Buch 2, Epilog – „Die Wittelsbacher in der Mark“

Markgräfliches Wappen der Wittelsbacher in Brandenburg

Das Erscheinen der Wittelsbacher in der Mark, war eine nur verhältnismäßig kurze, kaum 50 Jahre dauernde Episode. Insgesamt kamen drei Markgrafen aus diesem Hause in Brandenburg zur Regentschaft, alle drei waren Söhne von Kaiser Ludwig IV. dem Bayer“. Dieser belehnte 1323, nachdem 1320 der letzte askanische Landesherr ohne einen Erben verstarb und das Land dadurch ans Reich zurückgefallen war, seinen noch minderjährigen, gleichnamigen Sohn mit der Mark.

In den vorhergehenden drei Jahren des brandenburgischen Interregnums verkam das Land und zerfiel mancherorts in halbautonome Regionen. Auch angrenzende Fürsten machten sich über die führungslos gewordene Markgrafschaft her und suchten sich einen Teil aus dem märkischen Körper zu reißen.

Nach Beendigung dieser führungslosen Zeit und dem Regentschaftsantritt der Wittelsbacher, hörten die Probleme nicht auf, sie bekamen nur neue andere Gesichter. Die neue Herrschaft stand von Beginn an unter keinem guten Stern. Zunächst ließ der königliche Vater, die Kaiserwürde erlangte er erst später, das neuerworbene Land von einem seiner Getreuen als Statthalter verwalten, der dabei gleichzeitig als Vormund des jungen Ludwig fungierte. Mit der Mündigkeit des jungen Markgrafen kamen zu den teilweise gelösten inneren Problemen, vor allem mit dem märkischen Adel, zahlreiche Konflikte mit den Nachbarn hinzu.

Ludwig genannt „der Brandenburger“
Erster Wittelsbacher Markgraf Brandenburgs

Markgraf Ludwig, genannt „der Brandenburger“ trat sein Regierung selbstbewusst an und entfesselte fast unmittelbar eine Auseinandersetzung mit seinen nördlichen Nachbarn. Streitpunkt war die aus Sicht Brandenburgs bestehende Lehnsoberhoheit über Pommern. Im Grunde waren es die gleichen Probleme und damit zumeist auch die gleichen Gegner, wie schon zu Zeiten der Askanier. Der junge Markgraf konnte seine Forderungen in den rasch aufziehenden kriegerischen Auseinandersetzungen nicht durchsetzen und musste am Ende die Reichsunmittelbarkeit Pommerns anerkennen. Auf administrativer Ebene zeigte er besseres Geschick. Mit der Einführung eines zentralen Urkundenregisters, schuf er Vorraussetzungen für einen moderne Verwaltung. Besonders die brandenburgischen Städte, die unter den Wittelsbachern mehr Privilegien genossen als unter zuvor unter den Askaniern, konnte er für sich zu gewinnen, wozu schon der Vater den Grundstein legte. Im Rahmen der vom Kaiser betriebenen Heiratspolitik, zur Stärkung der bayrischen Interessen, wandte Markgraf Ludwig seine Aufmerksamkeit mehr und mehr von der Mark ab und überließ das Regiment den vom ihm bestellten Statthaltern. Als der kaiserliche Vater starb, kam es nach nur wenigen Jahren zur ersten Teilung der Wittelsbacher Lande der sich alsbald eine zweite anschloss, womit es in Brandenburg zum Wechsel an der Spitze der Regentschaft kam.

