Buch 1, Kapitel XI: „Eine Mark, viele Regenten“


Als Markgraf Otto III. 1267 dem älteren Bruder Johann I., nach nur etwas mehr als einem Jahr in den Tod folgte, hinterließen sie insgesamt elf Söhne, aus drei Ehen. Selbst unter Berücksichtigung, dass von Johanns sieben Söhnen, zwei für den geistlichen Stand vorgesehen waren, Erich, jüngster Sohn aus erster Ehe, wir kommen noch ausführlich auf ihn zu sprechen, und Hermann, aus der zweiten Ehe, blieben zusammen mit Ottos vier Söhnen, immerhin noch neun theoretische Erben. Brandenburg drohte durch Zersplitterung in die Bedeutungslosigkeit zu zerfallen. Dem zu begegnen, hatten die alten Markgrafen noch zu Lebzeiten in drei Stufen, zwischen den Jahren 1258 und 1266, eine sorgsam abgewogene Aufteilung ihrer Besitzungen vorgenommen. Es entstanden vordergründig die Johanneische Linie, mit einem älteren Zweig aus der ersten Ehe und einem jüngeren, bestehend aus den Nachkommen Johanns zweiter Eheschließung, sowie die Ottonische Linie. Die Mark sollte damit vor Zerfall und politischem Niedergang bewahrt werden, sofern die Söhne dem Ansinnen der Väter folgten, und nach außen gemeinschaftlich auftraten. Dem Wunsche Rechnung tragend, wurde das Regiment auf jene Schultern verteilt, die zum Zeitpunkt des Regierungsübergangs im mündigen Alter waren. Mit dem Tod Johanns I. 1266, waren drei der Söhne volljährig. Der im Jahr 1237 erstgeborene Johann II., der 1238 geborene Otto IV. und der 1240 geborene Konrad I., die gemäß des Teilungsbeschlusses in den Johanneischen Gebieten die Nachfolge des Vaters antraten. Vorerst übte aber noch ihr Onkel Otto III. die ungeteilte Regierung über die ganze Mark aus, bevor er, wie geschildert, 1267 ebenfalls verstarb. In den Gebieten die seit den Teilungen seiner Linie angehörten, waren in den Schlussjahren seines Lebens, die zwei ältesten Söhne, Johann III. (*1244) und Otto V. (*1246) an der Regierung beteiligt, wir sehen sie wiederholt auf Urkunden als Mitunterzeichner. Albrecht III. (*1250) trat schließlich 1268, ein Jahr nach dem Tod des Vaters, als sechster Nachfolger in den Kreis der brandenburgischen Mitregenten und als dritter in den Gebieten des ottonischen Zweigs. Zu diesen sechs, gesellten sich mit den Jahren zwei weitere Söhne Johanns I. und ein Sohn Ottos III. hinzu.

Zur besseren Übersicht in aller Kürze die von 1266 bis 1268 zur Herrschaft gekommen Markgrafen, beginnend aus Sicht der älteren Johanneischen Linie:

  • Johann II., Erstgeborener, ab 1266 Kurfürst und Mitregent bis 1281
  • Otto IV., ab 1266 Mitregent, nach Tod des Bruders regierender Markgraf bis 1308
  • Konrad I., jüngerer Bruder, ab 1266 Mitregent bis 1304
  • Johann III., jüngerer Vetter, ab 1267 Mitregent bis 1268
  • Otto V., jüngerer Vetter, ab 1267 Mitregent bis 1298
  • Albrecht III., jüngerer Vetter, ab 1268 Mitregent bis 1300

Seit 1280 tritt auch Markgraf Otto VI., als Unterscheidung zum gleichnamigen Bruder Otto V., erhielt er den Beinamen der Kleine, in die Reihe der Mitregenten, bleibt aber hinter den älteren Brüdern Otto V. und Albrecht III. zurück. Im Raum Salzwedel hatte er eine kleine Residenz.

Die Nachkommen der jüngeren Johanneischen Linie aus der zweiten Ehe Johanns I., es waren dies Heinrich, Albrecht und Hermann, spielten gleichfalls eine eher untergeordnete Rolle. Hermann wird wie sein Halbbruder Erich Kleriker und später Bischof von Havelberg, jedoch nur für kurze Zeit, er starb bald darauf. Auf Heinrich kommen wir gegen Ende den folgenden immer wieder zurück.


Eine neue Generation beginnt zu regieren

Das Wesen der Teilung in zwei Hauptlinien, wovon die Johanneische Linie wie erwähnt nochmals in eine ältere und jüngere Linie unterteilt war, erschwerte eine gemeinschaftliche Regierung naturgemäß erheblich und so sehen wir unvermeidliche partikulare Richtungen. Rücksicht auf Interessen der Vetternlinie wurde meist nur dann gezeigt, wenn sie nicht eigenen Interessen zuwiderlief. Um divergente Entwicklungen wenigstens zu erschweren, teilten die Väter die Landschaften nach einem reiflich abgewogenen Modus, indem die Gebiete beider Linien nicht scharf voneinander getrennt waren. Überall grenzten sie aneinander und um einen Teil zu erreichen, musste jeweilige Landesteile der Vettern passiert werden. Wenn schon kein gemeinsames Vorgehen möglich würde, war zumindest ein kooperatives immerhin notwendig. Die Landschaften der Mark waren dabei nicht nur zwischen den genannten Hauptlinien stark zerstückelt geteilt, wobei die johanneischen Teile noch den größeren Zusammenhang hatten, auch innerhalb der Zweige hatten die Erben oftmals stark auseinanderliegende, zerstückelte Flecken. So hatte Markgraf  Albrecht III., dessen Besitzungen wir kurz nach seinem Regierungsantritt exemplarisch erwähnen wollen, Gebiete im Land Stargart, im Barnim bei Oderberg, in der Mittelmark, der Begriff kam erst später auf und jenseits der Oder, so bei Küstrin aber auch entlang der sich nach Nordosten ausdehnenden Neumark.

Noch zu Lebzeiten Ottos III. finden wir nur zwei Zeugnisse welche die Nachkommen Johanns I. selbstständig als Urkundenaussteller zeigen. Datiert auf den 2. Februar 1267 zeichnen sie zu Stolpe in der Neumark eine Urkunde zugunsten des Klosters Mariensee. Johann II., Otto IV. und Konrad I. bestätigen darin dem neugegründeten Kloster, die vom Vater zuvor angewiesenen Dörfer und Privilegien. Aus Mariensee ging später, nur um einige Kilometer an eine günstigere Stelle verlegt, das Kloster Chorin hervor. In ähnlicher Weise urkunden die drei Brüder abermals in Stolpe am 16. April, indem sie dem gleichen Kloster eine weitere, vom Vater noch auf dem Sterbebett angewiesene Schenkung bestätigen. Sonst bleiben die Erben Johanns noch im Hintergrund und überließen Otto III., dem Onkel, die Gesamtherrschaft.

Vom 18. November 1267, somit etwas mehr als einen Monat nach dem Tod Ottos III., ist die älteste erhaltene Urkunde überliefert, in der dessen zwei mündige Söhne Johann III. und Otto V. erstmals als regierende Markgrafen zeichnen. Im Gegensatz zur Johanneischen Linie, erwähnen diese dabei ausdrücklich dies mit Zustimmung ihrer noch unmündigen Brüder Albrecht III. und Otto VI. zu tun. Hierin wird man jedoch kaum mehr als eine Floskel annehmen dürfen, da die Genannten als Unmündige keinen realen Einfluss auf die Entscheidungen ihrer volljährigen Brüdern nehmen konnten. Die Annahme wird dadurch gestützt, dass Markgraf Otto V., der nach April 1268 vorerst alleine unterzeichnet und siegelt, diese ohne weitere Nennung der jüngeren Brüder tut.

Wie kam es aber, dass Otto V. der Lange, nun alleine zeichnet, was war mit dem älteren Johann III. zwischenzeitlich geschehen? Dieser, er trug mit Hinweis auf den Geburtsort und zur Unterscheidung bezüglich seines Vetters Johanns II., den Beinamen der Prager, verunglückte nach Ostern 1268 anlässlich eines Turniers tödlich. Zu Merseburg nahm Johann III. an dem dort abgehaltenen Wettkampf teil und wurde beim Lanzenritt schwer verletzt. Mit einer tiefen, arteriell blutenden Wunde, wurde er in sein Zelt gelegt, wo er noch in der Nacht verstorben aufgefunden wurde. Seine Begleiter wachten auf unerklärliche Weise schlecht über ihn, so dass er sehr wahrscheinlich verblutete, vermutlich nach einem Sturz aus seinem Krankenlager. Eine Tragödie durch die Otto V. frühzeitig zum Kopf der Ottonischen Linie wurde. Johann der Prager wurde im Kloster Lehnin zur letzten Ruhe gelegt. Seine Beisetzung verzögerte sich lange und fand wohl erst zum Ende des Jahres 1268 statt. Die Hintergründe hierfür liegen möglicherweise in einer noch aus dem Jahre 1172 stammenden kirchlichen Anordnung, wonach dem ausufernden Turnierwesen Einhalt geboten werden sollte. Damals hatte der Magdeburger Erzbischof Wichmann zu Halle diesbezüglich eine Sondersynode einberufen, nachdem zuvor dessen Vetter Konrad von der Lausitz bei einem Turnier ums Leben gekommen war. Allem Anschein nach wurde im unmittelbaren Einflussbereich des Erzbistums Magdeburg die Einhaltung des Turnierverbots zu manchen Zeiten besonders berücksichtigt. Denkbar ist die unmittelbare Nähe zur Osterzeit, einer Zeit des Friedens, die besonderer Stein des Anstoßes war. Eine andere Erklärung, weswegen dem verstorbenen Markgrafen Johann III. eine christliche Beisetzung verweigert wurde, findet sich bisher nicht. Ob Otto V. in dieser Sache in Verhandlungen mit dem Erzstift stand, wissen wir nicht, es muss allerdings stark angenommen werden. Das ohnehin immer wieder beschädigte, aktuell leidlich bereinigte Verhältnis zum Erzstift, dürfte vor dem Hintergrund dieses Streits abermals gelitten haben. Die Frage der Beisetzung wurde schließlich gelöst. Eine Verleihungsurkunde an das Kloster Lehnin, sie steht mit größter Sicherheit in Verbindung mit der offenen Angelegenheit, gibt wohl den Hinweis wie die Streitigkeit mit dem geistlichen Stand gütlich beigelegt wurde. Zum Seelenheil des Bruders und als monetärer Motivator, stiftete Otto V. dem Kloster die Ortschaft Dahmsdorf, nördlich von Lehnin. Die Grablegung muss schon bald darauf erfolgt sein. Es ist bei allem nicht auszuschließen, dass der Abt von Lehnin den Akt ohne Zustimmung der Erzdiözese vornahm, womit die Autonomie klösterlicher Einrichtungen gegenüber den sie umgebenden Diözesen ersichtlich wurde, gleichzeitig aber auch die Abhängigkeit hinsichtlich des weltlichen Adels, die als klösterliche Schutzmacht auftraten und entsprechend gut dotierte Vogteien inne hatten.

Am 1. Mai 1268 schritt Otto V. zur ersten alleinigen Regierungshandlung in den zur Ottonischen Linie gehörenden Landschaften. Gemäß den Vereinbarungen welche noch Vater und Onkel Anfang Juni 1266 in Tangermünde schlossen, nahm er die Teilung des Bautzener Landes vor. Rufen wir uns nochmal die Ausgangssituation ins Gedächtnis. Beatrix von Böhmen, Gattin des verstorbenen Ottos III., Mutter Ottos V., Schwester des jetzt regierenden Königs von Böhmen, brachte die Oberlausitz als Mitgift in den Besitz der Askanier, zunächst Pfandbesitz. Streng genommen wäre die Landschaft nur der Ottonischen Linie zugestanden, doch eingedenk der brüderlichen Eintracht zwischen Otto III. und dem ein Jahr älteren Johann I., teilte Otto III. das seiner Linie zustehende Gebiet zu gleichen Teilen mit der Johanneischen Linie. Aus dem dann am 1. Mai 1268 final von Otto V. vorgenommen Teilungsakt entnehmen wir, dass im Jahr 1266 die Teilung nicht wie ursprünglich geplant abgeschlossen wurde, sondern nur formell vereinbart. Zwischenzeitlich waren beide alten Markgrafen bekanntlich verstorben, die Oberlausitz aber noch immer nicht der väterlichen Disposition gemäß unter beide Linien aufgeteilt. Otto V. holte dies jetzt nach, wahrscheinlich erst auf Druck des anderen Familienzweigs. Der Johanneischen Linie um Johann II., Otto IV. und Konrad I., fiel die Stadt Bautzen zu, Während Görlitz bei der Ottonischen Linie verblieb. Das Münzprivileg wurde von beiden Linien gleichberechtigt ausgeübt. Die vorgenommene Teilung, speziell der Passus hinsichtlich des gemeinsamen Münzrechts, belegen die damals noch ungetrübt vorherrschende Einmütigkeit unter den zu diesem Zeitpunkt vier regierenden brandenburgischen Markgrafen. Ottos V. alleinige Verfügung über den ottonischen Besitz, hielt derweil nicht lange an, schon zum Jahresende erscheint Albrecht III. neben dem nur vier Jahre älteren Bruder auf Urkunden als Mitunterzeichner und damit als Mitregent in den Landschaften dieses Zweigs.

Markgraf Otto IV.

Obwohl Johann II. als erstgeborener Spross der älteren Johanneischen Linie dem Gewohnheitsrecht nach das Privileg zur Königswahl besaß, und Otto V., nach dem tragischen Unfalltod des zwei Jahre älteren Johann III., nun ältester Vertreter der Ottonischen Linie war, hob sich über die Zeit Otto IV. aus der Reihe der Regenten mehr und mehr hervor. Er war nach Johann II., zweiältester brandenburgisch-askanischer Nachkomme und machte als streitbarer, wenn auch nicht immer erfolgreicher, so doch zäh ausharrender Krieger, bald von sich reden. Eine spätere Verwundung brachte ihm schließlich den Beinamen der mit dem Pfeil ein. Dass Otto IV. besonders rührig war, soll nicht bedeuten, dass er selbstherrlich die Führung übernahm, es beweist nur seine ambitionierte Ader und die Wahrnehmung der Zeitgenossen was ihn betraf. Zu Lebzeiten des älteren Bruders ordnete er sich diesem unter, was ihm Johann II. auch offenbar nicht schwer machte, da dieser nicht sonderlich prägnant in Erscheinung trat und wir demgemäß nur relativ wenig über ihn wissen. Auch hierzu später mehr.

Die bislang einvernehmlichen Aktivitäten der märkischen Regenten dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass teils gegensätzliche Interessen und  handfeste Auseinandersetzungen im Laufe der Zeit auftraten, welche sich in späteren Jahren besonders zwischen Otto IV. und Otto V. entluden, ohne dass dadurch Brandenburgs Einheit nach außen dauerhaft beschädigt wurde. Der mahnende Geist der Väter stand mäßigend und erhaltend allen divergierenden Bestrebungen entgegen. Die Nachkommen sahen im gemeinsamen Erbe, trotz aller Bestrebungen zu selbstständiger Politik, den erklärten Auftrag, die Mark nicht nur in der gegebenen Form zu bewahren, sondern dem Beispiel der Vorfahren folgend weiter zu vergrößern, was sich in Folge völlig  veränderter Rahmenbedingungen als schwer erweisen sollte. Mehr dazu im kommenden Kapitel.

Wie anhand der bisherigen Absätze aufgefallen sein wird, machen es uns die vielen gleichzeitigen Markgrafen und die gleichen Namen nicht leicht. Wir haben es mit gleich drei Ottos, zwei Johanns und zwei Albrechts zu tun. Hinzu kommen je ein Konrad, Erich, Heinrich und Hermann. Um sie auseinanderzuhalten, ist es notwendig wieder und wieder zu erwähnen, vielleicht übertrieben häufig, aus welcher Linie die jeweilige Person stammt. Dass sogar direkte Geschwister gleiche Vornamen trugen, erschwert die Sache zusätzlich. Der weitverbreitete Brauch auf einen Stamm traditioneller Namen zurückzugreifen, führte in kinderreichen Familien zu doppelten, vereinzelt sogar dreifach gleichen Rufnamen. Für gewöhnlich gaben schon die Zeitgenossen, spätestens die Chronisten, zur besseren Unterscheidung, einen Namenszusatz. Im Falle der beiden Ottos aus der Ottonischen Linie, zur Erinnerung jene Nachkommen Ottos III., sprach man von Otto V. dem Langen und Otto VI. dem Kleinen.

Wegen der zwei unterschiedlichen, meist unabhängig agierenden Hauptlinien, wobei dem Nebenzweig der Johanneischen Linie, die Söhne aus Markgraf Johanns zweiter Ehe mit der askanischen Herzogstochter Jutta von Sachsen, wegen fehlender Akzente kaum Berücksichtigung geschenkt wird, ist es unvermeidbar, dass wir parallele Handlungsstränge betrachten und innerhalb der Themenblöcke gleiche oder einander überlappende Zeitabschnitte vorfinden, dann jeweils aus Perspektive der einen und der anderen Linie.


