Buch 3, Kapitel II: „Karl IV. – Vom Markgrafen zum König“


Karl feierte im Mai 1334 seinen achtzehnten Geburtstag. Nach den altüberlieferten Bräuchen, galt er jetzt als herangewachsen und volljährig. Mit eigenerverantwortlichen Aufgaben, wurde er bereits vom Vater vor seiner Volljährigkeit betraut. In Oberitalien war er für fast zwei Jahre als Statthalter eingesetzt, es war ursprünglich als eine einfache Aufgabe angedacht, doch sah er sich fast augenblicklich, kaum hatte Johann Italien verlassen, einer rasch ausbreitenden Rebellion gegenüber, deren er dauerhaft nicht Herr wurde. Der Vater hatte die Umstände und besondere Dynamik in der lombardischen Region unterschätzt und den Sohn vor eine kaum zu bewältigende Herausforderung gestellt. Die italienische Episode ging für das Haus Luxemburg im Spätsommer 1333 mit einem fast völligen Rückzug weitestgehend zu Ende. Johann von Böhmen musste notgedrungen seine Ambitionen in Italien aufgeben. Der Preis für eine Erweiterung der eigene Hausmacht im italienischen Raum, konnte auf Dauer nicht geleistet werden. Selbst wenn er im Verein mit dem Sohn, unter Anspannung aller Kräfte, die Lage vor Ort für den Moment hätte retten können, das Risiko mit dem Kaiser wegen seiner Aktivitäten in Reichsitalien in ernsthafte Verwicklungen zu geraten, war unter den gänzlich veränderten Bedingungen nicht mehr vertretbar. Schon standen die Habsburger in Wartestellung, um eine böhmische Schwäche auszunutzen. Sie wären in dieser Angelegenheit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit an die Seite des Kaisers gesprungen. Im gemeinsamen Konzert wäre die gesamte böhmisch-luxemburgische Stellung in Gefahr geraten. Es wäre eine hervorragende Gelegenheit gewesen alte und verlorengegangene habsburgische Ansprüche auf Mähren, vielleicht sogar auf ganz Böhmen zu erneuern. Nach der Niederlage von Mühlberg, musste Habsburg seinerzeit alle Ansprüche aufgeben, um dadurch den in Böhmen gefangen gesetzten Herzog Heinrich von Österreich auslösen zu können. König Johann forderte dies als Preis für die Freilassung des Bruders. Für den sehr wahrscheinlichen Fall einer kaiserlichen Intervention, hätten es die Habsburger bei einer Erneuerung ehemaliger Ansprüche freilich nicht übertreiben dürfen. Eine Ausweitung, über Mähren hinaus auf ganz Böhmen, wäre am Widerstand des Kaisers und weiterer Reichsfürsten gescheitert, doch die kleine mährische Lösung wäre wahrsxheinlich eine vom Reichsoberhaupt akzeptierte Option gewesen. Johann war klug genug sich nicht in Italien zu verausgaben, rechtzeitig einen Schlussstrich zu ziehen und die bisherigen Anstrengungen abzuschreiben, um damit weitaus Schlimmeres zu verhüten. Dass sein italienisches Abenteuer trotzdem nicht ganz spurlos am Verhältnis zum Kaiser vorüber ging, konnte man daran erkennen, dass ihn sein erster Weg zurück in den nördlichen Reichsteil, an den Hof Ludwigs IV. nach München führte, um sich mit ihm wegen Oberitalien zu vergleichen. Der Kaiser schien es ihm nicht sonderlich schwer maxhen zu wollen, immerhin hatte er Johanns tatkräftige Hilfe bei Mühlberg nicht vergessen. Es reichte Lidwig für den Moment völlig, dass Johanns Mission in der Lombardei ergebnislos blieb und er gleichzeitig dabei Federn ließ, was seinen weiteren Ambitionen in Reichsangelegenheiten für den Augenblick einen Riegel vorschob und umgekehrt dem Kaiser Raum für eigene Pläne ließ. Pläne die möglicherweise schon damals am reifen waren. Hinsichtlich des beiderseitigen Verhältnisses blieb aber immerhin doch ein Makel, eine unschöne Schramme zurück.

Rufen wir uns das Jahr 1323 noch einmal ins Gedächtnis. Vor rund zehn Jahren belehnte König Ludwig IV., die Kaiserkrone hatte er noch nicht erworben, seinen ältesten und gleichnamigen Sohn mit der verwaisten Mark Brandenburg und trieb damit die Wittelsbacher Hausmacht weit in den norddeutschen Raum vor. Es war das erste Mal, dass ein aus dem süddeutschen Raum stammender Regent, gleichzeitig im Norden eine so wichtige Bastion hielt. Dergleichen aufsehenerregende Aktivitäten zum Vorteil des eigenen Hauses, mussten selbst von einem Reichsoberhaupt, gerade von diesem, wohl dossiert vorgenommen werden, um das empfindliche Gleichgewicht im Reich nicht überzustrapazieren oder, um es ganz deutlich zu sagen, nicht Neid und Missgunst unter den Fürsten aufkeimen zu lassen. Jetzt, nachdem der Kaiser zehn Jahre Ruhe bewahrte, den Belangen des Reiches seine Aufmerksamkeit geschenkte hatte, konnte er es immerhin wagen einen neuen Coup in Betracht zu ziehen. Wir werden weiter unten darauf zurückkommen und kehren für den Moment wieder zu Karl zurück.


“Markgraf von Mähren“

Wappen Mährens

Die Markgrafschaft Mähren ging als unabhängiges Reichslehen bis auf das Jahr 1182 zurück. Sie war das Ergebnis familieninterner Rivalitäten im böhmischen Herrscherhaus der Přemysliden, die sich in eine mährische –  und Prager Linie trennte. Die ersten Jahrzehnte sahen kriegerische Konflikt beider Linien. Wiederanschlüsse an das seit 1198 zum Königreich erhobene Böhmen und erneute dynastische Abspaltungen. Schließlich die Unionshoheit unter der Regie Böhmens. Nach dem Aussterben des Geschlechts der Přemysliden folgten für kurze Zeit die Habsburger und danach mit Johann I., 1310 die Luxemburger. Johann trug selbst nie den Titel eines Markgrafen von Mähren. Erst mit Karl, der im August 1333 von seinem Vater noch in Oberitalien mit der Markgrafenwürde belehnt wurde, fand diese Titulatur Einzug bei den Luxemburgern.
Karl reiste jetzt, ein Jahr nach der Belehnung, erstmals in seine Markgrafschaft. Er musste sich in dieser Hinsicht sputen denn der althergebrachte Brauch sah vor, dass ein neuer Herr innerhalb der Frist eines Jahres die Huldigungen seiner Vasallen einholt. Er eilte im August 1334 nach Mähren, besuchte die großen Städte Brünn, Olmütz, Znaim und weitere Städte, um sich von den dort versammelten Ständen huldigen zu lassen und im Umkehrschluss deren Rechte und Privilegien zu bestätigen. Nach den Berichten, die zumeist aus der Feder wohlwollender Zeitgenossen stammte, fand Karl große Zustimmung in der Markgrafschaft und man darf annehmen, dass die Städte wohlgefällig dem neuen Landesherren entgegen sahen. Beim mährische Landadel dürfte die Begeisterung durchwachsener gewesen sein, mussten doch gerade sie damit rechnen dass ihr bisher wenig behelligtes, selbstherrliches Handeln zukünftig beschnitten würde. Analog zu seinen Amtshandlungen in Böhmen, wo ihn der Vater bei seinen wiederholten Abwesenheiten zu Statthalter bestimmte, wirkte Karl auch in Mähren. Er löste verpfändete Schlösser in der Grafschaft aus, vermehrte dadurch seinen landesherrlichen Besitz und beschnitt parallel den örtlichen Adel. Gleichzeitig suchte er mit den Städten in gutem Einvernehmen zu bleiben, weswegen er besonders dem Schutz der Handelswege frühzeitig die gebührende Aufmerksamkeit schenkte. Hielt sich ein Landesherr seine Städte gewogen, konnte er sich dadurch eine wichtige Balance zum eigenen, oft nach Autonomie strebenden Adel schaffen. Das Prinzip zog sich von der Ebene der Territorialfürsten bis hoch zur obersten Reichsebene, wo der König oder Kaiser dem gleichen Gedanken folgend ein System von ihm direkt unterstellten Reichsstädten unterhielt, die so ein Gegengewicht zu den reichsunmittelbaren Fürsten bildete. Selbstverständlich ist die Entstehung der Reichsstädte facettenreicher als es unser vereinfachtes Beispiel suggerieren mag, auf die weiteren Details näher einzugehen, würde jedoch den Umfang unnötig überspannen, es soll an der Stelle genügen. Merken wir uns einfach, ein Landesfürst, selbst der Kaiser nutzte die verschiedenen Stände in seinem Herrschaftsgebiet als jeweilige Gegengewichte zur Durchsetzung seiner landesherrlichen Gewalt. Es wäre übrigens verkehrt anzunehmen, der Adel wäre hier immer der renitente Teil und die Städte die treuen Vasallen. Sehr wohl gab es in allen Teilen des Reichs, den Landesherren loyale eingestellte Adelshäuser,  ebenso wie es aufsässige, nach Autonomie strebende Städte gab. Ein kluger Fürst verstand es, sofern ihm die Hände nicht aufgrund anderer Umstände gebunden waren, den Ausgleich beider Kräfte zu fördern, die Ausschläge in die eine oder andere Richtung zu minimieren und nur im Notfall beide Seiten gegeneinander auszuspielen.
Karl brachte eine natürliche diplomatische Begabung mit, was ihm überraschend schnelle Verständigungserfolge bei Adel, Klerus und der Stadtaristokrstie einbrachte. Sein Sprachtalent und Bildung rundete seine von Haus aus gegebene Autorität soweit ab, um bei den Zeitgenossen großen Eindruck zu hinterlassen und dies obwohl er gerade erst ins Mannesalter vorgestoßen war.


Zweite Ehe Johanns von Böhmen

Karls Mutter Elisabeth, die am 28. September 1330 verstorbene Königin von Böhmen, wurde nach ihrem Tod von ihrem Mann Johann, wenn überhaupt, so doch nur rein formell betrauert, um nicht den Unmut in Böhmen zu schüren. Seit  vermutlich 1323 war die Ehe nach heutiger Terminologie zerrüttet. Sie lebte in dieser Zeit sogar im niederbayrischen Exil. 1325 erlaubt ihr der König zurückzukehren, wo sie fortan, aller Kinder beraubt, zunehmend vereinsamte und wahrscheinlich geistig erkrankte.

Nach vier Jahren der Witwerschaft, vermählte sich der zwischenzeitlich 38 Jährige König im Dezember 1334 ein zweites Mal. Die Wahl fiel, man konnte es bei ihm kaum anders vermuten, auf eine französische Prinzessin. Sie entstammt dem Hause Bourbon, einer weiteren Nebenlinie der Karpetinger Königslinie. Johanns Hang zu Frankreich war groß, für einen deutschen Fürsten fast zu groß. Die von ihm initiierten oder nachhaltig unterstützenden Heiratsverbindungen mit dem französischen Hof oder dem Hof nahstehender Seitenlinien, waren selbst nach üblichen dynastischen Aspekten betrachtet, ungewöhnlich. Begonnen hatte es damit dass er seine Schwester Maria mit König Karl IV., dem letzten Vertreter der älteren Karptinger Königslinie verheiratete. Als nächstes folgte die arrangierte Heirat seines Sohnes Karl mit sem Haus Valois, das mit Philipp VI., dem Schwager Karls, nach dem Tod des vorherige Monarchen, jetzt die französischen Könige stellte. Mit Philipps erstgeborenem Sohn und späteren Nachfolger, Johann II., vermählte er seine Tochter Jutta und nun heiratete er selbst als krönenden Abschluss einen Bourbonin, womit selbst nach dem Tod der Schwester, immer noch eine dreifache Verbindung bestand.

Beatrix von Bourbon

Seine junge Gemahlin Beatrix war zum Zeitpunkt der Vermählung 14 Jahre und damit stolze 24 Jahre jünger als ihr Gemahl.  Ungewöhnlich waren Altersunterschiede dieser Höhe zwar nicht, doch darf man sich dennoch nicht über das Konfliktpotenzial solcher Verbindungen hinwegtäuschen. Beatix war die Cousine des amtierenden französischen Königs. Ihr Vater war Ludwig I. (1279 – 1341), Herzog von Bourbon und Graf von La Marche. Als Großkämmerer und Pair von Frankreich, gehörte er zu den einflussreichsten Personen am Hofe König Philipps.

Der zugrunde liegende Heiratsvertrag beinhaltete neun Klauseln wovon wir eine herausheben möchte, da sie für den weiteren Zusammenhalt der Luxemburger Stammlande mit den böhmischen Kronlanden, von Bedeutung war. In diesem Artikel wurde vereinbart, dass der oder die männlichen Nachkommen aus der Ehe, zukünftig die Luxemburger Länderreien im Westen des Reichs erben sollten. Für beide Söhne aus erster Ehe, Karl und Johann-Heinrich, hatte dies wesentliche Auswirkungen, da sie hierdurch vom reichen Erbe im Westen ausgeschlossen wurden. Karl wurde gezwungen den Vertrag zu unterzeichnen. Sein Bruder war noch minderjährig, der Vater tat es daher an seiner statt und gegen dessen Interessen. Nach Meinungsverschiedenheiten zwischen Karl und dem Vater in Norditalien vor etwas mehr als einem Jahr, war diese neuerliche Angelegenheit bestens geeignet einen schweren innerfamiliäreren Zwist zu entfachen aber Karl fügte sich letztlich unter das Dominat des Vaters und akzeptierte die Entscheidung.

Die Hochzeit wurde in Vincennes vollzogen, das damals noch außerhalb von Paris lag. Die eigentlichen Feierlichkeiten wurden aber in Paris begangen, wo unter anderem ein großes Turnier abgehalten wurde. Kein Turnier an dem Johann nicht versucht hätte teilzunehmen, so auch bei seiner eigenen Vermählung. Doch dieses Mal kostete es ihn beinahe das Leben. Er wurde schwer verletzt und es dauerte ein halbes Jahr bis er sich davon erholte. In dieser Zeit verließ er Paris nicht und Karl führte die Amtsgeschäfte in Böhmen fort.

Aus der Ehe ging am 25. Februar 1337 mit Wenzel ein Sohn und der zukünftige Erbe der Luxemburger Gebiete hervor.


Hochzeit in Mähren

Im folgenden Jahr fand eine neuerliche Hochzeit in der Familie statt. Am 26. Februar 1335 heiratete die rund sechszehnjährige Prinzessin Anna von Böhmen, Karls jüngste Schwester und Johanns vorläufig jüngstes Kind, im mährischen Znaim Herzog Otto von Habsburg (1301 – 1339). Er trug den Beinamen „der Fröhliche“, war der jüngste der sechs Söhne des 1308 ermordeten, vormaligen römisch-deutschen Königs Albrecht I.  und Enkel des ehemaligen römisch-deutschen Königs Rudolf I. von Habsburg. Als sechster in der männlichen Erbfolge war es nicht wahrscheinlich, dass er jemals eine besondere Stellung oder gar eine eigene Herrschaft erlangen könnte. Die Umstände entwickelten sich dann allerdings anders. Drei seiner älteren Brüder starben vor ihm und hinterließen keine oder nur weibliche Nachkommen. Auch sein nächstälterer Bruder Heinrich war zwischenzeitlich kinderlos verstorben. Wir berichteten im letzten Kapitel über ihn. Es war jener Herzog Heinrich, der 1322 in der Schlacht bei Mühlberg zusammen mit dem ältesten Bruder Friedrich, dem damaligen römisch-deutschen Gegenkönig, vom Burggrafen Friedrich IV. von Hohenzollern-Nürnberg gefangen genommen, anschließend dem böhmischen König Johann ausgeliefert wurde und dann für einige Monate auf Burg Pürglitz interniert war, wo er den damals sechsjährigen Kronprinzen Karl kennenlernte. Zum Zeitpunkt der Heirat Ottos, lebte mit Herzog Albrecht nur noch ein älterer Bruder. Beide teilten sich fortan die Regentschaft der umfangreichen habsburgischen Besitzungen.

Mit dieser letzten von Johann eingefädelten Vermählung bestanden nun von Seiten der Luxemburger Heiratsverbindungen nach allen wesentlichen Seiten. Zu den Wittelsbachern, wenn auch einer Nebenlinie und nicht zum kaiserlichen Familienzweig, in zweifacher Weise zu den Valois, der momentanen französischen Königslinie, zu den Bourbonen, einer Nebenlinie der französischen Königsdynastie und nun auch zu den Habsburgern, welche in den letzten 50 Jahren drei römisch-deutsche Könige stellten. Man darf mit Fug und Recht behaupten, dass Johanns Kinder, Söhne wie Töchter und natürlich er selbst, in höchstem Kurs standen und er sich bestens darauf Verstand Politik durch geschickte Heirat zu machen. Wahrscheinlich war Karl schon damals längst bewusst geworden welche Möglichkeiten sich aus einer konsequent praktizierten Heiratspolitik ergeben könnten.

Johann war aufgrund seiner Turnierverletzung bei der Hochzeit der Tochter nicht anwesend. Karl übernahm die Rolle des Vaters und reichte dem Bräutigam die Hand der Schwester zum Bunde. Eine Gästeliste liegt uns nicht vor aber die Festivität muss sehr groß und prunkvoll gewesen sein, denn einer Verpflegungsliste für Pferde entnehmen wir, dass Hafer und Stroh für 6.000 Pferde vorgehalten wurde.

Es ist wahrscheinlich dass Karl im Anschluss das Brautpaar nach Wien begleitete, wo eine Urkunde bezüglich der Mitgift ausgestellt wurde. Die beiden regierenden Herzöge verzichteten auf das Brautged von 900 Mark Silber und nahmen stattdessen die Stadt Znaim und Umgebung als Pfandbesitz. Es lässt sich darüber diskutieren weshalb Karl eine bedeutende Stadt aus seiner Markgrafschaft als Pfand abtreten musste, schließlich war es am Vater die Mitgift aufzubringen und nicht am Bruder. Dass beide, besser gesagt, dass Johann schmal bei Kasse war, hatten wir am Ende des ersten Kapitels dargelegt, es muss dennoch wundern, dass Karl dafür aufkam aber vermutlich blieb ihm nichts anderes übrig.


Die Tiroler und Kärtner Hinterlassenschaft

In Buch 2, Kapitel I über Ludwig den Brandenburger, den ältesten Sohn Kaiser Ludwigs IV., den man den Bayer nannte, haben wir aus der Sicht der Wittelsbacher die Vorgänge rund um die Tiroler, bzw. Kärntner Affäre berichtet. In Kapitel II dieses Buchs, betrachten wir den gleichen Sachverhalt aus der Perspektive der Luxemburger. Fassen wir dazu die Ausgangslage noch einmal zusammen.

In der Grafschaft Tirol und in den Herzogtümern Kärnten und Krain regierte seit 1310 Herzog Heinrich von Kärnten (um 1270 – 1335). Er entstammte dem Geschlecht der Meinhardiner. Heinrich war in erster Ehe mit der ältesten Tochter König Wenzels II. von Böhmen verheiratet. Sie war die Schwester von Johanns erster Frau Elisabeth, was Johann zu einem Schwippschwager Heinrichs machte. Mit dem Aussterben der männlichen Linie des traditionellen böhmischen Königshauses, erhielt Heinrich einen Anspruch auf die Krone und wurde 1307 von den böhmischen Ständen zum König gewählt. Durch einen misslungenen Heiratsplan bei dem sich die jüngere Schwester Elisabeth kategorisch weigerte Folge zu leisten, kam es zum Zerwürfnis mit dem Königspaar. Die Stände Böhmens hielten zur jüngeren Schwester, witterten darin die Chance sich des ungeliebten Königs zu entledigen und überredeten Elisabeth den Sohn des amtierenden Kaisers Heinrich VII. aus dem Hause Luxemburg zur heiraten. 1310 kam es in Speyer zur Trauung. Gleichzeitig wählten sie ihn zu ihrem neuen König, quasi zum Gegenkönig Heinrichs von Kärnten. Gegenkönig war ein für böhmische Verhältnisse bislang unbekanntes Phänomen. Johann rüstete mit Hilfe des Vaters ein Heer, zog nach Böhmen und vertrieb Heinrich aus dem Land. Seither saß mit Johann ein Luxemburger auf dem Thron Böhmens.

Margarete von Tirol
Bronzestatue in der Innsbrucker Hofkirche

1325/26 nahm Johann Kontakt zu seinem früheren Rivalen Heinrich auf. Es ging um eine Heiratsverbindung zwischen seinem jüngsten Sohn Johann-Heinrich und der Tochter des Herzogs. Schon 1327 kam es zur Verlobung des gerade fünfjährigen böhmischen Prinzen mit der neunjährigen Margarete. Der Junge blieb am Tiroler Hof, um dort erzogen zu werden und unter anderem auch die deutsche Sprache zu erlernen, wogegen er sich mit großer Vehemenz wehrte. Die Mutter hatte es augenscheinlich nicht nur versäumt ihm die Sprache beizubringen bzw. beibringen zu lassen, sie beeinflusste ihn wahrscheinlich auch dahingehend negativ, was seine Widerspenstigkeit erklären mochte.

