Buch 2, Prolog: „Märkisches Interregnum“


Das Erlöschen des askanischen Hauses Brandenburg warf die Frage auf, was soll aus der Mark werden? Im Schlusskapitel des ersten Buchs wurde das düstere Bild Brandenburgs während des Vormundschaftsstreits um den unmündigen Markgrafen Heinrich geschildert. In kurzer Zeit bemächtigten sich nahezu alle benachbarten Fürsten kleiner und selbst großer märkischer Landstriche, bis hin zu ganzen Provinzen, so dass dem am 18. Juni 1320 von Ludwig IV. mündig erklärten Markgrafen Heinrich II. zuletzt überhaupt nichts mehr blieb, als die kurz zuvor erst von Herzog Wartislaw IV. von Pommern-Wolgast zurückeroberte Uckermark. Es wäre immerhin ein Anfang gewesen, doch starb der Heranwachsende im Alter von gerade mal zwölf Jahren, kaum dass er zu Prenzlau erste Regierungshandlungen vorgenommen hatte.  Mit diesem völlig überraschenden Tod wurde die Frage nach der Weiterexistenz Brandenburgs abermals akut.


Sukzessionsfrage

Wie wir wissen, übte Herzog Rudolf von Sachsen-Wittenberg seit dem Tod des vorletzten Markgrafen, der im Jahre 1319 verstorben war, als Vormund in einigen Gebieten Brandenburgs, so in der Mittelmark, die Regentschaft aus. Rudolf, ältester Vertreter der sächsischen Askanier, hoffte wegen seiner nahen Verwandtschaft mit der ausgestorbenen Herrscherdynastie Brandenburgs das dortige Erbe antreten zu können. Sein Anspruch mag nach sächsischer Rechtsauffassung begründet gewesen sein, doch schon das fränkische Recht ging bereits zu Zeiten der Karolinger aber auch unter den sehr viel später regierenden Saliern andere Wege, so dass stattdessen mit einem Heimfall Brandenburgs ans Reich zu rechnen war. Alles hing vom Ausgang des seit nunmehr sechs Jahren schwelenden Streits um die Krone des Reichs ab. 1314 war es zur Doppelwahl gekommen und sowohl der Wittelsbacher Ludwig wie der Habsburger Friedrich – beide eng miteinander verwandt – stritten seither um die Macht im Reich.
Dass es seit der unseligen Doppelwahl von 1314 außer Scharmützeln noch zu keiner Entscheidung zwischen den Kontrahenten gekommen war, lag an verschiedenen Faktoren, die der jeweiligen Seite gewisse Fesseln auferlegten. Die Habsburger waren in ihren Schweizer Stammlanden durch eine Reihe bewaffneter Aufstände mit eidgenössischen Separatisten zwischenzeitlich in ernste Probleme geraten. Zunächst nahm man die dortige Entwicklung nicht sonderlich ernst, bis die Lage größere Formen annahm. Umgekehrt war das Haus Wittelsbach untereinander durch erbitterte Erbstreitigkeiten zerrüttet. Ludwigs eigener Bruder, Pfalzgraf Rudolf I., genannt der Stammler, gab infolgedessen bei der Königswahl 1314 dem Habsburger Friedrich seine Stimme, womit sich der Riss durch die Wittelsbacher Familie nochmals erweiterte.
Im Reich hielten sich die Kurfürsten in den Folgejahren die Waage und nahmen kaum Einfluss auf den Thronkampf. Der Tod Markgraf Waldemars von Brandenburg 1319 – er hatte anlässlich der Wahl für Ludwig den Bayern gestimmt – veränderte vorerst nichts, da noch im gleichen Monat auch Pfalzgraf Rudolf in Heidelberg verschied, bis zuletzt mit seinem bayrischen Bruder heillos zerstritten. Ludwig übernahm darauf die Vormundschaft über die minderjährigen Neffen Rudolf und Ruprecht, womit ihm für den Moment sowohl die rheinpfälzischen Gebiete des verstorbenen Bruders, als auch die damit verbundene Kurstimme zur Verfügung standen. Die Parität blieb also erhalten. Mit dem Tod des Mainzer Erzbischofs Peter von Aspelt im Juni 1320 und mit der Ernennung des Matthias von Bucheck zum Nachfolger, verlagerte sich das Gewicht unter den Kurfürsten Richtung des Habsburgers Friedrich. Beide Seiten suchten in der Folgezeit endlich die Entscheidung, wozu beide Seiten 1322 mit starken Zurüstungen begannen. Die politisch festgefahrene Situation musste also auf kriegerischem Wege gelöst werden. Der Sieger wäre, dem Denken der Zeit folgend, der von Gott gewollte und mit Königsheil gesegnete Thronkandidat, dessen alleiniger Anspruch nicht mehr in Frage gestellt werden konnte. Wir sehen darin traurige Parallelen zu den Entscheidungsschlachten zwischen dem Habsburger Rudolf und dem Přemysliden Ottokar oder dem Nassauer Adolf und dem Habsburger Albrecht. Würde auch diesmal der Verlierer die Niederlage mit dem eigenen Tod bezahlen müssen?