Herrschaftslage im Reich

Wir machen nochmal einen Rückblick auf die Situation an der Spitze des Reichs, während der Regierungschlussphase Johanns I. und Ottos III. Mit dem Tod Wilhelms von Holland, kam es 1257 im Reich zur Doppelwahl. Erstmals nahm ein brandenburgischer Markgraf als Mitglied jenes kleinen Kreises bevorrechtigter Wähler teil, die fortan als alleinige Vertreter des Reichsfürstenstands die römischen-deutschen Könige und designierten Kaiser wählten. Die Wahl verlief von Anfang an nicht in der gewohnt feierlichen Weise und dem großem Zeremoniell ab, wie es der Anlass gebot. Schon die Einseitigkeit, mit der die Kandidaten ins Spiel gebracht wurden, warf unheilige Schatten auf den Ausgang und die Zukunft des Reichs. Es förderte den weiteren Zerfall  königlicher Autorität. Dem inneren Siechtum des Reichs, folgte ein äußerer Machtverlust auf dem Fuße. Wie kam es zu diesen unvorteilhaften Wahlen, die gleich zwei reichsfremde Kandidaten zu Häuptern des Reichs erkoren?

Am 13. Januar 1257 wählten die Metropoliten von Mainz und Köln, Gerhard I. von Dhaun, Erzbischof von Mainz und Konrad I. von Hochstaden, Erzbischof von Köln, sowie Ludwig II. von Wittelsbach, Herzog von Bayern-Landshut und Pfalzgraf bei Rhein, den Anglonormannen Richard von Cornwall aus dem Hause Plantagenet, zu ihrem römisch-deutschen König. Richard ließ sich die Stimmen der rheinischen Wahlfürsten stolze 28.000 Mark in Silber kosten. 12.000 erhielt alleine der bayrische Herzog Ludwig. Es entsprach einem Gewicht von rund sieben Tonnen reinen Silbers. Als Gegenreaktion wählten der Trierer Erzbischof Arnold II. von Isenburg, Herzog Albrecht I. von Sachsen, und Markgraf Johann I. von Brandenburg am 1. April 1257 Alfons X. von Kastilien zum Gegenkönig. Sie nahmen die Verwandtschaft Alfons mit den Staufern zum Anlass, die Mutter war Beatrix von Schwaben, ihre Stimmen dem staufischen Blutsverwandten zu geben. Noch war die staufische Partei im Reich längst nicht erloschen und es genügte über die weibliche Linie einen Verwandtschaftsnachweis zu erbringen, um eine Thronkandidatur zu legitimieren. Doch bei Licht betrachtet, waren realpolitische Entscheidungen und nicht der alte Glaube an die heilsbringende Kraft des königlichen Bluts. Ein dritter, nur kurz gehandelter Thronkandidat kam aus dem unmittelbaren Kreis der Wahlfürsten selbst. Es war Markgraf Otto III. von Brandenburg, dem oft erwähnten jüngeren Bruder Johanns I. von Brandenburg. Wir hatten davon berichtet. Nachdem ein Wahlkonvent im sächsischen Rechtsraum nicht stattfand, und eine Mehrheit somit unerreichbar wurde, zog Otto die Kandidatur zurück. Die Stimmen der drei gekauften rheinischen Fürsten galten Richard als sicher. Erwähnt sei, dass dies ein völlig legales Verfahren war und damals in keiner Weise anrüchig. Otto konnte sich neben der brandenburgischen Stimme des Bruders, nur noch auf jene des askanischen Verwandten aus Sachsen-Wittenberg stützen. Er konnte weder Trierer, noch den königlichen Schwager aus Böhmen für seine Partei gewinnen. Aus diesen Gründen gab Brandenburg frühzeitig die Kandidatur auf und stimmte schließlich für Alfons von Kastilien. König Ottokar II. von Böhmen, legte sich weder für den einen noch den anderen Kandidaten fest und enthielt sich der Stimmabgabe ganz. Keiner der beiden gewählten Könige vermochte sich in der Folgezeit im Reich Geltung zu verschaffen. Alfons von Kastilien dabei noch am wenigsten. Er blieb in seiner gesamten Regentschaftszeit dem Reich gänzlich fern. Richard von Cornwall hatte hohe Ambitionen, besuchte das Reich auch insgesamt viermal, strebte sogar die Kaiserkrone an, blieb aber in Ermangelung fehlender Präsenz am Ende ohne echten Einfluss. Die noch gar nicht lange zurückliegenden Zeiten eines Friedrich II., der den größten Teil seiner Regierungszeit in Italien verbrachte und dennoch über eine starke Partei im Reich verfügte, war vergangen. Königspräsenz und die Interaktion mit den Mittelmächten in deutschen Reichsteil waren wieder so wichtig geworden, wie zu Zeiten der Ottonen. Richard von Cornwall war während seiner Regentschaft viel zu sehr durch innere englische Angelegenheiten abgelenkt, als dass er je den mannigfaltigen Angelegenheiten des Reichs die notwendige Aufmerksamkeit  hätte zukommen lassen können. Das Hemd war ihm näher als die Hose, weswegen die eigenen Hausangelegenheiten den Vorzug bekamen.

Beide Könige waren von ihrer charakterlichen Prägung her durchaus vielversprechend und keine Wahl eines betont wesensschwachen oder gänzlich machtlosen Kandidaten. Die geographische Ferne zum Reich und die Verpflichtungen in den heimischen Refugien, waren von nachhaltig hemmender Wirkung. In der Geschichtsschreibung wird diese Zeit bezeichnenderweise das Interregnum genannt. Obwohl zeitgleich zwei gewählte Könige existierten, kam keiner zu einer wirksamen Regentschaft. Je nach Betrachtungsweise wird die Zeit des Interregnums auch schon auf den Vorgänger, Wilhelm von Holland, angewendet, vereinzelt sogar bereits auf den letzten Staufer, Konrad IV., da dieser in der kurzen Frist seiner Regentschaft, ohne Akzente bleiben musste. Das Fehlen eines handlungsfähigen Herrschers und die damit einhergehende Lähmung der Zentralgewalt, ließ das föderal und multiethnisch zusammengesetzte Reich sichtbar bröckeln und auseinanderdriften. In den oberitalienischen Reichsgebieten zeigten sich die gewohnten Bestrebungen nach Autonomie und im deutschen Reichsteil setzte sich nicht nur die Territorialisierung ungehemmt fort, die Wahlfürsten begannen sich zeitgleich zu emanzipieren und als politische Regierungsinstanz an die Seite des Reichsoberhaupts zu treten. Ein wirksames Gegengewicht zu den Territorialfürsten waren die Vielzahl freier Städte, die sogenannten Reichsstädte. Unter den Staufern bildeten sich diese unabhängigen, reichsunmittelbaren Stadtrepubliken im deutschen Reichsteil heraus. Ihre Zahl nahm nach dem endgültigen Zusammenbruch des Stauferreichs noch weiter zu und wurden für alle zukünftigen römisch-deutschen Könige wichtiger Rückhalt als auch Finanzquelle.

Konradin bei der Falkenjagd
(Codex Manesse, Heidelberg)

Die nach außen zutage tretende Schwäche des Reichs traf den Stolz der deutschen Reichsfürsten. Bei allem Partikularismus, erregte der schmerzliche Verfall des Reichsansehens doch die Gemüter. Die staufische Partei begann sich wieder zu regen. Ein letzter legitimer männlicher Spross, Sohn des vormaligen, früh verstorbenen Kaisers Konrad IV., war zwischenzeitlich fast herangewachsen. Konrad mit Namen, wie der Vater, wegen seines Alters Konradin gerufen, wuchs am Hofe seines Onkels Ludwig II. von Wittelsbach auf. Jener Herzog von Bayern und Pfalzgraf bei Rhein, der Januar 1157 seine rheinische Kurstimme Richard von Cornwall gab, im Umkehrschluss, neben den oben erwähnten 12.000 Mark Silber, das schwäbische Herzogtum, die staufischen Stammlande, für seinen unmündigen Neffen forderte, welches der Papst den verhassten Staufern zuvor zu entziehen trachtete.

Auch wenn sich Brandenburg und Sachsen-Wittenberg zwischenzeitlich von ihrem 1157 gewählten kastilischen Kandidaten Alfons trennten, blieben die Askanier bezüglich einer Wahl des jungen Staufers zurückhaltend, so dass die im Reich schon eingeleiteten Vorbereitungen ins Stocken gerieten und wegen der sich abzeichnenden, fehlenden Mehrheit, ganz aufgegeben wurden. Stattdessen wurde Konradin von ghibelinnischen Anhängern in Oberitalien zum Zug über die Alpen animiert um sich des verloren gegangenen staufischen Königreichs Sizilien zu bemächtigen.

Was war dort seit dem Tod Friedrichs II. und Konrads IV. geschehen?

In Unteritalien verwaltete Manfred, ein unehlicher Sohn Kaiser Friedrichs II., das staufische Erbe für den in Bayern heranwachsenden Konradin. Seitens des Papstes war die fortdauernde Präsenz eines Staufers im Süden Italiens natürlich unverändert ein Dorn im Auge. Daran änderte sich auch nichts mit der Wahl eines neuen Papstes. Der Gegensatz war längst schon institutionalisiert und nicht mehr nur personenbezogen. Um die Staufer zu vertreiben, verlieh der Papst Sizilien an den englischen Prinz Edmund. Manfred musste vorerst flüchten, kehrte aber mit einem sarazenischen Heer zurück, und übernahm wieder die Herrschaft als Verwalter. Als sich das Gerücht verbreitete, Konradin wäre im fernen Norden verschieden, ließ sich Manfred am 10. August 1258 in Palermo zum König krönen. Der schwelende Konflikt zwischen Staufern und der Kurie loderte jetzt in voller Schärfe auf. Papst Clemens IV. setzte einen neuen Kandidaten ein, Karl von Anjou, den Bruder des französischen Königs. Dieser zeigte sich gegenüber dem Papst und dessen Oberherrschaftanspruchs bezüglich Unteritalien williger, als es der englische Prinz tat oder gar der ketzerische Manfred, welcher die Lehnsoberhoheit des Papstes über beide Sizilien rundweg ablehnte, weswegen er, wie konnte es für einen Staufer anders sein, exkommuniziert wurde. Die Unterstützung eines Charakters wie Karl von Anjou, ein selbst für die wenig zimperliche Zeit, ungewöhnlich skrupelloser, machthungriger Schlächter, lässt das katholische Haupt in keinem guten Licht stehen. Am 26. Februar 1266 kam es bei Benevent zur blutigen Entscheidung. Manfred fiel bei den Kämpfen und mit ihm blieben auf beiden Seiten mehrere tausend Streiter auf der Walstatt liegen. Gefangene wurden teilweise noch auf dem Schlachtfeld hingerichtet. Der Papst, im Grunde ein ernsthafter Reformer der durch Vetternwirtschaft schwer erkrankten Kirche, verweigerte dem gebannten Gefallenen eine christliche Bestattung und hatte über dessen Leichnam auszugsweise nur folgendes zu sagen, „… diesen stinkenden Kadaver jenes Pestmenschen Manfred …“. Wenn der Papst auch nicht die Grausamkeiten Karls anordnete, möglicherweise auch in der gezeigten Weise nicht guthieß, war er doch dankbar für dessen Wirken gegen die staufischen Erzfeinde.

Karl etablierte eine ungeliebte Herrschaft, wodurch sich nicht nur die noch verbliebenen staufischen Parteigänger regten, sondern auch eine sonstige Opposition. Es war der geeignete Nährboden, der die norditalienischen Ghibellinen dazu animierte, den mittlerweile in Schwaben regierenden Konradin zu rufen. Im deutschen Reichsteil war eine erfolgreiche Kandidatur zum Gegenkönig unwahrscheinlich worden. Die Neutralität der sächsischen Wahlfürsten und die Unberechenbarkeit des böhmischen Königs, gaben im Moment keinen Anlass zu weiterer Hoffnung. Der riskante, unter den gegebenen Bedingungen dennoch nicht völlig aussichtslose Heerzug nach Süditalien könnte, falls erfolgreich, das entscheidende Signal an die parteilosen Fürsten aus Böhmen, Sachsen-Wittenberg und Brandenburg sein, dem Jüngling das Vertrauen und ihre Stimme zu schenken, wodurch dem lähmenden Interregnum hoffentlich ein Ende gesetzt würde.

Karl I. von Anjou

Wie es dem jungen Konradin und seinem ebenso jungen Begleiter erging, wurde bereits in einem vorangegangen Kapitel geschildert, trotzdem hier nochmal in aller Kürze. In der Schlacht bei Tagliacozzo wurde Konradins ghibellinisches Heer vernichtend von Karl geschlagen. Er selbst konnte zuerst einer Gefangennahme entgehen, während seine auf dem Schlachtfeld gefangengenommenen Mitstreiter noch an Ort und Stelle ermordet wurden. Ein fast beispielloses, in höchstem Maße verabscheuungswürdiges Verbrechen, wie es unter christlichen Heeren gänzlich untypisch war.
Konradin geriet bei Astura schließlich doch in Gefangenschaft und wurde an Karl von Anjou ausgeliefert, der ihn am 29. Oktober 1268, zusammen mit seinem Freund und Vertrauten seit den Kindheitstagen, Friedrich von Baden-Österreich, in Neapel öffentlich auf dem Marktplatz durch Enthauptung hinrichten ließ.

Die unerhörte Schändlichkeit bei Tagliacozzo erlebte mit dieser Bluttat einen barbarischen Höhepunkt, welcher abermals und diesmal endgültig, den Papst, welcher mit der Exkommunikation Konradins erst die Voraussetzung dazu schuf, zum Steigbügelhalter des Schlächters der Staufer machte. Ein Drama von europäischen Dimensionen.


Mongolen, Mamelucken und der Verlust Palästinas

Das Reich verharrte nach dem neuerlichen, diesmal endgültigen Zusammenbruch der staufischen Partei, im Status Quo und dämmerte in seiner selbstauferlegten Lethargie dahin, während sich aus dem Osten kommend eine neue Macht erhob und das Ende der Kreuzfahrerstaaten einläutete.

Die Bestrebungen der Christen mit Errichtung militärischer Statellitenstaaten dauerhaft das Heilige Land kontrollieren zu können, scheiterten im Verlauf des 13. Jahrhunderts vollständig. Konnten die Kreuzfahrer lange von wiederkehrenden Auseinandersetzungen rivalisierender islamischer Regionalfürsten profitieren und hierdurch im Heiligen Land festen Fuß fassen, änderte sich mit dem Erscheinen der Mamelucken die Situation in der gesamten Region komplett. Die Mamelucken oder Mamluken, waren ursprünglich türkisch-kaukassische bzw. transkaukassische Söldner und dienten unter vielen islamischen Fürsten. Ihre militärische Schlagkraft verschaffte ihnen rasch den Ruf einer zuverlässigen Elitetruppe. Selbst der große Saladin hielt sich unter seiner Leibgarde Krieger dieser Kaste. Unter einem ihrer Generäle, Izz ad-Din Aybak al-Turkomani (arabisch المعز عز الدين أيبك), übernahmen die Mamelucken 1250 die Herrschaft in Ägypten. Als Sultan al-Malik al-Mu’izz regierte er das Land von 1250 bis 1259. Von dieser Machtbasis aus, drängten sie die Kreuzfahrer weiter zurück.

Zeitgleich breitete sich aus den Steppen Zentralasiens kommend, eine wohl nicht ganz unbekannte, so doch bislang nicht ernsthaft wahrgenommene Streitmacht aus. Mongolische Reiterheere drangen in rasender Geschwindigkeit nach Westen vor. Im Jahre 1258 waren sie bis nach Persien vorgerückt und ohne Rast darüber hinweggezogen, worauf Bagdad erobert wurde. Im Jahr 1260 fiel ihnen Syrien in die Hände. Es kam dabei zu größeren Gefechten mit Kreuzfahrern, die den ungemein wendigen Nomadenreitern hinsichtlich Beweglichkeit unterlegen waren. Die Mongolen streckten ihre Fühler nach Ägypten aus und forderten 1260 Sultan Saif ad-Din (arabisch المظفر سيف الدين قطز) zur Unterwerfung auf. Dieser lehnte ab und rüstete sich gegen einen Einfall, der auf wundersamerweise ausblieb.
Im fernen Mongolenreich war 1259 Möngke Khan (mongolisch ᠮᠥᠩᠬᠡ, 1209 – 1259) verstorben, vierter Großkhan der Mongolen und Enkel des großen Dschingis Khan (mongolisch ᠴᠢᠩᠭᠢᠰ ᠬᠠᠭᠠᠨ, um 1155 – 1227). Es kam augenblicklich zum Erbfolgekrieg. Hülegü (mongolisch ᠬᠦᠯᠡᠭᠦ, 1217 – 1265) Bruder des verstorbenen Großkhans, trat mit der Masse des nach Syrien eingedrungenen Heeres den langen Rückmarsch in die Heimat an, ohne etwas für sich ausrichten zu können. Letztlich entschied ein anderer Bruder, Kublai Khan (mongolisch ᠬᠦᠪᠢᠯᠠᠢ ᠰᠡᠴᠡᠨ ᠬᠠᠭᠠᠨ, 1215 – 1294), den Thronkampf zu seinen Gunsten. Die in Syrien verbliebenen mongolischen Truppenteile, standen unter dem Kommando von Kitbukha († 1260), ein nestorianischer Christ. Der ägyptisch-mameluckische Sultan marschierte zur Rückeroberung Syriens mit seinen Truppen über Gaza bis zur Höhe der Kreuzfahrerfestung Akkon. Die Mongolen in Syrien waren auf der Hut und rückten ihrerseits über den Jordan nach Galiläa vor. Bei Ain Djalut (arabisch عين جالوت) trafen sich beide etwa gleich starke Heere am 3. September 1260. Im Verlauf der heftig ausgefochtenen Kämpfe, konnten sich die vom Sultan teilweise persönlich geführten mameluckischen Streitkräfte und ihre Verbündeten, überraschend gegen die Mongolen durchsetzen. Erstmals wurde ein mongolisches Heer vernichtend geschlagen. Lange Zeit galt diese Schlacht als Wendepunkt mongolischer Westexpansion. Die christlichen Kreuzfahrerstaaten positionierten sich während des Konflikts unterschiedlich. Antiochia und Tripolis verbündeten sich mit den Mongolen ohne jedoch aktiv zu werden, während sich das Königreich Jerusalem halbherzig den Mamelucken anschloss und dabei ebenfalls untätig blieb. Im Verlauf der nächsten Jahre konnten die Mamelucken das von den Mongolen hinterlassene Vakuum auffüllen, ihre Stellung in Palästina und Syrien festigen, um dann nach und nach die christlichen Staaten und Befestigungen zu erobern. 1268 fiel Antiochia, 1289 Tripolis, 1291 Akkon, 1298 Gibelet und als letzte Bastion die Inselfestung Ruad im Jahre 1302. Das Zeitalter der Kreuzfahrerstaaten und der Kreuzzüge ins Heilige Land, ging zu Ende. Die Heiligen Stätten waren fest in die Hand des Halbmondes gefallen. Die Machtverhältnisse im Orient, in Kleinasien und Asien verschoben sich dramatisch. Außerhalb Europas entstanden mächtige Großreiche, die die christlich geprägten Reiche wie das Byzantinische Reich oder das Heilige Römische Reich, in den Schatten stellten.