Überhaupt erwies sich der junge Prinz von der ersten Stunde an als äußerst schwierig und in vielen Belangen des alltäglichen Verhaltens als auffällig. Er neigte zu Gewaltausbrüchen und Gängeleien gegen seine spätere Braut. Die Überlieferungen sprechen davon er hätte gebissen und gekratzt. Das Verhältnis war von Anbeginn höchst belastet und verschlechterte sich fortlaufend. An eine Ehe konnte eigentlich nicht gedacht werden. Nichtsdestotrotz fand die offizielle Vermählung im September 1330 statt, den Bund gingen zu diesem Zweitpunkt zwei Kinder von acht und zwölf Jahren ein.

Für Johann war die Verbindung politisch von großer Bedeutung denn Margarete war die zu erwartende Alleinerbin umfangreicher Ländereien, nachdem ihre Schwester bereits 1325 verstorben war und sonst keine Nachkommen existierten. Über das Motiv Johanns muss deswegen an der Stelle wenig mehr gesagt werden. Margarete von Tirol-Görz war eine außergewöhnlich gute Partie, hierfür hatte ihr Vater noch im Jahr der offiziellen Hochzeit gesorgt indem er beim Kaiser erwirkte, dass seine Ländereien an die Tochter vererbt werden durften und nicht nach seinem Tod als erledigtes Lehen an das Reich zurückfielen. Man ist erstaunt über diese kaiserliche Gunst, war damit doch wahrscheinlich, dass ein Luxemburger Erbe die Herzogtümer und die Grafschaft erben würde. Über Johanns Motiv zur Eile kann man sich wiederum nicht wundern, er wollte die Heirat für seinen Sohn aus nachvollziehbaren Gründen nun schnell unter Dach und Fach bringen. Der hierzu unbedingt notwendige päpstliche Dispens, immerhin waren die Brautleute Cousine und Cousin, die Mütter waren wie erwähnt Schwestern, wurde recht einfach erwirkt. Zu Papst Johannes XXII., der nur von Avignon aus regierte, bestand durch Johanns intime Nähe zum französischen Hof, ein gutes Verhältnis, es war ihm nicht schwergefallen gegen Aufbringung entsprechender Gelder oder Sicherheiten, den Dispens zu erkaufen. Bleibt die Frage was Herzog Heinrich zur Eheverbindung bewog? Vergessen wir nicht, es war immerhin der gleiche Johann der ihn vor 20 Jahren vom Thron Böhmens vertrieb.
Es ist sehr wahrscheinlich dass der Herzog die Verbindung zunächst als eine reine Option ansah, eine Absichtserklärung die man schloss, aber auch wieder lösen konnte, sollten sich veränderte Umstände ergeben. Soweit alles erklärbar und einleuchtend, immerhin war ein Sohn des Königs von Böhmen alles andere als eine schlechte Wahl und bessere Kandidaten nicht in Sicht, denn Alternativen aus den Häusern der in direkter Nachbarschaft liegenden Wittelsbacher im Norden als auch der Habsburger im Westen und Nordosten, standen momentan nicht zur Debatte. Steht schließlich noch die Frage offen im Raum, weswegen Herzog Heinrich dem Abschluss einer vorzeitigen Kinderehe 1330 keinen größeren Widerstand entgegensetzte, die erwähnte Option hätte ja ungeschmälert weiterbestanden. Die wahrscheinlichste Erklärung dürfte hier sein Alter gewesen sein. Es liegt die Vermutung nahe, dass er noch zu Lebzeiten seine Tochter in rechtlich gesicherten Verhältnissen wissen wollte, bevor sein Ableben eine Lawine von Prätendenten auf den Plan gerufen hätte, die das führungslose Land oder immerhin Teile davon, an sich zu reißen suchten. Weiter wird Johann ihm, sehr salopp ausgedrückt, ziemlich auf die Nerven gegangen sein.
Wie dem auch sei, die Ehe wurde am 16. September 1330 formal geschlossen. Der kindliche Bräutigam erwies sich jetzt mehr denn je als Tyrann. Margarete entwickelte, je älter und reifer sie wurde, je mehr eine Abneigung gegen den ungehobelten, regelrecht verhaltensgestörten Kindgatten, woraus sich sehr bald tiefer Hass entwickelte.

Die im September geschlossene Ehe, rief jetzt die Habsburger und nicht nur sie, sondern auch den Kaiser auf den Plan. Keine der beiden Parteien hatte ein Interesse an einem bald eintretenden territorialen Zuwachs der Luxemburger. Für die Habsburger säße der Luxemburger Konkurrent mitten zwischen ihren westlichen Stammlanden und den Landschaften Nieder- und Oberösterreichs im Osten. Für den Wittelsbacher Kaiser hätte es im Falle politischer Krisen mit dem Hause Luxemburg, zur Sperrung der wichtigen Alpenübergänge nach Reichsitalien bedeuten können. Zu alledem kam die eigene Gier nach einem Teil der Erbmasse. Kaiser und Habsburger schlossen in einem Abkommen anlässlich des Hoftags zu Augsburg, am 26. November 1330 eine Teilungsvereinbarung. Der Kaiser gestand den beiden Habsburgern Albrecht und Otto nach dem Tod des alten Herzog Heinrich die Herzogtümer Kärnten und Krain zu, während er selbst sich den nördlichen Teil Tirols anzueignen gedachte, im wesentlichen der heutige österreichische Teil Tirols ohne Osttirol. Dem Ehepaar Margarete und Johann-Heinrich sollte weitestgehend nur Südtirol bleiben. Die Vereinbarungen konnten damals geheim gehalten werden und die Luxemburger blieben ahnungslos.

Am 2. April 1335 starb Herzog Heinrich von Kärnten und Krain, Graf von Tirol, auf der Burg Tirol. Der lange erwartete Erbfall trat ein und Universalerbe war Margarete als einziges hinterbliebenes Kind. Erst jetzt wurden die Inhalte des Ende November 1330 in Augsburg geschlossenen Geheimabkommens zwischen dem Kaiser und Habsburg offenbar. Augenblicklich rückten habsburgische Truppen in die beiden Herzogtümern ein und besetzten sie. Schon einen Monat später, am 2. Mai 1335 belehnte Kaiser Ludwig IV. die beiden Brüder in Linz mit den Herzogtümern Kärnten und Krain. Da der jüngere Otto bereits wenige Jahre später starb, wurde Albrecht als letzter von ehemals sechs Brüdern zum Alleinherrscher der habsburgischen Gebiete und zum vorläufig größten Territorialfürsten im Reich. Er hielt dem Kaiser als Dank für die erhebliche Gebietserweiterung fortan die Treue, selbst als er späterBündnisse, die letztlich reine Lippenbekenntnisse waren, mit den Widersachern des Kaisers einging. Hierin erkennen wir eine der Handlungsmotive des Kaisers. Selbst verfügte er damals noch nicht über eine ausreichend starke Hausmacht um einen möglichen Konflikt mit dem Hause Luxemburg durchstehen zu können und war unbedingt auf die Stütze der Habsburger angewiesen. Nur daraus erklärt sich die überaus großzügige Belehnung. Aber dieser Akt war nicht nur reine Bündnispolitik. Ludwig trachte sehr wohl ebenfalls nach einer Erweiterung seiner Besitzungen und das an seine bayrischen Ländereien angrenzende nördliche Tirol war naheliegendes Objekt der Begierede. Auch er rückte mit Truppen ein doch er stieß bald auf heftigen Widerstand der Tiroler Adelesstände. Johann entsandte als Gegenmaßnahme seinen Sohn Karl mit Truppen zur Unterstützung des Bruders und seiner Gattin Margarete, die ganz offensichtlich des größten Teils ihres Erbes beraubt werden sollte. In die kämpferischen Auseinandersetzungen mischten sich nun auch die Habsburger ein und es drohte wegen der Tiroler Erbschaft ein Flächenbrand und Konflikt zwischen den drei mächtigsten Dynastien des Reichs zu entbrennen. Es blieb glücklicherweise bei lokalen Scharmützeln mit überschaubaren Truppenkontingenten.

Am 9. Oktober 1336 schloss man zu Enns Frieden. Klare Sieger blieben die Habsburger, die ihre Erwerbungen darin bestätigt bekamen und hierfür nur verhältnismäßig geringe Zugeständnisse gegenüber dem böhmischen König machen mussten, darunter die Rückgabe der als Pfand erhaltene Stadt Znaim in Mähren und die einmalige Zahlung von 10.000 Mark in Silber. Die eigentliche Erbin erhielt, außer dass sie ihr rechtmäßiges, sehr beschnittenes Resterbe antreten durfte, nichts weiter. Auch der Kaiser ging leer aus, so schien es zumindest. In der Landesgeschichte Tirols gilt die erfolgreiche Aufrechterhaltung der Integrität als wichtiger Meilenstein. Er drückt den unbedingten Willen und die Selbstwahrnehmung der Tiroler als unteilbare Region und Landsmannschaft aus. Dieser hat sich bis heute erhalten auch wenn Tirol seit dem Ende des I. Weltkriegs zwischen Österreich und Italien aufgeteilt ist.

Karl fungierte seit seiner Entsendung nach Tirol als Verwalter des Landes und möglicherweise auch Aufpasser des jungen Bruders, der mit einsetzender Geschlechtsreife den Weiberröcken nachzujagen begann und sich nicht daran störte dass er verheiratet war. Es war ein würdeloses Verhalten des Gatten der eigentlichen Landesherrin. Je mehr er deswegen auf Ablehnung stieß, je autoritärer und herrischer trat er auf. Es begann bald unter der Decke des Landadels zu brodeln, was noch verstärkt wurde durch die massive Berufung böhmischer Beamter in hohe Verwaltungsämter. Auch wenn man Karls Motivation dahinter nachvollziehen kann, blieb es ein strategischer Fehler der eine Lawine ins Rollen brachte, dazu aber später mehr.


Karl wird erstmals Vater

In all die Wirren um die Tiroler Erbschaft, kam im gleichen Monat wo auf Burg Tirol der alte Herzog Heinrich für immer die Augen schloss, in Prag Karls erstes Kind am 25. Mai 1335 zur Welt. Im übrigen der gleiche Monat in dem auch Karl geboren wurde. Das Mädchen erhielt den Namen Margarete, den zweiten Vornamen der Mutter. Zusammen mit Elisabeth war Margarete der weitverbreiteste Vorname der Zeit, wobei nicht wie heute modische Trends den Ausschlag gaben sondern traditionelle Überlegungen.

Karl führte die erfolgreiche Heiratspolitik seines Vaters konsequent fort. Seine Tochter Margarete war dabei sein erstes Verhandlungsobjekt. Im Februar 1337 reiste er nach Visegrád (dt: Plintenburg) wo seinerzeit noch die Residenz der ungarischen Könige lag und vereinbarte mit Karl I. von Ungarn die Verlobung seiner Tochter mit dem ungarischen Kronprinzen Ludwig. Es wurde für den Herbst des Folgejahre vereinbart, dass die junge böhmische Prinzessin in Brünn übergeben wird um fortan am ungarischen Hof erzogen zu werden. Sie war zu diesem Zeitpunkt gerade mal dreieinhalb Jahre alt. Karl riss das Kind aus den Armen der Familie und aus seiner vertrauten Umgebung und schickte es buchstäblich in die Fremde. Wir werden hierin erinnert an Karls eigenes Schicksal im kindlichen Alter, wenn damals auch die Vorzeichen andere waren. Die seelische Belastung muss enorm gewesen sein und langfristige seelische Schäden wahrscheinlich, wenn Kleinkinder von der Mutter und etwaigen Geschwistern weggerissen wirden, was bis auf Ausnahmen üblich war in Fürstenkreisen. Als Kompensation wuchsen die Kinder des Hochadels überwiegend im Kreise ihrer Ammen, einer Anzahl sonstiger Damen und festen Bezugspersonen auf und die leiblichen Eltern nahmen eine entrückte Stellung im Leben der Kinder ein. 

Als Mitgift für die spätere Vermählung wurden vertraglich 10.000 Mark in Silber vereinbart. Weiterer Bestandteil des Ehevertrags war ein gegenseitiges Bündnis gegen Polen. Einerseits verpflichtete sich Karl von Böhmen dem ungarischen König oder seinem Nachfolger bei der Erlangung der polnischen Krone zu unterstützen, sollte dereinst Kasimir der Große ohne männlichen Nachkommen sterben. Zum anderen sagte Ungarn militärischen Beistand zu, sollte es mit Polen zu kriegerischen Verwicklungen kommen. Die gegenseitigen Ansprüche auf die schlesischen Herzogtümer boten hierzu immerhin ausreichend Zündstoff.

Die eigentliche Hochzeit der Zehnjährigen wurde 1345 gefeiert. Margaretes Ehemann war neun Jahre älter und zum Zeitpunkt der Trauung somit bereits 19 Jahre alt. Wir wissen wenig über das Leben Margaretes am ungarischen Hof, auch nichts über die Ehe. Sie starb bereits am 7. September 1349 mit nur vierzehn Jahren. Die kurze Ehe mit der noch heranwachsenden Margarete blieb demgemäß kinderlos.


Karl auf Preußenfahrt

Über die Gründung des Deutschen Ritterordens vor Akkon und die Entstehung des späteren Ordensstaats, haben wir in Buch 1 an verschiedenen Stellen berichtet. Mitte des 14. Jahrhunderts war der Ordensstaat auf dem Höhepunkt seiner Machtentfaltung. Eine moderne, überaus effektive Staatsverwaltung, getragen von einer streng hierarchisch aufgebauten Kleriker- und gleichzeitig Kriegerkaste, gab dem Gebiet ein starke innere Festigkeit sowie äußere Widerstandskraft. Das hauptsächliche Betätigungsfeld der Ordensbrüder des Deutschen Ritterordens seit ihrem Erscheinen im Land der Pruzzen, bestand in der Missionierung der heidnischen Völker des Baltikums, was größtenteils bis zur Wende des 13. zum 14. Jahrhundert entlang der gesamten Ostseeküste abgeschlossen war. Nur das Großfürstentum Litauen, geografisch und kulturell nicht mit dem heutigen Litauen zu verwechseln, verweigerte sich bislang konsequent und mit Erfolg einer Christianisierung. Die unmittelbare Nachbarschaft und der Ggeensatz beider lokalen Machtblöcke, führte schon zwangsläufig zu Konflikten und einem andauernden Kriegsverhältnis.

Mit dem Verlust der letzten Kreuzfahrerbastionen im Heiligen Land, hörten zwar die gewaltigen, mit viel Aufwand ausgerufenen und organisierten Kreuzzüge in diese Region auf, doch war es nicht das Ende der Kreuzzüge allgemein. Die Wahrnehmung des Kreuzzugbegriffs ist in heutiger Zeit hauptsächlich geprägt von den Bildern die Kinofilme oder Historienromane in unseren Köpfen hinterlassen. Die breite Masse verbindet mit Kreuzzug ausschließlich jene Gewaltanstengungen die dem Zweck dienen sollten, die heiligsten Stätten der Christenheit aus den Händen der Muslime zu entreißen. Tatsächlich fanden die mit weitem Abstand zahlenmäßig meisten Kreuzzüge nicht unter der glühenden Sonne einer ausgedörrten Region statt sondern weit im Nordosten Europas und dazu auch noch im Winter. Jährlich pilgerten ab dem Spätsommer die adligen Söhne komplett Mittel- und Westeuropas ins Ordensland, wo man sich im Herbst versammelte und sich für den Einfall ins Land der Heiden, ins Land der Litauer rüstete. Zumeist waren es junge adlige Abenteurer die wenig Chancen auf ein eigenes Erbe hatten, da sie weit hinten in der Erbfolge standen. Aber und das soll hier betont werden, auch der europäische Hochadel war sich weder zu schade noch zu bequem die sogenannte Preußenfahrt oder Litauenreise auf sich zu nehmen, im Gegenteil, es wurde bald zu einer weit verbreiteten Mode, mindestens einmal einen Kreuzzug gegen die slawischen Heiden mitzumachen.

Die Motivationen waren sehr unterschiedlich. Betrieb der Deutsche Orden das Ganze noch in der glaubhaften Absicht das Wort Christi zu verbreiten, wenn auch unterstützt durch Schwert und Schild, war es für viele der reisenden Kreuzfahrer, insbesondere von Vertretern aus wenig begüterten Adelskreisen, eine hervorragende Gelegenheit neben Reputation im Kampf, vor allem Beute beim Plündern zu machen und geplündert und gebrandschatzt wurde über die Maßen, soviel kann gesagt werden. Es soll nicht unerwähnt bleiben, dass die Litauer hierbei nicht die „armen Wilden“ waren, die hoffnungslos den fast jährlichen Übergriffen ausgeliefert waren. Auch sie fielen regelmäßig, meist in kleinen Scharen, in die Grenzgebiete des Ordens ein, überfielen die Dörfer der Kolonisten, töteten und entführten die Bewohner, um dann Lösegelder zu erpressen. Wer damit begann ist müßig zu erörtern, vermutlich schaukelten sich Grenzkonflikte mit der Zeit so weit hoch, bis der Krieg zum Dauerzustand wurde.

Der aufmerksame Leser wird sich möglicherweise bereits gewundert haben, warum strömten die Ritter ausgerechnet zum Herbst ins Land zwischen Weichsel und Memel? Auch wenn Winterfeldzüge nicht ganz ungewöhnlich waren, so galt doch stets der Sommer und Herbst als die Hauptsaison für Feldzüge. Gerade im eisigen Nordosten, mit seinen kalten Kontinentalwintern, schweren Schneefällen und langen Nächten, muss es für die in Eisen gerüsteten Kämpfer eine regelrechte Qual gewesen sein. Alles richtig, doch waren die Wegverhältnisse weit fürchterlicher als das kalte Klima. Nur im Winter war es den berittenen, schwergepanzerten Streitkräften des Ordens und ihrer adligen Hilfsvölker möglich, operativ vorzugehen ohne in Sümpfen und Wäldern fast buchstäblich zu versinken. Die Aktivitäten waren meistens auf wenige Tage begrenzt. In dieser Zeit stieß man von einem festen Platz, heißt einer Grenzbefestigung oder einer Burg, in das heidnische Gebiet vor, durchkämmte in dieser Zeit einen Streifen Land bis zu einer gewissen Tiefe und kehrte dann mit  Beutegut und in Begleitung von entführten Frauen und Kindern, seltener von männlichen Geiseln, in die Ausgangspositionen zurück. Angetroffene Männer wurden entweder im Kampf gestellt, dabei dann zumeist getötet oder diese flüchteten in die überall dichten Wälder und warteten auf das Ende des Spuks. Wenn es ihnen rechtzeitig möglich war, selbstverständlich mit ihren Angehörigen.

Nach einigen Ruhetagen und bei geeigneter Wetterlage, unternahm man einen erneuten Einfall nun in eine andere Richtung, musste diesmal aber vorsichtiger vorgehen, denn natürlich hatte es sich herumgesprochen und der lokale litauische Adel versuchte geeignete Abwehrmaßnahmen zu ergreifen oder seinerseits Einfälle vorzunehmen. Dieses Prozedere wiederholte sich einige Male und von vielen Kampfgruppen geführt, entlang der langen Ostgrenze des Ordens. Auf diese Weise entstand mit der Zeit, oft schon nach einem oder zwei Jahren, entlang der Einfallzonen ein Saum von unterschiedlicher Breite nach Osten, der mehr und mehr entvölkert war. Die Gebiete annektierte man Schrittweise, baute Befestigungsanlagen und holte Siedler in das jetzt fast menschenleere Land. Jene die noch blieben, unterwarfen sich für gewöhnlich und nahmen den christlichen Glauben an, oftmals nur vordergründig, womit sie eine rechtliche Stellung gleich den deutschen Siedlern bekamen, zumindest beinahe. Es war vergleichbar mit der Situation der Elbslawen zu Beginn der Ostexpansion der Askanier und der damit verbundenen deutschen Besiedlung der Mark Brandenburg.

Mit Einsetzen des Tauwetters hörten die Einfälle ins Gebiet der Litauer auf. Für gewöhnlich bereiteten sich die Kreuzfahrer zur Heimreise vor, sammelten ihre Beutestücke zusammen und machten sich zumeist in den Monaten Mai, Juni und Juli auf den Heimweg. Mancher blieb aber noch ein Jahr oder sogar länger, entweder um mehr Ruhm zu ernten, soll heißen mehr Beute anzusammeln, um als gemachter Mann heimzukehren oder er blieb sogar ganz im Ordensland, bekam ein Stück Land, ein Lehen zugewiesen und wurde ein ansässiger Landadliger. Das System funktionierte über Jahrzehnte hervorragend, wodurch der Orden sich langsam aber stetig ausbreitete und dadurch mehr und mehr zum Rivalen für die größte Macht in der Region wurde, für Polen, dass sich langsam zu einen und wirklich zusammenzuwachsen begann. Um Danzig und weitere Gebiete Ostpommerellens gab es schon mehrjährige Kriege mit Polen. Damals blieb der Orden am Ende Sieger, weil er auf Dauer die größeren finanziellen Mittel hatte und selbst nach Niederlagen sich schneller erholen konnte als es Polen zu diesem Zeitpunkt möglich war. Es folgte ein langer Friede in dem sich das Verhältnis beider Seiten aber nicht besserte. Was wird daher die Zukunft noch bringen?

