhielten. Es scheint sich damals als gängiges Verfahren etabliert zu haben, und wir müssen wohl annehmen, dass die Markgrafen sich hier dem allgemeinen Druck der Zeit beugen mussten. Sehr wahrscheinlich spielte die wachsende städtische Vernetzung hierbei eine wesentliche Rolle, nicht zuletzt die Hanse, zu der alle drei beispielhaft genannten Städte gehörten.

Anlässlich des mit Prenzlau geschlossenen Abkommens, zu dessen Ratifizierung sich der ganze Rat der Stadt neben zahlreichen Zeugen und sonstigem Publikum in Werbellin einfanden, war seitens der Markgrafen nur Otto IV. und sein jugendlicher Neffe Waldemar anwesend, nicht aber Waldemars deutlich älterer Halbbruder Johann. Dieser schien zum Zeitpunkt des Prenzlauer Vertrags entweder schon tot, oder er lag damals im Sterben. Er war verbindlich zwischen dem 24. Juni, dem Tag des geschilderten Stendaler Vertrags, bei dem er letztmalig auf einer Urkunde erscheint, und dem 25. September 1305 verstorben. Am letztgenannten Datum urkundete Markgraf Waldemar zu Arnswalde und beschenkte die Zisterzienser Mönche des Klosters Marienwalde zugunsten des Seelenheils seines verstorbenen Bruders. Die Herrschaft in den Johanneischen Landschaften ruhte damit nur noch auf zwei Schultern. Auf dreien, wollen wir Markgraf Heinrich nicht vergessen, der aber wie schon geschildert, zu Lebzeiten seines Halbbruders Otto völlig in dessen Schatten stand und kaum aktiv war, am wenigsten anlässlich der vielfältigen Kriege in Mecklenburg, Pommern, Pommerellen und Polen.


Ein Jahr großer Umbrüche

Das Jahr 1308 brachte sowohl für die Mark Brandenburg, wie auch das Reich große Umbrüche. Wir wollen mit der Mark beginnen, bevor die Angelegenheiten an der Spitze des Reichs beleuchtet werden.
Durch altersgemäßes aber auch vorzeitiges wegsterben, war in beiden brandenburgischen Linien die einst große Zahl Markgrafen, die alle mehr oder weniger als Mitregenten wirkten, auf nur noch wenige Köpfe zurückgegangen. Die Ottonische Linie bestand nur noch aus Markgraf Hermann und dessen unmündigem Sohn Johann. In der Johanneischen Linie lebte noch der kinderlose alte Patriarch und Seniorregent Otto IV., dessen deutlich jüngerer Halbbruder Heinrich, sein erst in diesem Jahr geborener, gleichnamiger Sohn und designierte Nachfolger, sowie Ottos Neffe Waldemar, der als Erbe vorgesehen war. Genau genommen lebte zu Beginn des Jahres 1308 auch noch Waldemars älterer Halbbruder Otto. Jener zweite Sohn Konrads I., der um das Jahr 1197 zu den Templern ging, dort nach etwa 10 Jahren wieder ausschied, heiratete und noch im gleichen Jahr verschied.

Ende Januar oder gleich zu Anfang Februar starb Markgraf Hermann auf einem Feldzug gegen die Herren von Werle, im Mecklenburgischen. Er stand gemeinschaftlich an der Seite Ottos IV. und Waldemar, denen sich noch Herzog Otto von Lüneburg und Graf Nikolaus von Schwerin-Wittenburg anschloss. Am 26. Oktober 1307 brachen die Brandenburger vereint an der Spitze eines imposanten Heers von 4.000 gepanzerten Reitern und viel Fußvolk auf. Es war einer der vielen Konflikte mit den verschiedenen Linien des Hauses Mecklenburg, denen man brandenburgischerseits abwechselnd verbündet oder verfeindet gegenüber stand. Der Tod Hermanns im Heerlager von Lübz, traf ihn in den besten Jahren und kam völlig überraschend. Ein Fieber hatte ihn ereilt und nach wenigen Tagen aus dem Leben gerissen. Markgraf Hermann war mit der Tochter des römisch-deutschen Königs Albrecht verheiratet, mit der er neben einem Sohn, den damals fünfjährigen Johann, zwei ältere Töchter, Agnes und Mechthild, sowie Anna hinterließ, das jüngste der Kinder.
Der kleine Johann war zwar unbestritten zukünftiger Erbe des väterlichen Besitzes, zu denen die gewaltigen Ottonischen Ländereien, inklusive der thüringisch-fränkischen Gebiete rund um die Landpflege Coburg gehörten, welche der Mutter als Witwensitz verschrieben war, doch konnte er als Minderjähriger die Regentschaft darüber nach gängigem Gesetz nicht auszuüben. Das überlieferte Recht sah im ältesten männlichen Verwandten aus der Linie des Vaters den berechtigten Vormund des Knaben und entsprechend den einstweiligen Verwalter des Landes. Dies war zweifelsfrei Markgraf Otto IV., der hierin die unverhoffte Gelegenheit erblickte, alle brandenburgischen Landesteile unter seiner Gesamtführung zu vereinen, wenn auch nur so lange, bis der junge Johann das zwölfte Lebensjahr erreichte. Ottos IV. Verhältnis zum Ottonischen Zweig war nicht unbelastet gewesen, wie wir wissen, und wenn uns auch keine Konflikte mit Markgraf Hermann überliefert sind, muss man doch davon ausgehen, dass die Auseinandersetzungen mit Hermanns Vater Otto V. beim Sohn nicht spurlos blieb. Wir sahen beide Regentschaftsvertreter auch nur selten zusammen und wenn, so war es in den wenigen Fällen stets Hermann, der am Johanneischen Hof auftrat, nie umgekehrt. Auch ist keine Begebenheit überliefert, in der beide Zweige im gemeinschaftlich genutzten Werbelliner Jagdrevier gemeinsam gesehen wurden, obwohl dieser weitläufige Forst ein von beiden oft besuchter und genutzter Ort war. Vielleicht erklärt es, warum Markgraf Hermann für den Fall seines Ablebens eine andere Disposition in Bezug auf die Vormundschaft für Sohn und Fürstentum vorsah, als es das traditionelle Gesetz vorsah. Sehr wahrscheinlich wollte er bewusst jeden Einfluss Ottos IV., möglicherweise der ganzen Johanneischen Linie verhindern. Wenn es auch nicht althergebrachter Praxis und Rechtstradition im sächsischen Raum entsprach, gab es seit einiger Zeit wiederholte Beispiele, dass ein Vater für die unmündigen Erben statt des nächsten männlichen Verwandten, nach eigenem Ermessen einen oder mehrere andere Vormünder bestimmte. Besondere Anwendung fand dieses neue Verfahren in fürstlichen Kreisen oder bei deren Vasallen, somit bei allen, wo es um etwas ging und Missbrauch bestmöglich verhütet werden sollte.
Markgraf Hermann ordnete für Sohn Johann und die ihm einst zufallenden Ländereien ein zweigeteiltes Verfahren an. Den seit wenigen Jahren zur Ottonischen Linie gehörenden Teilen der Markgrafschaft Lausitz, stellte er Hermann von Barby, Bernhard von Plötzke und Konrad von Redern voran, drei anerkannte Ritter mit umfangreichen Gütern, die teilweise seit einem Jahrzehnt unausgesetzt am Ottonischen Hof zu finden waren. Sie sollten dort im Sinne seines Sohnes regieren und das Land verwalten, bis Johann ein regierungsfähiges Alter erreichte. Die sonstigen Landesteile, die innerhalb der märkischen Kerngebiete lagen und den größeren Teil ausmachten, erhielten gleich vier Verweser, die sich zusätzlich als Vormünder Johanns auch um das direkte Wohl des heranwachsenden Markgrafen zu kümmern hatten. Heinrich Schenk von Schenkendorf,  Ludwig von Wanzleben, Droisecke von Kröcher sowie Friedrich von Alvensleben.  Allesamt Nachkommen altmärkischer Ministerialfamilien, die im Dienst der brandenburgischen Markgrafen zu Amt und Würden kamen, in den Adelsstand erhoben wurden und zu beachtlichem Güterbesitz gekommen waren.
Otto IV. hielt sich zum Zeitpunkt des Todes Markgraf Hermanns vor Ort in Mecklenburg im Heerlager auf, vermutlich war er Augenzeuge der Erkrankung und des tragischen Verlaufs. Die Quellen schweigen sich hierzu aus, womit wir nur mutmaßen können. Er musste bald nach Tod des Ottonischen Familienoberhaupts Kenntnis erhalten haben, dass nicht er, sondern die aufgezählten Personen Vormundschaft und Regierung übernahmen. Nun war Otto nicht der Mann, der sich eine Gelegenheit, gar einen aus seiner Sicht eindeutigen Rechtsanspruch streitig machen ließ. Die Möglichkeit alle brandenburgischen Gebiete unter eine Hand zu bringen, und sollte es nur für begrenzte Zeit sein, musste seinen Ehrgeiz unweigerlich wecken. Otto pochte darauf, dass Hermanns Anordnung nach sächsischem Recht ungesetzlich wäre, er alleine rechtmäßiger Vormund Johanns und somit Landesverweser sei und eine anderslautende Verfügung in Form eines letzten Willens demgemäß ungültig. Er war klug genug die Sache nicht selbst anzugehen, sondern beauftragte Waldemar, seinen Neffen der in einem besonderen Verhältnis zum Ottonischen Hofe stand, von dem dieser möglicherweise selbst noch nichts wusste.

Wir müssen zur Erklärung etwas ausholen. Nach den inneren Spannungen beider brandenburgischen Linien, die sich maßgeblich zwischen Otto IV. und Otto V. abspielten und in den 1290‘er Jahren gefährliche Züge annahmen, wie das militärische Zusammentreffen bei Ziesar bewies, fürchte man in beiden Zweigen gleichermaßen, dass es zu einem Bruch und einer harten Teilung der Mark kommen könnte, was den ausdrücklichen Wünschen ihrer Väter eindeutig widersprochen hätte. Mit dem Tod Ottos V. entspannte sich die Situation etwas, so dass nach Wegen gesucht wurde, die Zweige wieder näher aneinander zu führen. Das allzeit beliebte, wenn auch nicht immer bewährte Mittel, war eine diplomatische Heirat. Otto IV. war kinderlos aber Bruder Konrad hatte bekanntlich drei Söhne, wovon der mit Abstand jüngste, nämlich Waldemar, für eine Verbindung in Frage käme, denn Markgraf Hermann, des verstorbenen Ottos V. Sohn, hatte seinerseits drei Töchter wovon die erstgeborene Agnes, sie war etwa sechs Jahre jünger als Waldemar, in Frage kam. In aller Heimlichkeit wurde zwischen Markgraf Konrad I. aus den Johanneischen – und Markgraf Hermann aus dem Ottonischen Zweig, eine zukünftige Heirat vereinbart. Die betroffenen Kinder, vom Alter waren sie es zu diesem Zeitpunkt noch buchstäblich, wurden darüber nicht in Kenntnis gesetzt, es ist sogar nicht auszuschließen, dass selbst Markgraf Otto IV.  zunächst nicht eingeweiht wurde. Waldemar traf bei Markgräfin Witwe Anna ein, nahm vermutlich an der Beisetzung ihres verstorbenen Gatten teil und schien ihr Wohlwollen zu haben, wobei die vorerwähnte Rolle Waldemars als ihr Schwiegersohn in spe keine unerhebliche Rolle gespielt haben dürfte. Sie ließ sich von ihm überzeugen, so dass ihm der kleine Johann tatsächlich in seine Obhut übergeben wurde. Das Ziel alle brandenburgischen Gebiete unter eine Hand zu vereinen, klammern wir Markgraf Heinrich aus, der in der Mark Landsberg herrschte,  war scheinbar erreicht. So lange Johann unmündig war, konnte Waldemar, vielmehr Otto IV., der über allem stand, zumindest theoretisch auch über die Ottonischen Herrschaftsgebiete verfügen. Dass hierbei gerade zu Beginn mit sorgsamen Fingerspitzengefühl vorzugehen wäre, benötigt kaum der Erklärung und doch wurden hier gleich kapitale Fehler begangen. Befeuert von den vier noch vom Vater bestellten Vormündern, regte sich fast augenblicklich der Widerstand gegen das Johanneische Regiment. Willkommener Auslöser war eine höchst unvorteilhafte Vereinbarung Waldemars hinsichtlich einer Beteiligung Johanns an den Kosten seiner nun gewachsenen Hofhaltung, wonach dieser die Hälfte der Kosten zu tragen hatte. Diser Hof Waldemars, demgemäß der Hof des Onkels Otto, war bekannt für seinen kostspieligen Prunk. Die Minnesänger der Zeit gaben sich dort die Hand, was Ausdruck der Popularität, gleichzeitig Ausdruck der finanziellen Aufwände war. Dass die Bedürfnisse des jungen Mündels selbstverständlich erhöhte Kosten verursachten, dass diese aus dem Vermögen des kindlichen Markgrafen getragen wurden, stand nicht zu Debatte, gleichwohl war die Regelung, wonach er die Hälfte tragen musste, ungehörig und musste als Gier aufgenommen werden. Es weckte in den Ottonischen Landen die ärgsten Befürchtungen und in kürzester Zeit kursierten die wildesten Gerüchte, wonach das Leben des Kindes in Gefahr sei, denn mit dem erlöschen auch seinen Lebens, würde alles an Otto IV. und da er kinderlos, an Waldemar fallen. Die vom verstorbenen Markgrafen Hermann bestimmten Vormünder drangen auf die Mutter ein, sie solle ihre Entscheidung rückgängig machen, was die bedauernswerte, augenscheinlich nicht willensstarke Witwe rasch tat. Da Verhandlungen mit Waldemar nichts brachten, er in dieser Hinsicht ohnehin nur ausführendes Organ des Onkels war, auch wenn wir annehmen dürfen, dass er sich schon jetzt darauf verstand, den eigenen Vorteil zu berücksichtigen, entschloss man sich zu dem ebenso kühnen Plan, den kindlichen Markgrafen zu entführen. Es sollte nochmal betont werden, bei den vier oben genannten altmärkischen Rittern, handelte es sich ausnahmslos um geachtete und ehrenwerte Männer. Ihre geplante und schließlich ausgeführte Tat sollte dem Wohl des zukünftigen Landesherren der Ottonischen Lande dienen. Wie es ihnen im Einzelnen glückte, ist nicht überliefert, wir wissen nur, dass der Junge auf die starke Festung Spandau gebracht wurde, wo bekanntlich eine der Ottonischen Hauptresidenzen lag. Waldemar reiste ein weiteres Mal zu Markgräfin Anna, der verwitweten Mutter Johanns. Die arme Frau, offenbar gänzlich eingeschüchtert, bestritt jede Teilhabe, selbst Mitwisserschaft, womit sie die vier Ritter ans Messer lieferte, denn damit waren deren Handlungen illegal geworden. Waldemar ließ keine Zeit verstreichen. Er handelte damit klug, denn es galt der oppositionellen Strömung schnell und in aller Entschlossenheit entgegenzutreten, bevor diese sich ernstlich formieren konnte. Mit einem schnell zusammengezogenen Aufgebot marschierte er vor die Festung, überwältigte die starke Besatzung und bemächtigte sich abermals des Kindes. Sicherlich wollte er sich keinesfalls vor seinem Onkel eine Blöße geben, der bekanntermaßen zur Durchsetzung seiner Forderungen und Ziele, wieder und wieder auf militärische Druckmittel setzte. Den Knaben in der Hand, war jedoch nichts wirklich erreicht den Städte und Adel verweigerten die Huldigung und so war ein Machtvakuum entstanden, dass die Ottonischen Städte zum Handeln zwangen. In der Mark des frühen 14. Jahrhunderts waren die Städte, analog zu vielen Städten im Reich, zu den eigentlichen Machtzentren geworden. Wenngleich die Markgrafen formell den Lehnsadel hofierten, waren es doch die Städte, die Triebfeder und Ressourcengeber der Landesherren waren. Den Städten gefiel die Rolle des ausgebeuteten Geldesels naturgemäß nicht, weswegen sie sich dem direkten Zugriff der Landesherren zu entziehen suchten. Während im Reich auf Grundlage dieser Bestrebungen in den zurückliegenden Jahrzehnten Freie Städte und daneben Reichsstädte entstanden, es bestand hierin ein feiner Unterschied, gab es in der Mark nie eine derartige Stadt, die sich erfolgreich dem Zugriff der Markgrafen entwinden konnte. An Ansätzen dazu mangelte es nicht und die Ereignisse des Februar 1308, rund um den kindlichen Markgrafen Johann, bildeten den Auftakt zu einer Reihe Autonomsierungsversuche, an deren Spitze sich die Doppelstadt Berlin-Cölln stellte. Die wohlbegründete Sorge Waldemar und sein in dieser Hinsicht berüchtigte Onkel Otto IV. würden zur Durchsetzung ihrer Huldigungsforderungen auf Waffengewalt zurückgreifen, ließ die miteinander lose vernetzten brandenburgischen Städte, gemeint sind hier zuvorderst jene des zur Zeit unregierten Ottonischen Herrschaftsbereichs, in engere Verbindung treten. Die größten unter ihnen waren alle Teil der Hanse, dem großen, fortlaufend mächtiger werdenden Handelsnetz, an dessen Spitze sich Lübeck deutlich hervorhob. Als handels- und gewerbetreibende Kommunen war man sich untereinander zwar Konkurrent und in dieser Hinsicht nicht immer freundlich gewogen, doch vor der jetzt heraufziehenden Gefahr, man unterstellte in völlig übertriebener Weise den beiden Johanneischen Markgrafen jede nur denkbare Maßregel, schmiedete es die Rivalen zusammen. Den Anfang machte ein Städtebündnis zwischen Berlin-Cölln mit der Neustadt Brandenburg an der Havel, in das schnell Salzwedel aufgenommen wurde. Die größeren Städte diktierten hierin die allgemeine Richtung und Strategie, denen sich die kleinen anschließen mussten, so sie denn wollten. Sollte es überhaupt je Absicht der im Ottonischen Land verrufenen Markgrafen Otto und Waldemar gewesen sein, mit Waffengewalt die Unterwerfung der Städte und des Feudaladels zu erzwingen, war ihnen mit diesem Städtebund die Spitze genommen. Eine befestigte Stadt einzunehmen, war kostspielig, oft langwierig und schlimmstenfalls mit schweren Verlusten verbunden. Mittlerweile war es den wohlhabenderen Städten, und dazu gehörten die märkischen Hansestädte zweifelsfrei, möglich geworden, statt des bisherigen Palisadenrings, eine steinerne Schutzmauer zu errichten, samt Türmen und stark befestigter Tore. Handelte es sich um keine feindliche Stadt, sondern um eine renitente landeseigene Kommune, die es mit Gewalt zu unterwerfen galt, verbot es sich selbstverständlich nach geglückter Eroberung am Besitz seiner Bürger zu befriedigen. Die Aussicht auf Beute, Plünderungen und Brandschatzungen waren stets Hauptmotivator, die die Masse eines Belagerungsheers Strapazen und Gefahren auf sich nehmen ließ. Gab es hierzu nur schwache oder überhaupt keine Chance, blieben die Anstrengungen aller weit hinter dem Notwendigen zurück. Je länger sich eine Belagerung zog, je unwilliger wurde Jedermann, zumal der Kriegsherr die Kosten der Versorgung tragen musste, was bei den notorisch leeren Kassen der meisten Landesherren, manch Belagerung ein vorzeitiges Ende bereitete. Otto IV. schien sich weitestgehend aus der ganzen Angelegenheit zu halten und gab allenfalls aus der Ferne Regieanweisungen, war sich wohl ansonsten völlig darüber im Klaren, dass ihm ein noch wesentlich schärferer Wind entgegen geweht hätte.
All die beschriebenen Ereignisse spielten sich im Februar ab. Der Frühling verstrich ebenso der Sommer und am passiven Widerstand änderte sich nichts. Auf die Adelsvasallen ging Waldemar hinsichtlich einer Huldigung erst gar nicht zu. Ohne die Städte im Rücken, wäre es vergebliche Liebesmühe gewesen. In dem Zusammenhang mag man erstaunt sein, aber viele des Adels standen auf die eine oder andere Weise in einem Vertragsverhältnis zu benachbarten Städten, die in einzelnen Fällen einem regelrechten Lehnsverhältnis gleichkamen. Umgekehrt wurde niemandem, weder Städten noch dem Lehnsadel die Privilegien bestätigt und so lag jede Regierungshandlung in den Ottonischen Landen danieder. Ein Sackgasse für beide Seiten, die dauerhaft zur gegenseitigen Annäherung mahnte.

Die verworrenen Verhältnisse in der Mark wurden im Mai 1308 von einem Ereignis im Schweizer Aargau überschattet, das schlagartig den Blick von den inneren Belangen auf die großen Reichsangelegenheiten lenkte.


Königsmorde 

Albrecht von Habsburg hatte sich seit seiner Erhebung zum römisch-deutschen König Mitte Juni 1298, dem sich die offizielle Wahl Ende Juli und Krönung im August folgte, recht bald die offene Feindschaft der meisten Kurfürsten zugezogen. Angefangen bei den rheinischen Erzbischöfen, mit denen er in fortwährenden Streitigkeiten um die lukrativen Rheinzölle stand. Bis hin zum  König von Böhmen. Wie schon Vater Rudolf mit dem Přemysliden Ottokar II. in blutigem Konflikt stand, hatte auch Sohn Albrecht mit Ottokars Nachkommen Wenzel II. von Böhmen einen mächtigen Dauerrivalen, wenn es auch zweiweise zu Phasen der Verständigung kam. Im Juni 1305 starb der böhmische König im 34. Lebensjahr, nachdem Albrecht zuvor zwei erfolglose, geradezu desaströse Feldzüge nach Böhmen gewagt hatte, an denen Brandenburg in gewohnter Weise mit eigenen Kontingenten dem befreundeten böhmischen Königshaus zu Hilfe eilte. Nun war der böhmische König also verstorben und das vorzeitig, in bestem Mannesalter. Jener Wenzel, der als Mündel Markgraf Ottos V. in Spandau und anderen brandenburgischen Gegenden der Ottonischen Linie, mehrere Jahre seiner Kindheit zubrachte. Er hinterließ Sohn Wenzel III., der gerade mal 16 Jahre alt, den Konflikt mit dem römisch-deutschen König Albrecht beilegte, sich seines jungen Lebens und Wohlstands erfreute, sonst aber kaum mehr Gelegenheit zu weiteren Akzenten hatte, denn schon August 1305 erlag er einem Giftattentat in Olmütz. Die Přemysliden, das alte böhmische Königsgeschlecht, war mit dem jugendlichen Wenzel III. auf tragische Weise im Mannesstamm ausgestorben.

Albrecht nutzte die Gunst der Stunde und vergab das erledigte böhmische Reichslehen an seinen ältesten Sohn Rudolf, der dafür auf das Herzogtum Österreich zugunsten seines jüngeren Bruders Friedrich des Schönen verzichten musste. Für Albrecht, der eine Heerschar Kinder hatte, kam das Aussterben des großen böhmischen Geschlechts wie ein Segen, doch bestand kein Anlass zu langer Freude. In Böhmen waren die Rivalitäten unter den Baronen in altbekannter Weise ausgebrochen und allgemeine Anarchie machte sich wie schon nach dem Tod Ottokars II. breit. Diesmal war Brandenburg nicht in das böhmische Drama verwickelt, schaute aber mit wachsender Besorgnis auf das Treiben des Habsburgers, den man sich zum Ende des vergangenen Jahrhunderts zum König erkor, und dafür zunächst seine Vorgänger Adolf von Nassau in ungehöriger Weise absetzte, welcher bald darauf in der Schlacht bei Göllheim sein Leben lassen musste. Vielerorts traf Albrecht jetzt auf offenen Widerstand, am eindrucksvollsten in den Schweizer Stammlanden, wo sich Eidgenossenschaften gegen die dort eingesetzten Habsburger Vögte bildeten. Spätestens Albrechts Vorgehen in Thüringen brachte auch die askanischen Kurfürsten aus Sachsen und Wittenberg gegen den König auf. Am 31. Mai 1307 erlitt Albrecht in der Schlacht bei Lucka eine vernichtende Niederlage gegen den Wettiner Friedrich dem Gebissenen, Markgraf von Meißen. Albrechts Heer wurde vom Nürnberger Burggrafen Friedrich IV. von Hohenzollern geführt. Die Nürnberger Hohenzollern gehörten schon in zweiter Generation zum engsten Verbündetenkreis der Habsburger. Bereits unter den Staufern dienten  zollernsche Burggrafen als wichtige Reichsbeamte im Gebiet um das bedeutende Nürnberg. Wir werden über die Nürnberger Burggrafen aus diesem Geschlecht noch manches im Zusammenhang mit der Mark Brandenburg hören, doch nicht hier und in diesem Buch. Seit dieser Niederlage war das Prestige des römisch-deutschen Königs im Reich so schwer erschüttert, das ganze Territorien sich offen verweigerten. Das Unglück sollte nicht abreisen. In Böhmen rebellierten zahlreiche Adelsfamilien gegen den eingesetzten König Rudolf, dem ältesten Sohn Albrechts und es kam zum Bürgerkrieg. Um die Zeit Albrechts thüringischem Heerzug, stand auch in Böhmen eine Entscheidung an und es sah fast danach aus, als das Rudolf sich durchsetzen könnte, als er in der Nacht zum 4. Juli im Heerlager von Horažďovice (deutsch Horaschdowitz) an den Folgen eines schweren Magenleidens starb. Die großen Pläne Albrechts brachen in sich zusammen. Es misslang ihm einen weiteren seiner Söhne in Böhmen zu installieren, stattdessen wählten sich die böhmischen Stände mit dem Meinhardinger Heinrich von Kärnten selbst einen König.

In den Schweizer Regionen der Habsburger braute sich ein ernstzunehmender Volksaufstand unter den Bergbauern zusammen. Albrecht suchte jetzt vermehrt den Aufenthalt im südwestdeutschen Raum. Dort ereilte ihn sein Schicksal. Am 1. Mai 1308 kam es nach genau 100 Jahren abermals zu einem Königsmord. Wir erinnern uns, im Jahre 1208 erschlug der Wittelsbacher Pflazgraf Otto mit Philipp von Schwaben schon einmal einen römisch-deutschen König. Albrecht I. wurde von seinem eigenen Neffen, Johann von Schwaben, Sohn seines verstorbenen Bruders, in Gemeinschaft mit drei Verschwörern unweit der Habsburg niedergestreckt. Die Hintergründe die zu dieser Tat führten, waren unbefriedigte Erbansprüche des Neffen.

Nach nur 10 Jahren, in denen das Reich wenig inneren Frieden fand, nach außen aber immerhin leidlich abgesichert war, verlor es schon wieder seinen König. Auch Albrecht vermochte nicht die Kaiserkrone zu erwerben. Er war der sechste König in Folge, zählt man Heinrich Raspe hinzu, sogar der siebte, dem es nicht gelang, wodurch die Achtung des römisch-deutschen Königtums schwer erschüttert wurde.

Wir haben ein düsteres Bild der Regierung Albrechts I. gezeichnet, vielleicht zu düster, denn  er hatte auch Erfolge, die vor allem in der Begrenzung der französischen Ostexpansion bestand. Im Westen saß mit Philipp IV. dem Schönen, ein unruhiger und machthungriger Monarch auf dem Thron Frankreichs. Philipp vermochte in seinen 29 Jahren Regentschaft Frankreichs Einfluss auf bisher ungekannte Höhe heben. Unter seinem Regiment wurde der Sitz des Papstes von Rom zunächst nach Poitiers, dann nach Avignon verlegt, wodurch die dort residierenden Päpste quasi zu einer französischen Marionette wurden. Die Vernichtung des Templerordens, auf die wir noch eingehen, wurde von ihm betrieben, um sich das enorme Vermögen des Ordens zu sichern. Argumente die zur Anklage, Verurteilung und letztendlich brutalen Auflösung führten, waren fingiert und schon zur Zeit der Anklage haltlos. Im Nordwesten trieb Philipp mit der Eroberung Flanderns die französische Ostexpansion mit großer Aggressivität voran. Flandern blieb aber ein ständiger Unruheherd und Stachel in seinem Fleisch. Konflikte mit der englischen Krone um die Lehnsoberhoheit in Aquitanien gehörten ebenfalls zu seiner Herrschaftszeit und markierten einen der Meilensteine, die später zum sogenannten Hundertjährigen Krieg führte. Zuletzt war das Verhältnis zum Reich, das seit dem Ende der Staufer über Jahrzehnte nach außen schwach und nach innen gespalten war, zunehmend belastet. Frankreich weitete in dieser Zeit seine Ostgrenzen bis zur Maas aus. Damit gerieten Landschaften, die teilweise schon seit der ostfränkischen Zeit zum Einflussbereich des späteren römisch-deutschen Reichs gehörten, in den direkten Einflussbereich und Zugriff der Krone Frankreichs. Uralte Gebiete wie die Markgrafschaft Bar, sowie oberlothringische und reichsburgundische Gebiete wurden dem Reichsverband entfremdet. Die Bistümer Verdun und Toul gingen verloren. Das Bestreben Albrechts als römisch-deutscher König bestand in Schadensbegrenzung und darin, weiteres Wegbrechen westlicher Provinzen zu stoppen. In dieser Angelegenheit folgte Albrecht der Politik seines Vaters Rudolf. Eine Heiratsverbindung mit Frankreich erschien hierzu das geeignete Instrument der Expansionslust Philipps ein wenigstens vorläufiges Ende zu setzen. Im Jahre 1300 heiratet Rudolf III. von Habsburg, jener älteste Sohn  Albrechts, der einige Jahre später die Krone Böhmens für kurze Zeit tragen sollte, Blanka von Frankreich (um 1282 – 1305), die Tochter des französischen Königs. Der Grenzverlauf im Westen war für den Moment gesichert und es kehrte zumindest an dieser Stelle  vorläufig Ruhe ein.


Ein neuer König 

Die Ermordung Albrechts wurde im Reich von allen Ständen pflichtgetreu mit Bestürzung aufgenommen, vielfach verflucht und beklagt, doch schaut man genau hin, gab es zahlreiche Gegner, voran die rheinischen Kurfürsten, die insgeheim doch erleichtert. Es darf uns nicht wundern, wenn sie darin eine schicksalslenkende Hand, gar ein Urteil Gottes sahen. Die Mörder traf der Zorn und die Rache der Söhne Albrechts, doch wollen wir darauf nicht eingehen.

Wer sollte Albrecht auf den Thron folgen? Wieder ein Grafenkönig, ein vermeintlich schwacher und beeinflussbarer Kandidat? Die Erfahrungen mit Wilhelm von Holland, Rudolf von Habsburg und Adolf von Nassau hatten gelehrt, dass alle, kaum trugen sie die Krone auf dem Haupt, selbstständige Politik machten und wenig geneigt waren, ihren Parteigängern nach dem Sinn zu regieren. Sie emanzipierten sich, trotz Schwächen in der eigenen Hausmacht, in kürzester Zeit.
Welche in Frage kommenden Kandidaten gab es im Reich überhaupt? Einen Habsburger, hier herrschte Einigkeit, wollte niemand, entsprechend hatte die Kandidatur Friedrichs des Schönen wenig Aussicht auf Erfolg. Die Přemysliden waren im Mannesstamm ausgestorben. Wer weiß ob Wenzel II., würde er noch leben, nicht gute Aussichten gehabt hätte. Die Welfen hatten keinen wirklichen Einfluss mehr im Reich, sie zogen eine Kandidatur überhaupt nicht erst in Betracht. Die Wettiner standen sich zu dieser Zeit durch interne Querelen im Weg. Es blieben die Wittelsbacher, die Askanier und neuerdings vom Erzbischof Triers ins Spiel gebracht, das Haus Luxemburg, zu dem der hohe Kirchenfürst gehörte. Graf Heinrich von Luxemburg trat also in die Schranken, unterstützt von seinem Bruder Balduin, dem Erzbischof von Trier, sowie dem Mainzer Erzbischof. Die Wittelsbacher, seit der ersten bayrischen Landesteilung von 1255 gespalten in eine oberbayrische Linie, die in Personalunion die Pfalzgrafschaft bei Rhein inne hatte, und in eine niederbayrische. Beide Zweige waren wegen allerlei Erbschaftsfragen bisweilen untereinander verfeindet und stellten zusammen alleine insgesamt vier Kandidaten auf, die Herzöge Rudolf, Ludwig, Otto und Stephan. Bei den Askaniern trat Graf Albrecht I. von Anhalt-Köthen an, dieser hatte 1306 Waldemars jüngere Schwester Agnes geheiratet und stand mit der Johanneischen Linie Brandenburgs in engem Einvernehmen. Weiter kandidierte mit Herzog Rudolf I. erstmals ein Vertreter aus dem Hause Sachsen-Wittenberg. Schließlich Markgraf Otto IV. selbst, der mittlerweile greise Senior Brandenburgs. Schlussendlich aus dem Kreis deutscher Bewerber noch Graf Eberhard I. von Württemberg, ein unruhiger Zeitgenosse, der noch von sich reden machte. Bei der großen Zahl Kandidaten, glaubte auch der französische König Philipp der Schöne mitmischen zu müssen, der vom Kölner Erzbischof unterstützt wurde. Tatsächlich brachte Philipp ganz ungewollt Dynamik in die dahinplätschernden Verhandlungen. Vordergründig von Papst Clemens V. unterstützt, hintertrieb der in Avignon residierende Pontifex die Bemühungen Philipps, welchem das päpstliche Doppelspiel nicht verborgen blieb, weshalb er sich anschickte diesen zu belagern und gänzlich unter seine Kontrolle zu bringen. Wie so häufig in der Vergangenheit, wenn ein Papst in der Bredouille war, besann man sich der römisch-deutschen Könige oder Kaiser, rief sie zur Hilfe gegen diesen oder jenen Feind der Kirche und gab sich derweil als mildes und gewogenes Kirchenoberhaupt. Clemens sandte Eilboten nach Deutschland, mit der dringenden Aufforderung zur zügigen Wahl eines Königs, wozu er den Grafen Heinrich von Luxemburg empfehle, den Bruder Erzbischof Balduins von Trier. Im fernen Brandenburg, allgemein im abseits gelegenen sächsischen und ostsächsischen Raum, wusste man wenig über die Inhalte der Geheimgespräche, die am Rhein in dieser Zeit geführt wurden.  Zwischen den askanischen Linien Sachsen-Wittenberg, die das Kurland besaßen und Sachsen-Lauenburg, welche aus der älteren Linie bestand, bestand Streit um das Vorrecht zur Königswahl. Letzterer Zweig übertrug als Winkelzug Brandenburg seine Wahlstimme.
Im Hochsommer wurde die Reichsgeschäfte von noch wichtigeren Ereignissen überschattet. Eine Entscheidung beim Erbstreit um das seit Jahren verwaiste Herzogtum Pommerellen war bislang nicht in Aussicht, doch kam Bewegung in die verfahrene Lage. Waldemar und auch Otto IV. widmeten sich in den folgenden Wochen mit aller Energie diesen für Brandenburg ungemein wichtigen Belangen. Wir stellen den Bericht über diese Episode vorerst zurück und kommen an späterer Stelle wieder darauf zurück. Nach Rückkehr der Markgrafen kam es im Krieg mit der Herrschaft Werle am 6. September 1308 zur Aussöhnung. Die von den Brandenburgern beider Linien gemeinschaftlich errichtete Eldenburg blieb in ihrem Besitz, ein wichtiger fester Punkt im Mecklenburgischen.

Die Septemberwochen verbrachten Otto und Waldemar mit Unterbrechungen auf dem Jagdschloss zu Werbellin, wo sie über die einlaufenden Nachrichten vom Rhein beratschlagten und die eigenen Wahlchancen bzw. Alternativen abwogen. Der alte Markgraf Otto IV. erkannte, dass die entscheidende Phase begonnen hatte und die Zeit zur Präsenz vor Ort gekommen war. Er wollte sich die beschwerliche Reise nicht mehr selbst zumuten und beauftragte stattdessen seinen Neffen Waldemar, der bald mit weitreichenden Vollmachten ausgestattet nach Boppard reiste, wo die finalen Beratungen erwartet wurden. Wie es schien, war den Brandenburgern aber auch den anderen weltlichen Kurfürsten die zwischenzeitliche Favoritenrolle des Luxemburgers völlig verborgen geblieben. In keinem Schreiben erwähnen sie auch nur seinen Namen, weder bezüglich zu unterstützender Kandidaten, noch was die Gegenkandidaten betraf. Die rheinischen Erzbischöfe machten die Wahl fast unter sich aus. Nachdem am 20. September der Kölner Erzbischof endgültig die französische Partei verließ und sich Heinrich von Luxemburg verpflichtete, war eine Vorentscheidung gefallen. Zur Vorbereitung sandten die brandenburgischen Markgrafen zwei bevollmächtigte Prokuratoren,  Graf Berthold von Henneburg und Ritter Konrad von Redern. Am 22. November, zu fortgeschrittener Jahreszeit, begannen die mehrtägigen Wahlberatschlagungen auf dem Königstein zu Rhense. Drei Tage lang stießen die gegensinnigen Interessen mit großer Emotionalität aufeinander. Friedrich von Habsburg, Eberhard von Württemberg und Karl von Valois, des Königs von Frankreich jüngerer Bruder, waren früh aus dem Rennen, gefolgt vom niederbayrischen Kandidaten und Albrecht von Anhalt, Waldemars Schwager. Auch für Brandenburgs Markgraf Otto IV. fand sich bei den Wortgefechten keine Mehrheit. Der 25. November brach an, jetzt schritt man endlich zur Abstimmung. Das Stimmenschwergewicht der Erzbischöfe, eingeleitet von Trier, gefolgt von Mainz, schließlich Köln, wog schwer und als sich schließlich Pfalzgraf Rudolf diesen anschloss, war die Entscheidung gefallen.

Die Kurfürsten schreiten zur Wahl

Dem formalen Akt, folgte der feierliche zu Frankfurt am Main. Dort fanden sich am 27. November, außer Böhmen, alle privilegierten Wahlfürsten oder deren Vertreter ein und wählten Graf Heinrich von Luxemburg mit den Stimmen Triers, Mainz, Kölns, der Pfalzgrafschaft bei Rhein, Sachsen-Wittenbergs und Brandenburgs, einstimmig zum neuen römischen-deutschen König. Pfalzgraf Ludwig verkündete nach erfolgter Wahl Heinrich von Luxemburg offiziell zum gekürten Reichsoberhaupt, worauf die Anwesenden das Te Deum anstimmten. Er war der siebte Heinrich auf dem Thron des Reichs, sofern man jenen Heinrich, den ältesten Sohn Kaiser Friedrichs II. nicht berücksichtigt, der zwar Mitregent aber nie alleiniger Regent gewesen ist. Von diesem Heinrich aus staufischem Hause ist in der Erinnerung wenig mehr geblieben, als sein Wappen, die drei schwarzen Löwen auf goldenem Grund, das heute vom Bundesland Baden-Württemberg als Staatswappen getragen wird. Das neue Haupt des Reichs war nach dieser hartumkämpften Wahl also abermals ein einfacher Graf, doch waren die Vorzeichen diesmal andere. Kein verprellter Rivale stand auf und stellte den frischgewählten König in Frage. Keine Opposition wählte einen Gegenkönig, es herrschte Eintracht.
Am 6. Januar 1309 erfolgte durch die Hand des Kölner Erzbischofs, Heinrich II. von Virneburg, die feierliche Krönung zu Aachen. Die Reichskleinodien befanden sich damals wahrscheinlich noch in den Händen der Habsburger, denn zur Krönung wurde eine silberne Krone verwendet, die man auch die erste Krone nannte. Die wiederholten Erfahrungen mit Thronstreitigkeiten, wodurch die Verfügbarkeit der offiziellen Reichskrone verhindert wurde, nötigte  in der Vergangenheit zu diesem Behelfsmittel.

Markgraf Waldemar, der sich seit Rhense im Westen des Reichs aufhielt, und in Vertretung des Onkels an Wahl und Krönung Heinrichs VII. teilgenommen hatte, reiste fast unmittelbar danach in die Mark zurück, wo dringende Angelegenheiten seine Anwesenheit unverzichtbar machten. Bevor wir darauf eingehen, widmen wir uns noch einer Auseinandersetzung, die überall in Europa Furore machte.


Sturz der Templer und Konflikt des Deutschen Ordens

Der Karpetinger Philipp IV., der Schöne genannt, regierte seit dem 6. Januar 1286 in Frankreich. In den zurückliegenden mehr als 20 Jahren, machte er durch das Land zur Großmacht. Er befand sich in fast permanenter Geldnot. Durch Münzentwertungen kam er in Konflikt mit dem französischen Hochadel und hohen Klerus. Die zusätzliche Besteuerung Letzterer untergrub das traditionell gute Verhältnis zum Papst und führte zu einem tiefen Zerwürfnis, wie man es so hauptsächlich zwischen dem Papsttum und den römisch-deutschen Königen oder Kaisern kannte. Die ständigen Geldverlegenheiten vernalassten zu allerlei ruchlosen Handlungen, so beispielsweise zur Vertreibung der etwa 100.000 französischen Juden, deren Besitz er einziehen ließ. In seine Regierungszeit fiel die Verlegung der päpstlichen Residenz vom römischen Lateran, über Lyon, nach Avignon. Man spricht vom sogenannten babylonischen Exil der Päpste, denn sie standen seither unter dem starken Einfluss der Krone Frankreichs, wenngleich Avignon damals formell ein Teil des Heiligen Römischen Reichs war. Der Verlegung ging ein jahrelanger Streit, unter anderem über dem Kirchenzehnten und dessen Ausführung nach Rom voraus, auf dessen Höhepunkt die Bulle Unam Sanctam Papst Bonifatius VIII. stand. Der Exkommunikation entging er nur durch den Tod des Papstes, der vermutlich an den Spätfolgen einer mehrtägigen Geiselnahme (Attentat von Anagni) am 11. Oktober 1303 verstarb. Nachfolger Benedikt XI. suchte den Ausgleich mit der Krone Frankreichs, litt in Rom aber unter den Anfeindungen zweier mächtiger städtischer Adelshäuser, der Colonna und Orsini, worauf er nach Perugia flüchtete und dort schon im Juli 1304 verstarb. Nach fast einjähriger Sedisvakanz, wurde am 5. Juni 1305 vom Konklave in Perugia der Franzose Bertrand de Got, vormaliger Erzbischof von Bordeaux, als Clemens V. zum Papst gewählt. Clemens war ein Freund Philipps IV. von Frankreich, die Aussöhnung mit der römischen Kirche machte zunächst rasche Fortschritte. Jener Clemens war es dann, der sich statt in Perugia, Rom war weiterhin für den Papst wegen der erwähnten Widerstände aus den dortigen Adelskreisen schwierig, 1309 in Avignon, in der Provence niederließ. Zuvor hielt er sich in Bordeaux, Portier und Toulouse auf. Schon bald nach seiner Papstkrönung, die am 14. November auf eigenen Wunsch in Lyon stattfand, er geriet er zunehmend unter Druck seines Freundes, woran das Verhältnis schleichend zerbrach. Neben den alten Forderungen Philipps, wonach die französischen Bischöfe, die analog zu den Bischöfen im Heiligen Römischen Reich hohe Landesfürsten waren, für ihre Ländereien Steuern zu entrichten hatten, kam er mit einem neuen Coup, womit die Autorität des Papsttums weiter erschüttert wurde.

Wir erinnern uns. Seit 1118 zu Jerusalem der Templerorden gegründet wurde, unterstand dieser direkt dem Papst. Er war von allen landesherrlichen Steuern befreit, nicht den fürstlichen Gerichten unterstellt und damit innerhalb der eigenen Besitzungen praktisch autonom. Mit dem Verlust des Heiligen Lands bis zum Ende des 13. Jahrhunderts, verlagerte sich der Machtschwerpunkt der Templer nach Zypern aber auch nach Frankreich, wo traditionell die meisten Mitglieder herkamen. Alle Großmeister, im Verlauf der Geschichte des Ordens waren es 23, entstammten aus französischen Adelsfamilien. In weiten Teilen Europas unterhielt der Orden ein verzweigtes Netz Balleien und Niederlassungen. Die Einkünfte des Ordens waren außerordentlich, was die Begehrlichkeiten vieler weckte, nicht nur die Philipps. Keiner wagte bislang den Orden anzugehen. dabei gab es durchaus beklagenswerte Dinge. Das dominante, mitunter despotische Verdrängunsgebahren gegen die Johanniter oder den Deutschen Orden in Outremer, im Heiligen Land, wurde im Kapitel über die Rolle der Klöster und Ordensritter thematisiert. Gegenüber Landesautoritäten und kirchlichen Würdenträgern, traten einzelene Ordensglieder nicht minder herrisch auf, was den Unmut weiter schürte und die Zahl der Gegner wachsen ließ. Noch war die Angst vor dem Papst und der militärischen Schlagkraft des Ordens groß. Es brauchte einen ausreichend ruchlosen Machtmenschen wie Philipp IV., der den offenen Konflikt wagte, mit dem Ziel der völligen Vernichtung des Ordens, zumindest in seinem Machtbereich. Die eigene Schuldenlage und die Ratschläge seiner Berater, bewog ihn zu diesem nicht ungefährlichen Schachzug. Des Königs Einfluss auf Clemens V. war so groß geworden, umgekehrt des Papstes Macht so klein, dass der Zeitpunkt günstig war. Unter allerlei Drohungen vermochte Philipp den Papst letztendlich daran zu hindern, sich schützend vor den Orden zu stellen, wie es dessen Rolle als oberster Schutzherr der Templer geboten hätte. In einer minutiös abgestimmten Großaktion wurden am 13. Oktober 1307 in ganz Frankreich die Tempelherren zeitgleich gefangen genommen, alleine in Paris über hundert. Papst Clemens V. protestierte zuerst noch im förmlicher Weise gegen die Verhaftungen und Beschlagnahmung der Ordensgüter, fügte sich dann in Verhandlungen mit Philipp IV. und leitete die Verfahren ein. Es gelang nur wenigen Tempelherren sich der Gefangennahme zu entziehen. Anklagepunkte waren unter anderem Häresie, Sodomie, das heißt die Anwendung homosexueller Handlungen, Götzendienerei. Aus internen Geheimberichten des Ordens, die dem König fatalerweise in die Hände gefallen waren, gingen Verfehlungen, unter anderem in Bezug auf Homosexualität verschiedener Ordensbrüder hervor, was man seitens der Ankläger als willkommenen Beweis ausschlachtete, tatsächlich so aber in fast jedem Kloster vorkam. Im Reich verweigerte der römisch-deutsche König Albrecht I. den Forderungen des französischen Königs nachzukommen und ließ die Templer völlig unversehrt. Päpstlicherseits erfolgten Aufrufe an die deutschen Erzbischöfe und deren Suffragane, Prozesse einzuleiten, von denen im sächsischen Raum besonders jene, letztlich erfolglosen Versuche Erzbischof Burchard III. von Magdeburg zu erwähnen währen. Die Anklagen gegen die Vertreter der regionalen Niederlassungen, deren Anführer allesamt aus namhaften Familien des ostsächsischen Raums kamen, so besonders aus in der Mark angesiedelter Adelshäuser, schürte größten Unmut in der Region, so dass man sich auf einen einen Vergleich einigte, der einem Freispruch gleichkam. Auf dem Konzil von Vienne wurde der Orden der Tempelritter mit der am 4. April 1311 verabschiedeten Bulle Vox in excelso offiziell aufgelöst. Clemens V. war von der Schuld des Ordens nicht überzeugt, dessen Ruf war jedoch in den zurückliegenden Jahren derart erschüttert und untergraben worden, das es nur noch darum gehen konnte, den Schaden zu begrenzen und das Vermögen einem anderen, der Kurie unterstellten Orden zuzuführen. In der am 2. Mai 1312 veröffentlichten Bulle Ad providam wurde der Nachlass des Ordens geregelt, der demnach größtenteils auf die Johanniter übergehen sollte. Es folgten weitere,  den Templerbesitz betreffende päpstliche Bullen. Für den französischen König, der es in erster Linie auf das verschwundene Goldvermögen des Ordens abgesehen hatte, war es ein weiterer Schlag, den allerdings die französischen Kirchenfürsten und den lokalen Adel noch härter trafen, denn sie hatten sich die größten Hoffnungen auf die eingezogenen Liegenschaften gemacht. Eine Kluft zwischen dem französischen Episkopat und der Kurie entstand, die erst in den folgenden Jahren geschlossen werden konnte. Im deutschen Reichsteil wurden die Johanniter, begünstigt durch die Entscheidung Clemens V., erheblich gestärkt. Es ist wenig über das Schicksal einzelner deutscher Tempelritter bekannt, über jenen markgräflichen Spross Konrads I. den älteren Halbbruder Waldemars, Otto VI., haben wir gesprochen. Er trat zu Beginn der in Frankreich eingeleiteten Templerprozesse aus dem Orden, heiratete und starb bald darauf. Noch andere deutsche Templer werden ins weltliche Leben zurückgekehrt sein, die meisten schlossen sich wohl aber den Johannitern an, manche auch dem Deutschen Orden, der seit einigen Jahren einen ähnlich gefährlichen Konflikt austragen musste. Bevor wir darauf kommen, noch abschließend der traurige Schlussakt der Templer. Großmeister Jacques de Molay, der unter Folter zunächst die Anklagepunkte gestand und neben anderen zu lebenslanger Haft verurteilt wurde, widerrief am 18. März 1314 öffentlich auf dem Platz vor Notre Dame in Paris, worauf ihn der König wegen wiederholter Ketzerei noch am gleichen Abend an Ort und Stelle, zusammen mit Geoffroy de Charnay verbrennen ließ.

Der Deutsche Orden hatte bis zum Beginn des 14. Jahrhunderts alle zwölf prußischen Stämme unterworfen, deren Gebiet größtenteils unter Kontrolle gebracht und mit herangeholten, überwiegend deutschen Kolonisten besiedelt, die das urwüchsige Land in den folgenden Generationen zu erschließen begannen. Der streng hierarchisch organisierte, verglichen mit den europäischen Feudalstaaten modern wirkende Ordensstaat, weckte zunehmend den Neid, zumeist seiner südlichen Nachbaren, den polnischen Piasten aus Masowien, Kujawien und Großpolen. Dass es noch zu keinen größeren Zusammenstößen kam, lag Anfangs an der recht engen Verbindung mit dem Königreich Böhmen, selbstverständlich an der nationalen Nähe zum Reich, nicht zuletzt an der Schirmherrschaft des Papstes aber auch an der vorherrschende polnischen Schwäche, wo man sich die einzelnen Linien wiederhol in inneren Streitigkeiten neutralisierten.

Nördlich des Ordensstaats lag mit dem Erzbistum Riga ein größerer Machtfaktor. Der christliche Glaube war soweit im Norden des Baltikums früher verbreitet worden, als weiter im Süden, im ostwärtigen Mündungsbereichs der Weichsel, zwischen Nogat und Memel, dem Siedlungsgebiet der heidnischen Prußen. Zunächst mit den Schwertbrüdern, einem dort ansässigen Ritterorden eng kooperierend, weiteten die Rigaer Metropoliten ihre Besitzungen südlich, östlich und nördlich aus, wovon die Schwertbrüder territorial ebenso profitierten. Ein Bündnis dieses Ordens mit dem dänischen König führte zum Konflikt mit dem Erzbistum, die Folge war die lokale Isolation des Schwertbrüderordens. Am 22. September 1236 unterlag der Orden in der Schlacht bei Schaulen, gegen die heidnischen Schemaiten, wir berichteten in Kapitel X darüber. Militärisch am Ende, schloss sich der Orden 1237 dem rasant expandierenden Deutschen Orden an. Die Gebiete der ehemaligen Schwertbrüder wurden strukturell unter der Organisation des neu gegründeten Livländischen Ordens verwaltet und waren seither Teil des Deutschordenstaats.