Die Ausgangslage

Friedrich der Schöne von Habsburg

Friedrich konnte bei der anstehenden Auseinandersetzung auf die ansehnliche Habsburger Hausmacht vertrauen. Dem bevorstehenden Waffengang sah er mit  gebührender Vorsicht, gleichzeitig aber  zuversichtlich entgegen.
Zu seinen Verbündeten gehörte neben dem Bischof von Salzburg vor allem Bruder Leopold von Österreich. Für den Wittelsbacher Ludwig, dessen eigene Hausmacht geringer war, kam es darauf an, diesen Nachteil durch Verbündete zu kompensieren. Hierbei spielte die Rolle des Luxemburgers Johann von Böhmen die zentrale Schlüsselrolle.
Ursprünglich war Johann selbst an der römisch-deutschen Krone interessiert. Er zog jedoch nach mehrmonatigen Verhandlungen mit den Kurfürsten seine Kandidatur aus politischen Erwägungen zurück und unterstützte im weiteren Verlauf die Kandidatur des Wittelsbachers Ludwig. Um Johann und damit Böhmen für eine anstehende militärische Konfrontation gewinnen zu können, war die verwaiste Mark Brandenburg das geeignete Lockmittel. Noch war keine Entscheidung getroffen welchem Fürstengeschlecht die verwaiste Markgrafschaft zuteil werden wird. Für das im Süden angrenzende Böhmen wäre ein Zugewinn der zur Mark gehörenden Provinzen ein geeigneter Lohn, der ein Engagement auf der Seite des Wittelsbachers rechtfertigen würde.

Völlige Neuüberarbeitung, Stand 14. Juni 2020

Kehren wir in Gedanken einige wenige Jahre in der Erinnerung zurück. Mit dem Tod Waldemars im Jahre 1319, wurde der designierte Nachfolger, das noch unmündige Kind Heinrich, zum Spielball verschiedener Fürsten, die alle ein Interesse daran hatten, aus der brandenburgischen Not persönlichen, soll heißen, territorialen Vorteil zu ziehen. Der böhmische König Johann nutzte die Situation aus indem er die Oberlausitz besetzte und annektierte. Rechtlich stand dieses Unterfangen auf mehr als wackligen Beinen und keiner der beiden römisch-deutschen Könige bestätigte ihm den Erwerb. Da die Tat keine weiteren Folgen zeigte, beiden Seiten fehlte die notwendige Autorität, blieb die für den Moment nur von geringem Belang und gereichte ihm nicht zum Nachteil. Jetzt, im Jahr 1322, durch die vorgenannten Umstände genötigt, stellte Ludwig der Bayer dem böhmischen König die Belehnung der gesamten Mark Brandenburg in Aussicht. Zumindest konnte man die Formulierungen seitens Johanns so auffassen, wenngleich Ludwig wohl nie wirklich die Absicht hatte Böhmen bzw. das Haus Luxemburg durch eine Belehnung mit der Mark an Macht weiter wachsen lassen. Tatsächlich hatte Ludwig höchstwahrscheinlich schon jetzt ganz andere Pläne bezüglich Brandenburg. Für den Augenblick war die Aussicht auf dieses Fürstentum trotzdem verlockend genug und der böhmische König stellte bereitwillig Truppen in Aussicht, die er persönlich ins Feld führte.