Gehen wir zurück zu unseren Luxemburger Protagonisten Johann und Karl. König Johann war einer der prominentesten Teilnehmer der sogenannte Preußenfahrten. Insgesamt nahm Johann an drei dieser Kriegszüge teil, es wären möglicherweise sogar noch mehr geworden, hätte der streitlustige König nicht anderweitig kriegerische Betätigungsfelder gefunden. 1336/37 begleitete ihn erstmalig sein Sohn Karl. Da beide erst Anfang November ihren Marsch begannen, hatten sie keine Chance vor Anfang 1337 anzukommen. Für den jetzt 20 Jahre alten Karl konnte es aus Sicht des Vaters kaum eine erfüllendere Rolle geben als die eines wackeren Kriegshelden, hoch zu Pferd, das Schwert oder die Lanze in der Hand. Karl ähnelte ihm darin aber nicht. Wenn er auch nicht scheute sich an Feldzügen zu beteiligen, diese gar anzuführen, empfand er darin nicht jene Erfüllung wie der Vater, vielmehr war es in seinen Augen oft eine unnötige Vergeudung von Ressourcen und Zeit. Um die Gefahr oder die Menschenleben ging es ihm hierbei weniger. Feige war Karl nicht, er hätte sich eine derartige Schwäche auch keinesfalls erlauben dürfen, nicht aufgrund seiner allgemeinen Stellung und schon überhaupt nicht wegen seines Vaters.

Nun ja, es kam in diesem Winter alles anders. Der Frost blieb aus, es war ungewöhnlich mild, die Sümpfe und Flüsse waren alle nicht gefroren. An einen Einmarsch war unter diesen Bedingungen nicht zu denken. Johann und Karl langten beide erst gar nicht im Ordensstaat an. Zunächst machten sie Zwischenstopp in Schlesien wo wichtige Vereinbarungen mit den dort versammelten Vasallen Johanns, den Herzögen verschiedener schlesischer Fürstentümer, geschlossen wurden. Der weitere Weg führte durch Polen, wo sie auf halber Strecke buchstäblich liegen bleiben, mit ihnen der Tross, eine Reihe böhmischer Barone, und all die mitgeführten Truppen, Tiere und Gerät. Der König nutzte die ungeplante Gelegenheit sich mit König Kasimir von Polen zu treffen und ein vorhandenes Bündnis um zehn Jahre zu verlängern. Der Vertrag war vom Wesen her eher ein Nichtangriffspakt als ein echtes Bündnis aber er war dennoch für beide Vertragsparteien wertvoll. Zugegen waren die Herzöge Otto und Barnim von Pommern.

Anfang April 1337 waren Johann und sein Sohn bereits wieder zurück in Prag. Karls erste Preußenfahrt endete ungewollt als eine reine diplomatische Reise nach Schlesien und Polen und hatte nichts mit dem geplanten Heerzug im Namen des Herren zu tun. Bei Licht betrachtet war es genau die Art Regententätigkeit die zukünftig ein Markenzeichen seines Erfolgs und ein Hauptmerkmal seiner Politik werden wird, Diplomatie und Verträge.


Wieder in Tirol

Kaum in Prag angekommen, wo er nur kurze Gelegenheit bekam seine Frau zu sehen, schickte ihn der Vater wieder weiter nach Tirol. Trotz des erst im Oktober des Vorjahres geschlossenen Friedensvertrags zu Enns, traute Johann der Situation im Tirol nicht. Größer als die Sorge dass die Vertragspartner wortbrüchig würden, machten ihm eine andere Sache. Schuld daran war sein jüngster Sohn Johann-Heinrich, der Ehemann der Erbin Tirols. Der zwischenzeitlich fünfzehnjährige Tunichtgut lebte eine Leben neben seiner  Gattin her. Das Verhältnis zueinander hatte sich in keiner Weise verbessert, sogar verschlimmert. An einen Erben war unter diesen Umständen niemals zu denken und schon jetzt kursierte das Gerücht, die Ehe wäre noch nicht vollzogen worden. Auf das Alter und fehlende Geschlechtsreife des jungen Herren, konnte man es kaum schieben, galt er doch mittlerweile weithin als Weiberheld. Viel wahrscheinlicher dürfte sein, dass die Abneigung gegenseitig war und es beiden ein Bedürfnis war, einander zu meiden.

Ein zweiter Grund zur Sorge, wofür er auch keine bessere Lösung zu haben schien, waren die vielen böhmischen Verwalter in Tirol. Diese waren im gesamten Land in solchem Maße verhasst, dass es schon beinahe zum offenen Widerstand kam. Die Entsendung Karls sollte Entspannung bringen, stand er doch schon seit einiger Zeit im Ruf ein brillanter Redner und kluger Diplomat zu sein. Er verstand sich darauf die Stimmungen zu erfassen und eine ausgleichende Komponente in hitzigen Debatten beizusteuern. Natürlich war seine hohe Stellung als Prinz von Böhmen dabei besonders hilfreich. Der Vater hoffte gleichzeitig, er könne einen positiven Einfluss auf den jüngeren Bruder ausüben, möglicherweise auch seine Schwägerin gewinnen. Ein Erbe hätte die heikle Lage bereinigt und so die Luxemburger Stellung in Tirol aus dem Stand gebessert, doch war daran momentan nicht zu denken.

Für Karl folgte eine ungewöhnliche Odyssee. Er selbst hatte zu diesem Zeitpunkt den Frieden von Enns noch nicht gegengezeichnet. Den Verlust der Herzogtümer Kärnten und Krain nahm er nicht so leicht hin, wie es den Vater tat, dementsprechend bestand zwischen beiden in dieser Hinsicht eine ernste Meinungsverschiedenheit. Er fürchtete, wenn er durch die Ländereien der Habsburger, selbst jene des Kaisers zöge, dort Unannehmlichkeiten oder gar Gefangennahme zu erleben. In Begleitung seiner Vertrauten nahm er deswegen eine alternative Route und fuhr die Donau hinab bis nach Ofen das spätere Budapest, von dort über Land an die dalmatinische Küste, wo er einschiffte um über die Adria nach Italien überzusetzen. Unterwegs wurde sein Schiff von venezianischen Galeeren eingekreist, kurz vor der italienischen Küste gestoppt und aufgebracht. Auch wenn weder Karl noch sein Vater irgendwelche Konflikte mit Venedig hatten, glaubte der Kronprinz von Böhmen besser Vorsorge zu treffen. Mit zwei Begleitern seilte er sich vom Heck in ein Fischerboot ab, wurde vom Bootsführer mit allerlei Netzen, Seilen und Segeltuch bedeckt, so an den Venezianern vorbeigeschmuggelt und kam unentdeckt an Land. Zu Fuß begab er sich in das befreundete, unweit gelegene Patriachat Aquileia im heutigen Friaul, wo ihn der Patriarch Bertram von Sankt Genesius (1260 – 1350) freundlich empfing und für vier Wochen aufnahm. Von hier ging die Reise weiter nach Tirol.

Dort angekommen erschien ihm die Lage nicht besorgniserregend. Wohl erhielt er von den eingesetzten böhmischen Verwaltern einen Bericht über die manigfaltigen Schwierigkeiten in der Zusammenarbeit mit den Tiroler Ständen, besonders mit dem burggesessenen Adel, auch von dem besorgniserregenden Verhältnis der beiden Eheleute, Johann-Heinrich, seines Bruders und Margarete, seine Schwägerin, doch Karl schenkte sein Augenmerk einer anderen Angelegenheit. Statt sich mit voller Kraft für den Ausgleich mit dem Tiroler Adel und die Aussöhnung des fürstlichen Paares zu kümmern, schwebte Karl eine andere Mission vor. Wobei Mission kann man es nicht eigentlich nennen, denn von seinem Vater, dem König, schienen hierzu keine Anweisungen vorgelegen zu haben, vielmehr erwuchs das was jetzt kam, der reinen Initiative Karls selbst. Ob ein Gefühl der Rache oder einfach die Gunst der Stunde der Antrieb war, lässt sich nicht sagen. Betrschte wir uns einfach die weiteren Ereignisse.

Wir erinnern uns an die schmähliche lombardische Episode. Dem Vater unterwarfen sich 1330/31 nahezu alle lombardischen Städte und Regionen aus eigener Initiative. Johann bestellte daraufhin seinen sechzehnjährigen Sohn zum Statthalter und verließ Italien, um sich einem neuen Abenteuer zu widmen, man verzeihe die Ausdrucksweise. Für Karl war es das erste Amt in eigener Verantwortung. Offensichtlich stufte der Vater die Aufgabe als einfach ein, zumal er Karl vermeintlich loyale Vertrauenspersonen als Unterstützung zur Seite stellte. Vielleicht war Johann etwas sehr blauäugig, ließ sich von den euphorischen Huldigungen zu sehr blenden und machte sich recht wenig Gedanken darüber, dass vor ihm praktisch alle großen des Reichs immer in die wüsten Auseinandersetzungen der italienischen Verhältnisse verwickelt wurden und dieser Gordische Knoten bislang noch von niemandem gelöst werden konnte, schon überhaupt nicht dauerhaft. Dass die Lage sich fast augenblicklich nach seinem Abzug so dramatisch änderte, wäre aber selbst bei realistischerer Betrachtungsweise, nicht zu erwarten gewesen. Man darf davon ausgehen, dass er seinem Sohn zunächst Vorhaltungen machte mit Anspielung auf die einfach zu lösende Aufgabe, die er als zukünftiger König von Böhmen hätte lösen müssen. Das Ende kennen wir. Spätsommer 1333 zogen sich die Luxemburger aus der Lombardei zurück und Johann beerdigte seine großen Pläne in Italien.

Wenn auch charakterliche Parallelen waren, unterschied sich Karl vom Vater in manchen Facetten deutlich. Johann war ein Heißsporn, der sich in eine Schlacht warf, ohne Rücksicht auf Leib und Leben, stets die schnelle Entscheidung bevorzugend aber unwillig einen zähen und langwierigen Kampf, beispielsweise eine Zeit- oder kostenintensive Belagerung zu führen. Karl war zumeist weit entfernt von hitzigen Aktivitäten. Er hatte durchaus auch die Angewohnheit eine Gelegenheit zügig auszunutzen doch ließ er sich von Rückschlägen nicht so schnell abschrecken wie es beim Vater den Anschein hatte, war umgekehrt aber auch nicht mit dem gleichen Enthusiasmus beseelt, was gerade den Vater bei seinen Truppen und seinen Gegener immer auszeichnete. Karl war dafür in der langfristigen Verfolgung seiner Ziele ungleich zäher und beharrlicher.

Die Niederlage in Norditalien, vor bald vier Jahren, hatte er weder verwunden noch als endgültig hingenommen und abgehakt. In den etwa vier Wochen die er im Patriachat Aquileia zubrachte, bekam er über die veränderte Lage in Oberitalien Bericht. Nach dem Abzug der Luxemburger verfielen die Städte und die gesamte Region in die alten Rivalitäten und dauerhaften Städtekriege. Neu hinzu kam dass Venedig sich aktiv in die Konflikte einmischte, um sein Territorium auf Kosten des Reichs, soweit man überhaupt noch ernsthaft von Reichsitalien sprechen konnte, zu vergrößern. Die Republik Venedig war längst zu einem eigenen Machtblock geworden, der nicht nur den Orienthandel dominierte sondern längst territorial in das politische Geschehen der Zeit eingriff. Der Kaiser ließ es auf keinen Streit mit Venedig ankommen. Seit seiner Exkommunikation und seinem letzten Italienzug, dessen Höhepunkt die Kaiserkrönung war, hielt er sich aus den norditalienischen Parteiuungen heraus, zufrieden mit dem Wissen, wenn sie sich nur weiter gegenseitig beschäftigten, bliebe eine ernsthafte Autonomiebewegung undenkbar. Seine Sorge galt mehr dem Papst, der ihm ein Engagement, eine selbstbewusste Reichspolitik in Italien weiter verübeln könnte. Ganz offensichtlich hatte er zu diesem Zeitpunkt noch die Hoffnung sich aus dem Kirchenbann lösen zu können. Wäre er mit Venedig in Konflikt geraten, indem er dessen Aggression militärisch beamtwortete, bestünde die Gefahr dass sich Papst Johannes XXII. mit Venedig zusammentat, nur um damit die Position des Kaisers und des Reichs in Oberitalien zu schwächen. Indem Ludwig IV. sich als Oberhaupt des Reichs den Übergriff auf Reichsgebiet gefallen ließ, verlor er zwar Prestige aber er vermied eine möglicherweise langwierige Verwicklung mit ungewissem Ausgang. Politisch klüger war unter allen Umständen Venedig als Aggressor agieren zu lassen, dieses dadurch gegebenenfalls selbst in Konflikt zum Vatikan geraten zu lassen und sich langfristig zu verzetteln. So zumindest die Betrachtung aus Sichtweise des Kaisers. Für Kronprinz Karl von Böhmen und seinen sechs Jahre jüngeren Bruder Johann-Heinrich, den Grafen von Tirol, war die Sachlage eine völlig andere. Sie konnten die Situation ausnutzen um eigene Interessen zu verfolgen. Da Karl den schändlichen Verrat des Markgrafen Martin von Scala nicht vergessen hatte, trachtete er danach die Schlappe von 1333 auszumerzen, wenigstens in Teilen. Kaum im Tirol angekommen, raffte er eilig eine Truppe zusammen und marschierte in die Gebiete des Markgrafen Martin ein, wo er sogleich mit der Belagerung zweier Städte, Feltre und Belluno begann und nach mehrwöchigen Belagerungen auch nahm. Mit Venedig schloss er währenddessen eine Vereinbarung in der beide Seiten ihre gegenseitigen Interessen abgrenzten.

Zurück in Böhmen und Mähren

Noch vor Einnahme der beiden Städte und den dazwischenliegenden Landschaften kehrte er nach Tirol zurück, bestimmte seinen fünfzehnjährigen Bruder die Belagerungstruppen wie auch den weiteren Feldzug zu befehligen, stellte ihm hierzu einen Tiroler – und einen Böhmer Edelmann zur Seite und schickte sich an, nach Böhmen zurückzukehren. Sein Weg führte ihn im Herbst 1337 durch die Habsburger Ländereien. Zwischenzeitlich hatte er sich mit den Herzögen Albrecht und Otto in der strittigen Angelegenheit rund um die Herzogtümer Kärnten und Krain geeinigt und den Vertrag von Enns unterzeichnet. Über Wien reiste er weiter nach Brünn, wo er einige Wochen verweilte und sich um die Belange seiner Markgrafschaft kümmerte.

Ende Januar 1338 sehen wir ihn bereits wieder in Prag. Das Wiedersehen mit seiner kleinen Familie war unter anderem geprägt von seinem Entschluss die kleine Prinzessin Margarete, sie war zu diesem Zeitpunkt keine drei Jahre alt, mit dem ungarischen Kronprinzen zu verheiraten. Der Vertrag wurde im Februar in Ungarn geschlossen, wir haben darüber und auch über den weiteren Gang der Dinge, in einem eigenem Abschnitt weiter oben berichtet.

Nach seiner Rückkehr begab sich Karl auf eine Reise durch das Land. Für Böhmen, gemeint sind hier auch die Markgrafschaft Mähren sowie die schlesischen Herzogtümer, waren Besuche des Regenten oder eines bevollmächtigten Landesverwesers selten genug, seit Johann König war. Wie wir lasen, befand sich der König vorzugsweise außer Landes und überließ so Adel, Klerus und Städte ihrem eigenen Tun, was vielerorts ausgiebig zur Schwächung der königlichen Zentralgewalt missbraucht wurde.
Die Städte sahen den Prinzen mit zuversichtlicher Hoffnung. Der böhmische Adel war geteilter Meinung, bedeutete doch die Stärkung und Straffung des königlichen Regiments, fast zwangsläufig den Verlust eigener Freiheiten. Das Verhalten des böhmischen Adels unterschied sich hierbei in keiner Weise von jenem im deutschen Reichsteil. Die Lehnspyramide, ausgehend vom König oder Kaiser, über die reichsunmittelbaren Fürsten bis zu deren Vasallen, war in ständig wechselwirkendem Fluss. Auf allen Ebenen unterhalb des Reichsoberhaupts, suchten sich die Lehnsträger gegenüber der nächsthöheren Ordnung zu emanzipieren.

Die Landesherren, besonders dann, wenn sie nicht aus einer unangefochtenen Position der Stärke gegenüber den eigenen Ständen auftreten konnten, vermieden dergleichen Reisen am liebsten. Begründet lag es an der notorischen Geldnot der allermeisten Fürsten , wodurch sie auf die eine oder andere Weise in der Schuld ihrer Vasallen standen und jene natürlich solche Gelegenheiten verwendeten, den Lehnsherren an seine Verbindlichkeiten zu erinnern und damit verknüpft entweder um die Begleichung der Schuld ersuchten oder adequate Kompensationen vorschlugen, sei es die Gewährung spezieller Rechte oder die Befreiung von bestimmten Pflichten. Ziel aller Ebenen war, sich der Herrschaft des in der Lehnshierachie über einem stehenden zu entwinden.

Noch während auf der Inspektionsreise erreichte ihn ein Brief des Vaters, vermutlich gegen April 1338, mit der Aufforderung nach Luxemburg zu reisen. Mit leeren Händen brauchte Karl nicht unter die Augen des Vater treten, das wusste er wohl. Wie stets, war Johann finanziell klamm. Seine zahlreichen militärischen Abenteuer verschlangen regelmäßig ein Vermögen. Oft war die Kriegsbeute aus den Feldzügen nicht annähernd ausreichend um die Aufwände zu decken und so bat er seine Vasallen zur Kasse, was nicht ohne eigene Opfer zu bewerkstelligen war. Karl musste also schleunigst Geld auftreiben. In Prag nahm er 30.000 böhmische Silbergroschen Kredit von der Stadt auf und eilte in Begleitung vieler böhmischer Aristokraten nach Westen, wo er im Mai den Vater in Frankfurt am Main antraf. Das Wiedersehen war recht unterkühlt und belastet von der Enttäuschung über die gering ausgefallene Summe die Karl mitführte. Missgelaunt aber notgedrungenermaßen ging der König mit zurück in sein Königreich. Vermutlich war er sich zuvor selbst schon darüber im Klaren, dass die in der Kürze der Zeit besorgten Gelder keinesfalls für sein Vorhaben reichen konnten, weswegen er dem Sohn auch entgegen zog. Von daher war die gezeigte Enttäuschung eher gespielte Inszenierung als berechtigt und zielte möglicherweise nur darauf ab, mit Härte und Unnachgiebigkeit eine erzieherische Maßnahme an seinem erwachsenen Sohn anzuwenden, am Ende war es vielleicht sogar nur eine Laune. Dem Sohn war es in seinen autobiographischen Aufzeichnungen immerhin eine Erwähnung wert.
Wieder in Böhmen angekommen führte der König selbst die weiteren Verhandlungen mit den Ständen und erwirkte eine außerordentliche Abgabe, musste dafür aber zusichern künftig keine weiteren Steuern zu erheben, außer es sollte zu einer Krönung kommen oder der Vermählung einer Prinzessin aus dem Hause Luxemburg, also um deren Aussteuer zu finanzieren. An solchen Vereinbarungen lässt sich vieles ablesen. Einerseits gab es fest definierte Ereignisse die einen Landesherren ermächtigten mit Berechtigung bei seinen Vasallen Gelder einzufordern, gleichzeitig sahen wir, wie finanziell autonom die Stände gegenüber den Fürsten waren. Das Feudalsystem des Mittelalters verstand es eine Balance unter den Ständen zu wahren und in ihren Rechten gegeneinander abzusichern, worüber sich sogar selbst das Reichsoberhaupt nicht ohne Gewährung von Sicherheiten, hinwegsetzen konnte. Gleichwohl galten diese Rechte nur für die Angehörigen der drei staatstragenden Stände, dem Adel, dem Klerus und dem städtischen Bürgertum. Es schloss nicht den unfreien Bauernstand ein, der als solcher offiziell kein offizieller Stand darstellte und die Masse der Gesamtbevölkerung des Reichs stellte. Es gab wohl auch noch freie Bauern, auch sie hatten Rechte ansatzweise ähnlich jener des Landadels doch nahm ihre Zahl aus verschiedenen Gründen stetig ab, so dass man tatsächlich mit der Zeit nur noch die drei vorgenannten Stände als maßgeblich betrachten konnte.
Mit dem Geld aus Böhmen war Johann immer noch nicht zufrieden, er zog mit Karl in dessen mährische Markgrafschaft und er musste seinen Untertanen das gleiche Angebot unterbreiten. Am 5. Juni kam man in Brünn mit den versammelten Ständen dahingehend überein.

Wozu benötigte Johann diese Gelder? Dem aufmerksamen Leser wird die Antwort kaum mehr schwer fallen können, wurde doch über Johanns Vorliebe sich in die Händel der Zeit einzumischen oder eigene Kriegszüge zu führen, ausreichend berichtet. Doch schien er diesmal größere Pläne zu haben, auch wenn sie zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht absehbar waren.

Der König verließ Böhmen nach verhältnismäßig kurzer Zeit, natürlich wieder Richtung Westen und übergab seinem Sohn Karl abermals die Verwaltung des Landes. Vorbei schienen Johanns Ängste dass die böhmischen Stände ihn absetzen und stattdessen den Sohn zum König bestimmen könnten. Viel trug hierzu die anhängliche Treue Karls bei. Selbst wenn es verschiedentlich zu unterschiedlichen Meinungen kam, war Johann doch von der Loyalität seines ältesten Sohnes fest überzeugt. Freilich kam es auch weiterhin zu konträren Positionen und daraus resultierend zu Belastungen, doch nie zu ernsthaften Verwicklungen.