Wenn es auch daraufhin nicht zu unmittelbaren Zerwürfnissen mit dem amtierenden Erzbischof von Riga kam, musste man trotzdem damit rechnen, dass diese langfristig nicht ausblieben, denn die territorialen Besitzungen des Erzbistums lagen überall inmitten der Gebiete der verbrüderten Ordensgemeinschaften der Deutschherren und des Livländer Ordens, womit Konflikte auf Dauer unausweichlich waren. Im Jahre 1304, nach vier Jahren lähmenden Vakuums an der Spitze der Kirchenprovinz, obwohl dort nacheinander zwei Erzbischöfe approbiert wurden, übernahm der erst rund 34-Jährige Friedrich von Pernstein (tschechisch Pernštejna), ein aus Mähren stammender Minoritenbruder, das Amt des neuen Erzbischofs von Riga. Er stand in gutem Einvernehmen mit Clemens V., dem unter französischem Einfluss amtierenden Papst. Als Friedrich 1305 in seiner Kirchenprovinz anlangte und sich über die Verhältnisse in seinem Refugium ein Bild gemacht hatte, geriet er bald darauf mit dem Deutschen Orden in den erwarteten Streit. Der Orden hatte in den zurückliegenden Jahren, unter Ausnutzung fehlender oder unzureichender Machtstrukturen im Erzbistum, wiederholt Handlungen zum Nachteil der landesherrlichen Macht des Erzbischofs vorgenommen, die der neue und vitale Kirchenfürst für unrechtmäßig erklärte und auf Revision pochte. Entzündet hatte sich die Auseinandersetzung am Kauf eines Zisterzienserklosters in Dünaburg, dessen Rechtmäßigkeit vom Erzbischof bestritten wurde. Die Lage des Klosters, am strategisch wichtigen Flussübergang über die Düna, war beiden Seiten bewusst. Nach Errichtung einer Festung und Komturei, kontrollierte der Deutsche Orden die Landverbindung von und nach Osten, vornehmlich nach Nowgorod. Es entspannte sich ein jahrelangee Rechtsstreit, bei dem, trotz teilweise berechtigter Kritikpunkte am Vorgen des Ordens, gegen diesen in verächtlicher Weise eine Schmutzkampagne losgetreten wurde, die das größte Aufsehen unter den Zeitgenossen erregte und den Deutschen Orden an den Rand einer tiefen Legitimationskrise führte. Die Verfahrenheit der Situation untergrub jeden gütlichen Vergleich und der Deutsche Orden beharrte auf der Rechtmäßigkeit seiner Handlungen. Erzbischof Friedrich reiste, nachdem keine Drohung halb, persönlich zum Papst nach Avignon und zuvor nach Rom. Er kehrte mit Francesco di Moliano, einem päpstlichen Untersuchungsbeauftragten zurück. Dieser stand ganz auf der Seite des Kirchenfürsten und sprach den Bann über den Deutschen Orden aus, wie auch das Interdikt über das Gebiet des Ordensstaats. Eine ganz gefährliche Situation, zu einer Zeit, als in Frankreich der letzte Akt gegen die Templer eingeleitet wurde, an dessen Ende die Auflösung des Ordens stand. Wenn selbst der erste von allen Ritteroden, der an Popularität über allen anderen stand, von den höchsten Höhen, in die tiefsten Tiefen gestürzt werden konnte, wie mag es da dem Deutschen Orden ergehen und dessen mittlerweile gewaltigem Ordensstaat? Dass neben dem Erzbischof von Riga, allerlei sonstige Anrainermächte ein Interesse an der Zerschlagung des Ordens hatten, muss kaum erwähnt werden. Nowgorod, Dänemark, das vor einer Wiedervereinigung stehende Polen, nebst allerlei lokalen Adelsgruppen im Baltikum, spekulierten auf die Erbmasse.
Überhaupt stand der Orden seit Beginn des 14. Jahrhunderts vor der Grundsatzfrage, wie die weitere Ausrichtung wäre. Lag der Schwerpunkt, selbst nach Verlust der letzten Festlandbesitzungen, im Heiligen Land, wo der Deutsche Orden gegründet wurde, oder sollte nicht der Deutschordensstaat Zentrum werden?

Siegfried von Feuchtwangen, 15. Hochmeister des Deutschen Ordens

Es herrschten gegensätzliche Strömungen und ein Auseinanderbrechen des Ordens war nicht mehr auszuschließen. In dieser kritische Phase bewies Siegfried von Feuchtwangen, der 15. Hochmeister des Deutschen Ordens, große Umsicht und Nervenstärke. Zunächst verlegte er am  14. September 1309 den Hauptsitz des Ordens von Venedig nach Marienburg und damit direkt ins Ordensland, eine Entscheidung war getroffen. Fortan war der Ordensstaat nicht nur territorialer, sondern auch administrativer Kern des Ordens. Die Verlegung führte zu einer drastischen Verschlechterung der Beziehungen zur Kurie und letztendlich zur Exkommunikation des Hochmeisters und Bann, samt Interdiekt, wie oben beschrieben. Es stellte eine gefährliche Zäsur dar, war doch der Bestand eines christlichen Ordens wesentlich abhängig vom guten Einvernehmen mit dem Heiligen Stuhl.
Der  Entscheid des Hochmeisters zog einen Schlussstrich unter den allgemeinen Richtungsstreit innerhalb des Ordens, der seit dem Verlust der letzten Positionen in Palästina existierte. Zwei hauptsächliche Parteien fanden sich darin. Eine, nennen wir sie Mittelmeerpartei, die das zentrale Betätigungsfeld des Ordens weiterhin im Heiligen Land sah und eine mehr realpolitisch denkende Partei, die in dem kraftvollen Machtzuwachs im Baltikum den Kern aller weiteren Missionierungstätigkeiten erblickte.

Wappen des Hochmeisters
Siegfried von Feuchtwangen

Siegfried von Feuchtwangen gelang die Spaltung des Ordens zu verhindern und dessen Integrität zu erhalten. Nach dem Verlust Palästinas und der Unfähigkeit Papst Clemens V. einen neuen Kreuzzug zur Rückgewinnung des Heiligen Landes zu organisieren, obwohl eine Heerschar von Kreuzzugfreiwilligen führungslos bis vor seinen Palast nach Avignon zogen, war die Frage nach dem weiteren Sinn der Ritterorden grundsätzlich geworden. Der Prestigeverlust, der mit dem Verlust der Heiligen Stätten der Christenheit einher ging, traf besonders die Gemeinschaft der kämpfenden Kleriker, die Gemeinschaft der Ordensritter, gleich ob Templer, Johanniter oder Deutschordensritter. Ihr Daseinszweck bestand bislang vornehmlich im Schutz dieser sakralen Plätze gegen die Ungläubigen. Mit den Erwerbungen im Baltikum, die vom ersten preußischen Landmeister Hermann von Balk unter der obersten Leitung des Großmeisters Hermann von Salza seit den 1230’er Jahren eingeleitet wurde, bekam der Deutsche Orden neuen Zweck und Aufgabenfeld, was den Templern fehlte. Die Johanniter wären wohl in dieser kritischen Zeit in eine ähnliche oder gleiche Existenzkrise gestürzt, hätten sie nicht von der Zerschlagung der Templer hauptsächlich profitiert.
Der lange Streit des Deutschen Ordens mit Riga, wurde erst unter Papst Johannes XXII. im Jahre 1319 beigelegt. Die Deutschritter konnten die Rechtmäßigkeit ihrer Erwerbungen nachweisen, und der Papst sprach sich in ihrem Sinne des aus.
Wir kommen schon im nächsten Kapitel wieder auf den Orden zurück, der uns fortan immer wieder begegnen wird, denn die Mark und der Orden waren an vielen Stellen ganz eng miteinander verknüpft.


Der Wechsel

Als Markgraf Waldemar am 6. Januar 1309, im Anschluss an die Krönung Heinrichs VII. zurück in die Mark eilte, hatte ihn von dort vermutlich längst Nachrichte erreicht, dass der alte Markgraf Otto IV., sein Onkel, auf dem Sterbebett lag. Es ist nicht auszuschließen, dass er bereits tot war. Genaueres kann niemand sagen, denn leider ist uns nichts überliefert, woraus sich der exakte Todestag schließen ließe. Noch am 27. November 1308 nahm Waldemar in Vertretung seines Oheims an der Wahl des römisch-deutschen Königs in Frankfurt teil. Wir dürfen davon ausgehen, dass er damals noch lebte, wenn auch seit der letzten von ihm gezeichneten Urkunde, die am 30. September ausgestellt wurde, nichts mehr von ihm zu hören war. Wäre Otto IV. zwischen Heinrichs feierlicher Königswahl zu Frankfurt, und dessen Krönung zu Aachen gestorben, hätte genug Zeit bestanden Boten aus der Mark zu senden und Waldemar davon in Kenntnis zu setzen. Er wäre wohl unmittelbar nach Brandenburg abgereist, unter Zurücklassung eines Bevollmächtigten, der den weiteren Zeremonien beiwohnte. Vermutlich hätte dies auch irgendwo schriftlichen Niederschlag in den römisch-deutschen Regesten gefunden. Der Januar 1309 kann mit gewisser Wahrscheinlichkeit als Sterbemonat Ottos IV. angenommen werden.

Senior in Brandenburg war jetzt formal Markgraf Heinrich, des verstorbenen Ottos jüngster Halbbruder und letzter noch lebender Sohn des großen Markgrafen Johann I., dem Städtegründer. Statt Heinrich, der sich hauptsächlich in der Mark Landsberg aufhielt, führte tatsächlich der junge Markgraf Waldemar das eigentliche Regiment. Mit seinen geschätzten 18 Jahren, hatte er vom Vater und seinem Onkel den allergrößten Teil der Johanneische Landschaften geerbt und war als, wenn auch noch ungeliebter Vormund des unmündigen Johann, gleichzeitig Verweser der Ottonischen Ländereien. Sollte es ihm gelingen in den dortigen Gebieten die bisher verweigerte Huldigung der Stände zu erlangen, wäre die Mark, bis Johann mündig würde, ungeteilt in praktisch nur noch einer Hand. Seit dem Tod Markgraf Albrechts II., Waldemars Urgroßvater, vor fast 90 Jahren, war die Regentschaft in der Mark entweder in der Hand eines Verwesers, so unmittelbar nach Albrechts Tod, als dessen Söhne Johann I. und Otto III. noch Knaben waren, oder seit der schrittweisen Landesteilung durch die genannten Brüder, in den Jahren zwischen 1258 und 1267.


Buch 1, Kapitel XII: „Brüder, Vettern & Rivalen“


Entscheidung in Magdeburg

Der im Sommer 1278 vorerst eingestellte Kampf zwischen der Johanneischen Linie Brandenburgs und dem Erzstift Magdeburg, war nur eine Waffenruhe auf Zeit, keine Beilegung des Krieges. Die zum blutigen Kampf eskalierte Rivalität König Ottokars II. von Böhmen und des römisch-deutschen Königs Rudolf I., sahen Magdeburg und Brandenburg paradoxerweise als gemeinsame Verbündete an der Seite Ottokars. Wie würde der ruhende Krieg nach der furchtbaren Niederlage Böhmens und seiner Verbündeten weitergehen? Der gesamte Konflikt mit Magdeburg verlief für Brandenburg und seine Alliierten bislang höchst unerfreulich. Entweder wurden herbe Niederlagen eingefahren oder man musste sich wiederholt zurückziehen. Das Erzstift vermochte mit den Geldmitteln der reichen Stadt Magdeburg, danach sah es zumindest bisher aus, Truppen ganz nach Belieben und Bedarf anwerben und war trotz aller Anstrengungen unbezwungen.

Im Dezember 1278, zu einer eher untypischen Jahreszeit, sollte der Angriff auf die Grafschaft Anhalt, und damit auf den askanischen Verwandten, der auf Magdeburgs Seite kämpfte, eine neue Runde und gleichzeitig eine veränderte Strategie einleiten. Markgraf Johann II. ergriff diesmal die Initiative und fiel in die anhaltinische Grafschaft ein. Erzbischof Günther von Magdeburg, mit ihm erneut ein großes Aufgebot magdeburgischer Bürger und Ritter, eilte dem Grafen Otto zur Hilfe und Markgraf Johann musste sich mit seinen Kräften eilig zurückziehen, dicht verfolgt vom Erzbischof. Über Quedlinburg und Halberstadt, ging die wilde Flucht und Verfolgung bis Helmstedt, wo hoher Schnee alle Bewegungen erlahmen ließ und die Magdeburger ihre Jagd einstellten, zufrieden den Gegner vertrieben und gedemütigt zu haben. Erneut endete ein brandenburgischer Vorstoss mit einer deprimierenden Schlappe. Lange durfte die Reihe der Niederlagen und Rückschläge nicht fortdauern. Der ganze Krieg hatte schon jetzt Unsummen gekostet und erreicht war überhaupt nichts.
Um die gleiche Zeit wurde mit Billigung, möglicherweise sogar auf Weisung des Erzbischofs, der brandenburgisch gesinnte Domherr Heinrich von Gronenberg durch den Stiftsministerial Reinhard von Strahal gefangen genommen. Zur Erinnerung, Heinrich von Gronenberg gehörte anlässlich der Wahl des jetzigen Bischofs zur Partei des Brandenburgers Erich und konnte der damaligen Gefangennahme, am Vorabend der Wahl, gemeinsam mit dem märkischen Kandidaten nur mit knapper Not und beherztem Sprung aus dem Fenster entkommen, um anschließend dem Papst schriftlich vom skandalösen Gewaltakt zu berichten. Die nunmehrige Entführung und Gefangennahme blieb diesmal nicht ohne Folgen und hatte größten Einfluss auf das weitere Schicksal des amtierenden, päpstlicherseits nicht anerkannten Erzbischofs. Am 4. Februar 1279 wurde Reinhard von Strahal von Papst Nikolaus exkommuniziert und der Erzbischof zur Ermittlung seiner Rolle nach Rom zitiert. Günther von Schwalenberg erkannte, dass er kaum mehr mit der Approbation rechnen durfte. Nach dem Vorfall vom Dezember 1278 umso weniger, weshalb er entmutigt im März 1279 unter einem Vorwand vom Amt zurück trat. Eine zweifelsohne überraschende Wendung des Geschicks.

Im Mai 1279 fand zu Magdeburg erneut die Wahl eines Erzbischofs statt. Nach den Kriegswirren der zurückliegenden zwei Jahre, war die Brandenburger Partei unter den Domherren, ihr Kopf war Dompropst Albrecht von Arnstein, mehr denn je in der Minderheit. Gewählt wurde demgemäß nicht der abermals angetretene Erich von Brandenburg, stattdessen Bernhard von Wölpe, Domkellermeister zu Magdeburg. Er war 1277 bereits gegen den resignierten Günther von Schwalenberg angetreten, nachdem die brandenburgischen Anhänger seinerzeit eingesperrt und zur Aufgabe ihres Kandidaten genötigt wurden.

Die Fehde ging mit neuem Erzbischof, an einem anderen Schauplatz, doch unter den gleichen Vorzeichen weiter. Der langjährige Verbündete der Johanneischen Linie, Herzog Albrecht von Braunschweig, war seit einiger Zeit Ziel eines regionalen Fürstenbündnisses, das in der sogenannten Norddeutschen Fehde gegen ihn vorging. Man muss bei dem verwendeten Begriff vorsichtig sein, er wurde im Laufe der Zeit mehrmals verwendet, bezeichnet aber durchaus unterschiedliche Auseinandersetzungen und Konfliktparteien. Albrecht führte um den Besitz einiger Dörfer im Hildesheimer Grenzgebiet Krieg gegen den eigenen Bruder, den Hildesheimer Bischof. In einem fragwürdigen Schiedsverfahren wurden diese ihm zuvor von Markgraf Otto IV. zuerkannt worden. Otto war von den Streitparteien als Schiedsrichter eingesetzt, zeigte aber nach Auffassung der benachteiligten Seite große Parteilichkeit, statt unparteiisch zu entscheiden. In die Reihe seiner Gegner reihte sich jetzt auch der neue Erzbischof von Magdeburg und was die Situation für Brandenburg heikel machte, auch Markgraf Albrecht III., aus der Vetternlinie Brandenburgs. Da Johann II., Otto IV. und Konrad I. wiederum auf Seiten Albrechts von Braunschweig standen, hierbei Markgraf Otto IV. besonders aktiv vorging, war der Zusammenprall brandenburgischer Streitkräfte in diesem Konflikt nur zu wahrscheinlich. Eine gefährliche Situation, die bestens dazu geeignet war, den politischen Zusammenhalt der in mehrere Teilgebiete zersplitterten Mark zu untergraben. Zur Gruppe der Widersacher gesellte sich unter anderem auch noch Erzbischof Giselbert von Bremen. Eine imposante Koalition sammelte sich auf der Seite des Hildesheimer Bischofs, der die Feindseligkeiten gegen den Bruder eröffnete und eine Spur der Verwüstung hinterlassend, ins Braunschweigische einfiel, dann aber von Herzog Albrecht beherzt zurückgeschlagenen und bis Hildesheim verfolgt wurde, um dass er einen Belagerungsring schloss. Zuvor hatte er am 23. Juni die Burgen Sarstedt und Gronau eingenommen, 12 Kilometer nordwestlich von Hildesheim.
Die Belagerung Hildesheims, sie fällt in die letzten Junitage, wurde derweil nicht lange aufrecht gehalten. Anhaltend starke Niederschläge zwangen den Herzog zur Aufgabe und zum Rückzug nach Braunschweig. Nur wenige Tage später, am 4. Juni 1279, starb Bischof Otto von Hildesheim überraschend im Alter von nur 32 Jahren. Ein Ereignis, dass trotz der laufenden Feindseligkeiten, den Braunschweiger Herzog nicht kalt ließ.

Mittlerweile hat sich in Magdeburg ein Heer unter der Führung des Erzbischofs gebildet. Unter dem Vorwand es ginge erneut gegen die verhassten brandenburgischen Markgrafen, mit Wolmirstedt als Ziel, rüsteten die Bürger auch dieses Mal ein starkes Truppenaufgebot aus. Zunächst führte Bernhard das magdeburgische Kontingent tatsächlich Richtung Wolmirstedt, bog dann aber ins Braunschweigische ab, wofür sich die Magdeburger, würden sie es zuvor geahnt haben, vermutlich nicht bereit gefunden hätten. Markgraf Albrecht III. von Brandenburg schloss sich diesem Heerzug an. Sie marschierten vor Helmstedt auf, das vom Schwager des Braunschweiger Herzogs, Fürst Witzlaw II. von Rügen erfolgreich verteidigt wurde. Weiter ging es nach Königslutter und Hasenwinkel. Überall wurde schlimm geplündert und verheert. Bei Abbensen, nördlich von Hannover, bezogen sie ein vorteilhaftes Lager, geschützt von zwei Flüssen, einem Sumpf und einer errichteten Wagenburg. Zwischenzeitlich hat auch Herzog Albrecht seine Verbündeten gerufen. Aus Helmstedt war Fürst Witzlaw II. herangerückt und auch Markgraf Otto IV. sandte 300 Panzerreiter, ohne sich zunächst selbst anzuschließen. Am Abend des 8. Juli vereinigt sich Herzog Albrecht mit den Truppen der Verbündeten, beschloss dann aber wegen der fortgeschrittenen Tageszeit den Angriff auf den kommenden Tag zu verschieben. In der Nacht brach im Lager des Gegners Unruhe aus. Markgraf Albrecht III. wollte ein Zusammentreffen mit den Truppen seines Vetters vermeiden und zog mitten in der Nacht ab, worauf unter den Magdeburgern das Gerücht von Verrat  umherging und bald die ersten Absetzbewegungen einsetzten. Schnell wurde daraus überstürzter Rückzug, schließlich zügellose Panik. Zelte, Wagen und viel Ausrüstung zurücklassend, flohen sie Hals über Kopf in die Nacht hinein. Mancher verirrte sich in den umliegenden Wäldern und Sümpfen, darunter eine dreißigköpfige Gruppe Ritter und Knappen Markgraf Albrechts, die am Folgetag gefangen genommen wurden. Auf der Flucht wurden noch viele weitere erschlagen oder in den Wäldern und Sümpfen demoralisiert aufgegriffen. Die heillose Flucht endete erst hinter den festen Mauern Hildesheims, wo dann unter starker Einwirkung Erzbischof Bernhards am 18. Juli der Magdeburger Domdekan Siegfried von Querfurt zum neuen Bischof von Hildesheim gewählt wurde.

Markgraf Otto IV.

Herzog Albrecht kehrte mit seinen Verbündeten nach Braunschweig zurück, wo mittlerweile auch Markgraf Otto IV. mit weiteren Kräften eingetroffen war. Der Herzog konnte einen großen Sieg feiern, ohne das es überhaupt zur offenen Schlacht gekommen wär. In Braunschweig wurde mit einer ganzen Serie Feierlichkeiten der Triumph begangen. Die Euphorie des unerwarteten Erfolgs darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass gerade bei den brandenburgischen Markgrafen aus der Johanneischen Linie der seit Jahren anhaltende Kampf finanziell tiefe Spuren hinterlassen hatte. Rechnet man die außerordentlichen Aufwände Ottos IV. im Zusammenhang mit der schweren Niederlage im vergangen Sommer an der Seite Böhmens noch hinzu, zeichnete sich ein ganz und gar bedrückendes Bild ab. Zur Deckung der Kriegskosten mussten die Städte wiederholt über sogenannte Beten den Markgrafen die benötigten finanziellen Mittel bereitstellen, doch nur unter wachsenden Vorbehalten, wie ein Dokument vom 13. Dezember zugunsten Stendals beispielhaft beweist. Beten waren Geld-, gegebenenfalls auch Sachleistungen, die außerhalb sonst üblicher, landesherrlicher Privilegien auf Bitte, das heißt Bete des Landesfürsten geleistet wurden. Die gebende Partei war dazu nicht verpflichtet, konnte gleichzeitig aber schlechterdings nicht rundweg ablehnen, da der Landesherr für gewöhnlich aus einer ernsten Notlage heraus um diese Sonderabgabe ersuchte und bei einem etwaigen Verweigerungsfall zukünftig mit Nachteilen, vielleicht sogar Repressalien gerechnet werden musste. Ohne adäquate Gegenleistung wurden derartige Sonderopfer für gewöhnlich dennoch nicht gebracht. Die Geberseite wusste normalerweise für sich Privilegien oder Vergünstigungen auszuhandeln, die der Landesfürst in seiner in solchen Fällen oft prekären Lage üblicherweise, getrieben von akuter Geldnot, notgedrungen einging, allenfalls begrenzt nachverhandelte, soweit es die Zeit erlaubte. Von gänzlicher Abgabenbefreiung in der Zukunft, bis zu Verpfändungen landesherrlicher Einnahmen, wie Zölle oder Gerichtsgebühren, war das Spektrum breit. Mit der Zeit beraubten sich die Markgrafen dadurch dauerhaft wichtiger Einnahmequellen. Es handelte sich dabei keineswegs um ein spezifisch brandenburgisches Phänomen, sondern grassierte bis hoch zum Reichsoberhaupt, weswegen viele Fürsten immer wieder in finanzieller Schieflage gerieten. Wir kommen in einem der folgenden Kapitel darauf zurück.

Das Jahr 1279 ging hinsichtlich des Kriegs mit Magdeburg ohne weitere Ereignisse zu Ende, nahm dann aber im Sommer 1280 eine entscheidende Wende. Bei Wiesenburg kam es südwestlich von Bad Belzig zur Schlacht. Es ist nicht viel über den eigentlichen Hergang überliefert, noch weniger über die Ereignisse die der Schlacht unmittelbar vorausgingen. Ein magdeburgisches Aufgebot unter der Führung Gumprechts von Alsleben und des Patriziers Burchard Lappe wurde völlig geschlagen. Neben beiden Anführern, gingen weitere 320 Ritter und Knappen in Gefangenschaft. Ein totales Fiasko. Über die Zahl der Toten ist nichts weiter bekannt. Auf der Seite Brandenburgs standen die Ritter Valke und Konrad von Redern an der Spitze und nicht wie bisher einer der Markgrafen. Die abermalige Niederlage nahm dem Magdeburger Erzbischof Bernhard jeden Willen zur Fortführung des Konflikts. Unter Vermittlung Markgraf Albrechts III., der 1280 nicht mehr gegen seine Vettern ins Feld gezogen war, wurde ein Frieden zwischen Erzbischof Bernhard von Wölpe und Markgraf Otto IV. ausgehandelt. Schließlich resignierte 1282 auch dieser Erzbischof und nach einer Sedisvakanz von etwas mehr als einem Jahr, wurde Erich von  Brandenburg 1283 im dritten Anlauf endlich an die Spitze der Kirchenprovinz gewählt. Zu Beginn seiner Amtszeit hatte er keinen leichten Stand, zumal nicht im Bürgertum, das den jahrelangen Konflikt mit den älteren Brüdern ihres neuen Herren, nicht ohne weiteres vergessen konnten. Als das Ergebnis der Wahl bekannt wurde, die sich die Domherren, wie man anhand der langen Sedisvakanz erkennen kann, nicht leicht machten, kam es unter der Bürgerschaft zu Tumulten und Erich musste vorerst aus der Stadt fliehen, bis Magistrat und Domherren nach langen Vermittlungen den Aufruhr beilegen konnten. Der neue Erzbischof erlangte durch zahlreiche verfassungsmäßige Maßnahmen das Vertrauen der Bürgerschaft. Eine Reihe späterer Gunstbezeugungen der Stadt beweisen nicht nur seine schließliche Akzeptanz unter den Bürgern, sie bringen sogar eine besonders hohe Wertschätzung zum Ausdruck. Einen Aufstand antibrandenburgischer Ministeriale schlug er zu Beginn seiner Administration mit der Hilfe Ottos IV. nieder. Im gleichen Jahr ging er gegen das feste Schloss Harlingsberg bei Vienenburg vor, von wo aus immer wieder magdeburgisches Gebiet überfallen und geplündert wurde, hierbei geriet er in Gefangenschaft. Die Bürgerschaft Magdeburgs kaufte ihn im Anschluss frei, ferner erwarben sie das  Bjrggrafenamt Magdeburgs von den sächsischen Herzögen zurück, wie auch das Schultheißenamt aus den Händen Dietrichs von Eckersdorf. In seine Amtszeit fällt die Aufnahme der Stadt Magdeburg in den Hansebund. Erwähnenswert die zunehmende Praxis gegen Ende seiner Regentschaft, Urkunden erstmals in deutscher Sprache auszufertigen, statt wie bislang ausschließlich in Latein. Auf den 1. Januar 1292 ist die älteste dieser Urkunden datiert. Die zahlreichen Fehden die schon in der Vergangenheit die bischöflichen Finanzen schwer belastet hatten, brachten auch Erzbischof Erich bald in arge Bedrängnis. Die zahlreichen Kriegsleistungen der Stadt waren selten selbstloser Natur. Als Gegenleistungen mussten die Bischöfe auf einträgliche Regalien oder sonstige Privilegien verzichten, analog dem Prinzip der weiter oben beschriebenen brandenburgischen Beten. Um das nach Unabhängigkeit strebende Bürgertum Magdeburgs nicht noch weiter durch Zugeständnisse dem Landesherren zu entfremden und autonom zu machen, verkaufte Erich zum Erwerb dringend benötigter Geldmittel, die restlichen Anteile am Lande Lebus an seine Brüder. Ein für Brandenburg zweifelsfrei hochwillkommener Umstand. Erich regierte insgesamt zwölf Jahre das Erststift und starb am 21. Dezember 1295 in Grabow, im Jerichower Land, 30 Kilometer nordöstlich von Magdeburg, wo er in der dortigen Dorfkirche beigesetzt wurde. Der zu frühe Tod des jüngeren Bruders kam den brandenburgischen Markgrafen ungelegen. Es brachen die schon lange schwelenden Konflikte mit den Diözesen Havelberg und Brandenburg nun offen aus. Versuche das Bischofsamt durch einen brandenburgischen Askanier zu besetzen, glückte zweimal und ging durch deren vorzeitigen Tod jeweils im Folgejahr ebenso unglücklich zu Ende. Die Bistümer lagen mit ihren Gebieten komplett in der Mark. Im Gegensatz zu den sonstigen Bischöfen des Reichs, waren jene zwar formell ebenfalls Reichsfürsten, doch fast gänzlich vom guten Willen der Markgrafen abhängig, die ihrerseits stets bemüht waren das Bischofsamt entweder gleich durch einen Vertreter der eigenen Familie zu besetzen oder die Wahl sonstwie in ihrem Sinne zu beeinflussen. Beide Bistümer wurden im zehnten Jahrhundert von Kaiser Otto I. gestiftet, wodurch sich ihre Rechtsstellung und die Stellung ihrer Bischöfe als Fürsten des Reichs ursprünglich nicht von anderen Bistümern unterschied, doch gingen beide anlässlich des großen Slawenaufstands 983 territorial wieder verloren. Für über 150 Jahre fristeten die jeweils eingesetzten Bischöfe dieser Gebiete ein Schattendasein im Exil, wo sie über faktisch keine Machtmittel verfügten. Erst durch die rechtselbischen Eroberungen der Askanier im zwölften Jahrhundert, kamen sie wieder in Amt und würden. Aus dem Umstand, dass die brandenburgischen Markgrafen ohne fremde Hilfe die Gebiete aus Heidenhand gerissen haben, leiteten diese nach Recht und Sitte ihren vom Reich unbestrittenen Oberlehnsanspruch über die restituierten Bistümer ab, woraus sich jene besondere Abhängigkeitssituation ergab, die bei den betroffenen Bischöfen, je nach Kandidaten, auf sehr geteilte Begeisterung stieß. Kirchenorganisatorisch waren sie Teil der Kirchenprovinz Magdeburg, wo man für gewöhnlich das Freiheitsstreben der Subdiözesen wohlwollend unterstützte. Jetzt nach dem Tod Erichs, brachen die aufgestauten Konflikte offen aus und die johanneischen Markgrafen brachen militärisch zur Unterwerfung in die Bistümer ein, worauf die Kirchenacht über die Markgrafen, gemeint sind Otto IV. sowie Konrad, und sogar das Interdikt über ihr Land und ihre Leute ausgesprochen wurde. Otto ließ sich persönlich davon wenig beeindrucken, musste jedoch strenge Maßregeln anordnen, um die Stimmung und Unterstützung in der Bevölkerung nicht kippen zu lassen. Erfahrungsgemäß litten die Menschen schwer unter den Folgen des Interdikts, da offiziell nahezu alle Kirchenaktivitäten währenddessen verboten waren. Weder Messen, es gab wenige Ausnahmen, noch Beisetzungen, Taufen, Eheschließungen usw. waren gestattet. Markgraf Otto IV. setzte in dieser Lage die Klöster unter Druck und fand besonders unter den im Volk populären Franziskanern das geeignete Mittel, das Interdikt zu umgehen. Unter Drohungen, und niemand hatte bei ihm den geringsten Zweifel, dass er solchen auch Taten folgen lassen würde, wies er Mönche und Nonnen an, ihre Gotteshäuser dem Volk zu öffnen, Messen zu lesen und die heiligen Sakramente zu spenden. Das Interdikt verpuffte vorerst größtenteils wirkungslos. Otto IV. stand spätestens seither im Ruf ein Widersacher der Kirche zu sein, zumindest bezogen auf die Kirche als politisch-weltliche Institution. Gleichzeitig verstand er es, die Klöster als eine geeignete geistliche Instanz zu nutzen, um dem politischen Druckmittel von Exkommunikation und Interdikt zu begegnen.


Otto V., Vormund & Verweser Böhmens

Markgraf Otto V., der seit September 1278 in Böhmen gemäß dem Willen des bei Dürnkrut gefallenen Ottokar II. die Vormundschaft über Kronprinz Wenzel und die Verwaltung des Königreichs übernommen hatte, ohne die Markgrafschaft Mähren, die von König Rudolf administriert wurde, stieß noch im gleichen Jahr auf den Widerstand der Königinwitwe Kunigunde. Zunächst war sie es gewesen, die auf die beschleunigte Ankunft des Markgrafen drängte. Nachdem es, vermutlich zu ihrer eigenen Überraschung, zu einem schnellen Vergleich mit König Rudolf kam, dieser nicht wie befürchtet in Böhmen die Macht an sich riss, war der als Regent auftretende Brandenburger schnell ein lästiges Problem. Der Markgraf begann Geld aus dem Land zu ziehen. Bei dieser Gelegenheit brachte er auch die ungarischen Kleinodien an sich, die 1270 mit seiner Hilfe von Böhmen erbeutet wurden und seither in Prag lagerten. Im März 1279 bemächtigte er sich des Kronprinzen und der Königin, schaffte beide auf Burg Bösig (Bezděz) nordwestlich von Jungbunzlau und ordnete ihren weiteren Verbleib dort an. Dem überzeichneten Bericht böhmischer Chronisten nach, wurde sie und der Knabe unter beklagenswerten Bedingungen gehalten und man verweigerte ihnen die nötigsten Dinge zum Leben, womit aber doch kaum Nahrung und dergleichen gemeint sein konnte, sondern wohl eher die einem Thronfolger und einer Königin gebührenden Standards. Im April berief Otto eine große Fürstenversammlung nach Prag, auf der ihm der böhmische Adel Treue schwören sollte. Auf dringende Bitten der Versammlung versprach der Markgraf den kleinen Wenzel und seine Mutter wieder nach Prag zurückzubringen, brach dann aber sein Versprechen. Im gleichen Monat schrieb er an den römisch-deutschen König nach Wien, dass er allen Abmachungen gegenüber der Königin nachgekommen wäre, er weiter in allen offene Punkten, so diverse Burgen des Egerlands betreffend, die Entscheidung einem Schiedsgericht überlassen wolle, wozu er seinen Vertrauten, den Grafen Heinrich von Castell empfehle, gleichzeitig aber jedem, dem König gefälligeren Kandidaten akzeptieren wolle. Weiter werde er in der Sache der ungarischen Kleinodien die Entscheidung ganz dem König überlassen. Schließlich wolle er in Bezug auf den zukünftigen Witwensitz seiner Schwägerin Agnes, des Königs Tochter, die seit kurzer Zeit mit Markgraf Otto VI., seinem jüngeren Bruder verheiratet war, alle geleisteten Zusagen einhalten. Die bereitwillige Kooperation darf als geschickter Beschwichtigungsversuch gewertet werden, denn zweifelsohne sind dem König längst allerlei Beschwerden über Ottos Regime in Böhmen zu Ohren gekommen. Ob Rudolf über die würdelose Behandlung der Königin und ihres Sohnes schon in vollem Umfang Kenntnis am Wiener Hof hatte, bleibt unklar. Nachdem die Königin feststellen musste, dass Otto sie und den Prinzen gegen sein Versprechen nicht zurück nach Prag bringen ließ, flüchtete sie im Mai unter Zurücklassung der Kinder von Burg Bösig nach Troppau, dass ihr als Witwensitz zugefallen war. Wie die Ereignisse ihrer Flucht zeigen, stand sie weder unter schwerer Bewachung, noch war sie oder die Kinder in irgendeiner Weise weggesperrt. Es war ihr erlaubt für Kurzreisen die ihr als Aufenthaltsort zugewiesene Burg zu verlassen, so zum Georgsfest am 23. April 1279. Da sie stets zurückkehrte, gewann sie das Vertrauen des Burggrafen Hermann, unter dessen Obhut sie und die Kinder standen, was ihr die baldige Flucht wesentlich erleichterte.

Markgraf Otto V. verließ wenige Tage später Prag und eilte in die Mark, um dort wichtige Regierungsgeschäfte zu erledigen und um ein starkes Militäraufgebot zusammenzuziehen, das er unter der Begleitung Bischof Gebhards von Brandenburg schleunigst nach Böhmen führte. Er musste wahrscheinlich in der nicht unbegründeten Sorge leben, dass eine von der Königin initiierte Auflehnung bevorstand, die es niederzuschlagen galt. Anders wäre das mitgeführte, kostspielige brandenburgische Truppenaufgebot kaum zu erklären.

Wenn sich der Markgraf in der Folgezeit auch bemühte die Zustände in Böhmen zu ordnen, machte sich der Mangel eines legitimen Königs an der Spitze des Landes bemerkbar. Otto, der in der Vergangenheit als redlicher Fürst und enger Vertrauter Ottokars, ferner als naher Verwandter der königlichen Familie in guten Ruf stand, blieb letztendlich ein Fremder, ein deutscher Ausländer, von denen ohnehin schon genug im Land lebten. Für den Markgrafen war die Lage in Böhmen keine einfache und einige seiner Entscheidungen wie auch die Maßnahmen seiner deutschen Begleiter, trugen viel dazu bei, dass der Ruf seiner Regierung nachhaltig erschüttert wurde. Sein Regiment war von bereitwilliger Kooperation und Unterstützung des böhmischen Klerus und Hochadels abhängig, der sich, wenn auch nicht grundlegend gegnerisch, so doch oft widerstrebend, zwiespältig meist allerdings abwartend passiv verhielt. Otto V. konnte unmöglich durchgängig in Prag verweilen und keinesfalls seine ganze Zeit den Bedürfnissen Böhmens widmen, er musste sich ebenso um die Belange seines eigenen Fürstentums kümmern. Die unglücklichen Vorgänge, an denen sein Bruder Markgraf Albrecht III. anlässlich der Fehde gegen den Braunschweiger Herzog beteiligt war, erforderte schließlich Ende August die erneute und beschleunigte Abreise. Statthalter Böhmens wurde der mitgebrachte Bischof von Brandenburg, ein kriegsbewährter Mann, womit Ottos Befürchtung eines ausbrechenden Aufstands unterstrichen wurde. Wollte er nicht Gefahr laufen während seiner Abwesenheit bezüglich der Landesverwesung ins Hintertreffen zu geraten, durfte er keinesfalls sein wichtigstes Unterpfand, den Kronprinzen aus den Augen, aus dem sicheren Zugriff lassen, er musste ihn mitnehmen. Es war kein leichtes Unterfangen den kleinen Wenzel außer Landes zu schaffen, auch wenn die Vereinbarungen die der verstorbene Vater mit der Markgrafen traf, dahingehend keine Instruktionen oder Verbote vorsahen. Die Abreise muss Ende August stattgefunden haben, ein genaues Datum ist nicht belegt. Neben anderen denkbaren Gründen, spricht es dafür, dass er möglichst wenig Aufsehen in Prag erzeugen wollte und vermutlich in aller Stille aufbrach. Nachdem der kleine Wenzel unterwegs auf Burg Bösig abgeholt war, muss man wohl schon Anfang September in Brandenburg angekommen sein, wo der böhmische Thronfolger in der Residenzfestung Spandau untergebracht wurde. Der erste verbindliche Beweis von Ottos Anwesenheit in der Mark, war der 12. September. Hier stellte er einen Willebrief, analog anderer großer Reichsfürsten, zugunsten Papst Nikolaus III. aus. Dem Itinerar des päpstlichen Bevollmächtigten können wir entnehmen, dass er an diesem Tag das Schreiben bei Markgraf Otto V. abholte und schon am Folgetag im Braunschweigischen das gleiche tat, woraus man nur schließen kann, dass der Aufenthaltsort des Markgrafen am 12. September allenfalls eine Tagesreise vom Herzogtum Braunschweig entfernt lag und er mit größter Wahrscheinlichkeit gleich nach der Ablieferung seines Mündels in den äußersten Westen der Altmark weiterzog. Dass der Markgraf wie hergeleitet so weit im Westen stand, hatte mit den vorerwähnten Vorkommnissen zu tun, an denen Bruder Albrecht III. im Rahmen der Fehde gegen Herzog Albrecht von Braunschweig beteiligt war. Wir erinnern uns, an der Seite des Magdeburger Erzbischofs Bernhard von Wölpe, war dieser im Juli bei Abbensen kampflos geschlagen und nach Hildesheim getrieben worden, wo er seither, gemeinsam mit dem Kirchenmann, und den Resten seines Aufgebots festsaß. Als Haupt der Ottonischen Linie, wird Markgraf Otto V. seinen diplomatischen Beitrag geleistet haben, um einerseits den Bruder beim Rückzug nach Brandenburg zu unterstützen, Gegenfalls militärisch zu decken und andererseits den kriegserprobten Markgrafen Otto IV. von etwaigen Gewaltakten gegen den eigenen Vetter abzuhalten. Wie weiter oben gelesen, vermittelte Albrecht III. im weiteren Verlauf der brandenburgisch-magdeburgischen Fehde den endgültigen Friede. Über die zugrundeliegenden vertraglichen Inhalte ist nichts genaueres überliefert.

Am 18. August 1280 schließen die Markgrafen der Ottonischen Linie, Otto V., Albrecht III. und Otto VI. mit der Stadt Berlin feierlich ein Abkommen ab, wonach fortan auf Beten, gemeint sind erbetene Sonderabgaben, seitens der Markgrafen verzichtet wird. Das Abkommen entsprach inhaltlich zu großen Teilen jenem ihrer Vettern der Johanneischen Linie, wovon schon oben die Rede war, deren Vertrag im Dezember 1279 mit der Stadt Stendal geschlossen wurde. Die Markgrafen haben ihr Vorrecht der Bete dabei nicht bedingungsglos aufgegeben, stattdessen quasi verkauft, indem sie nun jährlich eine feste Summe erhielten. Für beide Seiten schien das Verfahren geeigneter, so dass sich die Stadt bereitwillig darauf einigte. Den Landesherren wurden langwierige Verhandlungen erspart und gleichsam eine gewisse Planungssicherheit hinsichtlich gewisser Einnahmen gegeben, beraubte sie aber der Möglichkeit schnell größere Summen zu beschaffen.

Die Lage in Böhmen hatte sich derweil dramatisch verschlechtert, die Sitten verrohten zusehends, das Land stürzte ins Chaos. Rivalisierende Adelsfamilien nutzten das  vorherrschende Regierungsvakuum und trugen ihre Feindschaften in ungehemmter, weitestgehend ungeahndeter Weise aus. Handel und Gewerbe brachen in dieser bürgerkriegsähnlichen Atmosphäre ein. Adlige deutsche Abenteurer, mehr Banditen als Edelleute, mischten eifrig mit, so dass große Verzweiflung im Königreich vorherrschte. Bischof Gebhard von Brandenburg, der an Markgraf Ottos statt die Verwaltung in Böhmen verantwortete, war seinerseits nicht durchgehend im Land und selbst dann vermochte er keine Beruhigung der Situation zu bewerkstelligen. Zwischenzeitlich begann der römisch-deutsche König Rudolf I. mit Zurüstungen um in Böhmen zu intervenieren. Angestachelt durch die Berichte Königin Kunigundes, sandte der König den unermüdlichen Burggrafen Friedrich von Hohenzollern-Nürnberg umher, um die Vasallen zur Heerschau nach Mähen zu rufen. Im September schickte Rudolf an Rat und Bürger Prags ein Schreiben, worin er sie ersuchte auf den Markgrafen dahingehend einzuwirken, dass er den Thronerben wieder nach Prag führe und selbst das Land verlasse, das heißt Vormundschaft und Landesverwesung aufgebe. Prag hatte sich in der Zwischenzeit auf langwierige Kämpfe zwischen den Kontrahenten eingestellt und umfangreich mit Lebensmitteln eingedeckt.
Mitte Herbst 1280 beginnt Rudolf von Mähren aus mit dem Einmarsch nach Böhmen. In seinem Heer waren die Bischöfe Heinrich von Basel, Heinrich von Trient und Konrad von Chiemsee. Weiter Pfalzgraf Ludwig, Herzog Otto von Bayern und Herzog Albrecht von Sachsen, die Schwiegersöhne Rudolfs. Wochenlang operierte Rudolf mit überlegenen Kräften in Südböhmen, während der Markgraf, auf dessen Seite polnische, das heißt meist schlesische Aufgebote standen, einer offenen Konfrontation aus dem Weg ging. Im November vermittelte Pfalzgraf Ludwig, ein langjähriger Freund des Markgrafen, einen Frieden zwischen Rudolf I. und Otto V. der bei Licht betrachtet den Status Quo wieder herstellte.
Der Markgraf behielt seine Stellung als Regent in Böhmen bei, musste jedoch mit dem böhmischen Hochadel und Klerus in ernsthafte Verhandlungen treten und vor allem der Königin entgegenkommen. Am Weihnachtstage 1280 traf sich der Markgraf zu Prag mit den dortigen Bischof Tobias von Beneschau (tschechisch: Dobeš z Benešova), der Kopf der böhmischen Opposition gegen das Regiment Ottos V. war. Der Bischof wurde mit Zustimmung aller zur obersten Instanz hinsichtlich der Klagen gegen die bisherigen Missstände im Land bestimmt. Der Markgraf lässt verkünden, dass alle nicht ansässigen Deutschen, die nur um Beute zu machen im Land waren, binnen drei Tagen auszureisen hatten. Ferner wurden ihm 15.000 böhmische Mark in Silber zugesichert, wenn er am 1. Mai des Folgejahres den Kronprinzen wieder auf der Königsburg zu Prag abliefere, wo er fortan von vornehmen Bürgern der Stadt und brandenburgischen Vertrauensleuten des Markgrafen, nach seinen und den Bestimmungen des böhmischen Adels erzogen würde. Auch traf man eine Regelung mit Königinwitwe Kunigunde, wonach sie sich an alle Bestimmungen halten wolle, solange der Markgraf sich seinerseits an den Vertrag hielte. Markgraf Otto schrieb gleich Zu Anfang den neuen Jahres, am 6. Januar 1281 an König Rudolf, dass er wieder im besten Einvernehmen mit der Königin von Böhmen stehe, seiner Tante, wie er sich extra ausdrückte und ihr insgesamt 1.600 Mark jährliche Bezüge zugestanden wurden. Tatsächlich sehen wir Kunigunde und Otto noch im gleichen Monat gemeinsam Urkunden ausstellen. Für den Moment war der Zwist beigelegt und die Befriedung des Landes zumindest in greifbarere Nähe gerückt.

Bald nach diesen Ereignissen zog Otto V. wieder nach Brandenburg zurück, wo er mit seinem Bruder Albrecht am 20. Februar in Sandau an der Elbe zugunsten des Bennediktinerinnenklosters Arendsee urkundet. Als der Termin der Übergabe des Mündels kam, entschuldigte sich das Markgraf, dass er den Knaben nicht nach Prag bringen könne, da ihn dringende Geschäfte davon abhielten sein eigenes Fürstentum zu verlassen. Er erbat sich einen neuen Termin aus. In Böhmen waren mittlerweile die alten Rivalitäten des Landadels erneut in voller Stärke ausgebrochen, mit all den typischen Schrecken für Land und Leute. Das Jahr 1281 brachte dazu eine schlimme Missernte und ebenso das folgende Jahr, so dass sich in Böhmen eine Hungersnot ausbreitete, wie sie dort seit Menschengedenken nicht gesehen wurde. Im Frühjahr 1282 brachte der Markgraf den jungen Thronfolger nach Prag, verlangte nun aber, statt der ursprünglich vereinbarten 15.000 Mark in Silber, derer 20.000 Mark. Nach den verheerenden Zuständen in Folge der Missernte 1281, war der königstreue Adel nicht in der Lage die geforderte Summe aufzubringen, selbst die 15.000 Mark bereiteten größte Schwierigkeiten. Otto V. reiste ohne eine Einigung erzielt zu haben ab und nahm Wenzel wieder mit, den er diesmal an den Wettiner Hof nach Meißen brachte. Nach der Hungerernte 1282 war die Teuerung in Böhmen drastisch gestiegen, die geforderten 20.000 Mark Silber stellten eine große Hürde dar, stattdessen wurde dem Markgrafen diverser Pfandbesitz in Nordböhmen gegeben, worauf es zu einer Einigung kam. Am 24. Mai 1283 kam der Thronfolger wieder in Prag an, wo er mit großem Jubel empfangen wurde. Noch immer zu jung das Königreich zu regieren, übernahm der zwischenzeitlich neue Ehemann seiner Mutter, Zawisch von Falkenstein (tschechisch Záviš z Falkenštejna), das Regiment. Im Jahre 1290 ließ der mittlerweile volljährige Wenzel II. den bisherigen Verwalter, der sich während seiner Regentschaft zahlreiche Kronländereien widerrechtlich angeeignet hatte und sich beharrlich weigerte diese wieder abzutreten, wegen Hochverrat anklagen, verurteilen und hinrichten.

Die mehrjährige böhmische Episode gab einen Einblick in die Charakterwelt Ottos V., dem Haupt der Ottonischen Linie Brandenburgs. Die Art wie er das Amt des Reichsverwesers zu seinen finanziellen Gunsten ausnutzte, wenn auch nicht in skrupelloser Gier, dabei den Kronprinzen der Mutter und seiner bisherigen Umgebung entriss und den größten Teil der Zeit in der Mark unter Aufsicht behielt, deutet auf einen Machtmenschen hin, der mit einem Hang zu Skrupellosigkeit jeden Vorteil zum eigenen Zweck ausnutzte. Er scheute sich nicht das von im verwaltete Land zur Wahrung seiner Rechte in einen Krieg mit dem römisch-deutschen König zu führen. Zweimal kurz vor einem ernsthaften Zusammenprall, konnte Schlimmeres verhütet und ein gütlicher Vergleich ausgehandelt werden. Erstaunlich scheint, dass es im Anschluss nie zu irgendwelchen Verwicklungen zwischen Wenzel II. und seinem ehemaligen Vormund kam. Es darf vermutet werden, dass der junge Kronprinz in Brandenburg trotz aller Abschottung, bescheiden aber mit gebührender Achtung behandelt wurde. Da Wenzel neben seiner Muttersprache, fließend Deutsch und Latein sprach, Theologie-, Medizin- und Rechtskentnisse besaß, muss man davon auszugehen, dass er dies höchstwahrscheinlich schon in der Mark erlernte und nicht erst mit Rückkehr nach Böhmen. Wenzel II. und Otto V. blieben zeitlebens in engem und vertrautem Kontakt. Aus Wenzel sollte einer der mächtigsten Herrscher der Zeit werden. Es gelang ihm sowohl die polnische als auch die ungarische Krone an sich und sein Haus zu bringen, was ihn am Ende sohar mächtiger machte, als selbst seinen großen Vater. Charakterlich waren Vater und Sohn völlig verschieden. Ottokar, von Ehrgeiz angetrieben, auf dem Schlachtfeld zu Hause, während Sohn Wenzel stiller, tief religiös, deutlich mehr dem diplomatischen Aspekt der Politik aufgeschlossen war. Gleichwohl trachtete auch er danach, den Ruhm und Besitz seines Hauses zu mehren, aber mit einem deutlich breiteren Spektrum an Methoden. In seiner Regierungszeit wurden bei Kuttenberg erhebliche Silbervorkommen gefunden, was nach den Jahren des wirtschaftlichen Niedergangs zu großem Wohlstand führte. Dank dieser Geldmittel konnte Wenzel nach den Jahren des Bürgerkriegs und der Entbehrungen, Böhmen im Inneren den Frieden bewahren. Durch vorteilhafte Heirat erweiterte er sein Herrschaftsgebiet ohne dafür zu ausschließlich militärische Mittel zu greifen. Die Chronisten wurden diesem erfolgreichen Herrscher lange nicht gerecht. Aktuellere Bewertungen seiner Regierungszeit rücken vom negativen gefärbten Bild ab und heben dessen friedvolle und erfolgreiche Herrschaft mittlerweile gebührend hervor. Wir lesen noch das eine oder andere Mal über ihn.