Ein weiterer und wie sich zeigen sollte, wichtiger Verbündeter, war Burggraf Friedrich IV. von Nürnberg-Hohenzollern (1287 – 1332). Wir lesen seit Rudolf I. zum dritten Mal von einem Nürnberger Burggrafen aus diesem Hause. Gemessen an dem üblicherweise niedrigen Amt eines Burggrafen, war dies ungewöhnlich. Ein Burggraf verfügte für gewöhnlich kaum über die wirtschaftlichen Mittel um mit einer eigenen, ernstzunehmenden Streitmacht bei Kämpfen spürbare Akzente zu setzen. Wir gehen an späterer Stelle näher darauf ein.


„Entscheidung bei Mühldorf“

Am 28. September 1322 trafen sich beide Heere im oberbayrischen Mühldorf am Inn, damals zum Gebiet des Erzbischofs von Salzburg gehörend. Nachdem in den Jahren zuvor, bis auf die Schlacht bei Gammelsdorf, verschiedentlich bewaffnete Begegnungen entweder kampflos, in kleinen Scharmützeln, in allen Fällen aber ohne einen Einfluss auf den Thronstreit verliefe, war beide Seiten Ende September gewillt den alles entscheidenden Waffengang zu wagen.

Erste Abteilungen der habsburgischen Truppen trafen zwischen dem 17. und 20. September bei Mühldorf unter dem Kommando des Salzburger Erzbischofs Friedrich III. von Leibnitz (vor 1300 – 1338) ein. Am 21. September vereinten sich die Truppen des Passauer Bischofs mit jenen von Friedrich dem Schönen bei Passau. Gemeinsam erreichten sie am 24. September den wartenden Salzburger Erzbischof. Ein dritter großer Habsburger Verband, unter der Führung Herzog Leopolds von Österreich, war zu diesem Zeitpunkt noch gut eine Woche Fußmarsch entfernt.

Der Bayer Ludwig versammelte seine Verbände bei Regensburg und marschierte als weitgehend vereinte Streitmacht nach Mühldorf. Da Ludwig wie schon angedeutet nicht über die Mittel verfügte, wie sie die Habsburger ins Feld führen konnten, musste er mit den eigenen Truppen sorgsam umgehen. Die Gefahr dass kleinere Truppenteile den überlegenen Kräften von Friedrich oder dessen Bruder Leopold in die Hände fallen könnten, veranlasste ihn sich schon in seinen Kernlanden mit den böhmischen Hilfstruppen Johanns von Luxemburg und den fränkischen Truppen des Burggrafen Friedrich IV. von Hohenzollern zu vereinen.

Vernünftigerweise setzte Ludwig, trotz der Anspannung aller Kräfte, ein Kontingent schwäbischer Truppen zur Observierung des heranrückenden Leopolds an. Hauptsächlich sollten Kurierreiter zwischen den beiden Habsburger Heerhaufen so gut als möglich unterbunden werden um die weitere Koordination zu erschweren. Man kann anhand solcher Maßnahmen bereits erkennen, dass im spätmittelalterlichen Kriegswesen längst Methoden wie Beschattung und Aufklärung aber auch hinhaltender Widerstand sowie Störung des gegnerischen Anmarschs aufkamen. Der rein ritterlich geprägte Kampf auf dem Schlachtfeld, der am Ende schwerpunktmäßig in den Kampf Mann gegen Mann mündete, wuchs sich mehr und mehr aus. Wir erinnern uns, dass noch 50 Jahre zuvor, eine Finte oder Kriegslist, geplant und letztendlich angewandt von Rudolf I., anlässlich der „Schlacht auf dem Marchfeld„, im Vorfeld unter den beteiligten Rittern zu starken Kontroversen führte. Kriegslist entsprach damals noch in keiner Weise dem überlieferten Wesen eines offen und mannhaft geführten Kampfes, der geprägt war von ritterlichem Ehrenkodex. Mittlerweile waren die kriegerischen Maßnahmen facettenreicher geworden. Das Kriegshandwerk der Zeit bekam zur bislang dominierenden, rein taktischen Seite, eine zunehmend wachsende strategische Komponente beigefügt.

Ludwig konnte aus den Aufklärungsberichten ableiten, dass seine Streitmacht zeitlich deutlich vor jenen Leopolds von Österreich eintreffen würden und er dadurch eine leichte numerische Übermacht bei der schweren Reiterei in Feöd führen konnte. Allgemein galten die schwer gepanzerten Reiter als die schlachtentscheidende Waffe der Zeit. Hierin waren nicht nur die bestgerüsteten sondern gleichzeitg die quasi berufsmäßigen Krieger der Zeit, die Ritter, zusammengefasst.