In Frankfurt am Main kam es am 18. März 1339 zu einem neuerlichen Hoftag. Vielleicht macht es langsam Sinn sich auch an den Begriff des Reichstags zu gewöhnen und den althergebrachten Begriff des Hoftags langsam auswachsen zu lassen. Kaiser Ludwig lud in seinen immerhin über 30 Regierungsjahren zu einigen Versammlungen der großen Reichsfürsten und hierbei wiederholt nach Frankfurt ein. Die Stadt wurde spätestens unter seiner Regentschaft zu einer der ganz prominenten Reichstädte im Heiligen Römischen Reich. Ihre Stellung als Ort der Königswahl war mittlerweile zu Gewohnheit geworden und gleichsam ein ungeschriebenes Gesetz.

Auf dem vorgenannten Reichstag kam es zur völligen Versöhnung zwischen König Johann und Kaiser Ludwig. Johann nahm als unverkennbares Zeichen seiner symbolischen Unterwerfung, seine Luxemburger Erblande als Reichslehen entgegen. Man kann sagen, dass zu diesem Zeitpunkt das beiderseitige Verhältnis wieder auf einem völlig bereinigten Stand war. Die Aktivitäten Johanns in Reichsitalien, welche dem Kaiser nicht nur hauspolitisch missfielen sondern seine Autorität als obersten Lehnsherrn der oberitalienischen Regionen herausforderte, waren jetzt endgültig vergeben. Für Kaiser Ludwig IV., der auf dem Zenit seines Ansehens im Reichs stand, war ein geordnetes Verhältnis zu Johann wichtig, da er einen erneuten Italienzug plante. Hierbei hoffte er wohl einerseits auf militärische Unterstützung und andererseits auf den freien Marsch durch Tirol und die dortigen Alpenübergänge. Aus dem Italienzug des Kaisers wurde nichts, Karl und sein Bruder verwehrten den Durchgang, was nicht nur den Zorn des Vaters heraufbeschwörte sondern dem Kaiser wndgültig vor Augen führte, wie wichtig die Grafschaft Tirol für die Durchsetzung der Reichsinteressen in Italien war. Ein Plan wurde wohl schon damals in ihm geboren, der zuletzt zum Bruch beider Häuser führte. Wir werden noch darauf zu sprechen kommen.

Die Wut des Vaters indes verrauchte bald wieder. Ihm war längst bewusst geworden, dass Karl begann eigene Politik zu betreiben, immer dann, wenn man ihm dazu die Freiheiten ließ.  Die vielen Abwesenheiten Johanns führten schon zwangsläufig zu solch selbstständigen Entscheidungen, in Böhmen, teilweise in Schlesien aber vor allem in Tirol und natürlich in seiner eigenen Markgrafschaft, in Mähren. Diametral auseinander gingen die politischen Wege nicht. Trotz steigender Akzeptanz, bemühte sich der König jetzt vermehrt die Dinge durch seine Anwesenheit selbst zu regeln, was dazu führte, dass er 1339 quasi ständig auf Reisen zwischen Westdeutschland und Böhmen war. Man darf staunen über seine Disziplin und Reiseleistungen. Es wäre eine eigene Forschungsarbeit wert, die Reisewege chronolgisch geordnet und grafisch auf einer Karte visualisiert, aufzuzeichnen.

Das Jahr 1339 war entsprechend von vielen innenpolitischen Maßnahmen Johanns in seinem böhmischen Königreich gekennzeichnet. Er stellte viele Urkunden aus und griff vermehrt und ganz persönlich in die Landesbelange ein. Karl war bei vielen Regierungshandlungen entweder an seiner unmittelbaren Seite oder betätigte sich parallel und in ähnlicher Weise. Es blieb nicht nur bei solch friedfertigen Aktivitäten. Zu Zeiten musste gegen einzelne aufrührerische Vasallen vorgegangen werden, zur Strafe und  auch zur Abschreckung. Im Königreich mangelte es nicht an renitentem Adel oder Klerus. Die häufige Abwesenheit des Königs forderte deratige Entwicklung geradezu heraus. Böhmen machte darin übrigens keinen Unterschied zu allen anderen Fürstentümern mit einem feudalen Gepräge. Bis zu einem gewissen Grade tolerierten Landesherren, Könige, selbst der Kaiser solch, meist auf Autonomie abzielenden Betätigungen, regulierten sie sich doch oft genug durch bald ausbrechende Rivalitäten mit anderen Zeitgenossen von selbst. Eine allgegenwärtige Missgunst untereinander, führte zu einem sich halbwegs die Balance haltenden System der Stabilität. Die beklagenswerte Zustände in Reichsitalien dürften als ein besonders anschauliches Beispiel genügen. Sie zeigten, dass die örtlichen Rivalitäten einander die Waage hielten, so dass einen echte Autonomiebewegung kaum Boden gewann, andererseits aber ein permanentes, politisches Chaos die gesamte Region eingentlich unbeherrschbar machte und der dauerentzündete Appendix, am südlichen Ende des Reichskörpers, seinerseits an den Kräften des Reichs zehrte. Es war also hin und wieder notwendig ein Exempel zu statuieren. Die römisch-deutschen Könige verbanden dergleichen für gewöhnlich mit ihren zahlreichen Italienzügen, mit all den Verwicklungen die solche Unternehmungen für gewöhnlich mit sich brachten.

Die böhmischen Verhältnisse waren glücklicherweise weniger kompliziert. Die Souveränität des Königs wurde von keinem Rivalen ernsthaft in Frage gestellt. Kasimir von Polen, dem der Verlust der schlesischen Herzogtümer zwar Kummer bereitete und einiges an Prestige kostete, war peinlich bedacht den böhmischen König vorerst nicht zu reizen. Er verhielt sich betont neutral, zumindest vordergründig. Der ungarische König, wir erinnern uns, Karl hatte gerade für seine erstgeborene Tochter einen Verlobungsvertrag mit Ungarn geschlossen, stand König Johann wohlwollend neutral gegenüber und der Kaiser verbat sich selbst in die inneren  Angelegenheiten Böhmens einzuwirken. Bei diesen fast idealen Voraussetzungen, konnte es dem König, unter Mithilfe seines Sohnes Karl, kaum schwer fallen den aufmüpfigen Adel oder hetzerische Kleriker an die Kandarre zu nehmen. Wir wollen hier nicht zu sehr ins Detail gehen aber dennoch die wesentlichsten Vorgänge skizzieren. Von Juni an ging es sowohl gegen den Baron Nikolaus von Ziambach wie gegen den oberschlesischen Herzog Nikolaus II. von Ratibor und Troppau. Gegen den Baron von Ziambach, einen wüsten Zeitgenossen, zog Karl ins Feld und belagerte unter anderem dessen Burg Pottenstein, die erst nach neuen Wochen Belagerung und schweren Kämpfen fiel, wobei der Baron ums Leben kam. Herzog Nikolaus II. wurde vom König persönlich angegangen. Eigentlich war der Herzog ein treuer Parteigänger des Luxemburgers und hatte vom König erst vor zwei Jahren das an Böhmen gefallene, erledigte Herzogtum Ratibor zum Lehen erhalten. Gemeinsam mit seinem eigenen Herzogtum Troppau, machte es ihn zu einer bedeutenden Größe im böhmisch-, polnisch-, ungarischen Dreiländereck. Dem Bericht aus Karls Autobiographie entnehmen wir, dass der Herzog sich als ungewöhnlich hart gegenüber seinen Untertanen erwies. Der König war deswegen heftig in Rage geraten und wollte ihm alle Lehen seine entziehen. Eine Reihe böhmischer Fürsten, allen voran Karl selbst, versuchten zu vermitteln und den Konflikt friedlich beizulegen und den den König von seinen Absichten abzubringen. Am 8. Juli kam es im mährischen Olmütz zu einer gütlichen Einigung. Unter Vermittlung Karls, der eigens von der Belagerung der Burg Pottenstein anreiste, erschien Herzog Nikolaus II. von Ratibor-Troppau und demütigte sich vor dem König, gestand seine Vergehen ein und gelobte Besserung. Der König, besänftigt durch diesen Akt der Unterwerfung, nahm den Herzog wieder in Gnaden auf und belehnte ihn aufs Neue mit den beiden Herzogtümern. Eine auferlegte, nicht unerheblich hohe Geldstrafe und die Abtretung einiger Städte und Bergwerke, tat seinen Beitrag, dass der König umgestimmt werden konnte.

Die ganze Angelegenheit um den Herzog wirft ein neuerliches, vielsagendes Bild auf Karl und dessen weiter zunehmendes Geschick auf diplomatischem Gebiet.

Im August ging es gegen einen weiteren, wie es schien, unfreiwilligen Vasallen, der wegen seiner fortgesetzten Unbotmäßigkeit, seit geraumer Zeit dem König ein Dorn im Auge war. Papst Johannes XXII. setzte gegen den Willen des örtlichen Domkapitels und der Bürgerschaft, 1326 den ehemaligen Bischof von Krakau, einen gewissen Nanker (1265-1341), aus oberschlesischem Landadel stammend, in Breslau als Fürstbischof ein. Als Bischof von Krakau ließ er den  den Grundstein zum Bau der St. Wenzel Kathedrale legen, die in gotischem Stil errichtet wurde. Der polnische König Władysław I. „Ellenlang“ (1260-1333), soll ihm der Überlieferung nach, wegen dessen widerspenstigen Reden ins Gesicht geschlagen und darauf beim Papst die Verbannung ins niederschlesische Breslau erwirkt haben. Als 1335 im Vertrag von Trentschin Schlesien an Böhmen fiel, widersetzte sich der Bischof mit allem Nachdruck. Die Triebfeder des bischöflichen Widerstands war der Wunsch nach Unabhängigkeit von der Krone Böhmens. Insgeheim spekulierte der ambitionierte Kirchenmann vielleicht auch darauf einstmals Erzbischof zu werden.

Das Verhältnis zum böhmischen König war entsprechend belastet, allein fand dieser bisher weder Zeit noch ausreichende Mittel die Angelegenheit zu bereinigen. Sehr wahrscheinlich nahm der König die Widerspenstigkeit des hohen Klerikers auch nicht sonderlich ernst, zumal dieser in seinem Bistum über wenig Anhänger verfügte und so auch kaum ernsten Schaden anrichten konnte. Dass Johann sich jetzt, im Spätsommer 1339 doch zu einem Gewaltakt hinreisen ließ, muss erläutert werden. Zum fürstbischöflischen Amt gehörten umfangreiche Länderreien, die sich nicht nur im unmittelbaren Einzugsbereich Breslaus befanden oder dessen erweiterter Peripherie befanden, sondern großflächig aber nicht unbedingt zusammenhängend, weit darüber hinaus. Wegen eines, dem böhmischen König wichtigen, strategischen Objekts, kam es 1339 zum bewaffneten Konflikt. Gleichwohl 1335 im oben genannten Vertrag von Lentschin, Polen auf seine schlesischen Ansprüche verzichtete, war es seitens Böhmen klug, gewisse Sicherungsvorkehrungen an seinen neuen, östlichen Grenzen vorzunehmen. Eine bestimmte Burg in der Grenzregion Militsch, rund 50 Kilometer nordöstlich von Breslau, drängte sich hier geradezu auf. Sie gehörte zum Bistum Breslau und so trat Johann mit der Absicht die Burg zu kaufen, an den erwähnten Bischof heran. Dieser schlug jedes Angebot aus und trat in ungebührlicher Weise gegenüber Landesherren auf, befriedigt dem ungeliebten König, dessen Lehnsherrschafft er ablehnte, die Stirn zu bieten. Der Fürstbischof spielte hierbei ein riskantes und unkluges Spiel, konnte er es doch, selbst unter Aufbringung aller Kräfte, dauerhaft unmöglich gegen Johann aufnehmen. Möglicherweise hoffte er auf die Unterstützung des polnischen Königs Kasimir, war dieser doch erst vor wenigen Jahren zur Aufgabe der Ansprüche auf Schlesien genötigt worden und stand deswegen in der Kritik vieler seiner polnischen Magnate. Vielleicht glaubt er gleichzeitig den Streit zwischen dem Herzog von Ratibor-Troppau und dem König ausnutzen zu können und in ihm einen Zweckverbündeten zu finden. Wie auch immer es gewesen sein mag, beide möglichen Szenarien blieben aus, der Fürstbischof stand alleine. Wissend um diese Isolation, griff König Johann zu den Waffen und belagerte die ersehnte Burg, in der Absicht sie dem Bischof auf diese Weise förmlich zu entreißen. Karl war anlässlich dieses kurzen Feldzugs wieder an der Seite des Vaters. Die Festung fiel rasch in die Hände Johanns, es reichte schon der Aufzug einer Truppenmacht, um die Besatzung von der Ausweglosigkeit ihrer Lage zu überzeugen und so fiel die wichtige Grenzfestung unbeschädigt in die Hände des Königs.

Bischof Nanker ließ die Sache nicht auf sich beruhen. Militärisch konnte er nichts erreichen, hierzu fehlten ihm die Mittel um zu bestehen. Seine Stärken lagen im gesprochenen und geschrieben Wort und hierzu starte er nicht nur eine regelrechte Schmutzkampagne, nein, er war mutig genug seine Klage ganz persönlich und von Angesicht zu Angesicht dem König vorzubringen. Im Kloster St. Jakob zu Breslau kam es zum Eklat. Der König hatte sich dort während seiner Zeit in Breslau niedergelassen und so suchte ihn der Bischof, im Gefolge weiterer Kleriker auf, um Johann provokant zur Rede zu stellen und die Rückgabe der Burg einzufordern. Der Streit eskalierte aus dem Stand. König Johann weigerte sich selbstverständlich den Forderungen des Bischofs nachzukommen, worauf der Bischof in aller Öffentlichkeit den Kirchenbann über ihn verhängte. Es war dies das in früheren Zeiten schärfste Schwert der Kirche im politischen Ringen mit dem machtigen Adel, doch hatte sich diese Waffe längst abgenutzt. Sie wurde seit so vielen Generationen zu oft verwendet, viel zu oft in missbräuchlicher Weise, und hatte ihren Schrecken zu großen Teilen eingebüßt. Nichtsdestotrotz war Johann erstaunt über diese Kühnheit, der Überlieferung nach sagte er: „Wie frech ist dieser Pfaff. Er sucht einen, der ihn umbringe. Allein ich will mich mit seinem Blute nicht beflecken.“

 Als der Bischof das Kloster verließ, bestürmten ihn der Magistrat, er könne so nicht mit seinem König umspringen, worauf der Bischof auch über sie und die ganze Stadt den Bann, quasi das Interdikt, aussprach. Er antwortete ihnen noch: „Ich fürchte mich vor euren König nicht, der des königlichen Titels um so viel weniger wert ist, da er nicht einmal ein eigenes Erzbistum in seinem Reich hat, und die Krönung von fremden Bischöfen erbitten muss.“ Völlig egal war Johann der Kirchbann nicht und so ersuchte er mehrmals in aller Eindringlichkeit ihn und die Stadt vom Bann zu lösen, was den stolzen Bischof aber nicht beeindruckte. Warum auch? Wo es doch sein einziges Druckmittel war, so stumpf es auch mittlerweile war. Karl, der von klein auf von Klerikern erzogen wurde, litt auffallend unter der Situation, obgleich er persönlich davon nicht betroffen war. Er versuchte, wie schon vor wenigen Wochen im Zusammenhang mit Herzog Nikolaus II., auf seinen Vater Einfluss zu nehmen, doch dieses Mal blieb er erfolglos. Der Vater blieb eisern, die Grenzfestung nach Osten war zu wichtig und so verbannte er den Bischof, zog dessen Güter ein und wies die angrenzenden schlesischen Herzöge an, gleiches zu tun. Diese musste sich nicht zweimal bitten lassen und stürzten sich förmlich auf den umfangreichen bischöflichen Besitz. Der Bischof ging nach Neise ins Exil, wo er zwei Jahre später verstarb.


Krieg im Westen und Rückschläge für die Luxemburger

Ende August, Johann hatte seine Ziele in Schlesien erreicht, übergab er Karl abermals die Statthalterschaft in Böhmen und reiste nach Frankreich, um dort König Philipp VI. beizustehen, der seit 1337 im Krieg mit England lag. Die Ursachen die zum sogenannten Hundertjährigen Krieg führten, haben wir in Buch 2 beschrieben. Streng genommen ist der Begriff irreführend, da der Konflikt nicht durchgängig geführt wurde. Es handelte sich genau genommen um eine Anreihung von Kriegen mit unterschiedlichen Phasen und Feldzügen, immer wieder unterbrochen von Zeiten ohne Kampfhandlungen. Da über mehr als hundert Jahre hinweg kein offizieller Friede geschlossen wurde, somit in all der Zeit der Kriegszustand herrschte, bekam die Konfliktreihe von Historikern in späterer Zeit diese Bezeichnung.

1337 brach der erste dieser Kriege aus. Ganz korrekt ist auch das nicht, da bereits davor wiederholte Auseinandersetzungen zwischen beiden Kronen um die französischen Lehen geführt wurden. Wie dem auch sei, der Krieg sollte für beide Seiten über einhundert Jahre die Politik bestimmen und wesentlichen Anteil an der Formung beider Länder haben zu frühen Nationalstaaten haben.

In Flandern, das von Frankreich seit Philipp IV. mehr oder weniger erfolgreich annektiert wurde, regte sich in der Zeit der französischen Regentschaft regelmäßig Widerstand bis hin zu offenen Unabhängigkeitsbewegungen, die  vom militärisch übermächtigen Frankreich jeweils niedergeschlagen werden konnten. Ende der 1330‘er Jahre regte sich erneut eine starke Bewegung in  Flandern. Eduard III., der englische König, sah darin eine geeignete zweite Front um die französischen Kräfte zu verzetteln und sie gleichzeitig von seinen Besitzungen in der Normandie und in Aquitanien fernzuhalten. Er unterstützte die flandrische Unabhängigkeitsbewegung mit Geld und auch eigenen Truppen, worüber man seitens Flandern weniger erfreut war, als man hätte annehmen sollen, wollte man doch unbedingt vermeiden den anglo-französischen Konflikt auf flandrischem Boden auszutregen, was dem wichtigen Handel vieler bedeutender Städte ruiniert hätte. Man unterstützte in der Folgezeit die englischen Operationen daher auch nur halbherzig. Auf Seiten Englands standen seit dem Bündnis Kaiser Ludwigs IV. mit Eduard III., viele deutsche Fürsten, darunter der Herzog von Brabant, der Markgraf von Jülich und Berg, der Markgraf von Meißen und auch der älteste Sohn des Kaisers, Markgraf Ludwig von Brandenburg, nebst weiteren Adelskontingenten. Umgekehrt stand auf der Seite Frankreichs König Johann und mit ihm Adelsaufgebote aus Böhmen, Schlesien, Mähren, Luxemburg und der Lausitz. Es drohte deutsches Blut für die Interessen zweier europäischer Großmächte auf beiden Seiten vergossen zu werden.

Karl, der nach seinen Erfahrungen in Italien, Tirol und jüngst in Mähren und Schlesien, dem Vater vielleicht nicht unbedingt nacheifern, doch aber wenigstens gefallen wollte, reiste ihm schon nach wenigen Wochen nach. Als Statthalter Böhmens bestellte er Peter von Rosenberg und für die Markgrafschaft Mähren Zenko von Lippa. Sein Weg führte ihn zuerst nach Landshut wo er seine Schwester Margarete besuchte, deren Ehemann, Herzog Heinrich II. von Niederbayern am 1. September 1339 verstorben war. Aus der Ehe ging 1329 ein Sohn mit Namen Johann hervor, der somit noch unmündig war, so dass der Kaiser, als nächster männlicher Verwandter die Vormundschaft übernahm. Von Landshut aus reiste Karl weiter nach Westen und traf den Vater in seiner Grafschaft Luxemburg an, von wo aus sie gemeinsam dem französischen Heer entgegenzogen das zu diesem Zeitpunkt in ständiger Bewegung im nordfranzöischen Raum zwischen der Seine und Flandern operierte. Es versuchte das englisch-deutsch-flandrische Heer zu stellen, welches seinserseits verschiedene Belagerungen, darunter Rouen begann aber stets vom heranrückenden französischen Heer wieder abgedrängt wurde. Es kam zu keiner Schlacht, was sowohl Johann als auch Karl frustrierte.

Die Franzosen beschlossen die Anwesenheit der englischen Truppen im nordwestfranzösischen Raum mit einem Angriff auf das jetzt stark entblöste Aquitanien, genauer die Gascogne, auszunutzen. Johann wurde das Oberkommando dazu gegeben. Ihm gelang es in einem schnellen Feldzug große Erfolge zu erzielen.