Kampf um Pommerellen

Unter den großen markgräflichen Brüdern Johann I. und Otto III., wuchs Brandenburg weiträumig nach Osten. Mit Erwerb und fortschreitender Kolonisierung der Neumark, wurde das weiterhin in Einzelherzogtümer unterteilte Polen zum direkten Nachbarn. Im Nordosten grenzte darüber hinaus das Herzogtum Pommerellen, gelegentlich auch Ostpommern genannt, an Brandenburg. Es trennte die nordöstlichen Teile der Neumark vom expandierenden Deutschordensstaat jenseits der Weichsel.

Spätestens seit Markgraf Otto II.,  streng genommen sogar schon seit dessen Vater Otto I., kam es zu wiederkehrenden Konflikten mit den verschiedenen, pommerschen Herzögen. Sie bildeten über Generationen einen wiederkehrenden Aspekt märkischer Hauspolitik. Den brandenburgischen Markgrafen wurde anlässlich des Hoftags von Ravenna November 1231, durch Kaiser Friedrich II. die Belehnung mit Pommern und Pommerellen erneuert. Schon der väterliche Vorgänger, Kaiser Heinrich VI., verfügte die diesbezügliche Lehnshoheit Brandenburgs. Wie in den Berichten über Otto II. und Albrecht II. gelesen, waren die Verwicklungen mit und um Pommern vielfältig und langwierig. Die schweren Kriege gegen Dänemark mit König Knut VI. und dessen Sohn Waldemar II., welche dänischerseits Ansprüche auf die südliche Ostseeküste geltend machen wollten, bildeten die vorläufigen Höhepunkte, an deren Ende für Brandenburg  die erwähnte Belehnung von 1231 stand. Dass zu Ravenna die Oberhoheit über Pommern bestätigt wurde, zementierte aus Sicht der brandenburgischen Markgrafen den endgültigen Rechtsanspruch. Hinter diesen Bemühungen stand das Ziel einen Zugang zur Ostsee zu erlangen. Seit Aufblühen der Hanse, war die Ostsee zum wichtigsten Handelsweg im Norden Europas geworden. Überhaupt bildeten Seewege, sei es über das Meer oder über Flüsse, das Rückgrat des europäischen Fernhandels. Mit der Belehnung Pommerns und Pommerellens erlangte Brandenburg gleichzeitig das Sukzessionsrecht, das Erbrecht für den Fall, dass eine der amtierenden Familien ohne legitimen Erben bliebe. Dieses Sukzessionsrecht war zwar ein formeller, kaiserlich  besiegelte Anwartschaft, für gewöhnlich musste ein solches Recht, das von rivalisierenden Nachbarn missgünstig beäugt wurde, in oft langwierigen Streits, nicht selten mittels eines regelrechten Erbfolgekriegs, durch Gewalt erzwungen werden. Die europäische Geschichte ist voll solcher Beispiele. Ein kaiserlicher Lehnsbrief war zwar  grundsätzlich ein starkes Rechtsargument, vor allem gegenüber Rivalen, trotzdem war er keineswegs Garant einer erfolgreichen Rechtsdurchsetzung. Sich verändernde kaiserliche Interessen, insbesondere nach einem Generations- oder gar Dynastiewechsel, relativierten solche Dokumente mitunter über Nacht. Wenn kaiserliche Partikularinteressen mit den Rechten eines belehnten Reichsvasallen kollidierten, welche Gründe auch immer hier eine Rolle spielten, war das verbriefte Privileg kaum mehr die Tinte wert, mit dem es beurkundet wurde.

Da das Reich zur Durchsetzung königlicher Anordnungen über kein eigenes Exekutionsmittel verfügte, mussten sich streitende Parteien ihr Recht, im vorliegenden Fall ihr Lehnsrecht bzw. Unabhängigkeit, buchstäblich selbst erstreiten. Bei Fragen solcher Dimensionen praktisch immer im Waffengang. Wie bereits oft erwähnt, war das Reich föderal aufgebaut. Eine Vielzahl weltlicher und geistlicher Fürsten, war ständig eifersüchtig darauf bedacht, eine Machtbalance untereinander aufrechtzuerhalten. Man könnte es auch anders ausdrücken, man war nicht daran interessiert, jemanden übermäßig erstarken zu lassen. Das Geflecht aus Bündnissen, Gegenbündnissen, offensiver oder defensiver Natur, war vielfältig und in ständigem Fluss. Heutige Bündnispartner einer Konstellation waren morgen die Interessengegner in einer anderen Zusammensetzung. Das Durchsetzen eigener Rechte, beruhte auf geschickter Ausnutzung zeitlich geeigneter Gelegenheiten und damit oft genug vom Zufall oder glücklichen Umständen abhängig. Die Ausgangssituation war, dass Pommern, den Anspruch Brandenburgs nicht durchgehend anerkannte, und immer nach Möglichkeiten suchte, die Reichsunmittelbarkeit zu erlangen. Brandenburg konnte zur Wahrung seiner Rechte nicht ohne Weiteres zu militärischen Druckmitteln greifen. Die wechselhaften, grundsätzlich komplexen Verhältnisse im Reich und an seinen Rändern, erlaubten keine unüberlegten Aktionen, nur um einen widerspenstigen Vasallen zu züchtigen.

Anmerkung: Sprechen wir von Pommern, sind damit pauschal die unterschiedlichen Herzogtümer entlang der südlichen Ostseeküste, östlich von Mecklenburg, bis zur Weichsel gemeint. Von Fall zu Fall werden spezifische Herzogtümer, die durch Erbteilungen und wechselvolle Zusammenschlüssen im steten Fluss waren, präzise genannt, um Verwechslungen zu vermeiden.

Siegel Herzog Mestwins II.

Galt unser Augenmerk bisher nur den pommerschen Gebieten links der Oder, werfen wir jetzt einen genaueren Blick auf die Verhältnisse entlang der Ostseeküste zwischen Oder und Weichsel, auf das Herzogtum, das als Pommerellen oder Ostpommern bekannt wurde. Die westlichen Teile wurden später Hinterpommern, die östlichen, an die Weichsel angrenzenden Gebiete, Westpreußen zugerechnet. Historisch bildeten sie das Herzogtum Pommerellen, das zu Beginn des Spätmittelalters seinen Fortbestand, eingeklemmt zwischen Polen, dem Deutschen Orden und Brandenburg, mit allerlei Finten und ständig lavierenden Bündnissen und Lehnsverhältnissen, zu bewahren suchte.
Seit 1266 herrschte dort Herzog Mestwin II. (1220- 1294) über ein Teil des geteilten Landes. Am 1. April 1269, im Vertrag von Arnswalde, resignierte er alle seine Landschaften an die Johanneische Linie, und nahm sie von den Markgrafen Johann II., Otto IV. und Konrad I., als Lehen wieder entgegen. Die Art des Vertrags gibt Aufschluss, dass nicht Konrad I., wir kommen noch darauf warum er hier genannt wird, sondern alle Vertreter der Johanneischen Linie als Lehnsherren unterzeichnen.
Wie kam es zu dieser immerhin unerwarteten Wendung? Mit dem Tod des Vaters,  Swantopolk II. (1195 – 1266), wurden die Ländereien Pommerellens unter den zwei Söhnen, dem erstgeborenen Mestwin II. und Bruder Wartisław II. aufgeteilt. Beide Brüder waren nach innen erbitterte Rivalen, betrieben allerdings zeitweise gemeinsame Politik nach außen. Im Frühjahr 1267 zetteln sie einen Krieg gegen den jenseits der Weichsel benachtbarten Deutschen Orden an, der sich seit 1230 rasant nach Osten, entlang der baltischen Küste ausbreitete. Schon der Vater führte In den frühen 1240’er Jahren gegen den Orden Krieg. Mestwin geriet seinerzeit mit 13 Jahren, im Jahr 1243 in Gefangenschaft, aus der er erst fünf Jahre später entlassen wurde. Der 1267 losgetretene Krieg gegen den Orden, endete noch im Sommer des gleichen Jahres mit einer schweren Niederlage, so dass die Brüder um Frieden ersuchten. Vor dem Hintergrund der eigenen Schwäche, war der Schritt sich als Vasall unter den Schutz Brandenburgs zu stellen, ein wohl erwogener Vorgang. Selbst unter dem Risiko, mit dem Deutschen Orden in unmittelbaren Konflikt zu geraten, bliebe den brandenburgischen Askaniern  kaum eine andere Wahl, als einzuwilligen, wollten sie nicht ihr Sukzessionsrecht verlieren, was nicht im Sinne märkischer Politik sein konnte. Es wäre auch geradezu töricht gewesen, immerhin wurde die Gelegenheit, das Land demnächst zu erben, zunehmend günstiger, denn Mestwin II. war zum Zeitpunkt des Vertrags bereits 49 Jahre und hatte noch keinen Erben hinterlassen. Die Wahrscheinlichkeit, dass das Herzogtum an Brandenburg, an die Johanneische Linie fiele, wuchs von Jahr zu Jahr. Dass es wegen des Herzogs zum Konflikt mit dem Orden käme, war kaum zwei Jahre nach Tod des alten Markgrafen Ottos III., welcher wiederholt auf Preußenfahrten den Deutschen Orden tatkräftig unterstützte, kaum zu befürchten, zumal sich die Deutschherren hauptsächlich auf die weitere Expansion nach Ost konzentrierten und von einer Auseinandersetzung mit einem christlichen Nachbarn aus dem gleichen Kulturkreis, ohne das die Not es erforderlich machten, natürlicherweise Abstand nahmen.
Die Rivalität zu Wartisław II. brach jetzt, nach dem unglücklichen Feldzug gegen den Orden, offen aus, Mestwin versuchte den Bruder ganz aus dem Land zu drängen, holte sich hierbei aber eine blutige Nase. Die Nähe zu Brandenburg und die Unterwerfung, war gerade auch auf den lange schwelenden, jetzt offen ausgebrochenen Konflikt mit dem Bruder zurückzuführen. Mestwin ersuchte in dieser für ihn militärisch gefährlichen Situation, Brandenburg um tatkräftigen Beistand im Kampf. Den Markgrafen, genauer Konrad I., gleich kommen wir darauf zurück, wurde für die Hilfe Stadt und Burg Danzig versprochen, das freilich erst noch vom Gegner erobert werden musste, da Stadt, Burg und angrenzendes Gebiet Herzog Wartisław gehörte. Die Angelegenheit war selbstverständlich ganz im Sinne der Markgrafen, die darin die ideale Gelegenheit sahen, einen überaus vorteilhaften Zugang zur Ostsee zu erlangen. Danzig war dank seiner günstigen Lage am Flussdelta der Weichsel, neben Lübeck, zum leistungsstärksten Ostseehafen geworden. Danzigs große deutsche Kolonie, die Zugehörigkeit zur Hanse, die dann unmittelbare Nachbarschaft zum Ordensstaat, war so überzeugend, dass überhaupt kein Zweifel am Nutzen brandenburgischen Beistands aufkommen konnte. Eine bessere, eine leichtere Gelegenheit, konnte es überhaupt nicht geben. Unter  Führung Markgraf Konrads marschierte ein brandenburgisches Heer auf und nahm im Frühjahr 1271 Burg Danzig ein. Die überwiegend deutsche Bevölkerung der Stadt, unterstützte bei der Belagerung. Konrad I., drittgeborener Sohn aus Johanneischer Linie, war, wie wir schon erwähnten, Mitregent neben seinen älteren Brüdern Johann II. und Otto IV. Sein Herrschaftsgebiet gemäß väterlicher Disposition, erstreckte sich auf die Neumark, das brandenburgische Land ostwärts der Oder und damit auf jene märkische Provinz, die in direkter Nachbarschaft zu Pommerellen stand. Er hatte damit ein persönliches Interesse, sein Einflussgebiet zu vergrößern.

Beim Versuch die Stadt zurückzuerobern, fällt Wartisław II. im gleichen Jahr ostwärts Brombergs. Mestwin II. war jetzt mehr oder weniger Alleinerbe der väterlichen Gebiete geworden. An dieser Stelle sollte noch Sambor II. erwähnt werden, ein Onkel. Bruder des 1266 verstorbenen Swantopolk II. Sambor, dem nur eine kleine Herrschaft gehörte, stand während des Konflikts auf der Seite Wartisławs, da er sich von einem Erfolg, eine Erweiterung seines Gebiets zulasten Mestwins erhoffte. 1271 geriet er zusätzlich zum Konflikt mit dem Neffen, in einem Streit mit dem polnischen Herzog Bolesław, zwischen die Fronten, wobei er in dessen Gefangenschaft geriet. Er starb 1277, nachdem er zu Elbing im Jahr 1276 Teile seiner Herrschaft, das Land Mewe, an den Deutschen Orden verschrieb, in der Absicht von dort Hilfe gegen Bolesław zu erfahren, was jedoch nicht erfolgte.
Gleich nach Tod des Bruders, jetzt Herr im eigenen Hause, reute es Mestwin in brandenburgischem Lehnsverhältnis zu stehen. Er forderte, seine eigenen Zusagen in den Wind schlagend, die brandenburgische Garnison auf, Burg und Stadt Danzig an ihn abzutreten, was diese ausschlug. Aus eigener Kraft versuchte er jetzt die Brandenburger aus Danzig, der Blüte des Landes, zu vertreiben. Der Versuch misslang. Die deutsche Bevölkerung, geführt von den Patriziern der Stadt, unterstützten die Märker erneut. Der umtriebige Herzog suchte  Unterstützung bei Herzog Bolesław VI., seinem Vetter. Es war jener oben  erwähnte polnische Teilherzog, aus dem Hause der Piasten. Am 6. Januar 1272  zog dieser mit einem kleinen Heer vor die Burg. Schweres Belagerungsgerät wurde nicht eingesetzt und es schien deswegen wenig aussichtsreich die brandenburgische Garnison samt ihrer städtischen, deutschen Unterstützung überwinden zu können. Die Belagerer legten Feuer und gegen jeder Erwartung wird Stadt und Burg eingenommen, die allermeisten Brandenburger und Deutschen kamen dabei ums Leben. Nur eine Gruppe konnte sich in den großen Turm retten, wo sie Herzog Mestwin in die Hände fielen. Sie wurden wegen Unterstützung der Brandenburger zu hohen Geldstrafen, manche sogar zum Tode verurteilt.

Siegel Herzog Bolesław VI.