Unruhiger Osten und Norden

Die Auseinandersetzung mit dem Erzstift Magdeburg waren noch im Gange, der kriegerische Höhepunkt allerdings überschritten, denn beide Seiten erschöpften sich finanziell zunehmend. Gleichzeitig stand Markgraf Otto V. als Verweser Böhmens im Ringen mit dem dortigen Hochadel und dem Prager Bischof um den zumeist in Spandau gehaltenen Thronerben Wenzel. Beides hätte zur Genüge gereicht, um die ganze Aufmerksamkeit der jeweiligen Markgrafen auf diese Problemstellungen zu konzentrieren, doch zeitgleich war das allgemeine Verhältnis Brandenburgs entlang fast seiner gesamten Nordgrenze zu Pommern, zu Mecklenburg, Schwerin und dem Gebiet der Herren zu Werle, bald auch zur Stadt Lübeck und anderer Städte an der Ostsee angespannt und von ständig auflodernden Fehden erschüttert. Im Osten, in der Neumark, entlang von Warthe und Netze, kam es zeitgleich wiederholt zu Zwischenfällen an der unsteten Grenze. Militärische Auseinandersetzungen mit Herzog Bogislaw VI. von Großpolen endeten erst mit dessen Tod im Frühjahr 1279, so dass wenigstens im Osten eine unsichere, zeitweilige Ruhe eintrat. Durch die kluge Art, wie die Regierungsvorgänger die brandenburgische Gebietsaufteilung seit 1258 vorgenommen hatten, waren beide märkischen Hauptlinien von allen diesen Konflikten in nahezu ähnlicher Weise betroffen und damit mehr oder minder jeder der regierenden Markgrafen kriegerisch involviert, wenn auch die Johanneische Linie die größere Last trug. Die Zusammensetzung der zur Regentschaft gekommenen Markgrafen veränderte sich mit der Zeit zwar durch weitere mündig gewordene Brüder, Halbbrüder und Vettern, wodurch sich das eigentliche Führungsschwergewicht aber nicht wesentlich veränderte. In der Linie des 1266 verstorbenen Markgrafen Johann I., gingen Johann II., Otto IV. und Konrad I. einmütig vor. Die nachwachsenden Vertreter der jüngeren Linie aus Johanns I. zweiter Ehe blieben dabei lange im Hintergrund und auch dann war nur Heinrich ohne Land in Aktion getreten. Wenngleich Johann II. der Erstgeborene war, trat Otto IV. durch sein tatendurstiges Naturell mehr ins Bewusstsein der Zeitgenossen, ohne aber jene Dominanz an den Tag zu legen, wie es ihm bis heute in den meisten Geschichtswerken unterstellt wird. Konrad, jüngster der regierenden Markgrafen aus der älteren Johanneischen Linie, darf neben Johann II. und Otto IV. keineswegs als stiller Teilnehmer missverstanden werden, auch ihn sehen wir auf den meisten offiziellen Schriftstücken der Zeit als völlig gleichberechtigten Mitzeichner urkunden. Seine kaum wahrnehmbare Rolle in der für die Johanneischen Linie so wichtigen, über viele Jahre andauernden Magdeburger Fehde, fiel nur deswegen so gering aus, weil er zur gleichen Zeit im Neumärkischen, in dem ihm zugeteilten Erbstück, die Hauptlast der wiederholten Übergriffe Herzogs Boleslaws VI. zu tragen hatte. Ganz alleine war er dabei dennoch nicht. Unterstützung fand er vor allem in der Ottonischen Linie seiner Vettern und hier besonders durch Markgraf Albrecht III., der anlässlich der dritten und letzten brandenburgischen Teilungsphase von 1266 unter anderem Teile der Neumark erhielt, womit einmal mehr die erstaunlich vorausschauende Teilungspolitik der Väter bewiesen wurde. Markgraf Otto V., der nach dem frühen Unfalltod des älteren Bruders, zum Kopf der Ottonischen Brandenburger wurde, stritt ebenfalls mehrmals gegen den polnischen Piasten, musste dabei aber wiederholt der Übermacht weichen, doch reichte es, die Übergriffe immerhin einzudämmen. Ein größeres Treffen fand im Spätsommer 1278 statt, weswegen Otto V. mit seinen Truppen nicht rechtzeitig in Dürnkrut erschien, wodurch er und sein Kontingent der entsetzlichen Niederlage des böhmischen König Ottokars II. glücklich entging. Bislang bewies Otto V. in dem von ihm geführten Familienzweig jene hervorstechende Präsenz und Dominanz, die von der Geschichtsschreibung dem Vetter Otto IV. aus dem anderen Zweig der Familie nachgesagt wird. Im September 1281 trat diesbezüglich eine Veränderung ein. Am 10. des Monats starb Markgraf Johann II. wodurch Otto IV. nicht nur zum ältesten aller Markgrafen beider Linien aufstieg, er übernahm ganz seiner Natur folgend, innerhalb der Johanneischen Linie jetzt die führende Rolle. Bruder Konrad erscheint dennoch unverändert auf Urkunden, womit die unverbrüchliche Einmütigkeit der Brüder unterstrichen wurde, doch hebt sich Otto IV. fortan über seinen mitregierenden Bruder, wie auch über die Halbbrüder der jüngeren Linie und wie wir sehen werden, auch zunehmend über die Vettern des Ottonischen Zweigs hinaus.
In Verfolgung alter Bestrebungen einen direkten Zugang zur See zu erwerben, trat abermals Lübeck ins Blickfeld brandenburgischer Politik. Ansprüche aus väterlicher Zeit sollten in einem weiteren Anlauf geltend gemacht werden. Wir erinnern uns an die Versuche Markgraf Johanns I. und Ottos III. als Vögte von Lübeck an den reichen Einkünften der Stadt zu partizipieren, die Stadt bei passender Gelegenheit vielleicht sogar ganz unter das markgräfliche Regiment zu bringen. Gelungen ist es seinerzeit nicht. Die zum damaligen Zeitpunkt nach Köln wahrscheinlich wohlhabendste Stadt im Reich, wusste seine Freiheit zu bewahren und war hierfür sogar bereit zeitweise den Schutz Dänemarks zu suchen, mit dem man sonst in genau umgekehrter Weise im Dauerkonflikt stand. Eine Verfügung König Rudolfs brachte im August 1280 in die alten märkischen Ambitionen frische Bewegung. Damals verfügte das Reichsoberhaupt, dass nach dem Tod Herzog Albrechts von Braunschweig, der vor einem Jahr verstorben war, die Verwaltung und Wahrung der Rechte des Reichs in Sachsen und Thüringen neu geregelt werden musste. Die königliche Autorität war im norddeutschen Raum schon seit einigen Generationen daniederliegend. Das jeweilige Haupt an der Spitze des Reichs war zur Wahrung königlicher Interessen genötigt, den unliebsamen aber unumgänglichen Umweg einer Vertreterregelung zu etablieren. Standen im süd- und westdeutschen Raum eine Vielzahl von Reichsstädten oder Amtspersönlichkeiten wie die Burggrafen von Nürnberg als Bewahrer königlicher Interessen zur Seite und war dort gleichzeitig die eigene Hausmacht angesiedelt, blieb seit dem welfischen Kaiser Otto IV. Norddeutschland königsfern. Die dortigen Fürstenhäuser agierten weitestgehend autonom, steuerten der Reichspolitik wenig oder überhaupt keine Ressourcen bei und verhielten sich zuweilen offen oppositionell. Des Weiteren existierten kaum Reichsstädte als königstreues Gegengewicht zu den Territorialfürsten. Die Askanier, sowohl die sächsischen wie die brandenburgischen, spielten als Mittelinstanzen für die römisch-deutschen Könige eine wichtige Rolle, besonders seit die Erzbischöfe von Magdeburg in der Reichspolitik kaum mehr Gewicht hatten.
In der genannten königlichen Verfügung Rudolfs vom 24. August 1280 verkündet er allen Reichsgetreuen, dass er Herzog Albrecht II. (* um 1250; † 1298) von Sachsen-Wittenberg, seinem Schwiegersohn und den Markgrafen Johann II., Otto IV. und Konrad I. von Brandenburg, alle Rechte und Besitzungen des Reichs in Sachsen und Thüringen, die der verstorbene Herzog Albrecht von Braunschweig mit Herzog Albrecht II. von Sachsen in seinem Auftrag bislang in Pflege hatten, zusammen mit der Stadt Lübeck, zur Verwaltung übergeben habe, mit der besonderen Bestimmung die entfremdeten Reichsgüter zu revindizieren, und ermahnt die betreffenden Reichsangehörigen zum Gehorsam gegen diese ihre Pfleger und zur Leistung des Treueides. Der König lag zu dieser Zeit mit Markgraf Otto V., dem Reichsverweser Böhmens und Vormunds des dortigen Thronfolgers, im erneuten Konflikt, wie im vorherigen Abschnitt ausführlich berichtet. Indem der jetzt johanneische Vetternzweig vom König mit der Verwaltung der norddeutschen Reichsgüter und Interessen, besonders aber mit der Vogtei Lübeck beauftragt wurde, neutralisierte er diese auf geschickte Weise und musste nicht mehr fürchten, sie an der Seite Ottos V. intervenieren zu sehen.
Für Lübeck war dieser Schritt gleichwohl ein erschreckendes Szenario. Selbstverständlich wollte der Magistrat seine Freiheiten nicht an die Markgrafen Brandenburgs verlieren, auch nicht einmal in Teilen. Und auch der König konnte daran kein Interesse haben, doch für den Moment war Lübeck der geeignete Köder, um die Johanneische Linie aus Rudolfs Händel mit  ihrem Vetter herauszuhalten. Noch im gleichen Jahr verglichen sich beide Konfliktparteien, ohne dass es zuvor zu größeren Kampfhandlungen kam, worauf es den König bald reute das lübische Kleinod in die Verwaltung der Brandenburger gegeben zu haben. Bis er seine Entscheidung offiziell widerrief, was nicht ohne triftige Gründe ging, war längst schon der Kampf der Stadt mit den Markgrafen ausgebrochen, der sich zum Konflikt entlang der ganzen deutschen  Ostseeküste entwickelte. Im Grenzbereich der nordöstlichen Neumark zu Pommern, kam es zu den üblichen lokalen Verheerungen, die mit den Kriegshandlungen der Zeit wie selbstverständlich einhergingen. Die Landbevölkerung auf den Dörfern, den unbefestigten Städten, wie auch die zahlreichen Klöster, waren stets die hauptsächlich Leittragenden. Zu Schlachten, die dazu geeignet waren den Ausgang eines Krieges zu entscheiden, kam es gemessen an den ungezählten Fehden und Konflikten des Mittelalters, verhältnismäßig selten. In kleinen berittenen Trupps fielen die Kriegsparteien ins grenznahe Gebiet des Gegners ein, plünderten was zu kriegen war, brannten den Rest üblicherweise nieder und zogen mit der Beute und gegebenenfalls Geiseln heimwärts. Kam der Kontrahent mit einer eigenen Schar Kämpfer zum Schutz der Besitzungen, zog man den Rückzug fast stets dem offenen Kampf vor. Diese Art des Kriegs, wurde normalerweise vom jeweiligen Lehnsadel der verfeindeten Seiten vorgenommen. Einer kriegsentscheidenden Strategie folgte das Treiben dabei selten. Es ging um vornehmlich private Beutegier wie auch Rachedurst. Der niedere Landadel, welcher die unentgeltliche Hauptlast des Militärdienstes in Kriegszeiten erbrachte, immer dann wenn ihn sein Lehnsherr dazu aufrief, nutzte Fehden und Kriege, um seine Feldzugausgaben zu bestreiten und wenn immer möglich, daraus auch Gewinn zu erzielen. Die Landesherren ließen die eigenen Leute darin normalerweise gewähren, um die Moral und die Bereitschaft ihrer Leute zur Heerfolge nicht zu untergraben, selbst wenn es militärisch der Sache oft genug abträglich war, weil die eigenen Mannschaften mehr damit beschäftigt waren den nächsten Beutezug zu machen, als in geschlossener Formation einen kampffähigen Verband zu bilden. Dass es bei Plünderungszügen zu allen Arten von Rivalitäten und Neidereien untereinander kam, der Zusammenhalt dadurch weiter beeinträchtigt, nur noch am Rande erwähnt.

Lübeck verweigerte sich zu unterwerfen und einen märkischen Vogt zu dulden, worauf Brandenburg der Stadt in der Folgezeit die Fehde erklärte. Ein dies bestätigendes Schriftstück existiert nicht mehr, doch lassen die einsetzenden Ereignisse kaum Zweifel daran. Militärisch gegen die Stadt vorzugehen, war wie schon zu Zeiten der Väter im Grunde aussichtslos, die städtischen Mauern waren ungewöhnlich gut bewehrt. Brandenburg, gemeint ist hier natürlich die ältere Linie, nun nach dem Tod Johanns II. nur noch von den Markgrafen Otto IV. und Konrad I. vertreten, blieb noch das Mittel des Wirtschaftskriegs. Lübischen Kaufleuten, zumal wenn sie auf der Elbe von und nach Magdeburg verkehrten, wurden die Waren konfisziert, ebenso auf Oder und Havel oder dem Landweg, sofern man dort ihrer habhaft werden konnte. Die Kaufleute Lübecks hatten bald spürbare Einbußen im Binnenhandel mit Schlesien, Böhmen, Meißen, Magdeburg oder Sachsen und mussten vielerorts beträchtliche  Umwege in Kauf nehmen, um nicht brandenburgischen Patrouillen in die Hände zu fallen. Im Frühjahr 1282 schickte Lübeck mit Heinrich von Iserlohn einen Gesandten nach Stendal um dort bei den Markgrafen um einen Waffenstillstand zu ersuchen. Diese gewährten am 1. Mai die erbetene Waffenruhe, welche bis zum 24. Juli, dem Fest des Heiligen Jakobus, andauern sollte. Am 15. Mai revidierte König Rudolf zu Ulm seine im August 1280 gegebene Anordnung und nahm die Übertragung Lübecks an die brandenburgischen Markgrafen zurück. Rudolf brauchte sich zum damaligen Zeitpunkt nicht über etwaige diplomatische Verwicklungen und eine zu erwartende Verschlechterung der Beziehungen zum Johanneischen Zweig zu sorgen, nachdem der Ausgleich mit Markgraf Otto V.  seit Dezember 1280 auf bislang vortreffliche Weise hielt und von dessen Seite mit keiner Intervention zugunsten der Vettern zu rechnen war. Als Reichsoberhaupt war es ganz in Rudolfs Interesse, Lübeck als freie Reichsstadt zu erhalten, zumal sie eine der wenigen des im Nordens war. Sie war nicht nur wichtiges Bollwerk zu Wahrung der Grenzen gegen Dänemark, sie hatte gleichzeitig Vorbildfunktion für weitere Städte im Norden, entlang der Küste, die durch den aufblühenden Seehandel die Oberhoheit ihrer jeweiligen Landesherren abzuschütteln suchten, so die Städte Hamburg, Bremen, Wismar, Rostock, Stralsund, Greifswald, nebst anderen. Wie in einem vorhergehenden Kapitel geschrieben, war durch den mittlerweile fast gänzlich abgeschlossenen Wegfall der Reichskirche, dem König ein wichtiges Gegengewicht gegenüber den Reichsfürsten verloren gegangen. Die unter den Staufern entstehenden Reichsstädte, jede für sich eine Kleinrepublik, füllte das vorhandene Vakuum aus und wurde für den König zum Ersatzinstrument seiner Balancepolitik im Reich. Dass die Einnahmen aus den Reichssteuern der Freien Städte des Weiteren einen wichtigen Beitrag zum königlichen Haushalt leisteten, versteht sich von selbst, weswegen schon alleine deswegen alle Könige bedacht waren, dergleichen Regalien nicht ohne Not zu verpfänden oder wegen anderen Gründen aus der Hand zu geben, und falls doch geschehen, möglichst wieder rückgängig zu machen.
Mit Rudolfs Neuregelung Lübeck betreffend, war die Fehde zwischen Stadt und den brandenburgischen Markgrafen nicht ohne Weiteres beigelegt. Wenn Lübeck nun auch formal unter den Schutz des Reichs zurückgekehrt war, durfte der König nicht erwarten, dass die bisher missachteten Rechte von den Markgrafen vergessen wurden. Mitte Juli rückte das Ende des ausgehandelten Waffenstand näher und abermals machte sich Heinrich von Iserlohn im Namen Lübecks auf den Weg um dieses Mal über die Verlängerung der Waffenruhe zu verhandeln.  Am 21. Juli beurkundeten Otto IV. und Bruder Konrad eine Waffenstillstandsverlängerung bis Michaelis, das heißt bis zum 29. September 1282. Die Urkunde wurde unter der Bedingung ausgestellt, dass die Stadt den Markgrafen nun endlich das gewähren, was ihnen nach der königlichen Schenkung von 1280 zustehe. Es ging um Leistungen, die Lübeck als Steuern üblicherweise an die Vögte abführten. In dem Moment wo Lübeck einmal diese Zahlungen leistete, hätten sie den Anspruch der Markgrafen als ihre Schutzherren der Stadt anerkannt, weswegen es nur ein ganz oder garnicht gab, so lange keine höhere Instanz, der König einen Vergleich erwirkte. In den ersten beiden Jahren war die Verweigerung mit gewissen Risiken verbunden, immerhin existierte jenes königliche Patent, das den Brandenburgern die Vogtei zusicherten. Lübeck konnte sich aber von Beginn an darauf verlassen, dass Rudolf, außer vielleicht Mahnschreiben, so weit im Norden zu keinerlei echten Maßnahmen greifen würde, noch könnte. Die Markgrafen mussten sich ihr Recht selbst durchsetzen und konnten hierbei auf keine Hilfe anderer hoffen, im Gegenteil, die Liste der brandenburgischen Feinde war lang genug, um seitens Lübeck von dort aktive Hilfe erwarten zu können. Jetzt wo der König seine Entscheidung zugunsten der Mark wieder zurückgezogen hatte, ging es für die Stadt nur noch darum den Konflikt auszusitzen und hierzu waren die wiederholten Waffenstillstandsgesuche der Stadt, Mittel zum Zweck. Einerseits konnten sie in den Phasen der Waffenruhe ungestört ihre ausstehenden Binnengeschäfte nach Süden fortführen, andererseits eine Allianz errichten, deren Spitze sich gegen Brandenburg richtete. So lange das königliche Dokument vom 24. August 1280 galt, konnte kaum mit Aussicht auf Erfolg über eine Allianz wider die Markgrafen gerechnet werden, immerhin war das Recht auf ihrer Seite. Jetzt stand dem ganzen nichts mehr im Wege und die Aussichten Ottos IV. und Konrads wurden zusehends schlechter. Der Waffenstillstand, der seit dem Frühherbst beendet war, führte zu erneuten Übergriffsversuchen gegen Lübecker Handelsreisende, die zwischenzeitlich natürlich längst in Gruppen und unter militärischer Deckung ihren Binnengeschäften nachgingen. Mühe und Kosten bedeutete diese Verfahren trotzdem und so kam es auf Bitten der Stadt am mit Wirkung vom 24. November zu einem dritten Waffenstillstand bis zum 2. Februar 1283. Am 7. Dezember kam es zu einer neuerlichen Wendung der Ereignisse, König Rudolf vergab die Schirmvogtei über Lübeck an die sächsischen Herzöge Johann II. und Albrecht III. ab, die aus der Lauenburger Linie Sachsen abstammten und ebenso zu askanischen Verwandtschaft Brandenburgs gehörten. Den Markgrafen waren im Grunde alle Möglichkeiten genommen, um noch zu einer günstigen Einigung mit Lübeck zu gelangen, es sei denn sie hätten einen Krieg mit den Verwandten aus Sachsen-Lauenburg in Kauf genommen. Dem König, der von Lübeck zugunsten seines Vermittlers, des Grafen Günther von Schwarzburg, einen Teil der angefallen Reichssteuer einstrich, konnte die Gefahrenlage, die sich hieraus immerhin noch ergeben konnte, alles andere als recht sein. Selbst im offen ausgetragenen Konflikt mit Savoyen, brauchte er Ruhe in norddeutschen Reichsteil, er lud daher in einem in Basel ausgefertigten Schreiben vom 11. März 1283 zu einem auf Pfingsten 1283 anberaumten Hoftag an den Niederrhein ein. Aus einem zeitgleichen Schreiben des oben erwähnten Grafen von Schwarzburg, entnehmen wir dessen Aussage gegenüber dem Magistrat und den Bürgern Lübecks, dass er die Abgesandten der Markgrafen am königlichen Hoflager angetroffen habe, diese sich beim König über die Stadt beklagten, wogegen er sich im Sinne Lübecks verwendete. Die Markgrafen pflichteten im Anschluss dem königlichen Entscheid hinsichtlich der Wegnahme der Lübecker Vogtei notgedrungen bei, und hofften auf einen günstigen Vergleich anlässlich des zu Pfingsten anberaumten Hoftags, der dann nie stattfand, da Rudolf sich zu diesem Zeitpunkt im Krieg mit Savoyen befand.

Für Otto IV. und Bruder Konrad trübte sich die Lage ein, besonders als sich am 14. Juni 1283 ein großes Landfriedensbündnis gegen Brandenburg bildete. Herzog Johann I. von Sachsen, Herzog Bogislaw IV. von Pommern, Fürst Wizlaw II. von Rügen, die Herren von Werle und Mecklenburg, die Grafen von Schwerin und Dannenberg sowie die Städte Lübeck, Rostock, Stralsund, Greifswald, Stettin, Demmin und Anklam, gehen ein Schutz- und Trutzbündnis ein, wodurch Brandenburg allem ersten Anschein nach, jedweder Aktionsmöglichkeiten gegen Lübeck beraubt wurde. Die Festigkeit des Bündnis erwies sich derweil als deutlich weniger stabil, die Glieder als wesentlich weniger geeint, als es vordergründig zu erwarten gewesen wäre. Während all der Zeit, in der Brandenburg seine Rechte bezüglich Lübeck durchzusetzen suchte, loderte der Kampf mit dem Herzogtum Pommern, wo Herzog Bogislaw IV. seit 1278 die Regierung führte. Über die beiden Halbbrüder Barnim II. und Otto I., Söhne einer Cousine der Markgrafen, beide noch minderjährig, übte er damals noch die Vormundschaft aus. Es ging dabei neben allgemeinen Grenzdisputen unter den jeweiligen Lehnsleuten, vor allem um die alte Frage der Lehnshoheit Brandenburgs über Pommern. Der Konflikt  verlor vordergründig seine Lübecker Komponente und wurde zu einem Streit entlang der südlichen Ostseeküste, worunter der Handel Lübecks  wiederum erheblich litt, weswegen die dem König vorgebrachten Klagen der Stadt hinsichtlich allerlei brandenburgischer Gewaltakte, und umgekehrt die märkischen Gegendarstellungen, nicht abrissen. Dem König lag viel daran endlich den Norden zu befrieden. Vom 5. Juni 1284 ist uns ein Dokument erhalten, worin Rudolf eine Gesandtschaft an alle Konfliktparteien in Aussicht stellte, um den vorherrschenden Kriegszustand beizulegen. Im gleichen Zusammenhang steht ein weiteres Schreiben, das an seinen Schwiegersohn Herzog Albrecht II. von Sachsen-Wittenberg gerichtet war, worin er diesen ermahnt, nicht an der Seite Brandenburgs gegen die wendischen Herren, gemeint waren damit die Fürstentümer in Mecklenburg, Werle, Pommern, Rügen sowie die schon genannten Hansestädte, zu intervenieren, und stattdessen einen Frieden zu vermitteln.

Am 13. August 1284 kam es endlich zum großen Frieden. Im märkischen Vierraden an der Welse, einem linken Nebenfluss der Oder, trafen sich die Bevollmächtigten aller Konfliktteilnehmer und handelten die für Brandenburg hinsichtlich der weiteren Sukzessionsrechte auf Pommern nicht ungünstigen  Friedensbedingungen aus. Der Friede von Vierraden schloss nicht nur die bisher hauptsächlich involvierten Markgrafen Otto IV. und Konrad aus der Johanneischen Linie ein, in gleicher Weise war die Ottonische Linie um Otto V., Albrecht III. und Otto VI. einbezogen. Der jahrelange Krieg im Norden war beigelegt.


Wechsel an der Spitze des Reichs

König Rudolf I. war wie im letzten Kapitel gesehen, anlässlich seiner Wahl zum römisch-deutschen König bereits in fortgeschrittenem Alter. Gegen alle Erwartungen erwies er sich nicht nur als langlebiges, sondern auch als erfolgreiches Haupt an der Spitze des Reichs, das durch seine ausgeprägte Heiratspolitik, wie auch durch seine erfolgreiche Mehrung der habsburgischen Hausmacht, den Grundstein zum Aufstieg der Habsburger schuf. Über die Schwierigkeiten in Bezug auf die Erlangung der Kaiserkrone wurde gesprochen. Zu Beginn seiner Regentschaft, als die Gelegenheit günstig erschien, hielten ihn der Konflikt mit Ottokar II. von Böhmen davon ab das Vorhaben zügig umzusetzen. Als die böhmische Krise einen blutigen Ausgang genommen hatte, verhinderte der Tod des ihm zugeneigten Papst Gregor X. die anschließende Umsetzung und es musste mit dem Nachfolger erneut die Verhandlungen begonnen werden. In rascher Folge wurden Innozenz V., Hadrian V., Johannes XXI., Nikolaus III., Martin IV., Honorius IV. und schlussendlich Nikolaus IV. gewählt. Die meisten Päpste starben so schnell, dass seitens der königlichen Kanzlei teilweise kaum die notwendigen Kontakte eingeleitet werden konnten. Die Zeiten, in denen die deutschen Könige an der Spitze eines kriegsgewaltigen Heeres nach Rom zogen, um den Papst, war er nicht freiwillig dazu bereit die Kaiserkrönung vorzunehmen, unter Androhung oder Anwendung von Gewalt zu zwingen, ihn notwendigenfalls auszutauschen, war vorbei. Dem königlichen Romzug an der Spitze eines Heers kam nunmehr hauptsächlich ein symbolischer Charakter zu. Insgesamt bestanden in den 18 Regierungsjahren des Königs drei konkrete Termine zum Erwerb der Kaiserkrone. Zwei in den ersten Jahren seiner Regentschaft, die aber wie geschildert geprägt waren vom Gegensatz zu Ottokar II. von Böhmen und einen Termin vom 2. Februar 1287, während es Pontifikats Papst Honorius IV. Letzterer scheiterte an innenpolitischen Problemen mit den Wahlfürsten des Reichs. Rudolf gab die Idee der Kaiserkrone dennoch bis zuletzt, bis ins hohe Alter nicht auf. Zwischenzeitlich waren von seinen vier Söhnen außer der erstgeborene Albrecht, alle anderen verstorben. Karl, der jüngste von vier Söhnen 1276, nich im Jahr seiner Geburt, Hartmann, der erklärte Favorit Rudolfs, starb im Jahre 1281, mit 18 Jahren und Rudolf II. im Jahre 1290, im Alter von 20. Rudolfs lange Fixierung auf seinen gleichnamigen Sohn als Nachfolger, rächte sich nach dessen Tod bitter. Der hochbetagte König musste die Kurfürsten nun auf Albrecht einstimmen, doch lief ihm, das fühlte er, die Zeit davon. Obwohl mit allen weltlichen Kurfürstenfamilien zwischenzeitlich ein Ehebündnis bestand, so war Mathilde mit Pfalzgraf Ludwig II. verheiratet, Agnes mit Herzog Albrecht II. von Sachsen, Hedwig mit Markgraf Otto VI. von Brandenburg und Guta mit König Wenzel II. von Böhmen, erreichte Rudolf I. am 20. Mai 1291 anlässlich des Frankfurter Hoftags von den dort anwesenden Kurfürsten keine Zustimmung für seinen Sohn Albrecht. Aus Brandenburg und Böhmen war überhaupt niemand zum Hoftag erschienen. Wenzel II. erhob alte böhmische Gebietsansprüche auf Österreich, Kärnten und die Steiermark und prallte hier natürlich auf die Interessen des Hauses Habsburg. Im Südwesten, wo  im Aargau die ursprünglichen Stammlande lagen, und wo Rudolf noch vor seiner Berufung zum König starke Gebietsvergrößerung im Badischen und im Elsass vornahm, nicht ohne die lokalen Mittelmächte in Sorge zu versetzen, nahm die oppositionelle Haltung zu, besonders in den Gebieten der heutigen Schweiz. Eine Verlagerung des Habsburger Machtzentrums vom Südwesten in den Südosten, zeichnete sich ab.

War Wenzel II. nach dessen Heirat mit einer Tochter Rudolfs Anfangs noch gefügig und dessen Stimme für Rudolfs gleichnamigem Sohn mit allerlei Privilegien erkauft worden, änderte sich Wenzels Haltung unmittelbar mit dem vorzeitigen Tod dieses Sohns. Der böhmische Regent war dabei nicht der einzige Wahlfürst, dessen Stimme nicht für Albrecht, des Königs ältesten Sohn, zu erlangen war. Auch der Erzbischof von Köln, Siegfried von Westerburg, hatte eigene Pläne. Theoretisch blieben noch fünf potenzielle Stimmen für Rudolfs Sohn übrig, von denen nur jene des Pfalzgrafen Ludwig von Wittelsbach als gesichert galt. Die Erzbischöfe aus Mainz und Trier wahren wankelmütig. Sachsen, eigentlich habsburgisch gesinnt, war seit dem Sinneswandels Wenzels, heftig von Böhmen umgarnt worden. Vor diesem Hintergrund erscheint es erstaunlich, dass Rudolf I. sich nicht deutlich mehr um Brandenburg bemühte. Es rächte sich jetzt in vollem Ausmaß, dass die königliche Politik, die heute diese, morgen die andere Linie des Hauses Brandenburg favorisierte, damit letztendlich beide Zweige missachtete und gegeneinander auszuspielen suchte. Gerade die ältere Johanneische Linie, die über keine verwandtschaftlichen Banden zum böhmischen Königshaus verfügte und demgemäß noch am leichtesten für Rudolf zu gewinnen gewesen wäre, wird auffallend geringschätzig behandelt, sieht man von Rudolfs politischem Winkelzug des Jahres 1280 einmal ab, als er dieser Linie das Reichsvikariat im nordsächsischen Raum zuerkannte, am Vorabend seines Feldzugs gegen den Vetter Markgraf Otto V., dem damaligem Verweser Böhmens.
Bis zu seinem Tode setzte sich Rudolf, zu spät wie sich zeigte, für den Sohn als Nachfolger ein. Die erwähnte Niederlage anlässlich des Hoftags zu Frankfurt Mai 1291, als es ihm in einer letzten Kraftanstrengung misslang Albrecht die notwendigen Stimmen unter den versammelten Fürsten zu verschaffen, kosteten den schwer an Gicht leidenden König, zwischenzeitlich 73 Jahre alt, die letzten körperlichen Reserven, er fühlte dass sein Ende bevorstand. Noch einmal alle Kraft aufwendend, reiste er über Mainz, Landau, Germersheim nach Hagenau, wo er überall noch zahlreiche Urkunden und Regentschaftstätigkeiten ausübte, bevor ein letztes Mal nach Germersheim kam und am Vortag seines Todes, dem 14. Juli 1291, den herannehmenden Tod voll fester Zuversicht spürte. Aus eigenem Entschluss reiste er von dort ins nahegelegene Speyer, wo in der Krypta des salischen Kaiserdoms die Gebeine vieler seiner Amtsvorgänger lagen und er neben dem Grab Philipps von Schwaben beigesetzt werden wollte. Am Abend des 15. Juli, bis zum Schluss im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte und der Rede mächtig, starb Rudolf I. schlussendlich an Altersschwäche, nach einem langen Leben, das ihn vom kleinen Schweizer Grafen, zum König des Heiligen Römischen Reichs führte und zum Begründer der Habsburger Macht.

Der Thron des Reichs war wieder vakant und sofort bildeten sich drei Blöcke. Der erste wurde gebildet von Albrecht, des verstorbenen Königs Erstgeborener. Er hatte die Stimme seines Schwagers, des Pfalzgrafen Ludwig, dem er verschieden Burglehen dafür versprach, sowie den Erzbischof von Trier. Ein streng oppositioneller Block wurde vom Kölner Erzbischof Siegfried von Westerburg angeführt, der im April 1275 vom verstorbenem König mit den weltlichen Regalien eines Reichsfürsten ausgestattet wurde. Am 5. Juni 1288 war der Erzbischof und seine Verbündeten in der Schlacht bei Worringen einer Allianz um Herzog Johann I. von Brabant unterlegen und seither erodierte seine Macht, die er mit der Positionierung eines eigenen Königskandidaten zu restaurieren suchte. Graf Adolf von Nassau, einer seiner Verbündeten von 1288, war der von ihm ins Rennen geworfene Kandidat. Ein dritter Block bildete sich um König Wenzel II. von Böhmen. Hinter ihm stand nicht nur die eigene Kurstimme, auch jene aus Sachsen und Brandenburg schlossen sich seinem Urteil an, ohne eigene Kandidaten oder Ambitionen auch nur in Erwägung zu ziehen. Bevor wir noch auf den Mainzer Erzbischof zu sprechen kommen, noch einige Sätze zur brandenburgischen Stimme. Dem Brauch gemäß wäre die Kurstimme bei der Johanneischen Linie, da sie auf den erstgeborenen Markgrafen Johann I. zurückreichte, der seinem Bruder Otto III. seinerseits zwar freiwillig die uneingeschränkte Mitregentschaft einräumte, sich und seinem Zweig aber das Privileg der Königswahl vorbehielt. Jetzt, mehr als 30 Jahre nach dem Tod Johanns I. und Ottos III., machte Markgraf Otto V. das Vorrecht zur Königswahl innerhalb der brandenburgischen Zweigen, dem ältesten unter ihnen, Otto IV., seinem Vetter, zunehmend streitig. Otto V. hielt sich fast naturgemäß an sein ehemaliges Mündel, König Wenzel II. von Böhmen, zu dem, nach den Jahren des brandenburgischen Exils, gegen alle Erwartungen, weiterhin ein gutes und vertrauensvolles Verhältnis bestand. Markgraf Otto IV. aus der Johanneischen Linie war bezüglich der Stimmausübung in einer Zwickmühle. Den Habsburger Albrecht lehnte er ab, die Episode um Lübeck war, obwohl Jahre zurückliegend, nicht vergessen. Das Verhältnis zu den Habsburgern blieb zu Lebzeiten Rudolfs I. unterkühlt. Otto IV. wollte sich nicht vom jüngeren Vetter in die böhmische Partei drängen lassen, sondern den eigenen Handlungsspielraum erhalten. In Ermangelung anderer Alternativen, blieb daher nur die Annäherung an den Block Erzbischof Siegfrieds von Köln.

Kommen wir noch auf den Mainzer Erzbischof Gerhard II. von Eppstein zu sprechen. Dieser war ganz antihabsburgisch, wozu wesentlich die königliche Politik in Thüringen eine Rolle spielte und mit den Mainzer Interessen in diesem Gebiet kollidierten. Erinnern wir uns, Rudolf I. vergab das Reichsvikariat für Sachsen, gemeint ist der Norddeutsche Raum, und Thüringen, womit der mitteldeutsche Raum ostwärts der Landgrafschaft Hessen zu verstehen ist, 1280 an die askanischen Fürsten in Sachsen und Brandenburg, womit der Einfluss der Mainzer Erzdiözese in Thüringen bewusst vom König ausgehebelt werden sollte. Gerhard von Eppstein unterstützte demgemäß ebenfalls den Grafen Adolf von Nassau, der dem Mainzer Kirchenfürsten nicht nur seine alten Rechte auf das Vikariat in Thüringen in Aussicht stellte, sondern auch zahlreiche thüringische Burgen. Die Angelegenheit verkomplizierte sich dadurch, dass Adolf von Nassau vom Kölner Erzbischof, dem in Reichsangelegenheiten geradezu natürlichen Rivalen des Mainzer Metropoliten, ins Spiel gebracht wurde und Erzbischof Siegfried anlässlich der anstehenden Wahl die Initiative an sich riss, womit er seinen Mainzer Amtskollegen herausforderte, der darin seit alters her das Vorrecht bei Mainz sah. Entsprechend kam es, obwohl man den gleichen Kandidaten unterstütze, zu diplomatischem Geplänkel, auf das hier nicht weiter eingegangen wird.

Das Jahr 1291 ging zu Ende, ohne dass es zur Königswahl kam. Alle Seiten brachten sich in Positur, sie fühlten vor, was sie von welchem der Kandidaten für die Zusage ihrer Kurstimme zu erwarten hatten. Adolf von Nassau wusste wie er Wenzel locken konnte und stellte den Wiedererwerb Österreichs, Kärntens und der Steiermark in Aussicht. Ernst konnte er es damit nicht meinen, doch reichte es um Böhmen zu locken und in dessen Schlepptau auch Sachsen zu gewinnen. Hinsichtlich Brandenburg konnte er zur Not, sollte Otto IV. sich sträuben, auf Otto V. zurückgreifen, der für das Wahlprivileg seine Stimme gern gegeben hätte und dies umso mehr, als er mit Wenzel ohnehin in Sachen Königswahl im Einvernehmen stand. Otto IV. blieb nur die Wahl Adolfs übrig, demgemäß galt es daraus Kapital zu schlagen. Im Todesjahr des alten Königs erwarb Otto IV. die Mark Landsberg, den nördlichen Teil davon. Es handelte sich dabei um einen Landstrich nördlich von Leipzig, zwischen Saale und Mulde, der 1261 vom damaligen Markgrafen Heinrich III. von Meißen, über den wir im Zuge des Teltow-Kriegs vor einigen Kapiteln berichtet hatten, für seinen jüngsten Sohn Dietrich eigens geschaffen wurde. Die widerrechtliche Zerstückelung eines Reichsterritoriums ohne Zustimmung des amtierenden Königs oder Kaisers, war gegen geltendes Recht, blieb aber damals ohne Folgen. 1285 starb Dietrich kinderlos auf der Rückreise vom Ordensstaat, wo er wiederholt den Deutschen Ritterorden im Kampf gegen die Prußen unterstützte. Das Gebiet fiel an den älteren Sohn Heinrichs III., an Albrecht den Entarteten. Dieser verkaufte aus Geldnot 1291 das Markgrafentum Landsberg an Brandenburg. Um den reichsrechtlich wackeligen Besitz von königlicher Seite legitimieren zu lassen, war Otto IV. bereit Adolf im Gegenzug der Anerkennung, die seine brandenburgische Kurstimme bei der Königswahl zu geben.

Die Würfel waren im Grunde gefallen, das erkannte nun auch der Mainzer Erzbischof. Sein Kölner Amtskollege hatte ihm den den Rang abgelaufen. Er musste aufpassen, dass dieser nicht auch noch den Wahltag bestimmte und ihm auch dieses wichtige Privileg abspenstig machen würde. So sputete er sich die Wahlfürsten auf den 2. Mai nach Frankfurt zur Wahl zu laden. Es musste in Jedermanns Interesse liegen, die Wahl zweier Könige zu vermeiden, denn noch hatte Pfalzgraf Ludwig seinen Habsburger Kandidaten und Schwager nicht aufgegeben, diesem am 13. April 1292 in München sogar geschworen, niemand anderem als ihn, Albrecht von Österreich die Stimme zu geben. Sollte ein kriegerischer Thronstreit verhütet werden, musste jetzt schnell gehandelt werden, bevor Albrecht, wie die Gerüchte es schon besagten, mit einem Heer Richtung Frankfurt auf dem Weg war. Schließlich kam es mit dreitägiger Verspätung am 5. Mai zum anberaumten Wahlakt. An diesem Tag erst erschienen die Bevollmächtigten des böhmischen Königs, der nach eidlicher Aussage der Gesandten unpässlich wäre und daher nicht selbst in Frankfurt erschien. Die böhmischen Abgesandten übertrugen auf Geheis Wenzels II. dessen Stimme auf Erzbischof Gerhard von Mainz. Die Mehrheitsverhältnisse war jetzt klar zugunsten des Nassauer Grafen Adolf. Pfalzgraf Ludwig sah ein, dass sein Schwager Albrecht nicht mehr durchzusetzen war und gab letztlich seine Stimme dem Grafen, ebenso der Erzbischof von Trier, so dass es zu einer einstimmigen Wahl kam.

König Adolf I. von Nassau

Auf die Kür zu Frankfurt, folgte am 24. Juni 1292 die Krönung in Aachen. Die Zeremonie wurde vom Kölner Erzbischof Siegfried durchgeführt, der mit größtem Wert darauf pochte, dass der Krönungsakt über dem Wahlakt stehe, womit die Rivalität zum Mainzer Amtskollegen bezüglich des höheren Ansehens und Stands im Reich abermals deutlich zum Vorschein kam. Markgraf Otto IV. von Brandenburg war bei den Feierlichkeiten anwesend und blieb auch die folgenden Tage im Umfeld des neugekrönten Königs. Am 1. Juli sehen wir ihn unter den Zeugen, als Adolf der Reichsstadt Aachen, dem zwischenzeitlichen  Brauch folgend, die Privilegien und Regalien bestätigte. Leider sind keine sonstigen Dokumente vorhanden, woraus weitere Aktivitäten oder gar Zuwendungen zugunsten des Brandenburger Fürsten ersichtlich würden. Wir können davon ausgehen, dass Otto IV. die Zeit im Kreis des Königs nutzte, um ihm zu huldigen und dafür seine Reichslehen vom König empfing. Vergleicht man die reichen Schenkungen und Zugeständnisse, wie sie die drei rheinischen Erzbischöfe erhielten oder Wenzel von Böhmen, sogar Pfalzgraf Ludwig, so erscheint es verwunderlich, dass Brandenburg, dass seine markgräflichen Regenten, scheinbar leer ausgingen. Viel Aufsehen wurde augenscheinlich nicht darum gemacht, wir lesen zumindest an keiner Stelle von irgendwelchen Verstimmungen. Man kann es als Indiz werten, dass Brandenburg eben nicht ganz leer ausging, bzw. im Hinblick auf den weiter oben erwähnten Kauf der Mark Landsberg vom König in vollem Umfang die bislang wackelige Belehnung erhielt. In Sachen Reichspolitik führten die momentan regierenden Markgrafen alle mehr oder weniger das seit Generationen unter den brandenburgischen Askaniern zurückhaltende, teilweise gänzlich ausbleibende Engagement fort, doch trat hier eine merkliche Änderung ein. Wundern kann man sich über das fehlende Engagement schon verwundert dies nicht schon. Bei der großen Zahl von Brüdern, Halbbrüdern und Vettern, wären zumindest bei einem oder zwei diesbezüglich mehr Ambitionen zu erwarten gewesen. Und gerade die latente Rivalität beider brandenburgischen Linien war vorzüglich dazu geeignet, sich zur eigenen Vorteilsgewinnung dem König anzubiedern. Unter Rudolf I. war sicherlich der langjährige Konflikt mit Markgraf Otto V. ausschlaggebender Hinderungsgrund, während die Vertreter der Johannenischen Linie, allen voran Otto IV., mit den zahlreichen Konflikten der Zeit alle Hände voll zu tun hatten. Alles in allem dürfte die Expansionspolitik im ostelbischen Raum und jenseits der Oder im Hinblick auf Brandenburgs Interessen im letzten Drittel des 13. Jahrhundert von deutlich wichtigerer und aussichtsreicherer Bedeutung gewesen sein, als die Nähe zum jeweiligen, zumeist schwachen Königshaus, das seit dem Ende der Staufer von vier, bzw. fünf verschiedenen Dynastien gestellt wurde. Mischte sich das jeweils amtierende Reichsoberhaupt, gleich wer immer es auch war, nicht weiter in die regionalen Verhältnisse im ostelbischen Raum und jenseits davon ein, war für die Markgrafen allemal mehr gewonnen, als der Reichsdienst es wohl je hätte vermocht.


Markgraf Otto IV.

Die bisherige Geschichtsschreibung erwähnt im Anschluss an die Regierungszeit der beiden großen markgräflichen Brüder Johann I. und Otto III. für gewöhnlich Otto IV. als den maßgebliche Regenten, der die Geschicke Brandenburgs bis ins 14. Jahrhundert hinein bestimmte. Ein Blick in die überlieferten Schriftstücke zwischen 1266/67 und 1300 zeichnet allerdings ein anderes Bild. Mit dem Tod Ottos III. im Jahre 1267, kam es in den von ihnen seit 1258 in drei Wellen geschaffenen Landesteilen, zu jenen beschriebenen teilselbstständigen Regierungen, wie es zuvor in groben Zügen festgelegt wurde. Dabei war nicht nur jeweils der älteste beider  Hauptlinien, der Johanneischen und der Ottonischen, Regent, sondern auch innerhalb dieser Linien die sonstigen volljährigen Söhne. Den Erstgeborenen beider Zweige kam dennoch die frühe Geburt zugute, was sich bei Johann II. beispielsweise im Vorrecht zur Königswahl bemerkbar machte.

Die aufgeheizte politische Lage, die zahlreichen Konflikte mit nahezu allen Nachbarn, Böhmen bildete durch die enge Verwandtschaft zur Ottonischen Linie und Braunschweig zur Johanneischen die Ausnahme, verhinderten den Ausbruch offener Rivalitäten innerhalb des brandenburgischen Markgrafenklans.  Doch Heiratsverbindungen alleine waren aber kein Garant für Frieden mit den Nachbarn, wie das Beispiel Großpolens zeigte. Wenn widerstreitende Interessen aufeinandertrafen, halfen auch Verschwägerungen nichts. Trotz der Verwicklungen nach außen, konnten auf Dauer innerhalb der brandenburgischen Askanier Zusammenstöße nicht ganz ausbleiben, nicht bei so vielen Regenten. Dass Interessenskonflikte bestanden, zeigte sich schon anlässlich der Wahl Rudolfs von Habsburg zum römischen-deutschen König. Otto V. versucht sich und den von ihm seit dem Tod des älteren Bruders geführten Zweig aus der zweiten Reihe treten zu lassen und im Bezug auf das Wahlrecht die gleichen Rechte eingeräumt zu bekommen. Zum offenen Streit oder Bruch kam es dabei nicht, die Angelegenheit wurde zwischen Johann II. einerseits und Otto V. anderseits latent ausgetragen.

Wappen Markgraf Ottos IV.

Als auch im johanneischen Zweig der Erstgeborene verstarb, trat nun Otto IV. mit energischerem Auftreten für das ältere Vorrecht seines Zweigs ein. Der bislang unterdrückte Machtkampf beider Vetternlinien gewann an Schärfe. Es kam in der Folge zwischen beiden Zweigen wenigstens zweimal zu kriegerischen Auseinandersetzungen, wobei anlässlich des ersten Vorfalls noch der nachsichtigere Johann II. lebte. In beiden Fällen waren vordergründig zwar unterschiedliche Bündnisse Ursache und nicht offen ausgebrochene Konflikte untereinander, doch bleibt ein Beigeschmack zurück. Das erste Mal, weiter oben wurde davon berichtet, stand Otto IV. als Verbündeter des Herzogs Albrecht von Braunschweig bei dessen Fehde gegen den Bischof von Hildesheim, ein leiblicher Bruder des Welfen, gegen Vetter Albrecht III. von Brandenburg gegenüber. Es kam glücklicherweise nicht zum Kampf. Albrecht setzte sich am Vorabend der erwarteten Schlacht mit seinem Kontingent vom Lager des verbündeten Erzbischofs von Magdeburg ab, beides waren die Alliierte des Hildesheimer Bischofs. Er wollte einem Kampf mit dem Verwandten auszuweichen, womit er die kampflose Niederlage seiner Alliierten einleitete. Ganz offenbar hatte er wenig Zweifel dass Otto IV. es auf einen Waffengang hätte ankommen lassen. Bruder Otto V., damals seit kurzer Zeit Verweser Böhmens, eilte in die Altmark um zu vermitteln, auch er schien die Entschlossenheits des Vetters nicht zu bezweifeln. Der baldige Friedensschluss verhinderte Schlimmeres. In den frühen 1290‘er Jahren standen sich dann Otto IV. und Otto V. südwestlich von Brandenburg an der Havel, bei Ziesar gegenüber. Otto V. war als Schwiegervater des schlesischen Piasten Heinrich IV., dem Herzog von Schlesien und seit 1288 als Heinrich III. gleichzeitig Seniorherzog von Polen, an dessen Seite. Diesmal war ein Zusammentreffen nicht mehr zu vermeiden und es kam beim erwähnten Ort zur Schlacht aus der Otto IV. als Sieger hervorging. Details zum Hergang, sowie die Zahl der Truppen oder Verluste sind nicht bekannt. Vielleicht war der Unterlegene zögerlich, scheute wie schon einst der jüngere Bruder den Kampf mit dem Verwandten. Vielleicht war der Sieger entschlossener und sah überhaupt in dem Zusammentreffen die geeignete Gelegenheit seinen Führungsanspruch geltend zu machen. Wir können es letztendlich nicht beantworten, doch gewann Otto IV. zunehmend die Kontrollen hinsichtlich der brandenburgischen Politik und man konnte mittlerweile von einer Dominanz seinerseits sprechen.

Aus dem langen Konflikt mit dem Erzstift Magdeburg wissen wir noch gut, dass Otto IV. trotz wiederholter Niederlagen, trotz Gefangennahme und kostspieliger Auslösung, trotz gefährlicher Verletzung durch einen Pfeil, dessen Spitze er längere Zeit in der Stirn trug, seine Ziele mit großer Beharrlichkeit und Ausdauer verfolgte. Eine Eigenschaft, die Ausdruck besonderer Zähigkeit und eisernem Durchhaltewillen war. Doch nicht nur durch seine zahlreichen Feldzüge, in brandenburgischer Sache oder als Waffengefährte von Verbündeten, war der Markgraf im Reich bekannt. Er war daneben wegen seiner Fertigkeiten als Turnierkämpfer ebenso bewundert, wie als Minnesänger, wenn auch auch in der letztgenannten Disziplin nicht zu den Meistern der Zeit gehörte. Immerhin sieben seiner Lieder sind in Mittelhochdeutscher Sprache überliefert.

Im Codex Manesse, dem berühmtesten erhaltenen Liederbuch des Mittelalters in deutscher Sprache, taucht Otto IV. unter den insgesamt 138 reich kolorierten Miniaturen schon früh, an prominenter sechster Stelle auf, nach Kaiser Heinrich, drei Königen und einem Herzog. Das Liederbuch, seit 1888 in der Universitätsbibliothek Heidelberg aufbewahrt, wurde Anfang 1300 begonnen, also noch zu Lebzeiten des Markgrafen. Fast alle im  Codex verewigten Protagonisten waren zu dieser Zeit längst verstorben. Otto IV. war im Reich augenscheinlich so etwas wie eine lebende Legende geworden. Die Pfeilverletzung am Kopf und die spektakuläre Tatsache, dass sie über einen längeren Zeitraum in der Stirn verblieb, hinderte ihn nicht daran seinen vielfältigen Geschäften nachzugehen, wozu auch die Fortführung diverser Feldzüge gehörte. Vermutlich trug speziell dieser Umstand zur Legendenbildung bei.

Trotz aller Prominenz im Reich und der zwischenzeitlichen Akzeptanz seines Führungsanspruchs innerhalb der brandenburgischen Regenten, von denen zwar die ältesten zwei verstorben, dafür aber selbst die jüngsten herangewachsen waren, zum Teil sogar schon eine zweite Generation der Mündigkeit entgegenstrebte, warf seine eigene Kinderlosigkeit einen dunklen Schatten über ein sonst schillerndes Dasein. Die Geburt eines Nachfolgers, überhaupt die Geburt eines Kindes, war ihm nicht vergönnt. Er verbitterte daran mit zunehmendem Alter und fügte sich erst in späten Jahren dem Gedanken einen Neffen in die Regierungsgeschäfte einzuführen und an seiner Seite zu dulden, doch davon später.


Gebietserwerbungen

Eine umfassende Landnahme durch Unterwerfung heidnischer Gebiete, wie sie unter den Vorvätern seit Albrecht I. erfolgte, war in dieser Generation nicht mehr möglich. Hierzu hatten sich die Vorraussetzungen fundamental geändert. Die letzten Flecken autonomer, mit heidnischen Slawen bewohnter Landstriche östlich und besonders westlich der Oder waren verschwunden, alles war unter die Herrschaft christlicher Fürsten gelangt. Die früh christianisierten Reiche Böhmen und Polen, letzteres war zwischenzeitlich in eine Reihe teilunabhängiger Herzogtümer zersplittert, nahmen eine Sonderrolle ein. Die am Übergang vom Früh- zum Hochmittelalter von ihren Anführern betriebene Selbstchristianisierung, war dem damaligen Druck und den Verhältnissen der Zeit geschuldet. Hierdurch bewahrten sie sich und ihre Völkerschaften vor zu erwartender Fremdherrschaft. Dem Beispiel und gleichen Druck folgend, wenn auch deutlich später, sehen wir Pommern und andere slawischen Gebiete entlang der Ostseeküste, zwischen der Trave im Westen und der Weichsel im Osten vorgehen. Auch dort erkannte man die Zeichen der Zeit und beugte sich dem Unvermeidbaren. Zunächst bekannten sich die Stammesfürsten, mit ihnen der untergeordnete regionale Adel formell zum Christentum. Dass sie weiterhin ihre Bräuche in fast unveränderter, altbekannter, nun christlich adaptierter Weise betrieben, sei nur am Rande erwähnt. Sie unterschieden sich darin nicht von den Praktiken der einst christianisierten Germanen. Ein großer Teil der kirchlichen Feiertage fußt bis heute auf alten Festen und Bräuche bekehrter Heidenvölker.