Zwischenzeitlich war das Jahr 1340 angebrochen, noch immer war es im Nordwesten, zwischen den Hauptheeren zu keiner Feldschlacht gekommen und dennoch war es für Johann und Karl ein einschneidendes Jahr. Der König litt seit einigen Jahren an einer chronischen Augenentzündung, unter dem Begriff Opthalmie bekannt. 1337, nach einer  Preußenfahrt, musste ihm das rechte Auge entfernt werden. Nach drei Jahren erkrankte auch das linke Auge akut. Der König konsultierte in Montpellier französische Ärzte, in der Hoffnung das Augenlicht erhalten zu können. Der weit über die Grenzen Frankreichs hinaus bekannte Arzt Guy de Chauliac (1298 – 1368), Leibarzt des späteren Papstes Clemens VI., dem ehemaligen Lehrmeister Karls am Pariser Hof, operierte das Auge, konnte es aber nicht mehr retten. Der König erblindete nach und nach völlig. Ein überaus tragisches Schicksal für Johann, dem die Chronisten deswegen den Beinamen „der Blinde“ gaben.

Die böhmische Militäroperation in Frankreich ging zu Ende, der Schockmoment war zu überwältigend, das Heer wurde entlassen und Vater und Sohn reisten nach Paris. Von dort ging es für Karl wieder zurück nach Landshut zu seiner Schwester und dann weiter nach Tirol, wo die Ehe des Bruders völlig in Scherben lag und sich ein schwerer Schlag für die Luxemburger Hausmacht abzeichnete.


Tirol & Hochzeit mit Kasimir von Polen

Die Ehe des Bruders stand noch nie unter einem guten Stern, doch mittlerweile empfanden die Eheleute die denkbar tiefste Abneigung füreinander. An Karl drangen die besorgniserregensten Gerüchte über seinen Bruder ans Ohr. Nicht nur dass er dem Gerede nach ein ehebrecherisches Leben führte auch war sein gesamtes Gehabe geeignet, ihn in ganz Tirol komplett in Verruf zu bringen. Er entschloss sich den Bruder für eine gewisse Zeit aus der Grafschaft zu holen und gemeinsam mit ihm nach Böhmen zurückzukehren. In Innsbruck regelte er die Statthalterschaft und übergab die Verwaltung an den Bischof von Trient, Nickolaus von Brünn, einem gebürtigen Mährer der ihm in seiner Markgrafschaft für einige Zeit die Kanzlei führte und den er hierbei sehr schätzen lernte. Karl wollte mit diesem Schritt den Bruder unter seine persönlichen Fittiche nehmen, gleichzeitig verhindern dass zu der aufgeheizten Stimmung noch weitere Kritikpunkte aufaddiert würden und abschließend ihn wohl auch brüderlich beraten und ermahnen.

Kaum in Böhmen angekommen, widmete sich Karl einer Tätigkeit, die er, wie kein zweiter der Zeit, zur Meisterschaft brachte, der Hochzeitspolitik. Über die kürzlich verwitwete ältere Schwester Margarete, der Herzogin von Niederbayern, haben wir mehrmals kurz berichtet. Karl plante, und hier folgte er ganz dem erfolgreichen Vorbild des Vaters, durch eine geeignete politische Wiederverheiratung der Schwester, die Position Böhmens zu festigen. Die doppelte Heiratsverbindung mit Frankreich, die des Vaters und natürlich seine eigene Ehe, war ein hervorragendes Beispiel. Karl plante, in voller Eintracht mit dem Vater, die Vermählung seiner Schwester Margarete mit dem verwitweten polnischen König Kasimir dem Großen. Karl reiste daher in Begleitung seines Bruders Johann-Heinrich im Spätjahr 1340 nach Krakau um mit Kasimir die Formalitäten abzustimmen und den Ehevertrag vorzubereiten.

Zum Heiligabend 1340 waren beide wieder in Prag und begingen das Weihnachtsfest. Vermutlich noch in Prag erhielt Karl die Nachricht vom Tod seines Neffen, des einzigen Sohnes Margaretes, dem Herzog designierten Erben von Niederbayern. Der unerwartete Tod ließ das in Bayern errichtete Luxemburger Kartenhaus völlig zusammenstürzen und die Position des Kaisers in Bayern auf einen Schlag signifikant wachsen. Kaiser Ludwig aus dem Hause Wittelsbach war als Herzog von Oberbayern ohne bislang starke Hausmacht. 1323 brachte er zwar die verwaiste Mark Brandenburg durch Belehnung seines noch unmündigen Sohnes ans Hause Wittelsbach, konnte aber seither seine territoriale Position nicht mehr erweitern, während die Häuer Luxemburg und Habsburg zeitgleich ihren Landbesitz und ihre Mittel ganz wesentlich steigerten. Durch den Tod des jungen Herzog Johann I. von Niederbayern, fiel jetzt das niederbayrische Herzogtum an ihn. Die Wittelsbach Neffen am Rhein, die Pfalzgrafen Rudolf und Ruprecht, machten ihrerseits Ansprüche geltend, konnten sie aber nicht durchsetzen. Bayern wurde unter der Regie des Kaisers wiedervereint, womkt die Hausmacht des Kaisers ganz erheblich gestärkt wurde. Für das Haus Luxemburg ging die verwandtschaftliche Nähe zum ausgestorbenen Herzogsgeschlecht verloren und damit alle Sukzessionsoptionen. Umso wichtiger war es jetzt, im Osten einen möglichen Verbündeten zu gewinnen, besonders seit Frankreich im angol-französischen Krieg paralysiert war. Natürlich hatte man mit Kasimir verscheidentliche Verträge geschlossen, den letzten 1337, doch hatten derartige Vereinbarungen nicht die lange Dauer, wie man sie von heutigen bilateralen Abkommen her kennt. Es war notwendig derartige Absprachen immer wieder zu erneuern, wozu oft genug die Gelegenheit oder auch die überzeugenden Argumente fehlten. Durch eine Heiratsverbindung waren ungleich beständigere Bündnisse möglich, weswegen, vor dem Hintergrund der niederbayrischen Tragödie, die erfolgreiche Verheiratung der Schwester von großer politischer Wichtigkeit war. Überraschenderweise kam aus einer Richtung Widerstand, womit Karl am wenigsten rechnete. Kasimir von Polen stand einer Heiratsverbindung positiv gegenüber, ein anhaltender Friede mit Böhmen und damit eine Sicherheit an Polens südwestlicher Grenze, war für seine eigenen Ambitionen höchst wünschenswert. Es war jedoch die zukünftige Braut die überhaupt kein Interesse daran zeigte nach Krakau vermählt zu werden. Sie widersetzte sich dem Wunsch des Bruders mit allem Nachdruck. Karl, der wegen des kürzlichen Tods seines Neffen behutsam im Umgang mit seiner Schwester vorgehen musste, hatte die allergrößten Mühen sie doch noch zu überzeugen. Von seinem charakteristischen Redegeschick hatten wir schon einige Beweise erhalten, es wundert daher nicht, dass er doch noch erfolgreich war. Es wirft aber auch einen ersten Schatten auf das Wesen des Kronprinzen. Augenscheinlich war das Erreichen politischer Ziele für ihn längst zum bestimmenden Credo geworden, worin er mit dem Vater auf einer Wellenlänge stand. Rücksichten auf die Bedürfnisse selbst engster Familienangehöriger spielten keine Rolle. Die Förderung und der Machtausbau der eigenen Dynastie stand über allen anderen Dingen.
Greifen wir den weiteren Geschehnissen etwas voraus. Im Mai 1341 begannen in Prag die Vorbereitungen zur Eheschließung. Vater Johann, der erblindete König war zu dieser Zeit wieder in Prag zugegen und hielt unter anderem am 20. Mai einen Landtag ab um den versammelten Ständen aus Adel, Städten und Klerus seinen Sohn als zukünftigen Thronerben zu unterbreiten, so dass er nach seinem einstmaligen Ableben nicht erst gewählt werden musste, gleich den Beispiel der römisch-deutschen Könige, sondern direkt die Krone empfangen konnte. Es fiel nicht schwer eine überwältigende Mehrheit für Karl zu erhalten, der nun auch offiziell als Kronprinz bezeichnet werden konnte, auch wenn wir es in unserem Bericht verschiedene Male bereits vorwegnahmen.
Anlässlich der anstehenden Hochzeitsfeierlichkeiten sollte Prag herausgeputzt werden. Der Zustand der Stadt konnte weiterhin nicht an den Glanz oder Pracht vergleichbarer Residenzen heranreichen, auch nicht an Krakau, der königlichen Stadt Kasimirs von Polen, des zukünftigen Schwiegersohns des Königs. Es ist einmal mehr Indiz, das Prag noch zur Zeit Johanns im Vergleich zu anderen Städten des Reichs und weit mehr, im Vergleich zu den großen europäischen Metropolen, sehr rückständig und infrastrukturell stark unterentwickelt war.

Ende Juni kam Kasimir in großem und prächtigem Gefolge in Prag an. Die Hochzeit war für den 13. Juli festgesetzt, dem Gedenktag der Heiligen Margarete, Namenspatronin unserer zukünftigen Braut. Unglücklicherweise erkrankte sie wenige Tage vor dem Termin schwer, die Ärzte bemühten sich, doch vergebens, ihr Zustand verschlechterte sich rapide. Am 10. Juli, drei Tage vor dem angesetzten Termin verschied sie tragischerweise. Am Hof, noch mehr beim Volk kursierten allerlei Gerüchte, wusste man doch um den großen Widerstand der Prinzessin gegen die Heirat. Man munkelte sie wäre am Kram gestorben über die von Vater und Bruder aufgezwungene Heirat. Natürlich konnte mit den Mitteln der Zeit die tatsächliche Todesursache nicht ermittelt werden, so wurden die Gerüchte weder bestätigt und noch weniger widerlegt. Ein besonderes Drama blieb es allemal, wo doch ihr Ehemann vor weniger als zwei Jahren im 34. Lebensjahr verstarb und dann auch noch ihr einziges Kind, vor einem halben Jahr, mit kaum zehn Jahren aus dem Leben schied.

Der große Plan eines festen Bündnisses mit Polen, zur Absicherung der böhmischen Ostgrenze und zur Wahrung der erst vor wenigen Jahren gemachten schlesischen Erwerbungen, rückte in weite Ferne. Man machte gute Miene zu bösem Spiel und erneuerte wenigstens den 1337 geschlossenen Freundschaftsvertrag, jedoch wurde von polnischer Seite der Beistand gegen Ungarn und den Herzog von Schweidnitz, dem letzten schlesischen Herzogtum, das sich nicht freiwillig der böhmischen Lehnsherrschaft unterwarf, ausgenommen.

König Johann, wesentlich behindert durch den Verlust seiner Sehkraft, war jetzt notgedrungenermaßen ortsgebundener als man es von ihm bislang kannte. Karl übernahm mehr und mehr Regentschatsaufgaben, die er auch immer selbstständiger umsetzte. Den Juli sowie den größten Teil des August verbrachte er nich in Prag, bevor er sich gegen Ende des Sommers 1341 wieder nach Tirol aufmachte, wo sich die Situation zuspitze. Kehren wir zu näheren Erläuterung nochmal in das 1340 zurück. Eingangs des Abschnitts, wie auch noch weiter oben und wie in Buch 2, aus der Sicht des Wittelsbachers Ludwig, den man den Brandenburger nannte geschildert, war die Ehe zwischen der Tiroler Erbgräfin Margarete und Karls Bruder, Johann Heinrich, von Beginn an, also schon seit der Kinderzeit, vergiftet und zum scheitern verurteilt.

Wie sich 1340 offen zeigte, stand die Gräfin mit dem Kaiser im schriftlichen Austausch, was für die Luxemburger Position in Tirol bedrohlich werden konnte. Noch stand man mit dem Kaiser, nach außen, in gutem Einvernehmen, immerhin waren die Luxemburger sowohl in ihren westdeutschen Erblanden als auch in ihren böhmischen Besitzungen, Vasallen des Reichsoberhaupts. Ein wie auch immer geartetes Engagement der Wittelsbacher in Tirol, musste allerdings zwangsläufig den Gegensatz heraufbeschwören und zu einer handfesten Rivalität, wenn nicht sogar Feindschaft beider Häuser führen. Die Gräfin suchte zunächst den ungeliebten Ehemann und die böhmische Administration abzuschütteln. Hierzu fand sie zahlreiche Unterstützung im Tiroler Adel. Karl gelang es durch energisches Eingreifen seinerzeit eine offene Revolte frühzeitig zu ersticken. Das zeitweise Entfernen des nicht nur bei der Gattin, auch in den weitesten Kreisen des Adels und bei Land und Leuten, verhassten Bruders, sollte nach Karls Plänen zusätzliche Entspannung bringen. Zunächst blieb die Lage auch ruhig, doch hinter den Kulissen wurde von der Gräfin und ihren engsten Vertrauten an einem aufsehenerregenden Plan gearbeitet, wobei Kaiser Ludwig IV. wohl nicht nur eine Mitwisserrolle hatte, sehr wahrscheinlich war er ganz wesentlicher Unterstützer, schlimmstenfalls sogar Drahtzieher hinter allem.

Nach der gescheiterten Prager Hochzeit im Juli 1341, eilte Karl im Frühherbst mit einer überschaubaren Anzahl Truppen erneut nach Tirol. Er fand das Land nach eigenen Aussagen in geordnetem Zustand was ihn dazu veranlasste einen neuerlichen Einfall in Oberitalien durchzuführen. Markgraf Martin von Skala hatte zuvor versucht die beiden Städte, die ihm Karl in seinem letzten Feldzug entriss, zurückzuerobern. Er scheiterte an dem beherzten Widerstand der böhmischen Besatzung. Karl rückte also mit seinen Truppen ins Gebiet des Martin von Skala vor und nahm ihm weitere Städte weg, bis es im Spätjahr zum Frieden kam. Es sollte ihm keine Pause vergönnt bleiben, ein Hilferuf des eng befreundeten Patriarchen von Aquilla erreichte ihn Mitte November 1341. Der Patriarch war schwer vom Habsburger Herzog Albrecht von Österreich und dem Grafen von Görz bedrängt. Karl sammelte rund zweihundert Panzerreiter und tausend Mann Fußvolk und marschierte bei Neuschnee über die angrenzenden Höhenzüge zum Entsatz heran. Als die Belagerer seine Streitmacht erblickten, ergriffen sie die Flucht. Teile verschanzten sich in einer Burg, die Karl sogleich belagern ließ. Es kam nicht mehr zur Einnahme, da Anfang Dezember Friede zwischen den kriegführenden Parteien geschlossen wurde. Statt wieder direkt nach Tirol zurückzugehen, wo eine offene Revolte begann, zog er weiter nach Wien. Seine Truppen waren zwischenzeitlich erschöpft, viele wurden bei der vorgenannten Belagerung verletzt oder sind gefallen und grundsätzlich ließen die Witterungsbedingungen einen weiteren Feldzug nicht mehr zu. Ein König Johann hätte vor seiner Erblindung in wilder Entschlossenheit nicht gezögert aber Karl war ein vorsichtig, das unkalkulierbare Risiko scheuender Feldherr.

Am 15. und 16. Dezember traf sich Karl mit dem Herzog Albrecht von Österreich in Wien, wo ein Defensivbündnis gegen den Kaiser geschlossen wurde. Für den Fall dass Kaiser Ludwig die Ländereien Johanns oder Karls angreifen sollte, versprach der Habsburger Waffenhilfe. In dem Abkommen war Tirol ausgenommen. Albrecht kannte gemäß geheimen Absprachen längst die kaiserlichen Ambitionen, das gegen den Kaiser gerichtete Bündnis war von seiner Seite zwar kein reines Lippenbekenntnis, doch standen die Interessen Habsburgs eher kongurrierend zu jenen der Luxemburger als zu den Wittelsbachern.

Karl reiste von Wien weiter Richtung Mähren, dann Richtung Prag, wo er das Weihnachtsfest begang. Das Jahr 1341 ging seinem Ende entgegen. Nach der Tragödie im Vorjahr, um das Augenlicht des Königs, der Entfremdung des Herzogtums Niederbayern durch den frühen Tod des einzigen Erben, dem Drama um den Tod der Mutter des verstorbenen Knaben, kurz vor ihrer arrangierten politischen Hochzeit mit dem König von Polen, den latenten Unruheherden in Tirol, dem weiter eskalierenden Krieg zwischen dem befreundeten Frankreich und England, war auch für das Jahr 1342 mit allem zu rechnen, vor allem aus der Richtung des erstarkten Hauses Wittelsbach, an dessen Spitze der Kaiser stand.


Der Kampf um Tirol

Mit der Abwesenheit Karls und seinen Truppen, regte sich auch wieder die Gräfin Margarete von Tirol. Der von Karl im August wahrgenommene Zustand des Friedens, war rein oberflächlich. Unter der Decke schwelte das Feuer der Unabhängigkeit. Johann-Heinrich der nach der Niederschlagung des ersten Aufstands nach Tirol zurückgekommen war, bemühte sich nicht an die Exzesse der Vorjahre anzuknüpfen und widmete sich zum Zeitvertreib besonders häufig der Jagd. Die Ehe blieb gleichwohl im völlig zerrütteten Zustand.

Am 1. November kam es zum Eklat. Johann-Heinrich kam in der Nacht von einer Jagd zurück, der er sich trotz des Feiertags widmete. Am Schloss Tirol angekommen, verwehrte ihm die Torwache den Einlass und behielt den Zugang verschlossen. Die Gräfin, seine Gattin, hatte dies ausdrücklich angeordnet und stand im Einvernehmen mit dem restlichen Tiroler Adel des Landes. Der so ausgesperrte Gatte, suchte andernorts auf einer der Burgen in den kommenden Tagen Unterschlupf, wurde aber überall in gleicher Weise abgewiesen. Die gesamte Grafschaft stand hinter ihrer Landesherrin und wider den verachteten Böhmen und all seinen Vertretern. Die Odyssee des gedemütigten Grafen endete erst im befreundete Aquilla, wo ihn der dortige Partriarch, der erst vor kurzem von Karl gegen den Herzog von Österreich und den Grafen von Görz verteidigt wurde, freundlich aufnahm. Von hier reiste er weiter nach Prag, zu seinem Vater. Es ist nicht dokumentiert, auch nicht in Karls Autobiographie, welchen Eindruck die fortgesetzten Schwierigkeiten in Tirol beim Vater hinterließen, es ist immerhin mehr als wahrscheinlich, dass er dem Sohn die schwersten Vorwürfe machte, wegen dessen Unvermögen die Ehe soweit zu führen, dass dem Hause Luxemburg in Form eines männlichen Nachkommen, die überaus wichtige Grafschaft gesichert bliebe.

Die Situation in Tirol nahm jetzt eine Wendung die ein bisheriges Novum darstellte. Gräfin Margarete wollte die Scheidung von ihrem verhassten Mann. Eine Scheidung war in so hohen Fürstenkreisen allenfalls vom Papst zu erlangen, dieser würde einer solchen jedoch niemals zustimmen. Margarete führte als Argument ins Rennen, dass die Ehe nie vollzogen, der Beischlaf nie erfolgte, dass ihr Mann sogar impotent wäre. Während man dem ersten Teil ihrer Aussage durchaus Glauben schenken kann, ist der zweite Teil insofern nicht nur anzuzweifeln, sondern schlicht die Unwahrheit, da ihr Gatte weit und breit den Ruf eines Schürzenjägers genoss. Wie dem auch sei, eine entscheidende Wendung erhielt die Sache, indem sich jetzt der Kaiser, mit dem sie ohnehin einvernehmlich handelte, einmischte und die Ehe als geschieden erklärte. Der Sachverhalt ist aus einer anderen Sicht von Interesse, da es dem von der Kirche exklusiv wahrgenommenen Prinzip der kirchlichen Trauung, die Zivilehe gegenüberstellte. Dass Ludwig IV. hier weniger als Reichsoberhaupt handelte, sondern wesentlich als Territorialfürst mit dynastischen Interessen, steht außer Zweifel, denn er beabsichtigte schon einige Zeit seinen erstgeborenen Sohn, den Markgrafen Ludwig von Brandenburg, mit der reichen Gräfin zu verheiraten. Margarete stimmte diesem Plan ohne Umschweife zu, der Sohn, welcher seit gut zwei Jahren verwitwet war und als Sohn des Kaisers einer der begehrtesten Partien Europas, musste allerdings erst noch überzeugt werden. Den machtpolitischen Erwägungen einer erheblichen Ausweitung des Wittelsbacher Besitzes im süddeutschen Raum, stand die unvermeidliche Konfrontation mit den Luxemburgern und die ebenso sichere Kirchenacht durch den Papst gegenüber. Der Erwerb Tirols war aber unbedingt zwingender als alle Sorgen um einen Krieg oder der Konflikt mit dem Papst welcher väterlicherseits sowieso schon seit vielen Jahren ohne bisherige Auswirkungen existierte. Schon am 10. Februar 1342 wurde auf Schloss Tirol die Ehe zwischen beiden geschlossen. Wenngleich nach kirchlichem Recht Margarete noch mit Johann-Heinrich verheiratet war und demgemäß die mit Ludwig dem Brandenburger geschlossene Ehe ungültig blieb, zivilrechtlich war sie anerkannt und was schwerer wiegte, für das Haus Luxemburg war Tirol damit verloren. Nach dem lombardischen Fehlschlag, dem Verlust Niederbayers und jetzt dem Verlust Tirols, unerwähnt die Verluste Kärntens und Krains und der gescheiderten Hochzeit mit Kasimir von Polen, stand das Haus Luxemburg vor einem politischen Trümmerhaufen. All die großangelegten Pläne und betriebenen Aufwände endeten in kolossalen Fehlschlägen.