Nach einem solchen Verrat, sollte man annehmen, dass das gegenseitige  Verhältnis unüberwindbar zerrüttet wäre, erstaunlicherweise erneuerte Mestwin den von ihm kürzlich erst gewaltsam gebrochenen Lehnsvertrag bereits im Folgejahr aufs Neue. Am 3. September trafen sich die regierenden brandenburgischen Markgrafen der Johanneischen Linie, Johann II., Otto IV. und Konrad I., mit Herzog Mestwin II. auf oder bei einer Brücke über die Drage, der nähere Ort ist nicht bekannt, weswegen man vom Vertrag von Drage-Brücke spricht. Nur wenig Jahre später fiel er wieder von den Brandenburgern ab. Er verweigerte seinen Lehnsherren die Heerfolge in deren Kampf gegen Herzog Bolesław VI. von Polen. Schlimmer noch, er stellt sich auf die gegnerische Seite. Über die Ursachen des neuerlichen Bruchs kann man spekulieren. Eine Reihe von Gründen können genannt werden. Zum ersten und formal wichtigsten, im Vertrag vom 3. September 1273 gab es eine Sonderklausel hinsichtlich Herzog Bolesławs, seinem Verwandten. Mestwin  stand dem Vetter für dessen tatkräftige Unterstützung bei der  Rückgewinnung Danzigs noch in der Schuld, ein gemeinschaftlicher Heerzug mit den Brandenburgern, verbot sich für ihn. Schlussendlich bleibt der Wunsch sich der  Lehnsoberhoheit Brandenburgs zu entwinden, Motiv des anrüchigen Parteiwechsels. Konnte man seine Neutralität noch bestens verstehen, zumal sie ihm durch die erwähnte Vertragsklausel ausdrücklich eingeräumt war, ist sein Übertritt ins mit Brandenburg verfeindete Lager hinsichtlich seines Lehnsverhältnisses unentschuldbar und ein offener Verrat. Herzog Mestwin II. starb am 25. Dezember 1294 in hohem Alter, nachdem er die letzten anderthalb Jahrzehnte in Frieden regieren konnte. Er hinterließ keinen männlichen Erben und die Linie der Samboriden starb mit ihm aus. Ein jahrelanger Erbstreit folgte. Im Vertrag von Soldin vom 13. September 1309, teilten Brandenburg und der Deutsche Orden das Herzogtum Pommerellen letztendlich unter sich auf und übergingen dabei polnische Ansprüche. Mit der 1311 erfolgten Bestätigung durch Kaiser Heinrich VII., war die vorgenommene Teilung von Reichs wegen abschließend legitimiert.


Reichsbegriff & Königsheil

Wir lesen in allen Kapiteln häufig den vielleicht noch nebulösen Begriff vom Reich. Teile dieses Reichs wurden verschiedentlich namentlich erwähnt aber gerade für die Leser, die nicht tiefer mit den politischen Zusammenhängen des Mittelalters vertraut sind, immerhin eine dreigeteilte Epoche von 1.000 Jahren, mag der seit Karl dem Großen in unterschiedlicher Ausprägung verwendete Reichsbegriff indifferent bleiben. Der Evolution des Reichs wurde ein eigenes Kapitel gewidmet. Es reichte, um die jeweiligen Persönlichkeiten an der Spitze und die wechselseitige Gemengenlage bis zu Kaiser Otto I. zu skizzieren. Jetzt, zu Anfang der dritten Phase, dem Spätmittelalter, hat das Reich seinen endgültigen Namen erhalten, Heiliges Römisches Reich, den es bis zu seinem Ende im Jahre 1806 beibehielt.
Schauen wir uns die Karte Mitteleuropas um 1250 an, dem Todesjahr Kaiser Freidrich II., am Übergang vom Hoch- zum Spätmittelalter.

 

 

 

 

 

 

Die Territorialisierung innerhalb der weiträumigen Reichsgrenzen war am Anfang des Spätmittelalters schon weit fortgeschritten. Ein Flickenteppich von reichsunmittelbaren Fürsten, weltliche wie geistige, hebt ein prägnantes Merkmal heraus, das föderale Prinzip, das sich unruhig die Waage haltend, dem Reich eine politische Struktur verlieh. Auch der Laie wird erkennen, dass das Wesen des Reichs nicht nationaler Art war, gar nicht sein konnte. Auch wenn seine Könige und Kaiser seit 911 bis zum Tod Wilhelms von Holland, immer aus dem deutschen Kulturraum stammten, waren seine Glieder multinational, multiethnisch und in überschaubaren Grenzen auch multikulturell. Die weit entwickelten Regionen Oberitaliens, Burgunds und entlang des Rheins, unterschieden sich von den schwächer entwickelten Gebieten ostwärts des Rheins und den später hinzukommenden, deutschen Siedlungsgebieten rechts der Elbe. Ein geografisch dauerhaftes Machtzentrum kannte dieses Reich nicht. Seine Macht, seine Legitimität bezog es zunächst vor allem aus einer ideellen Vorstellung, einer Idee von universeller Verbundenheit, geeint durch den christlichen Glauben. Die Kirche war es, die dem Reichsgedanken sakralen Inhalt verlieh und göttlichen Segen. Gleichzeitig kam es in der Ausübung der Macht zu andauernden Konflikten und Zerwürfnissen zwischen dem jeweiligen weltlichen Haupt, dem Kaiser, und dem geistlichen Haupt, dem Papst. Generationen von Saliern, Staufern, auch von Einzelkandidaten aus dem Haus der Welfen oder Wittelsbacher, überwarfen sich bis aufs Blut mit dem Papsttum. Auch wenn die römische Kirche mit dem Mittel der Kirchenacht und dem Interdikt den Kampf auf eine religiöse Ebene hob, standen dahinter doch rein machtpolitische Interessen, der Streit um die universelle Macht in der Christenheit. Schaffte es der Bischof von Rom, der Papst, sich spätestens zu Beginn des Frühmittelalters über seine Mitbischöfe zu erheben, auf diese Weise eine Position einzunehmen, die herausragend war, nahm nach Niedergang des Römischen Reichs, das fränkische Herrschergeschlecht der Merowinger die weltliche Rolle einer Schutzmacht des Papstes ein. Aus einem längere Zeit funktionierenden Zweckbündnis aus geistiger und weltlicher Gewalt, wurde unter den späten Saliern der große Gegensatz.

Konnte sich der Papst, kraft der über Generationen erarbeiteten geistlichen Deutungshoheit, auf das etablierte Kirchendogma stützen, benötigten die römisch-deutschen Könige und Kaiser, vor allem in den Phasen besonders intensiver Auseinandersetzungen mit Rom, eine eigene Legitimierung. Der altgermanische Heilsglaube kam zu Hilfe. In der Vorstellung der Menschen spielte es eine gewichtige Rolle, ob ein gewählter Anführer über Königsheil verfügte.  Die Vorstellung, dass ein erfolgreicher Herrscher mit besonderem Heil, Glück oder Segen ausgestattet war, weil ihn die Götter, oder mit erfolgter Christianisierung, der eine Gott offensichtlich liebte, verbanden sie mit dem Glauben an ein Königsheil, das dem wahrhaftigen Herrscher zuteil wird.  Wahrnehmbare Erfolge dienten den römisch-deutschen Königen und Kaisern als göttlicher beglaubigter Legitimationsnachweis ihres Herrschaftsanspruchs und wurde, wo immer es ging, propagandistisch mit den Mitteln der Zeit verbreitet. Das Reich fußte lange auf der Idee universeller Einheit, über Kultur- und Sprachbarrieren hinweg, die sich in der Person des Reichsoberhaupts symbolisch manifestierte. Das Auftreten frühnationalstaatlicher Konstrukte an seinen Grenzen, die wachsende Autonomie der Reichsfürsten, allen voran der Kurfürsten und der Separatismus vieler Regionen, reduzierte fortschreitend den multikulturellen Charakter des Reichs. Der ohnehin dominierende deutsche  Anteil trat weiter hervor. Gegen Ende des Spätmittelalters und mit Verlust der meisten reichsitalienischen Provinzen, wurde dem Begriff „Heiliges Römisches Reich“ der Zusatz, „Deutscher Nation“ angehängt. Das Reich bekam einen novh deutscheren, nationaleren, doch keinen nationalstaatlichen Charakter. Dass der Reichsgedanke unter Karl dem Großen erstmals entfaltet, über tausend Jahre erhalten blieb, auch wenn die kaiserliche Autorität und die Macht des Reichs in Wellen fortwährend geringer wurde, ist einer der bemerkenswertesten Umstände der europäischen Geschichte.


Konflikte und örtliche Rückschläge für Brandenburg

Die Kampagne um Danzig, gegen den abgefallenen Vasallen Mestwin II., ging mit Unterstützung dessen Vetters, des Herzog Bolesław VI., für Brandenburg im Februar 1272 verloren. Wie wir sahen, konnte Markgraf Konrad I. aus seiner neumärkischen Provinz heraus, ohne den militärischen Beistand der Brüder, die sich zeitgleich im Krieg mit den Herren von Werle und Schwerin befanden, nichts gegen die Belagerung und Eroberung verrichten noch als angemessene Reaktion  zum Gegenschlag mit Aussicht auf Erfolg rüsten. Brandenburg hielt an den Ansprüchen auf Danzig fest, auch wenn augenblicklich die Mittel zur Durchsetzung fehlten.

Noch im Frühling des gleichen Jahrs, kam es im Südwesten der Mark zu Verwicklungen mit Magdeburg. Dem ausbrechenden Streit, gingen seit Jahren Bestrebungen der Johanneischen Linie voraus, den jüngsten der Brüder aus erster Ehe Johanns I. im Erzbistum Magdeburg einen Platz im dortigen Domkapitel zu verschaffen. Schon am 20. Juni 1264 forderte Papst Urban IV. die dortigen Domherren erfolglos dazu auf. Gelänge es den zum geistlichen Stand vorbereiteten Bruder auf den Stuhl des Erzbischofs zu setzen, wäre Brandenburg nach Südwesten abgesichert und erstmals seit Generationen, mit dem Erzbistum dauerhaft befriedet. Bemerkenswert ist die Energie mit welcher Otto IV. dieses Projekt vorantrieb und nicht Johann II., als dem ältesten Vertreter dieses brandenburgischen Zweigs. Der von den Markgrafen aufgebaute Druck trieb Magdeburg, schon zwangsläufig an die Spitze eine Koalition, die gegen Brandenburg gerichtet war. Am 1. Mai 1272 zeichnete sich im Zuge eines explizit gegen die Johanneische Linie gerichteten Defensivbündnis, ein ernsthafter Konflikt deutlich ab, würden die Markgrafen, würde Otto IV. nicht von seinen Ambitionen für  den Bruder abrücken. Erzbischof Konrad von Magdeburg schloss mit den Herren von Werle und Grafen von Schwerin, sowie den Herzögen von Mecklenburg und Rügen. Mit dem Nikolaus von Werle und Graf Gunzelin von Schwerin,  standen die Markgrafen bereits im eingangs des Abschnitts erwähnten Krieg. Dabei ging es mit einigermaßen großer Sicherheit um länger schon schwelende Grenzstreitigkeiten nördlich der Prignitz. Die erhaltenen Aufzeichnungen geben keine genaueren Angaben an, so dass es eine Vermutung bleibt. Schon die Ottonische Linie stand bis zum 9. Juni 1269 im Krieg mit den gleichen Parteien, woraus die Schlussfolgerung zulässig erscheint, dass die strittigen Punkte wohl noch in die Generation der Väter zurückreichten und jetzt kleckerlesweise ausgetragen wurde.

Das Bündnis im Westen, kam zu einer Zeit, als im Osten, in der Neumark, an der Grenze zu Polen, eine Serie von Niederlagen und Verlusten wichtiger Grenzburgen, die brandenburgische Expansion über die Warthe hinaus zum völligen Stillstand brachte und  überhaupt ein empfindlicher Rückschlag zu befürchten war, sollte sich der einsetzende Trend fortsetzen. Zunächst verwundert es, dass die Johanneische Linie mit Johann II., Otto IV. und Konrad I., nicht mit aller Entschiedenheit entlang der Neumark und in Danzig, die brandenburgischen Interessen verteidigte und zum gemeinsamen Gegenschlag ausholten. Die seit Erbteilung und Ableben der alten Markgrafen in der fragilen Mark auftretenden Problem, nahmen schlagartig überhand. Die Vertreter der beiden Hauptlinien, waren in ihren jeweiligen Refugien zu sehr auf unabhängiges Wirken bedacht, als dass sie durch ein gemeinsames Vorgehen ein deutliches Zeichen setzten. Die meisten Probleme waren aufgestaute Altlasten der vorherigen Generation, die sich jetzt entzündeten. Neben den bereits erwähnten Konflikten mit Herzog Mestin II., Herzog Bolesław VI., Nikolaus von Werle, dem Grafen Gunzelin von Schwerin, den sich seit Mai 1272 abzeichnenden Konflikt mit Magdeburg, wodurch die magdeburgischen Bündnispartner aus Mecklenburg und Rügen ebenfalls im Lager der Gegner erschienen, gab es noch einen Konflikt im Land Bautzen, mit der Kirche von Meißen . Die Liste der Rivalen, momentanen Kriegsgegner und alsbaldigen Feinde, war lang. Die drei genannten Brüder taten im Moment gut daran, keine überstürzte Gegenreaktionen zu unternehmen, so berechtigt sie auch gewesen wären. Es galt einen drohenden Flächenbrand zu vermeiden und auf geeignetere Zeiten zu harren.

Trotz der regionalen Rückschläge an der neumärkischen Nordostgrenze, und dem laufenden Konflikt mit Werle und Schwerin, ging das Jahr 1272 ohne weitere Schwierigkeiten über die Bühne und die Lage eskalierte nicht weiter. Viele vergleichbare Fehden schliefen ein, war der erste Beuterausch vorerst befriedigt und die andere Seite nicht zum Gegenschlag in der Lage, konnte später aber erneut aufflammen.


Ende des Interregnums

Das Jahr 1273 brachte eine entscheidende Wendung in der festgefahrenen Situation an der Spitze des Reichs. Über die Zeit des Interregnums wurde schon berichtet. Nach dem Tod Kaiser Friedrich II., dem nach nur vier Jahren Regentschaft auch Sohn Konrad IV. in den Tod folgte, gab es drei weitere, gewählte Könige, ohne dass es einem davon gelang, echte Autorität zu entfalten. Die Versuche den kaum dem Knabenalter entwachsenen Konradin, letzter legitimer Nachkomme der Staufer, über den Umweg eines erfolgreichen Heerzugs nach Unteritalien, für die Königswürde zu empfehlen, endete mit dessen Niederlage und seiner schändlichen Hinrichtung.

König Rudolf I.

Das unselige Schattenkönigtum gleich zweier, wegen ungünstiger Umstände in ihren heimatlichen Ländern zur Ausübung nachhaltiger Reichsregierung unfähiger Herrscher, endete mit dem Tod Richards von Cornwall im Frühjahr 1272. Zwar beanspruchte Alfons von Kastilien als der zweite gekürte Monarch die Regierung, doch fand er keinen Anhang  mehr. Die Abkehr der askanischen Kurfürsten spielte dabei eine wichtige Rolle. Im Reich strebten die Kurfürsten die Wahl eine neuen, handlungsfähigen Oberhaupts an.

Am 1. Oktober 1273 wählten die zu Frankfurt versammelten Wahlfürsten, oder deren Vertreter, den Grafen Rudolf von Habsburg einstimmig zum neuen römisch-deutschen König. Der Mainzer Erzbischof hatte zu Michaelis (29. September) die wahlberechtigten Fürsten nach Frankfurt geladen. Die Wahl kam zwei Tage später zustande. In den Überlieferungen wird nicht namentlich erwähnt, wer brandenburgischerseits die Wahlstimme ausübte, nur dass einer der Markgrafen von Brandenburg teilnahm. Es darf angenommen werden, dass dies Johann II. als Erstgeborener der Johanneischen-, der älteren Markgrafenlinie gewesen ist. Gibt die indifferente Angabe vielleicht einen Hinweis, dass für den Chronisten zur Zeit der Wahl überhaupt nicht klar war, möglicherweise nicht klar sein konnte, welcher der Markgrafen das Stimmrecht ausüben würde und es letztendlich tat? Ist denkbar, dass wegen der langen brandenburgischen Passivität in Reichsangelegenheiten und den in Brandenburg vorherrschenden Regierungsverhältnissen, wo mehrere Markgrafen halb einträchtig, hab separiert in ihren Teilgebieten agierten, der oder die anwesenden Markgrafen nicht unterschieden werden konnten, weil sie im Westen des deutschen Reichsteils größtenteils unbekannt waren? Denkbar wäre es.