Im unmittelbaren Einzugsbereich des römisch-deutschen Reichs gab es am Übergang ins Spätmittelalter keine zu bekehrenden Heiden mehr, wodurch die Unterwerfung nicht christlicher Gebiete eine Ende fand. Die brandenburgischen Markgrafen seit Albrecht I. waren in diesem Zusammenhang zweifelsfrei die großen Gewinner. Vor dem Jahr 1150 bestand der askanische Besitz bis auf wenige und bescheidene Gebiete in der rechtselbischen Zauche und um Havelberg, aus anhaltinischem Streubesitz und der Altmark links der Elbe,  damals noch als die Nordmark bekannt. Diese Nordmark waren die Gebietsrelikte der von Kaiser Otto I. errichteten einstigen Grenzmark. Die Regionen rechts der Elbe gingen bekannterweise während der großen Slawenaufständen 983 verloren. Nach einem ereignisreichen Sommer 1156, wurde die Mark Brandenburg geschaffen. Sie wurde nicht in einem feierlichen Akt konstituiert und ausgerufen, zumindest belegen diese keine erhalten gebliebenen Zeugnisse, und doch kann man dieses Jahr zweifelsfrei als Geburtsjahr betrachten. Seither expandierten die brandenburgischen Markgrafen für die nächsten 100 Jahren weiträumig nach Osten, wobei nicht nur nur das eigene Herrschaftsgebiet erweitert wurde, gleichzeitig wanderten die Grenzen des römisch-deutschen Reichs, des Heiligen Römischen Reichs wie es mittlerweile hieß, bis zur Oder und darüber hinaus. Jetzt an der Schwelle  der Zeitenwende ins Spätmittelalter waren bis auf einige unbesiedelte, wilde Reste im Grenzgebiet zwischen Polen, Pommern, Pommerellen und der  brandenburgischen Neumark, kein nicht beanspruchtes Territorium mehr übrig und kein weiteres Wachstum mehr möglich. Eroberungen von Ländereien eines anderen christlichen Fürsten waren ungleich schwieriger, bedurften berechtigter Ansprüche und führten dabei in der Regel zu allerlei Verwicklungen. Die ohnehin existierende Rivalität untereinander wurde dadurch nur weiter geschürt und belastete das empfindliche ausschlagende Machtgleichgewicht. Wenngleich es Kriege und Fehden untereinander in ungezählter Menge gab, waren Annexionen weitaus seltener. Sofern es nicht zu einem deutlichen Sieg auf dem Schlachtfeld kam, so dass der Sieger die Bedingungen diktieren konnte, endete eine gewaltsame Auseinandersetzung entweder auf dem Status Quo, oder man verglich sich auf monetärer Ebene. Nicht selten blieben die Kriegsparteien auf ihren Ausgaben sitzen, wobei faktisch die geplünderten Bauern, Klöster und Ortschaften die eigentliche Zeche zahlten. Für Brandenburgs Markgrafen in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts bestand nur wenig Hoffnung dem erfolgreichen Beispiel der Väter nacheifern zu können. Aus den veränderten Rahmenbedingungen mag die beharrliche Vorgehensweise im Zusammenhang mit dem Erwerb des Erzbischofamts von Magdeburg zu erklären sein. Die Aussicht einen strategischen Kirchenposten besetzen zu können, sollte die fehlenden territorialen Expansionsmöglichkeiten kompensieren und den Einfluss Brandenburgs im sächsischen Raum weiter auszubauen. Dies war umso deutlicher von Markgraf Otto IV. in Angriff genommen worden, als die unter Otto III. eingeleiteten Kolonisationsversuche im Ordensland, südlich der Festung Königsberg, an den Machtverhältnissen im Baltikum letztendlich scheiterten. Der sich schnell konsolidierende Ordensstaat ließ keine rivalisierenden Kolonisationsambitionen in seinem Einflussgebiet zu und so behielt die am Frischen Haff gegründete Burg und Siedlung zwar den Namen Brandenburg, stand aber fortan unter der vollen und souveränen Kontrolle des Deutschen Ordens und wurde in den Ordensstaat inkorporiert.

Trotz der geschilderten, erschwerten Bedingungen, wuchs das Gebiet der Mark Brandenburg sichtlich weiter. Die Landzunahme war sogar größer als bei allen bisherigen Markgrafen und übertraf sogar die Landnahme Johanns I. und Ottos III. Die Art und Weise ist hierbei erwähnenswert. Es geschah, auf eine größere Ausnahme kommen wir noch im nächsten Unterkapitel zu sprechen, nicht durch Unterwerfung und Kolonisation von Heidenland, auch nicht durch blutige Eroberungen oder Feldzüge, an denen es gleichwohl nicht mangelte, die aber zu keinen erwähnenswerten Zuwächsen führten und die nur wieder neue Konflikte heraufbeschworen hätten, sondern durch Zukäufe, oder wie im Falle der Oberlausitz, durch  Einflussnahme auf den böhmischen Thronerben Wenzel II., worüber ausführlich geschrieben wurde. In einem erwähnenswerten Fall, auf den wir wie geschrieben noch im nächsten Abschnitt zu sprechen kommen, der die nordöstlichen Teile der Neumark um Dramburg und Schievelbein betrifft, sowie Driesen und weitere Gebiete entlang der Netze, war das Schwert, war kriegerische Eroberung und nicht Kauf oder Erbe, der ausschlaggebende Expansionsfaktor.

Quelle: Maximilian Dörrbecker; Zeitangaben durch M-B.net

Den 1290 vorgenommen Erwerb des nördlichen Teils der Mark Lausitz ohne das Gebiet um das südlich gelegene Leipzig, das sich erfolgreich dagegen wehrte, sowie die östlich gelegene Landschaft um Torgau an der Elbe durch Otto IV., erwähnten wir bereits im Abschnitt rund um seine Stimmabgabe für Adolf von Nassau. Im Jahr darauf erwarb er zusätzlich die nordwestlich angrenzende Pfalz Sachsen, mit Sangerhausen als Mittelpunkt. In beiden Fällen handelte es sich wie schon dargelegt, reichsrechtlich um vom vorherigen Lehnsnehmer, dem Markgrafen Heinrich III. dem Erlauchten, unberechtigt abgetrennte Landesteile, mit dem Zwecke den jüngeren Söhnen ein eigenes Erbe und Refugium zu schaffen. Mit deren vorzeitigem Tod, fielen sie an den erstgeborenen Sohn des erwähnten Heinrich, der sie dann anlässlich unvorteilhaft für ihn verlaufender Streitigkeiten, an Otto IV. von Brandenburg veräußerte.

Die Expansion der Mark verlief nun erstmals in großem Stil in südliche Richtung, und damit erstmals nicht in unerschlossenes, infrastrukturell wenig oder gar nicht ausgebautes, entsprechend unergiebiges Land, sondern in Gegenden, die schon vor  Generationen den dort ursprünglich siedelnden Slawen abgetrotzt und mit deutschen Siedlern bevölkert und ausgebaut wurde. Zumindest traf dies auf die Mark Landsberg, auf die Pfalz Sachsen und das Gebiet um Torgau zu. Mit der Oberlausitz, und seit dem Erwerb 1303 mit der Niederlausitz, verhielt es sich anders. Sie waren auch damals noch stark mit durch Slawen besiedelt und nich heute hat sich dort eine entsprechende Landsmannschaft mit eigener Folklore gehalten. Das die heutigen Menschen slawischer Abstammung selbstverständlich in gleicher Weise deutsche Staatsbürger, ja Deutsche sind, muss hier natürlich nicht geschrieben werden. Dass sich in diesem Raum, besonders im Spreewald, bis heute die Sprache und auch eigenes Brauchtum gehalten hat, ist aber immerhin erwähnenswert, stellt es doch eine bemerkenswerte Ausnahme dar. Der Kauf der Niederlausitz, die von Markgraf Dietrich III., einem Sohn Albrechts des Entarteten, veräußert wurde, bildete den bisherigen Höhepunkt territorialer Erwerbungen. Hierdurch wurde die bislang isoliert gelegene Oberlausitz mit den brandenburgischen Kernlanden verbunden. Einer weiteren, fränkisch-thüringische Gebietsvergrößerung, widmen wir ein eigenes Unterkapitel, weswegen an dieser Stelle darauf nicht näher eingegangen wird.

Addiert man die Fläche der damaligen Landerweiterungen auf, wuchs die Mark um etwa die Hälfte seiner bisherigen Größe an. Es wurde an anderer Stelle erwähnt, Fläche spielte in den dünn besiedelten Landschaften im Osten des Heiligen Römischen Reichs eine untergeordnete Rolle. Es war der Besitz von Städten, oder gut erschlossenen Landschaften, der ein Gebiet für den Landesherren wertvoll machte. Sangerhausen in der Pfalz Sachsen, Landsberg in der gleichnamigen Markgrafschaft, Torgau an der Elbe, Cottbus und Spremberg in der Niederlausitz oder Bautzen und Görlitz in der Oberlausitz, waren die Kleinode dieser Erwerbungen. Auf ihren Besitz gründete sich der Zukaufswert, von dort kamen die hauptsächlichen Impulse des weiteren Landesausbaus. Es waren wohl diese territorialen Vergrößerungen, die Markgraf Otto IV. erst zum führenden Kopf und eigentlichen Hauptregenten Brandenburgs machten.


Krieg um das Erbe in Pommerellen

Wir gehen wieder ins Schlussjahrzehnt des 13. Jahrhunderts zurück. Die Mark Landsberg und die Pfalz Sachsen waren erworben, noch nicht aber die Niederlausitz. An der  Ostsee, im Herzog Pommerellen, starb Weihnachten 1294 Herzog Mestwin II., über dessen wechselhaftes, zwiespältiges und treuloses Verhalten wir im letzten Kapitel berichteten. Mit ihm erloschen die Samboriden im Mannesstamm. Sofort entwickelte sich zwischen Brandenburg und Polen ein Streit um den gewaltigen Nachlass. Bald wurde noch der östlich angrenzende Deutsche Orden mit hineingezogen und auch das Herzogtum Pommern als auch Rügen waren nicht unbeteiligt. Dass es nicht bei einem Streit auf diplomatischer Ebene blieb, dürfte vor dem Hintergrund der Streitmasse auf der Hand liegen. Die Angelegenheit eskalierte erwartungsgemäß zum Erbfolgekrieg.

Bevor auf den Verlauf eingegangen wird, müssen die regionalen Machtverhältnisse erläutert werden, denn speziell Polen veränderten sie zu dieser Zeit die Verhältnisse ganz fundamental. Kurz ein Abriss der bisherigen polnischen Situation. Seit dem Jahr 1138, dem Todesjahr König Bolesław III. Schiefmund, war Polen in Einzelherzogtümer zerfallen. Bolesław hatte aus zwei Ehe insgesamt 16 Kinder. Er stand vor einem ähnlichen Dilemma, wie über hundert Jahre später die beiden brandenburgischen Brüder Johann I. und Otto III. Wie sollte er sein Königreich unter den Söhnen aufteilen und es gleichzeitig vor dem Zerfall bewahren? In seinem Testament verfügte er die Schaffung mehrerer Teilherzogtümer, deren Vorsitz ein sogenannter Seniorherzog hatte.

Es entstanden fünf mehr oder weniger autonome piastische Linien:

Kleinpolen (polnisch Małopolska): Die Residenz war Krakau, das zum Sitz des polnischen Königs wurde und auch in der Zeit, in der Polen von keinem König regiert wurde, wichtige, regelrecht sakrale Bedeutung hatte und administrativer Sitz der Seniorherzöge war. Weitere Zentren waren Lublin, Zamość und Sandomierz.

Großpolen (polnisch Wielkopolska): Ursprung und Keimzelle des polnischen Staates, mit Gnesen und Posen als Zentren.  Groß- bzw. Kleinpolen ist dabei irreführend und sagt nichts über die tatsächliche Landesgröße der Teilherzogtümer aus.

Masowien (polnisch Mazowieckie): Płock als eine der ältesten Städte Polens, war Mittelpunkt des Herzogtums. Durch weitere Teilungen gewann Warschau als regionales Zentrum an Bedeutung.

Kujawien (polnisch Kujawskie): Das kleinste der geschaffenen Herzogtümer lag zwischen Großpolen im Westen und Masowien im Osten. Das wichtigste Zentrum war Bydgoszcz (deutsch Bromberg)

Schlesien: Es grenzte in seiner gesamten Länge an das Königreich Böhmen und war von Beginn am meisten mit dem Reich verbunden. Sein erster Herzog, mit einer deutschen Fürstin verheiratet, strebte als gleichzeitiger Seniorherzog die Dominanz  über die Teilherzogtümer seiner Brüder an, die sich daraufhin gegen ihn verbündeten und vertrieben. Die Söhne wuchsen an deutschen Höfen auf, kamen später in Schlesien zur Regentschaft. Schlesien spaltete sich früh in vier Herzogtümer auf und später in noch weitere. Die wichtigste Metropole war Breslau (polnisch Wrocław), heute die viertgrößte Stadt Polens.

Die fünf initialen Teilherzogtümer, richtigerweise muss man von piastischen Linien sprechen, unterlagen dauernden Veränderungen. Sie spalteten sich teilweise weiter auf und wuchsen wieder zusammen, in ähnlicher oder veränderter Konstellation. Die innerpolnischen Zerwürfnisse zwischen den konkurrierenden Piasten lähmte über Generationen die Staatsbildung Polens, was auf die erfolgreiche Bildung des Deutsch Ordensstaats entlang der baltischen Küste unmittelbaren Einfluss hatte.

In Großpolen, das östlich der brandenburgischen Neumark angrenzende polnische Herzogtum, regierte seit dem Jahr 1273 Herzog Przemysł II. aus der großpolnischen Linie der Piasten. Über die Mutter war er mit den schlesischen Piasten verwandt. Seine ältere Schwester Constanze war seit 1260 mit Markgraf Konrad verheiratet, dem jüngeren Bruder Ottos IV. und Mitregenten in Brandenburg, dessen persönlicher Herrschaftsbereich in der Neumark lag. Przemysł II. regierte zunächst im westlichen Teilherzogtum Großpolen-Posen und seit 1279, nach dem Tod des Onkels, ebenso über das südlich angrenzende Großpolen-Kalisch, was ihn zum Herrscher über das wiedervereinte Großpolen machte. Mit dem kinderlosen Herzog Mestwin II. bestand seit Februar 1282 eine Erbverbrüderung. Weiter existierte seit 1287 ein gegen Brandenburg gerichtetes Bündnis mit Herzog Bogislaw IV. von Pommern-Wolgast. Der treulose Mestwin II. hatte mit dem Erbbündnis ein zweites Mal den Lehnstreueeid gegenüber Brandenburg gebrochen und sich nun gänzlich Großpolen angeschlossen. Als er starb beanspruchte Przemysł II. das verwaiste  Herzogtum an der Ostsee. Auch Bogislaw IV. von Pommern-Wolgast erhob Ansprüche in dem östlich an seine Ländereien angrenzenden Herzogtum. In Brandenburg waren augenblicklich alle inneren Streitigkeiten zwischen den  rivalisierenden beiden Linien beiseite gelegt. Der zunehmend dominierende Otto IV. und Vetter Otto V. als die führenden Vertreter ihrer Linien, suchten aus der Erbmasse ihren Teil zu retten, wobei auf Danzig und die Burgbezirke Stolp, Rügenwalde und Schlawen das Hauptaugenmerk gelegt wurde. Brandenburg berief sich auf die Lehnseide des untreuen Vasallen einerseits, vor allem aber auf das zweifache kaiserliche Privileg der Lehnsoberhoheit bezüglich ganz Pommern, letztmals bestätigt von Kaiser Friedrich II. Dezember 1231. Am 8. Januar 1295, somit kurz nach dem Tod Mestwins II., ließen sich Otto IV. und Bruder Konrad auf dem königlichen Hoftag zu Mühlhausen in Thüringen vom amtierenden König Adolf I. die kaiserlichen Rechte auf Pommern von 1231 abermals bestätigen. Otto IV. gehörte in dieser Zeit zu den vom König geschätzten Parteigängern und wurde auf dem gleichen Hoftag bereits zum conservator pacis per terram, zum Landfriedenshüter im sächsischen Raum bestimmt. Für Großpolen und seinen Fürsten galt die kaiserliche Bulle Brandenburgs und selbstverständlich auch die gerade erfolgte Neubestätigung durch den römisch-deutschen König nicht als rechtskräftig. Przemysł II. betrachtete Pommerellen nicht als Teil des Reichs, entsprechend war für ihn weder die kaiserliche Bulle noch die königliche Bestätigung maßgeblich. Nur die Erbverbrüderung von 1282 hatte Relevanz.

Herzog Przemysł stand um diese Zeit auf dem Höhepunkt der Macht. Sein Einfluss innerhalb der polnischen Piasten war mit der Hilfe des Metropoliten von Gnesen, Erzbischof Jakub Świnka, der den bisherigen Einfluss deutscher Kleriker konsequent bekämpfte, so groß geworden, dass dieser ihn am 26. Juni 1295 in Gnesen zum König von Polen krönte. Nach über 200 Jahren hatte das Land wieder einen König, doch geeint war es nicht, dazu war die Zeit regionaler Autonomien, innerer Zerwürfnisse und anhaltender Kämpfe mit Böhmen zu lange gewesen. In Schlesien begann wenige Jahre davor der Schlussakt, welcher zur endgültigen Abnabelung von Polen und zur Hinwendung zum Heiligen Römischen Reich führte. 1289 löste sich zur Wahrung eigener Interessen das Herzogtum Cosel-Beuthe als erstes schlesisches Gebiet aus dem polnischen Lehnsverband und unterstellte sich der böhmischen Krone, wodurch es Teil des Reichs wurde. Dem Beispiel folgten in den nächsten fünf Jahrzehnten bis auf Schweidnitz, alle schlesischen Herzogtümer. Die schlesischen Piasten standen infolge generationenlanger Heiratsverbindungen mit deutschen Fürstenhäusern und durch den Zuzug deutscher Siedler, die mittlerweile den dominierenden Bevölkerungsanteil stellten, kulturell und politisch dem Reich näher, als den polnischen Wurzeln. Kleinpolen mit der Königsstadt Krakau war ebenfalls verloren gegangen. 1291 wurde das Gebiet vom böhmischen König Wenzel II. besetzt und seither gehalten.

In der Sache vereint, innerlich bis vor kurzer Zeit gespalten, standen Brandenburgs Markgrafen beider Linien jetzt zusammen und ließen sich von einem polnischen König, dessen begrenzte Möglichkeiten nur zu offensichtlich waren, hinsichtlich ihres Sukzessionsrechts in Pommerellen nicht abschrecken. Aus einer königlichen Urkunde Adolfs I., die vermutlich vom Dezember 1294 stammt, entnehmen wir, dass er den Hader beider führenden Köpfe der jeweiligen Zweige Brandenburgs geschlichtet hatte und beide Seite demgemäß ihre gegenseitigen Kriege und Auseinandersetzungen beilegten. Worum es im Einzelnen ging, schweigt sich das kurze Schreiben aus, auch ist sonst nichts mit Aussagekraft überliefert. Denkbar sind eine Reihe schwelender Probleme, die mindestens seit dem Waffengang bei Ziesar 1291 existierten. Damals war Otto V. wie schon geschildert von seinem älteren Vetter Otto IV. geschlagen worden. Zu Beginn dieses für Brandenburg so entscheidenden neuen Konflikts mit Großpolen und gegebenenfalls weiterer polnischer Teilherzogtümer wie Masowien und Kujawien, war man also leidlich ausgesöhnt. Man war bereit gemeinsam bis zum Äußersten und unter Anwendung von Waffengewalt die eigenen Rechte und Interessen durchzusetzen. Im Vorfeld schloss Otto IV. unter anderem im März 1295 ein Bündnis mit dem verwandten Herzog von Braunschweig-Lüneburg, als Rückversicherung im Westen der Mark. Mit Böhmens König Wenzel II. bestand über Ottos V. verwandtschaftliche Beziehung ohnehin das alte und gute Verhältnis, das ganz offenbar nicht unter den Jahren seiner Vormundschaft gelitten hatte. Nach den Kriegen 1270 bis 1272 und 1278/79, stand nun also die dritte kriegerische Auseinandersetzung um das Herzogtum an der Ostsee bevor. Die Markgrafen eröffneten die Feindseligkeiten, fielen mit ihren Heeren aus den damaligen Teilen der Neumark heraus in Posen und Pommerellen ein und verheerten die heimgesuchten Gebiete. Gleichzeitig unterhielt Markgraf Otto V. intensive Kontakte zu den Zaremba und Nałęcz, zwei polnischen Adelsgeschlechtern, die als führende Oppositionsgruppe gegen den neuen König agitierten. Die Erhebung des Herzogs von Großpolen zum König und die Schaffung einer zentralen Autorität, fand lange nicht überall Zuspruch im Hochadel, der seine liebgewonnenen Freiheiten gefährdet sah. Gemeinsam mit diesen vereinbarten er eine Entführung des polnischen Königs. Am frühen Morgen des 8. Februar 1296, bei völliger Dunkelheit, überfiel eine starke Gruppe das Lager des Königs, überwältigte die Wachen, wobei es zu Kampflärm kam, wodurch Przemysł und einige Getreuen erwachten und zu den Waffen griffen. Sie leisteten den Angreifern Gegenwehr, unterlagen aber der Übermacht. Schwer verwundet wurde der König auf ein Pferd gepackt um ihn auf brandenburgisches Gebiet zu verschleppen. Die Wunden waren allerdings ernst, es war fraglich ob die Geisel den Gewaltritt überleben würde. Über das Ende Przemysł II. existieren zwei unterschiedliche Versionen. Nach der in Polen polulären, wurde er getötet, nachdem wegen seines Zustands die Aussichtslosigkeit erkannt wurde und angeblich achtlos in den Schnee geworfen. Gemäß der anderen Version, fiel der stark ausgeblutete König ermattet vom Pferd und starb bald darauf an den Folgen seiner Verletzungen. Auf der Straße nach Sierniki, rund 5 km südöstlich von Rogoźno (deutsch Rogasen), ist er gestorben. Ob König Wenzel von Böhmen involviert war und falls ja, wie groß, seine Rolle war, ist auch heute noch umstritten. Seine eigenen Ambitionen bezüglich der Krone Polens lassen zumindest die berechtigte Annahme zu, dass die Tat, ja selbst der Verlauf und Tod Przemysłs seinen eigenen Plänen zuträglich war. Der verstorbene polnische Monarch hinterließ keinen Erben, wodurch die großpolnische Linie der Piasten im Mannesstamm erlosch. Polen zerfiel nach weniger als einem Jahr in Partikularismus. In Großpolen wurde mit Władysław zügig ein Vertreter der kujawischen Piasten zum neuen Herzog gewählt, doch beim Versuch gleichzeitig auch die königliche Nachfolge anzutreten, kam es zu erneuten innerpolnischen Konflikten die von den Brandenburgern und auch von Herzog Heinrich III. von Glogau, einem Vertreter des Glogauer Zweigs der schlesischen Piasten, ausgenutzt wurde. Brandenburg, das seit dem Herbst in der Offensive war, eroberte in den Wintermonaten die Gebiete Santok (deutsch Zantoch), Drezdenko (deutsch Driesen), Wałcz (deutsch Deutsch Krone), welche der Mark im Vertrag von Krzywin am 10. März 1296 zufielen.

Im nächsten Kapitel wird der weitere Verlauf und Ausgang des jahrelangen Konflikts weiter thematisiert.


Hennebergisches Erbe

Anlässlich des gescheiterten Entführungsversuchs Przemysłs, des Herogs von Großpolen und polnischen Königs, und während der um diese Zeit laufenden Eroberungen im neumärkischen Grenzgebiet, entlang von Warthe und Netze, sehen wir Markgraf Otto V. vom jüngeren Markgrafenzweig Brandenburgs das letzte Mal in der für ihn gewohnt federführenden Weise. Er war damals 50 Jahre alt. Ihm zur Seite stand seit 1290 regelmäßig Sohn Hermann. Ottos Bruder Albrecht III. hatte sich um die Mitte der 1280‘er abgesondert und führte mit seinen beiden Söhnen eine selbstständige, meist zurückgezogenere Politik, wenngleich wir auch ihn auf diversen Urkunden zeichnend wiederfinden. Anlässlich der Kämpfe mit Przemysłs, beiläufig erwähnt über seine Tochter Margarete seit 1291 ein Schwiegersohn Albrechts, trat ebenfalls in Waffen mit seinen Kontingenten auf der Seite seiner Verwandten an. Im Kampf gegen einen äußeren Feind, wenn es um die Durchsetzungen eigener Ansprüche ging, war der innere Friede und die Einheit gewährleistet.

Ottos Sohn Hermann, benannt nach dem Großvater mütterlicherseits, entstammte aus der Ehe mit mit Jutta von Henneberg. Sie war Tochter des Grafen Hermann I. von Henneberg-Coburg, einem alten thüringisch-fränkischen Adelsgeschlecht, dessen Wurzeln bis ins 11. Jahrhundert zurückzuverfolgen sind. Ihre Mutter, Margarethe von Holland, war die Schwester des verblichenen römisch-deutschen Königs Wilhelm von Holland. Vater Hermann gründete nach der Henneberger Erbteilung eine neue Herrschaft mit den regionalen Schwerpunkten im ostfränkischen Eisfeld und Coburg. Dezember 1290 starb Graf Hermann und Sohn Poppo erbte die Besitzungen. Als dieser schon 1291 ebenfalls verstarb, fiel das Gebiet, es war kein Reichslehen, sondern Allodialbesitz, an die Schwester Jutta und damit an ihren Gatten, den Markgraf Otto V. von Brandenburg. Dieser setzte in dem von allen brandenburgischen Gebieten weit entfernten Landesteil den edlen Herren Wolfgang von Barby als Landpfleger ein. Dieser war ein brandenburgischer Lehnsmann aus dem Altmärkischen und entfernt mit den Askaniern  verwandt. Brandenburg, das vor weniger als 150 links der Elbe seinen Anfang nahm, dann sich entlang von Havel und Spree bis zur Oder ausbreitete, schließlich über diese hinweg die Neumark bis hart an die Küste der Ostsee vorantrieb, besaß jetzt im Schlussjahrzehnt des 13. Jahrhunderts Besitzungen, teils als Inseln, teils unmittelbar mit dem Kernland verbunden, in Polen, Thüringen, Franken, etc.

Im Windschatten Böhmens, dass durch den Schlachtentod Ottokars II. für mehr als ein Jahrzehnt aus dem Rennen geworfen wurde, gleichzeitig aber Brandenburg im Süden abschirmte, profitierend vom Partikularismus der polnischen und schlesischen Piasten und letztendlich erfolgreich beim Durchsetzen eigener Interessen im ostsächsischen Raum wie auch gegen ein norddeutsches Bündnis verschiedener Ostseestädte sowie deutscher Ostsee-Anainerstaaten, war Brandenburg die bestimmende Macht im Nordosten des Reichs geworden, nur noch gehemmt durch den Umstand einer fehlenden einheitlichen Regierung. Hinsichtlich der Regierungsdiversität bahnte sich nach Abschluss der ersten Kriegsphase im Erbfolgekrieg um den Nachlass im Herzogtum Pommerellen eine einschneidende Veränderung an. Nach dem Vertrag von Krzywin ließen die Kampfhandlungen nicht unbedingt nach, bestanden aber aus den üblichen Übergriffen die mit Plünderungen einhergingen. Brandenburg konsolidierte seine Eroberungen in der Neumark und machte in dieser Zeit dem neuen Herzog von Großpolen das Herzogtum Pommerellen nicht streitig. Dieser, sich statt sich mit den Brandenburgern um das Herzogtum zu streiten, lag jetzt mit dem böhmischen König Wenzel II., seit 1291 im Besitz von Kleinpolen, im Dauerkonflikt um die Krone Polens.


Das Verkümmern der Ottonischen Linie

1298 starb Markgraf Otto V. mit etwa 52 Jahren und wurde im Kloster Lehnin beigesetzt. Der genaue Todestag ist unbekannt. Die letzte von ihm ausgestellte Urkunde war vom 28. September 1298. Darin erteilte er Berlin, das zum ottonischen Zweig gehörte, das Stapelrecht und verkaufte der Stadt den landesherrlichen Flusszoll zu Köpenick für 220 Pfund Silberpfennige. Seit dem frühen Tod des älteren Bruders im Jahre 1268, lenkte er als Haupt der Ottonischen Linie fast 30 Jahre lang maßgeblich die Geschicke des jüngeren Familienzweigs der brandenburgischen Askanier. Durch seinen Einfluss auf den böhmischen König Wenzel II., der von 1278 bis 1283 des Markgrafen Mündel war, gelangte die Oberlausitz mit den Landschaften Bautzen und Görlitz an die Mark. Das Land war ursprünglich als Mitgift der Mutter, Prinzessin Beatrix von Böhmen, 1243 in den Pfandbesitz Brandenburgs gekommen, bevor es nach rund 40 Jahren 1283 an Brandenburg fiel.

Früh trat Otto V. gegenüber den Vettern aus dem älteren brandenburgischen Familienzweig als Rivale auf. Bereits bei der Wahl Rudolfs von Habsburg lotete er für sich und seine Linie die Möglichkeit zur Königswahl aus, musste aber hinter dem Vorrecht des älteren Vetters Johann II. zurückstecken. Während Markgraf Johann II. als Erstgeborener von Haus aus das bevorrechtigte Privileg zur Führung besaß, war es doch der nächstgeborene Bruder Otto IV., der mehr und mehr die Rechte der älteren Linie gegenüber dem rivalisierenden Vetternzweig durchzusetzen gewillt war. Konflikte, selbst bewaffnete Auseinandersetzungen, blieben nicht aus, wie wir gesehen haben. Markgraf Hermann erbte nun die Herrschaften seines verstorbenen Vaters, zu denen auch die fränkisch-thüringischen Gebiete des Coburger Landes gehörten.

Hermann übernahm nach dem dem Tod des Vaters ganz selbstverständlich die Leitung der Ottonischen Linie, was ihm der bevorrechtigte Albrecht III., sein Onkel, nicht streitig machte. Albrecht lebte schon geraume Zeit in relativer Zurückgezogenheit und verwaltete sein Refugium. Ein Jahr später traf diesen ein schwerer Schicksalsschlag, von dem er sich moralisch nicht mehr erholte. Seine beiden Söhne Otto und Johann kamen 1299 bei einem Überfall ums Leben. Zu ihrem und seinem eigenen Seelenheil machte er allerlei fromme Schenkungen von denen die Stiftung des Klosters Himmelpfort Coeli porta im Land Lychen, in der südwestlichen Uckermark den Höhepunkt bildete. Seit er sich aus der Mitregentschaft des Ottonischen Zweigs vor mehr als einem Jahrzehnt zurückzog, lag ihm die Schaffung eines eigenen Hausklosters als Grablege seiner Familie am Herzen. Als Zisterzienser-Filiation, Tochterkloster Lehnins, beabsichtigte er analog zu dem großen wirtschaftlichen Erfolg des Mutterklosters, eine Belebung jener ausgesprochen ärmlichen Region, die er für Himmelpfort vorsah. Um dem Kloster einen vorteilhaften Start zu gewährleisten, wurde es großzügig schon zu Beginn mit sechs Dörfern, zuzüglich 100 Hufen (1.700 ha) Land, zehn Mühlen mit allen Erträgen sowie einer imposanten Anzahl von mehr als dreidutzend Seen ausgestattet. Die Fertigstellung, selbst den Baubeginn des Klosters, erlebte Albrecht III. nicht mehr, er starb am 4. Dezember 1300 und wurde im Kloster Lehnin zu Grabe getragen. Erst im Jahre 1309, nachdem der Bau begonnen wurde und die ersten Mönche von Lehnin nach Himmelpfort übersiedelten, wurden seine sterblichen Überreste umgebettet.

Von den vier Söhnen des 1267 verstorbenen Ottos III., lebte jetzt nur noch der Jüngste, Markgraf Otto VI., besser gesagt der vormalige Otto VI., denn er trat 1286 dem Templerorden bei, resignierte allen Besitz und verzichtete auf Regentschaft und Erbfolge. Später trat er dem Zisterzienserorden bei und starb 1303. Von dem noch 1267 auf vier Schultern ruhenden brandenburgischen Familienzweig Ottos III., lebte nach einer Generation als letzter männlicher Nachkomme nur noch Markgraf Herrmann. Zwei seiner älteren Brüder waren noch vor dem eigenen Vater verstorben. Das gleiche Schicksal ereilte, wie wir sahen, die beiden Söhne seines Onkels Albrecht III., während Onkel Otto VI., obwohl mit einer Tochter aus Habsburger Hause verheiratet, kinderlos blieb und später wie erwähnt das Leben eines Klerikers einschlug. Johann III. der Prager, erstgeborener Sohn Ottos III., den Hermann nie kennenlernte, starb bekanntlich jung an den Folgen eines Turnierunfalls. Er war unverheiratet und demgemäß kinderlos.

Hermann war seit dem Tod Albrechts III. Universalerbe der Ottonischen Linie. Zu Otto IV. bestand zwar kein rivalisierendes Verhältnis, wie es zwischen diesem und seinem verstorbenen Vater Otto V. bestand, angespannt war es stellenweise dennoch. Aufgewachsen ist er unter anderem bei seinem Großvater in dem bereits erwähnten Coburger Land, wodurch er eine enge Verbindung mit diesen Gebieten hatte. 1302 erwarb er vom Wettiner Markgrafen Dietrich IV. auch als Diezmann bekannt, die östliche Niederlausitz. Im Jahre 1304 zusätzlich, diesmal gemeinsam mit Otto IV., den westlichen Teil. Um diese Zeit trat Brandenburg in feindschaftliche Opposition zum amtierenden König. Die Hergänge müssen erläutert werden, auch der 1298 erfolgte Wechsel an der Spitze des Reichs, wovon bislang nicht die Rede war.


Ein neuer König

Adolfs Wahl zum römisch-deutschen König im Mai 1292 erkaufte sich der Nassauer Graf durch umfangreiche Wahlversprechen gegenüber den   Kurfürsten. Besonders der Kölner Erzbischof, welcher ihn als Gegenkandidat  Albrechts von Habsburg, Sohn des dahingeschiedenen Königs, ins Spiel brachte und der junge König von Böhmen sahen wie die großen Profiteure aus. Brandenburg erhielt die königliche Anerkennung seiner strittigen Gebietskäufe zwischen Sangerhausen und Torgau. Für den neuen König ein willkommen günstiger Preis und für Brandenburg eine Bestätigung von großer Bedeutung und daher auch von realem Wert.

Die Geschicke Adolfs als Regent schienen eng vom Wohlwollen der rheinischen Kurfürsten abhängig zu sein, von denen ihm der Pfalzgraf bei Rhein und der Erzbischof von Trier überhaupt nur wegen ihrer unhaltbar gewordenen Lage widerwillig die Stimme gaben. An eine selbstständige Regierung konnte vor dem Hintergrund der geleisteten Zusagen nur in begrenztem Maße geglaubt werden. Es erstaunt umso mehr, dass Adolf von Nassau praktisch von Beginn an frei agierte und hinsichtlich seiner Versprechungen fast unbeeindruckt Bündnisse und Vereinbarungen einging, die hart an der Grenze zum Vertragsbruch lagen. Bezüglich Wenzel II. von Böhmen erfüllte der König überhaupt nichts von dem, was diesem wichtig war und wofür er ihm seine, wie auch die ihm vertraglich anvertraute Stimme aus Sachsen gab. Ursprünglich sollten die Herzogtümer Österreich, Steiermark, Kärnten, die Markgrafschaft Krain sowie die Windische Mark Albrecht von Habsburg entzogen und der Krone Böhmen verliehen werden, das nach dem Aussterben der Babenberger diese Gebiete annektierte, wenn auch ohne ein Recht. Adolf verglich sich stattdessen mit dem zu dieser Zeit betont zurückhaltend agierenden Albrecht und bestätigte ihm die Belehnungen. Wenzel lag in dieser Zeit mit Polen, Teilen davon, im Krieg und war für den Augenblick nicht in der Lage dem offenen Vertragsbruch des Königs zu begegnen, was ihn ohne jeden Zweifel sofort in kriegerischen Konflikt mit Albrecht von Habsburg gebracht hätte. Im Osten und im Süden wollte und konnte selbst der mächtige König von Böhmen nicht ohne Risiko zeitgleich agieren.

In Thüringen, wo der schon wiederholt erwähnte Albrecht der Entartete, Markgraf von Meißen, Landgraf von Thüringen, mit den eigenen Söhnen im Krieg lag, engagierte sich der König und sucht aus dem Konflikt territoriale Vorteile zu ziehen um gegebenenfalls seine dürftige Hausmacht durch den Einzug der Mark Meißen zu erweiterten. Neben einer Reihe kleinerer Regionalfürsten, die ihrerseits aus dem Familienkrieg der Wettiner Kapital schlagen wollten, traf der König hier auf die Interessen von gleich vier Kurfürsten. Das Erzbistum Mainz hatte traditionell im thüringischen Raum großen Kirchenbesitz, der von den Wettinern dezimiert wurde und wo sich jetzt die Gelegenheit zur Revision der Verhältnisse ergab. König Wenzel fühlte sich nach des Königs Wortbruch hinsichtlich den Herzogtümern Österreich, Steiermark, Kärnten etc. abermals betrogen, denn Adolf hatte ihm die Mark Meißen als Kompensation für die vorgenannten Herzogtümer in Aussicht gestellt, wovon jetzt nicht mehr die Rede war. Die Vorgänge entlang der südlichen Grenzen des Herzogtums Sachsen-Wittenberg musste geradezu selbstverständlich den askanischen Herzog auf den Plan rufen, der einen eigenen Teil der Beute aus dem entstandenen Chaos ziehen wollte. Schlussendlich natürlich auch Brandenburg. Die Erwerbungen der Pfalz Sachsen, dem langgezogenen nördlichen Teil der Mark Landsberg und das Gebiet um Torgau, waren alle weder miteinander, noch mit dem brandenburgischen Kernland verbunden. Die Landschaften untereinander zusammenzuschließen und überhaupt so viel denn möglich an sich zu raffen, wenn sich nur die passende Gelegenheit dazu bot, war Gebot der Stunde.

In dieser Atmosphäre bildete sich jene Opposition der Kurfürsten, die schließlich zur Abwahl und Entmachtung des Königs führte, dem sie 1292 noch heilige Treueeide geschworen hatten. Es war ein unerhörter, bislang gänzlich unbekannter Vorgang. Das geltende, von alters her angewandte Recht sah es nicht vor, dass ein körperlich und geistig gesundes Reichsoberhaupt abgesetzt werden kann. Wohl hat der Papst mit der Absetzung Kaiser Friedrichs II. vor mehr als vier Dekaden, gewissermaßen einen Präzedenzfall geschaffen, doch fühlten sich die eidbrüchigen Kurfürsten bei ihrem Vorstoß nicht ganz wohl. Es überrascht nicht, dass die Absetzungsurkunde zahlreiche Phrasen beinhaltete, die seinerzeit in der päpstlichen Bulle wider Kaiser Friedrich II. stand. Alles in allem leiteten sie aus dem Recht zur Königswahl, das Recht zur Absetzung eines untauglichen Königs ab. Der 23. Juni 1298 war gleichzeitig Tag der Absetzung, wie auch Wahltag Albrechts von Habsburg zum neuen König. Der abgesetzte Adolf erkannte die Rechtmäßigkeit nicht an, aber darauf gehen wir im nächsten Kapitel erst näher ein.


Die Zahl der Askanier schmilzt zusammen

Die Nachwuchssituation des ottonischen Zweigs haben wir etwas weiter oben beleuchtet. 1302 lebte dort nur noch Markgraf Hermann der Lange und dessen im gleichen Jahr geborener Sohn Johann. Beim johanneischen Zweig sah es etwas besser aus, doch musste man sich auch dort sorgen, denn im ersten Jahrzehnt des neuen Jahrhunderts starben auch dort die meisten Vertreter kinderlos weg. Selbst in den Reihen der nachgeborenen Generation hielt der Tod Einzug.

Schauen wir uns die Situation, bezogen auf die männlichen Nachkommen der Johanneischen Linie zum Abschluss dieses Kapitels etwas genauer an:

Der 1281 im Alter von 46 Jahren verstorbene Markgraf Johann II., erstgeborener Sohn Johanns I., hatte zwei Söhne, Konrad II. und Johann. Letzter war als Bischof von Havelberg 1292 nach nur einem Jahr verstorben, womit große Hoffnungen auf ein besseres Verhältnis mit dem Bistum zunichte gemacht wurden. Konrad II. folgte ihm 1308. Er hinterließ keine eigenen Nachkommen. Der Zweig Johanns II. erlosch.

Otto IV. mit dem Pfeil, seit dem Tod des älteren Bruders Haupt der Johanneischen Linie, sparen wir für das Ende auf.

Konrad I. war der dritte Sohn aus der ersten Ehe Johanns I. und starb 1304 mit rund 64 Jahren in gesegnetem Alter. Er hatte drei Söhne, Johann IV., der im Alter von 44 schon im Folgejahr starb. Otto VII. wurde später Tempelritter und schied aus der Erbfolge aus. Er starb 1308 starb. Schließlich Waldemar, der jüngste der drei Söhne Konrads. Er wurde zum Nachfolger und Erben Ottos IV.

Erich, nach drei Anläufen und jahrelangen Kriegen seiner Brüder, wurde er Erzbischof von Magdeburg. Schon als Kind für den geistlichen Stand vorgesehen, blieb er unverheiratet und damit kinderlos. Er war der vierte und jüngste Sohn Johanns I. und Sophia von Dänemark.

Es bleiben noch die drei Söhne aus Johanns zweiter Ehe, die er mit Jutta von Sachsen-Wittenberg führte. Fangen wir mit dem mittleren, dann dem jüngsten der drei an. Albrecht wurde 1258 geboren, dem Jahr als Johann I. und Bruder Otto III. mit der Teilung Brandenburgs begannen. Über diesen Albrecht, nicht zu verwechseln mit Albrecht III. aus dem ottonischen Zweig, ist sehr wenig bekannt, er starb schon 1290 mit wahrscheinlich 32 Jahren.

Hermann war der letzte Sohn Markgraf Johanns I. 1290 wurde er Bischof von Havelberg und starb zum Entsetzen seiner Halbbrüder schon im Jahr darauf. Johann, der zweite Sohn seines ältesten Halbbruders Johann II., wir erwähnten es, folgte ihm als Bischof im Havelberger Bistum und verstarb ebenfalls im Folgejahr. Eine Tragödie, denn man erhoffte sich durch die Besetzung des Bischofsstuhls mit einem Kandidaten aus dem eigenen Haus, die länger schon schwelenden Probleme mit dem Bistum zu beseitigen.

Kommen wir zum ältesten Sohn aus Johanns zweiter Ehe. Markgraf Heinrich, er erhielt den Beinamen ohne Land und sollte seine beiden leiblichen Brüder um fast 20 Jahre überleben. Er starb 1318. Verheiratet mit der Wittelsbacher Herzogstochter Agnes von Bayern, hatte er mit Heinrich einen gleichnamigen Sohn, sowie drei Töchter, Sophia, Judith, Margarethe. Von Sohn Heinrich werden noch von berichten.

Als 1309 Markgraf Otto IV. nach einem langen Leben, das ihn bis auf Heinrich ohne Land, jeden seiner Brüder, Halbbrüder und Vettern überleben ließ, verschied, lebten von der Johanneischen Linie nur noch erwähnter Heinrich, dessen unmündiger, und gleichnamiger Sohn, sowie Waldemar, der Sohn Markgraf Konrads I. Vom ottonischen Zweig, noch Johann V., Sohn Hermanns des Langen, Enkel Ottos V. des Langen. 

Noch 1290, anlässlich eines großen Familientreffens bei Rathenow im Havelland, trafen sich 19 brandenburgische Markgrafen aus beiden askanischen Zweigen der Mark. 20 Jahre später existierten davon nur noch die vier genannten Personen, davon drei aus der nächsten Generation, von denen 1308, beim Tod Ottos IV., nur Waldemar volljährig war, sowie Heinrich ohne Land als Senior.

Wir werden im nächsten Kapitel die ereignisreichen Jahre zwischen 1298 und 1309 nochmal näher beleuchten.


Buch 1, Kapitel XI: „Eine Mark, viele Regenten“


Als Markgraf Otto III. 1267 dem älteren Bruder Johann I., nach nur etwas mehr als einem Jahr in den Tod folgte, hinterließen sie insgesamt elf Söhne, aus drei Ehen. Selbst unter Berücksichtigung, dass von Johanns sieben Söhnen, zwei für den geistlichen Stand vorgesehen waren, Erich, jüngster Sohn aus erster Ehe, wir kommen noch ausführlich auf ihn zu sprechen, und Hermann, aus der zweiten Ehe, blieben zusammen mit Ottos vier Söhnen, immerhin noch neun theoretische Erben. Brandenburg drohte durch Zersplitterung in die Bedeutungslosigkeit zu zerfallen. Dem zu begegnen, hatten die alten Markgrafen noch zu Lebzeiten in drei Stufen, zwischen den Jahren 1258 und 1266, eine sorgsam abgewogene Aufteilung ihrer Besitzungen vorgenommen. Es entstanden vordergründig die Johanneische Linie, mit einem älteren Zweig aus der ersten Ehe und einem jüngeren, bestehend aus den Nachkommen Johanns zweiter Eheschließung, sowie die Ottonische Linie. Die Mark sollte damit vor Zerfall und politischem Niedergang bewahrt werden, sofern die Söhne dem Ansinnen der Väter folgten, und nach außen gemeinschaftlich auftraten. Dem Wunsche Rechnung tragend, wurde das Regiment auf jene Schultern verteilt, die zum Zeitpunkt des Regierungsübergangs im mündigen Alter waren. Mit dem Tod Johanns I. 1266, waren drei der Söhne volljährig. Der im Jahr 1237 erstgeborene Johann II., der 1238 geborene Otto IV. und der 1240 geborene Konrad I., die gemäß des Teilungsbeschlusses in den Johanneischen Gebieten die Nachfolge des Vaters antraten. Vorerst übte aber noch ihr Onkel Otto III. die ungeteilte Regierung über die ganze Mark aus, bevor er, wie geschildert, 1267 ebenfalls verstarb. In den Gebieten die seit den Teilungen seiner Linie angehörten, waren in den Schlussjahren seines Lebens, die zwei ältesten Söhne, Johann III. (*1244) und Otto V. (*1246) an der Regierung beteiligt, wir sehen sie wiederholt auf Urkunden als Mitunterzeichner. Albrecht III. (*1250) trat schließlich 1268, ein Jahr nach dem Tod des Vaters, als sechster Nachfolger in den Kreis der brandenburgischen Mitregenten und als dritter in den Gebieten des ottonischen Zweigs. Zu diesen sechs, gesellten sich mit den Jahren zwei weitere Söhne Johanns I. und ein Sohn Ottos III. hinzu.

Zur besseren Übersicht in aller Kürze die von 1266 bis 1268 zur Herrschaft gekommen Markgrafen, beginnend aus Sicht der älteren Johanneischen Linie:

  • Johann II., Erstgeborener, ab 1266 Kurfürst und Mitregent bis 1281
  • Otto IV., ab 1266 Mitregent, nach Tod des Bruders regierender Markgraf bis 1308
  • Konrad I., jüngerer Bruder, ab 1266 Mitregent bis 1304
  • Johann III., jüngerer Vetter, ab 1267 Mitregent bis 1268
  • Otto V., jüngerer Vetter, ab 1267 Mitregent bis 1298
  • Albrecht III., jüngerer Vetter, ab 1268 Mitregent bis 1300

Seit 1280 tritt auch Markgraf Otto VI., als Unterscheidung zum gleichnamigen Bruder Otto V., erhielt er den Beinamen der Kleine, in die Reihe der Mitregenten, bleibt aber hinter den älteren Brüdern Otto V. und Albrecht III. zurück. Im Raum Salzwedel hatte er eine kleine Residenz.

Die Nachkommen der jüngeren Johanneischen Linie aus der zweiten Ehe Johanns I., es waren dies Heinrich, Albrecht und Hermann, spielten gleichfalls eine eher untergeordnete Rolle. Hermann wird wie sein Halbbruder Erich Kleriker und später Bischof von Havelberg, jedoch nur für kurze Zeit, er starb bald darauf. Auf Heinrich kommen wir gegen Ende den folgenden immer wieder zurück.


Eine neue Generation beginnt zu regieren

Das Wesen der Teilung in zwei Hauptlinien, wovon die Johanneische Linie wie erwähnt nochmals in eine ältere und jüngere Linie unterteilt war, erschwerte eine gemeinschaftliche Regierung naturgemäß erheblich und so sehen wir unvermeidliche partikulare Richtungen. Rücksicht auf Interessen der Vetternlinie wurde meist nur dann gezeigt, wenn sie nicht eigenen Interessen zuwiderlief. Um divergente Entwicklungen wenigstens zu erschweren, teilten die Väter die Landschaften nach einem reiflich abgewogenen Modus, indem die Gebiete beider Linien nicht scharf voneinander getrennt waren. Überall grenzten sie aneinander und um einen Teil zu erreichen, musste jeweilige Landesteile der Vettern passiert werden. Wenn schon kein gemeinsames Vorgehen möglich würde, war zumindest ein kooperatives immerhin notwendig. Die Landschaften der Mark waren dabei nicht nur zwischen den genannten Hauptlinien stark zerstückelt geteilt, wobei die johanneischen Teile noch den größeren Zusammenhang hatten, auch innerhalb der Zweige hatten die Erben oftmals stark auseinanderliegende, zerstückelte Flecken. So hatte Markgraf  Albrecht III., dessen Besitzungen wir kurz nach seinem Regierungsantritt exemplarisch erwähnen wollen, Gebiete im Land Stargart, im Barnim bei Oderberg, in der Mittelmark, der Begriff kam erst später auf und jenseits der Oder, so bei Küstrin aber auch entlang der sich nach Nordosten ausdehnenden Neumark.

Noch zu Lebzeiten Ottos III. finden wir nur zwei Zeugnisse welche die Nachkommen Johanns I. selbstständig als Urkundenaussteller zeigen. Datiert auf den 2. Februar 1267 zeichnen sie zu Stolpe in der Neumark eine Urkunde zugunsten des Klosters Mariensee. Johann II., Otto IV. und Konrad I. bestätigen darin dem neugegründeten Kloster, die vom Vater zuvor angewiesenen Dörfer und Privilegien. Aus Mariensee ging später, nur um einige Kilometer an eine günstigere Stelle verlegt, das Kloster Chorin hervor. In ähnlicher Weise urkunden die drei Brüder abermals in Stolpe am 16. April, indem sie dem gleichen Kloster eine weitere, vom Vater noch auf dem Sterbebett angewiesene Schenkung bestätigen. Sonst bleiben die Erben Johanns noch im Hintergrund und überließen Otto III., dem Onkel, die Gesamtherrschaft.

Vom 18. November 1267, somit etwas mehr als einen Monat nach dem Tod Ottos III., ist die älteste erhaltene Urkunde überliefert, in der dessen zwei mündige Söhne Johann III. und Otto V. erstmals als regierende Markgrafen zeichnen. Im Gegensatz zur Johanneischen Linie, erwähnen diese dabei ausdrücklich dies mit Zustimmung ihrer noch unmündigen Brüder Albrecht III. und Otto VI. zu tun. Hierin wird man jedoch kaum mehr als eine Floskel annehmen dürfen, da die Genannten als Unmündige keinen realen Einfluss auf die Entscheidungen ihrer volljährigen Brüdern nehmen konnten. Die Annahme wird dadurch gestützt, dass Markgraf Otto V., der nach April 1268 vorerst alleine unterzeichnet und siegelt, diese ohne weitere Nennung der jüngeren Brüder tut.

