Buch 3, Prolog „Die Mark unter neuen Herren“

Das dritte Buch aus der Reihe über die brandenburgischen Herrscher, ihrer Lande und Leute, ist dem Hause Luxemburg gewidmet.
Mit Karl IV. trat 1373 der wohl bekannteste Vertreter dieses Geschlechts die Nachfolge der Wittelsbacher als Regent Brandenburgs an. Er war auf dem Höhepunkt seiner Macht. Erwählter römisch-deutscher König und vom Papst gekrönter Kaiser, gleichzeitig König von Böhmen, Träger der Eisernen Krone und damit König von Italien, Herzog von Burgund, Markgraf von Mähren, der Lausitz und der Mark Brandenburg. Jede seiner Kronen und Titel hätte ausgereicht, einen Fürsten gänzlich auszufüllen. Er gilt unter Historikern, selbst bei den kritischen dieser Zunft, als der denkwürdigste spätmittelalterliche Monarch auf dem Thron des Heiligen Römischen Reichs. Seine Fürsprecher sehen in ihm geradezu das Ideal eines Herrschers, der sich noch einmal kraftvoll dem Machtzerfall des Kaisertums entgegenstemmte und mit der Goldenen Bulle dem Reich sein auf Jahrhunderte wichtigstes Grundgesetz gab, auf das wir in Buch 2 detailliert eingingen. Ungewöhnlich gebildet, war er  von seinem Vater Johann I. von Böhmen, mit einer respektablen Hausmacht ausgestattet worden, wenngleich nach Johanns Tod, der gängigen Sitte folgend, eine Teilung der Familienbesitzungen vorgenommen wurde. Unter den drei männlichen Nachkommen wurde das Erbe zwar aufgeteilt, allerdings zu ungleichen Teilen. Dem erstgeborenen Karl fiel das Königreich Böhmen zu und damit das Haupterbe. Dem jüngeren Bruder Johann Heinrich wurde die Markgrafschaft Mähren zuteil, jene Markgrafschaft über die Karl bis zum Tod des Vaters selbst als Landesherr regierte. Zuletzt erhielt Halbruder Wenzel die Grafschaft Luxemburg, die später zum Herzogtum erhoben wurde. Wenzels Mutter stammte aus dem französischen Königshaus der Valois. Der französische Einfluss und die vorgenommene Erbteilung entfremdete das luxemburgische Stammland weiter von seinen deutschen Wurzeln und so neigte es zunehmend hinüber in die französische Machtsphäre.

Karl war kein ausgesprochen kriegerischer Herrscher, womit er aus dem Rahmen der Zeit fiel. In Kriegen sah er weder das ehrenvolle und unbedingt mannhafte wie der Vater, noch das hauptsächliche Mittel zur Wahl. Politische Ziele suchte er wenn möglich friedlich zu erreichen, scheute sich jedoch nicht auch militärisch einzugreifen, wenn die Umstände günstig erschienen oder es unvermeidlich wurde. Durch schnelles Vorgehen und schiere Übermacht zwang er seinen zumeist deutlich unterlegenen Gegnern seinen Willen auf und vermied dadurch aufreibende kriegerische Auseinandersetzung. Wirtschaft und Handel schenkte er besondere Aufmerksamkeit. Den Wissenschaften und der Architektur war Karl ein steter Gönner und zuverlässiger Beistand. Das dörflich anmutende Prag, dass zum Regierungsantritt Johanns I. nur aus seiner Altstadt bestand und noch nahezu ausschließlich Holzbauten besaß, wuchs durch Erteilung diverser Privilegien unter diesem ersten Luxemburger in Böhmen erheblich an. Unter Karl erlebte die Stadt schließlich einen wahren architektonischen Höhenflug. Er machte Prag zu einer Metropole. Neben diesen vielen eindrucksvollem Charaktereigenschaften, war er gleichzeitig, heute würde man sagen, ein Karrierist mit nur wenig Skrupel. Er nutzte politische Heiraten wie kaum ein Zweiter und unterwarf hierbei seine zahlreichen Kinder aus insgesamt vier Ehen, völlig seinen Plänen und machtpolitischen Zielen. Kaiser Maximilian I. wird ihn dereinst  Erzstiefvater des Reichs nennen, da er seine Hausmachtinteressen mit großer Rücksichtslosigkeit verfolgte. Man sagte ihm schon zu Lebzeiten nach, er wäre ein übertriebener Frömmler gewesen, was ihm bei seinen Gegnern den Ruf des Pfaffenkönigs einbrachte. Träume hielt er für göttliche Eingebungen oder Omen und maß ihnen hohen Stellenwert bei. Absprachen und Übereinkünfte relativierte er oder machte sie ganz rückgängig, wenn sich getroffene Vereinbarungen zu seinen Ungunsten entwickelten. Für aufwendige Zeremonien und Prunk hatte er eine Schwäche und zelebrierte seine Herrschaft ganz im Stile des französischen Hofs, wo er die prägendsten Jugendjahre verbrachte und Zeuge des dortigen Hoflebens wurde. Anlässlich der im Reich weit verbreiteten Ausschreitungen gegen Juden während der Zeit der grassierenden Pest, tat Karl nichts zu ihrem Schutze, obwohl er als Reichsoberhaupt gleichzeitig erklärter Schutzherr der Juden war, die umgekehrt dafür hohe Abgaben zu leisten hatten. Schlimmer noch als seine Passivität, waren die im Vorfeld der Pogrome von ihm vereinbarten Abkommen, die die Hinterlassenschaft von vertriebenen oder ermordeten Juden regelten. Wir werden auf diese, wie auf andere Aspekte noch einmal später näher eingehen.