Ludwig genannt „der Römer“
Zweiter Wittelsbacher Markgraf Brandenburgs

Ludwig „der Römer“ übernahm jetzt die Landesführung. Er trat die Nachfolge in einem Fürstentum an, dass durch das Auftreten eines gefährlichen Hochstaplers, der als „Falscher Waldemar“ in die Geschichte einging, tief gespalten und zunehmend wirtschaftlich zerrüttet war. Zusätzlich traten die Folgen der gleichzeitig in Europa wütenden Pestpandemie auf, die auch an Brandenburg nicht spurlos vorübergingen. Europaweit brach der Handel stark ein. Als eine der spürbaren Folgen, ging der Wohlstand in den zaghaft aufstrebenden Städten der Mark merklich zurück. Besonders für die landesfürstlichen Kassen machte sich der Ausfall wichtiger Zolleinkünfte verheerend bemerkbar und Ludwig der Römer war gezwungen viele Landesprivilegien an seine Städte aber auch den Adel zu verpfänden um für den jeweiligen Moment ausreichend Finanzmittel zu schaffen. Schon mittelfristig verschlimmerte es die Geldnot des Landesherren nur noch mehr. In der Folgezeit war dadurch der politische Handlungsspielraum in weiten Bereichen wenn nicht blockiert so doch nachhaltig gehemmt. Das weitaus größte hieraus resultierende Problem dürfte dabei die zunehmende Abhängigkeit des Markgrafen von seinen Ständen gewesen sein und hier besonders von jenen aus den Städten. Das Auftauchen des Falschen Waldemars offenbarte dieses Abhängigkeitsdilemma nur zu deutlich. In Brandenburg existierten keine Reichsstädte, überhaupt war der norddeutsche Raum arm an solchen, keinem Reichsfürsten unterstellten Städten. Die fehlende Reichsunmittelbarkeit hinderte die nach Unabhängigkeit strebenden brandenburgischen Städte keineswegs ihre Freiheiten so weit wie nur möglich auszuweiten und gegenüber dem Landesherren auszutesten. In seiner ausgesprochenen Schwäche, verstanden sie sich mehr und mehr Rechte zu ertrotzen. Mit dem Auftauchen des Betrügers fiel die große Mehrheit der Städte vom Wittelsbacher Regiment ab und huldigte dem vermeintlich alten Markgrafen. Angrenzende Fürstentümer, allen voran der noch wacklig auf dem Thron des Reichs sitzende Karl IV., erkannten trotz der Offenkundigkeit des Betrugs, diesen Scharlatan an. Allen Widrigkeiten trotzend, gelang es dem zweiten Markgrafen die Auseinandersetzung mit dem Hochstapler am Ende zu gewinnen, was wesentlich durch die Einstellung des Widerstands der Wittelsbacher gegen Karl IV., der jetzt seine Unterstützung dem Usurpator entzog, gefördert wurde, womit diesem der wichtigste Rückhalt verloren ging.

Das 1356 in der Goldenen Bulle beurkundete Kurfürstenprivileg für den Markgrafen von Brandenburg, stellte den politischen Höhepunkt Ludwigs „des Römers“ dar. Vermutlich war sich der Markgraf seinerseits der langfristigen Auswirkung dieses Sonderprivilegs für die Mark nicht wirklich in vollem Umfang bewusst. In dieser Hinsicht mag er keine Ausnahme gewesen sein, denn anders wäre es wahrscheinlich zu größeren Widerständen unter den Reichsfürsten zweiter – und dritter Garnitur gekommen, die nun weit unter den sieben Kurfürsten des Reichs standen. Für Ludwig war die Goldbulle Karls IV. eine Investition in eine eigene Abschrift das Geld nicht wert, wodurch Brandenburg aber auch das Herzogtum Sachsen über keine eigene Kopie dieses wichtigen Verfassungswerks verfügten. Zumindest im Falle Brandenburgs war es auf die schwere finanzielle Schieflage zurückzuführen. Es bleibt für die weitere Geschichte Brandenburgs eine traurige Tatsache, dass dadurch dem Land ein zeitgenössisches Exemplar des historisch bedeutsamen Dokuments verwehrt blieb.

In dem Anfang 1363 ausbrechenden Erbfolgestreit um das Herzogtum Oberbayern kommt die Ohnmacht des brandenburgischen Landesfürsten in voller Wirkung zum Ausdruck. Unfähig eine Heer aufzustellen, finanziell zu unterhalten und gleichzeitig ohne landeseigene Autorität die eigenen Stände als Unterstützer zu mobilisieren, musste Markgraf Ludwig dem Rechtsbruch seines herzoglichen Halbbruders machtlos zusehen, der sich somit des bayrischen Teilherzogtums Oberbayern bemächtigte und es behielt. Der Kaiser, dem ein zerrüttetes Verhältnis innerhalb der Wittelsbacher Famile, sehr in die Karten spielte, tat nichts diese Tat irgendwie zu sanktionieren.

Der Weg den Markgraf Ludwig „der Römer“ daraufhin einschlug war später von der größtmöglichen Tragweite für die Wittelsbacher in Brandenburg. Ohne einen Verbündeten, warf er sich März 1363 Kaiser Karl IV. fast buchstäblich vor die Füße indem er mit diesem einen Erbvertrag abschloss und gleichzeitig seine eigenen Brüder, mit denen er sich wegen der oberbayrischen Erbschaft hoffnungslos überworfen hatte, enterbte. Was ihn neben der tiefen Enttäuchung dazu trieb, bleibt weitestgehend nicht nachvollziehbar. Ausgerechnet Karl IV. der nicht das Geringste tat um Ludwig zu seinem Recht in Bayern zu verhelfen, war zum möglichen Nutznießer der geschlossenen Erbschaftsverbrüderung geworden. Welche raffinierten Züge der Luxemburger Karl dazu verwendte ist nicht dokumentiert. Möglicherweise fühlte sich Markgraf Ludwig tatsächlich so ohnmächtig, dass er zu diesem politischen nahezu Offenbarungseid griff. Er sollte nicht mehr viele Jahre haben um über seine Entscheidung nachzudenken. Ohne Hoffnung doch noch einen eigenen Erben zu erlangen, schien er alle Zuversicht in seinen bald volljährigen Bruder Otto zu setzen. Dieser sollte die Wittelsbacher Linie in Brandenburg weiterführen und durch baldige Heirat und männlichem Nachwuchs die schwelende Gefahr die Mark an den Kaiser zu verlieren, verhüten. Wahrscheinlich hielt Ludwig dieses Unterfangen für höchst sicher und so machte er sich wohl in der Tat nie Sorgen, dass seine im Frühjahr 1363 getroffene Vereinbarung je zur Realität werden würde. Wie geschrieben, lange blieb ihm nicht darüber nachzudenken, bereits weniger als zwei Jahre später starb er.