Wie kam es aber, dass Otto V. der Lange, nun alleine zeichnet, was war mit dem älteren Johann III. zwischenzeitlich geschehen? Dieser, er trug mit Hinweis auf den Geburtsort und zur Unterscheidung bezüglich seines Vetters Johanns II., den Beinamen der Prager, verunglückte nach Ostern 1268 anlässlich eines Turniers tödlich. Zu Merseburg nahm Johann III. an dem dort abgehaltenen Wettkampf teil und wurde beim Lanzenritt schwer verletzt. Mit einer tiefen, arteriell blutenden Wunde, wurde er in sein Zelt gelegt, wo er noch in der Nacht verstorben aufgefunden wurde. Seine Begleiter wachten auf unerklärliche Weise schlecht über ihn, so dass er sehr wahrscheinlich verblutete, vermutlich nach einem Sturz aus seinem Krankenlager. Eine Tragödie durch die Otto V. frühzeitig zum Kopf der Ottonischen Linie wurde. Johann der Prager wurde im Kloster Lehnin zur letzten Ruhe gelegt. Seine Beisetzung verzögerte sich lange und fand wohl erst zum Ende des Jahres 1268 statt. Die Hintergründe hierfür liegen möglicherweise in einer noch aus dem Jahre 1172 stammenden kirchlichen Anordnung, wonach dem ausufernden Turnierwesen Einhalt geboten werden sollte. Damals hatte der Magdeburger Erzbischof Wichmann zu Halle diesbezüglich eine Sondersynode einberufen, nachdem zuvor dessen Vetter Konrad von der Lausitz bei einem Turnier ums Leben gekommen war. Allem Anschein nach wurde im unmittelbaren Einflussbereich des Erzbistums Magdeburg die Einhaltung des Turnierverbots zu manchen Zeiten besonders berücksichtigt. Denkbar ist die unmittelbare Nähe zur Osterzeit, einer Zeit des Friedens, die besonderer Stein des Anstoßes war. Eine andere Erklärung, weswegen dem verstorbenen Markgrafen Johann III. eine christliche Beisetzung verweigert wurde, findet sich bisher nicht. Ob Otto V. in dieser Sache in Verhandlungen mit dem Erzstift stand, wissen wir nicht, es muss allerdings stark angenommen werden. Das ohnehin immer wieder beschädigte, aktuell leidlich bereinigte Verhältnis zum Erzstift, dürfte vor dem Hintergrund dieses Streits abermals gelitten haben. Die Frage der Beisetzung wurde schließlich gelöst. Eine Verleihungsurkunde an das Kloster Lehnin, sie steht mit größter Sicherheit in Verbindung mit der offenen Angelegenheit, gibt wohl den Hinweis wie die Streitigkeit mit dem geistlichen Stand gütlich beigelegt wurde. Zum Seelenheil des Bruders und als monetärer Motivator, stiftete Otto V. dem Kloster die Ortschaft Dahmsdorf, nördlich von Lehnin. Die Grablegung muss schon bald darauf erfolgt sein. Es ist bei allem nicht auszuschließen, dass der Abt von Lehnin den Akt ohne Zustimmung der Erzdiözese vornahm, womit die Autonomie klösterlicher Einrichtungen gegenüber den sie umgebenden Diözesen ersichtlich wurde, gleichzeitig aber auch die Abhängigkeit hinsichtlich des weltlichen Adels, die als klösterliche Schutzmacht auftraten und entsprechend gut dotierte Vogteien inne hatten.

Am 1. Mai 1268 schritt Otto V. zur ersten alleinigen Regierungshandlung in den zur Ottonischen Linie gehörenden Landschaften. Gemäß den Vereinbarungen welche noch Vater und Onkel Anfang Juni 1266 in Tangermünde schlossen, nahm er die Teilung des Bautzener Landes vor. Rufen wir uns nochmal die Ausgangssituation ins Gedächtnis. Beatrix von Böhmen, Gattin des verstorbenen Ottos III., Mutter Ottos V., Schwester des jetzt regierenden Königs von Böhmen, brachte die Oberlausitz als Mitgift in den Besitz der Askanier, zunächst Pfandbesitz. Streng genommen wäre die Landschaft nur der Ottonischen Linie zugestanden, doch eingedenk der brüderlichen Eintracht zwischen Otto III. und dem ein Jahr älteren Johann I., teilte Otto III. das seiner Linie zustehende Gebiet zu gleichen Teilen mit der Johanneischen Linie. Aus dem dann am 1. Mai 1268 final von Otto V. vorgenommen Teilungsakt entnehmen wir, dass im Jahr 1266 die Teilung nicht wie ursprünglich geplant abgeschlossen wurde, sondern nur formell vereinbart. Zwischenzeitlich waren beide alten Markgrafen bekanntlich verstorben, die Oberlausitz aber noch immer nicht der väterlichen Disposition gemäß unter beide Linien aufgeteilt. Otto V. holte dies jetzt nach, wahrscheinlich erst auf Druck des anderen Familienzweigs. Der Johanneischen Linie um Johann II., Otto IV. und Konrad I., fiel die Stadt Bautzen zu, Während Görlitz bei der Ottonischen Linie verblieb. Das Münzprivileg wurde von beiden Linien gleichberechtigt ausgeübt. Die vorgenommene Teilung, speziell der Passus hinsichtlich des gemeinsamen Münzrechts, belegen die damals noch ungetrübt vorherrschende Einmütigkeit unter den zu diesem Zeitpunkt vier regierenden brandenburgischen Markgrafen. Ottos V. alleinige Verfügung über den ottonischen Besitz, hielt derweil nicht lange an, schon zum Jahresende erscheint Albrecht III. neben dem nur vier Jahre älteren Bruder auf Urkunden als Mitunterzeichner und damit als Mitregent in den Landschaften dieses Zweigs.

Markgraf Otto IV.

Obwohl Johann II. als erstgeborener Spross der älteren Johanneischen Linie dem Gewohnheitsrecht nach das Privileg zur Königswahl besaß, und Otto V., nach dem tragischen Unfalltod des zwei Jahre älteren Johann III., nun ältester Vertreter der Ottonischen Linie war, hob sich über die Zeit Otto IV. aus der Reihe der Regenten mehr und mehr hervor. Er war nach Johann II., zweiältester brandenburgisch-askanischer Nachkomme und machte als streitbarer, wenn auch nicht immer erfolgreicher, so doch zäh ausharrender Krieger, bald von sich reden. Eine spätere Verwundung brachte ihm schließlich den Beinamen der mit dem Pfeil ein. Dass Otto IV. besonders rührig war, soll nicht bedeuten, dass er selbstherrlich die Führung übernahm, es beweist nur seine ambitionierte Ader und die Wahrnehmung der Zeitgenossen was ihn betraf. Zu Lebzeiten des älteren Bruders ordnete er sich diesem unter, was ihm Johann II. auch offenbar nicht schwer machte, da dieser nicht sonderlich prägnant in Erscheinung trat und wir demgemäß nur relativ wenig über ihn wissen. Auch hierzu später mehr.

Die bislang einvernehmlichen Aktivitäten der märkischen Regenten dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass teils gegensätzliche Interessen und  handfeste Auseinandersetzungen im Laufe der Zeit auftraten, welche sich in späteren Jahren besonders zwischen Otto IV. und Otto V. entluden, ohne dass dadurch Brandenburgs Einheit nach außen dauerhaft beschädigt wurde. Der mahnende Geist der Väter stand mäßigend und erhaltend allen divergierenden Bestrebungen entgegen. Die Nachkommen sahen im gemeinsamen Erbe, trotz aller Bestrebungen zu selbstständiger Politik, den erklärten Auftrag, die Mark nicht nur in der gegebenen Form zu bewahren, sondern dem Beispiel der Vorfahren folgend weiter zu vergrößern, was sich in Folge völlig  veränderter Rahmenbedingungen als schwer erweisen sollte. Mehr dazu im kommenden Kapitel.

Wie anhand der bisherigen Absätze aufgefallen sein wird, machen es uns die vielen gleichzeitigen Markgrafen und die gleichen Namen nicht leicht. Wir haben es mit gleich drei Ottos, zwei Johanns und zwei Albrechts zu tun. Hinzu kommen je ein Konrad, Erich, Heinrich und Hermann. Um sie auseinanderzuhalten, ist es notwendig wieder und wieder zu erwähnen, vielleicht übertrieben häufig, aus welcher Linie die jeweilige Person stammt. Dass sogar direkte Geschwister gleiche Vornamen trugen, erschwert die Sache zusätzlich. Der weitverbreitete Brauch auf einen Stamm traditioneller Namen zurückzugreifen, führte in kinderreichen Familien zu doppelten, vereinzelt sogar dreifach gleichen Rufnamen. Für gewöhnlich gaben schon die Zeitgenossen, spätestens die Chronisten, zur besseren Unterscheidung, einen Namenszusatz. Im Falle der beiden Ottos aus der Ottonischen Linie, zur Erinnerung jene Nachkommen Ottos III., sprach man von Otto V. dem Langen und Otto VI. dem Kleinen.

Wegen der zwei unterschiedlichen, meist unabhängig agierenden Hauptlinien, wobei dem Nebenzweig der Johanneischen Linie, die Söhne aus Markgraf Johanns zweiter Ehe mit der askanischen Herzogstochter Jutta von Sachsen, wegen fehlender Akzente kaum Berücksichtigung geschenkt wird, ist es unvermeidbar, dass wir parallele Handlungsstränge betrachten und innerhalb der Themenblöcke gleiche oder einander überlappende Zeitabschnitte vorfinden, dann jeweils aus Perspektive der einen und der anderen Linie.


Herrschaftslage im Reich

Wir machen nochmal einen Rückblick auf die Situation an der Spitze des Reichs, während der Regierungschlussphase Johanns I. und Ottos III. Mit dem Tod Wilhelms von Holland, kam es 1257 im Reich zur Doppelwahl. Erstmals nahm ein brandenburgischer Markgraf als Mitglied jenes kleinen Kreises bevorrechtigter Wähler teil, die fortan als alleinige Vertreter des Reichsfürstenstands die römischen-deutschen Könige und designierten Kaiser wählten. Die Wahl verlief von Anfang an nicht in der gewohnt feierlichen Weise und dem großem Zeremoniell ab, wie es der Anlass gebot. Schon die Einseitigkeit, mit der die Kandidaten ins Spiel gebracht wurden, warf unheilige Schatten auf den Ausgang und die Zukunft des Reichs. Es förderte den weiteren Zerfall  königlicher Autorität. Dem inneren Siechtum des Reichs, folgte ein äußerer Machtverlust auf dem Fuße. Wie kam es zu diesen unvorteilhaften Wahlen, die gleich zwei reichsfremde Kandidaten zu Häuptern des Reichs erkoren?

Am 13. Januar 1257 wählten die Metropoliten von Mainz und Köln, Gerhard I. von Dhaun, Erzbischof von Mainz und Konrad I. von Hochstaden, Erzbischof von Köln, sowie Ludwig II. von Wittelsbach, Herzog von Bayern-Landshut und Pfalzgraf bei Rhein, den Anglonormannen Richard von Cornwall aus dem Hause Plantagenet, zu ihrem römisch-deutschen König. Richard ließ sich die Stimmen der rheinischen Wahlfürsten stolze 28.000 Mark in Silber kosten. 12.000 erhielt alleine der bayrische Herzog Ludwig. Es entsprach einem Gewicht von rund sieben Tonnen reinen Silbers. Als Gegenreaktion wählten der Trierer Erzbischof Arnold II. von Isenburg, Herzog Albrecht I. von Sachsen, und Markgraf Johann I. von Brandenburg am 1. April 1257 Alfons X. von Kastilien zum Gegenkönig. Sie nahmen die Verwandtschaft Alfons mit den Staufern zum Anlass, die Mutter war Beatrix von Schwaben, ihre Stimmen dem staufischen Blutsverwandten zu geben. Noch war die staufische Partei im Reich längst nicht erloschen und es genügte über die weibliche Linie einen Verwandtschaftsnachweis zu erbringen, um eine Thronkandidatur zu legitimieren. Doch bei Licht betrachtet, waren realpolitische Entscheidungen und nicht der alte Glaube an die heilsbringende Kraft des königlichen Bluts. Ein dritter, nur kurz gehandelter Thronkandidat kam aus dem unmittelbaren Kreis der Wahlfürsten selbst. Es war Markgraf Otto III. von Brandenburg, dem oft erwähnten jüngeren Bruder Johanns I. von Brandenburg. Wir hatten davon berichtet. Nachdem ein Wahlkonvent im sächsischen Rechtsraum nicht stattfand, und eine Mehrheit somit unerreichbar wurde, zog Otto die Kandidatur zurück. Die Stimmen der drei gekauften rheinischen Fürsten galten Richard als sicher. Erwähnt sei, dass dies ein völlig legales Verfahren war und damals in keiner Weise anrüchig. Otto konnte sich neben der brandenburgischen Stimme des Bruders, nur noch auf jene des askanischen Verwandten aus Sachsen-Wittenberg stützen. Er konnte weder Trierer, noch den königlichen Schwager aus Böhmen für seine Partei gewinnen. Aus diesen Gründen gab Brandenburg frühzeitig die Kandidatur auf und stimmte schließlich für Alfons von Kastilien. König Ottokar II. von Böhmen, legte sich weder für den einen noch den anderen Kandidaten fest und enthielt sich der Stimmabgabe ganz. Keiner der beiden gewählten Könige vermochte sich in der Folgezeit im Reich Geltung zu verschaffen. Alfons von Kastilien dabei noch am wenigsten. Er blieb in seiner gesamten Regentschaftszeit dem Reich gänzlich fern. Richard von Cornwall hatte hohe Ambitionen, besuchte das Reich auch insgesamt viermal, strebte sogar die Kaiserkrone an, blieb aber in Ermangelung fehlender Präsenz am Ende ohne echten Einfluss. Die noch gar nicht lange zurückliegenden Zeiten eines Friedrich II., der den größten Teil seiner Regierungszeit in Italien verbrachte und dennoch über eine starke Partei im Reich verfügte, war vergangen. Königspräsenz und die Interaktion mit den Mittelmächten in deutschen Reichsteil waren wieder so wichtig geworden, wie zu Zeiten der Ottonen. Richard von Cornwall war während seiner Regentschaft viel zu sehr durch innere englische Angelegenheiten abgelenkt, als dass er je den mannigfaltigen Angelegenheiten des Reichs die notwendige Aufmerksamkeit  hätte zukommen lassen können. Das Hemd war ihm näher als die Hose, weswegen die eigenen Hausangelegenheiten den Vorzug bekamen.

Beide Könige waren von ihrer charakterlichen Prägung her durchaus vielversprechend und keine Wahl eines betont wesensschwachen oder gänzlich machtlosen Kandidaten. Die geographische Ferne zum Reich und die Verpflichtungen in den heimischen Refugien, waren von nachhaltig hemmender Wirkung. In der Geschichtsschreibung wird diese Zeit bezeichnenderweise das Interregnum genannt. Obwohl zeitgleich zwei gewählte Könige existierten, kam keiner zu einer wirksamen Regentschaft. Je nach Betrachtungsweise wird die Zeit des Interregnums auch schon auf den Vorgänger, Wilhelm von Holland, angewendet, vereinzelt sogar bereits auf den letzten Staufer, Konrad IV., da dieser in der kurzen Frist seiner Regentschaft, ohne Akzente bleiben musste. Das Fehlen eines handlungsfähigen Herrschers und die damit einhergehende Lähmung der Zentralgewalt, ließ das föderal und multiethnisch zusammengesetzte Reich sichtbar bröckeln und auseinanderdriften. In den oberitalienischen Reichsgebieten zeigten sich die gewohnten Bestrebungen nach Autonomie und im deutschen Reichsteil setzte sich nicht nur die Territorialisierung ungehemmt fort, die Wahlfürsten begannen sich zeitgleich zu emanzipieren und als politische Regierungsinstanz an die Seite des Reichsoberhaupts zu treten. Ein wirksames Gegengewicht zu den Territorialfürsten waren die Vielzahl freier Städte, die sogenannten Reichsstädte. Unter den Staufern bildeten sich diese unabhängigen, reichsunmittelbaren Stadtrepubliken im deutschen Reichsteil heraus. Ihre Zahl nahm nach dem endgültigen Zusammenbruch des Stauferreichs noch weiter zu und wurden für alle zukünftigen römisch-deutschen Könige wichtiger Rückhalt als auch Finanzquelle.

Konradin bei der Falkenjagd
(Codex Manesse, Heidelberg)

Die nach außen zutage tretende Schwäche des Reichs traf den Stolz der deutschen Reichsfürsten. Bei allem Partikularismus, erregte der schmerzliche Verfall des Reichsansehens doch die Gemüter. Die staufische Partei begann sich wieder zu regen. Ein letzter legitimer männlicher Spross, Sohn des vormaligen, früh verstorbenen Kaisers Konrad IV., war zwischenzeitlich fast herangewachsen. Konrad mit Namen, wie der Vater, wegen seines Alters Konradin gerufen, wuchs am Hofe seines Onkels Ludwig II. von Wittelsbach auf. Jener Herzog von Bayern und Pfalzgraf bei Rhein, der Januar 1157 seine rheinische Kurstimme Richard von Cornwall gab, im Umkehrschluss, neben den oben erwähnten 12.000 Mark Silber, das schwäbische Herzogtum, die staufischen Stammlande, für seinen unmündigen Neffen forderte, welches der Papst den verhassten Staufern zuvor zu entziehen trachtete.

Auch wenn sich Brandenburg und Sachsen-Wittenberg zwischenzeitlich von ihrem 1157 gewählten kastilischen Kandidaten Alfons trennten, blieben die Askanier bezüglich einer Wahl des jungen Staufers zurückhaltend, so dass die im Reich schon eingeleiteten Vorbereitungen ins Stocken gerieten und wegen der sich abzeichnenden, fehlenden Mehrheit, ganz aufgegeben wurden. Stattdessen wurde Konradin von ghibelinnischen Anhängern in Oberitalien zum Zug über die Alpen animiert um sich des verloren gegangenen staufischen Königreichs Sizilien zu bemächtigen.

Was war dort seit dem Tod Friedrichs II. und Konrads IV. geschehen?

In Unteritalien verwaltete Manfred, ein unehlicher Sohn Kaiser Friedrichs II., das staufische Erbe für den in Bayern heranwachsenden Konradin. Seitens des Papstes war die fortdauernde Präsenz eines Staufers im Süden Italiens natürlich unverändert ein Dorn im Auge. Daran änderte sich auch nichts mit der Wahl eines neuen Papstes. Der Gegensatz war längst schon institutionalisiert und nicht mehr nur personenbezogen. Um die Staufer zu vertreiben, verlieh der Papst Sizilien an den englischen Prinz Edmund. Manfred musste vorerst flüchten, kehrte aber mit einem sarazenischen Heer zurück, und übernahm wieder die Herrschaft als Verwalter. Als sich das Gerücht verbreitete, Konradin wäre im fernen Norden verschieden, ließ sich Manfred am 10. August 1258 in Palermo zum König krönen. Der schwelende Konflikt zwischen Staufern und der Kurie loderte jetzt in voller Schärfe auf. Papst Clemens IV. setzte einen neuen Kandidaten ein, Karl von Anjou, den Bruder des französischen Königs. Dieser zeigte sich gegenüber dem Papst und dessen Oberherrschaftanspruchs bezüglich Unteritalien williger, als es der englische Prinz tat oder gar der ketzerische Manfred, welcher die Lehnsoberhoheit des Papstes über beide Sizilien rundweg ablehnte, weswegen er, wie konnte es für einen Staufer anders sein, exkommuniziert wurde. Die Unterstützung eines Charakters wie Karl von Anjou, ein selbst für die wenig zimperliche Zeit, ungewöhnlich skrupelloser, machthungriger Schlächter, lässt das katholische Haupt in keinem guten Licht stehen. Am 26. Februar 1266 kam es bei Benevent zur blutigen Entscheidung. Manfred fiel bei den Kämpfen und mit ihm blieben auf beiden Seiten mehrere tausend Streiter auf der Walstatt liegen. Gefangene wurden teilweise noch auf dem Schlachtfeld hingerichtet. Der Papst, im Grunde ein ernsthafter Reformer der durch Vetternwirtschaft schwer erkrankten Kirche, verweigerte dem gebannten Gefallenen eine christliche Bestattung und hatte über dessen Leichnam auszugsweise nur folgendes zu sagen, „… diesen stinkenden Kadaver jenes Pestmenschen Manfred …“. Wenn der Papst auch nicht die Grausamkeiten Karls anordnete, möglicherweise auch in der gezeigten Weise nicht guthieß, war er doch dankbar für dessen Wirken gegen die staufischen Erzfeinde.

Karl etablierte eine ungeliebte Herrschaft, wodurch sich nicht nur die noch verbliebenen staufischen Parteigänger regten, sondern auch eine sonstige Opposition. Es war der geeignete Nährboden, der die norditalienischen Ghibellinen dazu animierte, den mittlerweile in Schwaben regierenden Konradin zu rufen. Im deutschen Reichsteil war eine erfolgreiche Kandidatur zum Gegenkönig unwahrscheinlich worden. Die Neutralität der sächsischen Wahlfürsten und die Unberechenbarkeit des böhmischen Königs, gaben im Moment keinen Anlass zu weiterer Hoffnung. Der riskante, unter den gegebenen Bedingungen dennoch nicht völlig aussichtslose Heerzug nach Süditalien könnte, falls erfolgreich, das entscheidende Signal an die parteilosen Fürsten aus Böhmen, Sachsen-Wittenberg und Brandenburg sein, dem Jüngling das Vertrauen und ihre Stimme zu schenken, wodurch dem lähmenden Interregnum hoffentlich ein Ende gesetzt würde.

Karl I. von Anjou

Wie es dem jungen Konradin und seinem ebenso jungen Begleiter erging, wurde bereits in einem vorangegangen Kapitel geschildert, trotzdem hier nochmal in aller Kürze. In der Schlacht bei Tagliacozzo wurde Konradins ghibellinisches Heer vernichtend von Karl geschlagen. Er selbst konnte zuerst einer Gefangennahme entgehen, während seine auf dem Schlachtfeld gefangengenommenen Mitstreiter noch an Ort und Stelle ermordet wurden. Ein fast beispielloses, in höchstem Maße verabscheuungswürdiges Verbrechen, wie es unter christlichen Heeren gänzlich untypisch war.
Konradin geriet bei Astura schließlich doch in Gefangenschaft und wurde an Karl von Anjou ausgeliefert, der ihn am 29. Oktober 1268, zusammen mit seinem Freund und Vertrauten seit den Kindheitstagen, Friedrich von Baden-Österreich, in Neapel öffentlich auf dem Marktplatz durch Enthauptung hinrichten ließ.

Die unerhörte Schändlichkeit bei Tagliacozzo erlebte mit dieser Bluttat einen barbarischen Höhepunkt, welcher abermals und diesmal endgültig, den Papst, welcher mit der Exkommunikation Konradins erst die Voraussetzung dazu schuf, zum Steigbügelhalter des Schlächters der Staufer machte. Ein Drama von europäischen Dimensionen.


Mongolen, Mamelucken und der Verlust Palästinas

Das Reich verharrte nach dem neuerlichen, diesmal endgültigen Zusammenbruch der staufischen Partei, im Status Quo und dämmerte in seiner selbstauferlegten Lethargie dahin, während sich aus dem Osten kommend eine neue Macht erhob und das Ende der Kreuzfahrerstaaten einläutete.

Die Bestrebungen der Christen mit Errichtung militärischer Statellitenstaaten dauerhaft das Heilige Land kontrollieren zu können, scheiterten im Verlauf des 13. Jahrhunderts vollständig. Konnten die Kreuzfahrer lange von wiederkehrenden Auseinandersetzungen rivalisierender islamischer Regionalfürsten profitieren und hierdurch im Heiligen Land festen Fuß fassen, änderte sich mit dem Erscheinen der Mamelucken die Situation in der gesamten Region komplett. Die Mamelucken oder Mamluken, waren ursprünglich türkisch-kaukassische bzw. transkaukassische Söldner und dienten unter vielen islamischen Fürsten. Ihre militärische Schlagkraft verschaffte ihnen rasch den Ruf einer zuverlässigen Elitetruppe. Selbst der große Saladin hielt sich unter seiner Leibgarde Krieger dieser Kaste. Unter einem ihrer Generäle, Izz ad-Din Aybak al-Turkomani (arabisch المعز عز الدين أيبك), übernahmen die Mamelucken 1250 die Herrschaft in Ägypten. Als Sultan al-Malik al-Mu’izz regierte er das Land von 1250 bis 1259. Von dieser Machtbasis aus, drängten sie die Kreuzfahrer weiter zurück.

Zeitgleich breitete sich aus den Steppen Zentralasiens kommend, eine wohl nicht ganz unbekannte, so doch bislang nicht ernsthaft wahrgenommene Streitmacht aus. Mongolische Reiterheere drangen in rasender Geschwindigkeit nach Westen vor. Im Jahre 1258 waren sie bis nach Persien vorgerückt und ohne Rast darüber hinweggezogen, worauf Bagdad erobert wurde. Im Jahr 1260 fiel ihnen Syrien in die Hände. Es kam dabei zu größeren Gefechten mit Kreuzfahrern, die den ungemein wendigen Nomadenreitern hinsichtlich Beweglichkeit unterlegen waren. Die Mongolen streckten ihre Fühler nach Ägypten aus und forderten 1260 Sultan Saif ad-Din (arabisch المظفر سيف الدين قطز) zur Unterwerfung auf. Dieser lehnte ab und rüstete sich gegen einen Einfall, der auf wundersamerweise ausblieb.
Im fernen Mongolenreich war 1259 Möngke Khan (mongolisch ᠮᠥᠩᠬᠡ, 1209 – 1259) verstorben, vierter Großkhan der Mongolen und Enkel des großen Dschingis Khan (mongolisch ᠴᠢᠩᠭᠢᠰ ᠬᠠᠭᠠᠨ, um 1155 – 1227). Es kam augenblicklich zum Erbfolgekrieg. Hülegü (mongolisch ᠬᠦᠯᠡᠭᠦ, 1217 – 1265) Bruder des verstorbenen Großkhans, trat mit der Masse des nach Syrien eingedrungenen Heeres den langen Rückmarsch in die Heimat an, ohne etwas für sich ausrichten zu können. Letztlich entschied ein anderer Bruder, Kublai Khan (mongolisch ᠬᠦᠪᠢᠯᠠᠢ ᠰᠡᠴᠡᠨ ᠬᠠᠭᠠᠨ, 1215 – 1294), den Thronkampf zu seinen Gunsten. Die in Syrien verbliebenen mongolischen Truppenteile, standen unter dem Kommando von Kitbukha († 1260), ein nestorianischer Christ. Der ägyptisch-mameluckische Sultan marschierte zur Rückeroberung Syriens mit seinen Truppen über Gaza bis zur Höhe der Kreuzfahrerfestung Akkon. Die Mongolen in Syrien waren auf der Hut und rückten ihrerseits über den Jordan nach Galiläa vor. Bei Ain Djalut (arabisch عين جالوت) trafen sich beide etwa gleich starke Heere am 3. September 1260. Im Verlauf der heftig ausgefochtenen Kämpfe, konnten sich die vom Sultan teilweise persönlich geführten mameluckischen Streitkräfte und ihre Verbündeten, überraschend gegen die Mongolen durchsetzen. Erstmals wurde ein mongolisches Heer vernichtend geschlagen. Lange Zeit galt diese Schlacht als Wendepunkt mongolischer Westexpansion. Die christlichen Kreuzfahrerstaaten positionierten sich während des Konflikts unterschiedlich. Antiochia und Tripolis verbündeten sich mit den Mongolen ohne jedoch aktiv zu werden, während sich das Königreich Jerusalem halbherzig den Mamelucken anschloss und dabei ebenfalls untätig blieb. Im Verlauf der nächsten Jahre konnten die Mamelucken das von den Mongolen hinterlassene Vakuum auffüllen, ihre Stellung in Palästina und Syrien festigen, um dann nach und nach die christlichen Staaten und Befestigungen zu erobern. 1268 fiel Antiochia, 1289 Tripolis, 1291 Akkon, 1298 Gibelet und als letzte Bastion die Inselfestung Ruad im Jahre 1302. Das Zeitalter der Kreuzfahrerstaaten und der Kreuzzüge ins Heilige Land, ging zu Ende. Die Heiligen Stätten waren fest in die Hand des Halbmondes gefallen. Die Machtverhältnisse im Orient, in Kleinasien und Asien verschoben sich dramatisch. Außerhalb Europas entstanden mächtige Großreiche, die die christlich geprägten Reiche wie das Byzantinische Reich oder das Heilige Römische Reich, in den Schatten stellten.


Kampf um Pommerellen

Unter den großen markgräflichen Brüdern Johann I. und Otto III., wuchs Brandenburg weiträumig nach Osten. Mit Erwerb und fortschreitender Kolonisierung der Neumark, wurde das weiterhin in Einzelherzogtümer unterteilte Polen zum direkten Nachbarn. Im Nordosten grenzte darüber hinaus das Herzogtum Pommerellen, gelegentlich auch Ostpommern genannt, an Brandenburg. Es trennte die nordöstlichen Teile der Neumark vom expandierenden Deutschordensstaat jenseits der Weichsel.

Spätestens seit Markgraf Otto II.,  streng genommen sogar schon seit dessen Vater Otto I., kam es zu wiederkehrenden Konflikten mit den verschiedenen, pommerschen Herzögen. Sie bildeten über Generationen einen wiederkehrenden Aspekt märkischer Hauspolitik. Den brandenburgischen Markgrafen wurde anlässlich des Hoftags von Ravenna November 1231, durch Kaiser Friedrich II. die Belehnung mit Pommern und Pommerellen erneuert. Schon der väterliche Vorgänger, Kaiser Heinrich VI., verfügte die diesbezügliche Lehnshoheit Brandenburgs. Wie in den Berichten über Otto II. und Albrecht II. gelesen, waren die Verwicklungen mit und um Pommern vielfältig und langwierig. Die schweren Kriege gegen Dänemark mit König Knut VI. und dessen Sohn Waldemar II., welche dänischerseits Ansprüche auf die südliche Ostseeküste geltend machen wollten, bildeten die vorläufigen Höhepunkte, an deren Ende für Brandenburg  die erwähnte Belehnung von 1231 stand. Dass zu Ravenna die Oberhoheit über Pommern bestätigt wurde, zementierte aus Sicht der brandenburgischen Markgrafen den endgültigen Rechtsanspruch. Hinter diesen Bemühungen stand das Ziel einen Zugang zur Ostsee zu erlangen. Seit Aufblühen der Hanse, war die Ostsee zum wichtigsten Handelsweg im Norden Europas geworden. Überhaupt bildeten Seewege, sei es über das Meer oder über Flüsse, das Rückgrat des europäischen Fernhandels. Mit der Belehnung Pommerns und Pommerellens erlangte Brandenburg gleichzeitig das Sukzessionsrecht, das Erbrecht für den Fall, dass eine der amtierenden Familien ohne legitimen Erben bliebe. Dieses Sukzessionsrecht war zwar ein formeller, kaiserlich  besiegelte Anwartschaft, für gewöhnlich musste ein solches Recht, das von rivalisierenden Nachbarn missgünstig beäugt wurde, in oft langwierigen Streits, nicht selten mittels eines regelrechten Erbfolgekriegs, durch Gewalt erzwungen werden. Die europäische Geschichte ist voll solcher Beispiele. Ein kaiserlicher Lehnsbrief war zwar  grundsätzlich ein starkes Rechtsargument, vor allem gegenüber Rivalen, trotzdem war er keineswegs Garant einer erfolgreichen Rechtsdurchsetzung. Sich verändernde kaiserliche Interessen, insbesondere nach einem Generations- oder gar Dynastiewechsel, relativierten solche Dokumente mitunter über Nacht. Wenn kaiserliche Partikularinteressen mit den Rechten eines belehnten Reichsvasallen kollidierten, welche Gründe auch immer hier eine Rolle spielten, war das verbriefte Privileg kaum mehr die Tinte wert, mit dem es beurkundet wurde.

Da das Reich zur Durchsetzung königlicher Anordnungen über kein eigenes Exekutionsmittel verfügte, mussten sich streitende Parteien ihr Recht, im vorliegenden Fall ihr Lehnsrecht bzw. Unabhängigkeit, buchstäblich selbst erstreiten. Bei Fragen solcher Dimensionen praktisch immer im Waffengang. Wie bereits oft erwähnt, war das Reich föderal aufgebaut. Eine Vielzahl weltlicher und geistlicher Fürsten, war ständig eifersüchtig darauf bedacht, eine Machtbalance untereinander aufrechtzuerhalten. Man könnte es auch anders ausdrücken, man war nicht daran interessiert, jemanden übermäßig erstarken zu lassen. Das Geflecht aus Bündnissen, Gegenbündnissen, offensiver oder defensiver Natur, war vielfältig und in ständigem Fluss. Heutige Bündnispartner einer Konstellation waren morgen die Interessengegner in einer anderen Zusammensetzung. Das Durchsetzen eigener Rechte, beruhte auf geschickter Ausnutzung zeitlich geeigneter Gelegenheiten und damit oft genug vom Zufall oder glücklichen Umständen abhängig. Die Ausgangssituation war, dass Pommern, den Anspruch Brandenburgs nicht durchgehend anerkannte, und immer nach Möglichkeiten suchte, die Reichsunmittelbarkeit zu erlangen. Brandenburg konnte zur Wahrung seiner Rechte nicht ohne Weiteres zu militärischen Druckmitteln greifen. Die wechselhaften, grundsätzlich komplexen Verhältnisse im Reich und an seinen Rändern, erlaubten keine unüberlegten Aktionen, nur um einen widerspenstigen Vasallen zu züchtigen.

Anmerkung: Sprechen wir von Pommern, sind damit pauschal die unterschiedlichen Herzogtümer entlang der südlichen Ostseeküste, östlich von Mecklenburg, bis zur Weichsel gemeint. Von Fall zu Fall werden spezifische Herzogtümer, die durch Erbteilungen und wechselvolle Zusammenschlüssen im steten Fluss waren, präzise genannt, um Verwechslungen zu vermeiden.

Siegel Herzog Mestwins II.

Galt unser Augenmerk bisher nur den pommerschen Gebieten links der Oder, werfen wir jetzt einen genaueren Blick auf die Verhältnisse entlang der Ostseeküste zwischen Oder und Weichsel, auf das Herzogtum, das als Pommerellen oder Ostpommern bekannt wurde. Die westlichen Teile wurden später Hinterpommern, die östlichen, an die Weichsel angrenzenden Gebiete, Westpreußen zugerechnet. Historisch bildeten sie das Herzogtum Pommerellen, das zu Beginn des Spätmittelalters seinen Fortbestand, eingeklemmt zwischen Polen, dem Deutschen Orden und Brandenburg, mit allerlei Finten und ständig lavierenden Bündnissen und Lehnsverhältnissen, zu bewahren suchte.
Seit 1266 herrschte dort Herzog Mestwin II. (1220- 1294) über ein Teil des geteilten Landes. Am 1. April 1269, im Vertrag von Arnswalde, resignierte er alle seine Landschaften an die Johanneische Linie, und nahm sie von den Markgrafen Johann II., Otto IV. und Konrad I., als Lehen wieder entgegen. Die Art des Vertrags gibt Aufschluss, dass nicht Konrad I., wir kommen noch darauf warum er hier genannt wird, sondern alle Vertreter der Johanneischen Linie als Lehnsherren unterzeichnen.
Wie kam es zu dieser immerhin unerwarteten Wendung? Mit dem Tod des Vaters,  Swantopolk II. (1195 – 1266), wurden die Ländereien Pommerellens unter den zwei Söhnen, dem erstgeborenen Mestwin II. und Bruder Wartisław II. aufgeteilt. Beide Brüder waren nach innen erbitterte Rivalen, betrieben allerdings zeitweise gemeinsame Politik nach außen. Im Frühjahr 1267 zetteln sie einen Krieg gegen den jenseits der Weichsel benachtbarten Deutschen Orden an, der sich seit 1230 rasant nach Osten, entlang der baltischen Küste ausbreitete. Schon der Vater führte In den frühen 1240’er Jahren gegen den Orden Krieg. Mestwin geriet seinerzeit mit 13 Jahren, im Jahr 1243 in Gefangenschaft, aus der er erst fünf Jahre später entlassen wurde. Der 1267 losgetretene Krieg gegen den Orden, endete noch im Sommer des gleichen Jahres mit einer schweren Niederlage, so dass die Brüder um Frieden ersuchten. Vor dem Hintergrund der eigenen Schwäche, war der Schritt sich als Vasall unter den Schutz Brandenburgs zu stellen, ein wohl erwogener Vorgang. Selbst unter dem Risiko, mit dem Deutschen Orden in unmittelbaren Konflikt zu geraten, bliebe den brandenburgischen Askaniern  kaum eine andere Wahl, als einzuwilligen, wollten sie nicht ihr Sukzessionsrecht verlieren, was nicht im Sinne märkischer Politik sein konnte. Es wäre auch geradezu töricht gewesen, immerhin wurde die Gelegenheit, das Land demnächst zu erben, zunehmend günstiger, denn Mestwin II. war zum Zeitpunkt des Vertrags bereits 49 Jahre und hatte noch keinen Erben hinterlassen. Die Wahrscheinlichkeit, dass das Herzogtum an Brandenburg, an die Johanneische Linie fiele, wuchs von Jahr zu Jahr. Dass es wegen des Herzogs zum Konflikt mit dem Orden käme, war kaum zwei Jahre nach Tod des alten Markgrafen Ottos III., welcher wiederholt auf Preußenfahrten den Deutschen Orden tatkräftig unterstützte, kaum zu befürchten, zumal sich die Deutschherren hauptsächlich auf die weitere Expansion nach Ost konzentrierten und von einer Auseinandersetzung mit einem christlichen Nachbarn aus dem gleichen Kulturkreis, ohne das die Not es erforderlich machten, natürlicherweise Abstand nahmen.
Die Rivalität zu Wartisław II. brach jetzt, nach dem unglücklichen Feldzug gegen den Orden, offen aus, Mestwin versuchte den Bruder ganz aus dem Land zu drängen, holte sich hierbei aber eine blutige Nase. Die Nähe zu Brandenburg und die Unterwerfung, war gerade auch auf den lange schwelenden, jetzt offen ausgebrochenen Konflikt mit dem Bruder zurückzuführen. Mestwin ersuchte in dieser für ihn militärisch gefährlichen Situation, Brandenburg um tatkräftigen Beistand im Kampf. Den Markgrafen, genauer Konrad I., gleich kommen wir darauf zurück, wurde für die Hilfe Stadt und Burg Danzig versprochen, das freilich erst noch vom Gegner erobert werden musste, da Stadt, Burg und angrenzendes Gebiet Herzog Wartisław gehörte. Die Angelegenheit war selbstverständlich ganz im Sinne der Markgrafen, die darin die ideale Gelegenheit sahen, einen überaus vorteilhaften Zugang zur Ostsee zu erlangen. Danzig war dank seiner günstigen Lage am Flussdelta der Weichsel, neben Lübeck, zum leistungsstärksten Ostseehafen geworden. Danzigs große deutsche Kolonie, die Zugehörigkeit zur Hanse, die dann unmittelbare Nachbarschaft zum Ordensstaat, war so überzeugend, dass überhaupt kein Zweifel am Nutzen brandenburgischen Beistands aufkommen konnte. Eine bessere, eine leichtere Gelegenheit, konnte es überhaupt nicht geben. Unter  Führung Markgraf Konrads marschierte ein brandenburgisches Heer auf und nahm im Frühjahr 1271 Burg Danzig ein. Die überwiegend deutsche Bevölkerung der Stadt, unterstützte bei der Belagerung. Konrad I., drittgeborener Sohn aus Johanneischer Linie, war, wie wir schon erwähnten, Mitregent neben seinen älteren Brüdern Johann II. und Otto IV. Sein Herrschaftsgebiet gemäß väterlicher Disposition, erstreckte sich auf die Neumark, das brandenburgische Land ostwärts der Oder und damit auf jene märkische Provinz, die in direkter Nachbarschaft zu Pommerellen stand. Er hatte damit ein persönliches Interesse, sein Einflussgebiet zu vergrößern.

Beim Versuch die Stadt zurückzuerobern, fällt Wartisław II. im gleichen Jahr ostwärts Brombergs. Mestwin II. war jetzt mehr oder weniger Alleinerbe der väterlichen Gebiete geworden. An dieser Stelle sollte noch Sambor II. erwähnt werden, ein Onkel. Bruder des 1266 verstorbenen Swantopolk II. Sambor, dem nur eine kleine Herrschaft gehörte, stand während des Konflikts auf der Seite Wartisławs, da er sich von einem Erfolg, eine Erweiterung seines Gebiets zulasten Mestwins erhoffte. 1271 geriet er zusätzlich zum Konflikt mit dem Neffen, in einem Streit mit dem polnischen Herzog Bolesław, zwischen die Fronten, wobei er in dessen Gefangenschaft geriet. Er starb 1277, nachdem er zu Elbing im Jahr 1276 Teile seiner Herrschaft, das Land Mewe, an den Deutschen Orden verschrieb, in der Absicht von dort Hilfe gegen Bolesław zu erfahren, was jedoch nicht erfolgte.
Gleich nach Tod des Bruders, jetzt Herr im eigenen Hause, reute es Mestwin in brandenburgischem Lehnsverhältnis zu stehen. Er forderte, seine eigenen Zusagen in den Wind schlagend, die brandenburgische Garnison auf, Burg und Stadt Danzig an ihn abzutreten, was diese ausschlug. Aus eigener Kraft versuchte er jetzt die Brandenburger aus Danzig, der Blüte des Landes, zu vertreiben. Der Versuch misslang. Die deutsche Bevölkerung, geführt von den Patriziern der Stadt, unterstützten die Märker erneut. Der umtriebige Herzog suchte  Unterstützung bei Herzog Bolesław VI., seinem Vetter. Es war jener oben  erwähnte polnische Teilherzog, aus dem Hause der Piasten. Am 6. Januar 1272  zog dieser mit einem kleinen Heer vor die Burg. Schweres Belagerungsgerät wurde nicht eingesetzt und es schien deswegen wenig aussichtsreich die brandenburgische Garnison samt ihrer städtischen, deutschen Unterstützung überwinden zu können. Die Belagerer legten Feuer und gegen jeder Erwartung wird Stadt und Burg eingenommen, die allermeisten Brandenburger und Deutschen kamen dabei ums Leben. Nur eine Gruppe konnte sich in den großen Turm retten, wo sie Herzog Mestwin in die Hände fielen. Sie wurden wegen Unterstützung der Brandenburger zu hohen Geldstrafen, manche sogar zum Tode verurteilt.

Siegel Herzog Bolesław VI.

Nach einem solchen Verrat, sollte man annehmen, dass das gegenseitige  Verhältnis unüberwindbar zerrüttet wäre, erstaunlicherweise erneuerte Mestwin den von ihm kürzlich erst gewaltsam gebrochenen Lehnsvertrag bereits im Folgejahr aufs Neue. Am 3. September trafen sich die regierenden brandenburgischen Markgrafen der Johanneischen Linie, Johann II., Otto IV. und Konrad I., mit Herzog Mestwin II. auf oder bei einer Brücke über die Drage, der nähere Ort ist nicht bekannt, weswegen man vom Vertrag von Drage-Brücke spricht. Nur wenig Jahre später fiel er wieder von den Brandenburgern ab. Er verweigerte seinen Lehnsherren die Heerfolge in deren Kampf gegen Herzog Bolesław VI. von Polen. Schlimmer noch, er stellt sich auf die gegnerische Seite. Über die Ursachen des neuerlichen Bruchs kann man spekulieren. Eine Reihe von Gründen können genannt werden. Zum ersten und formal wichtigsten, im Vertrag vom 3. September 1273 gab es eine Sonderklausel hinsichtlich Herzog Bolesławs, seinem Verwandten. Mestwin  stand dem Vetter für dessen tatkräftige Unterstützung bei der  Rückgewinnung Danzigs noch in der Schuld, ein gemeinschaftlicher Heerzug mit den Brandenburgern, verbot sich für ihn. Schlussendlich bleibt der Wunsch sich der  Lehnsoberhoheit Brandenburgs zu entwinden, Motiv des anrüchigen Parteiwechsels. Konnte man seine Neutralität noch bestens verstehen, zumal sie ihm durch die erwähnte Vertragsklausel ausdrücklich eingeräumt war, ist sein Übertritt ins mit Brandenburg verfeindete Lager hinsichtlich seines Lehnsverhältnisses unentschuldbar und ein offener Verrat. Herzog Mestwin II. starb am 25. Dezember 1294 in hohem Alter, nachdem er die letzten anderthalb Jahrzehnte in Frieden regieren konnte. Er hinterließ keinen männlichen Erben und die Linie der Samboriden starb mit ihm aus. Ein jahrelanger Erbstreit folgte. Im Vertrag von Soldin vom 13. September 1309, teilten Brandenburg und der Deutsche Orden das Herzogtum Pommerellen letztendlich unter sich auf und übergingen dabei polnische Ansprüche. Mit der 1311 erfolgten Bestätigung durch Kaiser Heinrich VII., war die vorgenommene Teilung von Reichs wegen abschließend legitimiert.


Reichsbegriff & Königsheil

Wir lesen in allen Kapiteln häufig den vielleicht noch nebulösen Begriff vom Reich. Teile dieses Reichs wurden verschiedentlich namentlich erwähnt aber gerade für die Leser, die nicht tiefer mit den politischen Zusammenhängen des Mittelalters vertraut sind, immerhin eine dreigeteilte Epoche von 1.000 Jahren, mag der seit Karl dem Großen in unterschiedlicher Ausprägung verwendete Reichsbegriff indifferent bleiben. Der Evolution des Reichs wurde ein eigenes Kapitel gewidmet. Es reichte, um die jeweiligen Persönlichkeiten an der Spitze und die wechselseitige Gemengenlage bis zu Kaiser Otto I. zu skizzieren. Jetzt, zu Anfang der dritten Phase, dem Spätmittelalter, hat das Reich seinen endgültigen Namen erhalten, Heiliges Römisches Reich, den es bis zu seinem Ende im Jahre 1806 beibehielt.
Schauen wir uns die Karte Mitteleuropas um 1250 an, dem Todesjahr Kaiser Freidrich II., am Übergang vom Hoch- zum Spätmittelalter.

 

 

 

 

 

 

Die Territorialisierung innerhalb der weiträumigen Reichsgrenzen war am Anfang des Spätmittelalters schon weit fortgeschritten. Ein Flickenteppich von reichsunmittelbaren Fürsten, weltliche wie geistige, hebt ein prägnantes Merkmal heraus, das föderale Prinzip, das sich unruhig die Waage haltend, dem Reich eine politische Struktur verlieh. Auch der Laie wird erkennen, dass das Wesen des Reichs nicht nationaler Art war, gar nicht sein konnte. Auch wenn seine Könige und Kaiser seit 911 bis zum Tod Wilhelms von Holland, immer aus dem deutschen Kulturraum stammten, waren seine Glieder multinational, multiethnisch und in überschaubaren Grenzen auch multikulturell. Die weit entwickelten Regionen Oberitaliens, Burgunds und entlang des Rheins, unterschieden sich von den schwächer entwickelten Gebieten ostwärts des Rheins und den später hinzukommenden, deutschen Siedlungsgebieten rechts der Elbe. Ein geografisch dauerhaftes Machtzentrum kannte dieses Reich nicht. Seine Macht, seine Legitimität bezog es zunächst vor allem aus einer ideellen Vorstellung, einer Idee von universeller Verbundenheit, geeint durch den christlichen Glauben. Die Kirche war es, die dem Reichsgedanken sakralen Inhalt verlieh und göttlichen Segen. Gleichzeitig kam es in der Ausübung der Macht zu andauernden Konflikten und Zerwürfnissen zwischen dem jeweiligen weltlichen Haupt, dem Kaiser, und dem geistlichen Haupt, dem Papst. Generationen von Saliern, Staufern, auch von Einzelkandidaten aus dem Haus der Welfen oder Wittelsbacher, überwarfen sich bis aufs Blut mit dem Papsttum. Auch wenn die römische Kirche mit dem Mittel der Kirchenacht und dem Interdikt den Kampf auf eine religiöse Ebene hob, standen dahinter doch rein machtpolitische Interessen, der Streit um die universelle Macht in der Christenheit. Schaffte es der Bischof von Rom, der Papst, sich spätestens zu Beginn des Frühmittelalters über seine Mitbischöfe zu erheben, auf diese Weise eine Position einzunehmen, die herausragend war, nahm nach Niedergang des Römischen Reichs, das fränkische Herrschergeschlecht der Merowinger die weltliche Rolle einer Schutzmacht des Papstes ein. Aus einem längere Zeit funktionierenden Zweckbündnis aus geistiger und weltlicher Gewalt, wurde unter den späten Saliern der große Gegensatz.

Konnte sich der Papst, kraft der über Generationen erarbeiteten geistlichen Deutungshoheit, auf das etablierte Kirchendogma stützen, benötigten die römisch-deutschen Könige und Kaiser, vor allem in den Phasen besonders intensiver Auseinandersetzungen mit Rom, eine eigene Legitimierung. Der altgermanische Heilsglaube kam zu Hilfe. In der Vorstellung der Menschen spielte es eine gewichtige Rolle, ob ein gewählter Anführer über Königsheil verfügte.  Die Vorstellung, dass ein erfolgreicher Herrscher mit besonderem Heil, Glück oder Segen ausgestattet war, weil ihn die Götter, oder mit erfolgter Christianisierung, der eine Gott offensichtlich liebte, verbanden sie mit dem Glauben an ein Königsheil, das dem wahrhaftigen Herrscher zuteil wird.  Wahrnehmbare Erfolge dienten den römisch-deutschen Königen und Kaisern als göttlicher beglaubigter Legitimationsnachweis ihres Herrschaftsanspruchs und wurde, wo immer es ging, propagandistisch mit den Mitteln der Zeit verbreitet. Das Reich fußte lange auf der Idee universeller Einheit, über Kultur- und Sprachbarrieren hinweg, die sich in der Person des Reichsoberhaupts symbolisch manifestierte. Das Auftreten frühnationalstaatlicher Konstrukte an seinen Grenzen, die wachsende Autonomie der Reichsfürsten, allen voran der Kurfürsten und der Separatismus vieler Regionen, reduzierte fortschreitend den multikulturellen Charakter des Reichs. Der ohnehin dominierende deutsche  Anteil trat weiter hervor. Gegen Ende des Spätmittelalters und mit Verlust der meisten reichsitalienischen Provinzen, wurde dem Begriff „Heiliges Römisches Reich“ der Zusatz, „Deutscher Nation“ angehängt. Das Reich bekam einen novh deutscheren, nationaleren, doch keinen nationalstaatlichen Charakter. Dass der Reichsgedanke unter Karl dem Großen erstmals entfaltet, über tausend Jahre erhalten blieb, auch wenn die kaiserliche Autorität und die Macht des Reichs in Wellen fortwährend geringer wurde, ist einer der bemerkenswertesten Umstände der europäischen Geschichte.


Konflikte und örtliche Rückschläge für Brandenburg

Die Kampagne um Danzig, gegen den abgefallenen Vasallen Mestwin II., ging mit Unterstützung dessen Vetters, des Herzog Bolesław VI., für Brandenburg im Februar 1272 verloren. Wie wir sahen, konnte Markgraf Konrad I. aus seiner neumärkischen Provinz heraus, ohne den militärischen Beistand der Brüder, die sich zeitgleich im Krieg mit den Herren von Werle und Schwerin befanden, nichts gegen die Belagerung und Eroberung verrichten noch als angemessene Reaktion  zum Gegenschlag mit Aussicht auf Erfolg rüsten. Brandenburg hielt an den Ansprüchen auf Danzig fest, auch wenn augenblicklich die Mittel zur Durchsetzung fehlten.