König Johann war über diesen für ihn völlig überraschenden Streich erschüttert und suchte im Reich, natürlich in Frankreich und beim Papst Anhänger für eine Militärkoalition gegen den Kaiser, doch fanden diese außer warmen Worten keine Hilfe. Der König von Frankreich war tief verwickelt im Krieg mit England und heilfroh wenn der Kaiser nicht vollends auf die Seite Eduard III. einschwenkte. Im Reich zeigte sich unter den Kurfürsten vor allem beim Trierer Erzbischof Balduin, Onkel König Johanns erste Anzeichen eines beginnenden Gesinnungswechsel wider den Kaiser, aber keinerlei Wille diesen zu bekriegen. Blieb als letzte große Partei die des Papstes. Wenn dieser auch, wie schon sein Vorgänger Johannes XXII. tief verfeindet mit dem Kaiser war, vermied er es doch ein Heer gegen ihn ins Felde zu führen, da er damit vermutlich den allergrößten Teil der deutschen Reichsfürsten als Feind gegen sich gehabt hätte, die sich mit größter Wonne am Kirchengut im deutschen Reichsteil gütlich getan hätten. Überhaupt war Papst Benedikt XII. ganz im Gegensatz zu seinem Vorgänger, wenig kriegerisch aktiv, zumal er schon kränkelte und noch im Mai des gleichen Jahres verstarb. Man kann wohl behaupten, Kaiser Ludwig IV. hat seinen Tiroler Coup mit großer Kühnheit aber wohl durchdacht umgesetzt. Die Luxemburger hatten das Spiel um Tirol verloren, was sie aus Rache nicht daran hinderte sengend und brennnend durch die Grafschaft zu ziehen und sich wo es möglich war zu rächen. Zu mehr als dieser Taktik reichten die Mittel nicht aus, denn die vielen kriegerischen Abenteuer Johanns hatten die böhmischen Länder und noch mehr die Stammlande in Luxemburg einiges gekostet und die Stände waren nicht bereit einen Großkonflikt zu finanzieren.


Karl wirkt de facto als Regent in Böhmen

Schon um den Sommer 1341 zog sich König Johann mehr und mehr aus den Amtsgeschäften zurück. Seine Erblindung erschwerte es ihm den Anforderungen alleine gerecht zu werden. Karl war quasi zu einer Art Prinzregent aufgestiegen, verhielt sich gegenüber dem Vater aber stets loyal und untergeordnet. Der König verließ das Land wieder und reiste nach Westen in seine Stammlande und weiter zum Hofe nach Paris, nicht ohne sich erneut von Karl finanziell ausstatten zu lassen. Er wollte zwei Jahre außer Landes bleiben und in der Zeit Karl die die uneingeschränkte Regentschaft in Böhmen überlassen, wofür er 5.000 Mark in Silber forderte und erhielt. Es ist nicht belegt woher Karl das Geld nahm, sehr wahrscheinlich musste er wieder eine Anleihe nehmen. Wir sprachen diesen Themenkreis oft genug zwischenzeitlich an. Den ständigen Geldverlegenheiten der Landesfürsten wurde meist durch Schulden und Verpfändungen begegnet, andere Alternativen gab es eigentlich nicht.

Nach den Schlusswehen in der Tiroler Angelegenheit, konzentrierte sich Karl stark auf die Länder Böhmens. Es erschien ihm zweckmäßig in den schlesischen Herzogtümern als Statthalter seines Vaters die Vasallen, das heisst die Herzöge einzuberufen und sich von ihnen huldigen zu lassen. Dieser Akt war wichtig, band er die Lehnsmänner dadurch moralisch schon vor einem Thronwechsel an sich. Immerhin wäre es nicht unwahrscheinlich, dass nach dem Tod des alten Königs, so mancher der Herzöge sich als frei, der Lehnsherrschaft Böhmens entwachsen, betrachten würde. Beispiele aus der jüngeren und ferneren Vergangenheit gab es viele, doch durch das vorgenannte Zeremoniell wurden die Bande zwischen dem zukünftigen König und den schlesischen Herren gefestigt und ein Abfall weniger wahrscheinlich, wenn auch immer noch denkbar.

Seinem Ruf kam am 1. Juli 1342 zu Breslau folgende Herzöge nach: Boleslaw III. von Brieg (1291 – 1352)Bolko von Falkenberg-Oppeln(1295 – 1365), Wlatislaus von Beuthen-Kosel(1277 – 1352), Kasimir I. von Teschen(1280 – 1358), Nickolaus II. von Troppau-Ratibor (1288 – 1364), Ziemowit von Beuthen-Gleiwitz (1293 – nach 1342). Wie schon zuvor dem Vater, so leisteten sie den Lehnseid nun auch auf Karl, der sie als Statthalter des Königreichs wiederum in all ihren Rechten und Privilegien bestätigte und sie mit ihren Herzogtümern belehnte. Es mag ermütend sein immer wieder von solchen Zeremonien zu lesen, doch waren deratige Lehnsakte und Eide, zu einer Zeit wo Loyalitäten fast nur aufgrund einander verschworener Personenverbände existierten, das zentrale Mittel staatlichen Zusammenhalts.

Der weitere Verlauf des Jahres 1342 war von manigfaltigen Regentschafts- und Administrationstätigkeiten angefüllt, worunter aber keine von besonders erwähnenswertem Interesse wäre, weswegen wir gleich in das Jahr 1343 springen. Am 5. Januar, starb der Prager Bischof Johann IV. von Draschitz (1250 – 1343). Mit sagenhaften 93 Jahren erreichte er ein ganz außergewöhnlich hohes Alter. Über vier Jahrzehnte war er Bischof von Prag und prägte nicht nur das geistige Leben der Königsstadt, auch politisch war er eine wichtige Konstante der böhmischen Könige. Er war 1310 wesentlicher Befürworter der Wahl Johanns von Luxemburg zu böhmischen König und zeitlebens ein enger Berater und Parteigänger der königlichen Familie. Zum Nachfolger wählte das Domkapitel am 16. Januar ihren bisherigen Dekan Ernst von Pardubitz (1300 – 1364). Karl begrüßte diese Wahl sehr, denn der Erwählte galt als ein Mann von großen Talenten. Er wird 1344 der erste Erzbischof Böhmens werden. Bis es dazu kam, ist es notwendig noch einige Erklärungen zu geben. Böhmen und Mähren unterstanden seit Jahrhunderten mit ihren sogenannten Suffragandiözesen, das heißt mit ihren unterstellten Diözesen Prag und Olmütz, der Kirchenprovinz Mainz, deren Erzbischof als Metropolit die Diözesanbischöfe nach ihrer Wahl bestätigte und weihte. Ebenso waren es die Erzbischöfe von Mainz die demgemäß die Könige von Böhmen seit jeher krönten. Für Karl war das alles ein Dorn im Auge, längst hatte er große Pläne mit dem neuen Prager Bischof und dazu einen bestimmten Plan im Sinn. Es kam nicht in Frage die Weihe vom Mainzer Erzbischof Heinrich III. von Virneburg (1295 – 1353), einem erklärten Anhänger des Kaisers, vornehmen zu lassen. Karl wollte langfristig für Böhmen und Mähren ein eigenes Erzbistum. Nicht vergessen waren die demütigenden Worte des verbannten und mittlerweile verstorbenen Bischof Nanker von Breslau, der König Johann seinerzeit verächtlich vorhielt, dass er in seinem Reich über keine eigene Erzdiözese verfüge und deswegen die Krone aus den Händen eines fremden Bischofs empfangen müsse. Nach drei Jahren schwerer politischer Rückschläge und familiärer Tragödien, holte Karl zum breitangelegten Gegenschlag aus und die Ernennung des Bischofs von Prag sollte der erste Baustein sein. In Avignon, wo seit geraumer Zeit die Päpste residierten, war seit Mai 1342 sein alter Lehrmeister und Gönner aus Kindertagen, Pierre Roger, als Clemens VI. das Haupt der römischen Kirche. Das gute Verhältnis beider war selbst nach all den Jahren ungetrübt geblieben. Karl schickte den gewählten aber noch nicht ernannten Ernst von Pardubitz mit einem Begleitschreiben nach Avignon, um ihn dort vom Papst zum Bischof ernennen und weihen zu lassen. Man durfte sicher sein, dass Clemens VI. dem Ansinnen des Kronprinzen ohne Einwände gerecht werde und so kam der päpstlicherseits ernannte und geweihte Bischof Mitte Mai wieder in Prag an, wo ihm von Karl ein großer Empfang gemacht wurde. Der erste Schritt hin zur kirchlichen Unabhängigkeit von Mainz und zum eigenen Erzbistum war getan, doch noch nicht gleich ging der Prinz zum nächsten Schritt über, wir werden darauf zurückkommen.

Es zeigte sich, dass das Verhältnis zu König Kasimir in Polen zu erkalten begann. Da nützten die vielen gegenseitigen Bekundungen nicht viel, die Interessenskonflikte waren groß, Schlesien eine schwere Hypothek. Weitere Ursachen waren unter anderem Säumnisse bei der Erfüllung vertraglicher Inhalte. Im April war Karl in Krakau um eine längst überfällige Zahlung in Höhe von 10.000 Mark Silber zu leisten. Das Geld wurde 1335, polnischerseits ratifiziert 1339, im Vertrag von Trentschin dem König Kasimir zugesagt, als einen Teil der Bedingungen für den seinerseitigen Verzicht auf Schlesien. In ständiger Geldnot, waren Johann und Karl bislang nicht in der Lage die Summe zu entrichten und es kam beim Treffen zu einem Vergleich. Kasimir, der selbst abhängig von diesem Geld war, musste es wohl oder übel hinnehmen, es förderte aber die Entspannung zwischen beiden Seiten nicht.

Im Juni berief Karl einen großen Landtag nach Prag. Dem Ruf folgten viele Vasallen. Besondere Ergebnisse brachte die Versammlung nicht hervor, wobei man die Veranstaltung dennoch nicht als unnötig abtun darf. Vielmehr kann man dem Sachverhalt sogar positive Aspekte abgewinnen, zeigt es doch, dass es augenscheinlich unter den Ständen nur wenige Klagepunkte gab, auf die der Regent hätte reagieren müssen.

Der weitere Verlauf des Sommers war ohne besonders bemerkenswerte Ereignisse, zumindest keine die hier unnötigerweise aufgelistet werden müssten.


Karls zweite Preußenfahrt

Erst im Herbst kam wieder neuer Schwung ins Königreich und für Karl erneute Veränderungen, der sich als Statthalter bislang vorzüglich bewies. Am 7. Oktober 1343 kam Johann ins Königreich Böhmen zurück. Er war wieder voller Tatendrang, wie in alten Tagen. Vergessen die Blindheit und die in Prag aufgekommene Lethargie. Immer wenn Johann im Westen des Reichs, in seiner geliebten Luxemburger Grafschaft weilte oder am Hofe des Königs von Frankreich, lebte und blühte er auf und war anschließend voller Tatendrang. Kaum in Prag, eröffnete er dem Sohn die Gründe seines vorzeitigen Erscheinens. Die Deutschherren, das heißt der Orden der Deutschritter im Ordensland, hatten ihn zu einer neuen Litauenreise, einem neuen Kreuzzug gegen die Heiden gerufen und Johann leistete dem Rufe mit Freude folge. Auch eine große Zahl weiterer Fürsten, darunter Wilhem von Holland und sogar König Ludwig von Ungarn, der Schwiegersohn Karls, beteiligten sich. Wie schon bei vergleichbaren Heerzügen ins Baltikum, wurde Breslau wieder Sammelort der Heerschau. Karl war wenig erfreut über des Vaters Vorhaben, konnte aber den blinden König nicht guten Gewissens alleine lassen, zumal die Preußenfahrten stets mit hohem Prestige verbunden. Es war gleichzeitig eine passende Gelegenheit Beziehungen zu anderen Fürsten zu pflegen, besonders wenn sich namhafte Teilnehmer ankündigten. Karl nutzte die verbleibenden Wochen um noch so viele Amtstätigkeiten wie möglich zum Abschluss zu bringen, bevor er sich nach Breslau ins Heerlager begab, wo er am 24. November eintraf. Durch Polen ziehend, war das erste Ziel Marienburg. Von hier marschierte das Heer, verstärkt durch die Truppen des Hochmeisters, Ludolf König von Wattzau (1285 – 1348), weiter nach Osten, Litauen entgegen. Unter diesem Hochmeister gelang es den seit gut einem halben Jahrhundert andauernden Dauerkonflikt mit Polen im Frieden von Kalisch beizulegen. Diesem Frieden gingen viele Jahre wiederkehrender Kriege und Rechtsgutachten seitens der Kurie voraus, über die wir in Buch 1 und Buch 2 schon berichteten.

Der Verlauf des baltischen Kreuzzugs war ähnlich wie schon bei Karls erster Preußenfahrt. Der Winter 1343/44 blieb recht mild. Erneut froren Flüsse und Sümpfe nur unzureichend zu, so dass an einen effektiven Feldzug in dem unwegsamen Gelände nicht zu denken war. Einige Zeit harrte man noch in provisorischen Feldlagern aus, in der zuversichtlichen Erwartung härteren Frosts. Das Risiko unter solchen Bedingungen zu erkranken war hoch, weswegen derartige Aktivitäten nicht lange aufrecht gehalten werden durften ohne Gefahr zu laufen, dass sich Epidemien unter den Truppen ausbreiteten. Nachdem die Temperaturen weiterhin nicht ausreichend sanken, brachen die Kreuzfahrer zu Beginn der zweiten Dezemberhälfte den Feldzug ab, worauf jeder zurück in seine Heimat zog.

Die sich schleichend verschlechternde Beziehung zu Kasimir von Polen hatten wir erwähnt. Das neuerliche Engagement der Luxemburger für den Deutschen Orden, reizte, ja erboste Kasimir regelrecht. Erst im Sommer hatte er formell mit dem Orden den Frieden ratifiziert, es blieb ihm in seiner isolierten Lage kaum anderes übrig, doch saß der Frust tief. Sein Groll ging soweit, dass er danach trachtete die böhmischen Heimkehrer auf ihrem Marsch durch Polen gefangen zu setzen. Ein Plan der schändlicher kaum sein konnte, für einen König der offiziell ein Defensivbündnis mit Johann und Karl hatte. Wir müssen uns an den Gedanken gewöhnen, dass Bündnisse oft ebenso schnell gebrochen wie halbherzig geschlossen wurden. Vielleicht wird sich mancher Leser fragen, wie jemand die Kühnheit und Durchtriebenheit aufbringen konnte, einen Heimkehrer eines Kreuzzuges gefangen nehmen zu wollen. Mindestens zwei Aspekte dürften ein solches Vorhaben für gewöhnlich äußerst kostspielig werden lassen. Zum einen sollte man annehmen, dass ein heimkehrendes Heer wohl kaum ohne großen Aufwand und damit verbunden entsprechender Vorbereitung überwältigt und aus seiner Mitte die wichtigsten Anführer gefangen gesetzt werden konnte. Der vermientliche Denkfehler liegt in der Annahme dass das Heer noch exisitierte, das heißt zusammenhielt. Üblich war, dass sich ein Heer gleich welcher Art, nach erledigtem Feldzug schnell in Gruppen und Grüppchen auflöste und in alle Winde verstreute. Nur der engste Kreis von Kriegern, quasi die Leibwache, blieb zum Schutze der hohen Herren vorhanden. Mit einem fut koordinierten und konzentrierten Vorgehen war es absolut möglich einen achtlos auf dem Rückmarsch befindlichen Fürsten gefangenzunehmen.

Blieb die Immunität die ein Kreuzfahrer normalerweise genoss. Wer einen zur Kreuzfahrt ausreitenden oder heimkehrenden Krieger Christi überfiel, ihn an Leib oder Besitz schädigte, musste mit den allerschwersten Sanktionen seitens der Kirche und des Papstes rechnen. Auch durfte man annehmen, dass er unter den nichtkirchlichen Zeitgenossen kaum Zustimmung dafür fand. Im Zusammenhang mit den Preußenfahrten muss man den Begriff Kreuzzug allerdings deutlich differenzierter betrachten. Die wenigsten Feldzüge im und jenseits des Ordenslandes, waren offiziell von Papst inittiiert und durch eine Kreuzzugsbulle entsprechend beurkundet. Die Heerzüge gegen die pruzzischen – und später litauischen Heiden unterlagen einer Eigendynamik. Sie waren längst zu einem regelmäßigen Spektakel des europäischen Adels geworden. Dementsprechend genossen Teilnehmer dieser Litauenreisen oder Preußenfahrten nicht jene Privilegien die man von den wesentlich bekannteren, früheren Kreuzzüge ins Heilige Land kannte. Kasimir wäre daher nicht unbedingt in den päpstlichen Bann gefallen, wenngleich die besondere Nähe Karls zu Papst Clemens VI. ohne Zweifel den Pontifex Maximus wider den König Polens auf den Plan gerufen hätte, dann aber nicht wegen eines Verstoßes gegen die Kreuzfahrerimmunität, sondern aus einem Anlass der sich erst noch finden hätte müssen aber sicher gefunden worden wäre. Es bleibt daher beachtlich dass Kasimir der Große diesen Plan nicht verwarf, sondern tatsächlich ausführte.

Johann und Karl reisten nicht gemeinsam, was für den Plänen Kasimirs schon ein  Schnippchen schlug. Der blinde König nahm den Weg durch die Mark Brandenburg nach Westen in seine luxemburgische Grafschaft und war für seine Häscher schnell unerreichbar. Nur Karls Rückmarsch, in Begleitung eines überschaubaren Gefolges, führte ihn quer durch polnisches Gebiet. In Kalisch angekommen, schnappte die Falle zu, doch müssen wir die Begebenheit näher erläutern. Die Entführung oder Festsetzung eines hohen Fürsten verlief nicht nach dem Motto, „Sack über den Kopf und ab in ein dunkles Verlies“. Die Vorgehensweise war viel subtiler, viel facettenreicher, fast einem Spiel mit klaren Regeln gleichend. In der Stadt angekommen, wurde Karl auf Geheiß des Königs standesgemäß bewirtet, gleichzeitig aber eng beschattet und so unauffällig und gut wie möglich vom eigenen Gefolge getrennt. Es wurden Vorwände inszeniert die ein Weiterreisen verhindern sollten, ohne ein Reiseverbot förmlich auszusprechen, zumindest nicht so lange dies möglich. Für gewöhnlich musste so ein, quasi in einer Art Goldener Käfig sitzender Protagonist bald seine Lage richtig einschätzen. Im Falle Karls war das auch schnell geschehen. Er ließ sich aber nichts anmerken, spielte seinerseits das Spiel mit und verbreitete die Kunde, er wolle noch in der Stadt bleiben um sich von den Strapazen des zurückliegenden Feldzugs zu erholen. Seine Finte muss überzeugend gewesen sein, denn die Bewachung wurde gelockert. Dies nutzte er um einen Boten aus der Stadt zu schmuggeln, der in Breslau den dortigen Burggrafen anweisen sollte mit 300 Reitern vor Kalisch zu kommen und unweit der Stadt zu warten. Auch solle man für ihn außerhalb, nahe einem der Stadttore, ein schnelles Pferd bereithalten. Unter dem Vorwand eines Spaziergangs erreichte er das bereitgestellte Tier und gelangte an den vereinbarten Platz wo sich die Reitertruppe bereithielt. In ihrem Schutz gelangte er ohne weitere Zwischenfälle nach Breslau. Sein Gefolge wurde noch für einige Zeit in Kalisch festgehalten, wir wissen nicht unter welchen Bedingungen auch sie die Freiheit wieder erlangten. Der Vorfall machte Karl deutlich, dass Polen, vielmehr König Kasimir, ein neue, alte Gefahr im Osten war und alle Vereinbarungen mit ihm schlussendlich nur für den Augenblick Ruhe brachten, nicht jedoch langfristig.


Der Plan des Papstes

Papst Clemens VI. war der dritte Papst in Folge, der mit dem Kaiser im Dauerkonflikt stand. Vor ihm stellten bereits Johannes XXII. und Bendedikt XII. das Reichsoberhaupt unter den Kirchenbann. Anstrengungen des Kaiser sich aus dem Bann zu lösen, wurden päpstlicherseits verworfen, da er nicht bereit war den Einfluss der römischen Kirche in Reichsangelegenheiten zu tolerieren. Insbesondere sah er den Papst als unberechtigt den römisch-deutschen König nach dessen Wahl zu ernennen. Der Streit war letztendlich eine Fortsetzung der Grundsatzfrage, die noch aus staufischer Zeit stammte, wer größer ist, der Kaiser und mit ihm das Reich oder der Papst und mit ihm die Kirche und wer durch wen legitimiert ist.

Der Rhenser Kurverein stärkte Juli 1338 die Autonomie des Reichs und seines Regenten wesentlich. Für den damaligen Papst Benedikt XII. war es eine schwere politische Niederlage da sich die Kurfürsten des Reichs demonstrativ hinter den Kaiser stellten. Hierbei weniger hinter die Person Ludwigs IV., als vielmehr hinter das kaiserliche Amt als solches.