Am 27. September trafen die bayrischen Truppen samt den Verbündeten aus Böhmen und Franken bei Mühlberg, am Nordufer des Inns, ein. Noch am Abend bot Ludwig, der Überlieferung nach, den Waffengang dem südlich des Flusses lagernden Feind demonstrativ für den kommenden Tag an. Im habsburgischen Lager waren die Anführer unschlüssig und eigentlich geneigt noch abzuwarten um auf die Verstärkung durch Friedrichs Bruder, den Herzog Leopold zu warten. Friedrich erschien dies Ansinnen als unehrenhaft, da beide Seiten in etwa gleich groß waren. Der Bayer verfügte zwar über mehr schwere Reiterei, dafür konnte Friedrich in der Gesamtsumme etwas mehr Truppen vorweisen. Friedrich akzeptierte das Angebot zum Waffengang. Da mit dem baldigen Eintreffen seines Bruders auch nicht zu rechnen war, konnte er der Ehre halber das Gefecht auch nicht lange ausschlagen und war ohnehin zur baldigen Annahme der Herausforderung gezwungen gewesen, wenn er nicht das Gesicht verlieren wollte.

Die bayrische Seite überschritt am Morgen des 28. September mit etwa 1.800 Mann schwerer Reiterei und 4.000 Mann Fußtruppen den Inn und nahmen Aufstellung. Sie wurden von Habsburger Seite von 1.400 Panzerreitern und 5.000 Mann gemischter Truppen, bestehend aus leichten ungarischen Bogenreitern und Fußsoldaten, erwartet.

Den Chroniken nach stellten sich die beiden Heere folgendermaßen auf:

Dem rechten Flügel des böhmischen Königs Johann von Luxemburg, unterstützt von rheinischen Truppen aus der Pfalzgrafschaft bei Rhein, stand Herzog Heinrich von Österreich, ein weiterer Bruder Friedrichs und der Erzbischof von Salzburg gegenüber. Beiden Kontingenten war jeweils die Masse der schweren Reiterei zugeteilt. Das bayrische Zentrum und Teile des linken Flügels unterstand König Ludwig von Wittelsbach, darunter der Großteil der Fußtruppen beider bayrischen Herzogtümer. Am linken bayrischen Flügel standen die gemischten schwäbischen Truppen des Graf Wilhelm von Montfort und Graf Berthold von Seefeld sowie fränkisches Fußvolk. Dem Zentrum und dem linken Flügel gegenüber, stand König Friedrich von Habsburg, mit ihm die leichte ungarische Reiterei. Am äußersten linken bayrischen Flügel führte Burggraf Friedrich IV. von Hohenzollern eine etwa 500 Mann starke Truppe schwerer Reiter aus Franken. Der spätere Verlauf der Schlacht veranlasst zur Annahme, dass dieser Verband nicht voll einsehbar war, möglicherweise sogar ganz verdeckt war oder sich zu Beginn der Schlacht der gegnerischen Sicht geschickt entzog.

~ Der Schlachtverlauf ~

Heroisierte Szene der Schlacht bei Mühldorf: Im rechten, mittleren Hintergrund, Friedrich der Schöne, mit auffallendem Helmschmuck und sein Bruder Heinrich von Österreich. Im zentralen Hintergrund, greift Burggraf Friedrich IV. von Hohenzollern mit seinen fränkischen Reitern in die Schlacht ein. Links, in der Mitte, König Ludwig mit dem bayrischen Löwen als Wappen auf dem Waffenrock.

Johann von Böhmen eröffnete, nach der Gepflogenheit der Zeit, mit einer massiven Reiterattacke die Schlacht, indem er gegen den rechten Habsburger Flügel vorging. Die Fußtruppen im Zentrum nutzen die Reiterattacke um sich an die gegnerischen Linien heranzuarbeiten. Sie lehnten sich dabei an eine Hügelkette im Rücken als Schutz gegen die gefürchtete ungarische Reiterei, die in der Folge, trotz zahlenmäßiger Überlegenheit und hoher Mobilität, nicht effektiv zum Einsatz kam. Die gemischten schwäbischen Truppen und die fränkischen Fußsoldaten schirmten das bayrische Zentrum an der eigenen rechten Flanke gegen Umgehungenversuche ab.
Die böhmisch-bayrische Reiterei war nach der Eröffnungsattacke abgesessen und führte zu Fuß den Kampf fort. Sie band dabei nicht nur den rechten Habsburger Flügel sondern zog die mobilen ungarischen Verbände aus dem Zentrum auf sich, wodurch Johann mit seinen Kämpfern unter zunehmenden Druck geriet. Das österreichische Zentrum begann sich mehr und mehr auf den rechten Flügel zu verlagern, um den Kampf gegen die Truppen Johanns zu unterstützen. Es schien sich eine frühe Vorentscheidung zu Gunsten des Habsburgers abzuzeichnen.