Noch im Frühling des gleichen Jahrs, kam es im Südwesten der Mark zu Verwicklungen mit Magdeburg. Dem ausbrechenden Streit, gingen seit Jahren Bestrebungen der Johanneischen Linie voraus, den jüngsten der Brüder aus erster Ehe Johanns I. im Erzbistum Magdeburg einen Platz im dortigen Domkapitel zu verschaffen. Schon am 20. Juni 1264 forderte Papst Urban IV. die dortigen Domherren erfolglos dazu auf. Gelänge es den zum geistlichen Stand vorbereiteten Bruder auf den Stuhl des Erzbischofs zu setzen, wäre Brandenburg nach Südwesten abgesichert und erstmals seit Generationen, mit dem Erzbistum dauerhaft befriedet. Bemerkenswert ist die Energie mit welcher Otto IV. dieses Projekt vorantrieb und nicht Johann II., als dem ältesten Vertreter dieses brandenburgischen Zweigs. Der von den Markgrafen aufgebaute Druck trieb Magdeburg, schon zwangsläufig an die Spitze eine Koalition, die gegen Brandenburg gerichtet war. Am 1. Mai 1272 zeichnete sich im Zuge eines explizit gegen die Johanneische Linie gerichteten Defensivbündnis, ein ernsthafter Konflikt deutlich ab, würden die Markgrafen, würde Otto IV. nicht von seinen Ambitionen für  den Bruder abrücken. Erzbischof Konrad von Magdeburg schloss mit den Herren von Werle und Grafen von Schwerin, sowie den Herzögen von Mecklenburg und Rügen. Mit dem Nikolaus von Werle und Graf Gunzelin von Schwerin,  standen die Markgrafen bereits im eingangs des Abschnitts erwähnten Krieg. Dabei ging es mit einigermaßen großer Sicherheit um länger schon schwelende Grenzstreitigkeiten nördlich der Prignitz. Die erhaltenen Aufzeichnungen geben keine genaueren Angaben an, so dass es eine Vermutung bleibt. Schon die Ottonische Linie stand bis zum 9. Juni 1269 im Krieg mit den gleichen Parteien, woraus die Schlussfolgerung zulässig erscheint, dass die strittigen Punkte wohl noch in die Generation der Väter zurückreichten und jetzt kleckerlesweise ausgetragen wurde.

Das Bündnis im Westen, kam zu einer Zeit, als im Osten, in der Neumark, an der Grenze zu Polen, eine Serie von Niederlagen und Verlusten wichtiger Grenzburgen, die brandenburgische Expansion über die Warthe hinaus zum völligen Stillstand brachte und  überhaupt ein empfindlicher Rückschlag zu befürchten war, sollte sich der einsetzende Trend fortsetzen. Zunächst verwundert es, dass die Johanneische Linie mit Johann II., Otto IV. und Konrad I., nicht mit aller Entschiedenheit entlang der Neumark und in Danzig, die brandenburgischen Interessen verteidigte und zum gemeinsamen Gegenschlag ausholten. Die seit Erbteilung und Ableben der alten Markgrafen in der fragilen Mark auftretenden Problem, nahmen schlagartig überhand. Die Vertreter der beiden Hauptlinien, waren in ihren jeweiligen Refugien zu sehr auf unabhängiges Wirken bedacht, als dass sie durch ein gemeinsames Vorgehen ein deutliches Zeichen setzten. Die meisten Probleme waren aufgestaute Altlasten der vorherigen Generation, die sich jetzt entzündeten. Neben den bereits erwähnten Konflikten mit Herzog Mestin II., Herzog Bolesław VI., Nikolaus von Werle, dem Grafen Gunzelin von Schwerin, den sich seit Mai 1272 abzeichnenden Konflikt mit Magdeburg, wodurch die magdeburgischen Bündnispartner aus Mecklenburg und Rügen ebenfalls im Lager der Gegner erschienen, gab es noch einen Konflikt im Land Bautzen, mit der Kirche von Meißen . Die Liste der Rivalen, momentanen Kriegsgegner und alsbaldigen Feinde, war lang. Die drei genannten Brüder taten im Moment gut daran, keine überstürzte Gegenreaktionen zu unternehmen, so berechtigt sie auch gewesen wären. Es galt einen drohenden Flächenbrand zu vermeiden und auf geeignetere Zeiten zu harren.

Trotz der regionalen Rückschläge an der neumärkischen Nordostgrenze, und dem laufenden Konflikt mit Werle und Schwerin, ging das Jahr 1272 ohne weitere Schwierigkeiten über die Bühne und die Lage eskalierte nicht weiter. Viele vergleichbare Fehden schliefen ein, war der erste Beuterausch vorerst befriedigt und die andere Seite nicht zum Gegenschlag in der Lage, konnte später aber erneut aufflammen.


Ende des Interregnums

Das Jahr 1273 brachte eine entscheidende Wendung in der festgefahrenen Situation an der Spitze des Reichs. Über die Zeit des Interregnums wurde schon berichtet. Nach dem Tod Kaiser Friedrich II., dem nach nur vier Jahren Regentschaft auch Sohn Konrad IV. in den Tod folgte, gab es drei weitere, gewählte Könige, ohne dass es einem davon gelang, echte Autorität zu entfalten. Die Versuche den kaum dem Knabenalter entwachsenen Konradin, letzter legitimer Nachkomme der Staufer, über den Umweg eines erfolgreichen Heerzugs nach Unteritalien, für die Königswürde zu empfehlen, endete mit dessen Niederlage und seiner schändlichen Hinrichtung.

König Rudolf I.

Das unselige Schattenkönigtum gleich zweier, wegen ungünstiger Umstände in ihren heimatlichen Ländern zur Ausübung nachhaltiger Reichsregierung unfähiger Herrscher, endete mit dem Tod Richards von Cornwall im Frühjahr 1272. Zwar beanspruchte Alfons von Kastilien als der zweite gekürte Monarch die Regierung, doch fand er keinen Anhang  mehr. Die Abkehr der askanischen Kurfürsten spielte dabei eine wichtige Rolle. Im Reich strebten die Kurfürsten die Wahl eine neuen, handlungsfähigen Oberhaupts an.

Am 1. Oktober 1273 wählten die zu Frankfurt versammelten Wahlfürsten, oder deren Vertreter, den Grafen Rudolf von Habsburg einstimmig zum neuen römisch-deutschen König. Der Mainzer Erzbischof hatte zu Michaelis (29. September) die wahlberechtigten Fürsten nach Frankfurt geladen. Die Wahl kam zwei Tage später zustande. In den Überlieferungen wird nicht namentlich erwähnt, wer brandenburgischerseits die Wahlstimme ausübte, nur dass einer der Markgrafen von Brandenburg teilnahm. Es darf angenommen werden, dass dies Johann II. als Erstgeborener der Johanneischen-, der älteren Markgrafenlinie gewesen ist. Gibt die indifferente Angabe vielleicht einen Hinweis, dass für den Chronisten zur Zeit der Wahl überhaupt nicht klar war, möglicherweise nicht klar sein konnte, welcher der Markgrafen das Stimmrecht ausüben würde und es letztendlich tat? Ist denkbar, dass wegen der langen brandenburgischen Passivität in Reichsangelegenheiten und den in Brandenburg vorherrschenden Regierungsverhältnissen, wo mehrere Markgrafen halb einträchtig, hab separiert in ihren Teilgebieten agierten, der oder die anwesenden Markgrafen nicht unterschieden werden konnten, weil sie im Westen des deutschen Reichsteils größtenteils unbekannt waren? Denkbar wäre es.

Es gibt ferner Grund zur Annahme, dass sich damals bereits erste Rivalitäten zwischen beiden brandenburgischen Zweige abzeichneten. Die Anwesenheit Ottos V., seit dem frühen Unfalltod des älteren Bruders nunmehr Anführer der Ottonischen Markgrafenlinie, spätestens anlässlich der Krönung Rudolfs in Aachen, lässt die Schlussfolgerung zu, dass er für sich und sein Haus das Kurrecht anstrebte, ob mitbestimmend oder gar selbstständig, bleibt offen. Doch egal wie, es hätte eine gefährliche Zersplitterung Brandenburgs bedeutet, jene Gefahr, gegen die sich die Väter so entschieden mit ihrer wegweisenden Gebietsteilung unter Beibehaltung der politischen Integrität Brandenburgs, gestemmt hatten. Otto V. erscheint um diese Zeit als Zeuge und Mitunterzeichner auf einer Reihe Willebriefe, mittels denen sich der Monarch die Zustimmung zu Handlungen das Reichsgut betreffend, beglaubigen ließ. Markgraf Johann II. ging leer bei der Wahl aus. Ottokar von Böhmen traf es freilich noch härter, wie wir noch sehen werden. Wir erinnern uns, schon anlässlich der Wahl Richards von Cornwall 1157, wurden große Summen verteilt, um eine ausreichende Stimmmehrheit zu erkaufen. Rudolf von Habsburg hielt es nicht anders, wozu er die die ohnehin stark zurückgegangen, dem Reich noch verbliebenen Einnahmen aus den Reichsregalien weiter verpfändete. Dabei ging Rudolf in kluger Voraussicht vor. Indem er den Konsens der Fürsten einholte, machte er sich gleichsam mitverantwortlich. Der Mainzer Erzbischof erhielt bei dieser Gelegenheit beispielsweise den einträglichen Rheinzoll bei Boppard. Dem Erzbischof von Köln wurde die Reichsstadt Dortmund und bis zu seinem Ableben, ebenso Kaiserswerth verschrieben. Dem Erzbischof von Trier wurden fast schon bescheiden anmutende 1555 Kölner Mark Silber erteilt. Pfalzgraf Ludwig bei Rhein erhielt die Hand von Rudolfs Tochter Mathilde, mit der er anschließend in dritter Ehe lebte. Hierzu gab es die stolze Summe von 10.000 Kölner Mark Silber als Mitgift. Damit hatte es sich noch lange nicht. Ludwigs gleichnamiger Sohn aus erster Ehe, erhielt weitere 5.000 Mark und zu guter Letzt kamen dem Pfalzgrafen die oberschwäbischen Güter der Staufer, wie auch umfangreiche Besitzungen in der Oberpfalz zugute. Eine außerordentliche  Zuwendung, die dem Wittelsbacher  Pfalzgrafen bei Rhein und gleichzeitigem Herzog von Bayern damit zuteil wurde. Vier der sieben Kurstimmen hatte Rudolf sicher, erstaunlicherweise erkaufte er sich noch zwei weitere Stimmen. Zunächst die Herzog Albrechts II. von Sachsen-Wittenberg, dem Rudolfs Tochter Agnes zur Frau versprochen wurde. Als Mitgift wurde ihm die lukrative Vogtei Lübecks gegeben. Abschließend erhielt der bayrische Herzog Heinrich, Bruder des Pfalzgrafen Ludwig, skandalöser Weise die Kurstimme Böhmens. Ein Affront, eine schallende Ohrfeige und offener Bruch mit dem böhmischen König, der bei der Wahl durch den Bamberger Bischof vertreten wurde. Rudolf kaufte sich mit den reichen Schenkungen an die Wittelsbacher, zwei wichtige Verbündete, besonders in Person des zukünftigen Schwiegersohns. Mit Entzug der böhmischen Kurstimme und Weitergabe an Heinrich von Bayern, warf er Ottokar von Böhmen sinnbildlich den Fehdehandschuh hin, der diesen Akt öffentlicher Missachtung nicht anders als eine unausgesprochene Kriegserklärung auffassen konnte. Brandenburg ging bei alldem völlig leer aus, wie schon 1257, doch wie konnte das möglich sein? In Sachen Reichspolitik hielten sich die Markgrafen schon  Generationen zurück, abgesehen von Albrecht II., traf dies bis auf den Dynastiegründer Albrecht den Bären, auf in Grunde jeden askanisch-brandenburgischen Markgrafen zu.

Markgraf Johann II.

Die Ferne des Reichszentrums, machte diese Passivität leicht, doch machte sie sich mittlerweile auch wiederholt negativ bemerkbar. Rudolfs scheinbare Missachtung Brandenburgs, entpuppte sich bei näherer Betrachtung als politische Raffinesse. Die Anwesenheit der jüngeren Ottonischen Linie in Person Markgraf Ottos V. anlässlich der Krönung in Aachen, vielleicht sogar schon während des Wahlakts zu Frankfurt, war entweder von Beginn an kein Zufall oder ergab sich aus dem sich deutlich abzeichnenden innerbrandenburgischen Gerangel um das Kurrecht, das für Rudolf die passende Gelegenheit bot, einen Keil in das nach Fläche gewaltige nordostdeutsche Fürstentum zu treiben und es auseinanderzudividieren. Wie die näheren Umstände auch gewesen sein mögen, der designierte König wusste die Situation für sich ressourcenschonend zunutze zu machen und spielte wohl beide Vettern hinsichtlich des Kurrechts gegeneinander aus, so dass wahrscheinlich Johann II. seine Kurstimme ohne Gegenleistung hergab, wenn er sie dadurch seinem Zweig, dem älteren, dauerhaft exklusiv erhalten konnte, während Otto V. dem König bei der Verteilung von Reichsgut die Willebriefe gegenzeichnete, so beispielsweise am 27. Oktober und 24. November.

Rudolfs Wahl fällt in der Beurteilung der Historikern bis heute gespalten aus. Viele vertreten den sicher nicht völlig ungerechtfertigten Standpunkt, vorbelastet vom Bild alter Chronisten, dass mit voller Berechnung ein vermeintlich relativ schwacher, in Ermangelung ausreichender Mittel zu unabhängiger Regierung nicht befähigter Monarch gewählt wurde, der ohne den Beistand und Ratschluss der Kurfürsten, besonders der rheinischen, im Grunde handlungsunfähig wäre. Immerhin handelte es sich bei dem Grafen aus dem schweizerischen Aargau, um keinen hohen, keinen mächtigen Reichsfürsten. Der böhmische König bestritt sogar dessen Reichsunmittelbarkeit. Tatsache war, er stammte aus einer noch vor einer Generation kleinen, recht unbedeutenden Grafschaft und verfügte demgemäß über keine ins Gewicht fallende Hausmacht. Auch war Rudolf bei der Wahl bereits 55 Jahre alt, eine lange und einflussreiche Regentschaft war vor diesem Hintergrund kaum zu erwarten. Über Bildung verfügte er praktisch nicht. Er war dem Prinzip der Zeit, von kleinauf auf zum ritterlichen Leben als Kämpfer erzogen worden. Ein Leben, das sich im Mittelalter hauptsächlich auf Beredsamkeit, den Umgang mit der Waffe und höfische Sitten konzentrierte. Der Schrift nicht mächtig, sprach er auch kein Latein. Nach Tod des Vaters, bewies er viel Geschick bei der Erweiterung des Habsburger Herrschaftsgebiets. Im südwestdeutschen Raum gelang es ihm eine regionale Machtbasis zu schaffen, die trotzdem im Vergleich zu anderen, mächtigeren Reichsfürsten, klein ausfiel.

Was konnte man also von diesem am 24. Oktober 1273 in Aachen gekrönten Habsburger an der Spitze des Reichs erwarten? Der Kauf der Wittelsbacher, so teuer es war, blieb ein kluger diplomatischer Winkelzug, der ihn von vornherein politisch unabhängig von den rheinischen Erzbischöfen machte. Vielleicht noch einige Sätze zur zugesagten Mitgift. Die insgesamt 15.000 Mark Silber besaß er natürlich nicht und selbstverständlich rechnete sein Schwiegersohn wohl auch kaum mit einer Barzahlung. Der König verschrieb ihm als Pfand stattdessen die Steuer einer Reihe von Reichsstädten, was Ludwig wahrscheinlich ohnehin lieber war, erhoffte er sich dadurch eine dauerhafte Unterwerfung dieser Städte, darunter das aufstrebende Nürnberg.

Rudolf stand mit dem Papst in gutem Einvernehmen. Dies traf auf die meisten römisch-deutschen Könige zu Beginn ihrer Regentschaft zu. Vergessen wir nicht, das selbst der seinerzeit noch junge Staufer Friedrich II., vom Papst zum Erwerb der Reichskrone animiert und tatkräftig unterstützt wurde. Das Verhältnis von Reichsoberhaupt und Kirchenoberhaupt, trübte sich für gewöhnlich, man muss es fast so sagen, denn es folgte darin fast schon einem politischen  Naturgesetz, im Laufe der jeweiligen Regentschaft. Unabhängig der derzeitigen Ausgangslage im Verhältnis zur Kirche, ganz allgemein war die Lage gleich zu Beginn seiner Regierung nicht rosig. Sowohl der französische König Philipp III., aber vor allem König Ottokar II. von Böhmen, waren als Kandidaten angetreten. Übrigens auch wieder ein Askanier, diesmal aus dem anhaltinischen Zweig, doch konnte sich, wie wir sahen, letztlich der Habsburger durchsetzen. Gregor X. sprach sich höchstpersönlich gegen die Kandidatur des jungen französischen Königs aus. Dessen Onkel, der ruchlose, in Neapel regierende Karl I. von Anjou, hatte den unerfahrenen jungen Mann ins Spiel gebracht, weil er sich davon erhoffte, in den eigenen italienischen Ambitionen, wenn nicht aktiv Unterstützung, so doch verwandtschaftliche Duldung zu erfahren. Der Papst konnte diesem Vorhaben nur abgeneigt, ja feindlich gesinnt sein. Die Wahl des französischen Anjou-Kandidaten zum römisch-deutschen König, während gleichzeitig ein Onkel in Unteritalien selbstbewusst und expansiv regierte, hätte eine brandgefährliche Vormachtstellung einer neuen Herrscherdynastie heraufbeschworen. Die Lage wäre mitunter schlimmer gewesen, als bisher. Der generationenlange Kampf gegen die Staufer und deren schlussendliche Ausrottung, wären nutzlos geworden. Indem der Papst sich bei den geistlichen Kurfürsten gegen Philipp aussprach, war der Franzose aus dem Rennen. Gegen den askanischen Kandidaten aus dem Hause Anhalt waren die rheinischen Kurfürsten von sich aus. Sie waren besorgt, wenig bis keine Kontrolle auf ihn  ausüben zu können. Ein König aus dem Geschlecht der mächtig gewordenen Askanier, konnte sie nicht wollen, weil im sächsischen Raum allenfalls noch mit dem aufstrebenden Wettiner Haus, ein ernstzunehmendes Gegengewicht existierte, seit die Askanier sowohl mit dem welfischen Haus und über die brandenbugisch-ottonische Linie, mit dem böhmischen Königshaus, eng verwandt und verbündet waren. Die dänische Verbindung dabei überhaupt noch nicht erwähnt. Der auf den ersten Blick vermeintlich machtloseste Kandidat, hätte sich wahrscheinlich, gestützt auf das enge Netzwerk im sächsisch-ostsächsisch-böhmischen Raum, im Sinne der eigenen Sippe entwickelt und nicht im Mainzer oder Kölner Sinne und deren mittlerweile machtgewohnten Erzbischöfen. Bleibt noch der böhmische Kandidat. Ottokar II. scheiterte schlicht gesagt, wegen seiner Machtfülle. Im Reich gab es keinen kraftvolleren Territorialfürsten. Er hätte sich, durch das enge Verhältnis zu Brandenburg noch gefördert, jeder Kontrolle und Einmischung mit Leichtigkeit entziehen und autonom regieren können. Getrieben von der Furcht vor einem unabhängigen König, war für ihn keine Mehrheit zu erlangen, so wie bereits 1257. Selbst mit den askanischen Kurstimmen aus Sachsen-Wittenberg und Brandenburg, stand eine knappe rheinische Mehrheit aus Mainz, Köln, Trier und des Wittelsbacher Pfalzgrafen bei Rhein dagegen. Ottokar wollte, seinem hitzigen Naturell folgend, trotzdem nicht aufgeben und versuchte unmittelbar nach Wahl und Krönung Rudolfs I., bei Papst Gregor X. dessen Approbation zur Kaiserkrone zu hintertreiben, womit er allerdings scheiterte. Rudolf galt in Rom zwar als ein latenter Sympathisant der vergangenen Staufer, der Vater war ein eindeutiger Parteigänger gewesen, doch verstand er es, die dortigen Bedenken zu zerstreuen. Er gab glaubhaft allen italienischen Ambitionen eine entschiedene Absage und vermied hierdurch eine der entscheidenden Konfliktursachen, die vor ihm zu jener unversöhnlichen Rivalität zwischen Staufern und Kurie führte. Den Papst gewonnen, die Wahl gewonnen, blieben also die beiden mächtigen Könige aus Frankreich und Böhmen. Beides verprellte Rivalen im Wettstreit um die Reichskrone, der Böhme dabei aus bekannten Gründen deutlich mehr. Philipp III. von Frankreich gewann Rudolf durch umfangreiche Zugeständnisse Reichsburgund betreffend. Hier erkaufte sich der neue König durch die Aufgabe alter Reichsrechte den Frieden, womit er sich bei vielen späteren Historikern einen schlechten Namen machte. Ganz anders die Sachlage im Hinblick auf Ottokar II., der nicht nur wegen seiner erneuten Nichtwahl frustriert war, sondern wegen des Entzugs der Kurstimme nachvollziehbaren Groll hegte.

Böhmen gehörte als integraler Bestandteil seit dem Jahr 1002 zum Reichsverband und war seither der größte, zusammenhängende Flächenstaat, innerhalb des Reichs. Die besondere Stellung Böhmens im Reichsverband, zeigte sich nicht nur im Privileg zur Königswahl, das so auch noch nicht lange existierte, sondern mehr noch dadurch, dass es einen eigenen König besaß. In der Golden Sizilianischen Bulle von 1212, bestätigte Kaiser Friedrich II. das Erbkönigtum Böhmens endgültig. Es war der Dank für die böhmische Unterstützung Friedrichs, bei dessen Erwerb der römisch-deutschen Krone.

Ottokars Erwerbungen seit 1251

Unter der Regentschaft Ottokars wuchs die Macht und das Territorium Böhmens signifikant. Die Zeit des Interregnums, der Führungslosigkeit im Reich, ausnutzend, eignete er sich mit Aussterben der Babenberger, nacheinander die Herzogtümer Österreich und Steiermark und Kärnten, ebenso Krain und die Windische Mark sowie das Egerland an. Ein ungeheuerlicher Macht- und Territorialzuwachs. Sein Königreich reichte seit 1253 von der Südgrenze der Oberlausitz im Norden, bis Istrien an der Adria im Süden. Der König von Böhmen hatte damit eine Machtfülle erreicht, wie sie seit Heinrich dem Löwen kein zweiter Reichsfürst besaß. Wir erwähnten es, schon 1257, nach dem Tod Wilhelms von Holland, strebte Ottokar die römisch-deutsche Königskrone und Kaiserwürde an. Damals als ein, wenn auch, wie die Askanier, wechselhafter Vertreter der Stauferpartei, stieß er naturgemäß auf den Widerstand der Kurie, und mehr noch auf die erwähnte Furcht der wahlberechtigten Fürsten, vor einem zu mächtigen Fürsten. Demgemäß entschieden sich die rheinischen Kurfürsten, außer Trier, für den spendablen Richard von Cornwall, während eine gleichgroße vermeintlich staufisch gesinnte Gegenpartei, noch im gleichen Jahr Alfons von Kastilien zum Gegenkönig wählten. Mit der wiederholten Erwähnung der Wahl von 1257, soll der sich zwischenzeitlich abzeichnende Machtkampf zwischen den wahlberechtigten Fürsten und dem Reichsoberhaupt herausgestellt werden. Seit dem Tod Kaiser Konrads IV., sahen sich, getragen durch die rheinischen Kurfürsten, jene als eine Art Reichsverweser an die Seite des jeweiligen Königs oder Kaisers. Diese Tendenz setzte sich in den kommenden Generationen weiter fort.

Unerwarteterweise  zeigte Rudolfs Herrschaft fast augenblicklich selbstbewusste und kraftvolle Züge. Er war im deutschen Reichsteil bestrebt, die verlorenen Krondomänen wieder in den Besitz der Krone zu bringen. Im Schlussjahrzehnt der Regierung Kaiser Friedrichs II., waren diese durch Verpfändung größtenteils verloren gegangen. Durchsetzen konnte sich der neue König vor allem im süd- und mitteldeutschen Raum. Im Norden des Reichs entfaltete Rudolf dagegen fast keine Autorität und war dort auf die wenigen norddeutschen Reichsstädte als Rückhalt angewiesen. Sehr erfolgreich war er, durch kluge Heiratspolitik wichtige Reichsfürsten an sich zu binden und seine Herrschaft dadurch zu festigen. Alles in allem gelang es Rudolf I. das Reich im Inneren zu stabilisieren und die Zentralgewalt zu stärken.
Alfons von Kastilien, der 1257 neben Richard gewählt wurde, verzichtete nach Druck der Kurie und wegen Ausbleiben jeglicher Unterstützung durch die  Reichsfürsten, auf seine Thronansprüche im August 1275, so dass Rudolf nun unbestrittener römisch-deutscher König war.


Krise und Krieg gegen Böhmen

Im Sommer 1276 zeichnete sich im Reich ein neuer Krieg ab, der auch die Ottonische Linie Brandenburgs mit einbezog. Zwei Könige, von denen einer, König Ottokar II. von Böhmen, dem Buchstaben nach Reichsvasall Rudolfs I. war, diesen jedoch nicht anerkannte.

König Ottokar II. von Böhmen
hier als Markgraf von Mähren

Rudolf war von der Herkunft, ein einfacher Graf und aus Sicht des böhmischen Königs, von weit untergeordneter Abstammung. Stolz und erhebliche Machtfülle, traf auf einen ambitionierten Herrscher, der nicht gewillt war, die Autorität der römisch-deutschen Krone weiter sinken zu lassen und der die böhmischen Erwerbungen während der Zeit des Interregnums nicht legitimierte. Über die Anstrengungen Rudolfs hinsichtlich der verlorenen Kronlande wurde berichtet. In diesem Zusammenhang wurde von den signifikanten Gebietserweiterungen Böhmens anlässlich des Untergangs der Babenberger Linie gesprochen. Formell wären die Ländereien der Babenberger als sogenanntes erledigtes Reichslehen zurück ans Reich gefallen. Aus den bekannten Gründen, nämlich dem Fehlen jeglicher Autorität während des Interregnums, eignete sich Böhmens König die  verwaisten Gebiete an, zu denen wie schon erwähnt, neben Ober- und Niederösterreich, die Steiermark, Kärnten und Krain gehörten. Anlässlich des Nürnberger Hoftags November 1274, wurde beschlossen, dass der böhmische König vor einem ordentlichen Gericht Rechenschaft für die unrechtmäßige Aneignung von Reichslehen leisten muss. König Rudolf I. trat dabei als Ankläger auf. Zum Richter wurde Herzog Ludwig von Bayern, Pfalzgraf bei Rhein berufen, Rudolfs Schwiegersohn. Innerhalb einer Frist von neun Wochen, sollte sich der böhmische König zu Würzburg einfinden. Erwartungsgemäß erschien dieser nicht. Er schätzte Rudolf als ihm in Sachen Machtmittel völlig unterlegen ein und damit nicht in der Lage die Forderungen des Reichs durchzusetzen. Erst im Mai schickte Ottokar mit Bischof Wernhard von Seckau einen Gesandten zum Hoftag nach Ausgburg. Der Bischof überbrachte dabei die Botschaft Ottokars, dass dieser die Königswahl ganz offiziell in Frage stellt. Überraschend für den böhmischen König, stellten sich die Reichsfürsten hinter Rudolf, dem es  gelungen war, in der kurzen Zeit seit seiner Krönung, die wichtigsten Reichsfürsten Süd- und Mitteldeutschlands hinter sich zu bringen. Über den böhmischen König wurde am 24. Juni 1275 die Reichsacht ausgesprochen und er wurde aller seiner Reichslehen für verlustig erklärt. Dem Modus gemäß, blieb ihm nun ein Jahr Zeit, um sich vor einem Gericht zu verantworten um aus der Acht genommen zu werden. Ottokar legte es zweifelsfrei auf einen kriegerischen Konflikt an. Er erschien auch diesmal nicht, womit am 24. Juni 1276 die Aberacht über ihn verhängt wurde. Er war jetzt von Reichs wegen völlig rechtlos. Der Aberacht folgte der vom Mainzer Erzbischof ausgesprochene Kirchenbann sowie das Kircheninterdikt über ganz Böhmen und Mähren. Besonders das Druckmittel des Interdikts zeigte für gewöhnlich Wirkung unter den gläubigen Menschen des Mittelalters. Während des Interdikts waren alle Kirchenhandlungen für ein unter dem Bann stehendes Gebiet untersagt. Keine Kindstaufe, keine Trauungen, keine Beichten, letzten Ölungen oder christlichen Begräbnisse wurden vorgenommen. Für die Gläubigen ein schier unerträglicher Zustand, der meistens über kurz oder lang zu offenen Unruhen in den betroffenen Gebieten führte. Der Waffengang war nun unumgänglich. Rudolf scharte eine bemerkenswerte Reihe von Verbündeten entlang der westlichen und südlichen Grenzen Böhmens um sich, darunter Meinhard und Albert von Tirol, Philipp von Spanheim, der zuvor mit dem Herzogtum Kärnten belehnt wurde, welches aber noch zu erobern war. Weiter der Erzbischof von Salzburg, verschiedene ungarische Adlige, die wiederholt gemeinsam mit ihrem König im Krieg mit Ottokar lagen, Herzog Heinrich von Niederbayern und zuletzt noch Rudolfs treuer Parteigänger und wichtigster Wahlhelfer, Friedrich III. von Hohenzollern, Burggraf von Nürnberg.

Burggraf Friedrich III. eröffnete die allgemeinen Kampfhandlungen, indem er von Franken aus ins Egerland einfiel. Kurz darauf brachen die Grafen Mainhard und Albert von Tirol in Krain und Kärnten ein. Sehr schnell erlosch dort der Widerstand. Rudolf selbst drang in Österreich ein, belagerte Wien, dass nur kurzfristig verteidigt werden konnte und vom Herzog von Niederbayern, der mit dem Hauptkontingent der Truppen dem König vorausgeeilt war, rasch eingenommen wurde. Am 21. Oktober 1276 musste Ottokar zu Wien Frieden schließen. Im November des gleichen Jahres war er gezwungen, sich in einem  demütigenden Akt Rudolf zu unterwerfen. Alle seine außerböhmischen Gebiete gingen verloren. Dennoch blieben im die reichen Erblande Böhmen und die Markgrafschaft Mähren, die er offiziell als Reichslehen vom König in Empfang nahm. Der schriftlich festgehaltenen Überlieferung nach, trat König Rudolf ostentativ in Straßenkleidern auf, und nahm auf einem einfach Holzschemel Platz, um den in prunkvollem Ornat und großer Gesellschaft erschienenen böhmischen König zu empfangen. Der ganze Akt war mit voller Berechnung zelebriert worden. Der hochmütige König von Böhmen wurde vom römisch-deutschen König, dem vormals niedrigen Grafen aus dem Aargau, erniedrigt werden. Die Oberstellung des Reichshauptes sollte unter allen Umständen über der Stellung eines jeden Reichsvasallen stehen und sei es auch der König von Böhmen, mit all seiner Hausmacht. Analogien zum Sturz Heinrichs des Löwen, fast genau 100 Jahre zuvor, sind nicht ganz abzustreiten, auch wenn die Umstände andere waren. Die Reichsacht, der Kirchenbann und das Interdikt wurden aufgehoben. Der König von Böhmen war nach Recht und Sitte wieder ein vollwertiger, ehrbarer Vasall und Reichsfürst. Brandenburg, die Ottonische Linie, blieb von der Niederlage verschont. Das von Markgraf Otto V. gesammelte Heer kam nicht rechtzeitig genug, vermutlich mit Berechnung. Dennoch vermochte der Markgraf dem böhmischen König, seinem Onkel, als Unterhändler bei den Friedensverhandlungen wertvolle Dienste leisten, so dass im das Schicksal des welfischen Herzogs erspart blieb, dank seines bedingungslosen Verzichts auf die von ihm unrechtmäßig angeeigneten Gebiete in Österreich, Steiermark, Kärnten und Krain. Neben Otto V. von Brandenburg, trat als Verhandlungsführer auf der Seite Ottokars Bischof Bruno von Olmütz auf. Für die Seite des römisch-deutschen Königs, Bischof Berthold von Würzburg und Burggraf Friedrich von Nürnberg. Die Rolle des Burggrafen, der schon anlässlich der Wahl Rudolfs eine entscheidende Rolle spielte und diesen überhaupt erst zur Sprache brachte, ist ganz erstaunlich, beweist allerdings die besondere Stellung, die der Reichsstadt Nürnberg zwischenzeitlich zueigen war.

Die Verwicklungen mit dem König von Böhmen, welche 1275 in Gestalt der über ihn verhängten Reichsacht eskalierten, verhinderten Rudolfs erfolgreiche Romzug, zum Erwerb der Kaiserkrone. Es war die vielversprechendste Zeit gewesen, da ihm Papst Gregor X. in dieser Hinsicht gewogen war, den Termin auf den 2. Februar 1276 festsetzte und hierfür sogar eine finanzielle Zuwendung von 12.000 Mark Silber in Aussicht stellte. Aus reiner Sympathie heraus handelte das Oberhaupt der Römischen Kirche nicht. Die Zustände an der Peripherie des päpstlichen Machtbereichs waren im Süden, durch die anwachsende Macht und Selbstherrlichkeit Karls von Anjou, als auch im Norden, im Herzogtum Tuszien, durch die dort vorherrschenden Machtkämpfe, nach Zusammenbruch der kaiserlichen Ordnung in Reichsitalien, besorgniserregend geworden. Von dem gegenüber der Kirche als kooperativ, Kritiker meinten sogar, unterwürfig agierenden Rudolf, versprach sich Gregor X. eine Bereinigung der Zustände im Tuszien und ein kraftvolles Gegengewicht zu Karl I. von Anjou. Dem königlichen Aufruf Rudolfs zur Heerschau, verweigerten sich die rheinischen Erzbischöfe aus Mainz, Köln und Trier Folge zu leisten. Sie  hatten eine politische Opposition gegen das in ihren Augen selbstständig , ohne ihre Mitwirkung agierende Reichsoberhaupt gebildet, die dazu geeignet war,  im Zusammenhang mit den Verwerfungen Ottokars von Böhmen, zu einer ernsten Krise auszuwachsen. Die Halsstarrigkeit der Prälaten ermunterte Ottokar überhaupt erst zu seiner wiederaufkeimenden Renitenz und so musste Rudolf die günstige Gelegenheit ziehen lassen und  stattdessen im deutschen Reichsteil verweilen, um sich vor allem mit den rheinischen Kirchenmännern zu vergleichen und gleichzeitig das zerrüttete Verhältnis im Hause Wittelsbach zwischen den Herzögen Ludwig, Kurfürst und Pfalzgraf zu Rhein und dessen Bruder Heinrich zu bessern. Er sagte dem Papst und in weiteren Schreiben den Getreuen in Oberitalien, bis Ostern in Mainland zu erscheinen, wo er die Eiserne Krone der Langobarden und damit die Krone Italien erwerbe, als letzter Akt vor dem feierlichen Einzug in Rom und der Krönung durch den Papst. Nachdem Gregor X. im Januar 1276 starb, erübrigte sich der für dieses Jahre geplante Zug über die Alpen. Wenn es Rudolf langfristig sicherlich bedauerte, im Moment dürfte ihm der dadurch gewonnene Aufschub nur recht gewesen sein. Die Aussöhnung der Wittelsbacher Brüder gelang im Februar 1275 auf dem großen Hoftag zu Nürnberg und ein Vergleich mit den rheinischen Erzbischöfen schließlich am 28. März 1276 zu Bobbard. In rascher Folge wechselten sich in seinen insgesamt 17 Regierungsjahren Rudolfs, zehn Päpste ab, alleine im gerade begonnenen Jahr 1276, im Vierpäpstejahr, starben nach Gregor noch zwei weitere. Zu einem erfolgreichen Zug über die Alpen kam es nicht, Rudolf vermochte trotz seiner erheblichen innenpolitischen Erfolge und seiner bleibenden Nähe zur römischen Kirche, je die Kaiserkrone zu erwerben.


Kampf um das Amt des Erzbischofs von Magdeburg

Am 15. Januar 1277 starb mit Konrad von Sternberg, der Erzbischof von Magdeburg im Alter von rund 52 Jahren. Augenblicklich setzte ein Streit um die Neubesetzung ein, der schon nach wenigen Tagen eskalierte. Die Macht der magdeburgischen Metropoliten war schon länger im Schwinden, die Zeit, wo diese in der Reichspolitik eine tragende Rolle für den sächsischen Raum spielten, war schon nach dem Tod Friedrich Barbarossas im schleichenden Niedergang. Brandenburg, Meißen und die welfischen Herzöge in Braunschweig und Lüneburg, sowie der Herzog von Sachsen-Wittenberg, haben der Kirchenprovinz zunehmend den politischen Rang abgelaufen. Für die brandenburgischen Askanier, die sich wegen des akuten Prinzenüberschuss die Mark in der zweiten Hälfte der 1270‘er Jahre in fünf Refugien eingeteilt hatten, und wo zwei der noch zehn lebenden Markgrafen seit Jugendtagen für eine geistliche Laufbahn ausgesondert wurden, war die Kandidatur um das Amt des neuen Erzbischofs ein politische Notwendigkeit. Trotz des beschriebenen Verlusts an Einfluss in der Reichspolitik, wo die rheinischen Erzbischöfe die Erzbistümer Bremen und Magdeburg komplett überflügelt hatten, blieb Magdeburg als weltliches Fürstentum, über das der Erzbischof als gleichzeitige Reichsfürst regierte, doch immerhin noch ein ernstzunehmender Mitbewerber.

Der dahingeschiedene Erzbischof Konrad II., hatte in den zurückliegenden 11 Jahren das Erzstift geleitet und hierbei konkurrierend und feindselig, wie zeitweilig kooperierend mit Brandenburg verkehrt. Das Domkapitel war entsprechend mehrheitlich antibrandenburgisch besetzt, wenn auch einige Parteigänger existierten. Erich von Brandenburg, er war, wie schon weiter oben erwähnt, der jüngste Spross aus der älteren Johanneischen Linie und einer jener zwei Söhne Markgraf Johanns I., der für ein geistliches Amt vorgesehen war. Schon in den 1260’er Jahren wurde mit Hilfe Papst Urbans IV. versucht, einen Platz unter den Magdeburger Domherren zu schaffen, wogegen sich die Mehrheit des dortigen Domkapitels entschieden aussprach. Erich musste eine weniger prominente Stelle im Bistum Halberstadt besetzen. Jetzt, mit Tod des alten Erzbischofs, witterten die brandenburgischen Markgrafen eine erneute und besonders günstige Chance. Es war Markgraf Otto IV., der sich in dieser Sache besonders engagierte. In der Führung der brandenburgischen Regionalpolitik, mindestens was den Einflussbereich der Johanneischen Linie betraf, setzte er sich zunehmend an die Spitze, während der erstgeborene Johann II. in Reichsangelegenheiten tätig war, wenn auch dort zögerlich und zurückhaltend.
Noch im Januar kam es zum Wahlkonvent, dessen Verlauf der Auftakt zum mehrjährigen Kampf um das Amt des Magdeburger Erzbischofs wurde. Dompropst Albrecht von Arnstein, der wichtigste Anhänger der brandenburgischen Partei, lud Otto IV., dessen Vetter Herzog Albrecht von Braunschweig, sowie die brandenburgisch gesinnten Bischöfe Hermann von Kammin und Hermann von Schwerin ein. Sie sollten im Sinne ihres Kandidaten, Erich von Brandenburg auf die Domherren einwirken. Eine Mehrheit schien dank großzügiger Zusagen an die Parteileute Erichs sicher und Otto IV. war zuversichtlich was den Ausgang der Wahl betraf. Am Tag vor der Wahl kam es zu Unruhen in der Stadt. Domkämmerer Burchard von Querfurt, Angehöriger einer einflussreichen Magdeburger Patrizierfamilie und Anführer der gegnerischen Partei, er machte sich selbst Hoffnungen, stachelte die Menge auf und rief sie zum Versammlungsort des Wahlkonvents, worauf die Bischöfe von Kammin und Schwerin, sowie die Anhänger der brandenburgischen Partei gefangen gesetzt wurden, um sie dadurch zur Aufgabe ihres brandenburgischen Kandidaten zu zwingen. Nur Erich von Brandenburg und der Domherr Heinrich von Grünenberg, vermochten in der Nacht vor der Wahl durch ein Fenster zu entkommen.
Markgraf Otto IV. und Herzog Albrecht von Braunschweig entkamen ihrerseits dem Mob nur mit knapper Not, indem ihnen, die eigenen Pferde waren nicht mehr erreichbar, auf fremden Pferden über einen Schleichweg die Flucht gelang. Am Tag der Wahl bildete sich eine Kommission aus vier Domherren, darunter Heinrich von Arnstein, den vorhergehenden Parteimann Erichs, und wählten Günther von Schwalenberg, einen Verwandten des verstorbenen Vorgängers, zum neuen Erzbischof Magdeburgs.

Erich und der mit ihm glücklich geflüchtete Heinrich von Grünenberg appellierten schriftlich an den Papst, dem gewählten Günther von Schwalenberg die Approbation zu verweigern.  Markgraf Otto IV., der ältere Bruder Erichs, schrieb seinerseits an König Rudolf I. und meldete ihm die Vorkommnisse unmittelbar vor der Wahl. Otto IV. und mit ihm Herzog Albrecht von Braunschweig, sagten der Stadt Magdeburg wegen der erlittenen Schmach die Fehde an, der Krieg stand vor dem unmittelbaren Ausbruch, doch kam es zu einem Sühnevertrag seitens der Stadt. Dem Markgrafen und seinem Vetter, dem Herzog von Braunschweig, wurden je 1.000 Mark in Silber als Wiedergutmachung. Gut ein halbes Jahr hielt der Friede, bevor er von Otto IV. gebrochen wurde, indem dieser im November 1277 sieben mit Tuch beladene Wagen Magdeburger Kaufleute beschlagnahmen ließ. Die magdeburgisch-brandenburgische Fehde brach erneut aus und auch Herzog Albrecht erschien ebenso wie die askanischen Herzöge Johann I. und Albrecht II. von Sachsen, die unter dem vormaligen Erzbischof Konrad das Burggrafenamt an sich brachten, dafür eine Reihe von Städten verpfändeten, wie beispielsweise Aken, welche nun von ihnen besetzt wurde. Der neue Erzbischof reagierte schnell und energisch. Die Bürger des wohlhabenden Magdeburgs, unterstützten in dieser Krisenzeit großzügig. Der Kirchenfürst trat den sächsischen Truppen am 29. November bei Aken entgegen und schlug sie empfindlich, hierbei geriet Graf Adolf von Holstein, der Schwager Markgraf Ottos IV. in magdeburgische Gefangenschaft. Der Markgraf kam mit seinem Truppenaufgebot zu spät.

Etwa um die gleiche Zeit ging die Johanneische Linie mit Böhmen ein folgenreiches Bündnis ein. Die Entschlossenheit Ottos IV. gegenüber dem Erzbistum, wurde hierdurch noch gesteigert. Beide brandenburgischen Linien standen jetzt in enger Allianz mit dem přemyslidischen Königreich. Noch im Winter sandte Ottokar II. dem Markgrafen noch im Winter militärische Unterstützung zu. Mit diesem Hilfstruppen und weiteren aus Pommern sowie den eigenen Leuten, fiel er plündernd und brandschatzend in die magdeburgischen Gebiete ein, zuerst rechts der Elbe, bevor das Heer über den Fluss zog das Werk zu vollenden. Anfang 1278 stand Otto mit seinem Truppen bei Frohse, dem heutigen Schönebeck, rund 20 Kilometer südlich Magdeburgs. Wie schon anlässlich der Wahl im Sommer des vergangenen Jahres, war er auch jetzt zuversichtlich und siegessicher. Dem Volksmund nach, soll er gesagt haben: „He wolde des anderen dages sine perde stallen laten in den dom to Magdeborch.“, „er werde kommenden Tages seine Pferde im Dom zu Magdeburg ruhen lassen.“. Erzbischof Günther I. von Magdeburg, in höchster Not, ließ alle Glocken läuten und rief unter dem Banner des heiligen Moritz stehend, die Bürger der Stadt in einer mitreisenden, vor dem Rathaus abgehaltenen Ansprache, zum Widerstand auf. Markgraf Otto hätte aus den Erfahrungen der sächsischen Herzöge, die Ende November letzten Jahres bei Aken empfindlich geschlagen wurden, seine Lehren ziehen müssen. Schon damals griffen die Bürger Magdeburg beherzt zur Waffe und schlugen die Eindringlinge, doch vertraute er auf seine große Streitmacht. Diesmal folgten noch mehr Bürger dem leidenschaftlichen Aufruf des Kirchenmannes und es sammelte sich ein buntes Heer aus Rittern, Kriegsknechten, bis hin zum einfachen Handwerkergehilfen. Thüringische Hilfstruppen gesellten sich dazu und auch Graf Otto von Anhalt, ein askanischer Verwandter des Markgrafen. Am 10. Januar 1278 trafen sich beide Heere bei Frohse. Die Brandenburger unterlagen den Magdeburgern in einer für beide Seiten blutigen Schlacht. Markgraf Otto IV. geriet zu allem Übel mit einigen hundert Rittern und Knappen in Gefangenschaft. Die Schlacht hätte für ihn kaum schlimmer ausgehen können. In einen hölzernen Käfig gesperrt, wurde er öffentlich in Magdeburg ausgestellt. Ottos Zorn über die erniedrigende Prozedur war nachvollziehbar, weder sein Selbstbewusstsein noch der Wille zum fortgesetzten Widerstand, war gebrochen. Als die Gefangennahme des Markgrafen publik wurde, fielen Truppen seines älteren Bruders Johann II. und Herzog Albrechts von Braunschweig im Magdeburgischen ein, wo sie schwere Verwüstungen anrichteten und eroberten die Burgen Hundisburg und Öbisfelde. Der gefangengesetzte Markgraf ließ sein Gattin Heilwig von Holstein-Kiel (* um 1251; † vor 1308) rufen und wies sie an den alten, im Vorjahr erst bei ihm in Ungande gefallenen Ratsmann Johann von Buch, genannt der Ältere, zu konsultieren, was sie umgehend tat. Dieser, gekränkt durch die ihm widerfahrene Absetzung, verweigerte sich zuerst, ließ sich dann aber von den Tränen der Markgräfin erweichen und empfahl eine Reihe Magdeburger Domherren zu bestechen. Deren Hang zur Käuflichkeit wurde anlässlich der letztjährigen Bischofswahl offenkundig, sie sollten auf den Erzbischof in brandenburgischem Sinne einwirken. Die Markgräfin befolgte den Rat, eilte nach Magdeburg zurück und traf sich mit verschiedenen Personen des Domkapitels, die daraufhin Erzbischof Günther überredeten, den Markgrafen gegen ein verhältnismäßig geringes Lösegeld von 4.000 Mark Silber freizulassen. So gering war die Summe dann allerdings doch nicht. Es war nicht so, dass der Markgraf, welcher zur Beschaffung des Geldes gegen Ehrenwort für eine Frist von vier Wochen auf freien Fuß gesetzt wurde, den Betrag einfach so zur Hand hatte. Er unterredete sich mit seinen Räten, zu diesen gehörte auch Johann von Buch, der sich vorerst im Hintergrund hielt. Einige rieten die Städte zu besteuern, wieder andere die silbernen und goldenen Messgegenstände der Kirchen einzuschmelzen und allerlei Ratschläge mehr. Am Ende ergriff Johann von Buch das Wort, er bat darum vertraulich mit dem Markgrafen sprechen zu dürfen. Zuerst erbat er sich wieder in alter Rolle im Altmärkischen zu Ehren genommen zu werden, dann unterbreitete er Otto IV., dass sein Vater, der selige Markgraf Johann I., in der Kirche zu Tangermünde einen mit Metallbändern beschlagenen großen Opferstock für die größte Not hinterlegt hatte und ihn mit der Aufsicht dieses Schatzes beauftragte. Was an dieser Geschichte Anekdote, Übertreibung und was Wahrheit ist, kann nicht mehr beurteilt werden. Die Rahmenbedingungen lassen zumindest den Schluss zu, dass an der Geschichte einige Wahrheit stecken mag, dass sie sich sogar in dieser Form zugetragen haben könnte. Gleichwie, der Markgraf beschaffte in erstaunlich schneller Weise das Lösegeld und übergab es dem Erzbischof. Auf die Frage ob er denn nun frei sein, bejate Günther von Magdeburg, worauf ihm der Markgraf in übermütigen Stolz antwortete: „Der Herr Erzbischof könne wohl den Wert eines brandenburgischen Markgrafen nicht wohl einschätzen. Hätte man ihn, auf einem Pferd sitzend, mit der aufgerichteten Lanze in der Hand, bis zu dessen Spitze mit Gold überhäuft, so wäre das eine angemessene Summe gewesen!“. Dem Prälaten dämmerte wohl schon jetzt, dass es ein Fehler war, Otto so schnell wieder freizulassen, dabei spielte die Geldsumme noch eine untergeordenete Rolle. Otto IV. war weder gebrochen, noch befriedet aber durch den Verlauf der Ereignisse immerhin in die Defensive gedrängt.

Im Juni brachen die Feindseligkeiten wieder aus, diesmal von Magdeburg, ausgehend, das sich nach den Siegen Ende November 1277 und Januar 1278, dank der gemachten Beute und dem erhaltenen Lösegeld, auf der Siegerstraße sah und folgerichtig die Initiative ergriff. Im  Konzert mit dem Erzbischof, waren abermals eine großes Bürgeraufgebot aus Magdeburg und Burg, rund tausend Panzerreiter aus Thüringen und erneut Graf Otto von Anhalt, der Verwandte der brandenburgischen  Askanier. Diesmal schloss ebenfalls der Bischof Hildesheim an. Auf der Seite Ottos IV. stand wieder Herzog Albrecht von Braunschweig und Herzog Barnim I. von Pommern, der sich am 1. Juni 1277 in einem Lehnsvertrag mit Markgraf Konrad I. von Brandenburg, jüngerer Bruder Ottos, dazu verpflichtete, mit 150 Panzerreitern beizustehen. Dafür erhielt er nach Abschluss der Kampfhandlungen, bis zum Martinstag (11. November) 1.500 Mark Silber. Der Herzog war in dritter Ehe mit einer Tochter Markgraf Ottos III. verheiratet und damit eine Schwager der Ottonischen Linie Brandenburgs. Sein Lehnsverhältnis bestand allerdings zur Johanneischen Linie, zu der Markgraf Konrad I. gehörte, dem drittem Sohn Johanns I., aus dessen erster Ehe mit der dänischen Prinzessin Sophia aus dem königlichen Hause Estridson.
Während sich die magdeburgeschen Truppen auf Plünderungen und Brandschatzungen märkischen Gebietes konzentrierten, ging der Markgraf gegen Stassfurt vor und belagerte die dortige Burg. Stassfurt war eine der Städte, welche die Herzöge von Sachsen dem Erzbischof überließen, um dafür das einträgliche Amt des Burggrafen von Magdeburg zu erhalten. Erstaunlicherweise stellten sie sich seit Ausbruch der brandenburgisch-magdeburgischen Fehde trotzdem gegen den Bischof und versuchten ihre abgetretenen Städte wiederzuerlangen, was am 29. November 1277 vor Aken mit einer schweren Niederlage kläglich scheiterte, wie wir lasen.

Otto IV. der mit dem Pfeil

Mit höchster Erbitterung berannten die Truppen Ottos die Burg, wurden aber unter blutigen Verlusten abgeschlagen. Bei einem der Angriffe wird der Markgraf verletzt. Ein Pfeil durchschlug seinen Helm und die Spitze des Pfeils drang durch die Stirn. Den Künsten der Ärzte misstrauend, blieb die Spitze für ein Jahr in der Wunde, bis sie schließlich entfernt wurde. Der Vorfall gab Otto IV. seinen charakteristischen Beiname, „der mit dem Pfeil“.
Zwischenzeitlich kam der Erzbischof mit seinem Heer zum Entsatz der heftig bedrängten Burg heran, worauf sich der verwundete Markgraf mit seinen Truppen fluchtartig nach Aken an der Elbe zurück und vermied eine Schlacht mit den überlegenen Magdeburgern. Der Krieg zog sich in die Länge, eine Entscheidung war nicht absehbar, doch wurde er von einem anderen Krieg überschattet, der die kriegführenden Hauptkontrahenten plötzlich im gleichen Lager sah.