Mit Clemens VI. kam ein Papst an die Reihe, der das Spiel um die Vormachtstellung nicht leichtfertig aufgeben wollte. Er ersann einen Plan den päpstlichen Einfluss auf das Reich über Umwege wieder zu erhöhen. Mit dem widerspenstigen, mittlerweile gealterten Wittelsbacher, konnte und wollte er nicht. Aber mit dem jungen, vielbegabten Karl konnte man einen Monarchen auf den Thron des Reichs platzieren, der für seine besondere Nähe zur Kirche bekannt, geradezu berüchtigt war. Das innige und sehr persönliche Vertrauensverhältnis zwischen Clemens VI. und Karl konnte hierbei nur von Vorteil sein. Vermutlich glaubte der Papst er könne den noch relativ jungen Karl wenigstens für eine gewisse Zeit in seinem Sinne formen und dadurch auf die Reichspolitik einwirken. Das Projekt war ihm zwischenzeitlich so dringend geworden, dass er schon im Spätherbst 1343 nach Prag Briefe entsandte die Johann und seinen Sohn Karl nach Avignon einluden.

Karl bekam diese Briefe erst nach der Rückkehr von seiner Preußenfahrt und dem unfreiwilligen Aufenthalt in Kalisch zu lesen. Die genauen Hintergründe der Einladung verrieten die Briefe nicht, nur dass der Papst in einer dringenden Angelegenheit mit beiden sprechen müsse und sie zum Festtag Mariareinigung in Avignon zugegen sein sollen. Am 5. Januar reiste Karl nach Westen ab, um den Vater, den er in Luxemburg vermutete, abzuholen und dann gemeinsam mit ihm weiter ins südliche Frankreich zum Sitz des Papstes zu reisen. In Avignon angekommen, eröffnete ihnen Clemens VI. seinen Plan, demnach er Karl, mit Hilfe der Kurfürsten, zum römischen-deutschen König machen wollte. Die Ausgangslage war nicht ganz ungünstig. Die Pfalzgrafen zu Rhein waren wider den Kaiser, dessen Neffen sie doch eigentlich waren. Ein Streit um das einseitig von Ludwig IV. angeeignete Herzogtum Niederbayern, führte zum Zwist und zur Opposition gegen das Haus, dem man dem Geschlecht nach selbst angehörte. Auch die Stimme Kursachsens war gegen das amtierende Oberhaupt. Zusammen mit der böhmischen Kurstimme vereinte man damit bereits drei der sieben Kurstimmen. Die Stimmen aus Kurköln und natürlich der Kurmark, wo der älteste Sohn des Kaisers regierte, hielten es mit dem regierenden Monarchen. Gerade der wichtige Mainzer Erzbischof war ein loyaler Parteigänger Ludwigs und selbst der Luxemburger Balduin, Erzbischof von Trier war bislang ein treuer Anhänger auch wenn begann nach dem Vorgängen in Niederbayern und Tirol seine Position zu überdenken, so war er noch nicht gewonnen. Sein Widerwille gegen alles päpstliche war allgemein bekannt, wofür er auch einige Mal selbst unter dem Kirchenbann stand.

Papst Clemens IV. wollte den Hebel, der alles in Rollen bringen sollte, beim Mainzer Erzbischof Heinrich von Virneburg ansetzen. Er plante seine Absetzung. Mit dem Erzbischof stand er und auch die Vorgänger schon mehrfach in ernstem Disput und das Verhältnis war sehr angespannt, doch konnte ein Entfernen von seinem Amt nicht einfach aus einer Laune heraus vollzogen werden. Es musste mit Bedacht und Schlauheit in dieser Angelegenheit vorgegangen werden, um nicht die ganze Sache unnötig zu gefährten und die Aufmerksamkeit im nördlichen Reichsteil zu wecken.

Alles in allem waren sich die drei Versammelten schnell einig, Johann und mit ihm sein Sohn Karl spielten insgeheim spätestens seit der demütigenden Tiroler Affäre mit dem Gedanken, hatten jedoch bislang nicht im Sinn dies schon zu Lebzeiten des alten Kaisers zu erwägen. Alles hing jetzt davon ab im Kurfürstenkollegium eine Mehrheit, idealerweise eine starke Mehrheit zu erhalten, doch dies erforderte mehr als die blose Absichtserklärung dreier Usurpatoren im fernen Avignon.

Karl nutzte das Treffen aus, um sein spezielles Projekt rund um ein eigenes Erzbistum zu realisieren. Vor dem Hintergrund des bereits Besprochenen, war dieser Wunsch nach einer eigenen Erzdiözese für Böhmen eigentlich geringfügig, dennoch musste Karl eine Reihe gewichtiger Argumente zu Felde führen, bis der Papst sich mit seinen Kardinälen darüber beriet. Wegen der besonderen Innigkeit ihres Verhältnisses stimmte Clemens VI. letztlich der Herauslösung aus dem Mainzer Kirchenverband zu, verbunden mit der gleichzeitigen Erhöhung des Bistums Prag zum Erzbistum und Olmütz zur entsprechenden Suffragandiözese Prags. Insgeheim hoffte er, der Erzbischof von Mainz könnte sich in seiner Reaktion irgendiw soweit exponieren, dass man daraus eine Amtsenthebung konstruieren könnte. Am 30. April 1344 beurkundete Clemens VI. in einer päpstlichenen Bulle die Rangerhöhung des Bistums Prag. Erster böhmischer Erzbischof wurde der im Vorjahr geweihte Ernst von Pardubitz. Daneben wurde der neue böhmische Erzbischof und mit ihm alle seine Nachfolger autorisiert, in Zukunft die böhmischen Könige zu krönen und hierbei nicht mehr auf den jeweiligen Metropoliten aus Mainz zurückgreifen zu müssen. Für Böhmen stellte die päpstliche Entscheidung einen Meilenstein hin zu einer eigenständigen, nicht von ausländischen, meist deutschen Institutionen dominierten Nation dar. Es sollte trotzdem noch bald 600 Jahre dauern bis aus dem tschechischsprachigen Teil ein eigenständiger Doppelsstaat wurde und weitere 70 Jahre bis letztendlich Tschechien entstand.

Karl hatte einen wichtigen Prestigesieg errungen, gleichzeitig förderte es sein ohnehin hohes Ansehen in Böhmen ganz wesentlich. Volk und Klerus lagen ihm sprichwörtlich zu Füßen, in ihrem Schlepptau der größte Teil des Adels. Böhmen war seit langem nicht mehr so geeint wie unter der Statthalterschaft des Kronprinzen.

Um dem neuen Status als Erzbistum den repräsentativen Glanz zu verleihen, des es verdiente, wurde der Ausbau des Veitsdom ins Auge gefasst. Schon am 23. Oktober 1341 erließ König Johann seinerzeit ein Anordnung, die mehr einer Absichtserklärung gleichkam, die alte romanische Schlosskirche St. Veit prächtig ausbauen zu lassen. Bislang fehlte aber sowohl das Geld wie auch der notwendige Anlass. Mit der aufsehenerregenden Erhöhung zum Erzbistum, entfachte sich in Prag und im ganzen Land eine große Spendenbereitschaft so dass die Gelder zur Anschubfinanzierung des Baus reichlich flossen. Es fehlte aber an einem befähigten Baumeister. In ganz Böhmen konnte niemand die notwendige Expertise und Erfahrung nachweisen. Architektonisch stand man einfach noch weit, weit hinter den großartigen, geradezu sich in den Himmel streckenden gotischen Meisterwerken Frankreichs oder dem deutschen Reichsteil. Mit Matthias von Arras (1290 – 1352), ein auch in Avignon bekannter und wirkender Meister seiner Zunft, wählte Karl einen Baumeister erster Kategorie. König Johann berief ihn daraufhin nach Prag, wo am 21. November 1344 der Grundstein zum spätgotischen Veitsdom gelegt wurde, dem Königsdom der böhmischen Herrscher und gleichzeitig deren Grablege. 1356 wurde Peter Parler (1333 – 1399) nach Prag berufen, wo er als Dombaumeister die Arbeiten an der dortigen Dombauhütte leitete.

Karls Wahl zum römisch-deutschen König wurde für den Moment hinten angestellt. Es galt zunächst die Reaktionen im Reich auf die vorgenannten Maßnahmen abzuwarten. Wenigstens Erzbischof Heinrich von Virneburg musste gegen die schmerzliche Beschneidung seines Einflusses intervenieren und auch am Kaiser konnte dieser selbstherrliche Akt nicht spurlos vorübergehen.


Ehevertrag mit Habsburg

Nach ihrem Aufenthalt Avignon, reisten Vater und Sohn zurück. Das Ziel war Prag, zumindest für Karl. Unter anderem im Bistum Thule, legten sie eine Zwischenrast ein, was darauf schließen lässt, dass ihr Heimweg sie über die Grafschaft Luxemburg führen sollte, wo der Vater möglicherweise zurückbleiben wollte. Hier begneten sie Albrecht von Buchheim, einem Abgesandten des Herzogs Albrecht von Österreich, der zwischenzeitlich als letzter Überlebender von sechs Brüdern über die gesamten Habsburger Länderreien, von Teilen der heutigen Schweiz, Südbaden und Elsaß bis Nieder- und Oberösterreich, sowie Kärnten und Krain herrschte. Albrecht sucht für seinen ältesten, fünfjährigen Sohn Leopold eine Heitratsverbindung mit dem Hause Luxemburg. Hierzu sollte sein Gesandter, einer von mehreren zeitgleich losgeschickten Boten, um die Hand von Karls zweiter Tochter, der zweijährigen Katharina, anhalten. Unnötig zu erwähnen, dass für Karl dieses Gesuch ganz in seinem, und des Vaters Interesse war. Eine Verbindung mit den Habsburgern, noch dazu mit dem erstgeborenen Sprössling, hätte seinen eigenen Plänen um die Reichskrone vorzügliche Unterstützung gegeben. Auch wenn die Habsburger nicht zum erlauchten Kreis der Wahlfürsten gehörten, war es wichtig für den sehr wahrscheinlichen Fall eines ausbrechenden Thronstreits, mächtige Verbündete um sich scharen zu können. Auf Frankreich konnte Karl nur hoffen, wenn es sich im Krieg gegen England durchzusetzen vermochte, wonach es momentan noch nicht aussah. Der Papst würde ihn wohl nur in beschränkter Weise unterstützen und wenn,auch nur durch die üblichen kirchenpolitischen Maßnahmen., Eine militärische Teilhabe des Papstes, barg zu viele Unwägbarkeiten und hätte im Reich gegebenenfalls mehr Fürsten gegen Karl aufgebracht als wenn sich Clemens VI. neutral verhielte. Die Habsburger waren im Reichsgebiete zweifelsfrei die wichtigsten Bündniskandidaten im Falle eines Krieges um die Krone. Der vermeintliche Gegner konnte zum damaligen Zeitpunkt auch nur die bayrische Linie des Hauses Wittelsbach sein, insbesondere wenn noch zu Lebzeiten des Kaisers eine Neuwahl inszeniert würde.

Dem Kaiser blieb die Verbindung nicht verborgen, die beiden Parteien machten auch kein Geheimnis daraus. Er war also zusätzlich gewarnt und erahnte die Absichten hinter den Schachzügen Karls und seines Vaters. Mehr denn je suchte er jetzt den Ausgleich mit dem Papst und die Lösung des Kirchenbanns. Es war sein Ziel einen Nachfolger, einen seiner Söhne im Kollegium der Kurfürsten als Kandidat zu positionieren aber hierzu war es unbedingt erforderlich sich des Makels des Banns zu entledigen. Der Pontifex ließ ihm hierzu eine Liste mit Auflagen überreichen, die für eine römisch-deutschen Kaiser kaum zu erfüllen waren und die er scharf missbilligte, dennoch nicht leichtfertig ablehnen wollte. Im August 1344 lud der Kaiser zum Hoftag nach Frankfurt am Main. Er legte den versammelten Reichsfürsten und Vertretern der Reichsstädte den Forderungskatalog Clemens VI. vor und holte deren Meinung ein. Es war ein geschickter Zug, konnte er doch nach dem eindeutigen Ergebnis das seinerzeit beim Rhenser Kurtag gegen jede päpstliche Einmischung in Reichsangelegenheiten verkündet wurde, ganz leicht erahnen, dass die große Versammlung der Fürsten zu Frankfurt in gleicher Weise votieren würde. Seine Intuition täuschte ihn nicht, mit lautstarker Entrüstung verwahrten sich die anwesenden Reichsstände gegen die päpstliche Anmaßung. Ludwig IV. ging aus dem ersten Teil des Hoftags wesentlich gestärkt hervor. Wenngleich er wegen seiner Maßnahmen in Tirol und Niederbayern schwer in der Kritik stand, waren die Glieder des Reichs im Falle seines Streits mit der Kurie klar auf der Seite des Kaisers. Für Karl bedeutete diese Wendung einen herben Rückschlag hinsichtlich seiner eigenen Ambitionen um die Krone und Kaiser Ludwig hatte noch nicht seine letzte Karte ausgespielt. Wissend um das hervorragende Verhältnis Karls zu Clemens VI. beauftrage er ihn, sich in seinem Sinne beim Papst für ihn zu verwenden. Nichts lag Karl im Grunde ferner und nichts konnte er seinem obersten Lehnsherren gleichzeitig weniger abschlagen, als diese vor der Versammlung der Reichsvasallen ausgesprochene Bitte. Es zeigte einmal mehr, dass Kaiser Ludwig IV. in der ersten Hälfte der 1340‘er Jahre nicht nur auf dem Höhepunkt seiner territorialen Macht war, er war gleichzeitig ein gerissener politischer Gegner, der die Fäden fest in Händen hielt und wie man sagt, bestens verstand die Klaviatur zu spielen.

Karls Vater gab die Lage noch nicht auf. Im September kam es zu Bacharach am Rhein zur Fortsetzung des Hoftags. Hier nutzte Johann die Gelegenheit den Versammelten in drastischen Worten die Schändlichkeiten, die man seinem Sohn Johann-Heinrich in Tirol seitens der Wittelsbacher antat, zu beschreiben. Freilich vermied er dabei auf den jahrelangen Ehekonflikt und das ruchlose Verhalten des Sohnes einzugehen. Johann vermochte in der Situation bei den Anwesenden zu punkten, immerhin war sein Leumund als Sieger vieler Turniere, furchtloser Held ungezählter Schlachten, der sich im Vorjahr sogar in erblindetem Zustand auf Preußenfahrt begab, tadellos und viele Fürsten bewunderten den blinden König als Inbegriff ritterlicher Tugenden. So ging der kaiserliche Hoftag Mitte September zumindest nicht mit einem kompletten Sieg des Kaisers zu Ende und für Karl, der nur den Anschein gab sich für den Kaiser beim Papst zu verwenden, nicht mit einem herben Rückschlag. Aufgeschoben ist nicht aufgehoben, könnte man die Situation passend beschreiben.


Krieg gegen Kasimir und den Herzog von Schweidnitz

Losgelöst von den Ereignissen beim Hoftag, hatte Karl im Osten noch eine Rechnung offen, die es so oder so zu begleichen galt bevor er sich mit den Wittelsbachern um die Reichskrone stritt. Kasimir von Polen hatte ihn Ende des Jahres 1343 auf der Rückreise vom Ordensstaat festzusetzen versucht. Durch vorgetäuschte Arglosigkeit konnte er seine Bewacher seinerzeit überlisten und es gelang ihm die glückliche Rückreise nach Breslau und von dort weiter nach Prag. Vergessen hatten Karl und sein Vater Johann diesen Verrat nicht. Die Rüstungen für einen Vergeltungsfeldzug begannen unmittelbar nach Rückkehr aus dem deutschen Reichsteil. Währenddessen wurde der Erzbischof von Prag offiziell geweiht und der Grundstein zum Umbau des Veitdoms in eine spätgotische Königskathedrale begonnen. All diese Festivitäten dienten hervorragend die Kriegspläne zu tarnen. Ende November begab sich Karl nach Wien um mit Herzog Albrecht den vereinbarten Ehepakt beider Häuser nochmals von Angesicht zu Angesicht zu besiegeln. Anfang Dezember sehen wir ihn wieder in Mähren und gleich im Anschluss im schlesischen Herzogtum Teschen.

Mit beginnendem Frühjahr 1345 waren die Zurüstungen beendet und man entschloss sich den ersten Schlag gegen den mit Kasimir verbündeten Herzog Bolko II. von Schweidnitz (1308 – 1368) zu unternehmen. Voraus ging ein Angriff Kasimirs auf Steinau das heutige Ścinawa, das er einnahm und verheerte. Die Stadt gehörte damals zum Fürstbistum Breslau.

Mit einem starken Heer brach König Johann, begleitet von beiden Söhnen, Karl und Johann-Heinrich sowie dem Erzbischof von Prag, in das Herzogtum ein. Die Stadt Schweidnitz (pol. Świdnica) wurde belagert, verteidigte sich aber äußerst zäh und war zahlreich mit schlesischen und polnischen Truppen besetzt. Wiederholt heftig geführte Angriffe wurden blutig abgeschlagen. Aus Prag zog man Werkzeuge heran um den Belagerungspark zu erweitern, doch auch die Verteidiger waren gut ausgestattet und machten wieder und wieder die Arbeiten zunichte. Verbunden damit erfolgten wiederholte, sehr erfolgreiche Ausfälle der Eingeschlossenen, wodurch zusätzlich schwere Schäden am Belagerungsgerät entstand. Bei einem besonders erfolgreichen Ausfall gelang es in nur einer Stunde die Arbeiten von zwei Wochen zu zerstören. Karl der zwischenzeitlich die Leitung der Belagerung übernahm, sah ein dass nach Wochen kein Vorankommen erzielt war und die Verluste unter den Belagerern an der Moral aller nagte. Man ging jetzt zu einer totalen Einschließung der Stadt über um sie auszuhungern. Doch auch diese Strategie zeigte keinen Erfolg, einfach weil man überhaupt nicht die Zeit und mehr noch, die notwendigen finanziellen Mittel aufbringen konnte, um den Umschließungsring ausreichend lange und dicht genug geschlossen zu halten. Die Belagerung wurde ergebnislos abgebrochen und man zog ab, nicht ohne die Vorstädte vorher niederzubrennen und alles mitzuführen, was weggetragen werden konnte. Das Heer wendete sich jetzt gegen Landeshut (pol. Kamienna Góra) einer der anderen Städte des Herzogtums. Kundschafter hatten die schwache Besatzung der Stadt ausspioniert und schon beim Erscheinen des böhmischen Heers streckten die Bürger die Waffen und die Stadt wurde am 24. April 1345 im ersten Sturm genommen.

Noch einige Sätze zu den Gepflogenheiten der Kriegsführung. Es war üblich dass die verschiedenen Zünfte einer Stadt verantwortlich für die Verteidigung waren, darüber hinaus unterhielt der Magistrat in Kriegszeiten für gewöhnlich zusätzlich bezahlte Söldner, was im Falle Landeshuts nur wenig der Fall war, da der Herzog alle verfügbaren Truppen in seiner Residenzstadt Schweidnitz konzentrierte, was sich im Nachhinein betrachtet als die richtige Strategie herausstellte, denn die Böhmer bissen sich erfolglos vor der Stadt fest und mussten schlussendlich abziehen. Der Schlag gegen Landeshut diente wesentlich dem angekratzten Ruf und gleichzeitig der Plünderlust der Truppe. Die Entlohung der Truppen ergab sich seinerzeit neben dem Handgeld bei der Anstellung, nur noch aus dem was jeder an Plündergut beim Feind erbeutete. Einzig die Versorgung mit Nahrung wurde vom Heerführer darüber hinaus  finanziert, was die Kassen auch so schon schnell überstrapzierte, weswegen lange Belagerungen oft den finanziellen Ruin bedeuteten, wenn nicht die Belagerungstruppen schon vorher davonliefen, weil sich keine Beute abzeichnete.

Der weitere Feldzug gegen den Herzog beschränkte sich auf großflächige Plünderungen. Zehn Wochen streiften die böhmischen Kriegsknechte durch das  Land. In all der Zeit kam ihm Kasimir nicht zur Hilfe, aus gutem Grund, denn es braute sich längst ein Unwetter über Johann und seinen Söhnen zusammen, dazu gleich mehr. Herzog Bolko II. war mittlerweile gezwungen um Waffenstillstand zu ersuchen. Die Klagen aus seinem Land wurden immer lauter und auf rechtzeitige Hilfe war nicht mehr zu hoffen. Die Bedingungen zur Einstellung der Kampfhandlungen kennen wir nicht, allerdings nahm Johann das Gesuch bereitwillig an, weil sich eine erwchreckend große kaiserliche Allianz gegen ihn verschwor und Böhmen in ernster Gefahr war. Kaiser Ludwig IV. hatte das Frühjahr 1445 dazu genutzt eine Allianz praktisch aller Nachbarn Böhmens zu schmieden. Darunter Polen, Ungarn, Österreich, Brandenburg, Meißen und Schweidnitz. Selbst Ungarn und Österreich, wo jeweils eine Tochter Karls als zukünftige Landesherrin am Hof lebte und wo mit so großen Worten die Freundschaft beschworen wurde, schlossen sich der Koalition an. Alle einte der Wunsch ein weiteres Erstarken der Luxemburger Hausmacht zu unterdrücken und wenn nötig aktiv zu bekämpfen. Wirklichen Willen zum Krieg zeigte aber nur Kasimir, alle anderen hielten sich zurück, hofften auf das Engagement eines anderen und hielten sich die Option vor, rechtzeitig einzusteigen, sobald es darum gegangen wäre ein Stück vom Fell des erlegten Bären zu sichern. Brandenburg und Meißen ging es hierbei um die Nieder- und Oberlausitz, Österreich um Mähren, Ungarn um Teile Südostböhmens und Mährens, Polen um die schlesischen Herzogtümer und dem Kaiser ging es generell um die Schwächung und Beschneidung der Luxemburger und weniger um Landerwerb, allenfalls noch um Eger. Er hatte längst von den Bestrebungen Karls hinsichtlich der Reichskrone erfahren und es lag ihm daran Karl und seinen Vater mit einer erhofften Niederwerfung zur Aufgabe der Pläne zu zwingen.