Mit dem 1373 geschlossenen Vertrag von Fürstenwalde,  bemächtigte sich Karl IV. endgültig der Mark Brandenburg, nachdem er bereits zwei Jahre zuvor militärisch im Land intervenierte, damals allerdings noch von einem bayrisch-brandenburgischen Heer erfolgreich abgeschreckt. Er gab seinem frevelhaften Tun durch die Zahlung einer außerordentlich hohen Summe von 500.000 Gulden und zusätzlicher Übereignung einiger Gebiete im Nordgau den Anschein von Legalität. Tatsächlich war die Enteignung des vormaligen Herrschers, einem Vertreter aus dem bayrischen Hause Wittelsbach, im Übrigen gleichzeitig sein Schwiegersohn, ein von langer Hand geplanter Akt, der ganz dem polyglotten und gerissenen Herrscher entsprach und seine Tücke und Raffinesse offen ans Tageslicht beförderte.

Wer war nun dieser Karl, der es scheinbar wagen konnte ohne weitere Folgen einem rechtmäßigen Kurfürsten des Heiligen Römischen Reichs de facto dessen Fürstentum zu entreißen, ohne dass dies Folgen hatte?
Wir wollen diesem vielschichtigen Monarchen in den nächsten Kapiteln unsere ganz spezielle Aufmerksamkeit schenken. Die deutlich größere und damit vorteilhafte Quellenlage erleichtert es uns ungemein, ein Bild Karls IV. zu skizzieren, das so bei allen bisher vorgestellten Regenten der Mark nicht möglich war. Wesentliche Großereignisse seiner Zeit, der englisch-französische Krieg, die Pest, die Goldene Bulle etc. wurden schon in Buch 2 erwähnt und teilweise detailliert dargelegt. Wir werden diese wichtigen Meilensteine an passenden Stellen noch einmal anschneiden und gegebenenfalls ergänzen.
Alles in allem wird sein Leben und Wirken in drei Kapiteln vorgestellt. Der erste Teil behandelt die 30 Jahre von seiner Geburt bis zur Kür zum König, zum Gegenkönig Kaiser Ludwigs IV., und deckt den Zeitraum von 1316 – 1346 ab. Der zweite Teil behandelt jene Zeit bis zum Vertrag von Fürstenwalde und damit von 1346 – 1373. Der abschließende dritte und letzte Teil wird sich besonders auf sein Wirken in der Mark Brandenburg konzentrieren und die sogenannten fünf guten Jahre von 1373 – 1378 detailliert beleuchten. Es wird das Kapitel sein, wo wir wieder intensiv die Mark Brandenburg thematisieren.


 

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