Es gibt ferner Grund zur Annahme, dass sich damals bereits erste Rivalitäten zwischen beiden brandenburgischen Zweige abzeichneten. Die Anwesenheit Ottos V., seit dem frühen Unfalltod des älteren Bruders nunmehr Anführer der Ottonischen Markgrafenlinie, spätestens anlässlich der Krönung Rudolfs in Aachen, lässt die Schlussfolgerung zu, dass er für sich und sein Haus das Kurrecht anstrebte, ob mitbestimmend oder gar selbstständig, bleibt offen. Doch egal wie, es hätte eine gefährliche Zersplitterung Brandenburgs bedeutet, jene Gefahr, gegen die sich die Väter so entschieden mit ihrer wegweisenden Gebietsteilung unter Beibehaltung der politischen Integrität Brandenburgs, gestemmt hatten. Otto V. erscheint um diese Zeit als Zeuge und Mitunterzeichner auf einer Reihe Willebriefe, mittels denen sich der Monarch die Zustimmung zu Handlungen das Reichsgut betreffend, beglaubigen ließ. Markgraf Johann II. ging leer bei der Wahl aus. Ottokar von Böhmen traf es freilich noch härter, wie wir noch sehen werden. Wir erinnern uns, schon anlässlich der Wahl Richards von Cornwall 1157, wurden große Summen verteilt, um eine ausreichende Stimmmehrheit zu erkaufen. Rudolf von Habsburg hielt es nicht anders, wozu er die die ohnehin stark zurückgegangen, dem Reich noch verbliebenen Einnahmen aus den Reichsregalien weiter verpfändete. Dabei ging Rudolf in kluger Voraussicht vor. Indem er den Konsens der Fürsten einholte, machte er sich gleichsam mitverantwortlich. Der Mainzer Erzbischof erhielt bei dieser Gelegenheit beispielsweise den einträglichen Rheinzoll bei Boppard. Dem Erzbischof von Köln wurde die Reichsstadt Dortmund und bis zu seinem Ableben, ebenso Kaiserswerth verschrieben. Dem Erzbischof von Trier wurden fast schon bescheiden anmutende 1555 Kölner Mark Silber erteilt. Pfalzgraf Ludwig bei Rhein erhielt die Hand von Rudolfs Tochter Mathilde, mit der er anschließend in dritter Ehe lebte. Hierzu gab es die stolze Summe von 10.000 Kölner Mark Silber als Mitgift. Damit hatte es sich noch lange nicht. Ludwigs gleichnamiger Sohn aus erster Ehe, erhielt weitere 5.000 Mark und zu guter Letzt kamen dem Pfalzgrafen die oberschwäbischen Güter der Staufer, wie auch umfangreiche Besitzungen in der Oberpfalz zugute. Eine außerordentliche  Zuwendung, die dem Wittelsbacher  Pfalzgrafen bei Rhein und gleichzeitigem Herzog von Bayern damit zuteil wurde. Vier der sieben Kurstimmen hatte Rudolf sicher, erstaunlicherweise erkaufte er sich noch zwei weitere Stimmen. Zunächst die Herzog Albrechts II. von Sachsen-Wittenberg, dem Rudolfs Tochter Agnes zur Frau versprochen wurde. Als Mitgift wurde ihm die lukrative Vogtei Lübecks gegeben. Abschließend erhielt der bayrische Herzog Heinrich, Bruder des Pfalzgrafen Ludwig, skandalöser Weise die Kurstimme Böhmens. Ein Affront, eine schallende Ohrfeige und offener Bruch mit dem böhmischen König, der bei der Wahl durch den Bamberger Bischof vertreten wurde. Rudolf kaufte sich mit den reichen Schenkungen an die Wittelsbacher, zwei wichtige Verbündete, besonders in Person des zukünftigen Schwiegersohns. Mit Entzug der böhmischen Kurstimme und Weitergabe an Heinrich von Bayern, warf er Ottokar von Böhmen sinnbildlich den Fehdehandschuh hin, der diesen Akt öffentlicher Missachtung nicht anders als eine unausgesprochene Kriegserklärung auffassen konnte. Brandenburg ging bei alldem völlig leer aus, wie schon 1257, doch wie konnte das möglich sein? In Sachen Reichspolitik hielten sich die Markgrafen schon  Generationen zurück, abgesehen von Albrecht II., traf dies bis auf den Dynastiegründer Albrecht den Bären, auf in Grunde jeden askanisch-brandenburgischen Markgrafen zu.

Markgraf Johann II.

Die Ferne des Reichszentrums, machte diese Passivität leicht, doch machte sie sich mittlerweile auch wiederholt negativ bemerkbar. Rudolfs scheinbare Missachtung Brandenburgs, entpuppte sich bei näherer Betrachtung als politische Raffinesse. Die Anwesenheit der jüngeren Ottonischen Linie in Person Markgraf Ottos V. anlässlich der Krönung in Aachen, vielleicht sogar schon während des Wahlakts zu Frankfurt, war entweder von Beginn an kein Zufall oder ergab sich aus dem sich deutlich abzeichnenden innerbrandenburgischen Gerangel um das Kurrecht, das für Rudolf die passende Gelegenheit bot, einen Keil in das nach Fläche gewaltige nordostdeutsche Fürstentum zu treiben und es auseinanderzudividieren. Wie die näheren Umstände auch gewesen sein mögen, der designierte König wusste die Situation für sich ressourcenschonend zunutze zu machen und spielte wohl beide Vettern hinsichtlich des Kurrechts gegeneinander aus, so dass wahrscheinlich Johann II. seine Kurstimme ohne Gegenleistung hergab, wenn er sie dadurch seinem Zweig, dem älteren, dauerhaft exklusiv erhalten konnte, während Otto V. dem König bei der Verteilung von Reichsgut die Willebriefe gegenzeichnete, so beispielsweise am 27. Oktober und 24. November.

Rudolfs Wahl fällt in der Beurteilung der Historikern bis heute gespalten aus. Viele vertreten den sicher nicht völlig ungerechtfertigten Standpunkt, vorbelastet vom Bild alter Chronisten, dass mit voller Berechnung ein vermeintlich relativ schwacher, in Ermangelung ausreichender Mittel zu unabhängiger Regierung nicht befähigter Monarch gewählt wurde, der ohne den Beistand und Ratschluss der Kurfürsten, besonders der rheinischen, im Grunde handlungsunfähig wäre. Immerhin handelte es sich bei dem Grafen aus dem schweizerischen Aargau, um keinen hohen, keinen mächtigen Reichsfürsten. Der böhmische König bestritt sogar dessen Reichsunmittelbarkeit. Tatsache war, er stammte aus einer noch vor einer Generation kleinen, recht unbedeutenden Grafschaft und verfügte demgemäß über keine ins Gewicht fallende Hausmacht. Auch war Rudolf bei der Wahl bereits 55 Jahre alt, eine lange und einflussreiche Regentschaft war vor diesem Hintergrund kaum zu erwarten. Über Bildung verfügte er praktisch nicht. Er war dem Prinzip der Zeit, von kleinauf auf zum ritterlichen Leben als Kämpfer erzogen worden. Ein Leben, das sich im Mittelalter hauptsächlich auf Beredsamkeit, den Umgang mit der Waffe und höfische Sitten konzentrierte. Der Schrift nicht mächtig, sprach er auch kein Latein. Nach Tod des Vaters, bewies er viel Geschick bei der Erweiterung des Habsburger Herrschaftsgebiets. Im südwestdeutschen Raum gelang es ihm eine regionale Machtbasis zu schaffen, die trotzdem im Vergleich zu anderen, mächtigeren Reichsfürsten, klein ausfiel.

Was konnte man also von diesem am 24. Oktober 1273 in Aachen gekrönten Habsburger an der Spitze des Reichs erwarten? Der Kauf der Wittelsbacher, so teuer es war, blieb ein kluger diplomatischer Winkelzug, der ihn von vornherein politisch unabhängig von den rheinischen Erzbischöfen machte. Vielleicht noch einige Sätze zur zugesagten Mitgift. Die insgesamt 15.000 Mark Silber besaß er natürlich nicht und selbstverständlich rechnete sein Schwiegersohn wohl auch kaum mit einer Barzahlung. Der König verschrieb ihm als Pfand stattdessen die Steuer einer Reihe von Reichsstädten, was Ludwig wahrscheinlich ohnehin lieber war, erhoffte er sich dadurch eine dauerhafte Unterwerfung dieser Städte, darunter das aufstrebende Nürnberg.

Rudolf stand mit dem Papst in gutem Einvernehmen. Dies traf auf die meisten römisch-deutschen Könige zu Beginn ihrer Regentschaft zu. Vergessen wir nicht, das selbst der seinerzeit noch junge Staufer Friedrich II., vom Papst zum Erwerb der Reichskrone animiert und tatkräftig unterstützt wurde. Das Verhältnis von Reichsoberhaupt und Kirchenoberhaupt, trübte sich für gewöhnlich, man muss es fast so sagen, denn es folgte darin fast schon einem politischen  Naturgesetz, im Laufe der jeweiligen Regentschaft. Unabhängig der derzeitigen Ausgangslage im Verhältnis zur Kirche, ganz allgemein war die Lage gleich zu Beginn seiner Regierung nicht rosig. Sowohl der französische König Philipp III., aber vor allem König Ottokar II. von Böhmen, waren als Kandidaten angetreten. Übrigens auch wieder ein Askanier, diesmal aus dem anhaltinischen Zweig, doch konnte sich, wie wir sahen, letztlich der Habsburger durchsetzen. Gregor X. sprach sich höchstpersönlich gegen die Kandidatur des jungen französischen Königs aus. Dessen Onkel, der ruchlose, in Neapel regierende Karl I. von Anjou, hatte den unerfahrenen jungen Mann ins Spiel gebracht, weil er sich davon erhoffte, in den eigenen italienischen Ambitionen, wenn nicht aktiv Unterstützung, so doch verwandtschaftliche Duldung zu erfahren. Der Papst konnte diesem Vorhaben nur abgeneigt, ja feindlich gesinnt sein. Die Wahl des französischen Anjou-Kandidaten zum römisch-deutschen König, während gleichzeitig ein Onkel in Unteritalien selbstbewusst und expansiv regierte, hätte eine brandgefährliche Vormachtstellung einer neuen Herrscherdynastie heraufbeschworen. Die Lage wäre mitunter schlimmer gewesen, als bisher. Der generationenlange Kampf gegen die Staufer und deren schlussendliche Ausrottung, wären nutzlos geworden. Indem der Papst sich bei den geistlichen Kurfürsten gegen Philipp aussprach, war der Franzose aus dem Rennen. Gegen den askanischen Kandidaten aus dem Hause Anhalt waren die rheinischen Kurfürsten von sich aus. Sie waren besorgt, wenig bis keine Kontrolle auf ihn  ausüben zu können. Ein König aus dem Geschlecht der mächtig gewordenen Askanier, konnte sie nicht wollen, weil im sächsischen Raum allenfalls noch mit dem aufstrebenden Wettiner Haus, ein ernstzunehmendes Gegengewicht existierte, seit die Askanier sowohl mit dem welfischen Haus und über die brandenbugisch-ottonische Linie, mit dem böhmischen Königshaus, eng verwandt und verbündet waren. Die dänische Verbindung dabei überhaupt noch nicht erwähnt. Der auf den ersten Blick vermeintlich machtloseste Kandidat, hätte sich wahrscheinlich, gestützt auf das enge Netzwerk im sächsisch-ostsächsisch-böhmischen Raum, im Sinne der eigenen Sippe entwickelt und nicht im Mainzer oder Kölner Sinne und deren mittlerweile machtgewohnten Erzbischöfen. Bleibt noch der böhmische Kandidat. Ottokar II. scheiterte schlicht gesagt, wegen seiner Machtfülle. Im Reich gab es keinen kraftvolleren Territorialfürsten. Er hätte sich, durch das enge Verhältnis zu Brandenburg noch gefördert, jeder Kontrolle und Einmischung mit Leichtigkeit entziehen und autonom regieren können. Getrieben von der Furcht vor einem unabhängigen König, war für ihn keine Mehrheit zu erlangen, so wie bereits 1257. Selbst mit den askanischen Kurstimmen aus Sachsen-Wittenberg und Brandenburg, stand eine knappe rheinische Mehrheit aus Mainz, Köln, Trier und des Wittelsbacher Pfalzgrafen bei Rhein dagegen. Ottokar wollte, seinem hitzigen Naturell folgend, trotzdem nicht aufgeben und versuchte unmittelbar nach Wahl und Krönung Rudolfs I., bei Papst Gregor X. dessen Approbation zur Kaiserkrone zu hintertreiben, womit er allerdings scheiterte. Rudolf galt in Rom zwar als ein latenter Sympathisant der vergangenen Staufer, der Vater war ein eindeutiger Parteigänger gewesen, doch verstand er es, die dortigen Bedenken zu zerstreuen. Er gab glaubhaft allen italienischen Ambitionen eine entschiedene Absage und vermied hierdurch eine der entscheidenden Konfliktursachen, die vor ihm zu jener unversöhnlichen Rivalität zwischen Staufern und Kurie führte. Den Papst gewonnen, die Wahl gewonnen, blieben also die beiden mächtigen Könige aus Frankreich und Böhmen. Beides verprellte Rivalen im Wettstreit um die Reichskrone, der Böhme dabei aus bekannten Gründen deutlich mehr. Philipp III. von Frankreich gewann Rudolf durch umfangreiche Zugeständnisse Reichsburgund betreffend. Hier erkaufte sich der neue König durch die Aufgabe alter Reichsrechte den Frieden, womit er sich bei vielen späteren Historikern einen schlechten Namen machte. Ganz anders die Sachlage im Hinblick auf Ottokar II., der nicht nur wegen seiner erneuten Nichtwahl frustriert war, sondern wegen des Entzugs der Kurstimme nachvollziehbaren Groll hegte.

Böhmen gehörte als integraler Bestandteil seit dem Jahr 1002 zum Reichsverband und war seither der größte, zusammenhängende Flächenstaat, innerhalb des Reichs. Die besondere Stellung Böhmens im Reichsverband, zeigte sich nicht nur im Privileg zur Königswahl, das so auch noch nicht lange existierte, sondern mehr noch dadurch, dass es einen eigenen König besaß. In der Golden Sizilianischen Bulle von 1212, bestätigte Kaiser Friedrich II. das Erbkönigtum Böhmens endgültig. Es war der Dank für die böhmische Unterstützung Friedrichs, bei dessen Erwerb der römisch-deutschen Krone.

Ottokars Erwerbungen seit 1251

Unter der Regentschaft Ottokars wuchs die Macht und das Territorium Böhmens signifikant. Die Zeit des Interregnums, der Führungslosigkeit im Reich, ausnutzend, eignete er sich mit Aussterben der Babenberger, nacheinander die Herzogtümer Österreich und Steiermark und Kärnten, ebenso Krain und die Windische Mark sowie das Egerland an. Ein ungeheuerlicher Macht- und Territorialzuwachs. Sein Königreich reichte seit 1253 von der Südgrenze der Oberlausitz im Norden, bis Istrien an der Adria im Süden. Der König von Böhmen hatte damit eine Machtfülle erreicht, wie sie seit Heinrich dem Löwen kein zweiter Reichsfürst besaß. Wir erwähnten es, schon 1257, nach dem Tod Wilhelms von Holland, strebte Ottokar die römisch-deutsche Königskrone und Kaiserwürde an. Damals als ein, wenn auch, wie die Askanier, wechselhafter Vertreter der Stauferpartei, stieß er naturgemäß auf den Widerstand der Kurie, und mehr noch auf die erwähnte Furcht der wahlberechtigten Fürsten, vor einem zu mächtigen Fürsten. Demgemäß entschieden sich die rheinischen Kurfürsten, außer Trier, für den spendablen Richard von Cornwall, während eine gleichgroße vermeintlich staufisch gesinnte Gegenpartei, noch im gleichen Jahr Alfons von Kastilien zum Gegenkönig wählten. Mit der wiederholten Erwähnung der Wahl von 1257, soll der sich zwischenzeitlich abzeichnende Machtkampf zwischen den wahlberechtigten Fürsten und dem Reichsoberhaupt herausgestellt werden. Seit dem Tod Kaiser Konrads IV., sahen sich, getragen durch die rheinischen Kurfürsten, jene als eine Art Reichsverweser an die Seite des jeweiligen Königs oder Kaisers. Diese Tendenz setzte sich in den kommenden Generationen weiter fort.

Unerwarteterweise  zeigte Rudolfs Herrschaft fast augenblicklich selbstbewusste und kraftvolle Züge. Er war im deutschen Reichsteil bestrebt, die verlorenen Krondomänen wieder in den Besitz der Krone zu bringen. Im Schlussjahrzehnt der Regierung Kaiser Friedrichs II., waren diese durch Verpfändung größtenteils verloren gegangen. Durchsetzen konnte sich der neue König vor allem im süd- und mitteldeutschen Raum. Im Norden des Reichs entfaltete Rudolf dagegen fast keine Autorität und war dort auf die wenigen norddeutschen Reichsstädte als Rückhalt angewiesen. Sehr erfolgreich war er, durch kluge Heiratspolitik wichtige Reichsfürsten an sich zu binden und seine Herrschaft dadurch zu festigen. Alles in allem gelang es Rudolf I. das Reich im Inneren zu stabilisieren und die Zentralgewalt zu stärken.
Alfons von Kastilien, der 1257 neben Richard gewählt wurde, verzichtete nach Druck der Kurie und wegen Ausbleiben jeglicher Unterstützung durch die  Reichsfürsten, auf seine Thronansprüche im August 1275, so dass Rudolf nun unbestrittener römisch-deutscher König war.


Krise und Krieg gegen Böhmen

Im Sommer 1276 zeichnete sich im Reich ein neuer Krieg ab, der auch die Ottonische Linie Brandenburgs mit einbezog. Zwei Könige, von denen einer, König Ottokar II. von Böhmen, dem Buchstaben nach Reichsvasall Rudolfs I. war, diesen jedoch nicht anerkannte.