Zwischenzeitlich war das bayrische Zentrum mit der Masse der Fußtruppen vollentwickelt am Gegner und begann die noch zurückgehaltenen Teile der ungarischen Reiterei zu binden, deren größter Vorteil, ihre hohe Mobilität, dadurch stark eingeschränkt und zunehmend weiter gelähmt wurde.

In dieser Phase, in der sich alles auf das Zentrum und den aus österreichischer Sicht, rechten Flügel konzentrierte, brach Burggraf Friedrich von Hohenzollern mit seinen frischen, noch nicht abgekämpften Panzerreitern über den linken Flügel es Gegners herein und drückte diesen gegen das eigene Zentrum, womit die allgemeine Bewegungsfähigkeit der zum abgesessenen Kampf übergegangenen österreichischen Truppen zusammenzubrechen begann.

Burggraf Friedrich gelang es in der anwachsenden Verwirrung und der sich auf beiden Seiten abzeichnenden Erschöpfung, König Friedrich sowie dessen Bruder, Herzog Heinrich von Österreich, gefangen zu nehmen. Die Schlacht erhielt dadurch eine völlige Wendung und war entschieden.

Hinsichtlich der Rolle die König Ludwig während der Schlacht spielte, gibt es je nachdem welcher Seite man mehr Gehör schenken mag, stark unterschiedliche Aussagen. Während die österreichisch-habsburgischen Chronisten berichten, dass Ludwig an den Gefechten persönlich keinen Anteil nahm, sich sogar durch Rüstung und Banner nicht von anderen Rittern unterscheiden ließ , melden die bayrischen Chronisten er habe am Gefecht teilgenommen. Worin sich beide Seiten, wenn auch unterschiedlich ausgeprägt, einig sind, war die tapfere, ritterliche Rolle die der Habsburger Friedrich der Schöne spielte. Er war durch einen auffallenden Helmschmuck klar identifizierbar und beteiligte sich aktiv an den Kämpfen.

Der am Ende schlachtentscheidende Flankenangriff des Hohenzollers, der von den Angegriffenen zunächst für die Avantgarde des heranrückenden Leopolds von Österreich gehalten wurde, führte zur unverhofften Gefangennahme Friedrichs des Schönen und seines Heinrichs. Die beiden immens wertvollen Gefangenen, wurden nach Einstellung der Kämpfe eilig weggeführt.

Die Schlacht war mit über eintausend Gefallenen sehr blutig. Sie galt als die letzte Ritterschlacht des Mittelalters die ohne den Einsatz von frühen Feuerwaffen, nur mit der blanken Waffe geführt wurde.

Der siegreiche König Ludwig verließ entgegen der Sitte das Schlachtfeld vorzeitig. Brauch war es, drei Tage auf dem Schlachtfeld zu verweilen, um sich nochmals dem Feind zu stellen, sollte dieser ein weiteres Mal den Waffengang suchen.

Sein ehrenrühriger, voreiliger Abgang von der Walstatt, verbunden mit den habsburgischen Angaben, er hätte sich als einfacher Ritter gekleidet und nicht aktiv am Gefecht teilgenommen, erschütterte das Ansehen des Wittelsbacher im Reich. Umgekehrt war der anerkannt heldenhafte Kampf des geschlagenen und gefangen weggeführten Habsburgers Gegenstand manch zeitgenössischem Gedichts oder Liedes. Ludwig vermochte den Sieg daher als das erhoffte Gottesurteil nur unzureichend für sich geltend zu machen.


„Eskalation mit dem Papst“

Der Konflikt war nach der Schlacht von Mühldorf nicht beigelegt. Gegenkönig Friedrich befand sich zwar in der Hand König Ludwigs und war auf Burg Trausnitz gefangen, doch Herzog Leopold von Österreich, der Bruder Friedrichs, blieb als Gegner bestehen.