Alle geplanten Operationen gegen Kasimir wurden fallen gelassen. Die Streitkräfte wurden in Zentralböhmen versammelt, gleichzeitig die Grenzfestungen verstärkt und verproviantiert. Johann suchte jetzt zumindest Zeit zu gewinnen und entsandte Verhandlungsführer zum Kaiser, in der Hoffnung vielleicht sogar einen Frieden zu erreichen. Der Kaiser aus der Position überlegner Stärke heraus, lehnte sowohl einen Waffenstillstand als auch einen Frieden kategorisch ab. Als man Johann zu Prag die niederschmetternde Nachricht überbrachte, antwortete er: „In Gottes Namen! Je mehr wir Feinde haben, je mehr wollen wir Beute und Gefangene machen und ich schwöre zum Herrn Jesus Christus, dass ich den Ersten der mich angreifen wird, so zu Boden schlagen will, dass ich dadurch die anderen abschrecken werde.“.

Kasimir, der mit den Rüstungen am weitesten fortgeschritten war, eröffnete den Tanz, an dessen Ende die Beschneidung Böhmens stehen sollte. Er rückte in das schlesische Herzogtum Troppau ein, unterstützt von ungarischen Hilfstruppen. Der bedrängte Herzog schickte sogleich Boten nach Prag um seinen Lehnsherren, den König von Böhmen, um schnelle Hilfe zu bitten. Johann ließ ihm umgehend antworten, dass er, der König, persönlich zu seiner Rettung käme. Johann versammelte die Ritterschaft des Landes zu Kuttenberg, den hohen und niederen Adel, den Klerus und die Vertreter der Bürgerschaften. In einer flammenden Rede appellierte den Anmaßungen des polnischen Königs zu antworten und zu den Waffen zu greifen. Mit der jetzt folgenden Antwort hatte er aber nicht gerechnet. Die Versammelten gaben zu verstehen, dass sie von altersher nur verpflichtet sind die Länder Böhmens dieseits der Grenzen zu verteidigen, niemals aber jenseits davon. Was Johann Ihnen anwortete und was wir aus den Aufzeichnungen Karls entnehmen, lautete wie folgt: „Ich will nun den Marsch antreten und sehen, wer von Euch so kühn und unbesonnen ist, mir nicht zu folgen.“. Hierrauf verließ er die Versammlung und setzte sich noch in der Nacht in Marsch, mit ihm 500 Panzerreiter sowie Fußtruppen, sein zweiter Sohn Joahann-Heinrich an der Seite. Karl blieb in Böhmen zurück, er sollte etwaigen Attacken der sonstigen Koalitionäre begegnen. Beschähmt von des blinden Königs Mut, eilten ihm die Ritterschaft, einzeln oder in Gruppen in Gewaltmärschen nach. Noch vor überschreiten der Grenze nach Troppau, hatte sich dadurch Johanns Streitkräfte mehr als vervierfacht. Parallel zum König war Karls Statthalter von Mähren mit einem eigenen Heer den polnisch-ungarischen Truppen entgegengeeilt, stellte sie aus der Bewegung heraus in einer Schlacht, wobei hunderte Feinde fielen und sechzig Ritter gefangen genommen wurden und verfolgte den Rest des heillos flüchtenden Heeres bis nach Krakau. Am 11. Juli drang er aus der Verfolgung heraus, an der Spitze einer kleinen Schar, in Krakau, der alten Königsstadt Polens, ein. Kurz hinter ihm wurde das Falltor heruntergelassen, seine nachfolgenden Truppen ausgesperrt, womit er abgeschnitten war und sich gefangen geben musste. Am nachfolgenden Tag, dem 12. Juli 1345, traf Johann mit dem böhmischen Heer vor Krakau ein und schloss die Stadt ein, brannte die Krakauer Vorstädte nieder und ließ die Gegend weit und breit ausplündern und verwüsten. Kasimir, unfähig seine Lage aus eigener Kraft zu bessern, ersuchte um einem Waffenstillstand, den Johann annahm, da er keinen langen Krieg gegen Polen führen konnte, in Sorge um die anderen, potentiellen Gegner. Mitte August wurde endgültig Frieden geschlossen, in den zugleich Ungarn, Brandenburg, Meißen und Österreich eingeschlossen war. Nur der Kaiser, der jetzt seinerseits isoliert war, blieb außen vor. Für Böhmen änderte sich durch den beherzten Einsatz des Königs die Situation grundlegend. Nun musste Ludwig IV. seinerseits in aller Demut bei Johann um Friede ersuchen. Er schickte zwei prunkvolle Gesandtschafen aus, eine zum König und eine weitere zum Kronprinzen Karl. Johann ließ sich hiervon beeindrucken, der Kaiser hatte augenscheinlich den richtigen Ton in seinem Gesandtschaftsschreiben getroffen. Es wurde zu Trier, unter der Schirmherrschaft des Erzbischofs Balduin eine Friedenskonferenz einberufen. Im Herbst wurde zwischen Ludwig und Johann ein Vergleich getroffen. Der Kaiser verpflichtete sich wegen des an Johann-Heinrich begangenen Unrechts Genugtuung zu leisten und verpflichtete seinen Sohn Ludwig, den Markgrafen von Brandenburg, die Städte Görlitz und Bautzen in der Lausitz an Johann-Heinrich auf alle Zeit abzutreten, ferner 20.000 Mark Silber für des Königs Kasse zu zahlen. Bis zur Entrichtung der Summe sollten die Städte Berlin, Brandenburg und Stendal als Unterpfand dienen, was beiläufig erwähnt das Verhältnis der märkischen Städte zum Wittelsbacher Herrscherhaus schwer erschütterte und einen Beitrag zu deren Abfall während der Krise um den falschen Waldemar leistete. Als die beiden Luxemburger Prinzen von den Inhalten des väterlichen Vergleichs hörten, lehnten sie entrüstet ab. Johann-Heinrich, weil er sich in keinster Weise rehabilitiert sah, höchstens abgespeist und Karl weil er die Lausitz ohnehin als heimgefallenen Besitz Böhmens betrachtete. Am heftigsten war jedoch der Ausspruch, der König würde sein Geld doch nur am Rhein vertun und sie hätten davon ohnehin keinen Nutzen. Diese Passage wirft einen schwarzen Schatten auf das momentane Verhältnis der Söhne zum Vater. Es mag ein Indiz sein wie verschieden die Ansichten waren. Dem Vater waren Kriege und Feldzüge eine Art sportlicher Wettkampf, dem Sieger gebührte vor allem die Ehre, mit der Beute sollten hauptsächlich die Kriegskosten gedeckt und die Kasse für zukünftige Kriege gefüllt werden. Sicherlich war Johann hier eine Ausnahme, vielleicht sogar schon ein Relikt. Die Söhne umgekehrt, waren in ihrem Wesen, ganz im Sinne der Zeit, Territorialfürsten, stets bestrebt die eigene Hausmacht zu heben. Dass unter Johanns Regentschaft der Ruhm und die Macht des Hauses Luxemburg so hoch steig, lag größtenteils an der glücklichen Heiratsverbindung die noch der Vater, Kaiser Heinrich VII., einfädelte und der sich noch unter Wenzel II. abzeichnenden freiwilligen Unterwerfung der meisten schlesischen Herzogtümer unter die Krone Böhmens. Johann selbst versuchte während der lombardischen Episode, die Luxemburger Hausmacht zu erweitern.  Der Versuch, so glänzend er begann, nahm einen schlechten Verlauf und wurde aufgegeben. Die Tiroler Heirat war in der Sache vielversprechend aber scheiterte  quasi schon ganz zu Beginn an den unterschiedlichen Charakteren seines zweitgeborenen Sohnes und der Braut, Erbgräfin Margarete von Tirol. Auch dieses Vorhaben endete kläglich, geradezu schmählich demütigend. Am Ende seiner Regentschaft, war trotz aller Chancen, das Haus Luxemburg im Grunde genauso einflussreich und mächtig wie zu Beginn. Kein bekannter Herrscher der Zeit hatte an mehr Kriegen und Kriegszügen teilgenommen und hatte für sein Haus weniger greifbares erreicht wie Johann von Böhmen und doch war er schon unter den Zeitgenossen ein Sinnbild ritterlicher Tugenden. Vielleicht war es gerade der Mangel an messbaren Erfolgen, unter Berücksichtigung der enormen Aufwände, der Kronprinz Karl die Augen öffnete und was sich in dem vorgenannten Satz ausdrückte, „er wird sein Geld ohnehin vertun…“. Es war offensichtlich dass, wenn dereinst Johanns Nachfolger, die Krone Böhmens tragen würde, er den territorialen Besitz mit allen Mitteln der Zeit erweitern wollte.

Dem Kaiser graute es vielleicht schon vor dieser Zeit. Karl war schon längst zum Problem für ihn geworden und nach dem erbärmlichen Ausgang der so großartig begonnenen Allianz gegen Böhmen, war Ludwigs Prestige unter den Reichsfürsten dramatisch eingebrochen. Würde er dem nächsten Anlauf Karls die Reichskrone zu erwerben ein weiteres Mal so geschickt vereiteln können wie anlässlich des letzten Hof-, Reichstags in Frankfurt?


Karl wird zum römisch-deutschen König gewählt

Die gereizte Stimmung zwischen den Söhnen und dem Vater hielt noch durch den Herbst 1345 an, war dann gegen Jahreswechel 1345/46 soweit beigelegt, dass für das Frühjahr neue Pläne ersonnen wurden. Im Reich hatte sich die Stimmung gegen den Kaiser weiter getrübt. Am 26. September 1345 starb des Kaisers Schwager Wilhelm IV. von Holland ohne einen Erben zu hinterlassen. Die überaus reichen niederländischen Lehen fielen ans Reich zurück bzw. gingen teilweise als Erbe an Ludwigs Frau, ihre Schwester die mit dem König von England verheiratet war, ging praktisch leer aus.

Ludwig IV. belehnte seine Frau mit den verwaisten Grafschaften in Holland, Seeland und Friesland, des Weiteren überzeugte er den Bischof von Lüttich sie auch mit der Grafschaft Hennegau zu belehnen. Die bayrischen Wittelsbacher waren nun in Sachen Hausmacht auf einer Augenhöhe mit den Habsburgern und den Luxemburgern. Unter den Fürsten des Reichs fand dieser Machtzuwachs keine Gegenliebe. Ludwig wäre vielleicht gut beraten gewesen wenigstens einen Teil der erledigten Lehen an andere Fürsten zu verleihen und sicherlich wog er diesen Gedanken ab. In seinem abschliessenden Urteil muss er zum Schluss gekommen sein, dass dies zu vergleichbaren Spannungen führen würde, womit er auch gleich sich, bzw. die eigene Familie belehnen konnte. Bleibt noch der ethische Aspekt, die moralische Anforderung an das Reichsoberhaupt im Konsens mit den Gliedern des Reichs zu agieren und die eigenen Interessen schon von Amtswegen hintenanzustellen. Seien wir jedoch ehrlich, bei welchem römisch-deutschen König oder Kaiser hätte man hier nicht dem mahnenden Finger heben können?

Im April 1346 befanden sich Johann und Karl erneut in Avignon. Papst Clemens VI. wollte nun seinen Umsturzplan, den man vor zwei Jahren in Erwägung zog, in die Tat umsetzen. Am 13. April 1346 verhängte der Papst in einer vernichtend formulierten Bulle den endgültigen Kirchenbann gegen den Kaiser. Die darin enthaltenen Verwünschungen und Flüche waren erschreckend. Um sich ein Bild der verwendeten Sprache zu machen, anbei einige stichpunktartige Auszüge:

  • Wir flehen zu Gott, dass er ihn niederstürze, … seinen Feinde ausliefere…
  • Sein Eingang und Ausgang seien verflucht (Sie lesen richtig)
  • Der Herr schlage ihn mit Narrheit, Blindheit und Raserei
  • Der Zorn Gottes entzünde sich über ihn, in dieser und der nächsten Welt
  • Der Abgrund tue sich auch und verschlinge ihn lebendig
  • Sein Andenken sei vergessen unter den Menschen
  • Sein Haus und seine Sippe sollen veröden
  • Seine Kinder sollen vor seinen Augen durch die Hand seiner Feinde umkommen

Dies sind nur die Auszüge vom Schluss des  Bannfluchs. Die päpstliche Kanzlei ließ reichlich Abschriften für den italienischen – und deutschen Reichsteil ausfertigen und an alle Bischöfe des Reichs verschicken, um sie öffentlich in den Kirchen verlesen zu lassen. Das Volk war zutiefst schockiert. Zu Lebzeiten hat nie jemand eine schlimmere Hetzschrift gegen einen Kaiser gehört und die Botschaft hinterließ bei den Zuhörern ein geteiltes Echo.

Parallel ließ sich der Papst von Karl einen Katalog von Bedingungen beeidigen als Vorbedingung für die päpstliche Unterstützung. Konnte man gerade noch bei dem vorgenannten Schauspiel darüber hinwegsehen, dass sich Johann und Karl für etwas derartiges hergaben, indem sie nicht um mehr Mäßigung ersuchten, kann die Leichtfertigkeit mit dem Karl die päpstlichen Vorgaben beschwor, nur noch als völlige Unterwerfung des römisch-deutschen Throns unter die Oberherrschaft des Papstes gewertet werden. Kein König und kein Kaiser bis zurück zu Karl dem Großen hatte jemals die Würde und Größe des Reichs leichtfertiger und gleichsam schändlicher verkauft und all dies ohne jede Not. Papst Klemens hätte allein um den verachteten Wittelsbacher abzusetzen, Karl ohne jegliches Zugeständnis unterstützt. Karls blinde Gier nach der Krone machte ihn damals unempfänglich für die möglichen Implikationen die seine Leichtsinnigkeit mit sich brachten.

Ein weiterer Schritt, quasi Grundbedingung für die erfolgreiche Wahl Karls, war die Beseitigung des Mainzer Erzbischofs Heinrich III. von Virneburg. An seine Stelle wurde der erst vierundzwanzigjährige Gerlach von Nassau gesetzt. Die Hintergründe haben wir weiter oben beschrieben, wie auch in Buch 2. Die Mehrheitsverhältnisse im Kurkollegium waren jetzt gekippt, vor allem weil im Mai 1346 auch der kaisertreue Erzbischof Balduin von Trier dem Kaiser die Loyalität aufkündigte. Balduin war der glühenste Verfechter einer von Rom völlig autonomen Reichspolitik, als solcher stand er fest an der Seite des Kaisers, wurde selbst wiederholte Male gebannt. Mit der Kandidatur Karls, seines Großneffen, spielten jetzt aber dynastische Gründe eine entscheidendere Rolle.

Die drei Stimmen der geistlichen Wahlfürsten waren Karl sicher, der Kölner Erzbischof hätte viel zu große Sorge, dass ihm das gleiche Schicksal ereilen könnte wie dem abgesetzten Heinrich von Virneburg, als dass er Karl die Stimme verweigert hätte. Als weitere, sichere Stimme konnte jene des Herzogs von Sachsen-Wittenberg gesehen werden. Der Herzog war seit 1323, seit die Mark Brandenburg an des Kaisers Sohn, statt an ihn ging, ein unversöhnlicher Feind Ludwigs. Und natürlich war da noch die Stimme Böhmens, vertreten durch Karls Vater. Nur Pfalzgraf Rudolf, der sich längst mit dem kaiserlichen Onkel versöhnt hatte, würde gegen Karl stimmen, man beabsichtige ihn daher erst gar nicht über die Wahl zu informieren. Markgraf Ludwig von Brandenburg, der älteste Sohn des Kaisers, sollte zur Wahl nicht zugelassen werden, da er unter Kirchenbann stand.

Bevor Karl aus Avignon abreiste, vereinbarte er noch einige Punkte Böhmen betreffend. Wenn wir weiter oben heftige Kritik an ihm übten, so wollen wir nicht vermeiden, ihn an dieser Stelle für seinen Weitblick zu loben. Unter anderem holte er beim Papst die Genehmigung zu Gründung einer Universität ein. Es mag die meisten Leser wundern aber seinerzeit war eine derartige Gründung abhängig von der päpstlichen Erlaubnis. Es wäre die erste Lehranstalt dieser Art im Reich nördlich der Alpen. Karl bewies damit einmal mehr eine Persönlichkeitsfacette die untypisch für seine Zeitgenossen war. Die spätere Gründung der Karls-Universität in Prag, sollte der Kristallisationspunkt für weitere Gründungen im ganzen Reich werden.

Johann und Karl reisten nach Abschluss aller Gespräche  weiter nach Luxemburg, wo einige unterzeichnete Urkunden ihre Anwesenheit dokumentieren. Hier verweilten beide und warteten auf Nachricht vom neuen Mainzer Erzbischof, der der Sitte entsprechend die Wahlfürsten zur Wahl eines neuen Königs einberief. Sie mussten nicht lange warten, Erzbischof Gerlach von Nassau, in seiner zeremoniellen Funktion als Reichserzkanzler des deutschen Reichsteils, lud die erlauchten Großen des Reichs, gemeint waren die Fürsten die dem Gewohnheitsrecht gemäß den König wählten, zum 11. Juli 1346 nach Rhens ein. Um es nicht zum Eklat kommen zu lassen, waren nur fünf der sieben privilegierten Wahlmänner eingeladen.

Es waren dies folgende Personen:

  • Gerlach von Nassau, Erzbischof zu Mainz
  • Walram von Jülich, Erzbischof zu Köln
  • Balduin von Luxemburg, Erzbischof zu Trier
  • Johann von Luxemburg, König von Böhmen
  • Rudolf I. von Askanien, Herzog von Sachsen-Wittenberg

Nicht geladen wurden der Pfalzgraf bei Rhein, Rudolf von Wittelsbach und der Markgraf von Brandenburg, Ludwig von Wittelsbach. Rudolf, ein Neffe des Kaisers war wieder auf die Wittelsbacher Seite eingeschwenkt, nachdem man sich wegen der niederbayrischen Angelegenheit verglichen hatte und Ludwig von Brandenburg, war als Sohn des Kaisers und als von der Kirche gebannter Ketzer, Persona non grata.

Die versammelt Fürsten eröffneten die Veranstaltung indem sie den Kaiser als abgesetzt und den Thron des Reichs als erledigt erklärten. Ohne ein weiteres Intermezzo gingen sie zur Wahl über und stimmten einstimmig, das heißt mit fünf anwesenden Stimmen für Karl, den Markgrafen von Böhmen.

Gleich im Anschluss präsentierten sie den neuerwählten König dem anwesenden Volk. Der Überlieferung nach fiel beim Jubelruf der Menge das am Ufer des Rheins platzierte große Reichspanier, die Reichsflagge mit dem schwarzen Adler auf goldenem Grund, ins Wasser und wurde hinweggespült. Man deutete das allgemein als ein schlechtes Omen. Sofort machten sich Zweifel im Volk, selbst unter den versammelten Fürsten und Vertretern des Klerus breit. Dass mit Rhens zwar ein für die Königswahl wichtiger aber nicht der richtige Ort gewählt wurde, der in Frankfurt am Main lag, tat sein übriges. Rhense hatte im Zusammenhang mit der Königswahl seit einigen Generationen eine gewisse Tradition. Hier trafen sich seit der Wahl Rudolfs von Habsburg die Rheinischen Kurfürsten und beratschlagten über einen Thronkandidaten. In Rhens trafen sich mehr oder weniger die Gebiete der vier Fürsten, weswegen der Ort sich anbot.

Der Wahl folgte erst am 26. November 1346 die Krönung in Bonn. In der Zeit davor versuchte man, da schon der Wahlort nicht dem Protokoll entsprach, jetzt unbedingt den noch symbolträchtigeren Krönungsort Aachen zu gewinnen. Doch die stolze Reichsstadt, die im Herzen ihres Doms den Thron Karls des Großen barg, blieb, genau wie die Reichsstadt Frankfurt, den Kaiser Ludwig treu und verweigerte dem Usurpator Karl den Zugang. Man musste notgedrungen auf Bonn ausweichen und konnte auch nicht auf die korrekten Reichsinsignien zurückgreifen. die sich in den Händen des Kaisers befanden. Doch war es nicht nur der Versuch in Aachen Einlass zu erhalten, der die Krönung so lang hinauszögerte, es war auch ein erschütterndes Ereignis das sich am 26. August 1345 ereignete, dass beinahe alles zunichte gemacht hätte. Wir haben schon in Buch 2 dsvon breichtet, werden es aber im nächsten Kapitel nochmal wiederholen.

Auch wenn Karl die Mehrheit der Kurfürsten hinter sich hatte, auch wenn der Papst durch Intrigen und Drohungen seinen Teil zur Wahl beitrug, so stand Karls Regentschaft auf tönernen Beinen. Keine der wichtigen Symbolakte konnte eingehalten werden, der Vorfall mit der Reichsflagge überschattete dabei noch den Wahltag. Es war fraglich ob Karl sich durchzusetzen vermochte. Ein militärischer Konflikt zwischen den Parteien schien unvermeidlich.


 

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