Otto V. genannt „der Faule“
Dritter Witteslbacher Markgraf Brandenburgs

Otto, genannt „der Faule“ trat die Nachfolge an. Es fehlte ihm zu einer erfolgreichen Regentschaft an allem. Esprit, Visionen, vor allem an Mitteln, darüber hinaus an Einfluss und Beziehungen. Stets im Schatten seiner teilweise Jahrzehnte älteren Brüder, war er beim Regierungsantritt ohne eigene Erfahrungen, Selbstvertrauen und innere Reife. Es standen ihm keine gewogenen Berater in der Anfangszeit zur Hand. In dieser Lage wurde er ein willfähriges Opfer des dominierenden Kaisers, der sich seiner in vermeintlich allerbester Absicht annahm. Otto war den Netzen und Fallstricken Karls IV. völlig ausgeliefert, was sich deutlich verschärfte nach der Hochzeit mit Katharina von Böhmen, einer Tochter des Kaisers. Sie war verwitwet, hatte jedoch aus ihrer zuvor siebjährigen Ehe meine Kinder hervorgebracht. Otto hätte hier auf jeden Fall aufmerksam werden müssen. Die Ehe verlief im Gesamten unglücklich. Der junge Markgraf lebte nach der Eheschließung für mehrere Jahre am Hof in Prag und nahm keine eigenen Regierungshandlungen in Brandenburg vor. Im Gegenteil über einen mit dem Kaiser geschlossenen, sechsjährigen Vertrag, überließ er diesem die Verwaltung der Mark, der hierauf ihm ergebene Verwalter dort einsetzte. Mit dem Ausbleiben von Nachwuchs, begannen erste Zweifel an der Lauterkeit des kaiserlichen Schwiegervaters zu wachsen. Otto nahm nun Verbindung zur bayrischen Verwandtschaft auf und begann auch in der Mark aktiver zu werden. Mit Ablauf des sechsjährigen Verwaltungsprivilegs Karls, machte Otto seine Ansprüche auf die Mark deutlich vor allem den Willen die Regentschaft ungemindert zu übernehmen. In den vorhergehenden Verwaltungsjahren wurde die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Landes und der Handel wieder gehoben. Karl hatte kaum ein Interesse daran, dem Markgrafen Otto ein wieder leidlich funktionierendes Fürsten zu übergeben, dies war jetzt weniger denn je seine Intention noch weniger, nachdem Otto den Sohn seines bayrischen Halbbruders, den nur wenige Jahre jüngeren Friedrich zu seinem Nachfolger und Erben bestimmte. Otto hat selbst wohl keine Hoffnung mehr mit seiner Gattin eigene Kinder zu haben, macht dahingehend dem Schwiegervater nun auch offene Vorwürfe, er habe ihm ganz bewusst eine offensichtlich unfruchtbare Braut unter seinen Töchtern ausgesucht. Ob nicht vielleicht das überhaupt zerrüttete Eheleben ein Grund dafür war, ist schwer im Nachhinein zu beurteilen.
Karl der in Ottos Entscheidung einen eindeutigen Vertragsbruch bezüglich der Vereinbarung vom März 1363 sah, fackelte nun nicht mehr lange. Mit einem Heer rückte er in die Mark ein, ohne es jedoch zum Kampf kommen zu lassen. Es lag ihm wenig daran das mühsam wieder errichtete, durch einen lang anhaltenden Krieg mit den damals üblichen Verwüstungen und Brandschatzungen zu führen. Seine Strategie beruhte auf die Massierung einer numerischen Überlegenheit um dadurch abzuschrecken. Seine Rechnung ging nicht auf, denn es stand bereits ein bayrisch-brandenburgisches Heer im Land und stellte sich ihm in den Weg. Gleichzeitig schloss Herzog Stephan II. von Bayern ein Bündnis mit dem ungarischen König Ludwig von Anjou.
Karl der offene Krieg stets so lange mied wie es nur irgend möglich war, bot einen Waffenstillstand von 18 Monaten an. Nach Ablauf der Zeit erschien Karl im Juni 1373 auf ein Neues in der Mark, Dieses Mal führte er ein kriegsstarkes Heer zu Felde und begann mit der Belagerung verschiedener Städte. Er verließ sich hierbei nicht nur auf die eigenen Kräfte. Die Herzöge von Mecklenburg, Pommer-Stettin, Sachsen-Wittenberg, der Erzbischof von Magdeburg und der Markgraf von Meißen marschierten von Norden, Nordosten, Westen und Südwesten ebenso ein und begannen mit Belagerungen und Verheerungen. Zu einer offenen Feldschlacht reichten die bayrisch-brandenburgischen Truppen nicht aus. Sie hätten wohl in einzelnen Feldzügen die kleineren Kontingente der Verbündeten Karls angreifen können doch am Ende wären die eigenen Kräfte nicht ausreichend gewesen den Streitkräften Karls die Stirn bieten zu können. Im Heerlager zu Fürstenwalde kam es zu Unterhandlungen. Die Friedensbedingungen wurden von Kaiser Karl unmissverständlich diktiert. Er gab sich gönnerhaft, leistet dem Markgrafen Brandenburg eine üppige Ausgleichszahlung sowie etwas Landbesitz im ans bayrische Kernland angrenzenden Nordgau. Otto musste auf Empfehlung seines verbündeten Bruders die Bedingungen annehmen, immerhin wuchs damit das bayrische Kernland geringfügig und auch die 500.000 Gulden taten ihren Beitrag bei der Entscheidungsfindung. Es gelang ihm am Ende wenigstens formal den Titel eines Markgrafen von Brandenburg zu bewahren und den damit verbundenen Kurfürstentitel.