Gleichzeitig verschärfte sich das Verhältnis zu Papst Johannes XXII. im Rahmen des schwelenden Approbationsstreits zwischen der Kurie und dem römisch-deutschen Thron. Der Papst bestand auf dem Recht die formelle Bestallung des römisch-deutschen Königs vorzunehmen. Es handelte sich um den gleichen, über so viele Generationen andauernden auf- und abschwellenden Konflikt, wer durch wen seine Autorität erhält. War der Papst ohne Zweifel das geistige Oberhaupt der Christenheit, sah sich das römisch-deutsche Kaisertum als der oberste Schutzherr des Christentums. In der Vergangenheit entbrannten die Konflikte zwischen dem Papsttum und dem Kaisertum nur selten an der Auslegung dieser Frage als solches sondern zumeist an realen, territorialpolitischen Kontroversen in Italien.

Der Konflikt entzündete sich an Ludwigs reichspolitischen Ambitionen in Oberitalien. Hier kollidierten erneut die norditalienischen Interessen des Papstes mit den Reichsinteressen des römischen-deutschen Königs. Der vom Papst angedrohte Kirchenbann wurde nach Ablauf einer dreimonatigen Frist gegen den König am 23. März 1324 ausgesprochen und blieb bis zum Tod Ludwigs bestehen. Es war das alte und schärfste Mittel des Papstes im Kampf gegen das weltliche Oberhaupt auf dem Thron Karls des Großen. Ein unter Kirchenbann stehendes Reichsoberhaupt war der steten Gefahr ausgesetzt im Reich einen mächtigen Kontrahenten auf den Plan zu rufen, der den Bann zum Anlass nahm, sich selbst zum Nachfolger küren zu lassen. Über die partikularen Interessen der Wahlfürsten hatten wir schon gesprochen.

Der noch vor kurzem verbündete böhmische König, Johann von Luxemburg schickte sich an den Kirchenbann Ludwigs zum Anlass zu nehmen und ein weiteres Mal nach der Krone vorzufühlen. Wir erinnern uns, dass er schon 1313 Ambitionen zeigte und damals aus politischen Erwägungen, dem Wittelsbacher Kandidaten Ludwig den Weg frei machte. König Ludwig musste auf der Hut sein.

Die habsburgischen Brüder des gefangengesetzten Friedrichs des Schönen, versuchten die für Ludwig heikle Lage zu ihren Gunsten auszunutzen und daraus politisches Kapital zu ziehen. Dies alles nötigte Ludwig am Ende zum Vergleich mit seinem gefangenen Widersacher. In der sogenannten „Trausnitzer Sühne“ verzichte Friedrich am 13. März 1325 auf die Krone und akzeptierte die Wittelsbacher Ansprüche, worauf er ohne Lösegeld auf freien Fuß gesetzt wurde. Friedrichs Brüder erkannten den Vertrag nicht an, was zu neuerlichen Verhandlungen führte. Am 5. September 1325 trat Ludwig von seinem alleinigen Herrschaftsanspruch zurück und erstmalig in der gesamten Reichsgeschichte kam es zu einem offiziellen Doppelkönigtum. Ludwig und Friedrich regierten gleichberechtigt. Friedrichs ambitionierter Bruder Leopold wurde zum Reichsvikar Italiens ernannt.