König Ottokar II. von Böhmen
hier als Markgraf von Mähren

Rudolf war von der Herkunft, ein einfacher Graf und aus Sicht des böhmischen Königs, von weit untergeordneter Abstammung. Stolz und erhebliche Machtfülle, traf auf einen ambitionierten Herrscher, der nicht gewillt war, die Autorität der römisch-deutschen Krone weiter sinken zu lassen und der die böhmischen Erwerbungen während der Zeit des Interregnums nicht legitimierte. Über die Anstrengungen Rudolfs hinsichtlich der verlorenen Kronlande wurde berichtet. In diesem Zusammenhang wurde von den signifikanten Gebietserweiterungen Böhmens anlässlich des Untergangs der Babenberger Linie gesprochen. Formell wären die Ländereien der Babenberger als sogenanntes erledigtes Reichslehen zurück ans Reich gefallen. Aus den bekannten Gründen, nämlich dem Fehlen jeglicher Autorität während des Interregnums, eignete sich Böhmens König die  verwaisten Gebiete an, zu denen wie schon erwähnt, neben Ober- und Niederösterreich, die Steiermark, Kärnten und Krain gehörten. Anlässlich des Nürnberger Hoftags November 1274, wurde beschlossen, dass der böhmische König vor einem ordentlichen Gericht Rechenschaft für die unrechtmäßige Aneignung von Reichslehen leisten muss. König Rudolf I. trat dabei als Ankläger auf. Zum Richter wurde Herzog Ludwig von Bayern, Pfalzgraf bei Rhein berufen, Rudolfs Schwiegersohn. Innerhalb einer Frist von neun Wochen, sollte sich der böhmische König zu Würzburg einfinden. Erwartungsgemäß erschien dieser nicht. Er schätzte Rudolf als ihm in Sachen Machtmittel völlig unterlegen ein und damit nicht in der Lage die Forderungen des Reichs durchzusetzen. Erst im Mai schickte Ottokar mit Bischof Wernhard von Seckau einen Gesandten zum Hoftag nach Ausgburg. Der Bischof überbrachte dabei die Botschaft Ottokars, dass dieser die Königswahl ganz offiziell in Frage stellt. Überraschend für den böhmischen König, stellten sich die Reichsfürsten hinter Rudolf, dem es  gelungen war, in der kurzen Zeit seit seiner Krönung, die wichtigsten Reichsfürsten Süd- und Mitteldeutschlands hinter sich zu bringen. Über den böhmischen König wurde am 24. Juni 1275 die Reichsacht ausgesprochen und er wurde aller seiner Reichslehen für verlustig erklärt. Dem Modus gemäß, blieb ihm nun ein Jahr Zeit, um sich vor einem Gericht zu verantworten um aus der Acht genommen zu werden. Ottokar legte es zweifelsfrei auf einen kriegerischen Konflikt an. Er erschien auch diesmal nicht, womit am 24. Juni 1276 die Aberacht über ihn verhängt wurde. Er war jetzt von Reichs wegen völlig rechtlos. Der Aberacht folgte der vom Mainzer Erzbischof ausgesprochene Kirchenbann sowie das Kircheninterdikt über ganz Böhmen und Mähren. Besonders das Druckmittel des Interdikts zeigte für gewöhnlich Wirkung unter den gläubigen Menschen des Mittelalters. Während des Interdikts waren alle Kirchenhandlungen für ein unter dem Bann stehendes Gebiet untersagt. Keine Kindstaufe, keine Trauungen, keine Beichten, letzten Ölungen oder christlichen Begräbnisse wurden vorgenommen. Für die Gläubigen ein schier unerträglicher Zustand, der meistens über kurz oder lang zu offenen Unruhen in den betroffenen Gebieten führte. Der Waffengang war nun unumgänglich. Rudolf scharte eine bemerkenswerte Reihe von Verbündeten entlang der westlichen und südlichen Grenzen Böhmens um sich, darunter Meinhard und Albert von Tirol, Philipp von Spanheim, der zuvor mit dem Herzogtum Kärnten belehnt wurde, welches aber noch zu erobern war. Weiter der Erzbischof von Salzburg, verschiedene ungarische Adlige, die wiederholt gemeinsam mit ihrem König im Krieg mit Ottokar lagen, Herzog Heinrich von Niederbayern und zuletzt noch Rudolfs treuer Parteigänger und wichtigster Wahlhelfer, Friedrich III. von Hohenzollern, Burggraf von Nürnberg.

Burggraf Friedrich III. eröffnete die allgemeinen Kampfhandlungen, indem er von Franken aus ins Egerland einfiel. Kurz darauf brachen die Grafen Mainhard und Albert von Tirol in Krain und Kärnten ein. Sehr schnell erlosch dort der Widerstand. Rudolf selbst drang in Österreich ein, belagerte Wien, dass nur kurzfristig verteidigt werden konnte und vom Herzog von Niederbayern, der mit dem Hauptkontingent der Truppen dem König vorausgeeilt war, rasch eingenommen wurde. Am 21. Oktober 1276 musste Ottokar zu Wien Frieden schließen. Im November des gleichen Jahres war er gezwungen, sich in einem  demütigenden Akt Rudolf zu unterwerfen. Alle seine außerböhmischen Gebiete gingen verloren. Dennoch blieben im die reichen Erblande Böhmen und die Markgrafschaft Mähren, die er offiziell als Reichslehen vom König in Empfang nahm. Der schriftlich festgehaltenen Überlieferung nach, trat König Rudolf ostentativ in Straßenkleidern auf, und nahm auf einem einfach Holzschemel Platz, um den in prunkvollem Ornat und großer Gesellschaft erschienenen böhmischen König zu empfangen. Der ganze Akt war mit voller Berechnung zelebriert worden. Der hochmütige König von Böhmen wurde vom römisch-deutschen König, dem vormals niedrigen Grafen aus dem Aargau, erniedrigt werden. Die Oberstellung des Reichshauptes sollte unter allen Umständen über der Stellung eines jeden Reichsvasallen stehen und sei es auch der König von Böhmen, mit all seiner Hausmacht. Analogien zum Sturz Heinrichs des Löwen, fast genau 100 Jahre zuvor, sind nicht ganz abzustreiten, auch wenn die Umstände andere waren. Die Reichsacht, der Kirchenbann und das Interdikt wurden aufgehoben. Der König von Böhmen war nach Recht und Sitte wieder ein vollwertiger, ehrbarer Vasall und Reichsfürst. Brandenburg, die Ottonische Linie, blieb von der Niederlage verschont. Das von Markgraf Otto V. gesammelte Heer kam nicht rechtzeitig genug, vermutlich mit Berechnung. Dennoch vermochte der Markgraf dem böhmischen König, seinem Onkel, als Unterhändler bei den Friedensverhandlungen wertvolle Dienste leisten, so dass im das Schicksal des welfischen Herzogs erspart blieb, dank seines bedingungslosen Verzichts auf die von ihm unrechtmäßig angeeigneten Gebiete in Österreich, Steiermark, Kärnten und Krain. Neben Otto V. von Brandenburg, trat als Verhandlungsführer auf der Seite Ottokars Bischof Bruno von Olmütz auf. Für die Seite des römisch-deutschen Königs, Bischof Berthold von Würzburg und Burggraf Friedrich von Nürnberg. Die Rolle des Burggrafen, der schon anlässlich der Wahl Rudolfs eine entscheidende Rolle spielte und diesen überhaupt erst zur Sprache brachte, ist ganz erstaunlich, beweist allerdings die besondere Stellung, die der Reichsstadt Nürnberg zwischenzeitlich zueigen war.

Die Verwicklungen mit dem König von Böhmen, welche 1275 in Gestalt der über ihn verhängten Reichsacht eskalierten, verhinderten Rudolfs erfolgreiche Romzug, zum Erwerb der Kaiserkrone. Es war die vielversprechendste Zeit gewesen, da ihm Papst Gregor X. in dieser Hinsicht gewogen war, den Termin auf den 2. Februar 1276 festsetzte und hierfür sogar eine finanzielle Zuwendung von 12.000 Mark Silber in Aussicht stellte. Aus reiner Sympathie heraus handelte das Oberhaupt der Römischen Kirche nicht. Die Zustände an der Peripherie des päpstlichen Machtbereichs waren im Süden, durch die anwachsende Macht und Selbstherrlichkeit Karls von Anjou, als auch im Norden, im Herzogtum Tuszien, durch die dort vorherrschenden Machtkämpfe, nach Zusammenbruch der kaiserlichen Ordnung in Reichsitalien, besorgniserregend geworden. Von dem gegenüber der Kirche als kooperativ, Kritiker meinten sogar, unterwürfig agierenden Rudolf, versprach sich Gregor X. eine Bereinigung der Zustände im Tuszien und ein kraftvolles Gegengewicht zu Karl I. von Anjou. Dem königlichen Aufruf Rudolfs zur Heerschau, verweigerten sich die rheinischen Erzbischöfe aus Mainz, Köln und Trier Folge zu leisten. Sie  hatten eine politische Opposition gegen das in ihren Augen selbstständig , ohne ihre Mitwirkung agierende Reichsoberhaupt gebildet, die dazu geeignet war,  im Zusammenhang mit den Verwerfungen Ottokars von Böhmen, zu einer ernsten Krise auszuwachsen. Die Halsstarrigkeit der Prälaten ermunterte Ottokar überhaupt erst zu seiner wiederaufkeimenden Renitenz und so musste Rudolf die günstige Gelegenheit ziehen lassen und  stattdessen im deutschen Reichsteil verweilen, um sich vor allem mit den rheinischen Kirchenmännern zu vergleichen und gleichzeitig das zerrüttete Verhältnis im Hause Wittelsbach zwischen den Herzögen Ludwig, Kurfürst und Pfalzgraf zu Rhein und dessen Bruder Heinrich zu bessern. Er sagte dem Papst und in weiteren Schreiben den Getreuen in Oberitalien, bis Ostern in Mainland zu erscheinen, wo er die Eiserne Krone der Langobarden und damit die Krone Italien erwerbe, als letzter Akt vor dem feierlichen Einzug in Rom und der Krönung durch den Papst. Nachdem Gregor X. im Januar 1276 starb, erübrigte sich der für dieses Jahre geplante Zug über die Alpen. Wenn es Rudolf langfristig sicherlich bedauerte, im Moment dürfte ihm der dadurch gewonnene Aufschub nur recht gewesen sein. Die Aussöhnung der Wittelsbacher Brüder gelang im Februar 1275 auf dem großen Hoftag zu Nürnberg und ein Vergleich mit den rheinischen Erzbischöfen schließlich am 28. März 1276 zu Bobbard. In rascher Folge wechselten sich in seinen insgesamt 17 Regierungsjahren Rudolfs, zehn Päpste ab, alleine im gerade begonnenen Jahr 1276, im Vierpäpstejahr, starben nach Gregor noch zwei weitere. Zu einem erfolgreichen Zug über die Alpen kam es nicht, Rudolf vermochte trotz seiner erheblichen innenpolitischen Erfolge und seiner bleibenden Nähe zur römischen Kirche, je die Kaiserkrone zu erwerben.


Kampf um das Amt des Erzbischofs von Magdeburg

Am 15. Januar 1277 starb mit Konrad von Sternberg, der Erzbischof von Magdeburg im Alter von rund 52 Jahren. Augenblicklich setzte ein Streit um die Neubesetzung ein, der schon nach wenigen Tagen eskalierte. Die Macht der magdeburgischen Metropoliten war schon länger im Schwinden, die Zeit, wo diese in der Reichspolitik eine tragende Rolle für den sächsischen Raum spielten, war schon nach dem Tod Friedrich Barbarossas im schleichenden Niedergang. Brandenburg, Meißen und die welfischen Herzöge in Braunschweig und Lüneburg, sowie der Herzog von Sachsen-Wittenberg, haben der Kirchenprovinz zunehmend den politischen Rang abgelaufen. Für die brandenburgischen Askanier, die sich wegen des akuten Prinzenüberschuss die Mark in der zweiten Hälfte der 1270‘er Jahre in fünf Refugien eingeteilt hatten, und wo zwei der noch zehn lebenden Markgrafen seit Jugendtagen für eine geistliche Laufbahn ausgesondert wurden, war die Kandidatur um das Amt des neuen Erzbischofs ein politische Notwendigkeit. Trotz des beschriebenen Verlusts an Einfluss in der Reichspolitik, wo die rheinischen Erzbischöfe die Erzbistümer Bremen und Magdeburg komplett überflügelt hatten, blieb Magdeburg als weltliches Fürstentum, über das der Erzbischof als gleichzeitige Reichsfürst regierte, doch immerhin noch ein ernstzunehmender Mitbewerber.

Der dahingeschiedene Erzbischof Konrad II., hatte in den zurückliegenden 11 Jahren das Erzstift geleitet und hierbei konkurrierend und feindselig, wie zeitweilig kooperierend mit Brandenburg verkehrt. Das Domkapitel war entsprechend mehrheitlich antibrandenburgisch besetzt, wenn auch einige Parteigänger existierten. Erich von Brandenburg, er war, wie schon weiter oben erwähnt, der jüngste Spross aus der älteren Johanneischen Linie und einer jener zwei Söhne Markgraf Johanns I., der für ein geistliches Amt vorgesehen war. Schon in den 1260’er Jahren wurde mit Hilfe Papst Urbans IV. versucht, einen Platz unter den Magdeburger Domherren zu schaffen, wogegen sich die Mehrheit des dortigen Domkapitels entschieden aussprach. Erich musste eine weniger prominente Stelle im Bistum Halberstadt besetzen. Jetzt, mit Tod des alten Erzbischofs, witterten die brandenburgischen Markgrafen eine erneute und besonders günstige Chance. Es war Markgraf Otto IV., der sich in dieser Sache besonders engagierte. In der Führung der brandenburgischen Regionalpolitik, mindestens was den Einflussbereich der Johanneischen Linie betraf, setzte er sich zunehmend an die Spitze, während der erstgeborene Johann II. in Reichsangelegenheiten tätig war, wenn auch dort zögerlich und zurückhaltend.
Noch im Januar kam es zum Wahlkonvent, dessen Verlauf der Auftakt zum mehrjährigen Kampf um das Amt des Magdeburger Erzbischofs wurde. Dompropst Albrecht von Arnstein, der wichtigste Anhänger der brandenburgischen Partei, lud Otto IV., dessen Vetter Herzog Albrecht von Braunschweig, sowie die brandenburgisch gesinnten Bischöfe Hermann von Kammin und Hermann von Schwerin ein. Sie sollten im Sinne ihres Kandidaten, Erich von Brandenburg auf die Domherren einwirken. Eine Mehrheit schien dank großzügiger Zusagen an die Parteileute Erichs sicher und Otto IV. war zuversichtlich was den Ausgang der Wahl betraf. Am Tag vor der Wahl kam es zu Unruhen in der Stadt. Domkämmerer Burchard von Querfurt, Angehöriger einer einflussreichen Magdeburger Patrizierfamilie und Anführer der gegnerischen Partei, er machte sich selbst Hoffnungen, stachelte die Menge auf und rief sie zum Versammlungsort des Wahlkonvents, worauf die Bischöfe von Kammin und Schwerin, sowie die Anhänger der brandenburgischen Partei gefangen gesetzt wurden, um sie dadurch zur Aufgabe ihres brandenburgischen Kandidaten zu zwingen. Nur Erich von Brandenburg und der Domherr Heinrich von Grünenberg, vermochten in der Nacht vor der Wahl durch ein Fenster zu entkommen.
Markgraf Otto IV. und Herzog Albrecht von Braunschweig entkamen ihrerseits dem Mob nur mit knapper Not, indem ihnen, die eigenen Pferde waren nicht mehr erreichbar, auf fremden Pferden über einen Schleichweg die Flucht gelang. Am Tag der Wahl bildete sich eine Kommission aus vier Domherren, darunter Heinrich von Arnstein, den vorhergehenden Parteimann Erichs, und wählten Günther von Schwalenberg, einen Verwandten des verstorbenen Vorgängers, zum neuen Erzbischof Magdeburgs.

Erich und der mit ihm glücklich geflüchtete Heinrich von Grünenberg appellierten schriftlich an den Papst, dem gewählten Günther von Schwalenberg die Approbation zu verweigern.  Markgraf Otto IV., der ältere Bruder Erichs, schrieb seinerseits an König Rudolf I. und meldete ihm die Vorkommnisse unmittelbar vor der Wahl. Otto IV. und mit ihm Herzog Albrecht von Braunschweig, sagten der Stadt Magdeburg wegen der erlittenen Schmach die Fehde an, der Krieg stand vor dem unmittelbaren Ausbruch, doch kam es zu einem Sühnevertrag seitens der Stadt. Dem Markgrafen und seinem Vetter, dem Herzog von Braunschweig, wurden je 1.000 Mark in Silber als Wiedergutmachung. Gut ein halbes Jahr hielt der Friede, bevor er von Otto IV. gebrochen wurde, indem dieser im November 1277 sieben mit Tuch beladene Wagen Magdeburger Kaufleute beschlagnahmen ließ. Die magdeburgisch-brandenburgische Fehde brach erneut aus und auch Herzog Albrecht erschien ebenso wie die askanischen Herzöge Johann I. und Albrecht II. von Sachsen, die unter dem vormaligen Erzbischof Konrad das Burggrafenamt an sich brachten, dafür eine Reihe von Städten verpfändeten, wie beispielsweise Aken, welche nun von ihnen besetzt wurde. Der neue Erzbischof reagierte schnell und energisch. Die Bürger des wohlhabenden Magdeburgs, unterstützten in dieser Krisenzeit großzügig. Der Kirchenfürst trat den sächsischen Truppen am 29. November bei Aken entgegen und schlug sie empfindlich, hierbei geriet Graf Adolf von Holstein, der Schwager Markgraf Ottos IV. in magdeburgische Gefangenschaft. Der Markgraf kam mit seinem Truppenaufgebot zu spät.