Gegen den römisch-deutschen König

Der Friede zwischen Rudolf von Habsburg, dem Reichsoberhaupt und Ottokar II. von Böhmen, war nach dessen Unterwerfung zu Wien wackelig geblieben. Je vollmundiger die königlichen Kanzleien beider Höfe den Frieden in ihren Schriftstücken erwähnten, je zerrütteter war er hinter den Kulissen. Ottokar sann auf Ausgleich und erhoffte sich wenigstens Teil der zuvor verlorenen Herzogtümer zurückzugewinnen. Neben den erwähnten Bündnissen die mit Brandenburg bestanden, zum einen jenes zu seinen Neffen der Ottonischen Linie und das kürzlich erst abgeschlossene mit der Johanneischen Linie, schloss sich der böhmischen Allianz auch der Markgraf von Landsberg, der Bischof von Merseburg und sogar der Erzbischof von Magdeburg an. Es kam zu einer kuriosen Situation, indem die sich im ostsächsischen Raum bekriegenden Parteien im jetzt bevorstehenden Krieg mit dem römisch-deutschen König Schulter an Schulter kämpften.

Bevor die weiteren Ereignisse des Augusts betrachtet werden, noch einige Gedanken zum brandenburgischen Engagement, dass die Markgrafen immerhin in direkten Gegensatz zum Reichsoberhaupt brachten. Bezüglich der Ottonischen Linie könnte man die nahe verwandtschaftliche Beziehung im ersten Moment anführen, doch selbst hier sind berechtigterweise Bedenken zulässig. Dem böhmischen König erschien es dringend geraten, trotz der Verwandtschaft zu seinen  Schwestersöhnen, am 18. Juli zu Klosterbruck im Südmährischen ein enges Bündnis mit den Neffen Otto V. und Albrecht III. zu schließen. Den beiden Vertretern der Ottonischen Linie, konnte es am Vorabend des ausbrechenden Konflikts mit Rudolf von Habsburg, unmöglich verborgen geblieben sein, dass sie mit Abschluss der Allianz in den sich abzeichnenden Kampf mit dem römischen-deutschen König gezogen würden. Noch kurz der Blick auf die Johanneische Linie. Blutsverwandtschaft existierte nicht, doch wurde das Bündnis von November 1277 schon erwähnt und die schnell geleistete Unterstützung Böhmens anlässlich der schweren Niederlage Ottos IV. am 10. Januar 1278 bei Frohse. Der Markgraf, welcher seither in der Defensive war, konnte, wollte er im Konflikt mit Magdeburg nicht komplett ins Hintertreffen geraten, seinen böhmischen Bündnispartner nicht verprellen, zumal es der Erzbischof von Magdeburg ebenfalls mit dem König von Böhmen hielt.

War Otto IV. prinzipiell gezwungen die Seite Ottokars wegen des schwelenden Konflikts mit Magdeburg nicht zu verlassen, erscheint im Gesamtkontext ein anderer Grund, weswegen beide brandenburgischen Linien so offen und aktiv Partei für Ottokar ergriffen, als hauptauschlaggebend. Zur Erinnerung, Beatrix,  die Frau des 1267 verstorbenen Ottos III., dem späteren Begründer der Ottonischen Linie, brachte die böhmische Prinzessin die Oberlausitz, mit den  Landschaften Bautzen und Görlitz in die Ehe. Johann I. und Otto III. verwalteten diese Gebiete von Anfang an, als ob sie brandenburgisches Kernland wären. Sie gründeten wichtige Klöster zum Landesausbau, führten deutschen Siedler ins Land und verliehen dem Städten Bautzen und Görlitz das Stadtrecht nach Brandenburger Vorbild. Die Oberlausitz sollte jedoch mit dem Tod der Markgräfin Beatrix , der Mutter Ottos V. und Albrechts III., wieder an die Krone Böhmens zurückfallen und genau das wollten die Markgrafen beider brandenburgischen Linien, die das Land zu gleichen Teilen unter sich aufgeteilt hatten, verhüten. Auch wenn keine Schriftstücke überliefert sind, die diese Annahme zweifelsfrei bestätigen, ist es mehr als reine Spekulation, wie die späteren Ereignisse noch zeigten. Brandenburg half, um später in eine bessere Verhandlungsposition gegenüber dem König von Böhmen zu gelangen.

Zwischenzeitlich sammelten Rudolf I. und Ottokar II. ihre Heere. Der böhmische König war hierzu am 27. Juni in Prag aufgebrochen, um nach Brünn zu marschieren, wo die Heerschau stattfand. Offenkundig suchten Kontrahenten die Entscheidungsschlacht und keinen langen Krieg. Rudolf konnte diesmal nicht in gleicher Weise auf eine imposante Zahl Verbündeter bauen. Indem er sich nach dem vorangegangenen Krieg die Herzogtümer Österreich, die Steiermark, Kärnten und die Markgrafschaft Krain einverleibte, wodurch seine Hausmacht sich vervielfachte, kehrten eine ganze Reihe Reichsfürsten zu ihrem alten Prinzip zurück, sie suchten den Kräfteausgleich, die Balance im Reich zu wahren. Kein Fürst, auch nicht der König, durfte zu mächtig werden. Böhmen war von Rudolf, unter Mithilfe einer breiten Fürstenallianz, zurechtgestutzt worden, es durfte als Gegengewicht zu dem ambitionierten Habsburger nun nicht ganz fallen. Als Alliierte stand ihm sein Schwiegersohn, der Herzog von Bayern und Pfalzgraf zu Rhein zwar wieder formal zur Seite, doch hatte er es nicht sonderlich eilig und erschien nicht rechtzeitig zur Heerschau vor Wien. Der Haupalliierte war diesmal der ungarische König Ladislaus IV., der wohl an die 15.000 ungarische und kumanische Reiter mitführte. Ansonsten schlossen sich nur wenige Grafen, im ganzen drei, aus den schwäbischen Gauen, der Bischof von Basel und  Burggraf Friedrich von Nürnberg an, samt noch manch kleinere Kontingente.   Rudolf musste weit mehr als anlässlich des ersten Kriegs gegen Ottokar,  auf eigene Machtmittel zurückgreifen. Der böhmische König konnte umgekehrt,  neben den schon oben erwähnten Bündnispartnern, noch auf Truppen aus Meißen, Thüringen, Schlesien ind auch auf den bayrischen Herzog Heinrich XIII. bauen sowie auf umfangreiche polnische Hilfstruppen. Der Wittelsbacher Herzog Heinrich von Bayern hatte sich wieder mit seinem Bruder, dem Pfalzgrafen überworfen und war nun ganz zur Opposition übergegangen. Er erschwerte den Zuzug von Hilfstruppen für Rudolfs Heer ganz erheblich, wodurch diese zu teilweise lange  Umwegen genötigt wurden, was die Lage des römisch-deutschen Königs vor Wien in der letzten Juli- und den ersten Augustwochen kritisch machte. Graf Meinhard von Tirol, auf dessen Hilfe Rudolf setzte, erschien überhaupt nicht, da dieser mit dem Bischof von Trient im Hader lag, weswegen die Mobilmachung seiner Kontingente ausblieb.

Ottokar marschiert am 20. Juli in Österreich ein und belagert Drosendorf an der Thaia, das Stephan von Meissau 16 Tage lang verteidigte, bevor die Besatzung vor der Übermacht die Waffen strecken musste. Es ging weiter, entlang der Thaia bis nach Laa, das weitere 12 Tage umlagert wurde, ohne eingenommen zu werden konnte. Durch den unverhofft langen Widerstand beider Burgen, erhielt Rudolf wertvolle Zeit, die mittlerweile auf allerlei Umwegen eintreffenden Verstärkungen zu sammeln. Mit dem Eintreffen König Ladislaus, der von Stuhlweissenburg über Pressburg kommend am 23. August bei Wien eintraf, waren die Masse der erhofften Mannschaften versammelt.

Am 26. August 1278 trafen sich beide Heere auf dem Marchfeld, zwischen Dürnkrut und Jedenspeigen, nordöstlich von Wien. Beiden Seiten standen zwischen 20.000 und 30.000 Mann zur Verfügung, wobei das böhmische Heer einige tausend Mann weniger aufbot aber über die weitaus höhere Anzahl schwerer Reiterei verfügte und dadurch einen klaren taktischen Vorteil besaß. Rudolf profitierte umgekehrt von der leichten ungarischen Reiterei, besonders der Kumanen, die im mobilen Distanzkampf mit ihren Bögen den geschlossenen Reihen der böhmischen Verbände schwere Verluste beibringen konnten und damit der gegnerischen Reiterei im mobilen Kampf durchaus zeitweise standhalten konnte. Wichtiger war noch, dass sie im Vorfeld ausgezeichnete Aufklärungsarbeit leisteten. So klärten sie die Zusammensetzung, Anzahl und die hieraus zu erwartende Aufstellung auf, wodurch Rudolf seine eigenen Kräfte entsprechend formieren konnte. Rudolf griff bei der Schlacht auf eine bisher weitestgehend geächtete Form der Kriegsführung zurück, zumindest in Europa. Ob aus Not oder Tücke, ist unklar. Er bereitete eine List vor, um damit den Gegner während der Schlacht zu täuschen. Diese Art der Kriegsführung, überhaupt der Einsatz von Kriegslist, entsprach in keiner Weise dem überlieferten ritterlichen Ehrenkodex und es fand sich bei der Vorbereitung zur Schlacht kein Anklang unter den Anführern Rudolfs. Nur auf dringendes Zureden, erklärten sich am Ende doch noch Freiwillige unter seinen Rittern für das Vorhaben bereit. Die Führung übernahm Ulrich von Capellen auch der Kapeller genannt, ein altes steiermärkisches Ministrialengeschlecht. Der böhmische König wird von der unerwarteten Größe des gegnerischen Heers, das nach Zahl dem seinen praktisch ebenbürtig war, überrascht gewesen sein, hatte er mit Sicherheit nicht mit einem so energischen Eingreifen der Ungarn, seinem alten Feind, gerechnet.

Beide Heere waren in unterschiedliche Schlachtreihen, sogenannte Treffen gegliedert, in denen die jeweiligen Verbündeten beider Seiten zusammengefasst waren. Die Ungarn bildeten auf Rudolfs Seite einen eigenen Heeresteil, mit den Kumanen an den Flanken. Die zweite und dritte Schlachtreihe bestand aus Oesterreichern, den Verbänden aus der Steiermark, Kärnten, Krain, Salzburg,  Schwaben und Franken, die Rudolf selbst befehligte. Eine Reserve schwerer Reiterei unter der Führung Ulrichs von Kapellen im verdeckten Hintergrund. Ottokars Heer war in folgende Kontingente aufgeteilt: Böhmer und Mährer, dann die Truppen aus Meissen und Thüringen, die Sachsen aus Brandenburg und Magdeburg, schließlich Herzog Heinrich von Niederbayern und zuletzt das polnische Heerbann.

Rudolf ergriff die Initiative und begann gegen 09:00 Uhr den Angriff auf die linke böhmische Flanke, die unter dem Eindruck der von den Kumanen geführten Reiterattacke überraschend schnell zu weichen begann. Im Zentrum stießen Österreicher, Steiermärker und Salzburger auf die von Ottokar geführten Hauptkräfte, wurden aufgehalten und anschließend bis Weidenbach zurückgeworfen, wo nun Rudolf mit den von ihm befehligten Truppen aus allen Teilen der heutigen deutschsprachigen Schweiz und Südwestdeutschland, in den Kampf eingriff, welcher jetzt überall in vollem Gang war. König Rudolf wurde das Pferd aufgespießt und er stürzte der Überlieferung nach in den Bach, wo ihn Heinrich Walter von Ramswag, ein Ministerial aus Rudolfs Schweizer Stammlanden, das Leben rettete und auf ein anderes Pferd setzte. Die Schwaben, Franken und Niederbayern vom dritten Treffen, warfen die abgekämpften böhmischen Truppen, die Schlacht ging schon gut drei Stunden, wieder auf ihre Ausgangsstellungen zurück wo jetzt mit den Polen das letzte böhmische Kontingent beherzt in die Schlacht eingriff und sich eine Entscheidung zugunsten Ottokars abzeichnete. Jetzt kam der Moment, die bislang verborgen gehaltene schwere Reiterei unter Ulrich von Capellen zum Einsatz zu bringen. Von Westen  attackierten sie die dicht gedrängten Reihen des Gegners. Die meisten der berittenen Truppen waren längst abgesessen und kämpften zu Fuß, mit all den üblicherweise einsetzenden Ermüdungserscheinungen, die das hantieren mit Schild, Schwert unter der Last der eigenen Rüstung und bei sommerlichen Temperaturen leidend, mit sich brachten. Die Reiterei stieß mit verheerender Wirkung in die Formationen Ottokars und seiner Verbündeten, spaltete das Gros, drängte einen Teil Richtung March ab, einem linken Nebenfluss der Donau, wo zahlreiche Ritter ertranken. Aus der anfänglich noch kämpfend zurückgehenden Bewegung wurde ungeregelter Rückzug, dann wilde Panik. Die Schlachtreihen zerfielen hoffnungslos, wobei sich sogar bislang noch nicht beteiligte Einheiten, wegen der unübersichtlich gewordenen Gesamtlage, vom Feinde absetzten. Kampfgeist und Widerstand brachen unter dem Eindruck der Ereignisse größtenteils zusammen, nur ein Heerhaufen, den böhmischen König im Zentrum, stritt vorerst noch weiter, auf den sich nun alle Kräfte Rudolfs konzentrierten. Dieses letzte Widerstandsnest, was am Ende davon noch auf den Beinen stand, stellte erst den Kampf ein, nachdem König Ottokar, der aktiv mitgefochten hatte, von einem Ritter aus dem Kärntner Kontingent Rudolfs niedergestreckt wurde. Ob dieser auch für die Verstümmelungen am völlig ausgeplünderten, nackten Leichnam des Königs verantwortlich war, ist nicht belegt. Mit dem Tod des Kontrahenten, war nicht nur die Schlacht entschieden, es ging auch die jahrelange Rivalität im Reich zu Ende und der mittlerweile 60-jährige König war unbestrittenes Reichsoberhaupt und doch warf die Schändung des erschlagenen Gegners einen dunklen Schatten auf Rudolfs Sieg, welcher sich in der Verfolgung der in zwei Richtungen fliehenden Feindtruppen noch zum völligen Triumph vollendete. Mit 12.000 Gefallenen verlor das böhmische Heer fast die Hälfte seiner Streitkräfte. Die Schlacht auf dem Marchfeld war damit eine der blutigsten Auseinandersetzungen des deutschen Mittelalters.

Zur Rolle Brandenburgs während der Schlacht, ist in Ottokars Reimchronik Vers  16388 ff. überliefert, das Otto IV. gegen das schwäbische Aufgebot Rudolfs kämpfte und dabei schwere Verluste erlitt. Wie es Otto IV. gelang, sich mit seinen Brandenburgern vom Marchfeld abzusetzen, ist nicht überliefert. Markgraf Otto V. und mit ihm Bruder Albrecht III. kamen zu spät zur Schlacht. Es wird vermutet, dass sie durch einen polnischen in die Neumark, unter der Führung von Herzog Bolesław VI., und den sich hieraus entwickelnden Kämpfen, die für Brandenburg bei Soldin mit einer Niederlage endeten, aufgehalten wurden. Es existiert hierzu nur eine polnische Quelle und bei dieser ist nicht auszuschließen, dass darin die Ereignisse aus dem Jahre 1271 beschrieben werden und 1278 überhaupt kein neuerlicher Einfall des Herzogs geschah.
Ottokar setzte sein vollstes Vertrauen in den Markgrafen der Ottonischen Linie, was besonders dadurch zum Ausdruck kam, dass er ihn mit der Vormundschaft für Kronprinz Wenzel beauftragte, für den unwahrscheinlichen aber nicht auszuschließenden Fall, dass er im Krieg gegen Rudolf I. fallen sollte. Im Juli war die Übermacht des böhmischen Heers noch so drückend, dass kaum mit dem Tod des böhmischen Königs auf dem Schlachtfeld oder gar einer totalen Niederlage, gerechnet werden konnte. Vor dem Hintergrund dieser Annahme, mag es plausibel erscheinen, wenn Otto V. sich zunächst der Gefahr im Osten stellte und nicht mit höchster Priorität seine Truppen nach Brünn, zur Versammlung führte.


Vormundschaft und Regentschaft

Nachdem die Schlacht entgegen aller Erwartungen für Böhmen und seine Alliierten mit jener verheerenden Niederlage endete, der Ottokar zum Opfer fiel, kam Otto V. die erst kürzlich vereinbarte Rolle des Vormunds über den  damals sechsjährigen Kronprinzen Wenzel zu. Königin Kunigunde, des jungen Prinzen Mutter, schrieb Anfang September sorgenvoll an den Markgrafen, er möge sich des Thronerben, ihrer und des Landes annehmen und schleunigst nach Böhmen kommen. In gleichlautender Weise kontaktierte sie ihre Schwägerin, Markgräfin Beatrix, die Stammherrin der Ottonischen Linie und Tante des böhmischen Thronfolgers, ihren Sohn Otto V. dazu zu bewegen, eilends nach Böhmen aufzubrechen. Entgegen aller Sorgen Kunigundes, drang Rudolf I. mit seinen Truppen nicht bis Prag vor, um sie und ihre Kinder, wie sie befürchtete, gefangen zu nehmen, gar zu beseitigen, er besetzte nur die Markgrafschaft Mähren. Rudolf hatte nach seinem glänzenden Sieg genug damit zu tun, die Ungarn und ihre streitlustigen Kumanen loszuwerden. Zwischen seinen deutschen Kontingenten und denen König Ladislaus, kam es schon bald nach der Schlacht zu handfesten Reibereien. Ladislaus, dessen Truppen zweifelsohne einen Löwenanteil am Schlachtenerfolg hatten, zog schließlich mit reicher Beute ab. Auf dem Rückweg durch Mähren, plünderten seine Verbände noch einmal entsetzlich und gaben einen Vorgeschmack darauf, was dem führungslosen Königreich Böhmen drohte, kam es nicht bald wieder unter die planvolle Kontrolle eines Verwesers.

Markgraf Otto V. machte sich, nachdem ihn die böhmischen Städte finanziell unterstützten, mit 400 Rittern auf den Weg nach Prag. Die vorangegangene Auseinandersetzungen mit Herzog Bolesław VI. von Polen in der Neumaek, schienen seine Kräfte mehr beansprucht zu haben, als es direkt aus den überlieferten Schriftstücken ersichtlich wäre. Es muss sich aber so verhalten haben, wie anders könnte man sich erklären, dass er sich Anfang September noch nicht in Böhmen befand.

Herzog Heinrich IV. von Schlesien-Breslau

Er musste sich allerdings sputen, denn der schlesische Herzog Heinrich IV. von Breslau, ein Verwandter und Parteigänger des verstorbenen Ottokars, machte wegen seiner Blutsverwandtschaft zum Kronprinzen, seinerseits Anspruch auf die Vormundschaft geltend. Der Markgraf und der Herzog standen wegen dem Land Krossen im Streit, ein Zusammenstoß schien wahrscheinlich. Als beide etwa zeitgleich vor den verschlossenen Toren Prags ankamen, deutete alles auf einen bewaffneten Kampf hin. Schließlich setzte sich aber in Prag die Partei des Markgrafen durch, sodass ihm und seiner Begleitung der Zugang zur Stadt gewährt wurde. Der größere Teil des Adels und der Städte erkannte in den folgenden Tages Ottos Vormundschaft an, ebenso wird er als Verweser Böhmens größtenteils vom Adel akzeptiert. Mit der Königin kam es schnell zu Verstimmungen und schließlich komplett zum Bruch. Über die Ursachen ist nichts näher bekannt, wahrscheinlich dürfte aber der Kronprinz und ihn betreffend gegensätzliche Meinungen hinsichtlich der weiteren Verantwortlichkeiten sein. Vermutlich übernahm der Markgraf schon in Prag die volle Kontrolle über den Knaben und isolierte ihn von der Mutter, die sich nun vorsichtig an Rudolf I. annäherte. Die Vorverhandlungen verliefen vielversprechend, der römisch-deutsche König sann weder danach die königliche Familie zu internieren, noch Böhmen zu zerschlagen und den jungen Přemysliden seines Erbes zu berauben. Unter Umständen auf Veranlassung der Königin, rückte Rudolf mit einem starken Aufgebot in Böhmen ein und lagerte seit Mitte Oktober  beim Kloster Sedletz, unweit Kuttenbergs, wo die Unterhandlungen mit Königin Kunigunde abgeschlossen werden sollten, die sich nun ganz unter Rudolfs Schutz begab.

Ein neuerlicher Krieg bahnte sich an. Diesmal mit dem Brandenburger Otto V. als Verweser an der Spitze Böhmens, gegen den römisch-deutschen König, welcher zuvor in Mähren die Huldigung zahlreicher Städte entgegengenommen hatte und mit der Königin im Einvernehmen war . Der Markgraf rückt mit einem Heer, unterstützt vom böhmischen Adel aus und marschiert bis Kolin, rund 9 Kilometer vom Heer Rudolfs entfernt, wo er lagert. Zum Kampf kam es nicht, unter dem Vorsitz des Bischofs von Salzburg, wird ein Schiedsgericht gebildet, mit Graf Meinhard von Tirol Burggraf Friedrich von Nürnberg auf des Königs Seite und dem Bischof von Olmütz und dem Markgrafen Otto IV „der mit dem Pfeil“ auf böhmischer Seite. Die Johanneische und die Ottonische Linie arbeiten während dieser Zeit eng zusammen und es ist zu vermuten, das König Rudolf einen Konflikt mit dem entfernten Brandenburg vermeiden wollte, vor allem wohl deshalb, weil er im sächsischen Raum über keine Parteigänger verfügte, standen doch bis auf die mit Brandenburg eng verbundenen Herzöge von Braunschweig und Lüneburg, alle größeren Fürsten auf dem Marchfeld auf der Seite Böhmens.

Die Unterhändler erreichten eine Einigung. Zur dauerhaften Beilegung der Rivalitäten zwischen Böhmen, und dem sich südlich davon abzeichnenden Habsburger Reichs, gemeint ist das von Rudolf annektierte Österreich mit Kärnten, der Steiermark und Krain, wurde ein doppeltes Heiratsbündnis vereinbart. Rudolf betrieb zur Sicherung seines Königtums exzessive Heiratspolitik, wozu seine sechs Töchter und drei Söhne, ein vierter starb bald nach der Geburt, die notwendige Spielmasse waren. Sohn Rudolf, zum damaligen Zeitpunkt acht Jahre alt, wurde der neunjährigen böhmischen Prinzessin Agnes versprochen und Kronprinz Wenzel von Böhmen sollte Rudolfs jüngste, siebenjährige Tochter Guta heiraten. Zur engeren Verbindung mit dem ottonischen Hause Brandenburgs,  wurde Rudolfs 21 jährige Tochter Agnes mit 23 jährigen Markgraf Otto VI. verlobt. Die Hochzeit erfolgte in der ersten Februarhälfte 1279 zu Wien im dortigen Dominikanerkloster. Unmittelbar zuvor, wurde er im Beisein von König Rudolf, seinem zukünftigen Schwiegervater und vielen anderen Fürsten und Baronen, zum Ritter geschlagen. Über Otto VI., auch der Kurze genannt, um ihn vom neun Jahre älteren Otto V., dem Langen zu unterscheiden, haben wir bisher nur am Anfang kurz gelesen. Er war zwischenzeitlich längst volljährig geworden, und gemäß der Disposition des Vaters, Markgraf Ottos III., zur Mitregentschaft vorgesehen, doch blieb er politisch hinter seinen älteren Brüdern Otto und Albrecht zurück. Als dritten Vereinbarungspunkt, worauf der Schwerpunkt der Absprachen basierte,  wurde Markgraf Otto V. für fünf Jahre als Vormund des Kronprinzen Wenzel bestätigt, wie auch als Verweser Böhmens anerkannt. Für den gleichen Zeitraum fungierte König Rudolf I. als Verweser der Markgrafschaft Mähren. Im vierten Verhandlungsblock, wurde Herzog Heinrich von Breslau die Grafschaft Glatz zuerkannt, die dieser zuvor bereits besetzt hielt. Königin Kunigunde bekam im fünften und letzten Abkommen das Gebiet Troppau zum Eigenbesitz.

Es war jetzt Ende Oktober, Anfang November. Für Brandenburg, die Ottonische Linie, für Otto V., war der Ausgang der Verhandlungen mit dem römisch-deutschen König ein voller Erfolg. In Prag, wo der Markgraf vorerst residierte, ließ er nach verstecktem Geld suchen, das dort reiche Händler, vor allem der königliche Getreidehändeler Prosinco, im Reliquienraum der Prager Kirche versteckte. Seine Leute brachen allerlei Kisten und Behältnisse auf und kehrten mit ungeheuren Summen zu ihrem Herren zurück, das sie ihm übergaben. Der Gewaltakt warf eine tiefen Schatten auf die Regentschaft des Markgrafen. Bald erhob sich offener Widerstand gegen ihn, worüber im folgenden Kapitel berichtet wird.


Buch 1, Kapitel X: Intermezzo – „Klöster, Orden, Ordensstaat“


Die Entstehung früher christlicher Klöster, reicht in die erste Hälfte des vierten Jahrhunderts zurück. Pachomius der Ältere (um 295 – 346) gründete im oberägyptischen Tabennisi, nahe Theben, das erste Kloster der Christenheit.

Dem Klosterleben ging die Idee des Eremitentums voraus, die älteste Form gottgeweihten Lebens. Überall in Syrien und Ägypten hatte sich diese Bewegung verbreitet. In Nachahmung sowohl der 40-jährigen Wanderung des Volkes Israel, das gemäß biblischem Bericht von Moses aus Ägypten herausgeführt, und in der Wüste für seine Verfehlungen geläutert wurde, wie auch der 40-tägigen Fastenzeit Jesu, der sich vor Beginn seines dreijährigen Predigtwerks fern aller Zivilisation, zum Gebet in die Wüste zurückzog, wo er sich Entsagung und Meditation hingab, lebten auch die frühchristlichen Einsiedler in der Einöde, unter ärmlichen Bedingungen. Absonderung von allem Weltlichen, Ehelosigkeit und ein asketisches Leben, bildeten und bilden bis heute die Säulen klösterlicher Existenz, wobei es darin von Orden zu Orden Unterschiede gibt. Nachdem im dritten und vierten Jahrhundert das Eremitentum zum Massenphänomen wurde, entstanden daraus bald erste Einsiedlerkolonien. Örtliche Gemeinschaften von Gleichgesinnten. Hieraus, man möchte fast sagen, in logischer Folge, entstand der Gedanke des Klosters, dessen Bezeichnung sich vom lateinischen Claustrum ableitet, was soviel wie verschlossener oder abgegrenzter  Raum bedeutet.

Aus dem Orient schwappte die Klosteridee nach Europa über. Benedikt von Nursia, bei Spoleto um das Jahr 480 geboren, gründete um 529 an der Stelle eines alten Apollon-Tempels, das erste abendländische Kloster, die Abtei Montecassino, südlich von Rom. Die Mehrzahl der frühchristlichen Kirchen waren entweder auf den Trümmern alter, heidnischen Gottheiten geweihter Tempel errichtet, oder man hat dazu noch intakte Götzentempel übernommen und einfach umfirmiert. Die Benediktiner, wie sich die Nachfolger Benedikts nannten, wurden zum Vorbild weiterer Bruderschaften und Klostergründungen. Diese bildeten ein funktionales Netzwerk, aus dem sich eine weitverbreitete Ordensgemeinschaft bildete. Mit der Zeit entstanden zahlreiche weitere Mönchs- und Nonnenorden, auf die hier nicht im Detail eingegangen wird.


Eine unsichere Zukunft

Im Vakuum der Übergangszeit von der Spätantike zum Frühmittelalter, war der Fortbestand der in Europa existierenden ersten erheblich Klöster gefährdet. Es war überhaupt fraglich, ob sich der christliche Glaube im damals noch überwiegend heidnischen Europa halten könnte. Kaiser Konstantin (um 280 – 337) erklärte vor einem Jahrhundert das Christentum zur Staatsreligion, nachdem es lange Zeit von Rom unterdrückt wurde. Während dieser letzten, sich schon abschwächenden Hochphase des Römischen Reichs, erlebte das Christentum unter römischer Protektion einen rasanten Ausschwung. Als nun das antike Rom in Trümmer zu sinken begann und das alte Imperium dem Ansturm der entwurzelten germanischen Völkerschaften keinen Widerstand mehr leisten konnte, fehlte der jungen römischen Reichskirche aller weltliche Schutz. Teils kamen die Germanen aus dem Norden Europas, von wo sie auf der Suche nach ertragreichem Land auf ungewisse Wanderschaft gingen, teils aus dem Osten. Möglicherweise hatte eine Serie von Sturmfluten den Zug der Nordgermanen erst ausgelöst. Vor allem aber waren es jene aus dem Osten flüchtenden Stämme, die von den Hunnen, ein nomadisches Steppenvolk aus Zentralasien, förmlich vor sich hergetrieben wurden. Seit der zweiten Hälfte des vierten Jahrhunderts expandierten die Hunnen nach Westen. Die karge Heimat und wiederholte Verteilungskriege untereinander, ließ sie in alle Richtungen ausschwärmen, so auch nach Europa. Gegen die berittene Kampftechnik der Hunnen vermochten niemand zu bestehen, nicht die Germanen und auch keines der anderen Völker. Alles zog, floh regelrecht nach Westen und Nordwesten, dabei andere Völker vor sich herschiebend, und löste damit eine wahre Kettenreaktion unerreichten Ausmaßes aus. Lieber nahm man den jetzt Kampf mit den Römern auf, zu denen verschiedene westgermanische Volksstämme seit einem halben Jahrtausend wechselvolle Kontakte unterhielten. Goten, Vandalen und Alanen, letztere gehörten nicht zur Völkergruppe der Germanen, doch waren sie seit ihrer Entwurzelung in engem Kontakt mit Vandalen und später Sueben, suchten zunächst friedliche Aufnahme in den Provinzen Roms, boten sich dabei als Alliierte, als Foederaten an, doch gegenseitiges Misstrauen und Missachtung führte wiederholt zu Vertragsbrüchen.  Die römischen Grenzen wurden letztlich regelrecht überrannt, nicht nur im Osten des heutigen Balkans, auch am Rhein, so bei Mainz und andernorts. Das erste bewaffnete Zusammentreffen war es freilich nicht. Die Kämpfe Roms mit den Barbaren, den hochgewachsenen Germanen, hatten fast Tradition. Jeder römische Feldherr der etwas auf sich hielt und erfolgreich in die Politik wollte, hatte einen erfolgreichen Heerzug in Germanien vorzuweisen. Nachhaltig erfolgreich war keiner dieser Feldzüge. Rechts des Rheins vermochte sich das Imperium nie dauerhaft zu etablieren. Der größte Teil Germaniens entzog sich der Unterwerfung und Romanisierung, trotz größter Anstrengungen. Die vielen dutzend Schlachten und Kriege zwischen Rom und verschiedenen Stämmen rechts des Rheins wären eine ausführlichere Betrachtung wert, doch müssen wir darauf verzichten.
Der großen Völkerwanderung im letzten Viertel des vierten Jahrhunderts, ging 105 v. Chr. der Zug der Kimbern, Teutonen und Ambronen voraus, der seinen langen Schatten auf zukünftige Ereignisse warf. Fortan sollte der Schrecken vor den Barbaren aus dem Norden nie ganz aus der Erinnerung der Römer verschwinden. Die römische Republik, damals auf dem ersten Höhepunkt der Macht, konnte nach anfänglich verheerenden Niederlagen, der rast- und ziellosen Invasion Herr werden.

Das Römische Reich umspannte auf dem
Höhepunkt seiner Ausdehnung das gesamte Mittelmeer

Vom Barbarenschock erholt, folgte eine lange Phase römischer Expansion, die nicht nur den Mittelmeerraum einschloss, auch nördlich der Alpen setzte sich die Auqila, die Adlerstandarte der Legionen fest und Rom unterwarf links des Rheins Rätien, Gallien, ja selbst Britannien jenseits des Meeres. Rhein und Donau bildeten die Grenze zu den nicht unterworfenen Völkern des Nordostens. Mit den germanischen Stämmen entlang des Rheins unterhielt Rom einen unsicheren Frieden, betrieb Handel und zog Steuern ein, versuchte es zumindest. Gerade am römischen Steuersystem entzündeten sich fortwährend neue Konflikte. Regelmäßige Abgaben waren den Germanen fremd, sie sahen darin eine ungewohnte Beschneidung ihrer Freiheiten. Rom reagierte auf örtliche Zahlungsverweigerungen mit Repressalien und Strafaktionen, woraus sich eine gegenseitige Gewaltspirale entwickelte. Die Germanen zeigten nur Stellenweise Anzeichen einer schleichenden Romanisierung, doch blieben selbst diese Halbassimilierten halsstarrig. Das Imperium befand sich fortwährend in latentem oder sogar offenem Kriegszustand entlang seiner nordöstlilchen Grenzen. Das römische Desaster 9 n. Chr. im Teutoburger Wald, bei der neben drei vollausgerüsteten Legionen, auch die Hilfstruppen und der gesamte Tross verloren gingen, war ein entscheidender Markstein und setzte der römischen Expansion in Germanien ein Ende. Auch wenn Rom in den Folgejahren umfangreiche Strafaktionen ostwärts des Rheins durchführte, unter anderem entlang von Lippe und Weser, brachten diese in den weitläufigen, waldreichen Gebieten keine dauerhafte Unterwerfung der dort lebenden Stämme.

Jetzt, mehr als dreihundert Jahre später, im späten vierten Jahrhundert, waren die Legionen des einstmals mächtigen, mittlerweile altersschwachen und innerlich ausgehöhlten Roms, den wild entschlossenen Massen nicht mehr gewachsen. Bald ganz Europa war in Aufruhr und in Bewegung geraten. Wer überleben wollte, musste kämpfen und die Germanen, untereinander oft ebenso Feind wie es Hunnen oder Römer waren, fochten in Zweckbündnissen, buchstäblich mit dem Rücken zur Wand. Es gab für sie nur noch ein Vorwärts. Die antike Welt brach unter der verzweifelten Gewalt der heidnischen Heerscharen zusammen. Städte, Kirchen und Klöster, alles Dinge, die den nicht romanisierten Germanen kaum etwas bedeuteten, sogar fremd waren, gingen in Flammen auf, nachdem alles von Wert weggeschafft wurde. Doch die aus dem Osten stammende Not brachte bald seltsame Bündnisse hervor. Die gemeinsame Furcht vor den asiatischen Reiterhorden, schmiedete Römer und die nach Westen geflohenen Ostgermanen für kurze Zeit zusammen und so kam es im heutigen Nordostfrankreich, auf den Katalaunischen Feldern zur Schlacht. Römer unter Aëtius und Westgoten unter Theoderich I., nicht zu verwechseln mit dem Ostgoten Theoderich dem Großen, auf der einen Seite, Hunnen unter Attila, mit ihren ostgotischen Hilfstruppen unter Valamir, Germanen unter hunnischer Oberherrschaft, auf der anderen Seite. Unter entsetzlichen Verlusten auf beiden Seiten, wobei die Germanen hüben wie drüben den größten Blutzoll zahlten, wurde der weiteren Westexpansion Attilas Einhalt geboten. Doch die letzte Kraftanstrengung Roms, vielmehr seines Heerführers in Gallien, denn Rom selbst leistete keinerlei Hilfe mehr, förderte die völlige Erschöpfung des im Zerfall befindlichen Reichs offen zutage. Eine Reorganisation der Provinzen Gallien, Britannien oder Spanien unter Führung eines starken Cäsaren gelang nicht mehr, das Reich zerfiel in zwei Hälften, wobei sich im Osten, in Konstantinopel, das oströmische Reich konsolidieren konnte, während das weströmische Reich bald unter das Regiment neuer Herren geriet. In die Machtlücke stießen die Germanen, allen voran die Franken in Gallien, aber auch Goten und Langobarden in Oberitalien. Sie übernahmen die Herrschaft in den weiten Landstrichen des einstigen Weltreichs. Der christlichen Staatskirche drohte von den heidnischen Barbaren, die ihre nordischen Gottheiten anbeteten, wenn nicht Vernichtung, so doch Unterdrückung und Repressalien. Doch zeigte sich, dass Goten und Franken, zumindest ihre Herrscherhäuser, dem christlichen Gedanken aufgeschlossen gegenüberstanden. Nicht unbedingt aus ehrlicher Überzeugung oder religiösem Eifer, eher aus schierem Pragmatismus. Das auf Ordnung und Unterordnung unter die obrigkeitliche Gewalten ausgelegte Glaubenskonstrukt der Christen, war geradezu ein ideales Instrument, den unabhängigen Volkscharakter der Germanen zu zügeln, deren dauerhafte Renitenz einzuschränken und einer Oberführung zuzuführen. Dass die eingesessene christliche Bevölkerungsmehrheit in Gallien oder Oberitalien von einem christlichen König, ob fremd oder einheimisch, gleichzeitig williger regiert wurde, als von einem heidnischen, leuchtet ein. Die Reichskirche leistete den neuen Machthabern wertvolle Dienste, wenn der Anfang auch schwer war, denn die christianisierten Germanen hingen in der Mehrzahl den Lehren des Arius an und lehnten entsprechend die Trinitätslehre ab, das zentrales Glaubensdogma der römischen Kirche war. Der römische Bischof, gemeint sind hier natürlich Generationen römischer Bischöfe, er stand ursprünglich nicht über den anderen Bischöfen, verstand die Rivalität unter den Germanen, vor allem der Franken und Ostgoten zu seinen Zwecken zu verwenden. Der fränkische Großkönig Chlodwig, ursprünglich auch mit dem Arianismus sympathisierend, ging zum römischen Glaubensdogma über. Er konnte sich hierdurch auf die Unterstützung der alten Reichskirche stützen. Es begann der Aufstieg der Franken zur dominierenden politischen Macht und ebenso der römischen Kirche, die die Deutungshoheit über alle Auslegungsfragen christlichen Glaubens an sich riss.

Ein grüne Insel am nordwestlichen Rand Europas blieb von all diesen Entwicklungen unberührt. Es entwickelt sich dort ein ganz eigentümlich klösterliches Leben, das sich unberührt entfalten konnte. Selbst die Invasion der Angeln und Sachsen im benachbarten Britannien ging an den keltischen Iren vorbei. Dass sich der christliche Glaube in Irland unter den keltischen Ureinwohnern diesseits aber auch jenseits, im Norden Schottlands festsetzen und durchsetzen konnte, stellte eine erstaunliche Ausnahme dar, denn diese Gebiete gehörten zu keiner Zeit zu Rom, womit die römische Reichskirche auch keinen Einfluss nehmen konnte. Hierdurch entwickelte sich eine ganz eigene Kirchenform aus, die iroschottische Kirche.

Keltenkreuz der
iroschottischen Kirche

Irische Mönche hatten zu Beginn des Frühmittelalters großen Anteil bei der Missionierung der europäischen Heiden. Sie brachten den Glauben nach Britannien, wo er auf die Angeln und Sachsen überging und bald darauf aufs Festland überschwappte. Bonifatius, der später sogenannte Apostel der Deutschen, entstammte einem dieser christlich bekehrten angelsächsischen Häuser. Im sächsischen Kleinkönigtum Wessex, im Südwesten Englands als Wynfreht (Winfried) um 673 geboren, begann er in der merowingischen Schlussphase im östlichen Gebiet des fränkischen Königreichs, in Austrien, seine Tätigkeit als Missionar. Bemühungen das von einem Vorgänger in Friesland eingeleitete Missionswerk fortzuführen, scheiterte am zu dieser Zeit unter dem Friesenkönig Radbod ausgebrochenen Gegensatz von  Friesen und Franken. Bonifatius ging daraufhin nach Rom um sich die Hilfe des Papstes zu sichern, wurde päpstlicher Legat für Germanien und kehrte mit umfangreichen Befugnissen zurück. Das Bistum Mainz wurde zum Erzbistum erhoben und Bonifatius erster Metropolit, Erzbischof der neuen Kirchenprovinz. Er gründete zahlreiche Klöster, darunter das Reichskloster Fulda, wo er schließlich seine letzte Ruhestätte fand, nachdem er in hohem Alter auf einer neuerlichen Missionsreise  in Friesland erschlagen wurde.

Wie wir sahen, war die Zeit der Völkerwanderungen zu Ende gegangen. Im Verlauf des Frühmittelalters kamen auch die letzten germanischen Stämme zur Ruhe, wurden sesshaft und formierten sich zu Großstämmen. Aus ihren  Siedlungsgebieten entstanden die Stammesherzogtümer, von denen an anderer Stelle schon mehrfach die Rede war. Die Franken verbanden mit ihrem allgemeinen Expansionsdrang gleichzeitig die Missionierung der unterworfenen Stämme und Völkerschaften. Als letztes mussten sich nach langen und blutigen Kriegen die Festlandsachsen Karl dem Großen unterwerfen und zwangsbekehren. Der christliche Glaube hatte nicht nur den Niedergang Roms überstanden, er war in der neuen europäischen Ordnung zur Staatsreligion geworden.


Die Rolle der Klöster im Mittelalter

Nach dieser Exkursion in die Zeit der Völkerwanderungen, schauen wir uns das späte Früh- sowie das Hochmittelalter aus klösterlicher Sicht an.
Klosterleben war und ist es noch heute, bestimmt von innerer Einkehr, dem Gebet, der Kontemplation, das heißt dem konzentrierten Nachsinnen über Gott. Jede Ablenkung der Welt könnte sich als störend auswirken. Um von weltlichen Einflüssen abgeschirmt zu bleiben und den Kontakt außerhalb des Klosters auf ein Minimum zu reduzieren, war von Anfang an die wirtschaftliche Selbstständigkeit, idealerweise die Selbstversorgung von größter Bedeutung. Hieraus ergab sich neben den geistlichen Aspekten, bei vielen Orden auch notwendig körperliche Arbeit, sei es in der Landwirtschaft oder im Handwerk.
Je nach Ordensgemeinschaft gab es in dieser Hinsicht unterschiedliche Lebensweisen. Neigten manche Orden mehr zu wissenschaftlichen Tätigkeitsfeldern, fokussierten sich andere mehr auf praktische Aspekte, wie die Erschließung des einem Kloster zugewiesen Landbesitzes und hier der Landwirtschaft oder Fischerei. Die Bandbreite der Orden wurde zunehmend größer und nahmen es manche Orden besonders streng bezüglich der Abtrennung von der Welt und andere waren in dieser Hinsicht offener. Wir gehen an dieser Stelle nicht tiefer auf spezifische Merkmale einzelner Ordensgemeinschaften ein, nur noch soviel am Rande, nicht alle Orden sind an ein festes Kloster in monasticher, in mönchischer Lebensweise gebunden, so lebten die Wanderprediger selten oder gar nicht hinter Klostermauern. Auch unterscheiden sich die Einrichtungen der Ostkirche von jenen im Westen. Letztere waren, sind es noch, in großen Netzwerken zusammengefasst, den Ordensgemeinschaften auch Kongregationen genannt, während Klöster der orthodoxen Kirchen große Autonomie genießen.

Während des gesamten Mittelalters lieferten die Klöster starke Impulse in Bezug auf die kulturelle und wirtschaftliche Entwicklung Europas. Von ihnen ging wie erwähnt die eigentliche Christianisierung des Abendlandes aus. Wanderprediger trugen die Botschaft zu den Heiden, wobei nicht wenige den Tod erlitten. Dieses Missionswerk gab dem europäischen Kontinent seine charakteristische Prägung.
Vielleicht die wichtigste Leistung überhaupt, man kann sie nicht hoch genug bewerten, war die Konservierung, die Erhaltung und Weiterverbreitung, oder soll man sagen Neuverbreitung alten aber auch neuen Wissens. In Klöstern wurde auf Pergamenten und in Büchern das geistige Erbe des Abendlandes aufgezeichnet, vervielfältigt und an die nächste Generation weitergereicht. Manches Wissen konnte dadurch, trotz aller beklagenswerten Verluste, aus der Antike gerettet werden. Es waren Klosterschulen die über Jahrhunderte hinweg praktisch die einzigen, organisierten Bildungsstätten darstellten. Fundiertes Verständnis über Kräuter- und Heilkunde, Ackerbau und Viehzucht, war unbezahlbar und in einigen Orden ebenso Teil klösterlichen Lebens, wie es geistige Einkehr und Gebet waren. Viele Erkenntnisse der Landwirtschaft, egal ob es Getreide- oder Obstanbau betraf, ebenso die Haltung und Zucht von Nutztieren, verdanken wir den aufmerksamen Beobachtungen und Arbeiten der Mönche. Ergebnisse ihrer Arbeiten zeichneten sie gewissenhaft auf, gaben sie an Mitbrüder weiter, die sie planmäßig weiterentwickelten. Auch wenn Klostereinrichtungen einen signifikanten Anteil gerade auf dem Gebiet geistigen Entwicklung hatten, gab es mit der Zeit neue, sehr populäre Orden, die sich  bewusst und aus tiefer Überzeugung aller geistigen Bildung verweigerten. In solchen Orden, die Franziskaner seien hier besonders erwähnt, wurden keine Klosterschulen betrieben, keine Skriptorien (Schreibstuben) unterhalten. Die meisten Franziskaner konnten selbst nicht Lesen und Schreiben und trugen ihre Lehren aus dem Gedächtnis vor. Ihr Erfolg bestand darin, dass sie weder besonders strenge Aufnahmebedingungen hatten, noch sich in Bezug auf den gemeinen Mann durch Bildung oder besondere rhetorische Gewandtheit  differenzierten, sondern nur durch ein selbsterwähltes ärmliches Leben. Beim einfachen Volk war dieser Bettelorden deswegen besonders beliebt und der Papst, er hatte sich längst über seine Amtsbrüder als die maßgebliche geistliche Zentralinstanz erhoben, nutzte die Franziskaner zur Instrumentalisierung und Beeinflussung der breiten Volksmassen. Sehr zum Verdruss der Fürsten.

Werfen wir noch einmal einen Blick nach hinten. Vor den kulturellen und politischen Veränderungen Europas konnten sich die Klöster nicht immer   verschließen. Sie mussten mit lokalen Machthabern kooperieren, in deren Abhängigkeit sie vielerorts gerieten. Mit dem Übertritt der Franken zum Christentum, sie wurden unter Chlodwig wie bereits erwähnt zum ersten Großkönigtum vereint, gewann die römische Kirche und in deren Schlepptau die abendländischen Klöster, nicht nur eine starke weltliche Schutzmacht, es war auch ein großer Schritt hin zur Missionierung der übrigen Germanen, die sich ostwärts des Rheins weiterhin ihren alten Gottheiten verschrieben. Die nordische Götterwelt entsprach dem kriegerischen Wesen der damaligen Germanen mehr, als der Heiland der Christen.
Die Franken waren dabei nicht die ersten christianisierten Germanen. Die Goten glaubten ebenso an die christliche Lehre. Sie unterschieden sich in der Auslegung von der römischen Kirche und hingen der Lehre des Arius (260-327) an, der die Dreieinigkeit als Irrlehre ablehnte, die seit dem ersten großen Konzil von Nicäa (325) eines der zentralen Dogmen der römischen Kirche wurde. Chlodwigs Konvertierung zum Christentum, die vordergründige Abkehr von den alten nordischen Götter und die Wahl der römischen Glaubensinterpretation, basierte auf zwei pragmatischen Gesichtspunkten. Er benötigte in seinen Gebieten die alte römische Reichskirche, um die Bevölkerung seines weitläufigen Reichs zu kontrollieren. Die Franken selbst machten nur etwa 10% der galloromanischen Mischbevölkerung aus. Zum anderen gewann er mit der Kirche Roms eine wichtige Stütze im Wettstreit mit dem ostgotischen Rivalen Theoderich um die Vormacht im germanischen Europa. Die Kirche machte sich spätestens jetzt zum willfährigen Instrument des politischen Ränkespiels, trat dabei gleichzeitig, gemeint ist der römische Bischof, gemeinhin als Papst bekannt, mit Raffinesse für die eigenen weltlichen Interessen ein. Die Klöster konnten sich von alledem nicht fern halten. Zunächst bewahrten sie wo es ging Neutralität, wurden jedoch von beiden Seiten umgarnt, naturgemäß von der Kirche selbst. Wenn wir von Kirche sprechen, meinen wir zu diesem Zeitpunkt immer die römische Kirche, mit dem Papst als geistlichem und weltlichem Oberhaupt. Der Papst als selbsterklärter Vertreter Christi auf Erden, fühlte sich weisungsbefugt hinsichtlich aller klösterlichen Angelegenheiten. Die meisten Klöster lagen, wie im Übrigen die  meisten Bischöfe auch, fern von Rom. Der Einfluss lokaler, weltlicher Machthaber, wirkte sich unmittelbarer und stärker aus, demgemäß saßen Klöster und zumeist Bistümer in gleicher Weise, zwischen zwei Stühlen. Über die Zeit konnten sich die fränkischen Könige kraft ihrer errungenen Macht durchsetzen. Es entstanden, gestützt auf das Wohlwollen dieser Machthaber jenes schon erwähnte Reichskloster in Fulda.

Nachdem sich der christliche Glaube bis zum Beginn des Hochmittelalters in großen Teilen Europas verbreitet hatte, die muslimische Invasion auf der iberischen Halbinsel an der Stelle ausgeklammert, schien der Missionsbeitrag der Klöster eine kleiner werdende Rolle zu spielen und drohte am Ende ganz zu verschwinden. Mit dem zwölften Jahrhundert gewann dieser Aspekt wieder an Bedeutung. An den östlichen Rändern des jungen Reichs, das im zehnten Jahrhundert zwischen Rhein und Elbe aus dem verwaisten ostfränkischen Reich hervorgegangen war, schickten sich regionale Fürsten an, in den heidnischen Lebensraum der dort lebenden Slawen rechts der Elbe zu expandieren. Hintergründe und Verlauf haben wir in den ersten beiden Kapiteln über  Albrecht den Bären erläutert. Wieder waren es Klöster, die bei der Erschließung der heidnischen Gebiete als kulturelle Keimzelle dienten. Sie leisteten beim Landesausbau unschätzbare Dienste und schufen als Wirtschaftsmittelpunkt einer Region, die notwendigen Infrastrukturen, die der parallelen Besiedlung und Kolonisierung starken Vorschub leisteten. Die Askanier bedienten sich bei  der Erschließung der ostelbischen Landschaften sehr erfolgreich allerlei Klöster, die dabei als Anker und Wegbereiter ankommender Siedler fungierten. Wie im Schlussteil von Kapitel III geschildert, war das von Markgraf Otto I. 1180 gestiftete Kloster Lehnin in der Zauche, ein Musterbeispiel landesherrlicher Verwendung klösterlicher Einrichtungen zur Hebung wirtschaftlich rückständiger Gebiete. Die Stiftung durch den Markgrafen unterstreicht die politische Abhängigkeit von neuangelegten Klöstern, die mindestens in einem Loyalitätsverhältnis zu den stiftenden Landesherren standen. Johann I. und Otto III., Enkel Ottos I., ihnen waren die drei zurückliegenden Kapitel gewidmet, machten sich nicht nur als Städtegründer einen buchstäblichen Namen, sie stifteten ebenso eine beachtliche Zahl Klöster unterschiedlicher Ordensgemeinschaften. Am erwähnenswertesten Chorin im nordöstlichen Barnim, aber auch Gründungen in Ruppin, Strausberg, Seehausen, Ziesar, Prenzlau, Görlitz oder Bautzen. Überall wo durch territoriale Erweiterung und Zuzug frischer Siedler, ein Verwaltungsmittelpunkt zu schaffen war, wurden Klöster errichtet und von den jeweiligen Landesherren großzügig mit Land und Privilegien versehen.