Die allgemeine Lage in Reichsitalien war Gegenstand einiger Berichte in vorangegangenen Publikationen. Zwischen dem Zusammenbruch der staufischen Herrschaft und dem Auftreten Heinrichs VII. als neuer römisch-deutschen Kaiser, nach langer kaiserloser Zeit, haben sich die Gebiete Italiens, die formell zum Reich gehörten im Grunde jedem Zugriff des jeweiligen Reichsoberhaupts entzogen. Der Italienzug Heinrichs VII. scheiderte letztendlich an dessen frühem Tod. Die Päpste, die im politischen Ringen um die Territoriale Vormachtstellung in Mittel- und Norditalien in Kongurrenz zum Kaisertum standen, wussten diese Phasen des Machtvakuums immerwieder zu nutzen. Seit der Verlagerung des päpstlichen Sitzes von Rom nach Avignon, kamen die regierenden Päpste zunehmend unter den Einfluss der französischen Krone. Mit dem Fall Neapels und somit Süditaliens, an eine Nebenlinie der französischen Königsdynastie der Anjou, verstärkte sich der päpstliche Druck auf die Reichslehen in Italien. Ein völliger Abfall ereignete sich bislang vor allem deswegen noch nicht, weil sich die vielfältigen Lokalinteressen untereinander neutralisierten und dadurch eine eigenartig dynamische Form einer Pattsituation sich ergab. Vordergründig standen sich zwei Parteien gegenüber, die „Guelfen und die „Ghibellinen“. Möchte man es sich einfach machen, könnte man die Guelfen als Anhänger des Papstes und die Ghibellinen als solche des Kaisers einordnen. Der kritische Leser wird es schon erahnen, so einfach war es nicht. Kamen doch hierbei immer auch regionale und zeitliche Faktoren hinzu, die aus einem Guelfen einen Parteigänger von kaiserlichen Interessen macht und umgekehrt. Es ist ohnehin falsch anzunehmen, dass Guelfen oder Ghibellinen ein wahres Interesse daran hatten dass entweder Papst oder Kaiser das Dominat in den umstrittenen italienischen Gebieten ausübte. Der Widerstreit der großen Machtträger, hier der Papst, dort der Kaiser, war mitunter ein in sich selbst lange tragendes Prinzip, dass den Stadtstaaten oder Lokalfürsten eine hihes Maß an Autonomie brachte. Dass es zu keiner völligen Unabhängigkeit von Papst oder Reich kam, war vor allem der nicht endenden Rivalität untereinander geschuldet. So aber war die paradoxe „Dynamik des Status Quo„, der wechselseitige Streit um Dominat, Konkurrenz und Unabhängigkeit, gleichzeitg Motor wie Bremse hinsichtlich einer eigenständigen staatlichen Ausformung Mittel- und Norditaliens, im Gegensatz zum Beispiel der unabhängigen Republik Venedig. 


„Italienzug und Kaiserkrönung“

War die päpstliche Maßnahme des Kirchbanns bislang ein potenziell wirksames politisches Druckmittel gegen einen römisch-deutschen Monarchen, nutzte sich der Bann zwischenzeitlich zusehends ab. Im Reich hatte sich seit der Übersiedlung des Pontifex nach Avignon, eine kritischere Haltung gegenüber dem Papstum entwickelt. Der Einfluss der französischen Krone auf den Papst spielte bei diesem Abnablungsprozess eine zusätzliche Rolle.

Vor diesem Hintergrund trat König Ludwig IV. im Januar 1327 seinen Italienzug an. Die allgemeinen Umstände in Oberitalien waren hierfür günstig. Teilweise glich seine Heerfahrt einem Triumphzug. Dem König eilte der Ruf voraus, er wäre besonders gerecht und gütig. Sein würdevoller Widerstand gegen die päpstlichen Anmaßungen, bescherten ihm bei vielen Norditalienern und noch mehr bei den Römern, große Sympathien. Am 30. Mai 1327, zu Pfingsten, wurde ihm in der Mailänder Ambrosiuskirche die „Eiserne Krone“ der Langobarden aufs Haupt gesetzt. Die Krone Italiens war wichtiger symbolischer Akt auf dem Weg zur Kaiserkrone. Anfang 1328 erreichte Ludwig die „Ewige Stadt“, wo ihn die Römer stürmisch empfingen. Die Bürger sahen in der Tatsache, dass der Papst nicht mehr in Rom residierte, sondern in Avignon, eine Ungehörigkeit und schon aus purer, trotziger Opposition heraus, jubelten sie einem Deutschen zu. Ein Phänomen das sich bisher selten genug ergab und beim römisch-deutschen König ganz bestimmt tiefen Eindruck hinterließ.

Reiterstandbild Kaiser Ludwig IV.

Am 17. Januar 1328 wurde er von drei anwesenden Bischöfen in der Basilika St. Peter zum Kaiser gekrönt. Es war die erste Krönung ohne Beisein und Zutun eines Papstes.

Der Konflikt mit Papst Johannes XXII. erreichte im Frühjahr 1328 den Höhepunkt, als Kaiser Ludwig IV. ihn am 18. April für abgesetzt erklärte. Im Mai 1328 wurde Peter von Corvora als Papst Nikolaus V. in Rom zum neuen Pontifex gewählt. Als eine seiner ersten Handlungen nahm er am 22. Mai 1328 eine erneute Kaiserkrönung Ludwigs vor, dieses Mal kraft päpstlicher Autorität. Soweit war das Reich dann doch noch nicht vom Heiligen Stuhl losgelöst, als dass man eine Kaiserkrönung dauerhaft ganz ohne päpstliche Salbung vorzunehmen wagte.