Etwa um die gleiche Zeit ging die Johanneische Linie mit Böhmen ein folgenreiches Bündnis ein. Die Entschlossenheit Ottos IV. gegenüber dem Erzbistum, wurde hierdurch noch gesteigert. Beide brandenburgischen Linien standen jetzt in enger Allianz mit dem přemyslidischen Königreich. Noch im Winter sandte Ottokar II. dem Markgrafen noch im Winter militärische Unterstützung zu. Mit diesem Hilfstruppen und weiteren aus Pommern sowie den eigenen Leuten, fiel er plündernd und brandschatzend in die magdeburgischen Gebiete ein, zuerst rechts der Elbe, bevor das Heer über den Fluss zog das Werk zu vollenden. Anfang 1278 stand Otto mit seinem Truppen bei Frohse, dem heutigen Schönebeck, rund 20 Kilometer südlich Magdeburgs. Wie schon anlässlich der Wahl im Sommer des vergangenen Jahres, war er auch jetzt zuversichtlich und siegessicher. Dem Volksmund nach, soll er gesagt haben: „He wolde des anderen dages sine perde stallen laten in den dom to Magdeborch.“, „er werde kommenden Tages seine Pferde im Dom zu Magdeburg ruhen lassen.“. Erzbischof Günther I. von Magdeburg, in höchster Not, ließ alle Glocken läuten und rief unter dem Banner des heiligen Moritz stehend, die Bürger der Stadt in einer mitreisenden, vor dem Rathaus abgehaltenen Ansprache, zum Widerstand auf. Markgraf Otto hätte aus den Erfahrungen der sächsischen Herzöge, die Ende November letzten Jahres bei Aken empfindlich geschlagen wurden, seine Lehren ziehen müssen. Schon damals griffen die Bürger Magdeburg beherzt zur Waffe und schlugen die Eindringlinge, doch vertraute er auf seine große Streitmacht. Diesmal folgten noch mehr Bürger dem leidenschaftlichen Aufruf des Kirchenmannes und es sammelte sich ein buntes Heer aus Rittern, Kriegsknechten, bis hin zum einfachen Handwerkergehilfen. Thüringische Hilfstruppen gesellten sich dazu und auch Graf Otto von Anhalt, ein askanischer Verwandter des Markgrafen. Am 10. Januar 1278 trafen sich beide Heere bei Frohse. Die Brandenburger unterlagen den Magdeburgern in einer für beide Seiten blutigen Schlacht. Markgraf Otto IV. geriet zu allem Übel mit einigen hundert Rittern und Knappen in Gefangenschaft. Die Schlacht hätte für ihn kaum schlimmer ausgehen können. In einen hölzernen Käfig gesperrt, wurde er öffentlich in Magdeburg ausgestellt. Ottos Zorn über die erniedrigende Prozedur war nachvollziehbar, weder sein Selbstbewusstsein noch der Wille zum fortgesetzten Widerstand, war gebrochen. Als die Gefangennahme des Markgrafen publik wurde, fielen Truppen seines älteren Bruders Johann II. und Herzog Albrechts von Braunschweig im Magdeburgischen ein, wo sie schwere Verwüstungen anrichteten und eroberten die Burgen Hundisburg und Öbisfelde. Der gefangengesetzte Markgraf ließ sein Gattin Heilwig von Holstein-Kiel (* um 1251; † vor 1308) rufen und wies sie an den alten, im Vorjahr erst bei ihm in Ungande gefallenen Ratsmann Johann von Buch, genannt der Ältere, zu konsultieren, was sie umgehend tat. Dieser, gekränkt durch die ihm widerfahrene Absetzung, verweigerte sich zuerst, ließ sich dann aber von den Tränen der Markgräfin erweichen und empfahl eine Reihe Magdeburger Domherren zu bestechen. Deren Hang zur Käuflichkeit wurde anlässlich der letztjährigen Bischofswahl offenkundig, sie sollten auf den Erzbischof in brandenburgischem Sinne einwirken. Die Markgräfin befolgte den Rat, eilte nach Magdeburg zurück und traf sich mit verschiedenen Personen des Domkapitels, die daraufhin Erzbischof Günther überredeten, den Markgrafen gegen ein verhältnismäßig geringes Lösegeld von 4.000 Mark Silber freizulassen. So gering war die Summe dann allerdings doch nicht. Es war nicht so, dass der Markgraf, welcher zur Beschaffung des Geldes gegen Ehrenwort für eine Frist von vier Wochen auf freien Fuß gesetzt wurde, den Betrag einfach so zur Hand hatte. Er unterredete sich mit seinen Räten, zu diesen gehörte auch Johann von Buch, der sich vorerst im Hintergrund hielt. Einige rieten die Städte zu besteuern, wieder andere die silbernen und goldenen Messgegenstände der Kirchen einzuschmelzen und allerlei Ratschläge mehr. Am Ende ergriff Johann von Buch das Wort, er bat darum vertraulich mit dem Markgrafen sprechen zu dürfen. Zuerst erbat er sich wieder in alter Rolle im Altmärkischen zu Ehren genommen zu werden, dann unterbreitete er Otto IV., dass sein Vater, der selige Markgraf Johann I., in der Kirche zu Tangermünde einen mit Metallbändern beschlagenen großen Opferstock für die größte Not hinterlegt hatte und ihn mit der Aufsicht dieses Schatzes beauftragte. Was an dieser Geschichte Anekdote, Übertreibung und was Wahrheit ist, kann nicht mehr beurteilt werden. Die Rahmenbedingungen lassen zumindest den Schluss zu, dass an der Geschichte einige Wahrheit stecken mag, dass sie sich sogar in dieser Form zugetragen haben könnte. Gleichwie, der Markgraf beschaffte in erstaunlich schneller Weise das Lösegeld und übergab es dem Erzbischof. Auf die Frage ob er denn nun frei sein, bejate Günther von Magdeburg, worauf ihm der Markgraf in übermütigen Stolz antwortete: „Der Herr Erzbischof könne wohl den Wert eines brandenburgischen Markgrafen nicht wohl einschätzen. Hätte man ihn, auf einem Pferd sitzend, mit der aufgerichteten Lanze in der Hand, bis zu dessen Spitze mit Gold überhäuft, so wäre das eine angemessene Summe gewesen!“. Dem Prälaten dämmerte wohl schon jetzt, dass es ein Fehler war, Otto so schnell wieder freizulassen, dabei spielte die Geldsumme noch eine untergeordenete Rolle. Otto IV. war weder gebrochen, noch befriedet aber durch den Verlauf der Ereignisse immerhin in die Defensive gedrängt.

Im Juni brachen die Feindseligkeiten wieder aus, diesmal von Magdeburg, ausgehend, das sich nach den Siegen Ende November 1277 und Januar 1278, dank der gemachten Beute und dem erhaltenen Lösegeld, auf der Siegerstraße sah und folgerichtig die Initiative ergriff. Im  Konzert mit dem Erzbischof, waren abermals eine großes Bürgeraufgebot aus Magdeburg und Burg, rund tausend Panzerreiter aus Thüringen und erneut Graf Otto von Anhalt, der Verwandte der brandenburgischen  Askanier. Diesmal schloss ebenfalls der Bischof Hildesheim an. Auf der Seite Ottos IV. stand wieder Herzog Albrecht von Braunschweig und Herzog Barnim I. von Pommern, der sich am 1. Juni 1277 in einem Lehnsvertrag mit Markgraf Konrad I. von Brandenburg, jüngerer Bruder Ottos, dazu verpflichtete, mit 150 Panzerreitern beizustehen. Dafür erhielt er nach Abschluss der Kampfhandlungen, bis zum Martinstag (11. November) 1.500 Mark Silber. Der Herzog war in dritter Ehe mit einer Tochter Markgraf Ottos III. verheiratet und damit eine Schwager der Ottonischen Linie Brandenburgs. Sein Lehnsverhältnis bestand allerdings zur Johanneischen Linie, zu der Markgraf Konrad I. gehörte, dem drittem Sohn Johanns I., aus dessen erster Ehe mit der dänischen Prinzessin Sophia aus dem königlichen Hause Estridson.
Während sich die magdeburgeschen Truppen auf Plünderungen und Brandschatzungen märkischen Gebietes konzentrierten, ging der Markgraf gegen Stassfurt vor und belagerte die dortige Burg. Stassfurt war eine der Städte, welche die Herzöge von Sachsen dem Erzbischof überließen, um dafür das einträgliche Amt des Burggrafen von Magdeburg zu erhalten. Erstaunlicherweise stellten sie sich seit Ausbruch der brandenburgisch-magdeburgischen Fehde trotzdem gegen den Bischof und versuchten ihre abgetretenen Städte wiederzuerlangen, was am 29. November 1277 vor Aken mit einer schweren Niederlage kläglich scheiterte, wie wir lasen.

Otto IV. der mit dem Pfeil

Mit höchster Erbitterung berannten die Truppen Ottos die Burg, wurden aber unter blutigen Verlusten abgeschlagen. Bei einem der Angriffe wird der Markgraf verletzt. Ein Pfeil durchschlug seinen Helm und die Spitze des Pfeils drang durch die Stirn. Den Künsten der Ärzte misstrauend, blieb die Spitze für ein Jahr in der Wunde, bis sie schließlich entfernt wurde. Der Vorfall gab Otto IV. seinen charakteristischen Beiname, „der mit dem Pfeil“.
Zwischenzeitlich kam der Erzbischof mit seinem Heer zum Entsatz der heftig bedrängten Burg heran, worauf sich der verwundete Markgraf mit seinen Truppen fluchtartig nach Aken an der Elbe zurück und vermied eine Schlacht mit den überlegenen Magdeburgern. Der Krieg zog sich in die Länge, eine Entscheidung war nicht absehbar, doch wurde er von einem anderen Krieg überschattet, der die kriegführenden Hauptkontrahenten plötzlich im gleichen Lager sah.


Gegen den römisch-deutschen König

Der Friede zwischen Rudolf von Habsburg, dem Reichsoberhaupt und Ottokar II. von Böhmen, war nach dessen Unterwerfung zu Wien wackelig geblieben. Je vollmundiger die königlichen Kanzleien beider Höfe den Frieden in ihren Schriftstücken erwähnten, je zerrütteter war er hinter den Kulissen. Ottokar sann auf Ausgleich und erhoffte sich wenigstens Teil der zuvor verlorenen Herzogtümer zurückzugewinnen. Neben den erwähnten Bündnissen die mit Brandenburg bestanden, zum einen jenes zu seinen Neffen der Ottonischen Linie und das kürzlich erst abgeschlossene mit der Johanneischen Linie, schloss sich der böhmischen Allianz auch der Markgraf von Landsberg, der Bischof von Merseburg und sogar der Erzbischof von Magdeburg an. Es kam zu einer kuriosen Situation, indem die sich im ostsächsischen Raum bekriegenden Parteien im jetzt bevorstehenden Krieg mit dem römisch-deutschen König Schulter an Schulter kämpften.

Bevor die weiteren Ereignisse des Augusts betrachtet werden, noch einige Gedanken zum brandenburgischen Engagement, dass die Markgrafen immerhin in direkten Gegensatz zum Reichsoberhaupt brachten. Bezüglich der Ottonischen Linie könnte man die nahe verwandtschaftliche Beziehung im ersten Moment anführen, doch selbst hier sind berechtigterweise Bedenken zulässig. Dem böhmischen König erschien es dringend geraten, trotz der Verwandtschaft zu seinen  Schwestersöhnen, am 18. Juli zu Klosterbruck im Südmährischen ein enges Bündnis mit den Neffen Otto V. und Albrecht III. zu schließen. Den beiden Vertretern der Ottonischen Linie, konnte es am Vorabend des ausbrechenden Konflikts mit Rudolf von Habsburg, unmöglich verborgen geblieben sein, dass sie mit Abschluss der Allianz in den sich abzeichnenden Kampf mit dem römischen-deutschen König gezogen würden. Noch kurz der Blick auf die Johanneische Linie. Blutsverwandtschaft existierte nicht, doch wurde das Bündnis von November 1277 schon erwähnt und die schnell geleistete Unterstützung Böhmens anlässlich der schweren Niederlage Ottos IV. am 10. Januar 1278 bei Frohse. Der Markgraf, welcher seither in der Defensive war, konnte, wollte er im Konflikt mit Magdeburg nicht komplett ins Hintertreffen geraten, seinen böhmischen Bündnispartner nicht verprellen, zumal es der Erzbischof von Magdeburg ebenfalls mit dem König von Böhmen hielt.

War Otto IV. prinzipiell gezwungen die Seite Ottokars wegen des schwelenden Konflikts mit Magdeburg nicht zu verlassen, erscheint im Gesamtkontext ein anderer Grund, weswegen beide brandenburgischen Linien so offen und aktiv Partei für Ottokar ergriffen, als hauptauschlaggebend. Zur Erinnerung, Beatrix,  die Frau des 1267 verstorbenen Ottos III., dem späteren Begründer der Ottonischen Linie, brachte die böhmische Prinzessin die Oberlausitz, mit den  Landschaften Bautzen und Görlitz in die Ehe. Johann I. und Otto III. verwalteten diese Gebiete von Anfang an, als ob sie brandenburgisches Kernland wären. Sie gründeten wichtige Klöster zum Landesausbau, führten deutschen Siedler ins Land und verliehen dem Städten Bautzen und Görlitz das Stadtrecht nach Brandenburger Vorbild. Die Oberlausitz sollte jedoch mit dem Tod der Markgräfin Beatrix , der Mutter Ottos V. und Albrechts III., wieder an die Krone Böhmens zurückfallen und genau das wollten die Markgrafen beider brandenburgischen Linien, die das Land zu gleichen Teilen unter sich aufgeteilt hatten, verhüten. Auch wenn keine Schriftstücke überliefert sind, die diese Annahme zweifelsfrei bestätigen, ist es mehr als reine Spekulation, wie die späteren Ereignisse noch zeigten. Brandenburg half, um später in eine bessere Verhandlungsposition gegenüber dem König von Böhmen zu gelangen.

Zwischenzeitlich sammelten Rudolf I. und Ottokar II. ihre Heere. Der böhmische König war hierzu am 27. Juni in Prag aufgebrochen, um nach Brünn zu marschieren, wo die Heerschau stattfand. Offenkundig suchten Kontrahenten die Entscheidungsschlacht und keinen langen Krieg. Rudolf konnte diesmal nicht in gleicher Weise auf eine imposante Zahl Verbündeter bauen. Indem er sich nach dem vorangegangenen Krieg die Herzogtümer Österreich, die Steiermark, Kärnten und die Markgrafschaft Krain einverleibte, wodurch seine Hausmacht sich vervielfachte, kehrten eine ganze Reihe Reichsfürsten zu ihrem alten Prinzip zurück, sie suchten den Kräfteausgleich, die Balance im Reich zu wahren. Kein Fürst, auch nicht der König, durfte zu mächtig werden. Böhmen war von Rudolf, unter Mithilfe einer breiten Fürstenallianz, zurechtgestutzt worden, es durfte als Gegengewicht zu dem ambitionierten Habsburger nun nicht ganz fallen. Als Alliierte stand ihm sein Schwiegersohn, der Herzog von Bayern und Pfalzgraf zu Rhein zwar wieder formal zur Seite, doch hatte er es nicht sonderlich eilig und erschien nicht rechtzeitig zur Heerschau vor Wien. Der Haupalliierte war diesmal der ungarische König Ladislaus IV., der wohl an die 15.000 ungarische und kumanische Reiter mitführte. Ansonsten schlossen sich nur wenige Grafen, im ganzen drei, aus den schwäbischen Gauen, der Bischof von Basel und  Burggraf Friedrich von Nürnberg an, samt noch manch kleinere Kontingente.   Rudolf musste weit mehr als anlässlich des ersten Kriegs gegen Ottokar,  auf eigene Machtmittel zurückgreifen. Der böhmische König konnte umgekehrt,  neben den schon oben erwähnten Bündnispartnern, noch auf Truppen aus Meißen, Thüringen, Schlesien ind auch auf den bayrischen Herzog Heinrich XIII. bauen sowie auf umfangreiche polnische Hilfstruppen. Der Wittelsbacher Herzog Heinrich von Bayern hatte sich wieder mit seinem Bruder, dem Pfalzgrafen überworfen und war nun ganz zur Opposition übergegangen. Er erschwerte den Zuzug von Hilfstruppen für Rudolfs Heer ganz erheblich, wodurch diese zu teilweise lange  Umwegen genötigt wurden, was die Lage des römisch-deutschen Königs vor Wien in der letzten Juli- und den ersten Augustwochen kritisch machte. Graf Meinhard von Tirol, auf dessen Hilfe Rudolf setzte, erschien überhaupt nicht, da dieser mit dem Bischof von Trient im Hader lag, weswegen die Mobilmachung seiner Kontingente ausblieb.

Ottokar marschiert am 20. Juli in Österreich ein und belagert Drosendorf an der Thaia, das Stephan von Meissau 16 Tage lang verteidigte, bevor die Besatzung vor der Übermacht die Waffen strecken musste. Es ging weiter, entlang der Thaia bis nach Laa, das weitere 12 Tage umlagert wurde, ohne eingenommen zu werden konnte. Durch den unverhofft langen Widerstand beider Burgen, erhielt Rudolf wertvolle Zeit, die mittlerweile auf allerlei Umwegen eintreffenden Verstärkungen zu sammeln. Mit dem Eintreffen König Ladislaus, der von Stuhlweissenburg über Pressburg kommend am 23. August bei Wien eintraf, waren die Masse der erhofften Mannschaften versammelt.