„Abschließende Bewertung“

Ruhmlos ging die Zeit der Wittelsbacher in der Mark am 18. August 1373 mit dem Vertrag vom Fürstenwalde zu Ende. Das Regiment ging an die Luxemburger über. Im gängigen historischen Rückblick kommen die Wittelsbache, bezogen auf  Brandenburg für gewöhnlich wenig positiv weg. In älteren Werken ließt man gelegentlich davon, sie hätten die Mark nur für ihre bayrischen Stammlande finanziell ausgebeutet und die egentlichen Landesgeschicke wären stets den Belangem Bayerns untergeordnet worden. Dieser Pauschalisierung muss man entschieden widersprechen. Wenn überhaupt, so bestand nur unter dem ersten Markgrafen aus diesem Hause überhaupt eine doppelte Verbindung. Dass er sich ungebührlich hohe Summen für seine bayrischen- und Tiroler Ambitionen aus dem Land sog, ist nicht bekannt. Schon dem Nachfolger, Ludwig dem Römer, stand nach dem Luckauer Vertrag ohnehin nur noch die Mark Brandenburg als Fürstentum zur eigenen Verfügung.

Der seit dem Ende der 1340‘er Jahre auftretende starke Rückgang des Wohlstands im Land war zunächst auch die Folge der katastrophalen Pestpandemie die europaweit das wirtschaftliche Gefüge erschütterte. Bereits davor leiteten klimatische Veränderungen einen Abschwung der Agrarwirtschaft ein. Das Wetter wurde allgemein kühler und deutlich niederschlagsreicher. Große, lokal unterschiedlich starke Ernteausfälle waren die Folge. Als zusätzlich mit dem Auftreten des Falschen Waldemar eine Zersplitterung und ein weitreichender Abfall vom Wittelsbacher Fürstenhaus eintrat, hatte dies auf das ganze Landesgefüge einen massiv untergrabenden Charakter. Die landesfürstliche Finanzwirtschaft geriet immer mehr unter Druck in dessen Folge mehr und mehr Privilegien und Regalien verpänder wurden zur kurzfristigen Geldschaffung. Der Zerfall der landesherrlichen Zentralgewalt erfolgte stufenweise und war kaum wirklich positiv von den Markgrafen zu beeinflussen, hierzu spielten von außen herangetragene Faktoren ein zu bestimende Rolle.

Wenn man sich zuletzt immer noch nicht mit den Wittelsbachern in der Mark gefühlstechnisch versöhnen kann, so mag zumindest der Hinweis doch noch erhellend wirken, dass unter einem Wittelsbacher die Mark Brandenburg endültig zum Kurfürstentum erhoben wurde und damit eines der wichtigen Fundamente für Brandenburgs spätere Bedeutung während der Regentschaft dieses Hauses gelegt wurde.


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