Papst Nikolaus V. konnte sich in der Folgezeit nicht durchsetzen und trat nach Ludwigs Heimkehr in den Nordteil des Reiches, schon im Jahre 1330 von seinem Amt zurück.


„Ende des brandenburgischen Interregnums“

Bei unseren Betrachtungen des Thronstreits als auch der königlichen- und kaiserlichen Reichspolitik Ludwigs, haben wir die Mark bislang übergangen. Die Hoffnungen des Herzogs von Sachsen, aus einer Seitenlinie des askanischen Hauses, ruhten auf der Hoffnung mit der Mark Brandenburg belehnt zu werden. Da dieser aber als ein Anhänger des Habsburgers Friedrich dem Schönen auf das falsche Pferd setzte, bestand dafür nach der Schlacht von Mühlberg keine Hoffnung mehr.

Beflügelt von seinem Sieg, traf der König anlässlich des ersten königlichen Hoftags zu Nürnberg eine folgenreiche Entscheidung hinsichtlich Brandenburgs. 1323 belehnte er seinen ältesten, zum Zeitpunkt der Belehnung noch unmündigen Sohn Ludwig mit der Mark, zumindest was die noch vorhandenen Kerngebiete betraf. Um einen völligen Bruch mit dem böhmischen König Johann zu vermeiden, durfte Böhmen jene Teile des ehemaligen brandenburgischen Gebiets, die Johann sich 1319 unrechtmäßig aneignete, darunter die Oberlausitz, behalten und wurde offiziell damit belehnt. Diese Entscheidung, nämlich die Mark als Stärkung der eigenen Hausmacht in die eigenen Familie zu vergeben, kann nicht ganz überraschend gewesen sein. Auch wenn der Herzog von Sachsen-Wittenberg aus einer askanischen Nebenlinie kam und ältester männlicher Verwandter des letzten brandenburgischen Markgrafen war, hatte er nicht automatisch ein Anrecht auf die Sukzession eines erledigten Reichslehens. Mit der Erbteilung Albrechts I. „des Bären“ im Jahre 1170, gab es drei voneinander getrennte askanische Linien, mit jeweils eigenen Reichslehen. Das brandenburgische Erbe war an die männlichen Nachkommen Ottos I. gebunden und endete mit dem Tod Heinrichs II. „dem Kind„. Dass sich Herzog Rudolf I. von Sachsen-Wittenberg mit der Entscheidung weitestgehend abfand, mag als ein Zeichen gewertet werden, dass er selbst seinen Anspruch als nur schwach einschätzte und nach der Niederlage Friedrichs des Schönen keine realen Chancen sah, seine wackligen Ansprüche durchsetzen zu können.

Reichsadler mit den Wittelsbacher Rauten

Mit der Belehnung seines ältesten Sohnes, verfügten die Wittelsbacher unter Ludwig IV. für den Augenblick über zwei Kurstimmen, jener der noch unmündigen Pfalzgrafen bei Rhein, über die er die Vormundschaft ausübte und gleichzeitig über die Stimme Brandenburgs. Ludwig strebte vor diesem Hintergrund natürlich ein Erbkönigtum an. Es war seit den Ottonen stets das Ziel einer regierenden Dynastie die Krone an einen Nachfolger aus der eigenen Familie weiterzureichen, idealerweise schon zu Lebzeiten des amtierenden Oberhaupts. Das dynastische Prinzip war wichtigster Faktor aller Monarchen bis zum Ende des Heiligen Römischen Reichs. Ob es Ludwig IV. gelang das Königtum in seiner Familie zu halten, werden wir in den kommenden Kapiteln sehen.

Für Brandenburg ging die ungewisse Zeit des Interregnums zu Ende. Indem die Mark an die Wittelsbacher fiel, war sie automatisch eng mit dem Reichsoberhaupt verknüpft. Vor diesem Hintergrund war einem weiteren Zerfall ein Riegel vorgeschoben und die Integrität des Kerngebiets gesichert.

Der neue Landesherr hieß Ludwig I. genannt „der Brandenburger“, ihm ist Kapitel I gewidmet.


 

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