Das Kloster als Arbeitgeber, Schule und Seelsorger

Im Hochmittelalter stieg durch Geburtenüberschuss in Europa und im Reich die Bevölkerung spürbar. Es führte zu einem allgemeinen Wachstum in den Städten und auf dem Land. Noch war kein grundlegender Mangel an Land, wenngleich der größte Teil weiterhin unerschlossen war. Der steigende Bedarf an urbarem Land, wurde durch Erschließung bisher ungenutzter Landschaften, durch Rodung der Wälder, Trockenlegung von Flussniederungen und Sümpfe kompensiert. Einige Generationen konnte so die dadurch eine Vermehrung der Höfe verkraftet werden, ohne dass die bewirtschaftete Fläche so kleine wurde, dass die Familie nicht mehr zu ernähren war.
Für die Adelskreisen stellte üppiger Nachwuchs Segen und Fluch in gleicher Weise dar. Einerseits war der Fortbestand der eigenen Sippe, der eigenen Dynastie gesichert, andererseits war es eine Hypothek im Erbfall und ständige Herausforderung. Bekam jeder der Söhne einen Anteil, so war die Zersplitterung, die Minderung des Familienbesitzes, nach wenigen Generationen so dramatisch, dass selbst einflussreiche Dynastien an Bedeutung verloren. Es musste Abhilfe geschaffen werden. Die Primogenitur war im Grunde unbekannt, bis auf wenig, wenngleich prominente Beispiele begrent. Der alte salfränkische Brauch, wonach alle Erbberechtigten einen Anteil erhielten, war die gängige Praxis. Mit zunehmendem Einfluss der Kirchen und Klöster, die vielerorts über umfangreichen Territorialbesitz  verfügten, stellte sich eine neue Sitte in Adelskreisen ein. Wenigstens einer der nachgeborenen Söhne, zumeist der jüngste davon, wurde frühzeitig für eine geistliche Karriere vorgesehen. Hiermit wurde Druck von der Erbfolge genommen und gleichzeitig dem jungen Sprössling eine sicher Auskunft gewährleistet. Gelang es ihm, die Konkurrenz war groß, in die höchsten Kreisen des Klerus vorzustoßen, Probst, gar Bischof zu werden oder Abt eines einflussreichen Klosters, war der politische Nutzen für die Familie gleichzeitig von höchstem Wert.

Die Kirche, im Schlepptau die Klöster, gerade letztere übernahmen neben ihren ohnehin vielfältigen Aufgaben, die weiter oben kurz angerissen wurden, zusätzlich die Funktion eines quasi lukrativen Arbeitgebers, wenn man es so modern ausdrücken will. Das traf nicht nur auf den männlichen Nachwuchs zu, auch Frauenklöster bildeten Auffangbecken für junge Frauenzimmer aus vornehmem Haus. Die Frauenklöster erfüllten zunächst die Rolle einer Erziehungsanstalt für heranwachsende höhere Damen, bevor diese verheiratet wurden. Alle jene aber, deren Familien es nicht gelang sie vorteilhaft zur Ehe zu gegeben, entweder weil die notwendige Aussteuer nicht aufgebracht werden konnte, oder aus anderen Gründen, blieben gewöhnlich den Rest ihres Lebens im Kloster. Jungfern die alleinstehend lebten, waren im Grunde undenkbar. Das Los der Frau war wesentlich auf die zukünftige Rolle als Ehefrau und Mutter fokussiert, wobei sie in dieser Rolle nach ihren Begabungen gleichwohl großen Einfluss auf die Geschicke der Familie und auch Einfluss auf die Politik nehmen konnte. Ohne Privilegien, gar rechtlos, waren Frauen keinesfalls.

Klöster blieben bei alledem nicht ausschließlich aristokratischen Kreisen vorbehalten, wenngleich die Führungsschicht, es gab  nur sehr wenige Ausnahmen, hauptsächlich von Personen diesen Standes besetzt wurden, aus den schon genannten Gründen. Für das gemeine Volk blieben im Umfeld eines Klosters trotzdem viele Möglichkeiten der direkten Anstellung oder indirekten Beschäftigung. Sie waren Zuarbeiter, lieferten Rohstoffe oder bewirtschafteten die klösterlichen Ländereien, welche von Fall zu Fall gewaltig waren. Klöster, in deren Einflussbereich gleich mehrere dutzend Dörfer lagen, waren keine ausgesprochene Seltenheit. Die Möglichkeit der Aufnahme in den Kreis der Mönche, allerdings zumeist in untergeordneter Stellung, war immerhin nicht völlig unmöglich. Der Standesunterschied machte aber, es muss eingestanden werden, auch gerade vor den Toren der Klöster nicht halt. Eher noch war es einem Gemeinen möglich durch besondere Tapferkeit auf dem Schlachtfeld die Aufmerksamkeit seines Herren zu erwecken, um dadurch sozial aufzusteigen, als dass die strengen Hierarchien im Kloster übergangen werden konnten. In der Regel blieben die Menschen niedriger Geburt dementsprechend als Knechte, Küchenhilfe oder in sonstiger Aushilfsfunktion eingesetzt, was in den allermeisten Fällen immer noch besser war, als das Leben vieler Standesgleichgesinnter.

Einfluss und Größe der Klöster stieg von Jahr zu Jahr, von Generation zu Generation. Wir haben in den zurückliegenden Kapiteln immer wieder von den umfangreichen Zuwendungen der Askanier und untergeordneter Vasallen zugunsten der Klöster berichtet. Man darf hierbei keinesfalls von einem spezifisch brandenburgischen Phänomen ausgehen. Großzüge Spenden an klösterliche Einrichtungen war dem Zeitgeist geschuldet. Zur Vorsorge für das eigene Seelenheil, und das der Angehörigen, beauftragte man gegen reiche materielle Gaben Klöster sogenannte Seelenämter abzuhalten, um den Verstorbenen Erlösung zu verschaffen. Die Sorge um das ewige Heil, die allgegenwärtige Furcht vor Fegefeuer oder gar ewiger Verdammnis, bestimmte die Gedankenwelt des mittelalterlichen Menschen völlig. Nach der Überzeugung der Zeitgenossen, konnte nur die Fürbitte Berufener, das heißt geweihter Personen aus dem Klerus, Erlösung und Eintritt ins Himmelreich bewirken. Der Ruf der Mönche, die durch ihr abgeschiedenes, ganz dem spirituellen Dienste Gottes geweihten Lebens, besonders hoch im Kurs der Menschen stand, kam eine bevorzugte Rolle zu. Ungeheuerliche Summen wurden damals dafür aufgewandt, das Leben der Verstorbenen im Jenseits zu beeinflussen und sie durch die bezahlten Fürbittgebete der Geistlichen aus ihrer Drangsal im Fegefeuer zu befreien. Für die Existenz und Not der Lebenden wurde bisweilen weniger investiert, als für das Wohl der Toten. Es war anerkannt, dass die Geschicke des irdischen Lebens, vermeintliche Schicksalsschläge verdient waren oder zumindest eine göttliche Prüfung, die es zu durchleiden galt. In der Annahme, der durch und durch sündige Mensch könne nur durch Gebet, Schmerz und Entsagung Sühne leisten, waren allerlei Art der Selbstgeißelung im Hoch- und Spätmittelalter weit verbreitet und gerade in den Klöstern wurde diese Praktiken betrieben und dienten damit als Vorbild für die Menschen der Zeit.

Durch die nicht bezifferbaren Unsummen, die den Klöstern im Rahmen der Seelenpflege und zuflossen, wuchsen die allermeisten Klostereinrichtungen so erheblich, dass sie schon bald zu den reichsten Institutionen überhaupt gehörten. Ihr Reichtum und weitreichender Landbesitz weckte vielfälltige Begehrlichkeiten und machte Klöster bei Fehden oder Kriegen zu bevorzugten Zielen einfallender Truppen und so hatte alles durchaus zwei Seiten.

Klöster und Kirchen waren so ziemlich die einzigen Bildungseinrichtungen der Zeit. Die Orden der Zisterzienser und Franziskaner ausgenommen, unterhielten alle Klöster eine Schule. Hinsichtlich der Kirche war es nur in den Städten möglich eine derartige Einrichtung zu betreiben. Auf den Dörfern mangelte es an den Mitteln und überhaupt am zahlungsfähigen Schulpublikum. Lesen und Schreiben, Grundrechenarten und Religion waren die Lehrfächer, und schon beim Lesen gab es mannigfaltige Hürden zu überwinden. Alles war handschriftlich verfasst, dazu überwiegend in Latein. Wer es nicht fortwährend gebrauchte, verlernte das beigebrachte Wissen in Ermangelung von Übung schnell wieder. Wer in deutsch schrieb, tat dies in phonetischer Weise, er schrieb wie er sprach. Grammatikalische Regeln gab es nur für die lateinische Schriftsprache, nicht aber für die deutsche.

Nur langsam entwickelte sich eine frühe Bildungsschicht außerhalb des Klerikerstandes. Bis dahin waren es überwiegend Kleriker die die schriftlichen Angelegenheit der Fürsten besorgten. Sie fertigten Urkunden an, machten Kopien,  entwarfen Verträge. Die besten unter ihnen konnten nicht nur Lesen und Schreiben und beherrschten Latein, sie verstanden sich auch auf die rechtlichen Aspekte des Vertragswesen und waren in dieser Hinsicht wertvolle Rategeber.

Wir gingen in unserem Abriss, der nur oberflächlich bleiben konnte, nicht auf unterschiedliche klösterliche Organisationsarten wie Abtei, Propstei, Priorate usw. ein. Grundabsicht war, die herausragende Rolle der Klöster ganz allgemein zu unterstreichen. Stark vereinfacht könnte man sagen: Was in der jungen Mark durch das Schwert unterworfen wurde, erschlossen die Klöster im Konzert mit den Siedlern und formten daraus einen Staat.


Ritterorden – kämpfende Kleriker

Im Verlauf des Hochmittelalters gesellte sich zu den bisherigen, eine neue Ordensform hinzu. Eine Sonderform, die sich aus den besonderen Bedürfnissen der Kreuzzüge ins Heilige Land entwickelte. Ende des 11. Jahrhunderts gelang es einem Kreuzritterheer Jerusalem aus den Händen der Muslime zu reißen. Der darauf neu einsetzende Pilgerstrom zu den heiligen Städten der Christenheit, beförderte schnell eine ganze Anzahl großer Schwierigkeiten zutage. Viele Pilger litten sehr unter dem trocken-heißen Klima, dem Wassermangel, den allgemein schlechten hygienischen Bedingungen auf der Reise, und den hieraus resultierenden Krankheiten vielfältiger Art, besonders was Infektionen betraf. Hinzu kamen unsichere Straßen. Die Region war seit Generationen  Schmelztiegel von Völkern und Religionen.  Wechselnde Herrschaftsverhältnisse leisteten anarchischen Verhältnissen abseits der wenigen Städte größten Vorschub. Die unbedarften Pilgergruppen waren willkommene Beute, weswegen sich bewaffnete Söldner zum Schutz anboten, deren Ruf selten über jeden Zweifel erhaben war. Als Antwort auf all diese Missstände, bildete sich Anfang des zwölften Jahrhunderts (1118) aus den Reihen vor Ort gebliebener Kreuzritter eine Gemeinschaft, die sich sowohl den Prinzipien des Ritterstandes verschrieben, als auch dem Mönchtum. Etwas in der Christenheit ganz neues entstand, die Verschmelzung aus Mönch und Kämpfer. Der Templerorden war geboren, dessen volle Bezeichnung „Pauperes commilitones Christi templique Salomonici Hierosolymitanis“ (Arme Ritterschaft Christi und des salomonischen Tempels zu Jerusalem) lauteteDer Name leitete sich aus ihrem ersten Domizil zu Jerusalem ab. Im königlichen Palast Balduins II. wurde dem Orden am östlichen Teil des Tempelbergs eine Niederlassung eingerichtet, woraus der Name Templer sich ableitete. Der Orden übernahm den Schutz, wie auch die Pflege erkrankter Pilger. Die Ränge füllten sich, der Einfluss vor Ort wuchs und aus einem bescheiden und still wirkenden Orden, wurde ein lokaler Machtfaktor mit eigenen politischen Zielen. Als mit den Johannitern 1120 eine zusätzliche, artgleiche Gruppierung entstand, schürte es die Konkurrenz in der Region, woraus sich bald ernste Konflikte entspannten. Als Hospitalerorden existierten die Johanniter, in voller Länge Ordo Hospitalis sancti Johannis Ierosolimitani (Orden vom Hospital des Heiligen Johannes zu Jerusalem). Als Hospitalorden existierten sie sogar länger als die Templer. Aus den schwarzen Mönchskutten zu Beginn ihrer Tätigkeiten, entwickelte sich der schwarze Waffenrock mit weißem Kreuz. Im Verlauf des 13. Jahrhunderts legten sie in Kriegszeiten den schwarzen Rock ab und trugen stattdessen einen roten Waffenrock mit weißem Kreuz. Das heute typische Malteserkreuz, ein an den Enden eingekerbtes Kreuz, entstand erst, als sich der Orden nach wechselvoller Geschichte auf Malta niederließ. Mit der Reformation unterteilte sich der Orden, so dass heute ein katholischer Malteserorden und ein evangelischer Johanniterorden existieren.

Es sollte im Heiligen Land nicht bei diesen beiden Orden bleiben, einen weiteren haben wir im Kapitel über Markgraf Albrecht II. erwähnt. Während der mehrjährigen Belagerung Akkons von 1189 bis 1191, im Rahmen des großangelegten Dritten Kreuzzuges, gründeten deutsche Kreuzfahrer aus Bremen und Lübeck ein deutsches Feldhospital. Sie kümmerten sich nicht nur um verletzte christliche Kämpfer, ebenso um Pilgerreisende. Eine Analogie zu den Templern und Johannitern. Die aus den gemäßigten Breitengraden Europas kommenden Menschen, waren weder an das örtliche Klima gewohnt, noch an die Tücken im Vorderorient vorkommender Krankheiten, die oft durch verseuchtes Wasser hervorgerufen wurden. Am wenigsten waren die Neuankömmlinge mit dem kulturellen Schmelztiegel der Region vertraut.
Das Hospital erlangte rasch einen vortrefflichen Ruf in der Region und gewann durch Schenkungen in der Folgezeit an Einfluss. Der Aktionsradius nahm zu, die Aufgaben wuchsen. Eine zunehmende Professionalisierung der ursprünglich zeitlich begrenzten Behelfslösung setzte ein. Die entstandenen Hospitalbrüder, welche sich ganz dem Werk christlicher Nächstenliebe verschrieben, gaben sich folgende Bezeichnung:

Ordo fratrum domus hospitalis Sanctae Mariae Teutonicorum Ierosolimitanorum –
(Orden der Brüder vom Deutschen Hospital Sankt Mariens in Jerusalem)

Ordenskreuz

Kaiser Heinrich VI. überzeugte Papst Clemens III., das Hospital offiziell anzuerkennen, was dieser dann am 6. Februar 1191 tat. Bereits im Vorjahr konnte der Passauer Bischof Wolfger von Erla (um 1140 – 1218)  beim Papst die Genehmigung zur Umwandlung des Hospitals in einen Ritterorden einholen. Der Kaiser hatte große Pläne, dazu gehörte ein eigener nationaler Kreuzzug, der nicht auf die Hilfe anderer Könige angewiesen war. Erinnern wir uns an den treuen und einflussreichen Gefolgsmann von Heinrichs Vater, den Kölner Erzbischof Rainald von Dassel, der in den europäischen Monarchen der Zeit Friedrich Barbarossas, gemessen an seinem Herrn dem Kaiser, nur Kleinkönige sah. Heinrich VI. war sich im Klaren, dass er bei einem Zug ins Heilige Land, vor Ort nicht oder bestenfalls unzureichend auf die Unterstützung der dort existierenden Orden, wie den Templern oder Johannitern hoffen konnte. Umso mehr lag ihm an der Gründung eines nationalen Ordens, welcher für die Ziele des Reichs und die politischen Interessen des römisch-deutschen Kaisers eintrat. Die Befreiung Jerusalems war nur eines der hochgesteckten Ziele Heinrichs VI., dem es um die universelle Macht in Europa und Kleinasien ging.

Typisches Schildwappen

Unter diesen Vorraussetzungen, war ein reiner Hospitalerorden nicht zielführend. Die Umwandlung zu einem waffenführenden Ritterorden, analog der Templer oder Johanniter war Ziel der kaiserlichen Bestrebungen. Sieben Jahre später, im März 1198, während des Deutschen Kreuzzugs, formte sich der Deutsche Ritterorden vor Akkon, bestätigt von Papst Innozenz III. am 19. Februar 1199.
Wenn auch der Kreuzzug mit dem überraschenden  Tod des Kaisers zusammenbrach, bevor die erfochtenen Anfangserfolge in Syrien ausgenutzt werden konnten, war mit der Schaffung dieses eng ans Reich gebundenen Ritterordens, der Grundstein der späteren Erfolgsgeschichte dieser Bruderschaft gelegt. Niemand konnte damals ahnen, zu welchem Machtfaktor dieser Orden weit jenseits des Heiligen Lands einmal würde.


Frühe Territorialbestrebungen des Deutschen Ordens

Die beiden deutlich länger existierenden Orden verfügten mittlerweile über ein umfangreiches Netzwerk an Hilfsquellen, sowohl im Heiligen Land, als auch in Europa, wobei die Templer die wesentlich größere Macht besaßen. Da sie direkt dem Papst unterstanden, konnte kein weltlicher Fürst Einfluss auf deren Geschicke nehmen, wodurch sie auch keine Steuern abführen mussten, stattdessen autorisiert waren, ihrerseits Steuern innerhalb ihrer territorialen Besitzungen zu erheben. Begehrlichkeiten waren schnell geweckt, doch war die Macht beider Bruderschaften, besonders der Templer so groß, dass niemand irgendwelche Übergriffe wagte. Nicht lange, und es brach zwischen Templern und Johannitern Rivalität aus, die sich regelrecht zu offener Feindschaft auswuchs, bis hin zu blutigen Kämpfen, wodurch die Stellung der Christen in Palästina unnötig geschwächt wurde.

Mit Erscheinen des vorerst noch unbedeutenden deutschen Hospitalerordens, trat ein weiterer Spieler hinzu. Mit wachsender Präsenz, schwenkte die Rivalität beider Seniororden um, ohne dass deren Schwierigkeiten untereinander deswegen je erloschen wären. Einig waren sich beide darin, keinen weiteren Konkurrenten im Heiligen Land groß werden zu lassen. Die Nähe des Deutschen Ordens zum römisch-deutschen Königtum, schürte in gleicher Weise die Ressentiments einiger Fürsten, hier besonders solcher aus Frankreich, die vielfach den Templern zugetan waren und diese förderten und fast die gesamte Führungselite des Ordens im Heilige Land stellte. Obwohl Templer und Johanniter keine national ausgerichteten Gemeinschaften waren, zeigte sich neben den hauptsächlich wirtschaftlich motivierten Rivalitäten, auch Facetten national geprägter Differenzen. Frankreich als aufstrebende europäische Großmacht, streckte längst die Finger nach Osten aus, wo es mit dem Reich zwangsläufig kollidieren musste. Im Outremer, dem Land jenseits des Meers, im Heiligen Land, setzte sich die Konkurrenz zwischen den Nationalitäten zwangsläufig fort. Galt es keinen äußeren Feind zu bekämpfen, war man sich untereinander größter Feind. Die Ritterorden, obwohl direkt dem Papst unterstehend und damit dem Gedanken nach supranational, konnten sich durch die spezifisch national geprägte Zusammensetzung der Glieder, solchen Tendenzen nicht entziehen. Nationaler Gegensatz trat als konkreter Auslöser örtlicher Auseinandersetzungen gewöhnlicherweise in den Hintergrund. Es waren schlichte Verteilungskämpfe um lokale Ressourcen, die maßgeblich die Konflikte förderten.

Beispiel einer
Templermontur

Bislang verfügte der Deutsche Orden nur im Heiligen Land über rudimentären Territorialbesitz. Im Reich und in Unteritalien, dass durch Heirat staufisch wurde, existierten erste frühe Niederlassungen, die von Heinrich VI. gestiftet wurden, so beispielsweise in Halle. In Palästina vergrößerte sich derweil der Ordensbesitz rasch, in Folge von Schenkungen, womit das bisher unbehelligte Schattendasein ein Ende fand. Der Orden erhielt jetzt die Aufmerksamkeit, hauptsächlich vom mächtigen Templer Orden.

Beispiel einer Montur
des Deutschen Ordens

Der populärer und einflussreicher werdende, gleichzeitig immer noch schwache Deutsche Orden, konnte diese gesteigerte Aufmerksamkeit gar nicht wollen. Die Templer, die schon die Johanniter bekämpften und zu verdrängen suchten, nahmen vorerst eine halb geringschätzende, halb feindliche Haltung ein. Der vermeintliche Auslöser, der bald zum offenen Streit führte, mutet dabei kleinlich, geradezu lächerlich an und war letztendlich ein konstruierter Streitfaktor. Beide Orden trugen als äußeres Erkennungszeichen einen weißen Mantel.

Fahne des Deutschen Ordens

Der ältere Templer Orden beanspruchte das Tragen des weißen Mantels als alleiniges Vorrecht. Unterschied beider Gewandungen war nur die Farbe des Kreuzes. Während die Templer ein rotes Kreuz trugen, wobei das Rot als Symbol des Blutes Christi diente, benutzten die Deutschritter ein schwarzes Kreuz. In der Regel in der Form eines einfachen Balkenkreuzes. Ab den 1230’er Jahren wurde am Kreuzpunkt zusätzlich der Reichsadler des Heiligen Römischen Reichs hinzugefügt zusätzlich zweier goldener Kreuzbalken über dem schwarzen Kreuz. Beide Varianten wurden seither zeitgleich getragen. Der Reichsadler sollte die besondere Verbundenheit und Nähe des Deutschen Ordens zum Reich sichtbar zum Ausdruck bringen. Daneben trugen die aus allen Teilen des Reichs stammenden Ordensmeister ihr eigenes Wappen.

Die nicht abreißenden Schwierigkeiten mit den Templern und Johannitern, stellten den jungen Orden vor eine harte Bewährungsprobe. Mit dem frühen Tod Kaiser Heinrich VI., verloren die Deutschherren vorerst einen mächtigen Gönner. Vom Papst war keine Hilfe zu erwarten, er verhielt sich gegenüber allen drei Orden neutral. Im Heiligen Land war die Position des Deutschen Ordens die schwächste. Sollte sich nicht entscheidend etwas an den Zuständen vor Ort ändern, war kaum mit einem weiteren Aufblühen zu rechnen. Mit dem Zusammenbruch des Deutschen Kreuzzugs, nach dem Tod des Kaisers, waren kaum deutsche Einflüsse in Palästina vorhanden geblieben, der Orden stand weitestgehend alleine. Im Reich selbst rangen mit dem Staufer Philipp von Schwaben und dem Welfen Otto, zwei gewählte Könige über Jahre hinweg um die Macht, ohne das ein Ende absehbar war. Bevor die  Thronfrage nicht geklärt wurde, konnte aus dem Reich mit keiner wirksamen Hilfe gerechnet werden. Wenn auch die Güter und finanziellen Mittel des Ordens außerhalb Palästinas weiter wuchsen und dort ein personeller Zulauf existierte, reichte es nicht aus, die exponierte Lage im weit entfernten Heiligen Land ausreichend zu stützen.

Der Fortbestand des Ordens musste aus eigener Kraft gelingen und die Führung schaute infolgedessen außerhalb des Heiligen Landes nicht nur nach weiteren Niederlassungen, wie die Balleien im süditalienischen Barletta oder in Halle an der Saale, sondern nach Möglichkeiten ein größeres, zusammenhängendes Territorium zu erwerben.


Bestrebungen in Siebenbürgen (1211 – 1225)

Zu den frühen Versuchen sich ein unabhängiges Ordensgebiet großen Umfangs aufzubauen, gehörte die Episode in Siebenbürgen, im damaligen Ungarn. Heute in Rumänien liegend.

Nicht zeitgenössisches Portrait
Hochmeister Hermanns von Salza

König Andreas II. von Ungarn rief um 1211 den Deutschen Orden zur Unterstützung ins Land. Die Deutschritter sollten im Kampf gegen nomadisierende Turkstämme aus dem Osten, den Kumanen (Kiptschak), behilflich sein. Diese überfielen seit Jahren ungarische Gebiete im Südosten, raubten, mordeten und plünderten, bevor sie oft genug völlig unbehelligt wieder abzogen. Dem Orden unter Hochmeister Hermann von Salza (1162 – 1239) wurde neben großzügigen finanziellen Versprechungen, allem voran territoriale Zusagen gemacht. Gerade darin bestand die hervorragende Gelegenheit, einen eigenen Ordensstaats umzusetzen. Die geografische Lage war dabei besonders günstig, siedelten doch seit einigen Generationen deutsche Kolonisten in der Nähe, die dort ein halbautonomes Leben führten und großen Einfluss auf den  überregionalen Warenverkehr hatten.

Der Orden nahm erfolgreich den Kampf gegen die immer wieder einfallenden Kumanen auf und errichtete zur Sicherung erste, anfänglich noch einfache Besfestigungswerke. Die vielversprechenden Bemühungen um ein eigenes Territorium, erfuhren durch die Errichtung derl ersten großen Burganlage einen Höhepunkt. Im siebenbürgischen Burzenland, bei Feldioara (dt. Marienburg), unweit vom damaligen Kronstadt, heute Brasov, wurde 1211 eine starke Ordensburg errichtet. Sie sollte geistliches und politisches Zentrum des eigenen Staatsgebildes werden, doch es kam anders.

Ruine der 1211 erbauten Festung in Feldioara, im heutigen Rumänien

 

Mit zunehmender Stärke und Einfluss des Ordens, kam es auch in Ungarn zu Verstimmungen, hauptsächlich ausgelöst von höfischen Intriegenspielen zu denen die Königin gewissermaßen den Anlass gab.

Die deutsche Ehefrau des Königs, Gertrud von Andechs-Meran (1185 – 1213) begünstigte den Zuzug deutscher Siedler, die sich überwiegend in Siebenbürgen nieder ließen. Hier siedelten schon seit Mitte des 12. Jahrhunderts rheinische Kolonisten, womit sich eine starke deutsche Enklave auf ungarischem Territorium ausbreitete und erblühte.  Wiederholte Auseinandersetzungen zwischen den aufstrebenden deutschen Siedlungen und  lokalem ungarischen Adel, weckte antideutsche Ressentiments. Der von deutschen Kaufleuten  spürbar dominierte Handel, trug zur weiteren Trübung der Stimmung im ungarischen Adel bei. Die ausgesprochen deutschfreundliche Politik des Königs, worin er von seiner Frau beeinflusst war, heizte das gegnerische Klima weiter auf, das letztendlich in offenen Widerstand mündete. Der Zorn des Adels konzentrierte sich dabei in vollem Maße auf die Königin, die ihren deutschen Günstlingen großzügige Zuwendungen und Lehen über ihren königlichen Gemahl verschaffte. Im September 1213 kam es zu einer Tat, die das ganze Ausmaß des aufgestauten Hasses blutrünstig entlud. Eine Abordnung des ungarischen Adels überfiel anlässlich einer Jagdgesellschaft die Königin und ihr deutsches Adelsgefolge. Sie ermordeten sowohl die Königin, wie auch den Großteil ihrer Begleiter. Dem Bericht nach wurde ihr Leichnam schwer geschändet und verstümmelt. In der Folge übte der ungarische Adel zunehmenden Druck auf den ungarischen König aus, wodurch sich das Verhältnis der Krone zum Deutschen Orden zusehends verschlechterte. Bald blieben kämpferische Auseinandersetzungen zwischen Aufgeboten des örtlichen Adels und dem Orden nicht mehr aus. Gegen Mitte der 1220’er Jahre war die allgemeine Situation für den Orden in Ungarn unhaltbar geworden, so dass die Deutschritter das Land auf königliche Anweisung verlassen mussten. Das große Ziel, die Errichtung eines eigenen Staates, war in weite Ferne gerückt.

Trotz dieses Rückschlags, breitete sich der Orden durch eine stetig wachsende Zahl kleinerer oder größerer Niederlassungen im gesamten Reich aus und nicht nur im deutschen Reichsteil. Die Besitzungen blieben allerdings weithin zerstreut, was der großen Vision des Hochmeisters von einem geschlossenen und unabhängigen Ordensstaates nicht entsprach.


Sechster Kreuzzug, Rückgewinnung Jerusalems

In der Zwischenzeit hatte sich die Lage im Reich völlig verändert. Der Thronstreit zwischen Philipp von Schwaben und Otto von Braunschweig endete 1208 mit der Ermordung des Staufers, worauf der welfische König als Otto IV. für einige wenige Jahre an der Spitze des Reichs stand und dabei sogar die Kaiserkrone erwarb. Er fiel, man möchte fast sagen naturgemäß, beim Papst in Ungnade, welcher seinerseits den heranwachsenden Friedrich, Sohn des verstorbenen Kaisers Heinrich VI., auf dem Thron setzen wollte und ihn animierte, aus seinem sizilianischen Königreich über die Alpen zu ziehen, um im Reich die römisch-deutsche Krone zu erwerben. Wir haben über die Zeit des deutschen Thronstreits zwischen Philipp und Otto sowie über Friedrich II. recht ausführlich in vorhergehenden Kapiteln berichtet, konzentrieren wir uns daher nur auf Friedrichs Kreuzzug und hierbei auf die Rolle, die dem Deutschen Orden hierbei zukam.

Kaiser Friedrich II. unternahm 1228/29 den vorher mehrfach aufgeschobenen Kreuzzug ins Heilige Land. Ob Friedrichs Expedition abschließender Teil des Fünften Kreuzzugs war oder als Sechster Kreuzzug eine völlig eigenständige Operation darstellte, ist in Historikerkreisen umstritten, beide Varianten gelten heute als zulässig. Da Friedrich II. eigene Motive verfolgte und der Verlauf des Kreuzzugs ganz eigenen Gesetzmäßigkeiten folgte,  erscheint die Annahme eines Sechsten Kreuzzugs durchaus naheliegender.

Friedrich II. stand zum Zeitpunkt seines Zugs nach Palästina unter Kirchenbann und die verschiedenen Kräfte vor Ort verweigerten ihm entsprechend jede Unterstützung. Nur auf die Unterstützung des Deutschen Ordens bauend, gelang ihm in zähen Verhandlungen, was mehreren vorhergehenden Kreuzzügen, trotz aller Anstrengungen, nicht gelungen war. Die heilige Stadt Jerusalem wurde völlig kampflos von den Muslimen ausgehändigt, ebenso eine Reihe weiterer, den Christen heiliger Orte, darunter Bethlehem. Dass der Kaiser glücklich von den zerfahrenen Verhältnissen im muslimischen Lager profitierte, nur am Rande erwähnt. Wie die Christen in Palästina und Syrien, konkurrierten  auch die muslimischen Regionalfürsten untereinander, so dass Uneinigkeit herrschte. Friedrich II. wusste dies geschickt zu seinen Gunsten zu nutzen.

Während der kritischen Wochen, in dene es völlig offen war, welchen Ausgang der Kreuzzug nehmen würde, bot der Deutsche Orden alle Kraft und alle Mittel auf, den Kaiser in jedweder Form zu unterstützen. Fast noch wichtiger als die aktive Hilfe in Palästina, war die diplomatische Rolle, die der Hochmeister Hermann von Salza als Vermittler zwischen Papst und gebanntem Kaiser hinter den Kulissen spielte. Die Enthebung vom Kirchenbann war besonders dem Wirken des Hochmeisters zu verdanken und Friedrich II. zeigte sich in der Folgezeit auf vielfältige Weise erkenntlich.

Mit der Heirat Isabellas von Brienne (1212 – 1228), wurde Friedrich II.  König von Jerusalem. Er trug nun neben der Kaiserkrone, der Krone des römisch-deutschen Königtums, jener des Königs von Sizilien auch die der heiligsten aller Stätten der Christenheit. Die Krone Jerusalems war ein sogenanntes Frauenlehen, analog der Krone Siziliens, konnte sie von weiblicher Seite weitervererbt werden, wodurch der Königstitel auf Friedrich überging. Im Reich, das in dieser Hinsicht dem altüberlieferten salfränkischen Erbrecht folgte, wäre dies undenkbar gewesen.

Die exponierte Lage seines neuen Königtums, mitten in einer der am schwersten umkämpften Regionen der bekannten Welt, war ihm der kräftige Beistand des Deutschen Ordens von besonderer Wichtigkeit. Der Orden sollte eine tragende Säule darstellen, um seine Herrschaft zu unterstützen, wenn nötig mit Waffengewalt. Zur Stärken seiner Stütze, gewährte Friedrich dem Orden weitreichende Privilegien zu, sowohl im Heiligen Land als auch überall wo sein königlicher oder kaiserlicher Arm hinreichte. Der Orden erblühte in dieser Phase, doch verlor der visionäre, auf dem diplomatischen Parkett besonders versierte Hochmeister Herrmann von Salza, nicht sein großes Ziel aus dem Auge.

Nach Abschluss des kaiserlichen Kreuzzugs, der alle realen Erfolgserwartungen weit übertraf, verfolgte der Deutsche Orden mit zunehmender Energie an einer ganz anderen Stelle eine Gelegenheit, die abermals die Möglichkeit zur Schaffung eines eigenen, unabhängigen Staatsgebiets bot.


Ein neuer Versuch

Im Jahr 1226 erreichte den Orden ein Hilferuf von Herzog Konrad I. von Masowien (1187 – 1247). Der Herzog, aus dem weitverzweigten polnischen Herrschergeschlecht der Piasten stammend, war seit längerem mit den heidnischen Prußen an seiner Nordgrenze in Kämpfe verwickelt, konnte aber in den Bestrebungen sein Gebiet zu erweitern, derer nicht Herr werden. In der zweitägigen Schlacht bei Drewenz (polnisch Drwęca) wurden seine Truppen vernichtend geschlagen. Unterstützt wurde er vom Orden der Brüder von Dobrin, einem kleinen polnisch-deutschen Ritterorden, dessen Reste später in den Deutschen Orden inkorporiert wurden.

Goldene Bulle von Rimini

Konrads Hilferuf und die Art seines Angebots hatte einige Parallelen zu jenem aus Ungarn, 15 Jahre zuvor. Der Deutsche Orden, gewarnt durch die damaligen Vorkommnisse, war vorsichtiger geworden und holte sich diesmal von Papst und Kaiser Rückversicherungen ein. Alle Gebiete die den heidnischen Prußen abgenommen würden, sollten dem Orden zugesprochen werden. In der kaiserlichen Bulle von Rimini (1226) und der päpstlichen Bulle von Rieti (1234), garantierten Reich und Papst dem Orden alle zukünftigen Erwerbungen als souveränen Besitz. Mit diesen Zusicherungen im Gepäck machten sich die Deutschritter mit einem Aufgebot auf den Weg an die mittlere Weichsel bei Thorn, im Kulmerland.

Im Vertrag von Kruschwitz vom 16. Juni 1230, sprach Herzog Konrad I. von Masowien ferner dem Orden das Kulmerland zu. Weiter erkannte er darin die Unabhängigkeit des Ordens an und verpflichtete sich, alle zukünftig vom Orden außerhalb Polens erworbenen Gebiete anzuerkennen. Der 16. Juni 1230 gilt damit als offizielle Geburtsstunde des Ordensstaats unter der Leitung des Deutschen Ordens. Die große Vision von Hochmeister Hermann von Salza begann dieses Mal erfolgreich Gestalt anzunehmen. Das Datum kann gleichzeitig als Beginn der deutschen Besiedlung Preußens, dem Land zwischen Weichsel und Memel angesehen werden.

1231 begann Hermann von Balk, seit 1230 erster Landmeister von Preußen, mit dem Bau einer Ordensfestung in Thorn an der Weichsel. Wenn auch die Rolle des Landmeisters von Preußen innerhalb der Ordenshierarchie nicht unmittelbar  unterhalb des Hochmeisters angesiedelt war, so kam diesem dennoch ein sehr  hoher Stellenwert zu. Hermann von Balk, gelegentlich auch nur Hermann Balk in Publikationen, erwies sich als charismatischer Organisator der nun kraftvoll einsetzenden Expansion. Thorn wurde unter ihm zum Ausgangspunkt der Rückeroberung des nördlichen Kulmerlandes und der Unterwerfung der Prußen in Pomesanien und dem Ermland.

In den folgenden rund 70 Jahren, bis 1300, unterwarf der Deutsche Orden alle baltischen Stämme und ihre Gebiete. Der etappenweise Vorstoß ging zuerst entlang der unteren Weichsel bis zur Ostsee und schließlich in allgemein östlicher Richtung, wobei Pogesanien zunächst ausgespart und stattdessen über das Kurische Haffe ins Ermland übergesetzt wurde. In wenigen Jahrzehnten entwickelte sich der Orden zu einer einflussreichen Ostseemachtdie weitreichende Verbindungen im gesamten Reich und ausserhalb pflegte. Ausgestattet mit einem straffen und effizienten Verwaltungssystem, erblühte der Ordensstaat. Die Eroberungswellen gegen die wehrhaften Ureinwohner ging meist nach gleichem Prinzip vonstatten. Zunächst wurde ein Streifen entlang des bisher kontrollierten Gebiets bis zu einer gewissen Tiefe militärisch unterworfen. Es war nicht Ziel die einheimische Bevölkerung auszuradieren, sondern zu missionieren und einzugliedern. Losgelöst von den guten Vorsätzen, verloren trotzdem viele bei den harten Kämpfen ihr Leben. Das eroberte Gebiet wurde als nächstes bezüglich seiner Einwohner durch Trennung und Umsiedlung ausgedünnt, wobei man allgemeine auch im Baltikum, ähnlich wie in Brandenburg der Kolonialzeit, von einer sehr geringen Bevölkerungsdichte ausgehen muss. Nicht wenige waren ohnehin vor den einfallenden Reitergruppen ins Hinterland geflüchtet. Unter den Gebliebenen wurde sofort mit der Missionierung begonnen. Wer sich bekehrte und taufen ließ, konnte  üblicherweise bleiben, die anderen wurden verschleppt, zumeist in Gebiete, die bereits seit einiger Zeit vom Orden kontrolliert und mittlerweile in fester Hand waren. Hier wurden sie zu allerlei Arbeiten herangezogen. Ob man es regelrecht als Sklavenhaltung betrachten darf, ist schwer zu beurteilen, geht wahrscheinlich auch zu weit, wenngleich ihre Rechte außerordentlich beschnitten waren. Wo die Deutschherren zugegen waren, darf man davon ausgehen, dass die Fortgeführten überwiegend anständig behandelt wurden, immer im Bestreben sie alsbald zu christianisieren.  Wo sie allerdings unter überwiegend ins Land geholten deutschen Siedlern lebten, kam es durchaus zu sklavenähnlicher Ausbeutung. Ob durch Zureden der Missionare oder unter dem Druck der harten Lebensumstände, mit der Zeit bekannten sich praktisch alle zum christlichen Glauben, legten ihre alten Bräuche und Sitten ab und so verschwanden die Prußen allmählich durch Unterordnung und Vermischung, so dass heute nichts mehr von ihnen übrig ist als die Erinnerung und die wenigen archäologischen Funde. In den neueroberten Gebieten wurden an strategisch wichtigen Stellen Burgen errichtet, zur Grenzsicherung und als Rückzugsort der neu ins eroberte Land geholten Siedler. Burgenbau wurde zu einem der Markzeichen des Deutschen Ordens. Sie dienten als Bollwerk und Ausgangspunkt das Land ringsum mit der Zeit besiedelten. Da sich in den dichten Wäldern und unwegsamen Sümpfen  prußische Bevölkerungsteile jeweils geraume Zeit halten konnten, kam es noch viele Jahre immer wieder zu gewaltsamen Zusammenstößen mit zugezogenen Kolonisten, gefolgt von blutigen Vergeltungsmaßnahmen der Deutschritter und ihrer Söldnertruppen.

Karte Preußens mit seinen zwölf prußischen Stammesgebieten

Weiter nordöstlich existierte ein weiterer Orden. Dieser war 1202 auf Anregung von Bischof Albrecht I. von Riga als Missionarsorden unter der Leitung von Theoderich von Treiden gegründet worden. Die feindselige Stimmung der heidnischen Schemaiten und Litauer erforderte noch im gleichen Jahr die Umwandlung in einen bewaffneten Ritterorden, welcher von Papst Innozenz III. 1204 offiziell bestätigt wurde. Damit war dieser Orden zwar jünger als der Deutsche Orden, war dafür aber bereits im Baltikum ansässig, dort sogar beheimatet. Würde es zwischen beiden Missionsorden ähnliche Rivalität geben, wie zwischen Templern und Johannitern im Heiligen Land?

Zu Beginn ging es sich gut an, der Orden unter dem Namen Fratres miliciae Christi de Livonia, zu deutsch Brüder der Ritterschaft Christi von Livland, expandierte schnell. Wie der Templerorden oder der Deutsche Orden, trugen auch sie einen weißen Mantel worauf zur Unterscheidung ein rotes Schwertkreuz zu sehen war. Das anfänglich einvernehmliche Verhältnis zwischen dem Schwertbrüderorden, wie er wegen des Schildwappen auch noch genannt wurde, und dem Rigaer Bischof, trübte sich ein. Hintergrund war ein mit Dänemark geschlossenes Bündnis gegen den Bischof. Dänemark setzte seine Interessen durch, während die Schwertbrüder wenig aus dem Konflikt für sich mitnehmen konnten. Bald geriet der Orden in wirtschaftliche Bedrängnis, wodurch seine militärische Schlagkraft litt. Schauen wir uns zur näheren Erläuterung die Zusammensetzung des Ordens an, der hierin vergleichbar mit dem Deutschen Orden war. Selbst zu den besten Zeiten dienten nur wenige hundert Ritterbrüder in den Ordensreihen. Im Kriegsfall waren die Masse gekaufte Kriegsknechte oder sonstige Hilfstruppen, sie zwar das Gelübde abgelegt hatten, aber nicht im Rang eines Ritters waren. Den Ritterorden erging es wenig anders als den Fürsten, die bei kriegerischen Auseinandersetzungen ebenfalls auf nur eine zahlenmäßig überschaubare Gruppe vortrefflich bewaffneter, militärisch gut ausgebildeter Adelsvasallen zurückgreifen konnten, von denen jeder wiederum bestenfalls ein oder zwei Hände voll eigene Berittene  mitführte. Gute Fußtruppen wurden, wollte man nicht auf einfache Bauern zurückgreifen, überwiegend gegen teuer Geld eingekauft und versorgt. Gingen die Mittel aus, liefen die angeworbenen Truppen auseinander, schlimmstenfalls holten sie sich, worauf sie glaubten ein Anrecht zu haben. Da neben dem Handgeld, meist nur Proviant gestellt wurde, dieser oft unregelmäßig kam, darüber hinaus meistens knapp bemessen, kam es als Kompensation zu schlimmen Übergriffen und Plünderungen auf verfeindetem Gebiet. Plündern eines gegnerischen Territoriums wurde Kernbestandteil der Kriegsführung und Teil der Löhnung der Söldner. Im Falle des heidnischen Baltikums kam noch die Komponente hinzu, dass der Feind kein christlicher Gegner war, anerkannte Rechte oder Schonung der Bevölkerung damit faktisch nicht vorhanden waren.

Der ökonomisch angeschlagene Schwertorden suchte mit einem Streifzug ins Gebiet der heidnischen Schemaiten und Litauer, unterstützt von einem Kontingent holsteinischer Ritter, die eigene Lage aufzubessern. Allein finanzielle Aspekte waren nicht primärer Fokus des Zugs ins Heidengebiet, jedoch für die unterstützenden Holsteiner ein Hauptaspekt, woraus sich bald Komplikationen entwickelten. Nach erfolgreichem Überfall einiger Siedlungen, zog man sich mit der gemachten Beute, darunter zahlreiche Gefangene, nach Norden zurück, wurde allerdings an einer Flussfurt von gegnerischen Kriegern gestellt. Wegen des ungünstigen, sumpfigen Geländes, weswegen die Reiterei nicht effizient eingesetzt werden konnte, ging man nicht zum Kampf über, sondern bereitete das Nachtlager vor. In den Morgenstunden des 22. September 1236 griffen Schemaiten und Litauer die lagernden Ritter an. Die leichten Truppen, überwiegend schlecht bewaffnete Bauern, flohen.  Die schwer gerüsteten Ritter des Ordens, nahmen gemeinsam mit den Kreuzfahrern aus Holstein den Kampf zu Fuß auf, doch waren sie der Übermacht und Beweglichkeit der Angreifer nicht gewachsen. Praktisch alle wurden getötet, die Niederlage war vernichtend. Da die Litauer das Ordensgebiet, selbst Riga bedrohten, suchten die Schwertbrüder  Anschluss an den seit wenigen Jahren im Südwesten sehr erfolgreich expandierenden Deutschen Orden, worauf es im Jahre 1237 zu einem Anschluss der noch existierenden Schwertbrüder kam. Als Livländer Orden kam es zu einer Union mit dem Deutschen Orden.


Das Verhältnis zu Polen

Die anfänglich gute Beziehung zu Polen bzw. den polnischen Herzogtümern an der südlichen Periphere, hauptsächlich Masowien und Kujawien, kehrte sich langfristig ins Gegenteil. Polen erstarkte indem es seine innere Teilung überwand, hierdurch seine Kraft bündelte und an Einfluss und Stärke ganz erheblich hinzugewann, wenngleich es wiederholt zu Rückschlägen kam wobei der Gegensatz zu Böhmen eine wichtige Rolle spielte.

Der Deutsche Orden wurde weniger und weniger als Verbündeter gesehen, der die widerstandsfähigen Prußen von den polnisch-masowischen Grenzen abhielt und im Baltikum den christlichen Glauben verbreitet, er wurde zum Rivalen, der Polen vom wichtigen Zugang zur Ostsee abschnitt.

Bis Anfang des 14. Jahrhunderts blieb Polen uneins, gespalten in piastische Teilherzogtümer, die nur der Theorie nach unter der Regie eines Seniorherzogs geführt wurden, in der Realität aber in unterschiedlicher Ausprägung rivalisierten. Die schlesischen Piasten sagten sich nacheinander vom polnischen Familienzweig los und schlossen sich mit der Unterwerfung unter die Krone Böhmens, dem Reich an. All diese Gegensätze hemmten die Entfaltungsmöglichkeiten Polens im 13. Jahrhundert erheblich, wodurch der Orden im Norden Polens, entlang der baltischen Küste, seine erstaunliche Expansion vornahm, so dass von der Weichsel bis weit über Riga hinaus ein Ordensstaat entstand, der im nördlichen Teil dem Geltungsbereich des Livländischen Ordens unterstand und im südlichen, fast ausschließlich deutschgeprägten Teil, dem Deutschen Orden mit zwischenzeitlichem Hauptsitz in Marienburg an der Nogat.

Die Ausbreitung des Deutschen Ordens, seine Machtstellung im Baltikum, war nicht alleine auf die Kraft und Mittel des Deutschen Ordens gegründet. Trotz weiter wachsender Zweige im ganzen Reich und darüber hinaus, hätten diese hauptsächlich wirtschaftlich förderlichen Niederlassungen, nicht jenen Siegeslauf im Baltikum ermöglicht, der vor allem auf kriegerischer Eroberung und nachhaltig militärischer Absicherung beruhte. Ohne Frage war die straffe Führung, wodurch eine Art moderner Beamtenstaat entstand, eine wichtige Erfolgsfacette, doch ohne den jährlichen Zuzug ritterlicher Kreuzfahrer aus fast allen Teilen Europas, hätte der Deutsche Orden die Prußen nicht in solcher Geschwindigkeit unterwerfen können. Und auch gegenüber den polnischen Nachbarn wäre es fraglich gewesen, ob der Ordensstaat seine Souveränität in jener Weise hätte durchsetzen können. Die weitreichende Verknüpfung des Deutschen Ordens mit einem breiten Netzwerk vieler europäischer, zuvorderst deutscher Adelsfamilien, die Nähe zum Reich und die Struktur des von Hochmeister Hermann von Salza gegründeten Staatswesens, gab dem Deutschen Staat bis ins 15. Jahrhundert eine Machtstellung, die militärisch von niemandem in Frage gestellt wurde, wenngleich es in dieser Zeit auch zu einer Reihe  Niederlagen teils schwere Natur gekommen war. Kraft seiner Mittel und effizienten Verwaltung, konnte der Ordensstaat sich von solch zeitweisen Niederlagen aber schnell erholen.

Mit Verschwinden der letzten heidnischen europäischen Volksgruppen, versiegte der Zuzug europäischer Kreuzzfahrer, die Zeit der Kreuzzüge ging im Abendland zu Ende. Polen war unter den Jagiellonen eine Union mit Litauen eingegangen und avancierte zur Großmacht, die offenen den Konflikt mit dem Deutschen Orden suchte, welcher zwar mächtig aber zunehmend vom Reich isoliert, aus eigener Kraft die heraufziehende Bedrohung meistern musste.


Ende im Heiligen Land

Zum Abschluss kehren wir ins Heilige Land zurück, wo der Orden seine Wurzeln hatte. Mit Tod Kaiser Friedrichs II., verloren die Deutschherren in Palästina den politischen Rückhalt. Die Orden der Templer und Johanniter verdrängten zu Beginn der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts den Deutschen Orden zunehmend. Gleichzeitig erstarkte das Mamelucken Reich, übernahm die Vormachtstellung in der Region und beendete bis zum Ende des Jahrhunderts die Epoche der Kreuzfahrerstaaten.

Für den Deutschen Orden war das Heilige Land spätestens seit den 1240’er Jahren nicht mehr von strategischer Bedeutung. Wenn es auch Geburtsland des Ordens war und seine Sicherung für das Selbstverständnis der Christenheit von sakraler  Bedeutung blieb, sah der Orden in der Errichtung eines eigenen Staates fortan den Schwerpunkt aller weiteren Anstrengungen. Mit dem Erwerb des Kulmerlandes als Ausgangspunkt für eine Expansion in den baltischen Raum, waren die Besitzverluste in Palästina nur noch von symbolischer Wirkung. Das Missionierungswerk der baltischen Heiden wurde zur geistlichen Hauptaufgabe des Ordens, der Ordensstaat notwendiges Mittel und gleichsam Ziel in einem.

Die Erschließung und Besiedlung der neuerworbenen Gebiete ähnelte ganz dem Verfahren in der Mark Brandenburg, mit dem wesentlichen Unterschied, dass hier kein weltlicher Landesfürst regierte, sondern eine streng hierarchisch organisierte Gruppe von Ordensrittern, mit einem Landmeister an der Spitze, über dem der Großmeister als oberster Führer des Ordens stand.

Im Wesen unterschied sich der Deutsche Orden nicht grundsätzlich von anderen Ritterorden der Zeit. Ein Unterscheidungsmerkmal bestand dennoch. Waren die Templer und Johanniter multikulturell und multinational zusammengesetzt, wenngleich sich sprachliche und kulturelle Schwerpunkt auch dort zeigten, setzte sich der Deutsche Orden fast nur aus Mitgliedern des deutschen Kulturkreises zusammen. Zu betonen ist, dass der Orden dennoch keine deutsche Politik in nationalem Sinne betrieb. Die Ziele des Ordens waren klerikaler Natur und auf das Missionswerk, später auf den Ordensstaat ausgerichtet. Die Erwerbung eines eigenen Territoriums war Ausdruck des Wunsches nach einem christlichen Gottesstaat, deren führende Mitglieder sich durch Enthaltung und Barmherzigkeit in christlicher Demut übten und den weltlichen Sitten und Gebräuchen entsagten. Die strenge Hierarchie und damit verbunden eine zentralistische Politik des Ordens, förderte ein modernes Staatswesen, was zum großen Erfolg des Ordensstaats beitrug. Das spezifische Missionierungswesen, mit Wort und Schwert, stilisierte den Orden durch die Jahrhunderte hinweg, bis in die heutige Zeit hinein, zu einer Gemeinschaft von kämpfenden Mönchen. Nationalistisch gefärbte polnische Geschichtsschreibung des 20. Jahrhunderts unterstrich die Sichtweise auf den Deutschen Orden als eine expansionistische Kriegerkaste. Die Sicht war geprägt vom deutsch-polnischen Gegensatz der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Deutscherseits war eine nicht weniger nationalistische Färbung betrieben worden. Mittlerweile weicht es einer rationalen, wissenschaftlichen Sicht und in der Neubewertung des Ordens treten dessen herausragenden Leistungen auf den Gebieten der Staatsorganisation und des Landausbau in den Vordergrund.

Wir schließen an dieser Stelle. Der Bericht konnte nur oberflächlich ausfallen, der Themenkomplex ist selbstverständlich viel umfangreicher. Es genügt zu wissen, dass neben der deutschen Kolonisierung der Gebiete zwischen Elbe und Oder, sowie jenseits davon, ab den 1230’er Jahren parallel eine starke, ebenfalls deutsch geprägte Besiedlung des Baltikums einsetzte. Es entwickelten sich entlang der gesamten Südküste des Mare Baltikum, deutsche, weiter nördlich auch dänische Handelsniederlassungen und Städte, die stark vom weitreichenden Handelsnetz der späteren Hanse beflügelt wurden.