Am 26. August 1278 trafen sich beide Heere auf dem Marchfeld, zwischen Dürnkrut und Jedenspeigen, nordöstlich von Wien. Beiden Seiten standen zwischen 20.000 und 30.000 Mann zur Verfügung, wobei das böhmische Heer einige tausend Mann weniger aufbot aber über die weitaus höhere Anzahl schwerer Reiterei verfügte und dadurch einen klaren taktischen Vorteil besaß. Rudolf profitierte umgekehrt von der leichten ungarischen Reiterei, besonders der Kumanen, die im mobilen Distanzkampf mit ihren Bögen den geschlossenen Reihen der böhmischen Verbände schwere Verluste beibringen konnten und damit der gegnerischen Reiterei im mobilen Kampf durchaus zeitweise standhalten konnte. Wichtiger war noch, dass sie im Vorfeld ausgezeichnete Aufklärungsarbeit leisteten. So klärten sie die Zusammensetzung, Anzahl und die hieraus zu erwartende Aufstellung auf, wodurch Rudolf seine eigenen Kräfte entsprechend formieren konnte. Rudolf griff bei der Schlacht auf eine bisher weitestgehend geächtete Form der Kriegsführung zurück, zumindest in Europa. Ob aus Not oder Tücke, ist unklar. Er bereitete eine List vor, um damit den Gegner während der Schlacht zu täuschen. Diese Art der Kriegsführung, überhaupt der Einsatz von Kriegslist, entsprach in keiner Weise dem überlieferten ritterlichen Ehrenkodex und es fand sich bei der Vorbereitung zur Schlacht kein Anklang unter den Anführern Rudolfs. Nur auf dringendes Zureden, erklärten sich am Ende doch noch Freiwillige unter seinen Rittern für das Vorhaben bereit. Die Führung übernahm Ulrich von Capellen auch der Kapeller genannt, ein altes steiermärkisches Ministrialengeschlecht. Der böhmische König wird von der unerwarteten Größe des gegnerischen Heers, das nach Zahl dem seinen praktisch ebenbürtig war, überrascht gewesen sein, hatte er mit Sicherheit nicht mit einem so energischen Eingreifen der Ungarn, seinem alten Feind, gerechnet.

Beide Heere waren in unterschiedliche Schlachtreihen, sogenannte Treffen gegliedert, in denen die jeweiligen Verbündeten beider Seiten zusammengefasst waren. Die Ungarn bildeten auf Rudolfs Seite einen eigenen Heeresteil, mit den Kumanen an den Flanken. Die zweite und dritte Schlachtreihe bestand aus Oesterreichern, den Verbänden aus der Steiermark, Kärnten, Krain, Salzburg,  Schwaben und Franken, die Rudolf selbst befehligte. Eine Reserve schwerer Reiterei unter der Führung Ulrichs von Kapellen im verdeckten Hintergrund. Ottokars Heer war in folgende Kontingente aufgeteilt: Böhmer und Mährer, dann die Truppen aus Meissen und Thüringen, die Sachsen aus Brandenburg und Magdeburg, schließlich Herzog Heinrich von Niederbayern und zuletzt das polnische Heerbann.

Rudolf ergriff die Initiative und begann gegen 09:00 Uhr den Angriff auf die linke böhmische Flanke, die unter dem Eindruck der von den Kumanen geführten Reiterattacke überraschend schnell zu weichen begann. Im Zentrum stießen Österreicher, Steiermärker und Salzburger auf die von Ottokar geführten Hauptkräfte, wurden aufgehalten und anschließend bis Weidenbach zurückgeworfen, wo nun Rudolf mit den von ihm befehligten Truppen aus allen Teilen der heutigen deutschsprachigen Schweiz und Südwestdeutschland, in den Kampf eingriff, welcher jetzt überall in vollem Gang war. König Rudolf wurde das Pferd aufgespießt und er stürzte der Überlieferung nach in den Bach, wo ihn Heinrich Walter von Ramswag, ein Ministerial aus Rudolfs Schweizer Stammlanden, das Leben rettete und auf ein anderes Pferd setzte. Die Schwaben, Franken und Niederbayern vom dritten Treffen, warfen die abgekämpften böhmischen Truppen, die Schlacht ging schon gut drei Stunden, wieder auf ihre Ausgangsstellungen zurück wo jetzt mit den Polen das letzte böhmische Kontingent beherzt in die Schlacht eingriff und sich eine Entscheidung zugunsten Ottokars abzeichnete. Jetzt kam der Moment, die bislang verborgen gehaltene schwere Reiterei unter Ulrich von Capellen zum Einsatz zu bringen. Von Westen  attackierten sie die dicht gedrängten Reihen des Gegners. Die meisten der berittenen Truppen waren längst abgesessen und kämpften zu Fuß, mit all den üblicherweise einsetzenden Ermüdungserscheinungen, die das hantieren mit Schild, Schwert unter der Last der eigenen Rüstung und bei sommerlichen Temperaturen leidend, mit sich brachten. Die Reiterei stieß mit verheerender Wirkung in die Formationen Ottokars und seiner Verbündeten, spaltete das Gros, drängte einen Teil Richtung March ab, einem linken Nebenfluss der Donau, wo zahlreiche Ritter ertranken. Aus der anfänglich noch kämpfend zurückgehenden Bewegung wurde ungeregelter Rückzug, dann wilde Panik. Die Schlachtreihen zerfielen hoffnungslos, wobei sich sogar bislang noch nicht beteiligte Einheiten, wegen der unübersichtlich gewordenen Gesamtlage, vom Feinde absetzten. Kampfgeist und Widerstand brachen unter dem Eindruck der Ereignisse größtenteils zusammen, nur ein Heerhaufen, den böhmischen König im Zentrum, stritt vorerst noch weiter, auf den sich nun alle Kräfte Rudolfs konzentrierten. Dieses letzte Widerstandsnest, was am Ende davon noch auf den Beinen stand, stellte erst den Kampf ein, nachdem König Ottokar, der aktiv mitgefochten hatte, von einem Ritter aus dem Kärntner Kontingent Rudolfs niedergestreckt wurde. Ob dieser auch für die Verstümmelungen am völlig ausgeplünderten, nackten Leichnam des Königs verantwortlich war, ist nicht belegt. Mit dem Tod des Kontrahenten, war nicht nur die Schlacht entschieden, es ging auch die jahrelange Rivalität im Reich zu Ende und der mittlerweile 60-jährige König war unbestrittenes Reichsoberhaupt und doch warf die Schändung des erschlagenen Gegners einen dunklen Schatten auf Rudolfs Sieg, welcher sich in der Verfolgung der in zwei Richtungen fliehenden Feindtruppen noch zum völligen Triumph vollendete. Mit 12.000 Gefallenen verlor das böhmische Heer fast die Hälfte seiner Streitkräfte. Die Schlacht auf dem Marchfeld war damit eine der blutigsten Auseinandersetzungen des deutschen Mittelalters.

Zur Rolle Brandenburgs während der Schlacht, ist in Ottokars Reimchronik Vers  16388 ff. überliefert, das Otto IV. gegen das schwäbische Aufgebot Rudolfs kämpfte und dabei schwere Verluste erlitt. Wie es Otto IV. gelang, sich mit seinen Brandenburgern vom Marchfeld abzusetzen, ist nicht überliefert. Markgraf Otto V. und mit ihm Bruder Albrecht III. kamen zu spät zur Schlacht. Es wird vermutet, dass sie durch einen polnischen in die Neumark, unter der Führung von Herzog Bolesław VI., und den sich hieraus entwickelnden Kämpfen, die für Brandenburg bei Soldin mit einer Niederlage endeten, aufgehalten wurden. Es existiert hierzu nur eine polnische Quelle und bei dieser ist nicht auszuschließen, dass darin die Ereignisse aus dem Jahre 1271 beschrieben werden und 1278 überhaupt kein neuerlicher Einfall des Herzogs geschah.
Ottokar setzte sein vollstes Vertrauen in den Markgrafen der Ottonischen Linie, was besonders dadurch zum Ausdruck kam, dass er ihn mit der Vormundschaft für Kronprinz Wenzel beauftragte, für den unwahrscheinlichen aber nicht auszuschließenden Fall, dass er im Krieg gegen Rudolf I. fallen sollte. Im Juli war die Übermacht des böhmischen Heers noch so drückend, dass kaum mit dem Tod des böhmischen Königs auf dem Schlachtfeld oder gar einer totalen Niederlage, gerechnet werden konnte. Vor dem Hintergrund dieser Annahme, mag es plausibel erscheinen, wenn Otto V. sich zunächst der Gefahr im Osten stellte und nicht mit höchster Priorität seine Truppen nach Brünn, zur Versammlung führte.


Vormundschaft und Regentschaft

Nachdem die Schlacht entgegen aller Erwartungen für Böhmen und seine Alliierten mit jener verheerenden Niederlage endete, der Ottokar zum Opfer fiel, kam Otto V. die erst kürzlich vereinbarte Rolle des Vormunds über den  damals sechsjährigen Kronprinzen Wenzel zu. Königin Kunigunde, des jungen Prinzen Mutter, schrieb Anfang September sorgenvoll an den Markgrafen, er möge sich des Thronerben, ihrer und des Landes annehmen und schleunigst nach Böhmen kommen. In gleichlautender Weise kontaktierte sie ihre Schwägerin, Markgräfin Beatrix, die Stammherrin der Ottonischen Linie und Tante des böhmischen Thronfolgers, ihren Sohn Otto V. dazu zu bewegen, eilends nach Böhmen aufzubrechen. Entgegen aller Sorgen Kunigundes, drang Rudolf I. mit seinen Truppen nicht bis Prag vor, um sie und ihre Kinder, wie sie befürchtete, gefangen zu nehmen, gar zu beseitigen, er besetzte nur die Markgrafschaft Mähren. Rudolf hatte nach seinem glänzenden Sieg genug damit zu tun, die Ungarn und ihre streitlustigen Kumanen loszuwerden. Zwischen seinen deutschen Kontingenten und denen König Ladislaus, kam es schon bald nach der Schlacht zu handfesten Reibereien. Ladislaus, dessen Truppen zweifelsohne einen Löwenanteil am Schlachtenerfolg hatten, zog schließlich mit reicher Beute ab. Auf dem Rückweg durch Mähren, plünderten seine Verbände noch einmal entsetzlich und gaben einen Vorgeschmack darauf, was dem führungslosen Königreich Böhmen drohte, kam es nicht bald wieder unter die planvolle Kontrolle eines Verwesers.

Markgraf Otto V. machte sich, nachdem ihn die böhmischen Städte finanziell unterstützten, mit 400 Rittern auf den Weg nach Prag. Die vorangegangene Auseinandersetzungen mit Herzog Bolesław VI. von Polen in der Neumaek, schienen seine Kräfte mehr beansprucht zu haben, als es direkt aus den überlieferten Schriftstücken ersichtlich wäre. Es muss sich aber so verhalten haben, wie anders könnte man sich erklären, dass er sich Anfang September noch nicht in Böhmen befand.

Herzog Heinrich IV. von Schlesien-Breslau

Er musste sich allerdings sputen, denn der schlesische Herzog Heinrich IV. von Breslau, ein Verwandter und Parteigänger des verstorbenen Ottokars, machte wegen seiner Blutsverwandtschaft zum Kronprinzen, seinerseits Anspruch auf die Vormundschaft geltend. Der Markgraf und der Herzog standen wegen dem Land Krossen im Streit, ein Zusammenstoß schien wahrscheinlich. Als beide etwa zeitgleich vor den verschlossenen Toren Prags ankamen, deutete alles auf einen bewaffneten Kampf hin. Schließlich setzte sich aber in Prag die Partei des Markgrafen durch, sodass ihm und seiner Begleitung der Zugang zur Stadt gewährt wurde. Der größere Teil des Adels und der Städte erkannte in den folgenden Tages Ottos Vormundschaft an, ebenso wird er als Verweser Böhmens größtenteils vom Adel akzeptiert. Mit der Königin kam es schnell zu Verstimmungen und schließlich komplett zum Bruch. Über die Ursachen ist nichts näher bekannt, wahrscheinlich dürfte aber der Kronprinz und ihn betreffend gegensätzliche Meinungen hinsichtlich der weiteren Verantwortlichkeiten sein. Vermutlich übernahm der Markgraf schon in Prag die volle Kontrolle über den Knaben und isolierte ihn von der Mutter, die sich nun vorsichtig an Rudolf I. annäherte. Die Vorverhandlungen verliefen vielversprechend, der römisch-deutsche König sann weder danach die königliche Familie zu internieren, noch Böhmen zu zerschlagen und den jungen Přemysliden seines Erbes zu berauben. Unter Umständen auf Veranlassung der Königin, rückte Rudolf mit einem starken Aufgebot in Böhmen ein und lagerte seit Mitte Oktober  beim Kloster Sedletz, unweit Kuttenbergs, wo die Unterhandlungen mit Königin Kunigunde abgeschlossen werden sollten, die sich nun ganz unter Rudolfs Schutz begab.

Ein neuerlicher Krieg bahnte sich an. Diesmal mit dem Brandenburger Otto V. als Verweser an der Spitze Böhmens, gegen den römisch-deutschen König, welcher zuvor in Mähren die Huldigung zahlreicher Städte entgegengenommen hatte und mit der Königin im Einvernehmen war . Der Markgraf rückt mit einem Heer, unterstützt vom böhmischen Adel aus und marschiert bis Kolin, rund 9 Kilometer vom Heer Rudolfs entfernt, wo er lagert. Zum Kampf kam es nicht, unter dem Vorsitz des Bischofs von Salzburg, wird ein Schiedsgericht gebildet, mit Graf Meinhard von Tirol Burggraf Friedrich von Nürnberg auf des Königs Seite und dem Bischof von Olmütz und dem Markgrafen Otto IV „der mit dem Pfeil“ auf böhmischer Seite. Die Johanneische und die Ottonische Linie arbeiten während dieser Zeit eng zusammen und es ist zu vermuten, das König Rudolf einen Konflikt mit dem entfernten Brandenburg vermeiden wollte, vor allem wohl deshalb, weil er im sächsischen Raum über keine Parteigänger verfügte, standen doch bis auf die mit Brandenburg eng verbundenen Herzöge von Braunschweig und Lüneburg, alle größeren Fürsten auf dem Marchfeld auf der Seite Böhmens.

Die Unterhändler erreichten eine Einigung. Zur dauerhaften Beilegung der Rivalitäten zwischen Böhmen, und dem sich südlich davon abzeichnenden Habsburger Reichs, gemeint ist das von Rudolf annektierte Österreich mit Kärnten, der Steiermark und Krain, wurde ein doppeltes Heiratsbündnis vereinbart. Rudolf betrieb zur Sicherung seines Königtums exzessive Heiratspolitik, wozu seine sechs Töchter und drei Söhne, ein vierter starb bald nach der Geburt, die notwendige Spielmasse waren. Sohn Rudolf, zum damaligen Zeitpunkt acht Jahre alt, wurde der neunjährigen böhmischen Prinzessin Agnes versprochen und Kronprinz Wenzel von Böhmen sollte Rudolfs jüngste, siebenjährige Tochter Guta heiraten. Zur engeren Verbindung mit dem ottonischen Hause Brandenburgs,  wurde Rudolfs 21 jährige Tochter Agnes mit 23 jährigen Markgraf Otto VI. verlobt. Die Hochzeit erfolgte in der ersten Februarhälfte 1279 zu Wien im dortigen Dominikanerkloster. Unmittelbar zuvor, wurde er im Beisein von König Rudolf, seinem zukünftigen Schwiegervater und vielen anderen Fürsten und Baronen, zum Ritter geschlagen. Über Otto VI., auch der Kurze genannt, um ihn vom neun Jahre älteren Otto V., dem Langen zu unterscheiden, haben wir bisher nur am Anfang kurz gelesen. Er war zwischenzeitlich längst volljährig geworden, und gemäß der Disposition des Vaters, Markgraf Ottos III., zur Mitregentschaft vorgesehen, doch blieb er politisch hinter seinen älteren Brüdern Otto und Albrecht zurück. Als dritten Vereinbarungspunkt, worauf der Schwerpunkt der Absprachen basierte,  wurde Markgraf Otto V. für fünf Jahre als Vormund des Kronprinzen Wenzel bestätigt, wie auch als Verweser Böhmens anerkannt. Für den gleichen Zeitraum fungierte König Rudolf I. als Verweser der Markgrafschaft Mähren. Im vierten Verhandlungsblock, wurde Herzog Heinrich von Breslau die Grafschaft Glatz zuerkannt, die dieser zuvor bereits besetzt hielt. Königin Kunigunde bekam im fünften und letzten Abkommen das Gebiet Troppau zum Eigenbesitz.

Es war jetzt Ende Oktober, Anfang November. Für Brandenburg, die Ottonische Linie, für Otto V., war der Ausgang der Verhandlungen mit dem römisch-deutschen König ein voller Erfolg. In Prag, wo der Markgraf vorerst residierte, ließ er nach verstecktem Geld suchen, das dort reiche Händler, vor allem der königliche Getreidehändeler Prosinco, im Reliquienraum der Prager Kirche versteckte. Seine Leute brachen allerlei Kisten und Behältnisse auf und kehrten mit ungeheuren Summen zu ihrem Herren zurück, das sie ihm übergaben. Der Gewaltakt warf eine tiefen Schatten auf die Regentschaft des Markgrafen. Bald erhob sich offener Widerstand gegen ihn, worüber im folgenden Kapitel berichtet wird.


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